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Nulltoleranz im Verkehr - Sucht Schweiz

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Im Labor werden Urin- und<br />

Bluttests (Foto rechts) auf den<br />

Alkohol- und Drogengehalt untersucht.<br />

Das 200 000 Franken<br />

teure Blutanalysegerät (Foto<br />

Mitte) erlaubt die Best<strong>im</strong>mung<br />

der Konzentration des aktiven<br />

THC und der THC-Metaboliten<br />

(Foto links).<br />

Fotos: IRM Bern<br />

als ein nüchterner <strong>Verkehr</strong>slenker. Und man kann relativ<br />

zuverlässig zurückrechnen: Wenn eine Blutprobe<br />

<strong>im</strong> Labor einen Promillewert von 0,7 ergibt, dann<br />

hatte der Betreffende vier Stunden vorher be<strong>im</strong> Unfall<br />

zwischen 1,05 und 1,75 Promille <strong>im</strong> Blut. Be<strong>im</strong> THC<br />

ist weder eine verlässliche Rückrechnung noch ein sicherer<br />

Schluss vom Blutwert auf die Wirkung möglich.<br />

Die Wirkung ist individuell zu verschieden, die<br />

Streuung viel zu gross. Sogar wenn <strong>im</strong> Blut kein THC<br />

«Wer täglich mehrere Joints<br />

raucht, kann sein Autoverkaufen.»<br />

nachgewiesen wird, kann jemand bekifft sein. In<br />

Frankreich wurden <strong>im</strong> Rahmen einer Studie das Blut<br />

und das Gehirn von elf Verstorbenen untersucht. Bei<br />

drei davon war das Blut negativ auf THC. Bei allen war<br />

THC <strong>im</strong> Gehirn nachweisbar. Die Werte waren <strong>im</strong> Gehirn<br />

durchwegs höher, bei einigen sogar fünfmal so<br />

hoch wie <strong>im</strong> Blut. Das heisst: Die Konzentration <strong>im</strong><br />

Blut sinkt schneller ab, als der Rausch vergeht. Es ist<br />

aus wissenschaftlicher Sicht unmöglich zu sagen: Bis<br />

zu diesem oder jenem THC-Gehalt <strong>im</strong> Blut ist jemand<br />

in der Lage, sicher ein Motorfahrzeug zu lenken. Deshalb<br />

entschied man sich für <strong>Nulltoleranz</strong>: Sobald THC<br />

<strong>im</strong> Blut nachgewiesen werden kann, gilt dies als Gesetzesverstoss.<br />

Soweit die Theorie. Die Weisungen des Bundesamts für<br />

Strassen zuhanden der Behörden besagen nun aber, dass<br />

in der Praxis ein Grenzwert von 2 Mikrogramm THC pro<br />

Liter Blut zur Anwendung kommen soll. Kann THC unterhalb<br />

dieses Wertes nicht zweifelsfrei registriert werden?<br />

Doch, durchaus. Die Nachweisgrenze («L<strong>im</strong>it of Detection»)<br />

liegt bei 0,5 Mikrogramm pro Liter. Ab dieser<br />

Grenze kann man <strong>im</strong> Routinebetrieb feststellen,<br />

ob THC <strong>im</strong> Blut ist oder nicht, man kann aber nicht<br />

genau messen, wie gross die Konzentration ist. Eine<br />

genaue Quantifizierung der Konzentration ist erst ab<br />

1,5 Mikrogramm möglich. Hier liegt die so genannte<br />

Best<strong>im</strong>mungsgrenze («L<strong>im</strong>it of Quantification»). Dieser<br />

Wert diente dem Bundesamt für Strassen als<br />

Basis. Dazu kommt ein Sicherheitszuschlag von 30<br />

Prozent, so dass der Grenzwert de facto bei 2 Mikrogramm<br />

liegen wird.<br />

Viele Polizeieinheiten wollen ab Januar 2005 Drogenschnelltests<br />

einführen, um vor Ort abklären zu können, ob<br />

eine Blutprobe notwendig ist. Erste Tests zeigten aber,<br />

dass die Fehlerquote speziell bei Cannabis um die 20 Prozent<br />

beträgt. Wie gut sind die Speichel- und Schweisstest-<br />

Geräte aus Ihrer Sicht?<br />

Zunächst möchte ich festhalten, dass keiner dieser<br />

Schnelltests einen genauen Wert best<strong>im</strong>men kann,<br />

0,5 PROMILLE UND NULLTOLERANZ<br />

sie geben <strong>im</strong> besten Fall Hinweise darauf, ob eine<br />

Droge konsumiert wurde. Verglichen mit den Urintests<br />

haben die neuen Schnelltests mehrere Vorteile:<br />

Sie sind für die Polizei praktischer in der Anwendung,<br />

weil der Int<strong>im</strong>bereich nicht tangiert wird, das heisst,<br />

es braucht bei Kontrollen weder einen speziellen<br />

Raum noch weibliches Personal für <strong>Verkehr</strong>steilnehmerinnen.<br />

Zudem sollten die Speicheltests den Konsum<br />

in den letzten Stunden anzeigen, der für die<br />

Fahrtüchtigkeit relevant ist, und nicht wie Urintests<br />

noch Spuren eines Konsums, der mehrere Tage<br />

zurückliegen kann. Es ist aber richtig, dass die auf<br />

dem Markt verfügbaren Tests noch nicht ganz ausgereift<br />

sind, dass sie vor allem bei der Substanz Cannabis<br />

noch zu wenig empfindlich sind. Deshalb verstehe<br />

ich gut, wenn die Berner Kantonspolizei vorläufig an<br />

ihren Urintests festhält.<br />

Viele andere Polizeikorps setzen die Tests trotz der Unsicherheiten<br />

ein. Ist das sinnvoll?<br />

Ich will das nicht beurteilen. Wichtig ist zu wissen,<br />

dass niemand aufgrund von solchen Tests gebüsst<br />

oder sonst bestraft wird, es ist bloss ein weiterer Indikator<br />

nebst der Einschätzung des Polizisten. Was<br />

die Qualität der Tests betrifft, so werden zurzeit <strong>im</strong><br />

Rahmen einer grossen internationalen Studie, an der<br />

auch die <strong>Schweiz</strong> teiln<strong>im</strong>mt, alle derzeit verfügbaren<br />

Geräte genau unter die Lupe genommen. Die detaillierten<br />

Resultate dieser Rosita-2-Studie werden allerdings<br />

erst Ende 2005 bekannt sein. Dann wird es<br />

auch möglich sein, klare Richtlinien für solche Geräte<br />

zu formulieren, Mindestanforderungen betreffend<br />

Empfindlichkeit und Spezifität. Aber der Markt ist<br />

genug umkämpft, so dass die Geräte laufend besser<br />

werden.<br />

«Sogar wenn <strong>im</strong> Blut kein THC<br />

nachgewiesen wird, kann jemand<br />

bekifft sein.»<br />

Hier besteht noch viel Handlungsbedarf, bleiben doch derzeit<br />

auch Automobilisten wegen Hustensaft-Konsums <strong>im</strong><br />

Drogentest hängen…<br />

Das ist klar, diese Tests unterscheiden nicht zwischen<br />

Hustensaft und Heroin. Das <strong>im</strong> Hustensaft enthaltene<br />

Codein gehört ja auch zur Gruppe der Opiate,<br />

folglich muss der Test anzeigen. Der Beweis wird<br />

anschliessend <strong>im</strong> Labor erbracht.

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