Chaos-Pendel - Imaginata
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<strong>Chaos</strong>-<strong>Pendel</strong><br />
110 kV-Halle<br />
Gleichmäßig und vorhersagbar schwingt ein einfaches <strong>Pendel</strong> hin und her.<br />
Doch was passiert, wenn du an ihm einen zweiten <strong>Pendel</strong>arm anbringst?<br />
� Was vermutest du; werden sich die beiden Doppelpendel gleich bewegen?<br />
� Halte den langen <strong>Pendel</strong>arm fest und stoße den kleinen an.<br />
Lass nun dem langen <strong>Pendel</strong>arm los. Was beobachtest du?<br />
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Aufgrund seiner<br />
astronomischen<br />
Berechnungen stellte der<br />
französische Physiker und<br />
Mathematiker Jules Henri<br />
Poincaré (1854 – 1912) die<br />
grundlegende Frage, ob alle<br />
physikalischen Phänomene<br />
stets vorhersagbar sind. In<br />
seinem Bestseller<br />
„Wissenschaft und<br />
Methode“ gab er 1912<br />
folgende Antwort:<br />
„Es kann vorkommen, dass<br />
kleine Unterschiede in den<br />
Anfangsbedingungen große<br />
im Ergebnis zur Folge haben<br />
(…) Vorhersage wird<br />
unmöglich und wir haben<br />
ein zufälliges Phänomen.“
<strong>Pendel</strong> sind ein Symbol der Regelmäßigkeit. Wenn du die Schwingungsdauer eines <strong>Pendel</strong>s<br />
kennst, weißt du genau, wie lang es für eine, hundert oder tausend Schwingungen<br />
brauchen wird.<br />
Völlig anders ist die Situation, wenn du zwei <strong>Pendel</strong> aneinander hängst. Deren<br />
Bewegungen sind alles andere als gleichmäßig, sondern unstet und nicht vorhersagbar.<br />
Das <strong>Chaos</strong>pendel ist eine mittlerweile klassisch gewordene Veranschaulichung solcher<br />
„komplexen“ oder „chaotischen“ Systeme, die völlig regellos erscheinen, auch wenn sie an<br />
sich einfachen physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen.<br />
Mit einem der Doppelpendel kannst du den Unterschied zwischen<br />
„vorhersagbarem“ und „chaotischem“ Verhalten demonstrieren: Wenn du<br />
den zunächst den großen <strong>Pendel</strong>arm festhältst und nur den kleinen<br />
schwingen lässt, bewegt dieser sich regelmäßig wie jedes andere<br />
einfache <strong>Pendel</strong> auch.<br />
Wenn du nun den großen <strong>Pendel</strong>arm loslässt, beginnt dieser ebenfalls<br />
zu schwingen, da der kleine <strong>Pendel</strong>arm einen Teil seiner<br />
Bewegungsenergie auf den großen überträgt. Diese<br />
Energieübertragung geht jedoch nicht nur in eine Richtung, sondern<br />
beide <strong>Pendel</strong> übertragen sich immer wieder gegenseitig einen Teil<br />
ihrer Bewegungsenergie.<br />
Ein Merkmal solcher „gekoppelten Systeme“ ist, dass sie sehr empfindlich auf<br />
unterschiedliche Ausgangsbedingungen reagieren. Du kannst das recht deutlich beim<br />
Vergleich der beiden Doppelpendel sehen. Selbst wenn sich die beiden anfangs noch<br />
synchron bewegen; nach ein paar Schwingungen verhalten sich beide völlig anders und<br />
kehren nicht mehr zu einer gemeinsamen Bewegung zurück. Die beiden Doppelpendel<br />
sind zwar recht ähnlich, aber eben nicht identisch, und so können minimale Unterschiede<br />
beispielsweise der Länge, Masse oder Lagerung der <strong>Pendel</strong> eine große Wirkung zeigen.<br />
Chaotisches Verhalten ist keine Seltenheit. Das wohl prominenteste Beispiel für ein<br />
System, bei dem sichere Prognosen nur für einen kurzen Zeitraum möglich sind, ist das<br />
Wetter. Auch Börsenkurse, die Entwicklung von Räuber-Beute-Populationen oder die<br />
Stabilität unseres Sonnensystems lassen sich wie das <strong>Chaos</strong>pendel zwar durch<br />
mathematische Gleichungen beschreiben, jedoch nicht langfristig vorhersagen.<br />
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