Mischbauweise sorgt für frischen Wind - KI
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04/2005<br />
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92<br />
Komponenten + Systeme Verbindungstechnik ▲<br />
Hintergrundbericht<br />
<strong>Mischbauweise</strong> <strong>sorgt</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>frischen</strong> <strong>Wind</strong><br />
Multi-Material-Design krempelt bei VW die Fügetechnik um<br />
Der Wettstreit der Werkstoffe ist schon lange passé. Die Automobilisten entscheiden<br />
sich immer öfter nicht <strong>für</strong> einen Werkstoff, sondern <strong>für</strong> eine intelligente<br />
Kombination der richtigen Materialien. Doch das erfordert ein Umdenken bei<br />
den Fügetechniken, wie ke am Beispiel des „Multi-Material Designs“ von<br />
Volkswagen aufzeigt. von Nikolaus Fecht<br />
▲<br />
Ein-Liter-Auto<br />
aus Wolfsburg:<br />
Beim Abspecken setzte VW<br />
auf eine konsequente <strong>Mischbauweise</strong><br />
mit Spaceframe-Struktur<br />
aus Magnesium, Strukturteilen<br />
aus CFK sowie auf Bauelemente<br />
aus Aluminium. Bild: VW<br />
Zwei Herzen schlagen in der Brust von<br />
Dr.-Ing. Gerson Meschut. Vor kurzem arbeitete<br />
er noch in der VW-Konzernforschung und<br />
seit kurzem leitet er bei der Böllhoff-Gruppe<br />
die Abteilung Forschung, Entwicklung und<br />
Anwendungstechnik. Aus dem Blickwinkel<br />
des ehemaligen VW-Konzernforschers steht<br />
<strong>für</strong> den Fachmann fest, dass „der Mainstream<br />
zukünftiger Bauweisen auf die Entwicklung<br />
stückzahlabhängiger <strong>Mischbauweise</strong>n zielt.“<br />
Das Zauberwort heißt Multi-Material Design.<br />
Darunter fassen die Experten neue Karosseriekonzepte<br />
zusammen, die sich gegenüber<br />
den modernen Stahl- beziehungsweise<br />
Aluminium-Monobauweisen durch einen Materialmix<br />
auszeichnen. Der Leitgedanke<br />
heißt: Der richtige Werkstoff am richtigen<br />
Ort.<br />
Wie ein derartiger Mix aussehen kann,<br />
führte VW an dem weltweit ersten Ein-Liter-<br />
Auto vor. Beim Abspecken setzten die Wolfsburger<br />
auf eine konsequente <strong>Mischbauweise</strong><br />
mit Spaceframe-Struktur aus Magnesium,<br />
Strukturteilen aus CFK sowie Bauelemente<br />
aus Aluminium.<br />
Sicherlich sehen in Kürze vor allem wegen<br />
der hohen Werkstoffkosten nur wenige Karosserien<br />
so aus, doch das Konzept weist auf die<br />
Trends im Karosseriebau<br />
Die Automobilindustrie arbeitet intensiv an<br />
Misch- und Modulbaukonzepten <strong>für</strong> den Karosseriebau.<br />
Dabei zeichnen sich derzeit laut<br />
Dr.-Ing. Gerson Meschut, F+E-Leiter bei Böllhoff,<br />
zwei wesentliche Arbeitsfelder ab: „Einerseits<br />
werden die hochfesten Stähle, Aluminium-,<br />
Magnesium- und FKV-Technologien<br />
unter fertigungstechnischen Gesichtspunkten<br />
weiterentwickelt, um die Gewichtsvorteile dieser<br />
Werkstoffe zu vertretbaren Kosten im Karosseriebau<br />
nutzen zu können. Andererseits<br />
wird mit Hochdruck an der Fügetechnik und<br />
dem Korrosionsschutz <strong>für</strong> <strong>Mischbauweise</strong>n<br />
gearbeitet. Die Ergebnisse dieser Arbeiten beeinflussen<br />
den zukünftigen Karosseriebau entscheidend,<br />
eventuell revolutionieren sie ihn<br />
sogar.“<br />
Marschrichtung hin. Die Akzeptanz derartiger<br />
<strong>Mischbauweise</strong>n steht und fällt nicht nur<br />
mit dem Preis, sondern auch mit der Verfügbarkeit<br />
kostengünstiger und prozesssicherer<br />
Fügetechniken. Die Anforderungen an die<br />
Verbindungsverfahren reichen vom Arbeitschutz<br />
bis hin zur Wirtschaftlichkeit (siehe Kasten<br />
auf der nächsten Seite).<br />
Bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens<br />
spielt außerdem die Gewährleistung der geforderten<br />
mechanischen Eigenschaften der<br />
Verbindungen über die gesamte Fahrzeuglebensdauer<br />
eine wichtige Rolle. Mit Blick auf<br />
die Anforderungen an eine Automobilkarosserie<br />
beziehungsweise deren Verbindungen<br />
stehen laut Dr. Meschut folgende mechanische<br />
Eigenschaften im Vordergrund:<br />
- hohe Steifigkeit, um Funktionsfähigkeit und<br />
Fahrkomfort zu gewährleisten<br />
- hohe Schwingfestigkeit, um die Betriebsbeanspruchungen<br />
sicher zu ertragen<br />
- hohe Brucharbeit, um im Crashfall ein<br />
Höchstmaß an passivem Insassenschutz sicherzustellen.
Der Stellenwert der Fügetechniken ist<br />
hoch. Dazu der ehemalige VW-Konzernforscher:<br />
„Die Optimierung einer Konstruktion<br />
ist unter anderem über die Optimierung der<br />
Eigenschaften der Verbindungen zu erreichen,<br />
da die Fügestellen häufig die Schwachstellen<br />
des Gesamtverbundes darstellen.<br />
Weiterhin hat die intelligente Wahl der<br />
Schnittstellen zwischen den Karosseriebereichen<br />
einen wesentlichen Einfluss darauf, in<br />
welchem Maße die durch beanspruchungsgerechte<br />
Werkstoffwahl erreichte Gewichtseinsparung<br />
durch notwendiges Zusatzgewicht<br />
an den Fügestellen wieder aufgezehrt wird.“<br />
Die Fügetechnik nimmt dabei eine Hauptrolle<br />
bei der Herstellung von Leichtbaustrukturen<br />
ein. Hier kommt es teilweise zur Ablösung<br />
von bewährten Verfahren: Wegen<br />
schlecht schweißbarer Werkstoffe oder Beschichtungen<br />
und aufgrund des zunehmenden<br />
Materialmixes treten im Karosseriebau<br />
immer öfter wärmearme Verfahren (Kleben<br />
oder mechanisches Fügen) an die Stelle thermischer<br />
Techniken. Dabei geht es entweder<br />
um einen kompletten Ersatz oder zumindest<br />
um eine Ergänzung der bekannten Verfahren<br />
wie Schweißen und Löten. Im Gegenzug laufen<br />
momentan zahlreiche Forschungsprojekte<br />
zum thermischen Fügen <strong>für</strong> den metallischen<br />
Mischbau aus Aluminium und Stahl.<br />
Anders sieht es bei so genannten artverschiedenen<br />
Werkstoffen aus, also zum Beispiel<br />
die Integration von faserverstärkten<br />
Kunststoffverbünden (FKV) in strukturelle<br />
Bereiche der Karosserie. Hier<strong>für</strong> eignen sich<br />
laut Dr. Meschut insbesondere die mechani-<br />
schen und klebetechnischen Verfahren. Meist<br />
handelt es sich bei diesen Anwendungen um<br />
eine Kombination mit anderen Verfahren<br />
(Hybridfügen).<br />
Die Grundlagen dazu erarbeitete ein Team<br />
in einem BMBF-Projekt (Fügesystemoptimierung<br />
zur Herstellung von <strong>Mischbauweise</strong>n<br />
aus Kombinationen der Werkstoffe Stahl, Aluminium,<br />
Magnesium und Kunststoffe – Kennzeichen<br />
03N3077D1). An dem Forschungsvorhaben<br />
beteiligten sich DaimlerChrysler,<br />
Porsche, VW und das Laboratorium <strong>für</strong> Werkstoff-<br />
und Fügetechnik (LWF) der Universität<br />
Paderborn.<br />
In dem Projekt entstand ein Lösungskatalog<br />
zum Fügen von Werkstoffkombinationen<br />
<strong>für</strong> zukünftige Karosseriestrukturen in <strong>Mischbauweise</strong>.<br />
Die Fachleute optimierten Fügeverfahren,<br />
indem sie bestehende Verfahrensgrenzen<br />
mit Blick auf Prozesssicherheit, Festigkeits-<br />
und Alterungsverhalten der Verbin-<br />
Im Karosseriebau treten immer öfter wärmearme<br />
Verfahren an die Stelle thermischer Techniken<br />
Verbindungstechnik<br />
Mono passé: An die<br />
Stelle der<br />
Monobauweisen<br />
tritt im Karosseriebau<br />
das „Multi-Material<br />
Design“, das<br />
die Fügetechnik<br />
umkrempelt.<br />
dungen sowie spezieller Mischbau-Probleme<br />
(Stichwort: deltaalpha-Problematik) ausweiteten.<br />
Für ausgewählte Werkstoffkombinationen<br />
entwickelte das Team sogar neuartige Fügeverfahren<br />
wie Direktverschrauben ohne Vorlochen<br />
oder Bördelstanznieten. Um aussagekräftige<br />
Kennwerte zu erhalten, nahmen die<br />
Fachleute bei ausgewählten Verbindungen<br />
unter die Lupe, wie sich typische Belastungen<br />
auf die Tragfähigkeit auswirken. Für Fertigung,<br />
Konstruktion und Qualitätssicherung<br />
erarbeitete das Team außerdem Hinweise<br />
zum Fügen technisch sinnvoller Werkstoffkombinationen.<br />
Komponenten + Systeme<br />
„Es wird mit Hochdruck an<br />
der Fügetechnik und dem<br />
Korrosionsschutz <strong>für</strong> <strong>Mischbauweise</strong>n<br />
gearbeitet.“<br />
Dr.-Ing. Gerson Meschut, Leiter Forschung,<br />
Entwicklung und Anwendungstechnik bei Böllhoff<br />
Anspruchsvolles Pflichtenheft<br />
Folgende sieben Anforderungen werden heute<br />
an Fügeverfahren gestellt:<br />
■ Funktion, erzeugte Eigenschaften: Mechanik,<br />
Optik, Haptik, Lebensdauer, Korrosion und<br />
Alterung<br />
■ Wirtschaftlichkeit: Investitions- und Betriebskosten,<br />
Produktivität,Automatisierbarkeit,<br />
Personalbedarf, Nacharbeit<br />
■ Prozesssicherheit: Qualität, Reproduzierbarkeit,<br />
Prozessüberwachung, zerstörungsfreie<br />
Prüfung<br />
■ Fertigungskompatibilität:Aufbau- und Zusammenbau-Folge,<br />
Bereitstellung von<br />
Arbeits- und Hilfsstoffen,Takt- und Zykluszeit,Toleranzen,Verzug,<br />
nachfolgende Fertigungsschritte<br />
■ Umwelt- und Arbeitsschutz: Rohstoff- und<br />
Energieverbrauch, Emissionen, Recycling,<br />
Entsorgung, Belüftung,Absaugung, Strahlenschutz,Verletzungsgefahr<br />
■ Kundendienst und Reparatur: Lösbarkeit,<br />
Eigenschaftserhalt, Personalqualifikation,<br />
Infrastruktur<br />
■ Konstruktion:Werkstoffe,Auslegung, Geometrie,<br />
Oberflächen, Zugänglichkeit, Gewicht<br />
Webguide<br />
www.boellhoff.de<br />
Böllhoff<br />
Direkter Zugriff unter www.konstruktion.de<br />
Code eintragen und go drücken ke3442<br />
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