WTZJournal_0116_Freigabe
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01•2016<br />
ISSN 1869-5892 | 4,- €<br />
www.wtz-essen.de<br />
journal<br />
Journal des Westdeutschen<br />
Tumorzentrums<br />
WTZ Essen<br />
4<br />
8<br />
14<br />
Chronische lymphatische Leukämie<br />
und Multiples Myelom<br />
Jan Dürig über praxisverändernde Erkenntnisse<br />
von der ASH-Jahrestagung 2015<br />
Eminenz- und Evidenz-basierte<br />
Behandlungsempfehlungen<br />
Ulrich Dührsen zu überraschenden<br />
Schlussfolgerungen in der Therapie des<br />
diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms<br />
Midostaurin in der Behandlung<br />
von AML-Patienten mit FLT-3-Mutation<br />
Richard Noppeney zum seit Jahren<br />
ersten echten Fortschritt der AML-Therapie
NEU:<br />
In Deutschland<br />
zugelassen<br />
Wenn das multiple Myelom rezidiviert<br />
Kyprolis ® – weil<br />
Ansprechen entscheidet 1–4<br />
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Ein medianes PFS von 26,3 Monaten 1,#<br />
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Medizinisch-wissenschaftliche Produktanfragen<br />
täglich von 8.00 bis 18.00 Uhr oder online auf amgen.de<br />
# Es handelt sich hierbei um Daten der KRd-Gruppe aus der Zulassungsstudie ASPIRE (vs Rd).<br />
1 Stewart AK et al. N Engl J Med 2015;372:142-152. 2 Ludwig H et al. Leukemia 2013;1-12. 3 Suzuki K Clin Exp Nephrol 2012;16:659-671. 4 Paiva B et al. Blood. 2015;125(20):3059-3068.<br />
Kurzinformation: Kyprolis ® 60 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Carfilzomib Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Jeder Verdachtsfall einer Nebenwirkung sollte gemeldet werden.<br />
Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandteil: Jede Durchstechflasche enthält 60 mg Carfilzomib. Nach Rekonstitution enthält 1 ml Lösung 2 mg Carfilzomib. Sonstige Bestandteile: Hexakis- und Heptakis-O-(4-sulfobutyl)cyclomaltoheptaose-<br />
Natriumsalz (1:6,2-6,9), Citronensäure (E 330), Natriumhydroxid (zur pH-Wert Einstellung). Jeder ml der rekonstituierten Lösung enthält 7 mg Natrium. Anwendungsgebiet: Kyprolis ® ist in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason zur<br />
Behandlung von erwachsenen Patienten mit multiplem Myelom indiziert, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Stillende<br />
Frauen. Da Kyprolis ® in Kombination mit anderen Arzneimitteln angewendet wird, sind deren Fachinformationen bezügl. zusätzl. Gegenanzeigen zu beachten. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Pneumonie, Infektion der Atemwege, Nasopharyngitis,<br />
Thrombozytopenie, Neutropenie, Anämie, Lymphopenie, Hypokaliämie, Hyperglykämie, vermindeter Appetit, Schlaflosigkeit, Schwindel, periphere Neuropathie, Kopfschmerzen, Hypertonie, Dyspnoe, Husten, Erbrechen, Diarrhö, Konstipation,<br />
abdominale Schmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen, Arthralgie, Schmerzen in den Extremitäten, Muskelkrämpfe, erhöhtes Kreatinin im Blut, Infusionsreaktionen, Pyrexie, periphere Ödeme, Asthenie, Fatigue. Häufig: Sepsis, Grippe, Infektion der<br />
Harnwege, Bronchitis, Virusinfektion, febrile Neutropenie, Leukopenie, Dehydratation, Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hyperkalzämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie, Hyperurikämie, Hypoalbuminämie, Angstzustände,<br />
Parästhesie, Hypoästhesie, Katarakt, verschwommenes Sehen, Herzinsuffizienz, Vorhoffflimmern, Tachykardie, Herzklopfen, tiefe Venenthrombose, Hypotonie, Hautrötung, Lungenembolie, Lungenödem, Epistaxis, oropharyngeale Schmerzen,<br />
Dysphonie, Keuchen, pulmonale Hypertonie, Dyspepsie, Zahnschmerzen, erhöhte Alanin-Aminotransferase, erhöhte Aspartat-Aminotransferase, erhöhte Gammaglutamyl-Transferase, Hyperbilirubinämie, Hautausschlag, Pruritus, Erythem,<br />
Hyperhidrose, muskuloskelettale Schmerzen, muskuloskelettale Schmerzen in der Brust, Knochenschmerzen, Myalgie, Muskelschwäche, akutes Nierenversagen, Nierenversagen, Nierenfunktionsstörung, verminderte renale Kreatinin-Clearance,<br />
Brustschmerzen, Schmerzen, Reaktionen an der Infusionstelle, Schüttelfrost, erhöhtes C-reaktives Protein, erhöhte Harnsäure im Blut. Gelegentlich: Arzneimittelüberempfindlichkeit, hämolytisch-urämisches Syndrom, Tumorlyse-Syndrom,<br />
Schlaganfall, Herzstillstand, Myokardinfarkt, myokardiale Ischämie, verringerte Ejektionsfraktion, Perikarditis, Perikarderguss, hypertensive Krisen, ARDS, akutes Lungenversagen, interstitielle Lungenerkrankung, Pneumonitis, gastrointestinale<br />
Perforation, Leberversagen, Cholestase, Multiorganversagen. Selten: thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, thrombotische Mikroangiopathie, posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom, hypertensive Notfälle. Weitere Angaben: s.<br />
Fach- und Gebrauchsinformation Verschreibungspflichtig. Stand der Information: November 2015 AMGEN Europe B.V., 4817 ZK Breda, Niederlande; (Örtlicher Vertreter Deutschland: AMGEN GmbH, 80992 München)<br />
DE-P-CARF-1115-118434(1)
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
editorial<br />
3<br />
diese Ausgabe des WTZ-Journals ist ein echtes Schwerpunktheft geworden.<br />
Autoren der Klinik für Hämatologie haben ihren Besuch bei der ASH-Jahres -<br />
tagung sozusagen Revue passieren lassen und berichten über ihre jeweiligen<br />
Spezialgebiete. Jan Dürig fasst die wichtigsten klinischen Entwicklungen<br />
zum Multiplen Myelom und zur chronischen lymphatischen Leukämie (CLL)<br />
zusammen. Ulrich Dührsen zeigt in seinem Kommentar zu einem Vortrag des<br />
ASH-Fortbildungsprogramms, dass wunderbare theoretische Konzepte allein<br />
nicht ausreichen, um ein bewährtes Therapiekonzept zu ändern, randomisierte<br />
Prüfungen sind stattdessen gefragt. Konkret geht es um die bei einer<br />
ASH-Fortbildungsveranstaltung infrage gestellte R-CHOP-Therapie des<br />
diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL).<br />
Andreas Hüttmann berichtet über eine Studie zur Rituximab-Therapie der<br />
CD20-positiven akuten lymphatischen Leukämie, und Joachim R. Göthert<br />
präsentiert den Pathomechanismus von Calreticulin-Mutationen bei myeloproliferativen<br />
Neoplasien. Alexander Röth stellt Eculizumab vor, einen<br />
neuen monoklonalen Antikörper für die Behandlung von Patienten mit<br />
hämolytischer Kälteagglutininerkrankung, und Richard Noppeney schließlich<br />
berichtet über den seit Jahren ersten wirklichen Fortschritt in der medikamentösen<br />
Therapie der akuten myeloischen Leukämie.<br />
Aber die Hämatologie bildet nicht den einzigen Schwerpunkt dieser Ausgabe;<br />
denn im Dezember jeden Jahres trifft sich anlässlich der San Antonio Breast<br />
Cancer Conference in der texanischen Metropole auch die weltweite Elite in<br />
Sachen Brustkrebs. Peter Kern von der Frauenklinik war ebenfalls dabei und<br />
referiert die wichtigsten Studien.<br />
Wir wünschen Ihnen wie immer eine erkenntnisreiche Lektüre und freuen<br />
uns über Ihre Kommentare und Anregungen, am einfachsten per E-Mail an<br />
wtz@uk-essen.de.<br />
Herzlichst Ihre<br />
4<br />
8<br />
10<br />
11<br />
13<br />
14<br />
Berichte von der Jahrestagung 2015<br />
der American Society of Hematology<br />
(ASH)<br />
Chronische lymphatische<br />
Leukämie und Multiples Myelom<br />
Rasante Fortschritte in der<br />
Therapievon CLL und MM<br />
Prof. Dr. Jan Dürig<br />
Eminenz- und Evidenz-basierte<br />
Behandlungsempfehlungen<br />
Die Behandlung der häufigsten<br />
Tumorerkrankung des Immun -<br />
systems, des diffusen großzelligen<br />
B-Zell-Lymphoms (DLBCL)<br />
Prof. Dr. Ulrich Dührsen<br />
Rituximab bei der CD20-positiven<br />
akuten lymphatischen Leukämie<br />
Der Stellenwert des gegen CD20<br />
gerichteten Antikörpers Rituximab<br />
PD Dr. Andreas Hüttmann<br />
Calreticulin-Mutationen bei<br />
myeloproliferativen Neoplasien<br />
Pathomechanismus der<br />
Calreticulin-Mutation entschlüsselt<br />
Dr. Joachim R. Göthert<br />
Eculizumab: eine neue Option zur<br />
Therapie der Autoimmunhämolyse<br />
vom Kälteantikörpertyp (CAD)<br />
Erfreuliches Ergebnis der<br />
DECADE-Studie<br />
PD Dr. Alexander Röth<br />
Midostaurin verbessert die<br />
Prognose von AML-Patienten<br />
mit FLT-3-Mutation<br />
Der Multikinase-Inhibitor ist<br />
nach Jahren die erste Innovation<br />
in der Therapie der AML<br />
Dr. Richard Noppeney<br />
Dirk Schadendorf<br />
Geschäftsführender<br />
Direktor des WTZ<br />
Andreas Hüttmann<br />
Redaktionsleiter des WTZ-Journals<br />
16<br />
Mammakarzinom: Praxisrelevante<br />
Highlights vom SABCS 2015<br />
Die wichtigsten praxisverändernden<br />
Ergebnisse vom weltweit bedeutendsten<br />
Brustkrebskongress<br />
Dr. Peter A. Kern<br />
17<br />
Behandlunsprogramme<br />
Alle Behandlungsprogramme<br />
auf einen Blick<br />
20<br />
Panorama<br />
Impressum
A S H<br />
In Orlando wurden erste Ergebnisse aus der aktuell laufen -<br />
den GREEN-Studie präsentiert. Die Phase-III-Studie unterw<br />
t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
ORLANDO · FLORIDA · USA<br />
Chronische lymphatische Leukämie<br />
und Multiples Myelom<br />
Jan Dürig, Klinik für Hämatologie, Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Aufgrund des rasanten Fortschritts bei der Therapie der CLL und des MM waren diese Erkrankungen<br />
ein besonderer Schwerpunkt bei der ASH-Jahrestagung im Dezember 2015 in Orlando, Florida<br />
(USA). Insbesondere die CLL entwickelt sich aufgrund ihrer Häufigkeit und der leichten Zugänglichkeit<br />
der malignen Zellen im peripheren Blut zu einer Modellerkrankung für die Erforschung<br />
neuer zielgerichteter Therapieansätze in der Hämatologie.<br />
Therapie der chronischen<br />
lymphatischen Leukämie<br />
Bendamustin plus Obinutuzumab in der<br />
CLL-Primärtherapie<br />
Im Rahmen der 2014 im NEJM von Goede et al. publizierten<br />
CLL11-Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass die Kombination<br />
des neuartigen Anti-CD20-Antikörpers Obinutuzumab<br />
mit Chlorambucil (CLB) einer CLB-Monotherapie<br />
hinsichtlich progressionsfreiem Überleben (PFS) und Gesamtüberleben<br />
(OS) überlegen ist. Diese Ergebnisse begründeten<br />
die Zulassung von Obinutuzumab in Kombina -<br />
tion mit CLB für die Behandlung älterer CLL-Patienten, die<br />
aufgrund von Komorbiditäten nicht für eine intensive Flud -<br />
arabin-basierte Chemotherapie geeignet erscheinen.<br />
sucht Sicherheit und Wirksamkeit der kombinierten Applikation<br />
von Obinutuzumab und Bendamustin bei insgesamt<br />
950 Patienten [1]. Stephan Stilgenbauer von der Universitätsklinik<br />
in Ulm berichtete über eine Subgruppenanalyse,<br />
die 158 zuvor unbehandelte CLL-Patienten umfasst. Ungefähr<br />
die Hälfte dieser Patienten weisen relevante Komorbiditäten<br />
auf (CIRS-Score >6 oder Kreatinin-Clearance
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
den Neutropenien (50%), Infusionsreaktionen (15,2%), Infektionen<br />
(12,7%) und Thrombozytopenien (12,7%) beobach -<br />
tet. Es traten insgesamt 9 Todesfälle auf, wobei 8 als therapieassoziiert<br />
bewertet wurden (TRM 5,7%).<br />
Fazit: Diese ersten Ergebnisse der GREEN-Studie zeigen,<br />
dass das Bendamustin-Obinutuzumab-Protokoll<br />
eine wertvolle neue Option für die Erstlinienbehandlung<br />
sowohl fitter als auch unfitter CLL-Patienten<br />
sein könnte.<br />
Ibrutinib in der CLL-Primärtherapie<br />
Ibrutinib (IBR) ist ein oral applizierbarer Hemmstoff der<br />
Bruton-Tyrosinkinase (BTK), die vorwiegend in B-Lymphozyten<br />
exprimiert wird und eine wichtige Rolle in der B-Zell-<br />
Rezeptor-Signalgebung spielt. Seit Ende Oktober 2014 ist<br />
Ibrutinib zur Behandlung von Patienten mit CLL zugelassen,<br />
wenn diese mindestens eine vorangehende Therapie absolviert<br />
haben oder in ihren Krebszellen eine 17p-Deletion<br />
beziehungsweise eine TP53-Mutation nachgewiesen wurde.<br />
Aufgrund des günstigen Nutzen-Risiko-Profils stellt die<br />
Einführung dieser Substanz einen Meilenstein in der Rezidivbehandlung<br />
der CLL dar.<br />
In der auf der ASH-Tagung vorgestellten RESONATE-2 Studie<br />
[2] wurde IBR bei 269 therapienaiven Patienten gegen eine<br />
CLB-Monotherapie getestet. Im experimentellen Arm der<br />
Studie wurden die Patienten kontinuierlich mit IBR 420<br />
mg/Tag bis zum Progress der Erkrankung oder bis zum Auftreten<br />
nicht akzeptabler Toxizitäten behandelt. Die CLB-<br />
Monotherapie wurde in Anlehnung an das Vorgehen im<br />
Rahmen der CLL11-Studie mit bis zu 12 4-wöchigen Zyklen<br />
(CLB 0,5 mg/kg jeweils Tag 1 und 15) durchgeführt.<br />
Das mediane PFS lag im CLB-Arm der Studie bei 18,9 Monaten.<br />
Im IBR-Arm war das mediane PFS nach einer Beobachtungszeit<br />
von 18 Monaten noch nicht erreicht (Abb. 1A).<br />
Auch Hochrisiko-Patienten profitierten von der Behandlung<br />
mit IBR: während das PFS für Patienten mit einer Deletion<br />
11q und einem nicht mutierten IgVh-Status jeweils nur 9<br />
Monate betrug, wurde auch in dieser Gruppe das mittlere<br />
PFS im IBR-Arm nicht erreicht. Auch bei der Analyse des<br />
Gesamtüberlebens zeigten sich klinisch bedeutsame, hochsignifikante<br />
Unterschiede (Abb. 1B): Nach 2 Jahren lebten<br />
noch 98% der mit IBR behandelten im Vergleich zu 84%<br />
der Patienten im Kontrollarm (HR 0,16; p=0,001).<br />
Das Sicherheitsprofil entsprach den Erfahrungen früherer<br />
Studien. Als häufigste, bei mehr als 20% der Patienten ausgeprägte<br />
Nebenwirkungen wurden Diarrhö, Fatigue, Husten<br />
und Nausea berichtet. Aus klinischer Sicht bedeutsam<br />
waren IBR-assoziierte Blutungsereignisse (1-mal Grad 2, 4-<br />
mal Grad 3, 1-mal Grad 4). Sie traten bei 6 Patienten auf,<br />
die in der Mehrzahl zusätzlich antikoagulatorisch, zum Beispiel<br />
mit niedermolekularem Heparin behandelt wurden.<br />
Fazit: Die Erstlinienbehandlung mit Ibrutinib bei älteren,<br />
häufig komorbiden Patienten mit CLL führt<br />
im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie mit<br />
Chlorambucil zu einer statistisch signifikanten und<br />
klinisch relevanten Verlängerung des PFS und OS.<br />
Die gute Verträglichkeit des BTK-Inhibitors wird zukünftig<br />
wahrscheinlich eine Behandlung sehr alter<br />
und unfitter Patienten ermöglichen, die bislang als<br />
gar nicht oder nur supportiv behandelbar galten.<br />
Bendamustin-Rituximab plus Idelalisib in der<br />
CLL-Rezidivtherapie<br />
Die Kombination aus Bendamustin und Rituximab (BR) ist<br />
eine gut etablierte Therapieoption, die bei der rezidivierten<br />
CLL im Mittel ein PFS von 13 Monaten erzielt, bei Patienten<br />
mit zytogenetischen Hochrisikoveränderungen wie zum<br />
Beispiel einer Deletion 17p jedoch kaum wirksam ist. Zu<br />
den neuen Substanzen, die in den für die CLL-Zellen überlebenswichtigen<br />
B-Zell-Rezeptor-Signalweg eingreifen, gehört<br />
Idelalisib (IDEL), ein Inhibitor der PI3K-Delta (Phosphoinositol-3-Kinase<br />
Delta).<br />
In einer 416 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL<br />
umfassenden randomisierten, doppelblinden Phase-III-<br />
Studie wurden Sicherheit und Wirksamkeit einer kombinierten<br />
Gabe von IDEL plus BR mit einer Standard-BR-Therapie<br />
verglichen [3]. Die im experimentellen Arm der Studie<br />
behandelten Patienten profitierten im Sinne einer Verdopplung<br />
des medianen PFS von 11,1 auf 23,1 Monate (HR<br />
5<br />
Anteil progressionsfrei<br />
Überlebender (%)<br />
100<br />
80<br />
Ibrutinib<br />
60<br />
Chlorambucil<br />
40<br />
Chlorambucil Ibrutinib<br />
20 Medianes PFS 18,9 Monate nicht erreicht<br />
HR 0,16 (95%CI 0,09-0,28); p
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
6<br />
0,33; p
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
dieser Daten ist jedoch zu berücksichtigen, dass Bortezomib<br />
in dieser Studie intravenös verabreicht wurde. Bei Verwen -<br />
dung der heute gängigen subkutanen Bortezomib-Applika -<br />
tion sollte diese Nebenwirkung deutlich seltener auftreten.<br />
Fazit: Sollten sich die Ergebnisse dieser Studie bestätigen<br />
und die Verträglichkeit durch Umstellung auf<br />
eine subkutane Bortezomib-Gabe verbessern lassen,<br />
könnte sich VRd gefolgt von einer Rd-Erhaltung als<br />
ein neuer Standard für die Erstlinienbehandlung<br />
nicht transplantationsfähiger Patienten etablieren.<br />
Hochdosistherapie weiterhin Therapiestandard<br />
bei jüngeren MM-Patienten<br />
Die Einführung hochwirksamer neuer Substanzen befeuerte<br />
in den letzten Jahren Diskussionen, die den Stellenwert<br />
der Hochdosistherapie in der Primärtherapie jüngerer Patienten<br />
(
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
8<br />
Ulrich<br />
Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom<br />
Eminenz- und Evidenz-basierte Behandlungsempfehlungen<br />
Dührsen, Klinik für Hämatologie,<br />
Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Die Behandlung der häufigsten Tumorerkrankung<br />
des Immunsystems, des diffusen<br />
großzelligen B-Zell-Lymphoms<br />
(DLBCL), war bisher einfach: Unabhängig von Stadium<br />
und Subtyp erhielten die Patienten 6–8 Zyklen R-CHOP.<br />
Hiermit wurden zwei Drittel geheilt. Sollte ein Beitrag<br />
bei der ASH-Jahrestagung 2015 wirklich Anlass sein, diese<br />
Praxis jetzt zu ändern?<br />
werden, ob ein primär mediastinales B-Zell-Lymphom vorliegt,<br />
eine Erkrankung mit Ähnlichkeiten zum Hodgkin-<br />
Lymphom. Wenn auch dies nicht der Fall ist, müsse mit<br />
kürzlich etablierten, bisher nur an wenigen Orten verfügbaren<br />
Methoden eine Genexpressionsanalyse auf Ribonukleinsäure-Niveau<br />
vorgenommen werden, um DLBCL mit<br />
der Gensignatur aktivierter B-Zellen (ABC-Typ) von DLBCL<br />
mit der Signatur von Keimzentrumszellen (GCB-Typ) abzugrenzen.<br />
Nur für die letztgenannten, prognostisch beson -<br />
ders günstigen Lymphome sei R-CHOP heute noch als Behandlungsstandard<br />
vertretbar.<br />
Im Fortbildungsprogramm der ASH-Konferenz 2015 wurde<br />
von Jonathan Friedberg, einem Hämatologen aus Rochester,<br />
New York, unter dem Titel toward a precision medicine approach<br />
postuliert, dass die uniforme R-CHOP-Therapie nicht<br />
länger haltbar sei (Abb. 1) [1].<br />
Nach Biopsie und histologischer Diagnosestellung müsse<br />
zunächst mit Hilfe der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung<br />
geprüft werden, ob es sich um ein sogenanntes Doublehit-Lymphom<br />
handelt, das sich durch das gleichzeitige Vorliegen<br />
einer MYC- und BCL2-Translokation auszeichnet und<br />
besonders ungünstig verlaufen soll. Wenn dies – wie bei<br />
95% der DLBCL – nicht der Fall ist, müsse anhand der klinischen<br />
und pathologisch-anatomischen Befunde geklärt<br />
Es stellt sich die Frage:<br />
Was ist die Grundlage der Behandlungsempfehlungen<br />
für die anderen Gruppen?<br />
Ergebnisse randomisierter Studien, die die auf der ASH-<br />
Konferenz vorgetragenen Empfehlungen stützen könnten,<br />
liegen nicht vor. Bei Double-hit-Lymphomen wird das DA-<br />
EPOCH-R-Protokoll empfohlen, das die gleichen Substanzen<br />
enthält wie das deutsche CHOEP-Schema, dies aber als 96-<br />
stündige Dauerinfusion und in von Zyklus zu Zyklus steigender<br />
Dosierung. Ein Beitrag von der ASH-Konferenz 2014<br />
zeigte in einer einarmigen, 52 Patienten umfassenden<br />
Studie ein progressionsfreies Überleben von 80% nach 18<br />
Monaten [2]. Retrospektive Analysen verschiedener amerikanischer<br />
Kliniken erlauben eine Abschätzung der Wirksamkeit<br />
von DA-EPOCH-R<br />
im Vergleich zu anderen<br />
Therapieregimen. In einer<br />
129 Patienten umfas sen -<br />
den Studie des MD Anderson<br />
Cancer Centers, Houston,<br />
lag das progressionsfreie<br />
Überleben von Patienten<br />
mit Double-hit-Lym-<br />
Abbildung 1: Toward a precision<br />
approach to DLBCL: Mit diesem<br />
Vortragsdia stellte Jonathan<br />
Friedberg, Hämatologe<br />
aus Rochester, New York, das<br />
bisherige Standardvorgehen<br />
bei der Therapie des diffusen<br />
großzelligen B-Zell-Lymphoms<br />
(DLBCL) in Frage [1].
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
phomen nach DA-EPOCH-R bei 70%, nach R-CHOP oder<br />
Burkitt-artigen Therapieansätzen dagegen nur bei etwa<br />
40% [3].<br />
Außerhalb von Houston wurden andere Erfahrungen gemacht:<br />
In einer multizentrischen Studie überlebten nach<br />
Burkitt-artigen Protokollen 60%, nach DA-EPOCH-R 40%<br />
und nach R-CHOP 20% der 223 untersuchten Patienten 18<br />
Monate progressionsfrei [4]. In einer britischen Studie, in<br />
der der eingangs genannte Therapiestandard an über 1000<br />
Patienten prospektiv etabliert wurde, war das 5-Jahres-<br />
Überleben von Patienten mit Double-hit-Lymphom unter<br />
R-CHOP nur geringfügig schlechter als das Überleben von<br />
Patienten mit anderweitigen DLBCL (Abb. 2) [5].<br />
Anteil Überlebender<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
keine Double-hit-Konstellation<br />
Double-hit-Konstellation<br />
0,2<br />
HR 2,2 (95%CI 0,98–5,2); p=0,051<br />
0<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
Zeit seit Randomisierung (Jahre)<br />
Abbildung 2: Gesamtüberleben von Patienten mit DLBCL unter<br />
R-CHOP in An- (rot, n=16) oder Abwesenheit (blau, n=338) einer<br />
Double-hit-Konstellation. Adaptiert nach [5].<br />
Es stellt sich die Frage:<br />
Ist die Datenlage ausreichend, um R-CHOP bei<br />
Double-hit-Lymphomen aufzugeben?<br />
Das DA-EPOCH-R-Protokoll ist nach den neuen Empfeh -<br />
lungen auch die bevorzugte Therapie für das primär media -<br />
stinale B-Zell-Lymphom. Eine einarmige amerikanische<br />
Studie, in die 51 Patienten über einen Zeitraum von 13 Jahren<br />
eingebracht wurden, ergab ein 5-Jahres-Überleben von 97%<br />
[6]. Dieses lag in einer 76 Patienten umfassenden grie -<br />
chischen Studie unter R-CHOP bei 89% [7]. In Anlehnung<br />
an das Vorgehen beim Hodgkin-Lymphom erhielten in Griechenland<br />
viele, in Amerika dagegen nur wenige Patienten<br />
eine zusätzliche Strahlentherapie. Dort wurde die Indikation<br />
zur Bestrahlung vom Ergebnis der FDG-PET-Untersuchung<br />
abhängig gemacht, die in zweifelhaften Fällen alle 6 Wochen<br />
wiederholt wurde.<br />
Es stellt sich die Frage:<br />
Ist DA-EPOCH-R beim primär mediastinalen<br />
B-Zell-Lymphom besser als R-CHOP?<br />
Unsere Vorstellungen zur Pathogenese des ABC-Typs<br />
diffuser großzelliger B-Zell-Lymphome konzentrieren sich<br />
auf die Aktivierung des NFκB-Signaltransduktionswegs,<br />
der der Zelle Überlebens- und Proliferationsimpulse vermittelt.<br />
Substanzen wie Bortezomib, Lenalidomid und Ibru-<br />
tinib können diesen Übertragungsweg blockieren. Das Prinzip<br />
der NFκB-Inhibition wird zurzeit unter randomisierten<br />
Bedingungen geprüft, indem die genannten Medikamente<br />
zusätzlich zu R-CHOP oder als Ersatz für Vincristin eingesetzt<br />
werden. Die Ergebnisse dreier Studien zum Nutzen von<br />
Bortezomib liegen nun vor. Eine auf der ASH-Konferenz<br />
präsentierte, 183 Patienten umfassende amerikanische<br />
Studie [8] verlief ebenso wie eine kürzlich publizierte weltweite<br />
Studie negativ (Abb. 3) [9].<br />
Anteil progressionsfrei<br />
Überlebender (%)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Zeit seit Randomisierung (Monate)<br />
Eine über 1000 Patienten umfassende britische Studie<br />
wurde nur partiell dargestellt, alles deutet aber darauf hin,<br />
dass auch sie ohne Erfolg blieb [10]. Darüber hinaus lassen<br />
die Ergebnisse vermuten, dass der seit 15 Jahren postulierte<br />
Prognose-Unterschied zwischen ABC- und GCB-Lymphomen<br />
bei prospektiver Datenerhebung nicht reproduzierbar ist.<br />
Fazit: Die geschilderten Daten lassen keinen Zweifel<br />
an der hohen Wirksamkeit des DA-EPOCH-R-Protokolls.<br />
Ob es besser ist als R-CHOP, wird zurzeit randomisiert<br />
geprüft. Lassen Sie uns abwarten, was<br />
dabei herauskommt. Die Erfahrungen mit Bortezomib<br />
beim ABC-Lymphom belegen eindrucksvoll, dass<br />
theoretisch begründete Konzepte und wunderbare<br />
Ergebnisse unkontrollierter Studien einer randomisierten<br />
Prüfung nicht immer Stand halten.<br />
Literatur<br />
R-CHOP<br />
VR-CAP<br />
Abbildung 3: Progressionsfreies Überleben von 164 Patienten mit<br />
Non-GCB-Lymphomen, dem immunhistochemischen Korrelat des<br />
genexpressionsanalytisch definierten ABC-Lymphoms, unter R-CHOP<br />
oder VR-CAP (Ersatz von Vincristin durch Bortezomib). Auch das Gesamtüberleben<br />
war mit beiden Therapieprotokollen gleich [9].<br />
[1] Friedberg (2015) Hematology Am Soc Hematol Educ Program<br />
2015: 618<br />
[2] Dunleavy et al. (2014) ASH abstract 395<br />
[3] Oki et al. (2014) Br J Haematol 166: 891<br />
[4] Petrich et al. (2014) Blood 124: 2354<br />
[5] Cunningham et al. (2013) Lancet 381: 1817<br />
[6] Dunleavy et al. (2013) N Engl J Med 368: 1408<br />
[7] Vassilakopoulos et al. (2012) Oncologist 17: 239<br />
[8] Leonard et al. (2015) ASH abstract 811<br />
[9] Offner et al. (2015) Blood 126: 1893<br />
[10] Davies et al. (2015) ASH abstract 812<br />
9
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
10<br />
Rituximab bei der CD20-positiven<br />
akuten lymphatischen Leukämie (ALL)<br />
Verlängerung des ereignisfreien Überlebens nachgewiesen<br />
Andreas Hüttmann, Klinik für Hämatologie,<br />
Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Die Behandlung der akuten lymphatischen<br />
Leukämie (ALL) des Erwachsenen<br />
fußt überwiegend auf Erfahrungen und Therapieprotokollen<br />
aus der Kinderheilkunde. Vergleichende Studien,<br />
die den Wert eines Medikaments oder einer bestimmten<br />
Maßnahme prüfen, werden bei der ALL nur sehr selten<br />
durchgeführt.<br />
Besondere Aufmerksamkeit erhielt bei der ASH-Jahrestagung<br />
2015 daher eine Untersuchung aus Frankreich, die<br />
den Stellenwert des gegen CD20 gerichteten Antikörpers<br />
Rituximab in der Behandlung der CD20-positiven, Philadelphia-Chromosom-negativen<br />
ALL untersuchte.<br />
Rituximab bei CD20-positiver B-ALL<br />
Die Klassifikation der ALL ist im Wesentlichen eine immunologische.<br />
Etwa 75%–80% aller ALL haben einen B-Zell-<br />
Ursprung. Aufgrund des unreifen Charakters der B-ALL wird<br />
das therapeutisch gut angehbare CD20-Antigen nur bei<br />
einem Teil der Erkrankten gefunden. Patienten mit CD20-<br />
positiver B-ALL – ungefähr 30%–40% der Erkrankungen –<br />
haben eine schlechtere Prognose als Patienten mit CD20-<br />
negativer B-ALL. Sébastien Maury und Co-Autoren von der<br />
französischen GRAALL-Studiengruppe gingen in einer<br />
Anteil ereignisfrei Überlebender<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
Rituximab<br />
Kontrolle<br />
HR 0,66 (95%CI 0,45–0,98); p=0,038<br />
0<br />
0 12 24 36 48 60 72 84 96<br />
Zeit (Monate)<br />
Abbildung 1: Ereignisfreies Überleben in der GRAALL-Studie. Im<br />
Beobachtungsarm überlebten bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit<br />
von 30 Monaten 52% der Patienten ereignisfrei, im Interventionsarm<br />
mit Rituximab dagegen 65%. Adaptiert nach [1].<br />
Phase-III-Studie nun der Frage nach, ob die Behandlung<br />
mit Rituximab das ereignisfreie Überleben (event free survival,<br />
EFS) bei Patienten mit CD20-positiver B-ALL verbessert.<br />
209 Patienten im Alter von 18 bis 59 Jahren wurden nach<br />
dem in Frankreich üblichen Chemotherapie-Protokoll GRAALL<br />
2005 behandelt. 105 dieser Patienten erhielten während<br />
der knapp 3-jährigen Therapie zusätzlich bis zu 18 Rituximab-Infusionen.<br />
104 Patienten erhielten ausschließlich die<br />
Chemotherapie ohne Rituximab. Beide Gruppen waren hinsichtlich<br />
der Erkrankungs- und Risikomerkmale gleichartig<br />
zusammengesetzt. Schwere unerwünschte Ereignisse traten<br />
in beiden Gruppen gleich häufig auf. Befürchtungen hinsichtlich<br />
einer vermehrten Toxizität im Rituximab-Arm<br />
haben sich nicht bestätigt. Keine Unter schiede gab es auch<br />
bei den Ansprechraten mit über 90% der Patienten in kompletter<br />
hämatologischer Remission nach der Induktionstherapie.<br />
EFS ist bei der ALL ein „harter“ Endpunkt<br />
Hingegen wurde der primäre Studienendpunkt erreicht.<br />
Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 30 Monaten<br />
überlebten 52% der Patienten ereignisfrei, im Interventionsarm<br />
mit Rituximab dagegen 65%: HR 0,66; 95%CI 0,45-<br />
0,98; p=0,038 (Abb. 1). Das Gesamtüberleben war für Rituximab-behandelte<br />
Patienten nur besser, wenn das Ergebnis<br />
der Stammzelltransplantation in erster Remission nicht<br />
berücksichtigt wurde.<br />
Fazit: Die Untersuchung der GRAAL zeigt, dass Patienten<br />
mit CD20-positiver B-ALL hinsichtlich des<br />
EFS, das bei der ALL als „harter“ Endpunkt zu bewerten<br />
ist, profitieren. Das Vorgehen der Deutschen ALL-<br />
Studiengruppe GMALL, Rituximab bei CD20-positiver<br />
B-ALL einzusetzen, wird somit untermauert und<br />
ist nun anhand der französischen Studienergebnisse<br />
gut zu begründen.<br />
Literatur<br />
[1] Maury S et al. (2015) Addition of Rituximab Improves the Outcome<br />
of Adult Patients with CD20-Positive, Ph-Negative, B-Cell Precursor<br />
Acute Lymphoblastic Leukemia (BCP-ALL): Results of the Randomized<br />
GRAALL-R 2005 Study. Blood 2015;126:1
A S H<br />
Calreticulin-Mutationen<br />
bei myelo-proliferativen<br />
Neoplasien<br />
Pathomechanismus entschlüsselt<br />
Schutz bei neuropathischen<br />
Missempfindungen sempfindungen in der<br />
Krebstherapie<br />
Joachim R. Göthert, Klinik für Hämatologie,<br />
Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind<br />
durch eine gesteigerte Proliferation verschiedener<br />
Blutzelllinien im Knochenmark<br />
charakterisiert. Neben der durch das BCR-<br />
ABL-Fusionsprotein ausgelösten chronischen myeloi -<br />
schen Leukämie zählen die Polycythaemia vera, die essen -<br />
tielle Thrombozythämie und die primäre Myelo fibrose<br />
zu den MPN. Klinisch manifest werden die BCR-ABL-nega -<br />
tiven MPN zumeist durch das Auftreten thrombo-embolischer<br />
Ereignisse, und im Verlauf entsteht häufig eine<br />
konstitutionelle Symptomatik mit Gewichtsverlust und<br />
Nachtschweiß. Weiterhin kann es zu einem Übergang in<br />
eine akute Leukämie kommen.<br />
Ursächlich liegt den meisten MPN eine Mutation im JAK2-<br />
Gen (JAK2-V617F) zugrunde, die zu einer Liganden-unabhängigen<br />
Überaktivierung des gemeinsamen intrazellulären<br />
Signalwegs von Erythropoetin und Thrombopoetin führt.<br />
Der Nachweis der erworbenen JAK2-Mutation ist elementarer<br />
Bestandteil der diagnostischen Abgrenzung der MPN<br />
von sekundären Ursachen, die zu einer Thrombozytose oder<br />
Erythrozytose führen können. Eine genetische Veränderung<br />
im JAK2-Gen lässt sich bei fast allen Polycythaemia-vera-<br />
Fällen nachweisen. Jedoch sind nur etwa die Hälfte der Essentiellen-Thrombozythämie-<br />
und Myelofibrose-Fälle JAK2-<br />
Mutations-positiv. Diese diagnostische Lücke konnte vor<br />
zwei Jahren, wie in diesem Journal berichtet [1], durch die<br />
Entdeckung der Calreticulin-(CALR)Treibermutation geschlossen<br />
werden.<br />
Es blieb jedoch unklar, über welchen Mechanismus die erworbenen<br />
CALR-Mutationen zur Entstehung einer essentiellen<br />
Thrombozythämie oder primären Myelofibrose<br />
führen. Die bei der ASH-Jahrestagung 2015 veröffentlichten<br />
Ergebnisse von Elf et al. [2] und auch die kürzlich publizierten<br />
Daten von drei weiteren Arbeitsgruppen schaffen nun Klarheit.<br />
Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Expression von<br />
mutiertem CALR-Protein (CALRmut) in Knochenmarkzellen<br />
zu einer Thrombozytose bei Mäusen führt [2, 5]. Damit war<br />
der kausale Zusammenhang zwischen CALR-Mutationen<br />
und der Entstehung einer Thrombozytose bewiesen. Bemerkenswert<br />
war außerdem der Befund, dass CALRmut<br />
ausschließlich in denjenigen Zelllinien Zytokin-<br />
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A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
12<br />
A1:<br />
Interaktion zwischen mutiertem<br />
Calreticulin und dem MPL<br />
(=TPO-Rezeptor) innerhalb des<br />
endoplasmatischen Retikulums.<br />
A2:<br />
MPL und das angekoppelte<br />
mutierte Calreticulin gelangen<br />
über den Golgiapparat oder<br />
einen alternativen Pfad an die<br />
Zelloberfläche.<br />
A3:<br />
TPO-unabhängige Aktivierung<br />
von MPL durch das mutierte<br />
Calreticulin, in der Folge JAK2-<br />
Dimerisierung und -Aktivierung.<br />
B1:<br />
Die durch mutiertes<br />
Calreticulin ausgelöste MPL-<br />
Aktivierung treibt die klonale<br />
Expansion von hämatopoe -<br />
tischen Stammzellen an.<br />
B2:<br />
Exzessive Thrombozyten -<br />
produktion durch<br />
Calreticulin-mutierte<br />
Megakaryozyten.<br />
B3:<br />
Retikulinbildung im<br />
Knochenmark: eine<br />
essentielle Thrombo -<br />
zythämie mit einer<br />
Calreticulin-Mutation<br />
kann in eine sekundäre<br />
Myelofibrose übergehen.<br />
Abbildung 1. Molekulare Pathogenese der CALR-mutierten myeloproliferativen Neoplasien. A. TPO-unabhängige Aktivierung von MPL<br />
(=TPO-Rezeptor) durch mutiertes CALR in einer hämatopoetischen Zelle. B. Biologische und klinische Konsequenzen. Das TPO-unabhängige<br />
und von mutiertem Calreticulin ausgelöste MPL-Signal ist verantwortlich für die klonale Expansion von Stammzellen, die<br />
eine CALR-Mutation tragen. MPL-Signale sind auf der Vorläuferzell-Ebene nur in Megakaryozyten wirksam – deshalb führt das gesteigerte<br />
MPL-Signal letztlich zu einer Thrombozyten-Überproduktion. TPO Thrombopoetin, MPL Thrombopoetinrezeptor, CALR Calreticulin.<br />
Adaptiert nach [7].<br />
unabhängiges Wachstum auslösen konnte, die den Thrombopoetinrezeptor<br />
(c-MPL) exprimieren [2, 3]. Auch bildeten<br />
c-Mpl knockout-Mäuse keine CALRmut-induzierte Thrombozytose<br />
aus [5]. Diese Daten legen nahe, dass CALRmut<br />
mit dem Thrombopoetinrezeptor interagiert und dadurch<br />
eine Thrombozytose auslöst. Tatsächlich ist es gelungen,<br />
die Bindung von CALRmut an den extrazellulären Anteil<br />
von c-MPL nachzuweisen [2, 3, 4]. Abbildung 1 fasst die entsprechende<br />
Modellvorstellung zusammen.<br />
Erwartungsgemäß bewirkte CALRmut in c-MPL-exprimierenden<br />
Zelllinien auch eine Aktivierung von JAK2 sowie des<br />
nachgeschalteten Signalweges. JAK-Inhibitoren wie Ruxolitinib<br />
sind deshalb in der Lage, das In-vitro-Wachstum von<br />
CALRmut-exprimierenden Zelllinien zu hemmen [2, 3].<br />
Damit ist auch geklärt, warum Myelofibrosepatienten mit<br />
CALR-Mutationen auf Ruxolitinib klinisch ansprechen [6].<br />
Nicht zuletzt eröffnet die Entschlüsselung des CALRmut-<br />
Mechanismus die Möglichkeit zur Entwicklung neuartiger<br />
Therapieansätze. Ein vielversprechender Ansatz wäre, mit<br />
einem geeigneten Wirkstoff die Interaktion von CALRmut<br />
mit dem Thrombopoetinrezeptor zu unterbinden.<br />
Referenzen<br />
[1] Göthert J. (2014) Diagnostische Lücke bei myeloproliferativen<br />
Neoplasien geschlossen- Neu entdeckte Calreticulin-Mutation. WTZ-<br />
Journal 2014, Ausgabe 1, Seite 16-17.<br />
[2] Elf S et al. (2015) Physical Interaction Between Mutant Calreticulin<br />
and the Thrombopoietin Receptor Is Required for Hematopoietic<br />
Transformation. Blood 2015 126: Late-Breaking Abstract-4;<br />
published ahead of print December 4, 2015<br />
[3] Araki M et al. (2015) Activation of the thrombopoietin receptor<br />
by mutant calreticulin in CALR-mutant myeloproliferative neoplasms.<br />
Blood. 2016 Jan 27. pii: blood-2015-09-671172. [Epub ahead<br />
of print]<br />
[4] Chachoua I et al. (2015) Thrombopoietin receptor activation by<br />
myeloproliferative neoplasm associated calreticulin mutants. Blood.<br />
2015 Dec 14. pii: blood-2015-11-681932. [Epub ahead of print]<br />
[5] Marty C et al. (2015) Calreticulin mutants in mice induce an<br />
MPL-dependent thrombocytosis with frequent progression to myelofibrosis.<br />
Blood. 2015 Nov 25. pii: blood-2015-11-679571. [Epub ahead<br />
of print]<br />
[6] Guglielmelli P et al. COMFORT-II Investigators (2015) . Ruxolitinib<br />
is an effective treatment for CALR-positive patients with myelofibrosis.<br />
Br J Haematol. 2015 Aug 25. doi: 10.1111/bjh.13644. [Epub<br />
ahead of print]<br />
[7] Cazzola M (2016) Mutant calreticulin: when a chaperone<br />
becomes intrusive. Blood 127(10): 1219-1221
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
Eculizumab: eine neue Option zur Therapie der<br />
Autoimmunhämolyse vom Kälteantikörpertyp (CAD)<br />
Ergebnisse der DECADE-Studien<br />
13<br />
Alexander Röth, Klinik für Hämatologie,<br />
Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Die Therapiestudie DECADE untersuchte<br />
die Wirksamkeit des Komplement-Inhibitors<br />
Eculizumab bei Patienten mit<br />
hämo lytischer Kälteagglutininerkrankung.<br />
Die Kälteagglutininerkrankung (CAD) ist eine seltene Form<br />
der autoimmunhämolytischen Anämie (AIHA). Es finden<br />
sich bei diesem Krankheitsbild IgM-Antikörper, die aufgrund<br />
ihrer Größe und Struktur in der Lage sind, Erythrozyten zu<br />
agglutinieren (Abb.1) und das Komplementsystem zu aktivieren.<br />
Sie werden auch als Kälteantikörper bezeichnet, weil<br />
sie ihr Aktivitätsoptimum bei niedrigen Temperaturen erreichen.<br />
Es kommt so zu einer komplementvermittelten intravasalen<br />
Hämolyse. Kälteagglutinine können entweder<br />
primär oder sekundär bedingt durch Infektionen (EBV, Myko -<br />
plasmen), solide Tumoren oder B-Zell-Neoplasien auftreten.<br />
Im Rahmen von Infektionen aufgetretene Kälteagglutinine<br />
lassen sich nur vorübergehend nachweisen und bleiben<br />
meist ohne schwerwiegende Symptome.<br />
Therapeutische Herausforderung<br />
Im Gegensatz zur extravasalen Hämolyse der Wärme -<br />
antikörper stellt die intravasale Hämolyse der Kälteantikörper<br />
therapeutisch eine Herausforderung dar. Eine etwaige<br />
Grunderkrankung sollte – sofern möglich – behandelt werden.<br />
Symptomatische Maßnahmen wie der Schutz vor Kälte,<br />
Gabe von Folsäure und die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten<br />
stehen im Vordergrund der Behandlung. Die<br />
aus der Autoimmunhämolyse vom Wärmetyp bekannten<br />
zielgerichteten Therapieoptionen – Steroide, immunsuppressive<br />
Medikamente, Hyperimmunglobuline und Alkylantien<br />
– sind bei der Kälteagglutininerkrankung nicht wirksam.<br />
Auch eine Splenektomie ist aufgrund der Pathophysiologie<br />
nicht indiziert. Lediglich der Off-label-Einsatz von<br />
Rituximab ist eine mögliche Option. Ansprechraten von<br />
etwa 50% sind erreichbar. Die Ansprechdauer beträgt bis<br />
zu 11 Monate in der Monotherapie.<br />
Eculizumab blockiert die terminale<br />
Komplementstrecke<br />
Ein neuer therapeutischer Ansatz besteht in der Modifika -<br />
tion des Komplementsystems. Der humanisierte monoklonale<br />
Antikörper Eculizumab bindet die Komplementkomponente<br />
C5 und verhindert so die Aufspaltung in C5a und<br />
C5b. Die terminale Komplementstrecke wird blockiert und<br />
damit die Ausbildung der zytolytischen Membranpore verhindert.<br />
Eculizumab ist für die Therapie der paroxys-malen<br />
nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) und des atypischen hämolytischen<br />
urämischen Syndroms (aHUS) zugelassen. Erste<br />
Hinweise auf die Wirksamkeit von Eculizumab bei CAD ergaben<br />
sich bei einem therapierefraktären CAD-Patienten<br />
im Jahr 2009 [1].<br />
Die prospektive, nicht randomisierte und multizentrisch<br />
durchgeführte Phase-II-Studie DECADE (Demonstrating the<br />
Efficacy of Terminal Complement Inhibition in Patients with<br />
Cold Agglutinin Disease Using Eculizumab) untersuchte die<br />
Wirksamkeit von Eculizumab bei 13 hämolytischen CAD-Patienten,<br />
die zwischen 2011 und 2014 in Ulm und Essen behandelt<br />
wurden. Unter der Therapie mit Eculizumab konnte<br />
der LDH-Wert als Marker der hämolytischen Aktivität signifikant<br />
um 56% reduziert werden: vor Therapie 572 U/l,<br />
nach Therapie 327 U/l (p=0,0215). Weiterhin konnte der Transfusionsbedarf<br />
(im Median 4 Konserven in den 12 Monaten<br />
vor Therapie auf 0 Konserven unter der 6-monatigen Eculizumab-Therapie)<br />
verbessert werden. Es zeigte sich auch<br />
eine funktionelle Verbesserung der Leistungsfähigkeit unter<br />
Therapie: Im 6-Minuten-Gehtest verlängerte sich die<br />
maximal bewältigte Gehstrecke im Median von 358 Meter<br />
auf 420 Meter.<br />
Interessanterweise wurde vor der Therapie eine hohe Neigung<br />
zu Thrombose nachgewiesen, die für die CAD so vorher<br />
nicht bekannt war. Bei 4 Patienten kamen vor der Therapie<br />
7 Thrombosen vor, unter anderem auch eine Lungenembolie.<br />
Unter Therapie wurden keine weiteren Thrombosen dokumentiert.<br />
Analog zur PNH scheint die Verbesserung der<br />
Thromboseneigung durch die Blockierung der intravasalen<br />
Hämolyse bedingt zu sein. Die Therapie war sicher und<br />
wurde insgesamt gut vertragen.<br />
Fazit: Die Ergebnisse der DECADE-Studie zeigen, dass<br />
die terminale Komplementstrecke relevant ist für<br />
die intravasale Hämolyse der CAD-Erkrankung. Bei<br />
derzeit fehlenden Alternativen stellt Eculizumab<br />
eine mögliche Option für die Behandlung schwerwiegender<br />
akuter Hämolysen oder therapierefraktärer<br />
Situationen dar.<br />
Referenzen<br />
[1] Röth A et al. (2009) Long-term efficacy of the complement inhibitor<br />
eculizumab in cold agglutinin disease. Blood 113(16):3885-<br />
3886<br />
[2] Röth A et al. (2015) Complement Inhibition with Eculizumab in<br />
Patients with Cold Agglutinin Disease (CAD): Results from a Prospective<br />
Phase II Trial (DECADE Trial), Blood 126(23) 274.
A S H<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
14<br />
Midostaurin verbessert die Prognose von<br />
AML-Patienten mit Flt-3-Mutation<br />
Richard Noppeney, Klinik für Hämatologie,<br />
Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Nach Jahren der Stagnation ist in absehbarer<br />
Zeit mit einer Neuzulassung<br />
zur Therapie der akuten myeloischen<br />
Leukämie (AML) zu rechnen. Bei der ASH-Jahrestagung<br />
2015 wurden Daten zu Midostaurin vorgestellt. Der Multikinase-Inhibitor<br />
führt danach zu einer signifikanten<br />
Verlängerung des ereignisfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens<br />
von AML-Patienten mit FLT-3-Mutation.<br />
Die aktuell verfügbaren Therapien für AML-Patienten sind<br />
mit einer Heilungsrate von weniger als 20% außerordentlich<br />
unbefriedigend, auch wenn einzelne prognostische Sub-<br />
gruppen teilweise deutlich besser abschneiden. Dazu gehören<br />
unter anderem junge Patienten mit zytogenetisch<br />
günstigem Profil wie der Inversion inv16 und der Translokation<br />
t8;21 (häufig zusammengefasst als Core-bindingfactor-AML)<br />
oder Patienten mit einer isoliert auftretenden<br />
NPM-1-Mutation [2, 3]. Die kurativ intendierte Standardtherapie<br />
ist seit mehr als 20 Jahren mangels wirksamerer<br />
Substanzen allerdings nahezu unverändert geblieben.<br />
In den letzten Jahren ist es erfreulicherweise gelungen, in<br />
leukämischen Stammzellen zahlreiche für die AML typische<br />
zytogenetische und molekulargenetische Veränderungen<br />
zu identifizieren, die prognostisch relevant sind. Dazu gehört<br />
auch die Mutation von FLT-3, das für eine Rezeptor-Tyrosinkinase<br />
kodiert. Die Mutation tritt in Form zweier Typen<br />
auf: als interne Tandemduplikation (ITD-Typ) oder in der<br />
Tyrosinkinase-Domäne (TKD-Typ). Es resultiert eine Daueraktivierung<br />
der FLT-3-kodierten Tyrosinkinase. Die<br />
Mutation wirkt sich deshalb prognostisch ungünstig aus<br />
und ist bei 30%–35% aller AML-Patienten nachweisbar.<br />
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w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
Auf Grundlage dieser und anderer molekulargenetischen<br />
Erkenntnisse wurde zwar eine ganze Reihe zielgerichtet<br />
wirksamer Substanzen entwickelt – beispielswiese ein Farnesyltransferase-Inhibitor<br />
–, die aber in klinischen Studien<br />
allesamt enttäuschten.<br />
Midostarin wirkt bei FLT-3-Mutationen vom ITD- und<br />
vom TKD-Typ<br />
Ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass ein Multikinase-Inhibitor<br />
in der Therapie FLT-3-mutierter AML-Patienten<br />
wirksam sein könnte, gab es bei der ASH-Jahrestagung<br />
2014: Die deutsch-tschechische SAL-Studiengruppe präsentierte<br />
seinerzeit eine Studie, in der Sorafenib – das zur<br />
Therapie von Nierenzell- und Leberzellkarzinomen bereits<br />
zugelassen ist – als Teil einer Kombinationstherapie eingesetzt<br />
wurde. Die Ergebnisse, unter anderem ein signi fi -<br />
kant verlängertes ereignisfreie Überleben, ließen den Ansatz<br />
der Tyrosinkinase-Inhibition klinisch attraktiv erscheinen<br />
[3].<br />
Bei der ASH-Jahrestagung 2015 schließlich präsentierte Richard<br />
Stone aus Boston die Ergebnisse der Phase-III-Studie<br />
RATIFY, an der 18- bis 60-jährige Patienten – unter anderem<br />
auch solche aus der hiesigen Klinik für Hämatologie – mit<br />
neu diagnostizierter AML und FLT-3-Mutation teilgenom -<br />
men haben. Sie erhielten eine Standard-Induktions- und<br />
Konsolidierungstherapie plus alternativ Midostaurin oder<br />
Placebo, gefolgt von einer einjährigen Erhaltungstherapie<br />
mit Midostaurin oder Placebo. Ergebnis: Der Tyrosinkinase-<br />
Inhibitor Midostaurin (PKC 412) wirkt bei FLT-3-Mutationen<br />
sowohl vom ITD- als auch vom TKD-Typ [1].<br />
Midostaurin verlängert das Überleben<br />
Nach Auswertung von 717 Patienten zeigte sich für die<br />
Verum-Gruppe ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben<br />
(OS): Nach 4 Jahren lebten noch 63,8% der Patienten<br />
in der Midostaurin-Gruppe, aber nur 55,7% in der Placebogruppe<br />
(HR 0,77; p=0,047). Das ereignisfreie Überleben<br />
(EFS) war in der Midostaurin- gegenüber der Placebogruppe<br />
um 5 Monate verlängert (HR 0,84; p=0,025), siehe Abbildung<br />
1. In dieser Auswertung sind die transplantationsbedingten<br />
Effekte auf das OS nicht berücksichtigt.<br />
Wenn Patienten sich in erster kompletter Remission (CR1)<br />
einer Transplantation unterzogen, war ihr Überlebensvorteil<br />
mit einer HR von 0,61 noch ausgeprägter (Abb. 2). Möglicherweise<br />
verbessert eine tiefe Remission auch die Ergebnisse<br />
der anschließenden Stammzelltransplantation.<br />
Fazit: Die Kombination mit Midostaurin wird in absehbarer<br />
Zeit zur Standardtherapie der FLT-3-mutierten<br />
AML. Der Zulassungsantrag bei der US-amerikanischen<br />
FDA ist eingereicht.<br />
Anteil Überlebender<br />
Anteil ereignisfrei Überlebender<br />
Anteil Überlebender (%)<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
0 20 40 60 80<br />
Zeit seit Randomisierung (Monate)<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
Midostaurin<br />
Midostaurin Placebo<br />
4-Jahres-Überleben 63,8% 55,7%<br />
HR 0,77 (95%CI 0,56–1,05); p=0,047<br />
Placebo<br />
Midostaurin<br />
Placebo<br />
Midostaurin Placebo<br />
Medianes EFS 8,2 Monate 3,0 Monate<br />
(95%CI) (5,5–10,7) (1,9–5,8)<br />
HR 0,84 (95%CI 0,70–1,0020); p=0,025<br />
Midostaurin<br />
0,2<br />
Placebo<br />
0<br />
0 20 40 60 80<br />
Zeit seit Randomisierung (Monate)<br />
Abbildung 1: Ergebnisse der Phase-III-Studie RATIFY. Gesamtüberleben<br />
(oben) und ereignisfreies Überleben (unten). Adaptiert nach<br />
[1].<br />
SCT innerhalb CR1<br />
HR 0,61<br />
SCT außerhalb CR1<br />
HR 0,98<br />
0<br />
0 20 40 60 80<br />
Zeit seit Randomisierung (Monate)<br />
Abbildung 2: Gesamtüberleben transplantierter Patienten in der<br />
RATIFY-Studie, innerhalb und außerhalb der ersten kompletten<br />
Remission. CR1 erste komplette Remission, SCT Strammzelltransplantation.<br />
Adaptiert nach [1].<br />
Referenzen:<br />
[1] Stone RM et al (2015) ASH abstract 6<br />
[2] Döhner H et al (2010) Blood 21;115(3):453-474<br />
[3] Howlader N et al. (2011) SEER Cancer Statistics Review, 1975-<br />
2008, National Cancer Institute. Bethesda, MD, http://seer.cancer.gov/csr/1975_2008/,<br />
based on November 2010 SEER data<br />
submission<br />
[4] Röllig C et al (2014) ASH abstract 6<br />
15
S A B C S<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
16<br />
Mammakarzinom:<br />
Praxisrelevante Highlights vom SABCS 2015<br />
Peter Kern, Klinik für Frauenheilkunde und<br />
Geburtshilfe, Westdeutsches Tumorzentrum<br />
Vorspann Bla Bla Bei der ASH-Jahrestagung<br />
2015 wurden Daten zu Midostaurin<br />
vorgestellt. Der Multikinase-Inhibitor<br />
führt danach zu einer signifikanten Verlängerung<br />
des ereignisfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens<br />
von AML-Patienten mit Flt-3-Mutation.<br />
Neoadjuvante Studien<br />
heitsfreies Überleben (DFS) in den ersten 3 Jahren nach<br />
Abschluss der neoadjuvanten Chemotherapie übersetzt<br />
(Abb. 1): 21 Rezidive im Platin-Arm versus 36 Ereignisse im<br />
Standardarm, HR 0,56; p=0,035. Dieser Carboplatin-Effekt<br />
trat auch beim BRCA-Wildtyp auf.<br />
Fazit: Die Autoren der Studie (und auch die neuen<br />
Leitlinien 2016 der AGO) empfehlen Carboplatin in<br />
der neoadjuvanten Behandlung aller TNBC-Patientinnen,<br />
unabhängig vom BRCA-Status.<br />
BRCA-Mutation, Therapie-Ansprechen und Prognose<br />
in der neoadjuvanten GeparQuinto-Studie<br />
Fasching P et al., Abstract S5-06<br />
Wie beeinflusst eine BRCA-Keimbahnmutation Therapie-<br />
Ansprechen und Prognose? In diese Auswertung gingen<br />
469 TNBC-Patientinnen aus der GeparQuinto-Studie (Epirubicin,<br />
Cyclophosphamid und Docetaxel +/- Bevacizumab)<br />
ein [1,2], 74 davon waren BRCA1- und 13 BRCA2-Mutationsträgerinnen.<br />
Eine pCR wurde bei 50% der Mutationsträgerinnen,<br />
aber nur bei 30,8% der Patientinnen mit BRCA-Wildtyp<br />
erreicht (p=0,001). Das Erreichen einer pCR erwies sich<br />
prognostisch als prädiktiv für ein verlängertes DFS am<br />
stärksten bei Patientinnen ohne BRCA-Mutation (HR 0,21;<br />
p
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w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
GeparSepto: Nab-Paclitaxel 125 mg/m 2 qw wirksamer<br />
und weniger toxisch<br />
von Minckwitz G et al., Abstract P1-14-11<br />
Patientinnen mit primärem Mammakarzinom wurde nab-<br />
Paclitaxel gegen den Standard Paclitaxel bei einem EC-haltigen<br />
Therapieschema neoadjuvant getestet. Patientinnen<br />
mit HER2-positiven Tumoren erhielten Trastuzumab und<br />
Pertuzumab als Doppelblockade. Untch et al. [5] hatten<br />
zuvor gezeigt, dass nab-Paclitaxel die pCR-Rate (ypT0ypN0)<br />
von 29% auf 38% steigert (p=0,001). Auch beim TNBC<br />
wurden die pCR-Raten von 21% auf 47% erhöht. In der vorliegenden<br />
Auswertung zeigt sich, dass die Reduktion der<br />
nab-Paclitaxel-Dosis von 150 mg/m2 auf 125 mg/m2 bessere<br />
pCR-Raten (alle: 33,6% versus 41,4%; TNBC: 46,9% versus<br />
49,3%) erzielt und unerwünschte Wirkungen reduziert<br />
(Grad-3/4-Polyneuropathie 15% bei nP150, 8% bei nP125).<br />
Fazit: Nab-Paclitaxel sollte in der Dosierung von 125<br />
mg/mC – nicht mehr 150 mg/mC – wöchentlich angewandt<br />
werden. Es stellt eine neue Option in der<br />
Neoadjuvanz dar.<br />
WSG-ADAPT (HER2-positiv/Hormonrezeptor-positiv):<br />
T-DM1 +/- endokrine Therapie versus Trastuzumab +<br />
endokrine Therapie<br />
Harbeck N et al., Abstract S5-03<br />
Diese Studie verglich bei Patientinnen mit HER2-positiven<br />
und gleichzeitig Hormonrezeptor-positiven Tumoren den<br />
neoadjuvanten Einsatz von T-DM1 +/- endokrine Therapie<br />
versus Trastuzumab + endokrine Therapie. Mit T-DM1 wurde<br />
eine deutlich höhere pCR-Rate (ypT0/isypN0/is) erreicht als<br />
mit Trastuzumab: 41,0% versus 15,1% (p
S A B C S<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
18<br />
waren also anthrazyklinfrei. In Arm A erreichten 28,7%, in<br />
Arm B aber 45,9% der Patientinnen eine pCR (p
p a n o r a m a<br />
w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 6 · 8 . J g<br />
Bewegung<br />
gegen Fatigue<br />
Angebot für AOK-Patienten der WTZ-Ambulanz<br />
Von den jährlich nahezu 500.000<br />
Menschen, die in Deutschland an<br />
Krebs erkranken, leidet fast jeder<br />
zweite im Laufe seiner Behandlung<br />
am sogenannten tumorassoziierten<br />
Fatique-Syndrom, also einem krankhaften<br />
Erschöpfungszustand.<br />
Zusammen mit der AOK Rheinland/<br />
Hamburg und einem Netzwerk von<br />
Physiotherapeuten bietet das Westdeutsche<br />
Tumorzentrum (WTZ) deshalb<br />
ein gezieltes körperliches Trainingsprogramm<br />
an. Versicherte, die<br />
in der WTZ-Ambulanz behandelt werden,<br />
können sich in ein integriertes<br />
Versorgungskonzept einschreiben.<br />
Phase-III-Studie zur Behandlung der<br />
AL-Amyloidose<br />
geöffnet<br />
Die systemische Amyloidose ist eine<br />
Gruppe von seltenen, fortschreitenden<br />
Erkrankungen mit schlechter Prognose,<br />
bei denen sich abnormal gefaltete<br />
Proteine häufen (aggregieren). Diese<br />
sogenannten Amyloidaggregate können<br />
sich ablagern und Organe und Gewebe<br />
schädigen. Es gibt verschiedene<br />
Formen der systemischen Amyloidose.<br />
Die AL(Amyloid-Leichtketten)-Amyloidose<br />
kommt am häufigsten vor.<br />
Seit Ende Februar ist die Klinik für<br />
Hämatologie offen für eine vielversprechende<br />
Phase-III-Studie. Sie testet<br />
einen neuen monoklonalen Antikörper<br />
(NEOD001), der lösliche und unlösliche<br />
AL-Amyloid-Aggregate bindet und so<br />
zu einer Verbesserung der Organfunktion<br />
führen soll. Es liegen bereits sehr<br />
vielversprechende Daten aus einer<br />
Unter Anleitung von kooperierenden<br />
Physiotherapeuten absolvieren sie<br />
dann zwei jeweils 12-wöchige Trainings-<br />
und Bewegungsprogramme.<br />
Die Ergebnisse dieses unter ärztlicher<br />
Überwachung ablaufenden Trainings<br />
werden für jeden Patienten individuell<br />
erfasst, um zu prüfen, welche Auswirkungen<br />
die körperliche Aktivität auf<br />
Wohlbefinden und Verlauf der Erkrankung<br />
hat.<br />
Ansprechpartnerin im WTZ ist<br />
Frau Dr. Mitra Tewes (0201-723-83355;<br />
mitra.tewes@uk-essen.de).<br />
Neuer monoklonaler Antikörper soll lösliche und unlösliche<br />
AL-Amyloid-Aggregate binden und Organfunktion verbessern<br />
Phase-I/II-Studie vor, in der NEOD001<br />
in etwa der Hälfte aller Fälle Verbesserungen<br />
der Herz- und Nierenfunktion<br />
bewirkt hat. In der aktuellen Studie<br />
soll dies placebokontrolliert und verblindet<br />
an einer größeren Zahl von<br />
Patienten untersucht werden.<br />
Ärzte, die Patienten mit neu diagnos -<br />
tizierter AL-Amyloidose oder mit dringendem<br />
Verdacht auf eine Amyloidose<br />
behandeln, können direkt mit der<br />
Klinik für Hämatologie Kontakt aufnehmen.<br />
Patienten, die in die Studie<br />
eingeschlossen werden, erhalten die<br />
Fahrtkosten nach Essen erstattet.<br />
Ansprechpartner ist<br />
Dr. Alexander Carpinteiro<br />
(0201-723-6111;<br />
Alexander.Carpinteiro@uni-due.de).<br />
Impressum<br />
WTZ-Journal<br />
ISSN: 1869-5892<br />
© 2016 by Westdeutsches Tumorzentrum Essen<br />
und LUKON-Verlagsgesellschaft mbH, München<br />
Redaktion<br />
PD Dr. med. Andreas Huẗtmann<br />
(Redaktionsleitung, verantwortlich);<br />
Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf;<br />
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Herausgeber<br />
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Essen WTZ, vertreten durch<br />
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(WTZ) ist der Bezug des WTZ-Journals im<br />
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Auflage 2000 Exemplare<br />
195
Auch in ihr steckt ein<br />
NATÜRLICHER KILLER<br />
Wie wäre es, wenn wir im Kampf gegen das Multiple Myelom<br />
die natürlichen Killerzellen aktivieren könnten? 1,2<br />
Daran forschen wir als führendes Unternehmen in der Immunonkologie.<br />
1. Natürliche Killerzellen sind Teil der ersten Abwehr des Körpers gegen Krebs. Cheng M, Chen Y, Xiao W et al. NK cell-based immunotherapy for malignant<br />
diseases. Cell Molec Immunol. 2013; 10: 230–252<br />
2. Myelomzellen können der Abwehr durch natürliche Killerzellen entkommen. Godfrey J and Benson DM Jr. The role of natural killer cells in immunity against multiple<br />
myeloma. Leuk Lymphoma. 2012; 53: 1666–1676<br />
ONCDE14PRO8294-01 / 11.2014