ALLGÄU ALTERNATIV Herbst/Winterausgabe 2015/16
"Auf ein Wort": mit dem Bürgermeister der Energiegemeinde Wildpoldsried Arno Zengerle / Energie: Batterie entlastet das Netz - Tussenhauser Speicher puffert Strom vor Ort / Windkraft: Wackelt die Schutzzone?- bald Windräder im Oberallgäu möglich? / Wasserkraft: Iller unter "Beobachtung" - Energie, Natur und Tourismus im Einklang / Bauen: Energieeffiziente Schule- Gebhard-Müller-Schule in Biberach als Musterbeispiel für Langzeit-Monitoring / Biomasse: Mustergültig informiert - Ministerium würdigt Biomassehof Allgäu als Musterbeispiel in neuem Themenportal / Bauen: Ein Haus ganz aus Holz - Regionales Wohnkonzept für die Zukunft / Bauen und Sanieren: Ohne Energieverlust lüften? Moderne Lüftungsanlagen sinnvoll nutzen / Pioniere/Mächler: Nicht einfach nur Plastik- Vom Segelflugzeug zum Spritzguss; hochmodernes Werk für Verarbeitung von Kunststoffen / E-Mobil: 45.000 Kilometer unter Strom / Weitere Informationen auf www.allgaeu-alternativ.de
"Auf ein Wort": mit dem Bürgermeister der Energiegemeinde Wildpoldsried Arno Zengerle / Energie: Batterie entlastet das Netz - Tussenhauser Speicher puffert Strom vor Ort / Windkraft: Wackelt die Schutzzone?- bald Windräder im Oberallgäu möglich? / Wasserkraft: Iller unter "Beobachtung" - Energie, Natur und Tourismus im Einklang / Bauen: Energieeffiziente Schule- Gebhard-Müller-Schule in Biberach als Musterbeispiel für Langzeit-Monitoring / Biomasse: Mustergültig informiert - Ministerium würdigt Biomassehof Allgäu als Musterbeispiel in neuem Themenportal / Bauen: Ein Haus ganz aus Holz - Regionales Wohnkonzept für die Zukunft / Bauen und Sanieren: Ohne Energieverlust lüften? Moderne Lüftungsanlagen sinnvoll nutzen / Pioniere/Mächler: Nicht einfach nur Plastik- Vom Segelflugzeug zum Spritzguss; hochmodernes Werk für Verarbeitung von Kunststoffen / E-Mobil: 45.000 Kilometer unter Strom / Weitere Informationen auf www.allgaeu-alternativ.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ausgabe 3/<strong>2015</strong><br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz<br />
E-Mobil: Praxis-Erfahrungen<br />
Windkraft: Bald neue Windräder?<br />
Heizen: Holz selber machen
Auf ein Wort<br />
Zukunft ist machbar<br />
Eine Million Elektroautos bis 2020 ist die Zielmarke,<br />
die unsere Kanzlerin Angela Merkel<br />
gesetzt hat! »Unerreichbar« unken diejenigen,<br />
die mit Energiewende eh noch nie was anfangen<br />
konnten. »Zu wenig ambitioniert« die anderen, denen<br />
es zu langsam geht.<br />
Wir Wildpoldsrieder gehen diese Herausforderung<br />
mit der uns eigenen Gelassenheit und gleichzeitigen<br />
Zuversicht an, dass wir unseren Anteil an diesem<br />
Ziel nicht nur schaffen, sondern übertreffen werden.<br />
Eine Million bedeutet auf unser Dorf heruntergebrochen<br />
30 Elektroautos in Wildpoldsried im Jahre 2020!<br />
Wo liegt das Problem? Sicherlich nicht in der<br />
Technik! Firmen, Organisationen und Privatpersonen,<br />
die tägliche Strecken von 150 Kilometern pro Fahrzeug<br />
und weniger zurücklegen, finden bereits heute<br />
eine breite Palette an preiswerten Fahrzeugen im Angebot.<br />
Selbst in unserer kleinen Gemeinde haben wir<br />
zwei Elektro-Kangoos der Firma Renault im Einsatz,<br />
die uns täglich Geld sparen und mit regenerativem<br />
Strom betankt werden.<br />
Liegt es an den Kosten? Natürlich kann sich nicht<br />
jeder eine Tesla-Limousine leisten, die 500 Kilometer<br />
Reichweite und über 400 PS hat. Doch wenn wir uns<br />
zurückerinnern, dann war es immer die automobile<br />
Oberklasse, in der Innovationen erstmals zu Kunden<br />
gebracht wurden. Einen elektrischen Fensterheber in<br />
den frühen 60ern konnte man bestenfalls in der Mercedes-S-Klasse<br />
mit hohem Aufpreis erhalten. Heute<br />
hat dies jeder Kleinwagen – serienmäßig!<br />
Sind weniger als 17.000 € für ein gut ausgestattetes<br />
Elektroauto zuzüglich monatliches Batterieleasing<br />
zu viel? Ich meine nicht, wenn man berechnet, dass<br />
kaum noch Wartungen, Ölwechsel usw. notwendig<br />
sind. Und, dass der Treibstoff Sonnenstrom extrem<br />
billig zu haben ist. Ohne Umweltbelastung, bei einem<br />
traumhaften Fahrgefühl.<br />
Mit spitzem Bleistift gerechnet gibt es also weder<br />
einen technischen noch einen wirtschaftlichen Grund,<br />
bei begrenzten Tagesfahrleistungen kein Elektroauto<br />
Foto: privat<br />
Arno Zengerle ist Bürgermeister<br />
der Energiegemeinde Wildpoldsried<br />
zu fahren. Und diese Tagesfahrleistungen gibt es millionenfach<br />
in unserem Lande. Nicht nur in unserem<br />
Bauhof, sondern als privater Zweitwagen, als Postmobil,<br />
als Firmenfahrzeug und und und…<br />
Wo wir in unserem Land noch zulegen müssen,<br />
das sind die Lademöglichkeiten für Elektromobile. Ein<br />
Einsatzversuch über zwei Wochen bei unserem ambulanten<br />
Krankenpflegeverein hat gezeigt, dass Technik,<br />
Wirtschaftlichkeit und Fahrspaß bestens zusammenpassen.<br />
Doch wo lädt eine Krankenschwester, die in<br />
einem Hochhaus wohnt und Nachtdienst hat, ihr<br />
Fahrzeug auf? Probleme, die sich zwar übersichtlich<br />
anhören, aber trotzdem gelöst werden müssen, wenn<br />
eine breite Akzeptanz entstehen soll.<br />
Ich bin mir sicher, wir werden sie lösen. Damit<br />
werden wir nicht nur unseren dringend notwendigen<br />
Anteil an dem Wettlauf gegen den Klimawandel erbringen,<br />
sondern uns auch in kleinen Schritten von<br />
Energie-Abhängigkeiten gegenüber dem Ausland lösen.<br />
Zukunft ist machbar – machen Sie mit!<br />
Ihr Arno Zengerle<br />
Bürgermeister der Energiegemeinde<br />
Wildpoldsried<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
3
Inhalt<br />
Impressum<br />
Verlag und Herstellung:<br />
Verlag HEPHAISTOS,<br />
EDITION <strong>ALLGÄU</strong><br />
Lachener Weg 2<br />
87509 Immenstadt-<br />
Werdenstein<br />
Tel. 08379/7286<strong>16</strong><br />
Fax 08379/728018<br />
info@heimat-allgaeu.info<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
Herausgeber:<br />
Peter Elgaß<br />
Redaktion:<br />
Viola Elgaß (v.i.S.d.P.),<br />
Thomas Niehörster,<br />
Annette Müller,<br />
Volker Wille<br />
Gekennzeichnete Beiträge<br />
stellen die Meinung des<br />
Ver fassers, nicht aber des<br />
Verlages dar.<br />
Layout:<br />
Bianca Elgaß<br />
Ramona Klein<br />
Dominik Ultes<br />
Anzeigen:<br />
Sven Abend (Ltg.),<br />
Kathrin Böttger<br />
Tel. 08379/7286<strong>16</strong>;<br />
gültige Anzeigenpreisliste:<br />
1/2010<br />
Bankverbindung Verlag:<br />
Raiffeisenbank Oberallgäu-<br />
Süd eG, IBAN:<br />
DE97733699200007126999<br />
BIC: GENODEF1SFO<br />
Druck und Bindung:<br />
Kastner & Callwey<br />
Medien GmbH<br />
Jahnstraße 5<br />
85661 Forstinning<br />
Fotos: Thomas Niehörster, Uwe Schlick/pixelio.de, Dominik Ultes, Peter Elgaß<br />
20<br />
Vorwort Seite 3<br />
E-Mobil<br />
45.000 Kilometer unter Strom Seite 6<br />
E-Mobil<br />
Einachser: Hymer macht mit Seite 12<br />
Energie-Partner<br />
Eigenproduktion hilft sparen Seite 14<br />
Energie<br />
Bürger sparen um die Wette Seite 15<br />
Batterie entlastet das Netz Seite <strong>16</strong><br />
1000 afrikanische Elefanten... Seite 18<br />
Windkraft<br />
Wackelt die Schutzzone? Seite 20<br />
Windräder sind ein Segen Seite 24<br />
Ist »unhörbar« doch hörbar? Seite 28<br />
Wasserkraft<br />
Iller unter »Beobachtung« Seite 30<br />
Der Fluss dreht durch Seite 32<br />
Bauen<br />
Energieeffiziente Schule Seite 34<br />
Holzorchester spielt weiter Seite 36<br />
Meldungen<br />
Nachhaltigkeitspreis für Kempten? Seite 38<br />
Energie begreifen mit dem Knatterboot Seite 39<br />
Ostallgäu: Masterplan auf den Prüfstand Seite 40<br />
Campusluft schnuppern in Biberach Seite 40<br />
Bei den Kleinen groß anfangen Seite 41<br />
Neues Gesetz tangiert Firmen Seite 41<br />
Energiewende in klassischen Berufen Seite 41<br />
Umweltbildung für ABC-Schützen Seite 42<br />
Neue Stromtankstelle in Weingarten Seite 42<br />
Solardächer auch für Allgäuer Kunden Seite 43<br />
»Bauen und Sanieren« in Mindelheim Seite 43<br />
Allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> bei eCar-Tech Seite 43<br />
Unterallgäu: Frischer Wind eingeschlafen Seite 44<br />
Kleinwind-Energie: Effizienz gesteigert Seite 44<br />
Landrat weist Vorwürfe zurück Seite 45<br />
Photovoltaik<br />
Von der Nuss zur Sonne Seite 46<br />
Biogas<br />
Fachtagung im Allgäu Seite 48<br />
Studium<br />
Datenbank für Studenten Seite 50<br />
Brennholz<br />
Rund ums Brennholz Seite 54<br />
4 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
24<br />
30<br />
Biomasse<br />
Mustergültig informiert Seite 56<br />
Bauen<br />
Ein Haus ganz aus Holz Seite 58<br />
Bauen und Sanieren<br />
Ohne Energieverlust lüften Seite 60<br />
Klimawandel<br />
Immer mehr Starkregenfälle Seite 62<br />
Natur<br />
Schaf ist nicht gleich Schaf Seite 66<br />
Pioniere/Mächler<br />
Nicht einfach nur Plastik Seite 68<br />
Geier mit nassen Flügeln Seite 70<br />
Mächler-Story<br />
Glockengeläut und Särge Seite 72<br />
Für Sie vorausgelesen Seite 52<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste<br />
Ausgabe ist der 29. Januar 20<strong>16</strong><br />
54<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
5
E-Mobil<br />
45.000 Kilometer unter Strom<br />
Im Allgäu, in Schwaben und im Schwarzwald<br />
Eine kurze Probefahrt mit einem E-Mobil bei einer Autoschau oder beim Händler<br />
bringt manchen Interessenten ins Staunen. Doch es bleibt ein Kurz-Eindruck<br />
mit Überraschungen über Durchzugskraft, ruhigen Lauf und einfache Bedienung.<br />
Zweifel an Reichweiten, Winterverhalten und Alltagstauglichkeit bleiben.<br />
Wir lassen mit Steffen Riedel einen E-Mobilisten zu Wort kommen,<br />
der fast täglich mit seinem Zoe unterwegs ist.<br />
Lindau – Badenweiler im Südschwarzwald, 224<br />
Kilometer kürzeste Distanz. Schaffen wir das<br />
überhaupt mit unserem Zoe?« fragen wir uns.<br />
Renault gibt als Hersteller für sein Elektro-Modell eine<br />
Reichweite von über 200 Kilometern mit einer Akku-<br />
Fotos: Dominik Ultes; Steffen Riedel<br />
Steffen Riedel (Foto oben)<br />
hat viel Praxiserfahrung<br />
mit seinem weißen<br />
Elektromobil (Foto links)<br />
Ladung an. Das zweifelnde Fragezeichen im Gesicht<br />
meiner Frau versuche ich in ein Ausrufezeichen zu<br />
verwandeln: »Auf der Strecke, die ich vorhabe, sind es<br />
sogar 240 Kilometer, deshalb müssen wir einmal in<br />
Waldshut-Tiengen zwischentanken.«<br />
»Aber bis dahin sind es ja auch knapp <strong>16</strong>0 Kilometer!«<br />
entgegnet das Fragezeichen. »Das ist richtig,<br />
aber das schaffen wir, und ich sage dir, wenn wir zum<br />
Tanken anstecken, ist noch Strom für 50 Kilometer in<br />
der Batterie!« In Waldshut-Tiengen ist man in Sachen<br />
E-Mobilität sehr rührig. Die dortigen Stadtwerke betreiben<br />
sechs gut verteilte und zugängliche Ladestationen<br />
mit jeweils vier Anschlüssen: 2x Typ2 und 2x<br />
Schuko, alle zugänglich mit der RFID-Ladenetz-Karte,<br />
die auch bei den Allgäuer Überlandwerken (AÜW)<br />
gilt: Karte hinhalten, und die Ladesäule wird freigeschaltet.<br />
»Ladenetz« ist ein Stadtwerke-Verbund in Sachen<br />
Elektromobilität. Wer eine »Ladenetz«-Karte besitzt,<br />
kann an Ladesäulen mit dem »Ladenetz«-Logo<br />
bis auf Weiteres kostenlos sein E-Mobil laden.<br />
6<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Enorme Leistungen bei der WAVE<br />
Einkaufen, frühstücken und gleichzeitig laden –<br />
Ladesäule beim EDEKA in Tiengen<br />
Warnung: Ziel nicht zu erreichen!<br />
In Waldshut-Tiengen hat man auch erkannt, dass<br />
Kunden während des Einkaufs laden möchten, deshalb<br />
stehen gleich zwei Ladesäulen beim dortigen OBI<br />
und eine beim EDEKA. Ich programmiere als Ziel die<br />
Ladesäule beim EDEKA in das Fahrzeug-Navi. 156 Kilometer<br />
Strecke verkündet es mit der »WARNUNG:<br />
Der Ladezustand des Akkus ist zu niedrig, um das ausgewählte<br />
Ziel zu erreichen. Möchten Sie eine Ladestation<br />
zu Ihrer Route hinzufügen?«<br />
Wenn Winter wäre, hätte das Navi vermutlich<br />
Recht, denn ab Außentemperaturen unter fünf Grad<br />
Celsius und bei Winterreifen beginnt die Reichweite<br />
zu bröckeln, um bei minus zehn Grad Celsius auf einem<br />
Tiefpunkt von ca. 100 bis 120 Kilometern zu landen.<br />
Verantwortlich für den Energieschwund ist vor<br />
allem das Verhalten des Elektrolyts, einer Substanz,<br />
die den Übergang der Ionen von einem Pol zum anderen<br />
in den Zellen der Lithium-Ionen-Akkus ermöglicht.<br />
Ist es zu kalt, haben die Ionen auf ihrem Weg<br />
vom Minus- zum Pluspol Schwierigkeiten, den Elektrolyten<br />
zu durchdringen, weil er immer zähflüssiger<br />
wird, wobei die Energie in Wärme verwandelt wird,<br />
die nicht genutzt werden kann. Aber jetzt ist Sommer<br />
mit Außentemperaturen über 15 Grad Celsius, also<br />
drücke ich »Nein«. Das Display wechselt zum Straßenbild<br />
mit einer drohend tiefrot hinterlegten Zielfahne:<br />
»Sie werden Ihr Ziel nicht erreichen!«<br />
Eine entspannte Beifahrerin<br />
Nach gefahrenen 100 Kilometern sitzt meine<br />
Frau inzwischen entspannt neben mir, doch das Navi<br />
bleibt skeptisch und wechselt die Farbe der Zielfahne<br />
in Orange. Erst nach weiteren 30 Kilometern verschwindet<br />
auch diese. Nach <strong>16</strong>0 Kilometern an der<br />
Ladesäule angekommen, beträgt die angezeigte Restladung<br />
20 Prozent mit 50 Kilometern Rest-Reichweite.<br />
Wir hätten also, wie vom Hersteller angegeben, mindestens<br />
200 Kilometer weit fahren können.<br />
Auf zur nächsten Etappe<br />
Nach einer Frühstückspause von einer knappen<br />
Stunde mit belegten Semmeln und Cappuccino für<br />
uns und Strom für das Auto sind alle Akkus wieder<br />
geladen, was auch für die kommende Tour nötig ist,<br />
Wir haben uns den Fahrzeugparcours<br />
der WAVE-Teilnehmer in Lochau (Vorarlberg)<br />
angesehen (WAVE = World Advanced<br />
Vehicle Expedition, eine jährlich<br />
stattfindende Trophy mit E-Autos quer<br />
durch Deutschland, die Schweiz und<br />
Österreich). Hier zeigt sich: Das elektromobile<br />
Zeitalter hat begonnen. Von den<br />
90 Teams haben am 21. Juni <strong>2015</strong> zehn<br />
den Weg an den Bodensee gefunden, davon<br />
sechs Teslas, fünf der Modelreihe S<br />
und ein roter Roadster. 450 Kilometer<br />
und mehr sind mit diesen Fahrzeugen<br />
möglich.<br />
Drei Pässe galt es zu meistern: Flüela<br />
(2383m), Stilfserjoch (2775m) und Bernina<br />
(2330m). »Das war kein Problem«,<br />
so ein WAVE-Teilnehmer und Tesla-<br />
Fahrer aus der Schweiz. Es habe richtig<br />
Spaß gemacht, besonders, wenn man<br />
sah, wie sich die verbrennungsmotorbetriebene<br />
Konkurrenz abmühte.<br />
Auch der Langlauf-Rekordhalter<br />
der Metron, eines E-Autos auf der Basis<br />
eines Mazda 5 aus Slowenien, war beachtenswert.<br />
Andrej Pecjak, Entwicklungschef<br />
der Firma Metron, berichtete, dass<br />
er das Fahrzeug auf der WAVE bei einer<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 72<br />
Kilometern pro Stunden 826 Kilometer<br />
ohne Aufladung bewegt hat, was bei der<br />
eingebauten Akkukapazität umgerechnet<br />
Gerald Swoboda mit seinem VW-Kreisel-Caddy<br />
Andrej Pecjak und sein Metron am<br />
Kaiserstrand in Lochau (Vorarlberg)<br />
einem Verbrauch von etwa 1,1 Liter Diesel<br />
auf 100 Kilometer ausmachte.<br />
Möglich gemacht haben das ein<br />
sehr effizienter Elektromotor, eine effiziente<br />
Stromrückgewinnung bei Bergabfahrt<br />
und Bremsen sowie ein paar Verkleidungen<br />
am Fahrzeug, um die Windschlüpfrigkeit<br />
zu verbessern. Doch den<br />
Metron gibt es derzeit nur als Einzel -<br />
exemplar. Ein weiterer Hingucker für<br />
Gewerbetreibende war der Kreisel, mit<br />
dem Gerald Swoboda und sein Team die<br />
WAVE bewältigten. Der Kreisel entstammt<br />
einer oberösterreichischen Firma<br />
und ist ein umgebauter VW Caddy<br />
mit einer Reichweite von bis zu 350 Kilometern.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
7
E-Mobil<br />
Info<br />
Diplom-Ingenieur Steffen Riedel<br />
(FH) war Versor gungs -<br />
ingenieur und Rohrinstallateur<br />
(Gesellenprüfung 1982). Seit<br />
1999 ist er Mitarbeiter der<br />
eza!. Er bekleidet das Amt des<br />
Kreisklimaschutzmanagers im<br />
Landkreis Lindau und ist<br />
Lehrbeauftragter an der<br />
Hochschule Kempten für<br />
Gebäudeenergietechnik.<br />
denn jetzt geht es Richtung Hochschwarzwald mit ca.<br />
700 Metern Höhendifferenz. Das Navi zeigt 88 Kilometer<br />
bis Badenweiler an, bei vollem Akku und optimistisch<br />
angezeigten 210 Kilometern Gesamt-Reichweite.<br />
Der Strom müsste theoretisch auch für die<br />
Rückfahrt reichen. Nach stetiger Bergauffahrt mit einigen<br />
Abschwüngen schrumpft die Restkilometeranzeige<br />
auf 80 Kilometer. Dann zwölf Kilometer vor dem<br />
Ziel eine Umleitung. Die Strecke führt jetzt mit einer<br />
Verlängerung von ca. 15 Kilometern abwärts in das<br />
Münstertal. Eine wunderbare Fahrstecke.<br />
Nahezu geräuschlos und vollkommen abgasfrei<br />
gleiten wir hinab. Nur meine Frau verkrampft in ihrem<br />
Sitz, weil sie befürchtet, dass wir in einer Sackgasse<br />
landen werden und die Ladekapazität nicht mehr<br />
reicht, um umzukehren. Nach einer Verlängerung unserer<br />
Tour von etwa einer halben Stunde und 102 gefahrenen<br />
Kilometern erreichen wir unser Hotel mit einer<br />
Restladung von 49 Prozent und angezeigten 100<br />
Kilometern Rest-Reichweite. Die Steigungen und das<br />
ständige Auf und Ab haben sich nicht so sehr auf die<br />
Akkukapazität ausgewirkt, da nach einer Bergauffahrt<br />
der Akku beim Runterfahren wieder geladen wird.<br />
Wenn das auch nur mit einem Wirkungsgrad von<br />
knapp 50 Prozent passiert, so holt doch das Auto einen<br />
Teil der verfahrenen Energie wieder rein. Wir hätten<br />
das Risiko eingehen und ohne Wiederaufladung zurückfahren<br />
können, aber das freundliche Hotelpersonal<br />
gestattet uns, in der hoteleigenen Tiefgarage das<br />
Auto wieder aufzuladen.<br />
Nur mit dem Rad wäre es sparsamer<br />
Insgesamt sind wir ewa 500 Kilometer gefahren<br />
und haben dabei ein Äquivalent von ca. 5,5 Litern Diesel<br />
verbraucht, oder pro Person 2,75 Liter Diesel. Das<br />
schafft weder die Bahn noch ein Bus. Nur zu Fuß oder<br />
mit dem Rad wäre es energiesparender gewesen. »Außerdem«,<br />
beichte ich meiner Frau, »wenn es wirklich<br />
knapp geworden wäre, hätten wir im nahegelegenen<br />
Sulzburg beim größten Brandmelderhersteller, der<br />
Firma Hekatron kostenlos nachladen können.« Es gibt<br />
in der Tat einige verstreute Gewerbetreibende, die aus<br />
Marketinggründen ihren Kunden und auch Fremden<br />
kostenloses Laden ihrer E-Fahrzeuge anbieten. Es gibt<br />
aber auch Firmen, die zwar eine E-Ladesäule auf ihrem<br />
Firmenparkplatz ihr Eigen nennen, aber nur Firmenkunden<br />
gestatten zu laden. Dazu zählt zum Beispiel<br />
einer der führenden Softwarekonzerne Deutschlands<br />
mit einer Filiale am Bodensee.<br />
Erfahrung aus dem Alltag<br />
Dass wir unsere Ziele erreichen würden, war für<br />
mich keine Überraschung, denn bei meiner Pendelei<br />
von Lindau nach Kempten muss ich von 420 Meter auf<br />
930 Meter klettern, und doch kann ich die einfache<br />
Strecke von etwa 60 Kilometern dreimal fahren und<br />
habe dann noch 15 Prozent Restladung im Akku.<br />
Nach inzwischen knapp 45.000 gefahrenen Kilometern<br />
kann ich mein Fahrzeug recht gut einschätzen.<br />
Müde Akkus – große Zweifel?<br />
Elektroauto-Skeptiker befürchten eine schnelle<br />
Ermüdung des Akkus. Doch von Ermüdungserscheinungen<br />
kann keine Rede sein, was mir auch die bisherigen<br />
Ladesäulengespräche mit E-Mobilisten bestätigt<br />
haben, die sogar noch mehr Kilometer zurückgelegt<br />
haben als ich. Das Fazit nach ca. 300-maligem<br />
Hin- und Herpendeln zwischen Lindau und Kempten,<br />
zwei Sommer und zwei Winter lang: Der Durchschnittsverbrauch<br />
liegt im Winter mit Winterreifen,<br />
eingeschaltetem Licht und Wärme im Auto bei ca. 17<br />
Kilowattstunden, das entspricht ca. 1,7 Litern Diesel<br />
Ladesäule der Stadtwerke – auf<br />
Kleinwüchsige zugeschnitten<br />
Die Ladesäule bei der Firma Hekatron im<br />
Schwarzwald – Fremdtanker herzlich willkommen!<br />
Die blaue Säule der Lechwerke am<br />
Landesamt für Umwelt in Augsburg<br />
8<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Links: Gefahrene Kilometer vom<br />
1.12.2014 bis 17.2.<strong>2015</strong><br />
Gefahrene Kilometer vom<br />
5.4.<strong>2015</strong> bis 5.7.<strong>2015</strong><br />
auf 100 Kilometer. Die zur Verfügung stehende Akkuladung<br />
von 22 Kilowattstunden würde für durchschnittlich<br />
ca. 130 Kilometer reichen.<br />
Im Frühjahr/Sommer mit Sommerreifen, Taglicht<br />
und Kälte sind es durchschnittlich 11,8 Kilowattstunden<br />
– ca. 1,2 Liter Diesel –, was zu einer durchschnittlichen<br />
Reichweite von 186 Kilometern pro Akkuladung<br />
führt. Diese Verbräuche sind bei verhaltener<br />
und relativ entspannter Fahrweise möglich.<br />
Mit Strom ins Wonnemar<br />
Inzwischen hat sich auch meine Tochter an das<br />
Fahrzeug gewöhnt und fährt mit ihrer Tochter regelmäßig<br />
von Lindau nach Sonthofen (64 Kilometer einfach)<br />
ins Wonnemar und zurück, wobei sie hin und<br />
wieder in Sonthofen tankt und bei »Benders« einkehrt<br />
– wenn die beiden vorgehaltenen Ladeplätze nicht<br />
fremdbelegt sind.<br />
Die Schwarzwaldfahrt mit meiner Frau kannte<br />
ich bereits von zwei Touren, weshalb ich auch sicher<br />
war, dass wir unsere Ziele ohne Probleme erreichen<br />
würden. Dennoch beinhalten weitere Strecken, die<br />
über 150 Kilometer hinausgehen, immer ein gewisses<br />
Restrisiko. Inzwischen habe ich aber auf Strecken wie<br />
nach Neu-Ulm und Augsburg eine gewisse Routine<br />
entwickelt. Um die Zielorte zu erreichen, ist auf der<br />
Autobahn ein stark diszipliniertes Fahrverhalten nötig.<br />
Der Zoe mit seinen 88 PS könnte zwar spielend<br />
200 Stundenkilometer erreichen, drosselt aber bei 135<br />
km/h ab. Wenn man mit dieser Geschwindigkeit<br />
durchwärmen – von durchheizen zu sprechen wäre<br />
wohl übertrieben – würde, könnte man gerade mal<br />
120 Kilometer fahren, was immer noch einem Durchschnittsverbrauch<br />
von etwa zwei Litern Diesel entsprechen<br />
würde. Auf der Autobahn stelle ich deshalb den<br />
Tempomat auf 90 Stundenkilometer ein und gleite mit<br />
den Lastwagen dahin. Hauptvorteil dieser Maßnahme:<br />
Ich benötige zwar etwas mehr Zeit, komme aber dafür<br />
vollkommen entspannt am Zielort an.<br />
Restrisiko: Platz an der Ladesäule<br />
Das Hauptproblem bei längeren Strecken ist, dass<br />
ich mich darauf verlassen muss, am Zielort eine passende,<br />
funktionierende Lademöglichkeit zu finden, da<br />
ein Reservekanister wie beim Verbrenner nun mal<br />
nicht zur Verfügung steht. Ich habe mir deshalb ange-<br />
Warten auf die Wiedervereinigung<br />
Eines der Hauptprobleme der E-Mobilität in<br />
Deutschland: Die derzeitige Ladeinfrastruktur<br />
mit über 4000 Lade möglichkeiten ist<br />
nicht untereinander kompatibel. Einstecken,<br />
zur Not mit einem Schuko-Stecker, ist zwar<br />
nahezu überall möglich, aber es fließt erst<br />
Strom, wenn man die entsprechende Zugangsberechtigung<br />
in Form eines Schlüssels<br />
(Park and Charge), eines Kennworts (RWE)<br />
oder eines RFID-Kärtchens (Ladenetz, lokales<br />
Stadtwerk oder Anbieter) hat, mit dem<br />
man die jeweilige Ladesäule freischalten<br />
kann.<br />
Doch immerhin gibt es in den Allgäuer<br />
Landkreisen und in Oberschwaben etwa 30<br />
Ladestationen, die mit der »Ladenetz«-Karte<br />
aktiviert werden können. Bei den Stadtwerken<br />
Augsburg bezahlt man im Voraus die Ladezeit<br />
an der Ladesäule mit EC-Karte.<br />
An den Ladesäulen des VWEW in Kaufbeuren<br />
genügt ein bloßes Einstecken des Ladekabels,<br />
und der Strom fließt ohne Zugangskarte<br />
und Kosten. Für den Landkreis Lindau<br />
gilt alles nur bedingt. Die bisher einzige Ladestation<br />
im Westallgäu, in Lindenberg, reagiert<br />
nur auf die Karte der Vorarlberger<br />
Kraftwerke (VKW) mit dem E-Roaming-<br />
Partner Hubject, und die fünf Ladesäulen der<br />
Stadtwerke Lindau können zwar noch mit<br />
der »Ladenetz«-Karte aktiviert werden, werden<br />
aber ab 20<strong>16</strong> ebenfalls im Hubject-Chor<br />
mitsingen, womit ein Laden mit der Lade -<br />
netz-Karte dann dort nicht mehr möglich<br />
sein wird.<br />
Lästermäuler behaupten, dass die Wiedervereinigung<br />
Deutschlands im Vergleich<br />
zur Vereinheitlichung des Ladesäulenzugangs<br />
ein Kinderspiel gewesen sei. Wer sich mehr<br />
Richtung Augsburg, Ulm und München bewegen<br />
möchte, dem kann ich empfehlen, einen<br />
Vertrag mit dem RWE abzuschließen.<br />
Das RWE betreibt über 1000 Ladepunkte in<br />
Deutschland, den Niederlanden und der<br />
Schweiz mit Ökostrom. Der Vertrag ist zwar<br />
kostenpflichtig und die geladenen Kilowattstunden<br />
werden abgerechnet, aber die Ladesäulen<br />
des RWE haben mich inzwischen öfter<br />
vor einem leeren Akku bewahrt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
9
E-Mobil<br />
ALDI-Schnellladesäule mit Anschlüssen für Typ2<br />
(Wechselstrom), CCS und CHAdeMO (Gleichstrom)<br />
Bei Fremdbelegung eines Ladeplatzes<br />
und leerem Akku nur noch Notladung in zweiter Reihe<br />
oder, wie hier, auf Privatparkplatz möglich<br />
wöhnt, nichts dem Zufall zu überlassen, sondern<br />
kundschafte vorher über das web (www.lemnet.org)<br />
passende Lademöglichkeiten aus. Wenn die Lademöglichkeit<br />
nicht mit meinen Ladekärtchen mit RFID-<br />
Funktion kompatibel ist oder nicht eindeutig aus der<br />
Beschreibung hervorgeht, wie man sicher zu seinem<br />
Strom kommt, rufe ich vorher den Betreiber der Ladesäule<br />
an und erkundige mich über die Lademöglichkeiten.<br />
Das hat bisher immer geklappt, auch wenn es<br />
einmal sehr knapp geworden ist. Auf einer Rückfahrt<br />
von Straubing (ca. 3<strong>16</strong> Kilometer einfach) beschloss<br />
ich, wie auch schon auf der Hinfahrt bei Aldi Germering<br />
zwischenzutanken. Aldi Süd betreibt inzwischen<br />
etwa 50 Schnellladesäulen, aber leider nur in den Metropolen<br />
unserer Republik oder in deren Nähe. Was<br />
ich bis dahin nicht wusste, war, dass die Aldi-Säulen<br />
um 20 Uhr ebenfalls Ladenschluss haben und sich abschalten.<br />
Auf der Rückfahrt der Straubing-Tour machte<br />
es nach zehn Minuten Laden »klick«, und die Aldi-<br />
Ladesäule war aus. Immerhin war für angezeigte 50<br />
Kilometer Reichweite Strom im Akku.<br />
Nach München zurück? Nein!<br />
Einer meiner Ladevertragspartner, das RWE, betreibt<br />
zwar auch Ladesäulen in München, aber zurück<br />
wollte ich nicht mehr. Also machte ich mich auf in das<br />
47 Kilometer entfernte Landsberg. Um es kurz zu machen:<br />
Bevor ich an der Ladesäule beim LEW-Gebäude<br />
in Landsberg ankam, änderte das Batteriesymbol seine<br />
Farbe von Orange in Tiefrot, mit einem deutlich vernehmbaren<br />
»Pling«, die Rest-Kilometeranzeige wechselte<br />
auf zwei Striche, mein Adrenalinspiegel erreichte<br />
seinen Höhepunkt. Die Gedanken rasten: Finde ich<br />
die Ladesäule auf Anhieb? Ist die Ladesäule eventuell<br />
durch Fremdparker blockiert? Macht nichts, wenn nötig,<br />
werde ich in zweiter Reihe laden, das Ladekabel<br />
müsste lang genug sein.<br />
Ist die Ladesäule überhaupt frei? Jedenfalls haben<br />
RWE/LEW-Säulen zwei unabhängige Anschlüsse, und<br />
die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wenigstens einer<br />
frei ist. Letzte Eventualität: Funktioniert die Ladesäule<br />
überhaupt? Bei zwei Anschlüssen mit jeweils separatem<br />
Zugang ist auch die Wahrscheinlichkeit sehr<br />
hoch, dass wenigstens einer funktioniert. Viele Ladesäulen<br />
anderer Betreiber haben zwar zwei Anschlüsse,<br />
aber nur einen Zugang mit RFID-Karte. Wenn dieser<br />
gestört ist, womit ich bei anderer Gelegenheit konfrontiert<br />
war, nützt weder der eine noch der andere<br />
Anschluss etwas.<br />
Als ich ankam, waren beide Ladeplätze frei. Da<br />
ich kein App-Fan bin, um eine Ladesäule zu aktivieren,<br />
bestand die einzige Aufgabe darin, um 21:30 Uhr<br />
den RWE-Service auf der Service-Nummer wachzurufen<br />
und um Freigabe der Ladesäule zu bitten, was<br />
auch gewohnheitsgemäß funktionierte.<br />
Steffen Riedel fasst seine Eindrücke zusammen<br />
Wer noch nie Elektroauto gefahren ist, weiß nicht, was ihm<br />
entgeht. Es gibt zwar Leute, die sich schon bei der ersten<br />
Probefahrt vom E-Auto-Fieber anstecken lassen, aber so<br />
richtig auf den Geschmack kommt man erst, wenn man<br />
längere Zeit und mehr Kilometer unterwegs ist.<br />
Der Markt bietet inzwischen eine Reihe interessanter und<br />
vor allem bezahlbarer Elektrofahrzeuge, zum Beispiel den<br />
Nissan Leaf, den Renault Kangoo und den ZOE, Mitsubishi<br />
Electric Vehicle, auch von Citroën und Peugeot ver trie ben.<br />
Für Leute mit genügend Kleingeld gibt es die Modelle von<br />
Tesla und die Modelle von Mercedes, VW und BMW, die<br />
ich persönlich für sehr teuer halte. Weitere Hersteller<br />
haben nachgezogen, zum Beispiel Kia mit dem Soul EV. Die<br />
»Ladesäulen-Gespräche«, die ich führte, ergaben, dass alle<br />
Besitzer der genannten Fahrzeuge, sehr zufrieden sind.<br />
10 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
11
E-Mobil<br />
Einachser: Hymer macht mit<br />
Wangener sind an Elektrofahrzeugbau beteiligt<br />
Die Uni Kassel koordiniert einen Forschungsverbund, der<br />
ein einachsiges Elektro-Fahrzeug entwickelt. So ein neuartiges<br />
Vehikel muss leicht sein. Die Leichtbauweise in Aluminium und<br />
Stahl versteht der Wohnmobilhersteller aus Wangen im<br />
Allgäu. Hymer ist im Verbund am Projekt beteiligt.<br />
Ein Prototyp des einachsigen E-Fahrzeuges hat<br />
seine Tauglichkeit bereits unter Beweis gestellt.<br />
Stabil bleibt es über minimale, elektronisch<br />
gesteuerte Verschiebungen der kompletten<br />
Achse, die seinen Schwerpunkt verlagern. Anders als<br />
bei herkömmlichen Einachsern, die im Stehen gefahren<br />
werden (»Segways«), verfügt das Fahrzeug über<br />
eine Bank mit zwei Sitzen. »Das macht es auch für Senioren<br />
und bewegungseingeschränkte Menschen attraktiv«,<br />
erklärt Prof. Dr. Ludwig Brabetz, Leiter des<br />
Fachgebiets Fahrzeugsysteme und Grundlagen der<br />
Elektrotechnik sowie Sprecher des Forschungsverbundes<br />
»Elektromobilitätskonzept mit teilautonomen<br />
Fahrzeugen« (E2V). »Die Ergebnisse des Vorhabens<br />
helfen dabei, eine Mobilitätslücke in der älter werdenden<br />
Gesellschaft zu schließen, und erfüllen dabei<br />
gleichzeitig die Forderung nach einer umweltverträglichen,<br />
individuellen Fortbewegung, die sich durch erneuerbare<br />
Energien speisen lässt.«<br />
Foto: Uni Kassel<br />
Ein Teil des Projektteams<br />
präsentiert das Fahrzeug:<br />
Prof. Dr. Ludwig Brabetz,<br />
Dr. Mohamed Ayeb,<br />
Martin Schelhas und<br />
Paul Oborowski (v.l.)<br />
Als Einsatzgebiet kommen etwa verkehrsfreie<br />
Wohngebiete, Parks und Kulturlandschaften in Frage,<br />
wo sich wegen baulicher Gegebenheiten oder bestimmter<br />
Umwelt- und Tourismusaspekte der Einsatz<br />
herkömmlicher Straßenfahrzeuge verbietet. Das E2V-<br />
Fahrzeug ist zudem mit Informationstechnik ausgestattet,<br />
es bietet aktuelle Informationen zur Umgebung<br />
und stellt eine Navigationsplattform zur Verfügung. In<br />
einem nächsten Schritt ist eine Funktion zum teilautonomen<br />
Fahren geplant, sodass das Fahrzeug die Passagiere<br />
künftig selbstständig ans Ziel bringen kann.<br />
Konstruiert hat das sehr wendige Fahrzeug ein<br />
Konsortium mit vielfältigen Kompetenzen auf den Gebieten<br />
Leichtbau, Karosserie und Fahrwerk, elektrische<br />
Antriebe, Elektronik, Mensch-Maschine-Schnittstellen<br />
und GPS-Navigation. Dabei ist eine zweisitzige<br />
Fahrgastzelle mit einer guten Rundumsicht entstanden.<br />
Weitere Merkmale des Fahrzeuges sind ein Fahrwerk<br />
in hybrider Leichtbauweise (Aluminium-Stahl)<br />
mit verstellbarem Federkomfort, das auch für Fahrten<br />
auf schlechtem Untergrund geeignet ist; ein Spindelantrieb<br />
zur horizontalen Verstellung der Räder unter<br />
dem Fahrzeugaufbau; zwei Synchron-Radnabenmotoren<br />
mit Permanentmagneten zur Sicherstellung einer<br />
energieeffizienten Stabilisierung und Fahrfunktion<br />
sowie eine intelligente Elektronik zur Koordination<br />
aller Balance-, Fahr- und Komfortfunktionen mit<br />
GPS-Navigation.<br />
Partner aus Uni<br />
und Wirtschaft<br />
Das Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung hat das Forschungsprojekt E2V<br />
mit rund zwei Millionen Euro gefördert.<br />
Fünf Fachgebiete der Universität Kassel<br />
sowie sechs Industriepartner waren am<br />
Projekt beteiligt.<br />
Uni Kassel:<br />
Fachgebiet Fahrzeugsysteme und Grundlagen<br />
der Elektrotechnik<br />
Fachgebiet Anlagen und<br />
Hochspannungstechnik<br />
Fachgebiet Elektrische<br />
Energieversorgungssysteme<br />
Fachgebiet Leichtbau-Konstruktion<br />
Fachgebiet Mensch-Maschine-<br />
Systemtechnik<br />
Industriepartner:<br />
E.ON Mitte AG, Kassel<br />
FINE Mobile GmbH, Rosenthal<br />
Ernst Hombach GmbH & Co. KG, Uehlfeld<br />
Hymer Leichtmetallbau GmbH & Co. KG,<br />
Wangen im Allgäu<br />
Krebs und Aulich GmbH, Derenburg<br />
Hella KGaA Hueck & Co, Lippstadt<br />
12<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Energie-Partner<br />
Eigenproduktion hilft sparen<br />
Sonnenbatterie für Hausbesitzer<br />
Als neues Mitglied im Partnernetzwerk des Energie- &<br />
Umweltzentrums Allgäu (eza!) kann die Sonnenbatterie GmbH<br />
am Standort Wildpoldsried den Eigen verbrauch von erneuerbaren<br />
Energien noch stärker in den Fokus von Haus besitzern rücken.<br />
So wirbt das Wildpoldsrieder<br />
Unternehmen für seine mudular<br />
aufgebaute Sonnenbatterie<br />
Fotos: Sonnenbatterie GmbH<br />
Steigende Energiekosten sind für viele Hausbesitzer<br />
eine hohe finanzielle Belastung. Kein<br />
Wunder also, dass der Eigenverbrauch von<br />
selbst erzeugtem Strom in Deutschland stark zunimmt.<br />
Wer den Strom seiner Photovoltaik-Anlage<br />
möglichst vollständig nutzen möchte, benötigt einen<br />
Stromspeicher, um diese Energie auch am Abend und<br />
in der Nacht verbrauchen zu können. Mit dem Energie-<br />
& Umweltzentrum Allgäu (eza!) hat die Sonnenbatterie<br />
GmbH nun einen renommierten und starken<br />
Partner gefunden, mit dem sie das Thema Eigenverbrauch<br />
weiter voranbringen kann.<br />
Starke Partnerschaft mit eza!<br />
»Wer heute seine Stromrechnung auf ein Minimum<br />
senken möchte, kommt um den Eigenverbrauch<br />
von erneuerbaren Energien nicht mehr herum«, sagt<br />
Christoph Ostermann, Geschäftsführer der Sonnenbatterie.<br />
»Die Partnerschaft im eza!-Netzwerk gibt uns<br />
die Möglichkeit, dieses Thema noch stärker im Bewusstsein<br />
von Hausbesitzern zu verankern, die auf<br />
eine wirtschaftliche und zukunftssichere Energieversorgung<br />
setzen.« Mit dem eza!-Partner-Netzwerk verfügt<br />
das Allgäu über einen einzigartigen Verbund von<br />
Planern, Bau- und Handwerksfirmen sowie Anbietern<br />
innovativer Techniken, die für höchste Qualität beim<br />
energieoptimierten Bauen und Sanieren stehen.<br />
Geprüfte Qualität beim Marktführer<br />
»Das Thema Speicherung von Solarstrom gewinnt<br />
zunehmend an Bedeutung. Wir freuen uns<br />
daher sehr, mit der Firma Sonnenbatterie einen kompetenten<br />
Vertreter dieser wichtigen Zukunftsbranche<br />
in unseren Reihen zu haben«, betont eza!-Geschäftsführer<br />
Martin Sambale. »Das Spektrum für qualitätsbewusste<br />
Bauherren und Hauseigentümer wird damit<br />
um ein interessantes Angebot erweitert.« Wer zum<br />
eza!-Partner-Netzwerk gehören will, muss strenge<br />
Eingangskriterien erfüllen, die das unabhängige Energie-<br />
& Umweltzentrum Allgäu kontinuierlich prüft.<br />
Die Sonnenbatterie GmbH konnte diese Vorgaben erfüllen<br />
und verpflichtet sich jetzt wie alle eza!-Partner<br />
dazu, ihre Mitarbeiter regelmäßig zu Fortbildungstagen<br />
zu schicken. Der Hersteller von intelligenten Energiespeichersystemen<br />
ist damit eine von mehr als 130<br />
Firmen im eza!-Partner-Netzwerk.<br />
Über Sonnenbatterie GmbH<br />
Die Wildpoldsrieder sind Marktführer für intelligente<br />
Lithium-Speichersysteme in Deutschland. Zu ihren Kunden<br />
zählen in erster Linie Privathaushalte, aber auch Landwirte<br />
und Gewerbebetriebe, die auf Speichergrößen von 2 kWh<br />
bis <strong>16</strong> kWh zurückgreifen können. Das mittel ständische<br />
Unternehmen ist ein Pionier am schnell wachsenden Markt<br />
für dezentrale Speicher und verfügt über langjährige Erfahrung<br />
mit Batteriespeichertechnologien und erneuerbaren<br />
Energien. Als intelligentes, netzdienli ches und langlebiges<br />
Speichersystem erfüllt die Sonnen batterie alle Voraus -<br />
setzung en für eine aktive Einbindung in den Strommarkt.<br />
Die Sonnenbatterie GmbH entwickelt und produziert ihre<br />
Speichersysteme an ihrem Hauptsitz im bayerischen<br />
Wildpoldsried.<br />
Sonnenbatterie GmbH<br />
Mathias Bloch<br />
Am Riedbach 1<br />
87499 Wildpoldsried<br />
Tel. 08304/92933-400<br />
info@sonnenbatterie.de<br />
www.sonnenbatterie.de<br />
14<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Energie<br />
So machen Sie mit<br />
Wichtig ist es, sich beim Landratsamt<br />
für den Stromsparwettbewerb<br />
anzumelden, um sich mithilfe des<br />
Stromspar-Newsletters regelmäßig<br />
über Aktionen und Stromspartipps<br />
informieren zu können. Die Flyer mit<br />
Teilnahmeformularen und weitere<br />
Informationen erhält man im<br />
Landratsamt Oberallgäu bei Manfred<br />
Berktold per E-Mail<br />
manfred.berktold@lra-oa.bayern.de<br />
oder Fax 08321/61267320<br />
Bürger sparen um die Wette<br />
Landkreis Oberallgäu startet Wettbewerb<br />
Klimaschutz geht uns alle etwas an. Die Auswirkungen des Klimaschutzes sind<br />
auch im Allgäu zu spüren. Jeder kann im Rahmen seiner Möglichkeiten einen<br />
Beitrag zum aktiven Klimaschutz leisten. Der Landkreis hat in Zusammenarbeit<br />
mit den Allgäustrom-Partnern und dem Energie- und Umweltzentrum<br />
Allgäu (eza!) einen landkreisweiten Stromsparwettbewerb ins Leben gerufen.<br />
Damit sollen die Bürger zu einem bewussteren und sparsameren Umgang mit<br />
Energie motiviert werden.<br />
Der einfachste und effektivste Baustein ist die<br />
Reduzierung des Energieverbrauchs im eigenen<br />
Haushalt. Und so funktioniert’s: Gewonnen<br />
hat derjenige Haushalt, der die prozentual<br />
größte Einsparung, gemessen in Kilowattstunden<br />
(kWh), in einem Jahr vorweisen kann. Grundlage ist<br />
zum einen die Stromabrechnung für den Abrechnungszeitraum<br />
2014/<strong>2015</strong> und die Schlussrechnung für<br />
<strong>2015</strong>/20<strong>16</strong>. Nach Erhalt der Stromrechnung im Jahr<br />
20<strong>16</strong> haben die Teilnehmer zwei Monate Zeit, ihre Abrechnungskopien<br />
mit dem Teilnahmeformular beim<br />
Landratsamt einzureichen.<br />
Jeder Teilnehmer kann gleich doppelt gewinnen<br />
– zum einen wertvolle Preise bei der Verlosung und<br />
zum anderen durch den eingesparten Strom. Und die<br />
besten Stromsparer im Landkreis gewinnen natürlich<br />
auch! Die fünf Bestplatzierten erhalten Geldpreise in<br />
Höhe von 400, 200, 150, 100 und 50 Euro.<br />
Den Kommunen kommt bei der Umsetzung des<br />
Wettbewerbs vor Ort eine besondere Rolle zu. Sie sollen<br />
ihre Bürger über regelmäßige Infos und Sonderaktionen<br />
sowie einen gemeindeweiten Wettbewerb<br />
Fotos: allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>, eza!<br />
motivieren, möglichst viel Strom einzusparen. Die<br />
Kommunen im Landkreis mit den meisten Teilnehmern<br />
(auf die Einwohnerzahl umgerechnet) werden<br />
am Ende ebenfalls ausgezeichnet.<br />
Der Landkreis stellt den Kommunen für die Aktionen,<br />
die über das ganze Jahr verteilt stattfinden, in<br />
regelmäßigen Abständen Anregungen und vorgefertigte<br />
Kampagnenbausteine zur Verfügung.<br />
»Zahlreiche Gemeinden arbeiten schon auf<br />
Hochtouren an der Umsetzung«, berichtet Dr. Hans-<br />
Jörg von eza!.<br />
Der Austausch von alten Glühbirnen<br />
gegen moderne Energiespar -<br />
lam pen ist ein erster<br />
Schritt zum Sieg<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
15
Energie<br />
In Tussenhausen im Unterallgäu wurde<br />
dieser Stromspeicher zu Forschungszwecken<br />
in Betrieb genommen<br />
Batterie entlastet das Netz<br />
Tussenhauser Speicher puffert Strom vor Ort<br />
In Tussenhausen bei Mindelheim wurde Anfang September der größte Batteriespeicher<br />
seiner Art in Bayern in Betrieb genommen. Im Forschungsprojekt Smart Power Flow soll<br />
untersucht werden, wie durch solche Groß-Batterie-Speicher das Niedrigspannungsnetz<br />
der Lechwerke Verteilernetz GmbH (LVN) entlastet werden kann. Gelingt es im lokalen<br />
Bereich, Schwankungen zu puffern, könnte beim regionalen Netzausbau gespart werden.<br />
Im Projekt Smart Power Flow in Tussenhausen<br />
sind große Vanadium-Redox-Flow-Batterien im<br />
lokalen Niederspannungsnetz eingesetzt. Der<br />
Batteriespeicher soll das regionale Stromnetz unterstützen<br />
und entlasten. Der Umbau der Energieversorgung<br />
in Deutschland hat große Auswirkungen auf<br />
die regionalen Stromnetze. Ursprünglich waren die<br />
Netze zum Verteilen des Stroms angelegt. Heute sammeln<br />
sie in Bayerisch-Schwaben auch immer mehr<br />
Strom aus den zahlreichen Photovoltaik-Anlagen ein.<br />
Der neue Ortsspeicher soll den überschüssigen<br />
Strom aus erneuerbaren Energien lokal zwischenspeichern<br />
und später bei Bedarf wieder ins Ortsnetz<br />
abgeben. Der Batteriespeicher schafft so einen effizienten<br />
lokalen Ausgleich zwischen Erzeugung und<br />
Verbrauch.<br />
Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef<br />
Pschierer: »Wir stellen unser Energiesystem um und<br />
sind bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien<br />
in Bayern im bundesweiten Vergleich Vorreiter.<br />
Umso wichtiger ist es, die erneuerbaren Energien optimal<br />
in das Stromnetz zu integrieren. Hierbei spielen<br />
Pilotprojekte wie Smart Power Flow eine bedeutende<br />
Rolle.«<br />
Ortsspeicher gleichen aus<br />
Im Projekt Smart Power Flow soll untersucht<br />
werden, inwiefern ein regionaler Netzausbau durch<br />
den Einsatz von Batteriespeichern vermieden werden<br />
kann. Der Ortsspeicher unterstützt die lokale Spannungshaltung,<br />
sodass zukünftige Netzausbaukosten<br />
minimiert und die Aufnahmefähigkeit des Verteilnetzes<br />
für erneuerbare Energien maximiert wird. Außerdem<br />
möchten die Projektpartner mit dem Ortsspeicher<br />
verschiedene Betriebs- und Vermarktungsweisen<br />
erproben wie z.B. Spannungshaltung, Frequenzregelung,<br />
Blindleistungsmanagement und die Teilnahme<br />
am Regelenergiemarkt. Damit soll gezeigt werden,<br />
dass der Spagat zwischen wirtschaftlichem und netzstützendem<br />
Betrieb möglich ist.<br />
<strong>16</strong> allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Vorzeigeprojekt Tussenhausen<br />
»Verteilnetze bilden das Rückgrat für das dezentrale<br />
Energiesystem der Zukunft«, sagt LEW-Vorstandsmitglied<br />
Dr. Markus Litpher. »Wir wollen die<br />
Energiewende in der Region voranbringen. Dafür tes -<br />
ten wir gemeinsam mit Partnern und Bürgern neue<br />
Technologien. Für die Region ist der Ortsspeicher hier<br />
in Tussenhausen ein Vorzeigeprojekt auf dem Weg in<br />
die Energiezukunft.«<br />
Clemens Triebel, Mit-Gründer des Speicherpioniers<br />
Younicos, ergänzt: »Wir freuen uns darauf, zeigen<br />
zu können, wie vielseitig intelligente Speicher auch<br />
auf Verteilnetzebene eingesetzt werden können. Wie<br />
die schon heute wirtschaftlichen Batterieparks auf<br />
Übertragungsnetzebene ermöglichen auch sie es uns,<br />
mehr erneuerbare Energien zu nutzen.«<br />
Batterie mit spannenden Eigenschaften<br />
Als Standort für den Ortsspeicher wurde die<br />
Marktgemeinde Tussenhausen im Landkreis Unterallgäu<br />
aus 80 möglichen Orten ausgewählt: Zum einen<br />
speisen im Ortsnetz mehrere Photovoltaik-Anlagen<br />
Strom mit einer Leistung von maximal 560 Kilowatt<br />
ein. Zum anderen ist ein entsprechend großer<br />
Ortsnetztransformator vorhanden. Der Batteriespeicher<br />
wurde am Ortsrand auf dem Gelände der Reiner<br />
Wertstoff Recycling GmbH aufgestellt. Der Standort<br />
bietet ausreichend Platz, ist gut zugänglich und liegt<br />
in der Nähe der Ortsnetzstation. Mit einer Leistung<br />
von 200 Kilowatt und einer Kapazität von 400 Kilowattstunden<br />
ist der Ortsspeicher in Tussenhausen<br />
bayernweit der größte seiner Art. Außerdem kommt<br />
die erste Vanadium-Redox-Flow-Batterie, der sogenannte<br />
CellCube FB200-400 DC, von Gildemeister<br />
energy solutions im süddeutschen Raum zum Einsatz.<br />
Bei dieser speziellen Technologie speichert die Batterie<br />
die elektrische Energie in Form von flüssigen Elektrolyten.<br />
Die Beteiligten am Projekt<br />
Partner bei dem für drei Jahre angelegten<br />
Projekt sind das Reiner Lemoine Institut, die<br />
SMA Solar Technology AG, LEW Verteilnetz<br />
GmbH und Younicos. Die Kosten für das<br />
Forschungsvorhaben belaufen sich auf<br />
insgesamt 2,9 Millionen Euro. Das<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Energie fördert das Projekt Smart Power<br />
Flow aufgrund eines Beschlusses des<br />
Deutschen Bundestages. Weitere<br />
Informationen unter www.forschungenergiespeicher.info<br />
Die LEW Verteilnetz GmbH sorgt als<br />
regionaler Verteilnetzbetreiber für einen<br />
zuverlässigen und sicheren Betrieb des<br />
Stromnetzes und gewährleistet einen<br />
diskriminierungsfreien Netzzugang. Das<br />
Netzgebiet der LEW Verteilnetz GmbH<br />
umfasst Bayerisch-Schwaben sowie Teile<br />
Oberbayerns. Die LEW Verteilnetz GmbH ist<br />
eine Tochtergesellschaft der Lechwerke AG<br />
(LEW).<br />
Eine Vanadium-Redox-Flow-Batterie bietet zahlreiche<br />
Vorteile: Sie verfügt über eine hohe Lebensdauer,<br />
hat nahezu unbegrenzte Ladezyklen und kann ohne<br />
Probleme komplett entladen werden. Die Batteriekapazität<br />
ist dank ihres modularen Aufbaus beliebig erweiterbar<br />
und muss außerdem kaum gewartet werden.<br />
Vielseitige Einsatzmöglichkeiten<br />
Der Großspeicher ist besonders für den Einsatz<br />
als Quartierspeicher oder für Industrie und Gewerbe<br />
geeignet. So könnten in Zukunft beispielsweise Gemeinden,<br />
große Unternehmen, Gewerbekunden oder<br />
landwirtschaftliche Betriebe einen solchen Speicher<br />
nutzen, um ihren Eigenverbrauch zu erhöhen oder am<br />
Regelenergiemarkt teilzunehmen.<br />
Das Reiner Lemoine Institut arbeitet im<br />
Bereich der Systemintegration von erneuer -<br />
baren Energiesystemen in den Schwerpunkt -<br />
bereichen optimierte Strom- und Wärme -<br />
modelle, alternative Mobilitätskon zepte und<br />
Off-Grid-Systeme.<br />
Die SMA Gruppe ist Weltmarktführer bei<br />
Photovoltaik-Wechselrichtern und bietet<br />
innovative Schlüsseltechnologien für künftige<br />
Energieversorgungs-Strukturen an. Sie hat<br />
ihren Hauptsitz in Niestetal bei Kassel und ist<br />
in 21 Ländern vertreten. Die Unternehmens -<br />
gruppe beschäftigt weltweit mehr als 4000<br />
Mitarbeiter.<br />
Younicos ist ein weltweit führender Anbieter<br />
von intelligenten Netz- und Energiespeicher -<br />
lösungen auf Basis unterschiedlicher<br />
Batterie technologien. Younicos wurde im<br />
Jahr 2005 in Berlin gegründet und<br />
beschäftigt dort sowie in Austin (USA)<br />
mittlerweile rund 120 Mitarbeiter.<br />
Sie nahmen kürzlich den neuen<br />
Ortsspeicher in Tussenhausen in<br />
Betrieb (v.l.): Johannes Ruf,<br />
1. Bürgermeister Markt Tussen -<br />
hausen, Volker Wachenfeld,<br />
SMA Solar Technology AG, Dr.<br />
Markus Litpher, LEW-Vorstandsmitglied,<br />
Franz Josef Pschierer,<br />
Staatssekretär im bayerischen<br />
Wirtschaftsministerium, Philip<br />
Hiersemenzel, Younicos,<br />
Dr. Claus Beneking, Reiner<br />
Lemoine Institut gGmbH<br />
Fotos: LEW/Ruth Plössel<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
17
Energie<br />
1000 afrikanische Elefanten…<br />
…werden jährlich in Bad Hindelang eingespart<br />
Das enorme Gewicht von 5.637.834 Kilogramm CO2 wird im<br />
Ostrachtal jährlich durch natürlich erzeugte Energie eingespart.<br />
So viel bringen rund 1000 afrikanische Elefanten auf die Waage!<br />
Ein kleiner Schritt energiebewusster Menschen vor 20 Jahren<br />
war der Beginn eines Riesensprungs ins 21. Jahrtausend.<br />
Das Hotel Wiesengrund ist<br />
Station 6 auf dem Energieweg.<br />
Merkmal: eigenes<br />
Wasserkraftwerk<br />
In der Ortsgemeinde Bad Hindelang werden bereits<br />
65 Prozent des Strombedarfs selbst erzeugt.<br />
Damit haben die Bürger im Ostrachtal fast das<br />
Ziel von 70 Prozent erreicht, das sich der Kreistag für<br />
2022 gesetzt hat. Auch, wenn Landrat Anton Klotz<br />
wegen der Ablehnung der Windkraft und der Schwierigkeiten<br />
bei der Wasserkraft dieses Ziel mittlerweile<br />
auf 50 Prozent zurückgenommen hat – die Bürger der<br />
Ortsgemeinde bleiben bei ihren ehrgeizigen Zielen.<br />
»In Bad Hindelang soll bis 2030 die vollständige<br />
CO2-Neutralität bei Strom, Heizung und Verkehr erzielt<br />
werden.« So ein Statement im Vorwort zu dem<br />
kleinen Führer »Energiewendeweagele«, das der Verein<br />
»Sonnenwende Hindelang e.V.« Mitte des Jahres<br />
anlässlich seines 20-jährigen Bestehens in einer Auflage<br />
von 2500 Exemplaren herausgegeben hat. »Im<br />
Jahr 2014 konnten wir bereits 65 Prozent unseres<br />
Stroms selbst erzeugen«, stellt Helmut Sobek, Mitglied<br />
im Vorstand des Vereins, fest. Beteiligt an der Idee des<br />
Führers, die vor drei Jahren in einer Vorstandssitzung<br />
geboren wurde, waren die »Sonnenwendler« Roman<br />
Haug (1. Vorsitzender des Vereins), Reinhard Pargent,<br />
Edmund Lochbihler und Helmut Sobek sowie Manuela<br />
und Thilo Kreier, die schon eine ganze Reihe von<br />
Publikationen für die Gemeinde produziert haben.<br />
Die Finanzierung erfolgte mit Mitteln des Vereins und<br />
durch Anzeigen in der Broschüre. Zielgruppen sind<br />
Einheimische, Interessierte aus dem Umland, Gäste<br />
und befreundete Vereine.<br />
Auf gutem Weg voran<br />
Die Sonnenwende Hindelang ist bereits seit 1995<br />
darum bemüht, Anregungen zur Energieeinsparung<br />
und -erzeugung an die Bevölkerung weiterzugeben.<br />
Der Verein wurde am 30. Juni 1995 im Gasthaus<br />
»Traube« in Vorderhindelang gegründet und hat derzeit<br />
über 90 Mitglieder. Vereinszweck ist u.a. die Förderung<br />
der Reinerhaltung von Luft und Wasser und<br />
die Suche nach Energiesparpotenzialen. Als Vorbildfunktion<br />
gilt die Organisation einer Sammelbestellung<br />
von Photovoltaikanlagen zu Beginn der Vereinstätigkeit.<br />
Inzwischen ist der Verein Miteigentümer der<br />
Photovoltaikanlage auf dem Hindelanger Pfarrhaus<br />
und beteiligt an dem von ihm initiierten Bürgerkraftwerk<br />
auf der Hindelanger Schule.<br />
Schlagader Ostrach<br />
Die Hammerschmieden entlang der Ostrach sind<br />
die ältesten ihrer Art in Deutschland. Ihr Ursprung<br />
geht bis ins 15. Jahrhundert zurück, als das Erz, das in<br />
den Hintersteiner Erzbergwerken gewonnen wurde,<br />
an der Ostrach verhüttet und weiterverarbeitet wurde.<br />
Von den ehemals zehn Hammerschmieden sind drei<br />
als »lebende Museen« noch heute in Betrieb. Die Elektrizitätswerke<br />
Hindelang eG (EWH) wurde 1923 von<br />
Bürgern der Gemeinde mit dem Ziel gegründet, eine<br />
unabhängige Stromversorgung im Gemeindegebiet zu<br />
errichten. Das Kraftwerk »Auele«, 1925 in Betrieb genommen,<br />
nutzt das Wasser des auf 1811 Meter gelegenen<br />
Schrecksees. Mit seinem Tagesspeicher (Nutzinhalt<br />
4000 m³) versorgt es zwei Rohrleitungen, die<br />
1963 und 1998 jeweils mit einem Stahlrohr von 870<br />
Metern Länge angelegt wurden. Die Leitungen treiben<br />
je eine Pelton-Turbine zur Stromerzeugung an. 30 Meter<br />
unterhalb des Kraftwerks Auele wurde 2009 eine<br />
weitere Turbine in Gang gesetzt, die jährlich 350.000<br />
kWh leistet. Hinzu kommt das Wasserkraftwerk in<br />
Vorderhindelang, das Wasser aus der Ostrach über<br />
18<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Das Akademie-Gebäude an der Ostrach deutet mit<br />
einem stilisierten Wasserrad an, welches Ziel verfolgt wird:<br />
»Die Energie kommt von uns«<br />
eine unterirdisch verlegte Druckrohrleitung auf eine<br />
Kegelradturbine lenkt. Der Wildbach in Bad Oberdorf<br />
betreibt das Kleinkraftwerk Kühgasse unterhalb der<br />
Luitpoldbad-Brücke und erzeugt mit zwei Peltonturbinen<br />
Strom, mit dem etwa 80 Haushalte versorgt werden<br />
können. Die lokalen Elektrizitätswerke hatten<br />
zum Jahresende 2014 ca. 3800 Kunden, für die rund<br />
18,3 Mio. kWh Strom geliefert wurden (Quelle:<br />
www.ewhindelang.de).<br />
Private Investitionen<br />
Entlang der Ostrach, in Bad Oberdorf und in<br />
Oberjoch hat sich eine große Zahl von Haus- und Hotelbesitzern<br />
für den Einsatz alternativer Energien entschieden.<br />
Seien es Wärmepumpen (Erdwärmesonden)<br />
wie im Gebäudekomplex des »Leporello« oder Blockheizkraftwerke,<br />
eingesetzt vom Biohotel Mattlihaus<br />
oder Hotel Prinz-Luitpoldbad, und die von einem Seitenkanal<br />
der Ostrach betriebenen Wasserturbinen des<br />
Hotels Wiesengrund – das Ostrachtal ist beispielhaft für<br />
die verschiedensten Formen alternativ erzeugter Energien.<br />
Mit einer modernen Holzhackschnitzelanlage beheizt<br />
das Familotel Krone in Unterjoch seine Zimmer<br />
und die Wellnessabteilung samt Hallenbad. Dafür werden<br />
jährlich 2000 m³ Holzhackschnitzel benötigt, wovon<br />
etwa 20 Prozent selbst durch Aufforstungsmaßnahmen<br />
in den eigenen Wäldern gewonnen werden.<br />
Der kleine Energiewendeweagele-Führer, der kos -<br />
tenlos in der Tourist-Information Bad Hindelang und<br />
im Rathaus erhältlich ist, nennt 23 vorbildliche Beispiele,<br />
die sich anhand eines beigefügten Ortsplans in<br />
Bad Hindelang und Bad Oberdorf oder entlang der<br />
Ostrach auch »erwandern« lassen.<br />
Auf dem Foto vom Stand der »Sonnenwende e.V.« anlässlich des Marktfestes in Bad Hindelang am<br />
1.8.<strong>2015</strong> von links: Edmund Lochbihler, Helmut Sobek, Josef Bessler, Franz Hatt, Reinhard Pargent<br />
Oben: das breite Wasserrad am<br />
Hotel Wiesengrund und die<br />
»inneren energetischen Werte«<br />
Wärme-Wende im Ortskern<br />
Noch in diesem Jahr werden sowohl große gemeindliche<br />
Gebäude in Bad Hindelang wie Kurhaus,<br />
Rathaus und Feuerwehrhaus als auch die Katholische<br />
Kirche und das Pfarrheim, das neue Gesundheitszentrum<br />
sowie Privathäuser von einer Feuerstätte aus beheizt.<br />
Die Feuerstätte, in einem neu errichteten Anbau<br />
am Kurhaus untergebracht, wird mit Holzpellets betrieben.<br />
Heizanlagen in Haushalten, die sich der Nahwärme<br />
angeschlossen haben, werden danach nicht<br />
mehr benötigt, da die Häuser mit einer unterirdisch<br />
verlegten Warmwasserleitung verbunden sind, die die<br />
benötigte Wärme an einen Wärmetauscher liefert.<br />
Eingspart werden dadurch weitere 650 Tonnen CO2.<br />
Thomas Niehörster<br />
Kurzinfo<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
Sonnenwende Hindelang e.V.,<br />
Zum Stegacker 26,<br />
87541 Bad Hindelang, Tel. 08324/1210,<br />
info@sonnenwende-hindelang.de<br />
Der Führer »Energiewendeweagele« lässt<br />
sich auf der<br />
Internetseite des Vereins<br />
Sonnenwende e.V., www.sonnenwendehindelang.de,<br />
ansehen und herunterladen.<br />
Tourist Information Bad Hindelang,<br />
Unterer Buigenweg 2, 87541 Bad Hindelang,<br />
Tel. 08324/8920<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
19
Windkraft<br />
Wackelt die Schutzzone –<br />
bald Windräder im Oberallgäu möglich?<br />
Bisher sind Windenergieanlagen im Umkreis von Funkfeuern und<br />
Radaranlagen der Luftfahrt-Navigation schwierig oder gar nicht möglich.<br />
Dies blockiert zum Beispiel auch den Bau von Anlagen östlich von Kempten.<br />
In welchem Ausmaß Rotoren Signale ablenken oder verändern, ist bisher<br />
wissenschaftlich nicht hinreichend untersucht. Die Schutzzone von<br />
15 Kilometern Umkreis ist jedoch nicht in Zement gegossen.<br />
Es war einmal: Vor zwei Jahren noch wollten<br />
ambitionierte Bürger und Institutionen im<br />
Oberallgäu 50 Windräder bauen. Im Unterallgäu<br />
sollten ebenfalls 50 neue Anlagen entstehen – inzwischen<br />
herrscht hier wie dort absolute Windstille.<br />
Vorschriften, Behörden und Gesetze haben die Pläne<br />
gestoppt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Während<br />
die 50 Windräder in fünf Vorranggebieten im<br />
Unterallgäu an der sogenannten »10H-Regel« des<br />
bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer<br />
scheitern, stehen die Vorhaben im Oberallgäu wegen<br />
des Vetos der Deutschen Flugsicherung vor dem Aus<br />
– vorerst zumindest.<br />
Die Unterallgäuer bringen in ihren Vorrang -<br />
gebieten kaum mehr ein Windrad unter, das mehr als<br />
zwei Kilometer vom nächsten bewohnten Gebäude<br />
entfernt ist. Und so weit muss laut Seehofer die Schutzzone<br />
um das Windrad herum reichen. Landrat Hans-<br />
Joachim Weirather bedauert: »Aktuell ist der Bau von<br />
wirtschaftlich arbeitenden Windkraftanlagen an keinem<br />
der Standorte möglich.« Die Aktivitäten der<br />
Projekt entwicklungsgesellschaft Windkraft wurden<br />
deshalb auf ein Minimum reduziert.<br />
Die Oberallgäuer dagegen hadern mit dem Luftamt<br />
Süd und der Flugsicherung. Denn die neu geplanten<br />
Windkraftanlagen bei Wildpoldsried stören laut<br />
dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) das<br />
Drehfunkfeuer Kempten-Ost. Die Behörde teilte in einer<br />
Stellungnahme zum Flächennutzungsplan mit,<br />
dass im Umkreis von 15 Kilometern um dieses Funkfeuer<br />
keine neuen Windräder mehr gebaut werden<br />
dürfen. Diese Schutzzone ist umstritten, aber sie hindert<br />
die Planungen. Lediglich die beiden 200-Meter-<br />
Räder, die kleinere Anlagen ersetzten, dürfen derzeit<br />
gebaut werden.<br />
Die Flugsicherungsbehörden berichten, dass die<br />
Signale des Drehfunkfeuers nicht nur von Wind -<br />
rädern gestört werden. Auch Gebäude und andere<br />
20<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Drehfunkfeuer dienen der Navigation von<br />
Flugzeugen. Im Fachjargon heißen sie VOR<br />
(VHF Omnidirectional Radio Range). Ver -<br />
einfacht ausgedrückt arbeiten die Funkfeuer<br />
wie Leuchttürme. Während der Leuchtturm<br />
in feststehenden Abständen Lichtsignale<br />
versendet, schickt das Funkfeuer geregelte<br />
Ultrakurzwellen in den Äther. Das Funkfeuer<br />
Kempten (sendet auf 109,600 Mhz) ist<br />
ein sogenanntes Doppler-UKW-Funkfeuer<br />
(DVOR/DME). Es stellt eine Bodenstation dar,<br />
deren Signal von speziellen Empfängern in<br />
Flug zeugen ausgewertet und als Richtungs -<br />
information auf einem Anzeigegerät ablesbar<br />
wird.<br />
Hindernisse beeinflussen die Radiowellen. Im Gegensatz<br />
zu bewegten Windrädern können feste Hindernisse<br />
aber »rechnerisch berücksichtigt«, also korrigiert<br />
werden. Dass im Umgriff von 15 Kilometern um das<br />
VOR Kempten bereits 23 Windräder stehen, ist auch<br />
den Behörden bekannt. Der Einfluss dieser Anlagen<br />
liege noch im Toleranzbereich von »drei Prozent Abweichungen«.<br />
Weitere Windkraftanlagen könne man<br />
aber nicht mehr akzeptieren.<br />
Also ein dauerhaftes »Aus« für Windräder rund<br />
um Kempten und Wildpoldsried? Wohl nicht. Denn<br />
die Probleme gibt es nicht nur hier. Besonders in den<br />
nördlichen Bundesländern kommen solche Konflikte<br />
mit der Luftraumüberwachung öfter vor. Der Bundesverband<br />
Windenergie (BWE) berichtet, dass der Bau<br />
von 4100 Megawatt Turbinenleistung (entspricht rund<br />
fünf Großkraftwerken) durch Flugsicherung und<br />
Deutschen Wetterdienst blockiert würden. Dabei<br />
nennt BWE die Zahl von 1422 Anlagen, die durch 15-<br />
Kilometer-Verbotszonen um die ca. 60 Funkfeuer in<br />
der Bundesrepublik nicht gebaut werden können. Der<br />
Verband ist der Auffassung, dass die Schutzzonen um<br />
die Funkfeuer mehr oder weniger willkürlich eingerichtet<br />
werden. Als Beweis führt BWE an, dass die militärische<br />
Flugsicherung bei Weitem nicht so strikt auf<br />
die Sicherheitszonen poche. Dort sei man in gleichge-<br />
Das Doppler-UKW-Funkfeuer<br />
Kempten-Ost (oben) verhindert<br />
derzeit den Bau weiterer<br />
Windkraftanlagen im Raum<br />
Kempten-Wildpoldsried<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
21
Windkraft<br />
Kaufbeuren<br />
Obergünzburg<br />
Leutkirch<br />
im Allgäu<br />
Altusried<br />
Dietmannsried<br />
Wildpoldsried<br />
Unterthingau<br />
Marktoberdorf<br />
Wiggensbach<br />
Funkfeuer<br />
Kempten (Allgäu)<br />
Isny<br />
im Allgäu<br />
Buchenberg<br />
Görisried<br />
Waltenhofen<br />
Sulzberg<br />
Oy-Mittelberg<br />
Karte: OpenStreetMap contributors; CC-BY-SA 2.0<br />
Unsere Karte (oben) zeigt die<br />
derzeitige Verbotszone für<br />
neue Windräder rund um das<br />
Drehfunkfeuer (rechte Seite<br />
oben) bei Kempten<br />
lagerten Fällen viel kompromissbereiter. Die Deutsche<br />
Flugsicherung kontert: »Der Sicherheitsradius von 15<br />
Kilometern wird durch die Internationale Zivile Luftfahrtorganisation<br />
(ICAO) vorgegeben – wir sind daran<br />
gebunden.«<br />
Ein Gutachten zum Drehfunkfeuer Michaelsdorf<br />
(zwischen Rostock und Stralsund) von Prof. Dr. Elmar<br />
Giemulla von der TU Berlin sagt im Kern aus,<br />
dass die bisher angewandten Verfahren der Flugsicherung<br />
zur Beeinflussung von Drehfunkfeuern durch<br />
Windkraftanlagen »stark vereinfachend« sind und nie<br />
validiert wurden. Aus diesem Grund beschäftigt sich<br />
die Umwelt- und Verkehrsministerkonferenz auch<br />
mit diesem Thema.<br />
Internen Berichten zufolge sind Drehfunkfeuer<br />
längst nicht mehr so wichtig für die Flugnavigation<br />
und den kommerziellen Flugbetrieb. Eurocontrol<br />
geht davon aus, dass nur noch vier Prozent aller<br />
Instrumentenflüge auf das Drehfunkfeuer-Sys tem<br />
zurückgreifen. Für den Streckenflug sei ein deutlich<br />
reduziertes Netz ausreichend. Und bei der Flugsicherung<br />
selbst gibt es Überlegungen, in den Jahren nach<br />
2020 auf GPS (Global Positioning System) wie beim<br />
Straßenverkehr umzusteigen. Obwohl GPS nicht bindend<br />
vorgeschrieben ist, navigieren schon heute die<br />
meisten Flugzeuge mit GPS. Die UKW-Drehfunkfeuer,<br />
die inzwischen fast 80 Jahre im Dienst stehen, seien<br />
dann nur noch für den Notfall nötig.<br />
Windenergieanlagen und ein Drehfunkfeuer ergänzen den<br />
Miniaturflugplatz in Braunschweig<br />
Foto: TU Braunschweig<br />
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) wurde 1993 gegrün -<br />
det, betreibt <strong>16</strong> Tower auf großen Verkehrs flughäfen und<br />
ist auf neun Regionalflughäfen in Deutschland vertreten.<br />
Das Unternehmen ist staatlich und überwacht nicht nur<br />
den zivilen, sondern auch den militärischen Luftverkehr.<br />
Fast 6000 Mitarbeiter stehen im Dienst des Unter neh -<br />
mens, darunter knapp 2000 Fluglotsen. Die Deutsche<br />
Flugsicherung arbeitet mit Partner organisationen rund<br />
um den Globus zusammen.<br />
22 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Obwohl anscheinend die Tage der UKW-Drehfunkfeuer<br />
gezählt sind, bleiben sie doch Ziel der Forschung.<br />
Sie sollen die Kritik von Prof. Giemulla bestätigen<br />
oder entkräften.<br />
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt<br />
(PTB) entwickelt im Projekt »Weran« ein neues Messsystem,<br />
um mit hoher Datenqualität Beeinträchtigungen<br />
von terrestrischen Navigationsanlagen und von<br />
Radarsignalen durch Windenergieanlagen (WEA) zu<br />
ermitteln. Ein dafür neu entwickeltes Antennen- und<br />
Empfangssystem misst elektromagnetische Feldstärken<br />
und speichert zeitsynchron Messdaten und GPS-<br />
Daten. Das Messsystem besteht aus einer Box, die unter<br />
einen Hubschrauber gehängt werden kann. Eine<br />
verkleinerte Form des Systems für Flüge mit einer automatisch<br />
fliegenden Messplattform – Oktokopter genannt<br />
– mit Präzisionsnavigation wird gerade in Betrieb<br />
genommen.<br />
Während »Weran« vor Ort tatsächliche Gegebenheiten<br />
in der Schutzzone aufnimmt, werden im Projekt<br />
»min-VOR-win« an einem miniaturisierten Flughafen<br />
die Interaktionen zwischen Funkfeuer und<br />
WEA systematisch untersucht. Robert Geise, Projektleiter<br />
an der TU Braunschweig, erläutert die Vorteile:<br />
»Wir können am Modell, so wie es die systematischen<br />
Messungen erfordern, problemlos Windenergieanlagen<br />
dazu- oder wegnehmen, Flugzeuge beliebig oft aus<br />
einer bestimmten Richtung anfliegen und den Wind<br />
aus der gewünschten Richtung wehen lassen. Das ist<br />
in der Realität nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßigem<br />
Aufwand zu erreichen.«<br />
Zusammengenommen bleibt für das Oberallgäu<br />
festzustellen: Es wird zukünftig nicht mehr so viele<br />
Drehfunkfeuer geben. Welche wann wo abgebaut werden,<br />
sollte die Lokalpolitik gut im Auge behalten. Vielleicht<br />
ist die Anlage in Kempten bald nicht mehr von<br />
Bedeutung und kann abgeschaltet werden. Auf jeden<br />
Fall sind die Chancen für neue Windräder rund um<br />
Kempten nicht unbedingt schlecht. Kommt Zeit,<br />
kommt Rat. Ob die 10H-Regel des bayerischen Minis -<br />
terpräsidenten für das Unterallgäu irgendwann wakkelt,<br />
steht dagegen in den Sternen.<br />
Foto: PTB<br />
Mithilfe eines sogenannten<br />
Oktokopters kann das miniaturi -<br />
sierte Messsystem für Radar -<br />
anlagen durch Wind parks<br />
fliegen und an beliebigen<br />
Punkten im Raum Messungen<br />
durchführen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
23
Windkraft<br />
Windräder sind ein Segen<br />
Arno Zengerle: »Wir machen weiter!«<br />
Bei windigem herbstlichem Wetter feierten die Gemeinden Wildpoldsried<br />
und Kraftisried Ende September ein Windrad-Fest. Zeitlich genau terminiert,<br />
um den Aufbau der beiden neuesten Windräder der Allgemeinheit zu zeigen. Nicht<br />
nur Bürger der beiden Gemeinden nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren.<br />
24<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Enercon E-115<br />
im »Albratsmoos« und<br />
»In der Höll Nord«<br />
Die beiden Windkraftanlagen ersetzen die<br />
kürzlich gesprengten kleineren Windräder.<br />
Die Herstellerfirma Enercon baut seit Jah -<br />
ren nur getriebelose Windräder. Die beiden<br />
neuen Windräder haben eine Nabenhöhe<br />
von 149 Metern, einen Rotor durchmesser<br />
von 115 Metern und eine Gesamthöhe von<br />
206 Metern. Die Kanzel mit Generator wiegt<br />
33 Tonnen. Eine E-115 hat eine Leistung von<br />
3000 kW. Im Jahr erzeugt ein Windrad<br />
etwa sieben Millionen kWh an Strom. Damit<br />
können etwa 1750 Drei-Personen-Haushalte<br />
versorgt werden. 6.500.000 Kilogramm<br />
CO 2 -Emissionen werden dadurch vermieden.<br />
Beide Anlagen kosten zusammen etwa 10,5<br />
Millionen Euro. Betreiber ist die Wildkraft<br />
GmbH & Co. KG. Sie haben eine geschätzte<br />
Betriebsdauer von 30 bis 40 Jahren. Die<br />
beiden Gemeinden Wildpoldsried und Kraftisried,<br />
das Allgäuer Überlandwerk und über<br />
200 Bürger aus den beiden Standorten<br />
sind beteiligt. Die beiden Wind räder sollen<br />
bereits im November »an den Wind« gehen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
25
Windkraft<br />
Wildpoldsrieds Bürgermeister<br />
Arno Zengerle gab sich<br />
trotz des Baustopps durch<br />
Seehofers »10H-Regelung«<br />
und Bauverbots durch die<br />
Flugsicherung kämpferisch:<br />
»Wir machen weiter!«<br />
Raimund Kamm, Landes -<br />
vorsitzender des Bundes -<br />
ver bandes Windenergie,<br />
hob mahnend den Finger<br />
gegenüber der bayerischen<br />
Staatsregierung<br />
Alle Windräder waren in Schwung – der<br />
<strong>Herbst</strong>wind trieb sie kräftig an. Blauer Himmel<br />
und weiße Wolken bildeten einen stimmungsvollen<br />
Hintergrund für die sonntägliche Messe<br />
auf der bewaldeten Hügelkette zwischen den beiden<br />
Gemeinden. Und gleich nach dem Segen von ganz<br />
oben sorgte Wildpoldrieds Bürgermeister Arno Zengele<br />
für weniger friedliche Töne. Trotzig kämpferisch<br />
prangerte er den Baustopp für weitere Windkraftanlagen<br />
an. Sowohl die Flugsicherungsbehörden, die<br />
einen weiteren Ausbau der Windkraft in der Schutzzone<br />
des Flugfunkfeuers verhindern, als auch die<br />
Staatsregierung mit der sogenannten »10H-Regelung«<br />
bekamen ihr Fett weg. Nicht einmal die Berliner Koalition<br />
verschonte er. »Weil man den großen Stromkonzernen<br />
eine Kuschelecke« reservieren will, habe<br />
man die Führungsposition in der Energiewende auf<br />
der Welt anderen überlassen, statt konsequent weiter<br />
daran zu arbeiten. Zengerle: »Wir haben in Wildpoldsried<br />
viel erreicht.« Er berichtete, dass Wildpoldsried<br />
fünfmal so viel Energie erzeugt, wie der Ort selbst<br />
verbraucht. Er lobte die Bürger, die hinter der Idee<br />
stehen, und die klugen Köpfe wie Wendelin Einsiedler,<br />
die die Gemeinde nicht nur bei der Wind energie, sondern<br />
auch bei Biogas und Photovoltaik vorangebracht<br />
haben. »Wir machen weiter, weil wir überzeugt davon<br />
sind, dass der eingeschlagene Weg richtig ist!« rief er<br />
trotzig in die Runde.<br />
Bestätigt wurde der Bürgermeister des Energiedorfes<br />
vom Landesvorsitzenden des Bundesverbandes<br />
Windenergie, Raimund Kamm. »Windräder sind ein<br />
Segen!« sagte der im Rückgriff auf die erhobenen Hände<br />
des Pfarrers einige Minuten zuvor. Auch Kamm<br />
ließ kein gutes Haar an der bayerischen Energiewende.<br />
Das Windradfest begann mit<br />
einem Feldgottesdienst am<br />
Fuße eines sich munter<br />
drehenden Windrades.<br />
Darunter das kleine Rad der<br />
Musikkapelle Wildpoldsried<br />
mit der Aufschrift »Bei uns<br />
bläst ein anderer Wind«<br />
Fotos: allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Besichtigung der Baustelle<br />
im »Albratsmoos«: Mitarbeiter<br />
von Enercon erläu tern<br />
die Kenndaten des neuen,<br />
im Bau befindlichen Rades<br />
26<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Der Motor des Energie -<br />
dorfes Wildpoldsried,<br />
Wendelin Einsiedler,<br />
blickt ob des Gegenwindes<br />
in Sachen Energiewende<br />
eher nach denklich in die<br />
Zukunft – hoffentlich nur<br />
kurze Zeit!<br />
Der Projektleiter für die<br />
beiden neuen Windräder,<br />
Thorsten Häusler von den<br />
Allgäuer Überlandwerken<br />
(AÜW): Verdeckt er mit<br />
dem Hut die grauen Haare,<br />
die ihm die Energiepolitik<br />
der Staatsregierung<br />
wachsen lässt?<br />
Er lobte die beiden Gemeinden Kraftisried und Wildpoldsried<br />
und die Bürger für ihre Initiative und ihr<br />
Beispiel, kritisierte die 10H-Regelung der Staatsregierung<br />
und machte deutlich, dass »…jedes Windrad von<br />
der Größe, wie sie hier gebaut werden, jedes Jahr die<br />
gleiche Energie erzeugt, wie zwei lange Güterzüge<br />
Steinkohle bringen«.<br />
Die Besucher des Windradfestes hatten Gelegenheit,<br />
die Anlagen, die in den Reden so gelobt wurden,<br />
selbst in Augenschein zu nehmen. Die Türen der<br />
Windräder waren offen, ein Blick ins Innere war erlaubt.<br />
Auf Bildschirmen wurden Info-Filme gezeigt,<br />
Kinder konnten kleine Windräder basteln. Das Autohaus<br />
Sirch zeigte seine E-Mobile, und der Bikeshop<br />
Wildrad stellte E-Fahrräder zur Probefahrt zur Verfügung.<br />
Ideale Voraussetzung für viele Besucher, auf geschotterten<br />
Waldwegen die Baustelle der beiden neuen<br />
Windkraftanlagen zu besuchen, was sonst aus Sicherheitsgründen<br />
von der Herstellerfirma Enercon nicht<br />
so gerne gesehen wird.<br />
An diesem Tag jedoch wurde »offene Baustelle«<br />
gepflegt. Die beiden Türme der neuen Anlagen »Typ<br />
E-115« ragen bereits gewaltig in die Höhe. Neben einem<br />
der beiden war schon der mächtige Baukran aufgestellt,<br />
der Generator und Rotorblätter in luftige Höhen<br />
transportieren soll. Wenige Hundert Meter weiter<br />
konnten die Besucher die Gitterbauteile des zweiten<br />
Baukrans noch zerlegt am Boden besichtigen. Daneben<br />
in drei Teilen das Herzstück des Windrades, das<br />
Maschinenhaus mit dem Generator. Zusammengebaut<br />
wiegt dieses Maschinenhaus über 30 Tonnen und wird<br />
auf der Spitze des Turmes in 149 Metern Höhe installiert.<br />
Mitarbeiter der Firma Enercon aus Aurich standen<br />
den interessierten Besuchern Rede und Antwort.<br />
Beeindruckende Dimensionen:<br />
die Basis des Schwerlastkranes<br />
mit einer Höhe von 120 Metern<br />
und die Teile der 33 Tonnen<br />
schweren Kanzel des Wind -<br />
rades, hier in mehreren Teilen<br />
Oben: Blick auf die im Bau<br />
befindlichen Enercon-Windräder<br />
im »Albratsmoos« und<br />
»In der Höll Nord«<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
27
Windkraft<br />
Ist »unhörbar« doch hörbar?<br />
Infraschall untersucht – wir haben uns umgehört<br />
Sind Windenergieanlagen schädlich für Menschen? Manche glauben das,<br />
andere wiegeln ab – schnell kochen die Emotionen hoch. Um mehr Sachlichkeit<br />
in die Diskussion zu bringen, hat sich ein internationales Expertenteam den<br />
Grundlagen des Hörens an der unteren Grenze des Hörfrequenzbereiches<br />
(Infraschall), aber auch an der oberen Grenze (Ultraschall) zugewandt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat dazu Betroffene in Wildpoldsried befragt.<br />
Koordiniert wurde das Projekt, das Teil des<br />
Europäischen Metrologie-Forschungsprogrammes<br />
ist, von der Physikalisch-Technischen<br />
Bundesanstalt (PTB). Beteiligt waren auf<br />
PTB-Seite nicht nur Akustiker, sondern auch Experten<br />
in den Bereichen Biomagnetismus (MEG) und funktionelle<br />
Kernspintomografie (fMRT). Ihr Ergebnis:<br />
Der Mensch hört tiefere Töne, als bislang bekannt. Und<br />
die Mechanismen der Wahrnehmung sind vielfältiger,<br />
als bisher angenommen. Ein weites Feld tut sich hier<br />
auf, auf dem auch die Psychologie nicht außer Acht<br />
gelassen werden darf. Auf jeden Fall gibt es noch weiteren<br />
Forschungsbedarf.<br />
Schlafstörungen durch Windrad?<br />
fraschall, das sind sehr tiefe Töne unter der Hörschwelle<br />
von etwa <strong>16</strong> Hertz. Damit seien sie unhörbar<br />
und überhaupt viel zu schwach, um gesundheitliche<br />
Beschwerden auszulösen, meinen Windenergiebranche<br />
und Behörden oftmals.<br />
»Sowohl Panikmache als auch pauschales Abwiegeln<br />
führen hier nicht weiter«, ist sich Christian Koch<br />
sicher. »Stattdessen müssen wir mehr darüber herausfinden,<br />
was bei der Wahrnehmung von Schall im<br />
Grenzbereich des Hörens passiert.« Der PTB-Akustiker<br />
ist der Leiter des internationalen Projektes, in dem<br />
Messtechnik-Experten aus mehreren Metrologie-Instituten<br />
sowie Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts<br />
für Bildungsforschung in Berlin und des Ear Institute<br />
am UCL (University College London) drei Jahre<br />
lang die Grundlagen des Hörens von »unhörbarem«<br />
Schall untersucht haben.<br />
Infraschall hat viele Quellen<br />
Derartiger sehr tiefer (Infraschall unterhalb von<br />
etwa <strong>16</strong> Hertz) bzw. sehr hoher Schall (Ultraschall<br />
oberhalb von etwa <strong>16</strong>.000 Hertz) tritt in vielen Bereichen<br />
des Alltags auf. Infraschall entsteht nicht nur bei<br />
Soll vor dem eigenen Grundstück eine Windenergieanlage<br />
gebaut werden, dann wird so mancher<br />
Befürworter der Energiewende zum Windkraftfeind.<br />
Ängste machen sich breit, der Infraschall, den die Rotoren<br />
und die Luftströmung erzeugen, könnte krank<br />
machen. Einige Anwohner einer solchen Anlage bemerken<br />
tatsächlich Schlafstörungen, Leistungsabfall<br />
und andere Beschwerden, andere merken nichts. Inallgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
befragte Besucher zum Infraschall<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
»Die Windkraft-Gegner sind eh nicht da«, wurde uns gesagt,<br />
als wir während des Wind kraftfestes am letzten Sonntag im<br />
September bei Wildpoldsried/Kraftisried Besucher um ihre<br />
Meinung zum Thema Infraschall baten (das Ge räusch, das<br />
die Rotoren und die daraus resul tierenden Luftströme erzeugen).<br />
Die von uns Befragten wohnten zwischen einem und<br />
fünf Kilo metern entfernt von den Windkrafträdern auf dem<br />
Höhenzug des Haarberges.<br />
Für Manfred Landerer (51),<br />
Gemeindearbeiter in Wild polds ried, der<br />
etwa einen Kilometer von ihnen entfernt<br />
wohnt, machen sich die Wind räder<br />
akustisch nicht bemerkbar. Für einige<br />
seiner Nachbarn hingegen doch: »Wenn<br />
einer daran glaubt, dass sie Geräusche<br />
machen, dann hört er das auch.«<br />
Marlis Klöpf (48), Besucherin des Fes tes<br />
aus Weitnau, wo das Thema der Wind -<br />
kraft noch immer heftig in der Diskussion<br />
steht, ist über zeugt davon, dass die<br />
Rotorengeräusche bei einem Kilometer<br />
Abstand krank machen.<br />
Ludwig März (63), Landwirt in<br />
Hauptmansgreut, wohnt etwa fünf<br />
Kilometer von der Anlage ent fernt, hört<br />
nur dann etwas, »wenn man in der Nähe<br />
steht!« Was bei ihm etwa zwei Kilometer<br />
Abstand bedeutet. Nachgefragt, ob er<br />
glaubt, dass Infraschall krank machen<br />
könnte, meint er lakonisch: »Wenn man<br />
Angst davor hat…«<br />
28
Windenergieanlagen, sondern manchmal auch dann,<br />
wenn ein Lkw am Haus vorbeidonnert oder ein Hausbesitzer<br />
seinen Stromgenerator im Keller anschmeißt.<br />
Ultraschall kommt zum Beispiel aus den handelsüblichen<br />
Ultraschall-Reinigungsbädern, mit denen man<br />
seine Brille gründlich putzen kann. Oder aus einem<br />
»Marderschreck« – einem Gerät, das mit sehr hohen<br />
Tönen dafür sorgt, dass dem Marder der Geschmack<br />
auf Autokabel vergeht. Eine spezielle Variante solcher<br />
Geräte zur Vertreibung von Jugendlichen ist unter<br />
ethischen Gesichtspunkten international in der Diskussion.<br />
Mit sehr hohen Tönen, wie sie nur von Kindern<br />
und Jugendlichen gehört werden können, wollen<br />
sich Erwachsene Ruhe verschaffen.<br />
Was hört der Mensch wirklich?<br />
»In all diesen Bereichen sind teilweise sehr große<br />
Lautstärken im Spiel«, sagt Christian Koch. Ein hörbarer<br />
lauter Ton kann das Gehör schädigen – und an<br />
den Nerven zerren. Doch was ist mit »unhörbaren«<br />
Tönen? Und was hört ein Mensch wirklich? Um das<br />
herauszubekommen, wurde in dem Projekt eine Infraschallquelle<br />
konstruiert, die Töne ganz ohne Obertöne<br />
erzeugt. Das war nicht trivial, weil Töne fast immer<br />
mit ihren zugehörigen Obertönen daherkommen,<br />
die Forscher hier aber keine hohen Töne brauchen<br />
konnten. Versuchspersonen wurden nach ihrem subjektiven<br />
Hörempfinden gefragt. Diese qualitativen und<br />
quantitativen Aussagen wurden mit bildgebenden<br />
Verfahren, nämlich Magnetoencephalografie (MEG)<br />
und funktioneller Kernspintomografie (fMRT), verglichen.<br />
Die Ergebnisse: Der Mensch hört tiefere Töne<br />
als bislang angenommen, nämlich schon ab acht<br />
Hertz; das ist immerhin eine ganze Oktave tiefer als<br />
der tiefste Ton des bisher angenommenen unteren<br />
Hörfrequenzbereiches. Denn es konnte bis zu dieser<br />
Frequenz eine Erregung des primären auditiven Cor-<br />
tex nachgewiesen werden. Alle Betroffenen gaben dabei<br />
ausdrücklich an, etwas gehört zu haben, wobei<br />
nicht immer eine tonale Wahrnehmung vorlag. Außerdem<br />
wurde beobachtet, dass Gehirnregionen ansprechen,<br />
die bei Emotionen eine Rolle spielen. »Das<br />
heißt, der Mensch nimmt dann eher diffus wahr, dass<br />
da irgendwas ist und dass das auch eine Gefahr bedeuten<br />
könnte«, sagt Christian Koch.<br />
Psychologen sollen ins Boot<br />
Viele Fragen sind noch offen. »Im Grunde stehen<br />
wir erst am Anfang. Weitere Forschung ist dringend<br />
notwendig«, betont Koch. Der Antrag für ein Folge-<br />
Forschungsprojekt läuft bereits. Darin wollen die<br />
Fachleute gezielt jene Menschen untersuchen, die sich<br />
von »unhörbarem« Schall belästigt fühlen. Schließlich<br />
geht es längst nicht jedem so; manchen lässt ein Windrad<br />
neben seinem Haus völlig kalt. Und dann müssen<br />
ja auch noch die Effekte berücksichtigt werden, dass<br />
manche Menschen bereits aus Angst vor einer objektiv<br />
gar nicht vorhandenen Gefahr krank werden. Daher<br />
sollen möglichst auch Psychologen mit ins Team.<br />
Auf dem Weg zu neun Regeln<br />
Viel Forschungsbedarf sehen die Wissenschaftler<br />
auch noch beim anderen Extrem, dem Ultraschall.<br />
Obwohl die eingesetzten Messgeräte zu den genaues -<br />
ten der Welt gehören, konnten die Forscher nicht messen,<br />
ob und was ein Mensch oberhalb der bisher angenommenen<br />
oberen Hörschwelle hört. Aber da auch<br />
bei diesen hohen Tönen gilt, dass ein sehr lauter Ton<br />
das Gehör schädigen kann, muss hier noch mehr geforscht<br />
werden. Die Ergebnisse des internationalen<br />
Forschungsprojektes könnten dazu führen, dass endlich<br />
europaweit einheitliche – und bindende – Schutzbestimmungen<br />
für diese Grenzbereiche des Hörens<br />
eingeführt werden. Die fehlen nämlich bisher.<br />
Begriffserklärung<br />
Der primäre auditive Cortex<br />
ist ein Hörzentrum im Ge hirn,<br />
in dem Klänge verar beitet<br />
werden und das damit für<br />
die Sinnesqualität des Hörens<br />
zuständig ist. Er befindet sich<br />
im Gehirn an der oberen<br />
Grenze des Schläfen lappens.<br />
Zu den Auf gaben des auditi -<br />
ven Cortex zählt die Verar -<br />
beitung sowohl der Tonhöhe<br />
des Gehörten als auch der<br />
zugehörigen Lautstärke.<br />
Günter Mögele (57), Lehrer aus Wild -<br />
poldsried, der vier Kilometer von den<br />
Windrädern entfernt wohnt, hat noch<br />
von keiner ernsthaften Belastung von Bür -<br />
gern im Umkreis gehört. Einen Abstand,<br />
bei dem man keinen Infraschall mehr<br />
empfindet, bemisst er mit 800 Metern.<br />
Mögele ist der Ansicht, dass es nicht auf<br />
das Hören ankommt: »Eher fühlen sich<br />
wohl Menschen betroffen, wenn sie<br />
Sichtkontakt zu Windrädern haben.«<br />
Alle Befragten waren übereinstimmend der Ansicht,<br />
dass die Belastung durch den Straßen verkehr weit größer<br />
und intensiver sei als der Infraschall der Windräder.<br />
Thomas Niehörster<br />
Auch Matthias Bergmiller (29) hält einen<br />
Ab stand von 600 bis 800 Metern für<br />
aus reichend, um keine Geräusche mehr<br />
zu hören. Er wohnt zweieinhalb Kilometer<br />
vom nächsten Windrad entfernt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
29
Wasserkraft<br />
Von diesem Steg mit<br />
Aussichtsturm können Besucher<br />
den hochsensiblen Naturraum<br />
»Illerdurchbruch« beobachten,<br />
ohne dort zu stören<br />
Iller unter »Beobachtung«<br />
Energie, Natur und Tourismus im Einklang<br />
Das LEADER-geförderte Projekt »Flussraum Iller – Wasserkraft« am Illerdurchbruch<br />
bei Legau ist nach zwei Jahren Bauzeit in Betrieb gegangen. Mit dem Projekt<br />
ist der Illerwinkel für Wanderer und Radfahrer attraktiver geworden. Darüber<br />
hinaus kann der Naturraum im und am Wasser ökologisch aufgewertet werden<br />
(wir berichteten). Nicht zuletzt kamen die Kraftwerksbetreiber ihrer Verpflichtung<br />
nach, Durchgänge für die Fischwanderung zu schaffen.<br />
Für Lechwerke AG (LEW) und die Bayerischen<br />
Elektrizitätswerke GmbH (BEW) steht ein<br />
nachhaltiger Betrieb der Wasserkraftwerke im<br />
Vordergrund. Deshalb beteiligen wir uns an Infrastruktur-<br />
und Umweltprojekten, die der Region<br />
zugute kommen. Das Projekt ‚Flussraum Iller‘ ist ein<br />
schönes Beispiel dafür, dass Wasserkraft und Natur gemeinsam<br />
erlebt werden können«, sagte Norbert<br />
Schürmann, Vorstandsmitglied der Lechwerke. »Daneben<br />
setzen wir mit der Iller-Strategie in den kommenden<br />
Jahren ein umfangreiches Paket ökologischer<br />
Maßnahmen um. Diese sollen dazu beitragen, den Lebensraum<br />
der heimischen Tier- und Pflanzenwelt<br />
nachhaltig zu verbessern.« Die Wasserkraftnutzung<br />
steht generell in der Kritik: Sie soll die natürliche<br />
Durchgängigkeit von Flüssen durch Querbauwerke<br />
unterbrechen und so die Wanderung der Fische unmöglich<br />
machen. Auch die Turbinen werden von den<br />
Naturschützern und Fischern als Fischkiller bezeichnet.<br />
Die Kraftwerksbetreiber müssen durch Fischtreppen<br />
und Seitengewässer die Durchgängigkeit der<br />
Gewässer wieder herstellen. Das ist eines der vordringlichsten<br />
Ziele des Projektes »Flussraum Iller«.<br />
Das Projekt besteht aus fünf unterschiedlichen<br />
Bausteinen: An der Staustufe Legau sind ein Steg über<br />
die Iller, ein naturnahes Illerufer, ein neues Auengewässer,<br />
eine Fischbeobachtungsstation sowie ein Tretbecken<br />
entstanden. An den Staustufen Altusried und<br />
Fluhmühle im Landkreis Oberallgäu wurden die Illerufer<br />
ebenfalls naturnah gestaltet. Zusätzlich entstand<br />
in Fluhmühle eine weitere Fischbeobachtungsstation.<br />
Auftraggeber des Projektes sind die Lechwerke und<br />
30<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Dominik Ultes, Landkreis Unterallgäu<br />
der Landkreis Unterallgäu. Die BEW sind Projekt -<br />
träger und Bauherr. Unterstützt werden sie dabei von<br />
den lokalen Aktionsgruppen Kneippland Unterallgäu<br />
und Regionalentwicklung Oberallgäu. Die Kosten für<br />
das Projekt belaufen sich auf 863.000 Euro. Das Amt<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kempten<br />
(AELF) hat LEADER-Fördermittel in Höhe von 60<br />
Prozent der förderfähigen Kosten zugesagt. Die Lechwerke<br />
AG nimmt 214.000 Euro in die Hand, der Landkreis<br />
Unterallgäu steuert ebenfalls 214.000 Euro bei.<br />
Außerdem beteiligen sich die Märkte Legau und Bad<br />
Grönenbach mit jeweils 25.000 Euro.<br />
Ein zentrales Ziel des Projektes unter Federführung<br />
der BEW und des Landkreises Unterallgäu ist das<br />
Thema Umweltbildung: An einem zusätzlich entstandenen<br />
Seitengewässer können interessierte Gruppen<br />
aus der Umweltstation Unterallgäu Bachpatenschaften<br />
übernehmen. Bachpaten pflegen die naturnahen Gewässer<br />
und ihre Uferbereiche. Außerdem schafft eine<br />
Fischbeobachtungsstation mit Zählbecken an der neu<br />
errichteten Fischwanderhilfe umweltpädagogische<br />
Möglichkeiten. Durch ein beleuchtetes Sichtfenster<br />
können heimische Fischarten wie Huchen und Äsche<br />
beobachtet werden.<br />
Profitieren soll auch der Tourismus. Denn an der<br />
Iller wurde eine neue Attraktion geschaffen, die Wanderer<br />
und Radler anlockt. Eine Hängebrücke überspannt<br />
nun die Iller bei Legau auf einer Länge von<br />
rund 80 Metern. Auf diese Weise kann der Fluss im<br />
Bereich zwischen Legau und Bad Grönenbach überquert<br />
werden. Am südlichen Ufer ermöglicht eine 23<br />
Meter hohe Aussichtsplattform den Besuchern einen<br />
Blick in die naheliegende Illersteilwand, ohne dass<br />
sensible Naturbereiche betreten werden müssen. Der<br />
Illersteg ist an das bestehende Rad- und Wanderwegenetz<br />
angeschlossen. Um den Besuchern den Zugang<br />
zum Gewässer wieder zu ermöglichen, wurden die<br />
Uferbereiche abgeflacht und ein naturnahes Illerufer<br />
geschaffen. Die Uferaufweitung bietet neue Lebensräume<br />
für Tiere und Pflanzen.<br />
Besonders attraktiv für Radler und Wanderer ist<br />
schließlich das naturnah gestaltete Tretbecken. Hier<br />
bietet sich Gelegenheit, zu rasten und die Iller im<br />
Kneippland Unterallgäu »hautnah« zu erleben.<br />
Mit der Eröffnung des Projektes »Flussraum Iller«<br />
wurden die Baumaßnahmen im Sommer fertiggestellt.<br />
Nun gilt es, das Projekt mit Leben zu füllen.<br />
Da mit den Maßnahmen vor allem der sanfte Tourismus<br />
gefördert werden soll, wird gemeinsam mit den<br />
Anliegern, Vereinen und Verbänden ein Konzept zur<br />
Besucherlenkung ausgearbeitet: In enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Landkreis Unterallgäu und den Kommunen<br />
sind bei Oberbinnwang und Legau/Graben zusätzliche<br />
Parkplätze entstanden, und die Zufahrt zur<br />
Staustufe Legau ist auf Anlieger beschränkt. Zusammen<br />
mit einer entsprechenden Beschilderung sollen<br />
diese Maßnahmen zu einer rücksichtsvollen Freizeitnutzung<br />
an der Iller beitragen.<br />
Der Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather<br />
sieht in den Maßnahmen eine Bereicherung für<br />
Naturliebhaber, Wanderer und Radler: »Mit dem<br />
Illersteg schaffen wir eine wichtige Rad- und Wanderwegeverbindung<br />
in der Region. Für den Landkreis<br />
Unterallgäu ist das besonders erfreulich, da wir so<br />
einen gewaltigen Schritt in Sachen Infrastruktur<br />
machen«, so Weirather.<br />
Die Kraftwerksbetreiber<br />
Die Bayerische Elektrizitätswerke GmbH<br />
(BEW) ist ein 100-prozentiges Tochter -<br />
unternehmen der Augsburger Lechwerke AG.<br />
Die BEW unterhält und betreibt 36 Wasser -<br />
kraftwerke an Donau, Günz, Iller, Lech und<br />
Wertach und gehört damit zu den führenden<br />
Bild oben: Bei der Eröffnung des<br />
LEADER-Projektes »Flussraum<br />
Iller«: Franz Abele, 1. Bürgermeister<br />
Legau, Norbert Schürmann,<br />
LEW-V orstandsmitglied, Hans-<br />
Joachim Weirather, Landrat<br />
Landkreis Unterallgäu, Ethelbert<br />
Babl, LEADER-Koordinator beim<br />
AELF Kempten, Hermann Gro -<br />
mer, 1. Bürgermeister Kronburg,<br />
und Bernhard Kerler, 1. Bürger -<br />
meister Bad Grönenbach (v.l.)<br />
Bild links oben: das Wehr des<br />
Kraftwerkes Legau<br />
Bild unten: Fische können in<br />
einer neuartigen Aufstiegsrinne<br />
bergwärts wandern<br />
Wasserkraftwerksbetreibern in Bayern. An<br />
der Oberen Iller zwischen Altusried und Laut -<br />
rach betreiben die BEW fünf Wasserkraft -<br />
werke, die jährlich rund 120 Millionen Kilo -<br />
wattstunden Strom erzeugen. Damit können<br />
etwa 34.300 Haushalte ganzjährig mit<br />
umweltfreundlichem Strom versorgt werden.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
31
Wasserkraft<br />
Der Fluss dreht durch<br />
Neuartige Turbine am Illerkraftwerk Sulzberg-Au<br />
In der ersten Ausgabe dieses Jahres berichteten wir über den Plan der<br />
Illerkraftwerk Au GmbH, bei Sulzberg-Au an der Iller ein neuartiges Kraftwerk<br />
zu errichten. Seit dem Spatenstich hat sich viel getan. Am 30. Oktober soll nun<br />
das Herzstück des Kraftwerkes gesetzt werden: die VLH-Turbine. Erst wenige<br />
dieser Very-Low-Head-Turbinen gibt es weltweit – in Deutschland ist es die erste.<br />
Die neue Wehranlage in<br />
Sulzberg-Au ist im Rohbau<br />
bereits gut zu sehen<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
Die Illerkraftwerk Au GmbH, eine Gesellschaft<br />
der Allgäuer Überlandwerk GmbH<br />
(AÜW) und der Bayerischen Landeskraftwerke<br />
GmbH (LKW), setzen einen neuen Meilenstein<br />
in der Energiezukunft.<br />
Am 30. Oktober wird in Sulzberg/Au die Turbine<br />
von Deutschlands erstem VLH-Wasserkraftwerk in<br />
das Kraftwerksgebäude gehoben. Ein 750-Tonnen-Autokran<br />
wird das Laufwerk mit einem Gesamtgewicht<br />
von 43 Tonnen an die richtige Position setzen. Im<br />
Frühjahr berichtete allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> über den<br />
Spatenstich. Inzwischen sind die Vorbereitungen<br />
schon recht weit gediehen. Pressesprecher Stefan<br />
Nitschke vom AÜW: »Dieses Wasserkraftprojekt hat<br />
Vorbildcharakter für eine gesicherte Energieerzeugung<br />
im Einklang mit Natur und Umwelt. Grundlage<br />
für den Bau des Kraftwerks war die Gründung der Illerkraftwerk<br />
Au GmbH (IKA) im Juni 2013 durch<br />
AÜW und die Bayerische Landeskraftwerke GmbH.«<br />
Hightech kommt aus Frankreich<br />
Die VLH-Turbine ist eine französische Entwicklung.<br />
Zwei solche Turbinen sind seit kurzer Zeit bei<br />
der französischen Stadt Millau im Fluss Tarn in Betrieb.<br />
Zwei weitere laufen in Nordost-Italien am Fluss<br />
Oglio. Das Kraftwerk Au ist jedoch eine Besonderheit:<br />
Am Wasserkraftwerk ist erstmals in Deutschland die<br />
»Very Low Head«-Turbine in Kombination mit einer<br />
32<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeige<br />
Ende Oktober wird in Gegenwart von Minister Markus<br />
Söder die neuartige VLH Turbine gesetzt (Bild oben).<br />
Auf dem Bild auf der linken Seite oben ist zu sehen, dass<br />
die Iller bei Sulzberg kein allzu großes Gefälle aufweist.<br />
Die VLH-Turbinen aus Frankreich sind speziell für so kleine<br />
Höhenunter schiede gebaut.<br />
variablen Stauzielregelung durch ein wassergefülltes<br />
Schlauchwehr eingesetzt. Diese Turbinenart eignet<br />
sich besonders für den Einsatz in Flüssen mit niedriger<br />
Fallhöhe und zeichnet sich durch ihre hohe Fischverträglichkeit<br />
aus. Das sehr große offene Turbinenrad<br />
hat viele Flügel und dreht sich sehr langsam. Fische<br />
können nach Berichten der Hersteller problemlos<br />
durchschwimmen. Ein unabhängiges, staatlich finanziertes<br />
Monitoring, durchgeführt von der Technischen<br />
Universität (TU) München, überwacht die Fischverträglichkeit<br />
der VLH-Turbine sowie die ökologischen<br />
Auswirkungen der Wasserkraftanlage auf die umliegenden<br />
Habitate.<br />
Durchbruch für VLH-Technologie?<br />
Wenn sich die Ergebnisse der Voruntersuchungen<br />
bestätigen, wäre dies ein Durchbruch für die Nutzung<br />
der Wasserkraft. Das Ausbaupotenzial beliefe<br />
sich auf ca. 700 bereits vorhandene Staustufen in Bayern,<br />
die für die Wasserkraftnutzung infrage kämen.<br />
Bereits Ende <strong>2015</strong> soll die Wasserkraftanlage bei Sulzberg<br />
ans Netz gehen. Das Investitionsvolumen beläuft<br />
sich auf insgesamt 8,7 Millionen Euro.<br />
Zum Festakt am 30. Oktober will Dr. Markus Söder,<br />
bayerischer Staatsminister für Finanzen, Landesentwicklung<br />
und Heimat, die Baustelle besichtigen<br />
und eine Rede halten.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
33
Bauen<br />
Energieeffiziente Schule<br />
Optimale Ziele in Biberach erreicht<br />
Die Energiewende ist erst seit einigen Jahren ein Thema im Fokus der Bauwirtschaft.<br />
Deshalb sind Langzeitstudien bisher noch eine Seltenheit. Und dass solche Beobachtungen<br />
auch schon während der Dokumentation nachjustiert werden, ist noch seltener.<br />
Die Gebhard-Müller-Schule in Biberach ist ein Musterbeispiel, das eindrucksvoll zeigt,<br />
welche Einsparungen durch Langzeit-Monitoring erreicht werden können.<br />
Info<br />
Atrium mit angrenzenden<br />
Klassenräumen, die<br />
über Oberlichter zusätzlich<br />
belichtet werden<br />
www.bine.info/publikationen/<br />
projektinfos/publikation/<br />
schulgebaeude-imlangzeitmonitoring/#sthash.I<br />
NdVxm2G.dpuf<br />
Der Neubau der Gebhard-Müller-Schule in Biberach<br />
hat die Erwartungen erfüllt – über<br />
zehn Jahre weist das Gebäude einen durchgehend<br />
geringen Energieverbrauch auf. Mit der Inbetriebnahme<br />
des Gebäudes startete ein über drei Jahre<br />
andauerndes wissenschaftliches Intensivmonitoring.<br />
Die Ergebnisse führten zu Anpassungen im Betrieb<br />
der Gebäudetechnik. So konnte der Primärenergieverbrauch<br />
für Heizung, Kühlung und Lüftung um rund<br />
30 Prozent reduziert werden. Dieses Niveau langfristig<br />
ohne wissenschaftliche Begleitung zu erhalten, soll ein<br />
Langzeitmonitoring gewährleisten.<br />
Was muss ein Langzeitmonitoring bieten, damit<br />
das Betriebspersonal die Ergebnisse im Alltag nutzen<br />
kann? Welche Datenströme sind zu erfassen, und welche<br />
technischen Voraussetzungen sind erforderlich?<br />
Diese Fragen am Beispiel der Gebhard-Müller-Schule<br />
(GMS) zu beantworten, war Ziel der Forschungsarbeiten.<br />
Steigt der Energieverbrauch des Gebäudes, soll<br />
dies zeitnah erkannt werden. Das Betriebspersonal benötigt<br />
schnell und anschaulich die notwendigen Informationen,<br />
um Anpassungen vorzunehmen und<br />
Optimierungsmaßnahmen vorzubereiten. Grafisch<br />
aufbereitete Daten bieten hier einen guten Überblick.<br />
34<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Die Datenerfassung erfolgt in den meisten Fällen über<br />
die Gebäudeleittechnik (GLT). Wird der laufende Betrieb<br />
nicht überwacht, bleiben erhöhte Energieverbräuche<br />
häufig unbemerkt.<br />
Die Gebhard-Müller-Schule ist eine kaufmännische<br />
Schule im Kreis-Berufsschulzentrum Biberach.<br />
Mit dem Neubau von 2004 erhielt die Schule ein Gebäude,<br />
das sich an den ambitionierten Vorgaben des<br />
Bauherrn in Bezug auf Komfort, Flexibilität der<br />
Räumlichkeiten und Energieverbrauch orientiert.<br />
2005 startete das Intensivmonitoring mit dem Ziel, das<br />
Gebäude im realen Betrieb zu überprüfen und zu optimieren.<br />
Anschließend begannen 2009 die Arbeiten<br />
zur Umsetzung des Langzeitmonitorings.<br />
Das dreigeschossige Schulgebäude aus Stahlbeton<br />
mit einer Hauptnutzfläche von 5542 Quadratmetern<br />
besteht aus einem Riegel entlang der Erschließungsstraße.<br />
Daran schließen sich zwei kubische Baukörper<br />
an, in denen sich die Unterrichtsräume befinden.<br />
Das günstige A/V-Verhältnis von 0,31 m -1 und<br />
der gute Wärmeschutz der Gebäudehülle sind Teil des<br />
effizienten Gebäudekonzeptes. Flexible Raumgrößen<br />
können durch ein neu entwickeltes Modulkonzept<br />
realisiert werden. Jedes Modul verfügt über eine identische<br />
technische Ausstattung (raumlufttechnische<br />
Versorgung, EDV etc.).<br />
Begriffserklärungen<br />
Das A/V-Verhältnis ist die Kurzform für<br />
Verhältnis zwischen Hüllfläche A und<br />
Gebäudeinhalt V (1/m) und bezeichnet die<br />
Relation von Gebäudehüllfläche zu<br />
umschlossenem Volumen. Beschrieben wird<br />
die thermische Gebäudehülle, die beheizte<br />
Räume von Außenluft, Erdreich und<br />
unbeheizten Zonen trennt. Die thermische<br />
Gebäudehülle umfasst also im Wesentlichen<br />
Wände, Fenster, Dach/Decke und Boden.<br />
Von allen geometrischen Körpern hat die<br />
Außenjalousien mit Lichtlenkfunktion schützen<br />
die Klassen- und Verwaltungsräume vor unerwünschten<br />
Wärmeeinträgen und sorgen für ein blendfreies<br />
Arbeiten. Kunstlicht wird vom Nutzer eingeschaltet<br />
und in Abhängigkeit vom vorhandenen Tageslichtangebot<br />
automatisch in einzelnen Reihen oder komplett<br />
abgeschaltet. Die Außenjalousien werden in Abhängigkeit<br />
vom Sonnenstand gesteuert, zum Teil auch abhängig<br />
von der Raumtemperatur. Eine manuelle Bedienung<br />
ist ebenfalls vorgesehen. Atrien versorgen die<br />
Flurbereiche mit Tageslicht und ergänzen über Oberlichter<br />
die natürliche Belichtung der Klassenzimmer.<br />
Kugel das niedrigste A/V-Verhältnis für ein<br />
bestimmtes Volumen. Kompakte Baukörper<br />
haben geringere A/V-Werte als stark<br />
gegliederte. Gebäude mit niedrigem A/V-<br />
Verhältnis haben pro Volumen weniger<br />
wärmeübertragende Flächen als Gebäude mit<br />
hohem A/V-Wert und damit geringeren<br />
Transmissionswärmebedarf. Dafür bieten<br />
Gebäude mit hohem A/V-Wert bessere<br />
Möglichkeiten der Belichtung.<br />
Fotos: Nikolay Kazakov<br />
Beginn des Monitorings: Prof.<br />
Roland Königsdorff und sein Mitarbeiter<br />
Dr. Stefan Heinrich<br />
Anzeige<br />
Fotos: RainerSturm/pixelio.de,<br />
Andreas Hermsdorf/pixelio.de<br />
Verpassen Sie nicht die nächste Ausgabe!<br />
Die Frühjahrsausgabe von allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> erscheint am<br />
5. März 20<strong>16</strong> bei unseren Leserinnen und Lesern.<br />
Bestellen Sie jetzt kostenlos und unverbindlich Ihr Exemplar.<br />
Sie möchten die nächste Ausgabe von<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
kostenfrei zugeschickt bekommen?<br />
Dann füllen Sie diesen Coupon aus und faxen Sie ihn an die Nummer 08379/728018, oder schicken Sie ihn<br />
per Post an Verlag HEPHAISTOS, allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>, Lachener Weg 2, 87509 Immenstadt-Werdenstein<br />
❑ Ja, ich möchte die nächste Ausgabe allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> kostenfrei zugeschickt bekommen.<br />
Name<br />
Vorname<br />
Straße/Nr.<br />
PLZ/Ort<br />
Telefon<br />
Unterschrift
Fotos: Thomas Niehörster<br />
Holzorchester spielt weiter<br />
Erste Fachtagung des Holzforums Allgäu<br />
»Wichtig ist, dass wie die Instrumente bei einem Orchester die verschiedenen Branchen in<br />
der Holzverarbeitung zusammengebracht werden, damit es einen Wohlklang ergibt«, zog<br />
Hugo Wirthensohn Bilanz bei der ersten Fachtagung des Holzforums Allgäu. »Holz ist sexy<br />
und zukunftsfähig«, darüber lässt der Vorsitzende keine Zweifel aufkommen.<br />
Die Akteure auf der Bühne (v.li.):<br />
Kemptens OB Thomas Kiechle,<br />
Referent Rüdiger Lex, Referent<br />
Prof. Hermann Kaufmann, der<br />
Oberallgäuer Landrat Anton<br />
Klotz, Hugo Wirthensohn vom<br />
Holzforum und der<br />
Unterallgäuer Landrat Hans-<br />
Joachim Weirather.<br />
Die Zuhörer in der ersten Reihe<br />
(von vorne nach hinten): MdL<br />
Leopold Herz (Freie Wähler) ,<br />
sein Kollege Eric Beißwänger<br />
(CSU), die Europaabgeordnete<br />
Ulrike Müller (Freie Wähler),<br />
Landrat Hans Joachim<br />
Weirather (FW) und<br />
MdL Eberhard Rotter (CSU)<br />
Info:<br />
www.holzforum-allgaeu.de<br />
www.proholz-tirol.at<br />
www.proholztirol.at/facingwood.html<br />
Holzforum Allgäu e.V.<br />
Der Verein Holzforum Allgäu ist die einzige<br />
Regional-Organisation in der Holzwirtschaft, in<br />
der alle Mitglieder der Wertschöpfungs kette<br />
vertreten sind – vom Waldbesitzer über<br />
Holzbauunternehmer und Schreiner bis hin<br />
zum Architekten. Ziel des Vereins ist es, das<br />
Rund 130 Besucher kamen im August ins Kornhaus<br />
nach Kempten, um an der Fachtagung<br />
»Leben und Arbeiten mit Holz« teilzunehmen.<br />
»Holz als Baumaterial begleitet uns das ganze<br />
Leben – von der Wiege bis zum Sarg.« Mit flotten Sprüchen<br />
moderierte Josef Bertl, Unternehmensberater aus<br />
Anzing, die Veranstaltung. Hugo Wirthensohn griff die<br />
lockere Stimmung auf und führte die Anwesenden in<br />
die Arbeit des Holzforums ein. Seit seiner Gründung<br />
im Jahr 2003 kann das Holzforum auf viele Erfolge zurückblicken.<br />
Darunter unter anderem der Allgäuer<br />
Holzbaupreis oder die Einführung des PEFC-Labels,<br />
das garantiert, dass Holz- und Papierprodukte aus<br />
nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen. Gewinnbringende<br />
Aktionen für die Region, die in Zukunft<br />
noch weiter ausgebaut werden sollen. Thomas Kiechle,<br />
Oberbürgermeister der Stadt Kempten, merkte dazu an,<br />
dass Holz nicht alles, aber sehr wichtig für das Allgäu<br />
sei und deswegen weiter positioniert werden müsse.<br />
Hierfür leiste das Holzforum eine wichtige Arbeit.<br />
Junge Menschen mit Holz begeistern.<br />
Gastredner Rüdiger Lex, Geschäftsführer von proHolz<br />
Tirol, zeigte auf, wie weit unsere direkten Nachbarn in Öster-<br />
heimische Holz und die daraus entstehenden<br />
Produkte in allen heimischen Holzarten zu<br />
fördern, durch die Kontakte zwischen<br />
den einzelnen Branchen neue Absatzmög lich -<br />
keiten zu erschließen und die Wert -<br />
schöpfungskette Holz für die Bevölkerung<br />
transparent zu machen.<br />
Randnotiz<br />
84 Meter hoch: In Wien ent steht das weltweit höch ste<br />
Hochhaus aus Holz.<br />
In der Wiener Seestadt Aspern entsteht das mit 24<br />
Stockwerken höchste Holzhochhaus der Welt. 84 Meter<br />
ragt das Holzhaus in den Himmel. Ab 2018 sollen Büros,<br />
Restaurants und ein Hotel in das Haus einziehen.<br />
(Quelle: www.ingenieur.de)<br />
reich bereits sind und was ein funktionierendes und etabliertes<br />
Netzwerk alles leisten kann. Große Hoffnung setzt Lex neben<br />
der Verbindung von der Regionalität zur Globalität, die bereits<br />
hervorragend funktioniere, auf die Nachwuchsförderung: »Arbeiten<br />
mit Holz muss vermittelt werden.« In Tirol sei das mit<br />
dem Projekt »facing:wood – Junge Menschen für Holz begeis -<br />
tern«, das von Jugendlichen mit großem Interesse angenommen<br />
wurde, bereits gelungen.<br />
Renaissance im Holzbau<br />
In seinem Vortrag »Faszination moderne Holzarchitektur«<br />
machte Professor Hermann Kaufmann,<br />
Leiter des Fachgebietes Holzbau an der Technischen<br />
Universität München, deutlich, dass Holzbau heute<br />
keineswegs mehr den traditionellen Klischees entsprechen<br />
muss, sondern durch die Möglichkeit der umfassenden<br />
Vorfertigung zu einer revolutionären Baumethode<br />
geworden ist. »Holz, das wahrscheinlich älteste<br />
Baumaterial, kann eine Renaissance erleben, denn die<br />
ökologischen Eigenschaften sind kaum bei einem anderen<br />
Baustoff besser ausgeprägt.«<br />
Thomas Niehörster<br />
36 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
✂<br />
Anzeigen<br />
✂<br />
Schalter umlegen!<br />
Es wird Zeit für neue Energien<br />
Jetzt allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> abonnieren und keine Ausgabe mehr verpassen!<br />
❑ Ja, ich möchte allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> regelmäßig lesen. Ich erhalte zunächst vier Ausgaben bequem nach Hause geliefert.<br />
Wenn ich nicht 2 Monate vor Ablauf des Abonnements schriftlich kündige, verlängert sich das Abonnement um jeweils ein weiteres Jahr.<br />
Das Abonnement kostet jährlich <strong>16</strong>,- Euro (zzgl. 6,- Euro Versandkosten).<br />
Datum, Unterschrift:<br />
Name, Vorname:<br />
Straße:<br />
Postleitzahl/Ort:<br />
Ich kann meine Bestellung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Dazu genügt eine schriftliche<br />
Mitteilung an EDITION <strong>ALLGÄU</strong>, Lachener Weg 2, D-87509 Immenstadt-Werdenstein.<br />
Zur Wahrnehmung dieser Frist gilt die rechtzeitige Absendung.<br />
2. Unterschrift (Rücktrittsrecht):<br />
Abbuchungserklärung (sofern gewünscht):<br />
Ich beauftrage den Verlag, die fälligen Abonnements gebühren<br />
von meinem Konto abzubuchen:<br />
Kontoinhaber:<br />
Name der Bank:<br />
Bankleitzahl:<br />
Kontonummer:<br />
Wir freuen uns auf Ihre Bestellung!<br />
Senden Sie einfach diesen Abschnitt an: EDITION <strong>ALLGÄU</strong>, Lachener Weg 2,<br />
87509 Immenstadt-Werdenstein, oder bestellen Sie direkt unter Tel. 08379/7286<strong>16</strong>,<br />
Fax 08379/728018, oder per E-Mail an info@heimat-allgaeu.info<br />
Besuchen Sie auch unseren Shop auf www.edition-allgaeu.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
37
Meldungen<br />
Nachhaltigkeits-Preis für Kempten?<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />
ist die nationale Auszeichnung<br />
für Spitzenleistungen<br />
der Nachhaltigkeit in Wirtschaft,<br />
Kommunen und Forschung. Der<br />
Preis wird seit 2008 jährlich vergeben<br />
von der Stiftung Deutscher<br />
Nachhaltigkeitspreis in Zusammenarbeit<br />
mit der Bundesregierung,<br />
kommunalen Spitzenverbänden,<br />
Wirtschaftsvereinigungen, zivilgesellschaftlichen<br />
Organisationen<br />
und Forschungseinrichtungen.<br />
»Deutschlands Vorbilder der<br />
Nachhaltigkeit nominiert« ist nun<br />
auf der Homepage der Stiftung<br />
Deutscher Nachhaltigkeitspreis zu<br />
lesen. Zu den Nominierten und damit<br />
Vorbildern der Nachhaltigkeit<br />
zählt die Allgäu-Metropole. Die Jury<br />
für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />
hat sie in der Kategorie<br />
»Deutschlands nachhaltigste Stadt<br />
Kempten beeindruckt durch konsequente und nachhaltige Projekte – das erhöht<br />
die Attraktivität der Stadt für die Besucher<br />
Die Allgäu-Metropole fördert das Radeln und plant sogar ein Parkhaus für Fahrräder<br />
Fotos: Volker Wille, Peter Elgaß<br />
mittlerer Größe« nominiert neben<br />
Delitzsch in Sachsen und Esslingen<br />
in Baden-Württemberg.<br />
Oberbürgermeister Thomas<br />
Kiechle sieht mit der Nominierung<br />
die vielfachen Anstrengungen der<br />
Stadt Kempten und ihrer Partner,<br />
nachhaltige Politik auch für die Generation<br />
der Enkel zu gestalten, bestätigt<br />
und anerkannt. »Kempten<br />
überzeugt mit einem partizipativen<br />
und kooperativen Nachhaltigkeitsmanagement<br />
und einer erfolgreichen<br />
Haushaltskonsolidierung«, so<br />
heißt es in der Begründung der<br />
Fachjury. Und weiter: »Dabei sind<br />
die umfangreichen Beteiligungsverfahren<br />
bei Stadtentwicklungsprozessen<br />
und Strategieentwicklungen bemerkenswert.<br />
Starke Vernetzungen<br />
in regionalen Zweckverbänden sowie<br />
erhebliche Erfolge im Schuldenabbau<br />
prägen die fortschrittliche<br />
nachhaltige Kommunalpolitik in<br />
Kemp ten. Auch im Klimaschutz hat<br />
die Stadt die Nase vorn und schaffte<br />
durch strenge CO2-Auflagen, u.a. bei<br />
der Beschaffung für den städtischen<br />
Fuhrpark, eine CO2-Einsparung von<br />
60 Prozent innerhalb von 14 Jahren.<br />
Durchdachte Maßnahmen für Integration<br />
wie Integrationsführer und -<br />
monitoring runden das Nachhaltigkeitsprofil<br />
ab.«<br />
Die Preisverleihung findet am<br />
27. November in Düsseldorf statt.<br />
Erst dann wird bekannt gegeben,<br />
welche der drei nominierten Mittelstädte<br />
ausgezeichnet wird.<br />
38<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Energie begreifen mit dem Knatterboot<br />
Selbst aktiv werden hieß es für<br />
die Schüler der 4. Klassen in den<br />
Grundschulen in Lindenberg und<br />
Nonnenhorn. Das Bildungsprojekt<br />
»Energiewerkstatt« von Bund Naturschutz<br />
und eza! war in diesem<br />
Schuljahr insgesamt drei Wochen in<br />
den Schulen vor Ort. Unter Anleitung<br />
von Umweltpädagogin Claudia<br />
Grießer vom Bund Naturschutz,<br />
Kreisgruppe Lindau, führten die<br />
Kinder spannende Experimente<br />
rund ums Thema Energie durch. Sie<br />
ergründeten spielerisch, was Energie<br />
bedeutet und wo sie herkommt oder<br />
wie man sogar aus eigener Muskelkraft<br />
Strom erzeugen kann.<br />
Besonders angetan hatte es<br />
den jungen Forschern ein Versuch<br />
mit einem sogenannten »Knatterboot«,<br />
der sehr anschaulich die<br />
Umwandlung der im Sonnnblumenöl<br />
gespeicherten Energie in<br />
Licht, Wärme und Bewegung demonstrierte.<br />
Kindgerecht wurde<br />
auch der komplizierte Zusammenhang<br />
zwischen Energieverbrauch,<br />
Luftverschmutzung und Treibhauseffekt<br />
sowie deren notwendige Eindämmung<br />
durch den Umstieg auf<br />
regenerative Energieformen erläutert.<br />
Foto: Bund Naturschutz Lindau<br />
Das eigene Verbrauchsverhalten<br />
sollten die Schüler natürlich im<br />
Zuge dessen ebenfalls hinterfragen.<br />
Ausgerüstet mit Messprotokollen<br />
und Strommessgeräten, setzten die<br />
Kinder das Gelernte direkt um und<br />
dokumentierten die häusliche<br />
Energiesituation. Hierbei wurde<br />
auch der Austausch mit Eltern, Geschwistern<br />
und Freunden über<br />
Energiesparpotenziale im Haushalt<br />
und bei der Freizeitgestaltung sowie<br />
über nachhaltige Energienutzung<br />
angeregt.<br />
Zum Abschluss der Projektwochen<br />
verlieh Claudia Grießer<br />
den sichtlich stolzen Teilnehmern<br />
eine Urkunde für die erfolgreiche<br />
Teilnahme an der Energiewerkstatt.<br />
»Wir wollen mit diesem Energie-<br />
Erlebnisprogramm bereits bei den<br />
Grundschülern das Bewusstsein für<br />
Energiesparen und Klimaschutz<br />
schärfen und hoffen, dass wir auch<br />
im kommenden Jahr wieder mit<br />
den Schulen im Landkreis zusammenarbeiten<br />
können«, so die Umweltpädagogin.<br />
Grundschülerinnen und -schüler<br />
bei spannenden Experimenten<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
39
Meldungen<br />
Ostallgäu: Masterplan auf den Prüfstand<br />
Foto: Landratsamt Ostallgäu<br />
Landrätin Maria Rita<br />
Zinnecker ist gespannt auf<br />
die Ergebnisse des Energie-<br />
Zwischenberichtes<br />
Der Landkreis Ostallgäu hat<br />
sich, wie andere Kreise auch, mit<br />
dem »Masterplan Energiezukunft<br />
2020« ehrgeizige Klimaschutz-Ziele<br />
gesteckt – und stellt das bislang<br />
Erreichte nun selbst auf den Prüfstand.<br />
Die an das »Bifa Umwelt -<br />
institut« in Augsburg vergebene<br />
Evaluierung der im Jahr 2012 gesetzten<br />
Ziele ist nicht nur eine Zwischenbilanz,<br />
sondern wird auch der<br />
Weiterentwicklung des Masterplanes<br />
dienen.<br />
»Nach drei Jahren der tatkräftigen<br />
Arbeit ist es nun an der Zeit,<br />
ein erstes Resümee zu ziehen«, sagt<br />
Landrätin Maria Rita Zinnecker.<br />
Zahlreiche Klimaschutz-Projekte<br />
wurden inzwischen umgesetzt, beispielsweise<br />
Sanierung oder Neubau<br />
mehrerer Landkreisgebäude im<br />
Passivhausstandard, die Versor-<br />
gung aller Landkreisgebäude mit<br />
Ökostrom, die Veranstaltung der<br />
Messe »Bau- & Energietage Ostallgäu«,<br />
die Beschaffung eines Elektroautos<br />
für den Landkreis-Fuhrpark<br />
oder das Projekt »allgäumobil<br />
im Schlosspark«, das den Gästen<br />
des Landkreises kostenlosen ÖPNV<br />
bietet. Dadurch wurden seit Projektstart<br />
im Dezember 2012 rund<br />
sieben Millionen Individualkilometer<br />
und damit rund 600 Tonnen<br />
CO2 eingespart.<br />
»Wir haben schon viel erreicht,<br />
doch wir wollen noch mehr.<br />
Wir brauchen die Evaluierung, um<br />
genau zu wissen, wo wir beim Klimaschutz<br />
gerade stehen und wo wir<br />
die Hebel ansetzen müssen«, sagt<br />
Zinnecker. Die Landrätin räumt bei<br />
allen Erfolgen aber auch ein, dass es<br />
noch »Baustellen« gibt: »Beispielsweise<br />
bestehen im Bereich der Wärmeerzeugung<br />
ebenso wie bei der<br />
Energievermeidung noch erhebliche<br />
Potenziale,« sagt die Landrätin.<br />
Zudem will der Landkreis Ostallgäu<br />
in Zukunft noch mehr Angebote<br />
zur Steigerung der Energieeffizienz<br />
an Unternehmen herantragen.<br />
In den kommenden Wochen<br />
und Monaten wird das »Bifa Umweltinstitut«<br />
die Evaluierung erstellen.<br />
Mittels Expertenbefragungen<br />
sowie Stärken-Schwächen-Analysen<br />
sollen mögliche Verbesserungspotenziale<br />
aufgedeckt und Gutes<br />
weiter etabliert werden. Zudem<br />
wird das Umweltinstitut Anregungen<br />
für künftige Projekte beziehungsweise<br />
konkrete Vorschläge<br />
für die Fortschreibung benennen.<br />
Erste Ergebnisse soll es Anfang Dezember<br />
geben.<br />
Campusluft schnuppern in Biberach<br />
Kurzinfo<br />
Der Info-Tag beginnt zentral<br />
um 14 Uhr im Audimax<br />
der Hochschule Biberach.<br />
Eine Anmeldung ist nicht<br />
not wen dig. Internet:<br />
www.hochschule-biberach.de<br />
Studienberatung:<br />
Tel. 07351 582-151;<br />
Studium@hochschule-bc.de<br />
Modernes Bauen, energetische<br />
Sanierung oder Projektmanage -<br />
ment – an der Hochschule in<br />
Biber ach gibt es genug<br />
Gesprächs stoff<br />
Die Hochschule Biberach bietet<br />
vielseitige und an der Praxis orientierte<br />
Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
an. Dafür wurde sie bereits<br />
mehrfach im bundesweiten Hochschulranking<br />
mit Bestnoten ausgezeichnet.<br />
Besonderer Vorteil für Studenten<br />
und Studienwillige aus der<br />
Region: Biberach ist nur einen Katzensprung<br />
weit entfernt. Brücken<br />
Foto: HBC/Stefan Sättele<br />
bauen oder Tunnel planen? Wohnund<br />
Lebensräume schaffen – vom<br />
Zimmer bis zur Stadt? Erneuerbare<br />
Energien innovativ einsetzen? Neue<br />
Technologien entwickeln in der biotechnologischen<br />
Herstellung von<br />
Medikamenten oder von Wertstoffen<br />
und in der Energiezeugung? Als<br />
Betriebswirt Immobilien- oder<br />
Energiemärkte unter die Lupe nehmen?<br />
Wer sich für eine diese Aufgaben<br />
interessiert, der ist an der Hochschule<br />
Biberach mit ihrem Studienangebot<br />
richtig: Bauingenieurwesen<br />
und Projektmanagement, Architektur<br />
und Energie-Ingenieurwesen,<br />
pharmazeutische und industrielle<br />
Biotechnologie, BWL für Bau- und<br />
Immobilienwirtschaft oder Energiewirtschaft<br />
werden angeboten.<br />
Wer das Studienangebot der<br />
Hochschule Biberach konkret kennenlernen<br />
möchte, der kann am<br />
nächsten Info-Tag Campusluft<br />
schnuppern. Am 18. November<br />
stellen sich die Studiengänge der<br />
HBC mit Präsentationen, Schnuppervorlesungen<br />
und Praxisvorträgen<br />
von Studierenden vor. Angeboten<br />
werden auch Führungen durch<br />
die Labore, Werkstätten sowie<br />
durch Bibliothek und Rechenzentrum.<br />
Erstmals kann die HBC den<br />
Studieninteressierten an diesem<br />
Info-Tag den erweiterten Stadt-<br />
Campus zeigen, zu dem u.a. eine<br />
Mensa gehört.<br />
40<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
Bei den Kleinen groß anfangen<br />
Energiesparen fängt im Kleinen<br />
an oder besser: bei den Kleinen.<br />
Im Energiesparclub Ostallgäu<br />
werden ab sofort jährlich weit mehr<br />
als 1000 Ostallgäuer Drittklässler<br />
lernen, warum und wie man Energie<br />
spart. Landrätin Maria Rita Zinnecker:<br />
»Der Energiesparclub<br />
Ostallgäu ist eine der tragenden<br />
Säulen in unserem Masterplan<br />
Energiezukunft 2020. Denn wir haben<br />
sehr viel gewonnen, wenn die<br />
neuen Generationen wissen, wie<br />
man Energie einspart. Das ist ein<br />
Grundstein der Umweltbildung.«<br />
Die Landrätin dankt an dieser Stelle<br />
den Sponsoren EWR, VWEW,<br />
Sparkasse Allgäu und Kreis- sowie<br />
Stadtsparkasse Kaufbeuren für die<br />
Unterstützung.<br />
Neues Gesetz tangiert Firmen<br />
Seit April <strong>2015</strong> sind größere<br />
Unternehmen in Deutschland verpflichtet,<br />
die Energieeffizienz ihrer<br />
Produktion offiziell prüfen zu lassen.<br />
Das Gesetz sagt: Wer bis Ende<br />
<strong>2015</strong> kein Energieaudit nach DIN<br />
EN <strong>16</strong>247-1 durchgeführt hat,<br />
muss mit einer Geldstrafe von bis<br />
zu 50.000 Euro rechnen. Gemeint<br />
sind Betriebe oder verbundene<br />
Unternehmen mit 250 und mehr<br />
Beschäftigten. Auch, wer einen<br />
Jahresumsatz über 50 Millionen<br />
Euro bzw. eine Bilanzsumme über<br />
43 Millionen Euro erreicht, ist zum<br />
Audit verpflichtet. Schätzungen<br />
zufolge sind in Deutschland über<br />
50.000 Unternehmen betroffen.<br />
Das Audit muss alle vier Jahre wiederholt<br />
werden. Das Energieaudit<br />
setzt sich aus sieben aufeinanderfolgenden<br />
Phasen zusammen. Ziel<br />
des Audits ist es, die großen Betriebe<br />
auf den aktuell bestmöglichen<br />
Stand beim Energiesparen zu<br />
bringen.<br />
Energiewende<br />
in klassischen Berufen<br />
Es gibt in Deutschland laut<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
noch keinen Beruf »Erneuerbare<br />
Energien«, obwohl derzeit rund 1,35<br />
Millionen Menschen in diesem Bereich<br />
tätig sind. Dass es bislang keinen<br />
dualen Ausbildungsgang für erneuerbare<br />
Energien gibt, liegt auch<br />
daran, dass die »Erneuerbaren« als<br />
Querschnittsthema viele Qualifikationen<br />
und Berufsbilder berühren.<br />
Allerdings finden in den klassischen<br />
Berufen Veränderungen in<br />
Richtung der »Erneuerbaren« statt.<br />
Seit 2014 müssen neu auszubildende<br />
Zweiradmechatroniker<br />
und -mechatronikerinnen auch in<br />
Sachen Hybrid- und Elektroantrieb<br />
versiert sein. Der Boom der Elektroräder<br />
war ein wichtiger Grund<br />
für die Neuordnung der Ausbil-<br />
dung. Im zahlenmäßig noch beliebteren<br />
Beruf der Kraftfahrzeugmechatronik<br />
tauchen die alternativen<br />
Antriebe seit Kurzem ebenfalls in<br />
der Berufsausbildungsverordnung<br />
auf. Längere Tradition haben die<br />
erneuerbaren Energien im Wärmebereich:<br />
Kundenberatung zu den<br />
Nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer<br />
Energien steht schon seit Langem<br />
in der Ausbildungsordnung<br />
der Anlagenmechaniker für Sanitär-,<br />
Heizungs- und Klimatechnik.<br />
Info<br />
Einblick in Ausbildungsberufe<br />
mit mög lichen Fortbildungsberufen<br />
für erneuerbare Energien bietet<br />
der Wissenschaftsladen Bonn<br />
mit seinem Portal<br />
www.energiewende-schaffen.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
41
Meldungen<br />
Umweltbildung für ABC-Schützen<br />
Brotzeitboxen in vielen<br />
Farben sollen im Ostallgäu<br />
die Erstklässler zur<br />
Abfallvermeidung anregen<br />
Eine gesunde Ernährung ist<br />
wichtig für konzentriertes Lernen in<br />
der Schule. Um Abfälle zu vermeiden,<br />
sollte die Brotzeit aber nicht in<br />
Plastiktüten, Alufolie oder Papier<br />
verpackt werden. Besser eignet sich<br />
eine Brotzeitbox, die durch das ganze<br />
Schülerleben begleitet. Unter dem<br />
Motto »Abfälle vermeiden ist cool«<br />
sponsern auf Initiative der Kommunalen<br />
Abfallwirtschaft des Landkreises<br />
Ostallgäu die Sparkasse Allgäu<br />
Foto: Landratsamt Ostallgäu<br />
und die Kreis- und Stadtsparkasse<br />
Kaufbeuren in jedem Jahr Pausenbrotdosen<br />
für die Erstklässler im<br />
Ostallgäu. Stellvertretend für alle<br />
1.158 Schulanfänger im Ostallgäu<br />
bekamen heuer die Erstklässler der<br />
Meinrad-Spieß-Grundschule Buchloe<br />
bunte Brotzeitboxen überreicht.<br />
Zu Gast bei der kleinen Feierstunde<br />
waren Ludwig Weihrather<br />
und Ulrike Linder von der Kreisund<br />
Stadtsparkasse Kaufbeuren,<br />
Susanne Baiz von der Sparkasse<br />
Allgäu sowie Schulamtsdirektorin<br />
Marina Elbert, Bürgermeister Josef<br />
Schweinberger und Johann Mooser<br />
von der Kommunalen Abfallwirtschaft<br />
im Landratsamt Ostallgäu.<br />
Schulamtsdirektorin Marina Elbert<br />
und Rektorin Hermine Hölzle bedankten<br />
sich bei den Sponsoren und<br />
zeigten auf, welchen Beitrag die Brotzeitdosen<br />
für den Umweltschutz leisten.<br />
So konnten in den vergangenen<br />
23 Jahren dank der Aktion im Landkreis<br />
Ostallgäu etwa 590 Tonnen<br />
Verpackungsmüll vermieden werden.<br />
Ludwig Weihrather überreichte<br />
gemeinsam mit seinen Kolleginnen<br />
den ABC-Schützen die Brotzeitdosen<br />
und wünschte den Kindern anschließend<br />
viel Spaß beim Lernen<br />
und einen guten Start in die Grundschulzeit.<br />
Umrahmt wurde die Veranstaltung<br />
von den Viertklässlern<br />
mit der Schulhymne »Gemeinsam<br />
leben, lachen, lernen« und einem extra<br />
dafür getexteten »Müll-Lied«.<br />
Neue Stromtankstelle in Weingarten<br />
Weingarten hat jetzt auch seine E-Mobil-Ladestation. Dr. Andreas Thiel-<br />
Böhm (Geschäftsführer TWS) und OB Markus Ewald (r.) bei der Premiere<br />
Info zu den Ladestationen der TWS<br />
Standort: 88250 Weingarten, Gablerstraße 1<br />
Ladepunkt 1: E-Mobility-Stecker Typ 2 400 V (32 A, 22 kW)<br />
Ladepunkt 2: Schuko 230 V (<strong>16</strong> A, 3,7 kW)<br />
Anzahl E-Mobilitäts-Parkplätze: 2<br />
Standort: 88212 Ravensburg, Marktstraße 30<br />
Ladepunkt 1: E-Mobility-Stecker Typ 2 400 V (32 A, 22 kW)<br />
Ladepunkt 2: Schuko 230 V (<strong>16</strong> A, 3,7 kW)<br />
Anzahl E-Mobilitäts-Parkplätze: 1<br />
Standort: 88212 Ravensburg, Bahnhofplatz 14/1<br />
Ladepunkt 1: E-Mobility-Stecker Typ 2 400 V (32 A, 22 kW)<br />
Foto: TWS<br />
Es ist zwar keine Seltenheit<br />
mehr, aber immer noch halten wir<br />
es für berichtenswert, wenn neue<br />
Stromtankstellen das Allgäuer Netz<br />
bereichern. Insbesondere, wenn dies<br />
an Orten passiert, die bisher noch<br />
»weiße Flecken« auf der Landkarte<br />
waren, wie zum Beispiel Weingarten.<br />
Die Technische Werke Schussental<br />
GmbH & Co. KG (TWS) setzt<br />
nun auch auf Elektromobilität aus<br />
erneuerbaren Energien. Direkt neben<br />
dem Stadtgarten hat die TWS<br />
zentrumsnah die erste öffentliche<br />
Ladesäule für Elektroautos in Weingarten<br />
in Betrieb genommen. »E-<br />
Mobilität gehört zu einer modernen<br />
Infrastruktur und ist für uns als<br />
nachhaltige Stadt ein wichtiges Thema«,<br />
erklärte Oberbürgermeister<br />
Markus Ewald bei der Inbetriebnahme<br />
Ende August in der Gablerstraße.<br />
»Klima und Umwelt profitieren<br />
allerdings nur, wenn ein Elektrofahrzeug<br />
mit Ökostrom betrieben<br />
wird«, unterstreicht TWS-Geschäftsführer<br />
Dr. Andreas Thiel-<br />
Böhm und ergänzt: »Bei der TWS ist<br />
das der Fall, denn wir versorgen unsere<br />
Kunden nur mit Strom, der zu<br />
100 Prozent aus regenerativen Quellen<br />
stammt.« Auch die beiden E-Ladesäulen<br />
der TWS, die im Frühjahr<br />
in Ravensburg am Bahnhof und in<br />
der oberen Marktstraße in Betrieb<br />
gegangen sind, werden ausschließlich<br />
mit Ökostrom betrieben.<br />
Die Ladesäulen der TWS sind<br />
in das Netzwerk von »ladenetz.de«<br />
eingebunden. Dabei handelt es sich<br />
um eine Kooperation von Stadtwerken.<br />
Ziel des Netzwerkes ist eine<br />
deutschlandweit flächendeckende<br />
Ladeinfrastruktur. Bundesweit gibt<br />
es bereits rund 500 Ladepunkte von<br />
ladenetz.de. Hinzu kommen circa<br />
7000 weitere Ladepunkte, die dank<br />
Roaming-Abkommen auf nationaler<br />
sowie internationaler Ebene genutzt<br />
werden können. Das Besondere dabei:<br />
Egal, wo Stadtwerke-Kunden ihr<br />
Elektrofahrzeug mit Strom versorgen,<br />
Ansprechpartner und Stromlieferant<br />
bleibt immer das Heimat-<br />
Stadtwerk. Um die Ladestationen<br />
der TWS nutzen zu können, benötigen<br />
Interessierte eine lade netz.de -<br />
taugliche Ladekarte mit sogenanntem<br />
RFID-Chip (radio-frequency<br />
identification chip).<br />
42 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Solardächer<br />
auch für Allgäuer Kunden<br />
Anzeigen<br />
Info<br />
Interessierte Kunden,<br />
Einfamilienhaus besitzer und<br />
Installateure melden sich unter<br />
kontakt@ikratos.de<br />
Mittlerweile ist die Eigenstromgewinnung<br />
aus der eigenen<br />
Solaranlage ein wichtiges Standbein<br />
unserer Energiepolitik. Strom wird<br />
im Haus nahezu überall benötigt,<br />
ob im Haus, zur Wärmeerzeugung<br />
oder zur Elektromobilität. Eine Aktion<br />
des fränkischen Anbieters<br />
Ikratos findet auch in unserer Region<br />
großen Anklang: 9999 Solardächer<br />
will das Unternehmen bis<br />
Ende des Jahres mit Photovoltaik -<br />
anlagen und Speicher fix und fertig<br />
installieren. Ikratos aus dem fränkischen<br />
Weißenohe installiert mit<br />
vielen Partnern bundesweit die<br />
Photovoltaik-Anlage mit Speicher<br />
zum Festpreis von 9999 Euro netto<br />
(die Mehrwertsteuer wird meist<br />
zurückerstattet). Photovoltaik -<br />
installateure in Deutschland sind<br />
aufgerufen, an der Aktion teilzunehmen.<br />
Ikratos weist darauf hin,<br />
dass Lithium-Speicher und Photovoltaikanlagen<br />
für den Eigenbedarf<br />
in Einfamilien- oder Zweifamilienhäusern<br />
zusammengehören. Die<br />
angebotene Anlage hat eine Kapazität<br />
von 3000 kWh.<br />
»Bauen und Sanieren«<br />
in Mindelheim<br />
Bereits zum zweiten Mal gehen<br />
die einstigen »Passivhaustage«<br />
unter anderem Titel und mit neuem<br />
Format als »Bauen und Sanieren<br />
im Allgäu« am 17. und 18. Oktober<br />
an den Start. Die Messebesucher<br />
erwartet im Forum in Mindelheim<br />
ein informatives und buntes<br />
Programm rund um die Themen<br />
energetische Sanierung und energieeffizientes<br />
Bauen.<br />
Die Messe ist für alle Allgäuer<br />
Hausbesitzer längst ein wichtiges<br />
Informationsportal geworden. Das<br />
zeigen die Besucherzahlen. Veranstalter<br />
ist eza! Die Öffnungszeiten<br />
sind am Samstag und Sonntag jeweils<br />
von 9.30 bis 17 Uhr.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> bei eCar-Tech<br />
Zusammen mit der Schwes -<br />
terzeitschrift oberlandALTERNA-<br />
TIV wird allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> dieses<br />
Jahr auf der Leitmesse für Elektro-<br />
und Hybridmobilität eCar-<br />
Tech auf dem Messegelände in<br />
München vertreten sein. Beide<br />
Zeitschriften treten als Medienpartner<br />
der Messe auf. Damit zeigen die<br />
beiden <strong>ALTERNATIV</strong>-Blätter erstmals<br />
Flagge bei der Münchner<br />
Messe. allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> wird<br />
die druckfrische <strong>Herbst</strong>ausgabe auf<br />
der Messe präsentieren.<br />
Die EDI TION <strong>ALLGÄU</strong> lädt<br />
alle Freunde und Leser zwischen<br />
20. und 22. Oktober an den Stand<br />
im Messegelände ein. Beide Redaktionen<br />
freuen sich auf Ihre Kommentare<br />
und Ideen für neue Themen.<br />
Sie finden uns in Halle A5,<br />
Stand 709.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
43
Meldungen<br />
Unterallgäu: Frischer Wind eingeschlafen<br />
Fünf Standorte für Windkraftanlagen,<br />
sogenannte Vorranggebiete,<br />
hat der Regionalverband Donau-<br />
Iller für den Landkreis Unterallgäu<br />
ausgewiesen. Windräder werden<br />
dort derzeit aber keine gebaut, bedauert<br />
Landrat Hans-Joachim Weirather.<br />
»Aktuell ist der Bau von wirtschaftlich<br />
arbeitenden Windkraftanlagen<br />
an keinem der Standorte möglich.«<br />
Die Aktivitäten der dortigen<br />
Projektentwicklungsgesellschaft<br />
wurden deshalb auf ein Minimum<br />
reduziert.<br />
Die »Projektentwicklung<br />
Wind kraft Unterallgäu GmbH & Co.<br />
KG« wurde im Jahr 2013 gegründet<br />
(wir berichteten), um die Energiewende<br />
aktiv mitzugestalten und die<br />
Wertschöpfung aus der Windkraft<br />
in der Region zu halten. Das Konzept<br />
dafür wurde von Vertretern des<br />
Landkreises, der Sparkasse und der<br />
Volks- und Raiffeisenbanken erarbeitet.<br />
Ziel war es, die Gemeinden<br />
und Bürger einzubinden und diese<br />
als Investoren von den Windkraftanlagen<br />
profitieren zu lassen. »Wenn<br />
sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
ändern sollten, werden wir<br />
wieder versuchen, unser Geschäftsziel,<br />
die Entwicklung von Windkraftanlagen<br />
mit dem Bürger, erreichen<br />
zu können«, sagen die Vertreter<br />
der Banken, Albert Egg und Hermann<br />
Kerler.<br />
Gesetzlicher Hintergrund ist<br />
die in Bayern geltende sogenannte<br />
10H-Regelung. Diese besagt, dass<br />
der Abstand zwischen Windrad und<br />
Wohnbebauung mindestens zehnmal<br />
so groß sein muss wie die Höhe<br />
des Windrades. Da die Wirtschaftlichkeit<br />
von Windkraftanlagen maßgeblich<br />
von deren Höhe abhängt,<br />
werde in der Regel eine Gesamthöhe<br />
von 200 Metern angestrebt, erläutern<br />
die Bankenvertreter. Damit ergibt<br />
sich ein Mindestabstand von zwei<br />
Kilometern. Dieser könne aber an<br />
keinem der fünf Unterallgäuer<br />
Standorte eingehalten werden.<br />
Im Frühjahr dieses Jahres hat<br />
der Regionalverband Donau-Iller im<br />
Verbandsgebiet 37 Vorranggebiete<br />
für Windkraftanlagen beschlossen.<br />
Im Unterallgäu sind dies Standorte<br />
bei Mindelheim, Breitenbrunn, zwischen<br />
Tussenhausen und Mattsies,<br />
im Wertachtal bei Amberg und bei<br />
Ottobeuren. Außerhalb dieser Gebiete<br />
sind Windräder mit einer Nabenhöhe<br />
über 50 Meter gar nicht zulässig.<br />
Ursprünglich waren zehn bis<br />
zwölf Vorranggebiete mit bis zu 50<br />
Windkraftanlagen im Gespräch.<br />
Kleinwind-Energie: Effizienz gesteigert<br />
Die Kleinwind-Anlage<br />
auf dem fahrbaren Prüfstand<br />
auf Eisenbahn-Schienen<br />
Im Durchschnitt setzen Kleinwindenergieanlagen<br />
(KWEA) rund<br />
30 Prozent der anströmenden<br />
Windenergie in Strom um. Dass der<br />
Wert auch deutlich erhöht werden<br />
kann auf 45 Prozent, bewiesen nach<br />
dreijähriger Projektlaufzeit Prof.<br />
Walter Baur und Dipl-Ing. Stefan<br />
Frosch im Rahmen ihrer Forschung<br />
»Optimierte langsam laufende<br />
Windturbine »OptiBine«. Die beiden<br />
arbeiten im Studiengang Kunststoff-<br />
und Elastomertechnik an der<br />
Hochschule Würzburg-Schweinfurt.<br />
Zusammen mit zwölf Studierenden<br />
konzipierten und konstru-<br />
Foto: HS Würzburg-Schweinfurt<br />
ierten die beiden bayerischen Forscher<br />
einen sogenannten »Langsamläufer«:<br />
Hierfür werden mit faserverstärkten<br />
Kunststoffen moderne<br />
Werkstoffe eingesetzt, parallel<br />
werden Computersimulationen angewendet,<br />
um die Aerodynamik sowie<br />
die Festigkeit des Rotors zu optimieren.<br />
Vorteile sind u.a. die<br />
niedrige Rotordrehzahl ohne laute<br />
Begleitgeräusche, der geringe Materialverschleiß<br />
und die Selbstabschaltung<br />
im Schadensfall.<br />
Der fertiggestellte Rotor der<br />
Windanlage wurde anschließend auf<br />
einen Eisenbahn-Waggon der Mainschleifenbahn<br />
in Ersatz eines sehr<br />
kostenintensiven Windkanals montiert.<br />
Die Fahrtgeschwindigkeit simuliert<br />
den anströmenden Wind<br />
(»fahrender Windkanal«). Die daraus<br />
resultierenden realitätsnahen Ergebnisse,<br />
so das Projektteam, wurden<br />
mit den Ergebnissen eines ebenfalls<br />
entwickelten »Schnellläufers«<br />
verglichen: Das Forschungsziel sei<br />
erreicht worden.<br />
Nach Angaben des Bundesverbandes<br />
WindEnergie standen in<br />
Deutschland Ende 2014 insgesamt<br />
24.867 Windenergieanlagen. Das<br />
Interesse an Kleinwindenergieanlagen<br />
wachse stetig. Der Langsamläufer<br />
aus der nordbayerischen Hochschule<br />
– der wie ein Windrad in alten<br />
Western aussieht – könnte bald<br />
auch in windreicheren Gegenden<br />
im Allgäu zum Einsatz kommen.<br />
Bekanntlich gibt es für Windräder,<br />
die niedriger sind als 50 Meter,<br />
keine so rigorosen Einschränkungen<br />
wie bei großen Anlagen.<br />
44 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
Fotos: Volker Wille<br />
Die umstrittene Eisenbreche im Spätherbst. Der Landrat räumt hier der<br />
Energiegewinnung den Vorrang gegenüber dem Naturschutz ein<br />
Landrat weist Vorwürfe zurück<br />
Der Oberallgäuer Landrat Anton<br />
Klotz hat Anschuldigungen des<br />
Bund Naturschutz rund um das geplante<br />
Wasserkraftwerk an der Eisenbreche<br />
im Hintersteiner Tal zurückgewiesen.<br />
Bei Radio Allgäu-<br />
HIT sagte er in einem Interview:<br />
»Ich sehe mich da eindeutig im<br />
Recht, da ich hier einen Bescheid<br />
unterzeichnet habe, der im Hinblick<br />
darauf, dass wir die Energiewende<br />
voranbringen müssen, vertretbar<br />
ist.«<br />
Tatsache sei, dass das Gebiet<br />
in den Allgäuer Hochalpen Naturschutzgebiet<br />
und mehrfach geschützt<br />
ist. Daher gehe der Bund<br />
Naturschutz davon aus, dass ein<br />
solches Vorhaben auf keinen Fall<br />
genehmigungsfähig sei. Daher habe<br />
der Bund Naturschutz Klage beim<br />
Verwaltungsgericht eingereicht, so<br />
Klotz weiter. Es gehe indessen darum,<br />
durch den Bau die Energiewende<br />
voranzubringen. Durch das<br />
Wasserkraftwerk Älpele könnten<br />
etwa 2700 Haushalte für ein Jahr<br />
mit Strom versorgt werden. »Das ist<br />
doch eine ganze Menge. Insofern<br />
glaube ich schon, dass wir mit der<br />
Wasserkraft die Energiewende voranbringen<br />
können«, so Klotz.<br />
Klotz sieht gute Gründe, dass<br />
das Verwaltungsgericht zugunsten<br />
des Landkreises und damit für den<br />
Kraftwerksbau entscheidet. Dies<br />
könne es zum Beispiel dann, wenn<br />
öffentliche Belange im Raum stehen.<br />
Diese stünden dann über dem<br />
Naturschutzgesetz, so stehe es in<br />
den Paragrafen, meint der Oberallgäuer<br />
Landrat. Voraussetzung sei<br />
ein entsprechender Abwägungsprozess.<br />
Bei zukünftigen Treffen mit<br />
den »Damen und Herren des Bund<br />
Naturschutz« habe er keine Probleme,<br />
so Landrat Anton Klotz.<br />
Hinweisschild zum Naturschutz in den<br />
Allgäuer Hochalpen: Die Schutzwür dig keit<br />
der Eisenbreche wird hervorgehoben<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
45
Photovoltaik<br />
Von der Nuss zur Sonne<br />
Hermann Staudinger – Mächlar mit Visionen<br />
Seit über 15 Jahren befasst sich Hermann Staudingers Firma i-Punkt-Design<br />
mit der Herstellung von hochwertigen Geschenkartikeln und Wohnaccessoires.<br />
Unter dem Motto »Design muss nicht teuer sign!« entwickelt die Firma<br />
innovative Produkte, die mit vielen Patenten und Gebrauchsmustern glänzen.<br />
Die Design-Firma ist jedoch nur eines von Staudingers Standbeinen. Unser<br />
Mitarbeiter Thomas Niehörster hat den Betrieb in Bad Grönenbach besucht.<br />
Eine Ideenschmiede<br />
ist die Firma Staudinger in<br />
Bad Grönenbach<br />
Hermann Staudinger hat<br />
die Reinigung von<br />
Solarflächen perfektioniert<br />
Mit einem kurzen Schlenker aus dem Handgelenk<br />
ist die Nuss geknackt. Ein Kolben,<br />
der in einem Rohr läuft, hat die Nuss geöffnet.<br />
Die Schale sprotzt nicht durch die Gegend, sondern<br />
wird fein eingesammelt. Hermann Staudinger,<br />
Erfinder dieses ungewöhnlichen Nussknackers, ist ein<br />
Tüftler und Mächler par excellence. Allerdings sind solche<br />
»Kleinigkeiten« nicht der Haupterwerbszweig des<br />
Grönenbachers. Die Staudinger GmbH wurde vom<br />
Vater Fritz Staudinger 1949 in der Ortsmitte von Bad<br />
Grönenbach gegründet. Aus der ehemaligen Landmaschinenwerkstätte<br />
entwickelte sich 1970 nach Einführung<br />
der CNC-Technik ein Unternehmen mit dem<br />
Schwerpunkt Dreh- und Frästechnik. Bedingt durch<br />
einen schnell wachsenden Kundenkreis – Staudinger<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
produziert u.a. Testteile für die Autoindustrie – wird<br />
1991 der komplette Betrieb in das neu geschaffene Industriegebiet<br />
an der A7 im Ortsteil Thal verlegt. Auf<br />
1200 Quadratmetern Fertigungsfläche und 400 Quadratmetern<br />
Büro- und Sozialräumen führt Hermann<br />
Staudinger in zweiter Generation das Unternehmen in<br />
eine neue Dimension. Durch den neu gewonnen Platz<br />
an Fläche kann fortan ständig in moderne Dreh-, Fräsund<br />
Bearbeitungszentren investiert werden. Die Kunden<br />
kommen überwiegend aus dem Maschinen- und<br />
Dentalmaschinenbau. Mit der Einführung eines Mehrschichtbetriebes<br />
werden die Kapazitäten noch einmal<br />
enorm erweitert. Seit der Firmengründung haben die<br />
Staudingers bis heute 60 Lehrlinge ausgebildet.<br />
Vom Putzteufel zum Sonnengott<br />
Ein befreundeter Landwirt brachte den Stein ins<br />
Rollen: Er kannte Hermann Staudinger als »Mächlar«<br />
und fragte bei ihm nach, ob er nicht eine Maschine<br />
entwickeln könnte, die seine 4000 Quadratmeter große<br />
Photovoltaikanlage reinigen würde. Was vorher mit<br />
»Wassereimer und Besen« erheblichen Personalaufwand<br />
erforderte, müsse doch auch eine Maschine zustande<br />
bringen. Ammoniak aus Düngemitteln, Feinstaub<br />
und einfach aller Schmutz, der in einem landwirtschaftlichen<br />
Betrieb entsteht, machen großen Flächen<br />
zu schaffen. Werden die nicht mindestens alle<br />
zwei Jahre gereinigt, kann das zum Ausfall von bis zu<br />
20 Prozent Energieausbeute führen. Zwar gab es bereits<br />
mechanische »Schrubber«, die mussten aber umständlich<br />
an einer Gelenkstange geführt werden.<br />
Bis in die letzte Ritze<br />
Innerhalb von zwei Jahren entwickelte Staudinger<br />
mithilfe eines Ingenieurbüros einen Reinigungsroboter,<br />
der nach dem griechischen Sonnengott »Helios«<br />
getauft wurde. Der Reinigungsroboter ist in der<br />
Lage, durch eine patentgeschützte Unterdrucktechnik<br />
selbst steilste Dachneigungen problemlos zu säubern.<br />
Dabei ist er dank vier Abstandssensoren vor Absturz<br />
46
perfekt gesichert. Was selbst mancher Hausfrau<br />
schwerfällt: Durch eine spezielle Bürstentechnik ist<br />
Helios in der Lage, auch in den Ecken und Ritzen von<br />
Paneelrahmen bis zu vier Zentimeter tief zu reinigen.<br />
Gerade dort sammelt sich der Schmutz, und dort siedeln<br />
sich Moose an. Beim Helios werden die kratzfreien<br />
Nylonbürsten durch ein spezielles Gelenk nicht<br />
rund, sondern linear zur Laufrichtung des Reinigungsroboters<br />
geführt. Bei Bedarf kann zusätzlich<br />
mithilfe einer Wärmebildkamera und einer WLAN-<br />
Verbindung zu einem PC die Photovoltaik-Anlage<br />
nach sogenannten »Hotspots« – nicht mehr funktionierenden<br />
Dioden – abgescannt werden.<br />
Der Roboter aus Gad Grönenbach kann<br />
selbständig auch die steilsten Flächen<br />
ausschließlich mit kalten Wasser reinigen<br />
Geheimtipp: kaltes Wasser<br />
Bei der Reinigung schwört Hermann Staudinger<br />
– was er gerne als »Geheimtipp« an alle Hausfrauen<br />
weitergibt – auf kaltes Wasser. Warmes Wasser löst<br />
nur den Staub, nimmt ihn aber nicht auf. Deshalb wird<br />
bei Staudinger ausschließlich kaltes Wasser eingesetzt,<br />
das darüber hinaus entmineralisiert wurde.<br />
Staudingers Zukunftsvisionen<br />
Dank seiner patentgeschützten Unterdrucktechnik<br />
kann Helios nicht nur Wände senkrecht hinaufsteigen,<br />
sondern auch über Kopf an Decken arbeiten.<br />
Durch entsprechende Zusatzaggregate ließe sich der<br />
Reinigungsroboter auch in Problembauten einsetzen.»Alles,<br />
was groß, unzugänglich oder zudem gefährlich<br />
ist«, hat Hermann Staudinger im Sinn: »Das<br />
können Öltanks sein oder sogar Atomkraftwerke.«<br />
Denn bei der Dekontamination von Flächen eines<br />
Kernkraftwerkes müssen diese gesondert gereinigt<br />
werden, bevor der Baukern entsorgt werden kann.<br />
Einsatz auch in der Wüste<br />
Als Vision hat Hermann Staudinger jene »endlosen«<br />
PV-Anlagen von 100.000 Quadratmetern und<br />
mehr vor Augen, die in den Wüsten der Arabischen<br />
Staaten, Südamerikas oder Ägyptens errichtet wurden:<br />
»Diese enormen Flächen müssen permanent vom Wüs -<br />
tensand gereinigt werden. Das geschieht bis heute leider<br />
durch Menschen, die unter für mich nicht akzeptablen<br />
Arbeitslöhnen und -bedingungen eingesetzt<br />
werden.« Auf der Intersolar Europe, der weltweit führenden<br />
Fachmesse für die Solarwirtschaft, kommen<br />
bereits rund 50 Prozent seiner Besucher und Interessenten<br />
aus dem Ausland.<br />
Info<br />
Hermann Staudinger GmbH<br />
Hinter den Gärten 6, 87730 Bad Grönenbach<br />
Tel. 08334/98470<br />
www.staudinger-gmbh-mechanik.com<br />
www.pv-putzfix.de<br />
www.i-punkt-design.com
Biogas<br />
Fachtagung im Allgäu<br />
renergie-Fachleute informieren<br />
Wie geht es weiter mit Biogas? Diese Frage steht im Mittelpunkt der<br />
Süddeutschen Fachtagung am Mittwoch, 11. November, in der Festhalle<br />
Westerheim. Fachleute des veranstaltenden Vereins renergie Allgäu und<br />
Experten aus den Bereichen Recht, Politik und Forschung wollen von 9 bis<br />
<strong>16</strong>.30 Uhr Perspektiven und Möglichkeiten für die Branche aufzeigen.<br />
In den aktuellen Debatten um das Erneuerbare<br />
Energie Gesetz (EEG) 20<strong>16</strong> werden derzeit im<br />
Bundestag die Weichen für die Biogasbranche gestellt.<br />
»In Berlin wird entschieden, ob diese Technologie<br />
eine Zukunft hat«, weiß renergie-Vorsitzender<br />
Richard Mair. Er und sein Team wollen entscheidende<br />
Argumente in die politische Diskussion einbringen:<br />
Biogas gehört zu den unverzichtbaren Säulen der angestrebten<br />
Energiewende, ist nachhaltig, besticht<br />
durch eine positive Umweltbilanz und überzeugt<br />
Diese Grafik macht deutlich:<br />
Bayern hat die Nase bei den<br />
Biogasanlagen in Deutschland<br />
vorne. Eine Tagung zu diesem<br />
Thema in südlichsten Bundesland<br />
macht also absolut Sinn<br />
Grafik: Statista<br />
48<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
durch enormes volkswirtschaftliches Potenzial. Die<br />
Anlagen und ihre Betreiber arbeiten inzwischen auf<br />
höchstem technischem Niveau und sind mittels neues -<br />
ter Entwicklungen in der Lage, mit Biogas den idealen,<br />
weil flexiblen Ausgleich zur Energiegewinnung aus<br />
Sonne und Wind zu bieten. Darüber informieren zu<br />
Beginn des Fachtages die renergie-Fachleute Florian<br />
Weh und Thomas Hartmann.<br />
Rückschau und Ausblick<br />
Im weiteren Verlauf des Tages referiert Fachanwalt<br />
Dr. Helmut Loibl über die Lücken des aktuellen EEG<br />
2014. Hans Josef Fell, Präsident der Energy Watch<br />
Group, wagt einen Ausblick auf die Zeit nach dem EEG<br />
2014.<br />
Martin Strobl von der Bayerischen Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft zeichnet betriebswirtschaftliche Perspektiven<br />
für die Biogasbranche. Detlef Fischer, Geschäftsführer<br />
des VBEW München, spricht über die<br />
Bedeutung der Biogas-Energie für die sichere Stromversorgung<br />
in Bayern, und Kerstin Ikenmeyer vom<br />
bayerischen Wirtschaftsministerium stellt ein »Ausschreibungsmodell<br />
als Möglichkeit für Bayern« vor.<br />
Mit einem Appell für einen Schulterschluss endet<br />
die diesjährige Fachtagung in Westerheim: Martin<br />
Lohrmann, Projektleiter für nachhaltige Energie aus<br />
Bad Säckingen, stellt seine Initiative vor, gemeinsam<br />
für ein brauchbares EEG 20<strong>16</strong> zu kämpfen. An seinem<br />
Positionspapier arbeiten auch die Fachleute von renergie<br />
Allgäu mit.<br />
Weitere Informationen und Anmeldung zur Süddeutschen<br />
Biogasfachtagung am Mittwoch, 11. November<br />
<strong>2015</strong>, 9 bis <strong>16</strong>.30 Uhr, in der Festhalle Westerheim<br />
(Bahnhofstraße 2, 87784 Westerheim) unter<br />
www.renergie-allgaeu.de<br />
Das Programm<br />
9 Uhr Entwicklungstand des Ausbaus Biomasse –<br />
Rückblick & Vorschau<br />
Richard Mair, 1. Vorsitzender renergie Allgäu e.V, Kempten<br />
Flexible Stromlieferung, Florian Weh, Projektleiter renergie<br />
Allgäu e.V., Kempten<br />
Bedarfsorientierte Wärme- und Stromerzeugung mit<br />
Biogas<br />
Thomas Hartmann, Energieberater renergie Allgäu e.V.,<br />
Kempten<br />
10.30 Uhr EEG 2014: Lücken und neue Reformen<br />
Dr. Helmut Loibl, Rechtsanwalt, Paluka, Sobola, Loibl &<br />
Partner, Regensburg<br />
11.15 Uhr Was kommt nach dem EEG 2014? Hans-Josef<br />
Fell, Präsident Energy Watch Group und Autor des EEG<br />
13 Uhr Betriebswirtschaftliche Perspektive, Martin Strobl,<br />
Bay. Landesanstalt für Landwirtschaft, München<br />
13.45 Uhr Wer übernimmt die sichere Stromversorgung<br />
in Bayern? Detlef Fischer, Geschäftsführer des VBEW,<br />
München<br />
14.30 Uhr Ausschreibungsmodell als Möglichkeit für<br />
Bayern, Kerstin Ikenmeyer, Wirtschaftsministerium,<br />
München (angefragt)<br />
15.30 Uhr Gemeinsam für ein brauchbares EEG 20<strong>16</strong><br />
kämpfen, Martin Lohrmann, Projektleiter nachhaltige<br />
Energie, Bad Säckingen<br />
<strong>16</strong> Uhr Diskussion mit den Referenten<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
49
Studium<br />
Datenbank für Studenten<br />
Ferchau unterstützt die Hochschule<br />
Die Ferchau Engineering GmbH hat der Hochschule Kempten beim Erstellen<br />
der neuen Plattform »Wissensmanagement-Portal Informatikstudenten<br />
Kempten« geholfen. »Das Forum funktioniert nach dem Vorbild Wikipedia.<br />
Die Studenten registrieren sich und haben Zugriff auf das gesammelte<br />
Wissen«, erklärt der Initiator und Fachschaftssprecher Andreas Peter.<br />
Damit die angehenden Informatiker möglichst<br />
viele Artikel in der Datenbank generieren,<br />
hat die Ferchau-Niederlassung Kempten<br />
einen Anreiz geschaffen und eine Sony SmartWatch 3<br />
gesponsert. Die »smarte« Uhr wurde unter den Verfassern<br />
der Datenbank-Beiträge verlost. Ferchau<br />
Kempten arbeitet schon seit längerer Zeit mit der<br />
Hochschule zusammen und fördert Projekte der<br />
Hochschulgruppe Gesellschaft für Informatik. Die<br />
Aktion war ein großer Erfolg, weiß Ferchau-Personalreferent<br />
Rene Kieninger: »Mit der Verlosung konnten<br />
wir dazu beitragen, die Situation für die Studierenden<br />
hier in Kempten zu verbessern. Das freut uns sehr!«<br />
Die Preisverleihung fand in feierlichem Rahmen<br />
in der Niederlassung Kempten statt. Personalreferent<br />
Rene Kieninger überreichte der Gewinnerin Alexandra<br />
Dinh die Sony SmartWatch 3. Die Siegerin hat ihre<br />
neue »smarte« Uhr direkt ausprobiert. »Ich habe die<br />
SmartWatch 3 gewonnen, die Hauptgewinner sind<br />
aber eigentlich alle aktiven Nutzer, die zum Aufbau<br />
Kemptens Ferchau-Personalreferent Rene Kieninger bei der<br />
Überreichung des Siegerpreises in der Hochschule Kempten<br />
Fotos: Hochschule/Ferchau<br />
So vielseitig wie die Wirtschaft<br />
im Allgäu<br />
In und um Kempten sind nicht nur große Auto -<br />
mobilzulieferer und Nutzfahrzeug her steller angesiedelt,<br />
auch viele leistungsstarke und inno -<br />
vative Mittelständler finden sich hier, etwa aus<br />
dem Sondermaschinen-, Ver packungs ma -<br />
schinen- und Werkzeug ma schinen bau oder<br />
der Automatisierungs technik. Entsprechend<br />
breit aufgestellt ist auch Ferchau Kempten.<br />
Die Kemptener Niederlassung steht ihren<br />
Kunden in den Bereichen Maschinenbau,<br />
Elektrotechnik, IT, Werksplanung und Kon -<br />
struktion zur Seite. Von automatischen Portal -<br />
anlagen für komplexe Produktionsprozesse<br />
über große Werkzeugmaschinen bis zu<br />
hydraulischen, mechanischen oder elek -<br />
trischen Konstruktionsanpassungen für<br />
Sonder maschinen: Die Expertise der Konstrukteure,<br />
Ingenieure, Techniker, Software-Entwickler,<br />
SPS-Programmierer und Werksplaner ist<br />
in vielen Bereichen gefragt. Dabei sind sie<br />
entweder vor Ort im Team beim Kunden oder<br />
als Outsourcing-Dienst leister im eigens ein -<br />
gerichteten Technischen Büro bei Ferchau in<br />
Kempten im Einsatz.<br />
Für die Zukunft sieht Ferchau Kempten in der<br />
Region ein besonderes Potenzial im Bereich<br />
Automatisierungstechnik und Sonder ma -<br />
schine nbau: Effizienzgewinne und Individualisierung<br />
sind industrielle Megatrends, für die die<br />
Niederlassung bestens gerüstet ist.<br />
Derzeit arbeiten bei der Ferchau Engineering<br />
GmbH mehr als 6100 Ingenieure, IT-Con -<br />
sultants, Techniker und Technische Zeichner in<br />
über 70 Niederlassungen und Standorten<br />
sowie in mehr als 70 Technischen Büros<br />
(Stand 31. Dezember 2014). Weitere Informationen:<br />
www.ferchau.de<br />
der neuen Plattform beigetragen haben«, bedankt sie<br />
sich bei Deutschlands Marktführer im Bereich En -<br />
gineering-Dienstleistungen und bei Projektleiter Andreas<br />
Peter.<br />
Zum Abschluss des Semesters ist aus dem System<br />
eine vernetzte Wissensdatenbank für Informatiker<br />
geworden, die durch neue Beiträge, Dokumente und<br />
Informationen immer weiter wächst.<br />
Gewinnerin Alexandra<br />
Dinh mit ihrer Sony<br />
SmartWatch 3<br />
50<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Für alles, was Sie nicht<br />
mit einer Anzeige sagen können ...<br />
... gibt es die individuellen Firmenporträts<br />
und Unternehmensberichte von<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Das garantieren wir Ihnen:<br />
- individuelle Vorstellung Ihres Unternehmens nach Ihren Vorgaben<br />
- hochwertiger, journalistischer Beitrag von einem Redakteur<br />
- dargestellt im professionellen Grafiklayout der Fachzeitschrift<br />
- die Veröffentlichung erfolgt nach einer finalen Abstimmung mit Ihnen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> ist mit 15.000 Exemplaren im Allgäu und in Oberschwaben<br />
die große Fachzeitschrift für Energiezukunft und Klimawandel.<br />
Der Versand erfolgt an die komplette Energie-Fachbranche im – vom<br />
Handwerksbetrieb über Architekten und Bauunternehmern bis zu energietechnischen<br />
Fachbetrieben. Außerdem erhalten alle Kommunen im<br />
Verbreitungsgebiet ausreichend Freiexemplare für ihre Verwaltungen,<br />
Bauämter und die Stadt- bzw. Gemeinderäte.<br />
Während Messen und Fachveranstaltungen ist unser Team für Sie vor Ort<br />
und verteilt die Zeitschrift an zahlreiche Besucher (u. a. RENEXPO, Allgäuer<br />
Altbau- sowie Passivhaustage, Festwoche uvm.).<br />
NEU: Wir arbeiten ständig für Sie an unserem Vertriebsnetz. Fortan ist<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> kostenlos an zahlreichen Tankstellen, Kiosken und<br />
weiteren Einzelhändlern im Allgäu erhältlich!<br />
Zeigen Sie unseren Leserinnen und Lesern,<br />
was Ihr Unternehmen einzigartig macht!<br />
Die nächste Ausgabe erscheint am 6. April 20<strong>16</strong> . Redaktions- und Anzeigenschluss ist am 4. März.<br />
Sprechen Sie uns jetzt für Ihre individuelles Porträt an!<br />
Wir beraten Sie gerne: Sven Abend, Tel. +49 (0)8379/7286<strong>16</strong>,<br />
Fax +49 (0)8379/728018, E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz
Brennholz<br />
Rund ums Brennholz<br />
Selber machen oder fertig kaufen?<br />
Foto: Rainer Sturm/pixelio.de<br />
Das knisternde Flammenspiel im Kaminofen ist für viele Deutsche der Inbegriff<br />
purer Gemütlichkeit. Wie kommt man aber zum Brennholz für den eigenen<br />
Ofen? Selbst im Wald holen, Meterware kaufen und selber herrichten oder fertiges<br />
Holz besorgen? Dann stellt sich noch die Frage: abholen oder liefern lassen?<br />
Die Motorsäge ist<br />
des Holz ma chers<br />
wichtigster Begleiter. Zu Hause<br />
das Brennholz selbst<br />
auf be reiten wird auch im<br />
Allgäu immer pupulärer<br />
Aus Freude am flackernden Feuer und aus<br />
Spaß an der Bewegung in der frischen Luft<br />
machen viele Hobby-Waldarbeiter ihr<br />
Brennholz im Forst selbst, anstatt es sich ofenfertig<br />
geschnitten ins Haus liefern zu lassen. Im Allgäu ist<br />
das aber aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr<br />
so einfach. Zwei Forstbetriebsstellen sind in der Region<br />
zuständig für die Vergabe von Flächenlosen zur<br />
Selbstversorgung. In Sonthofen und Ottobeuren<br />
können sich die Interessenten melden. Die jeweiligen<br />
Revierleiter entscheiden dann, ob und wer unter welchen<br />
Bedingungen mit der Motorsäge »ausrücken«
Fotos: djd/Stihl; EDITION <strong>ALLGÄU</strong>; Biomassehof Allgäu; Volker Wille<br />
Brennholz beim Biohof Allgäu in Kempten abholen<br />
kann eine Beschäftigung für die ganze Familie sein<br />
darf. Beide Dienststellen berichten aber, dass es weit<br />
mehr Nachfrage gibt, als Holz zur Verfügung steht.<br />
Das gelte sowohl für den Staatsforst als auch für die<br />
Forstbetriebsgemeinschaften und den Privatwald.<br />
Über Meterscheite frei ab Waldweg wissen ebenfalls<br />
die Forstbetriebsstellen Bescheid. Ihnen ist meist<br />
gemeldet, wo welche Angebote verfügbar sind. Vielfach<br />
kennen auch die Forstbetriebsgemeinschaften<br />
und Revierförster aktuelle Angebote. Sinnvoll ist es auf<br />
jeden Fall auch, im Bekanntenkreis abzufragen, wo<br />
Privatwaldbesitzer aktuelle Angebote machen können.<br />
Auf jeden Fall sollte man als Interessent erfragen,<br />
wie lange der Einschlag der Meterware her ist und welche<br />
Lagerzeit nach der Verarbeitung zu ofenfertigem<br />
Meterscheite sind zur<br />
»Weiterverarbeitung« vorbereitet<br />
Selbst ausrücken – was muss man beachten?<br />
Wer die ursprünglichste Form der »Holzgewinnung« im Wald<br />
versuchen will, mit einem Outdoor-Erlebnis zu seinem Brenn -<br />
holz zu kommen, für den hat Mario Wistuba, Forstwirt -<br />
schaftsmeister und Produkttrainer beim Waiblinger Motor -<br />
gerätehersteller Stihl, einige Tipps parat.<br />
Wann ist der beste Zeitpunkt für den Brennholzeinschlag?<br />
Die Monate November bis März sind ideal, denn in der kalten<br />
Jahreszeit ist der Wassergehalt der Bäume am geringsten.<br />
Als Faustregel gilt, dass der nachwachsende Brennstoff nach<br />
dem Einschlag noch rund zwei Jahre trocknen muss, bis seine<br />
Restfeuchte unter 20 Prozent gesunken ist. Liegt der Wert<br />
höher, geht beim Heizen zu viel Energie verloren, der Schad -<br />
stoffausstoß steigt und der Kaminofen kann Schaden erleiden.<br />
Forstwirtschaftsmeister<br />
Mario Wistuba weiß,<br />
wo rauf es beim Brenn -<br />
holzmachen ankommt<br />
Wer kann im Forst selbst aktiv werden?<br />
Mit einem sogenannten Flächenlos erwerben Privatpersonen bei Landesforstbehörden oder<br />
kommunalen und privaten Forstbetrieben kostengünstig das Recht, bei Forstarbeiten übrig -<br />
gebliebenes Kronenholz bereits gefällter Bäume weiter zu bearbeiten oder selbst Bäume zu<br />
fällen. Die Teilnahme an einem Motorsägekurs ist in der Regel Grundvoraussetzung. Hier<br />
machen Fachleute die Teilnehmer in Theorie und Praxis mit Arbeitstechniken, Sicherheits -<br />
aspekten sowie mit Funktionen und Wartung einer Motorsäge vertraut. Neben der praktischen<br />
Anwendung stehen Spaß und gute Tipps auf dem Programm.<br />
Welche Hilfsmittel sind nützlich?<br />
Flexibilität bietet eine Motorsäge mit Benzin- oder mit leisem, abgasfreiem Akku-Antrieb. Wer<br />
das Holz direkt am Haus zurechtschneidet, für den eignet sich ein Modell mit Elektro-Antrieb. Der<br />
eigenen Sicherheit dient passende Schutzkleidung. Beim Fachhändler können Hobby wald arbeiter<br />
verschiedene Modelle ausprobieren und das für ihre Zwecke Passende finden. (djd/red)<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
53
Brennholz/Biomasse<br />
Holz ist nicht gleich Holz:<br />
Verschiedene Arten weisen<br />
unterschiedliche Heizwerte<br />
und Brenndauern auf.<br />
Nadelhölzer brennen<br />
schneller als Laubhölzer<br />
Holz zu Hause noch erforderlich ist. Für das Bestimmen<br />
des Feuchtigkeitsgehaltes ist ein Holzfeuchtemesser<br />
hilfreich. Er ist für wenig Geld im Handel erhältlich.<br />
Darüber hinaus sollte man den Lagerort genau<br />
erfragen und feststellen, ob und unter welchen Bedingungen<br />
der mit dem zur Verfügung stehenden Auto<br />
und Hänger zu erreichen ist. Wer sich die Abholung<br />
ersparen will und nur noch Meterware in die ofenfertige<br />
Länge selbst verarbeiten will, der hat die Wahl, die<br />
Scheite bei den Anbietern mit dem eigenen Fahrzeug<br />
abzuholen oder sich das Holz bequem frei Haus liefern<br />
zu lassen. Üblicherweise werden die Scheite bei den<br />
Anbietern als Bunde zu einem Ster verkauft.<br />
Am bequemsten ist es natürlich, gleich auf ofenfertiges<br />
Scheitholz zurückzugreifen. Hier gibt es eine<br />
ganze Reihe von regionalen Anbietern. Und auch die<br />
Auswahl ist vielfältig. Je nach Brennraum des Ofens<br />
gibt es Längen von 25, 33 und 50 Zentimetern. Gängige<br />
Holzarten sind Fichte, Kiefer, Buche, Birke,<br />
Esche und Eiche. Fichte und Kiefer sind preislich<br />
günstiger als die Laubhölzer. Wer sich dazu durchgerungen<br />
hat, fertig zu kaufen, sollte sich nicht nur mit<br />
den unterschiedlichen Preisen befassen, sondern<br />
auch die verschiedenen Angebotsformen kennen. Es<br />
gibt einige Internet-Portale, die regionale Anbieter<br />
vergleichend zusammenfassen oder sogar als Vermittler<br />
direkt zum Kauf anbieten. Zu beachten ist,<br />
dass recht unterschiedliche Kosten z.B. für Beladung<br />
und Lieferung (größtenteils Entfernungspauschalen)<br />
anfallen.<br />
Mustergültig informiert<br />
Ministerium würdigt Biomassehof Allgäu<br />
Wie können mittelständische Betriebe ihr Engagement für die Umwelt besser nach<br />
außen tragen? Der Biomassehof Allgäu macht es vor. Sein Internetauftritt wird im<br />
neuen Themenportal »Marketing mit Umweltthemen – Tipps für Ihren Betrieb« des<br />
Bayerischen Landesamts für Umwelt online als Musterbeispiel genannt.<br />
Nicht nur der Internet-Auftritt des Biomassehofes Allgäu ist<br />
ausgezeichnet – auch die Anlagen sind vorzeigbar<br />
Fotos: Biomassehof Allgäu<br />
Der Biomassehof Allgäu versorgt nicht nur über<br />
10.000 Kunden mit Holzbrennstoffen aus der<br />
Region. »Auf der Internetseite des Biomassehofes<br />
erfahren die Kunden unter dem Menüpunkt<br />
‚Nachhaltigkeit‘ überzeugend, welchen Stellenwert eine<br />
nachhaltige Holznutzung für den Biomassehof Allgäu<br />
hat und wie der Kunde durch die Nutzung von heimischem<br />
Holz einen Beitrag zum Umweltschutz leisten<br />
kann«, so Kristin Petersen von der B.A.U.M. Consult<br />
GmbH, die im Auftrag des bayerischen Staatsministeriums<br />
für Umwelt und Verbraucherschutz bayernweit<br />
nach Musterbeispielen recherchierte. Folgende Kapitel<br />
führen den interessierten Online-Nutzer tiefer in die<br />
Materie ein:<br />
- So bleibt Ihr Geld in der Region<br />
- Nachhaltige Wald- und sinnvolle Holznutzung
Anzeigen<br />
Die Maßeinheiten und Preise<br />
Der Raummeter (rm) oder Ster ist ein Raum maß für Holz und die ge bräuch -<br />
lichs te Maßeinheit beim Han del mit Brenn holz. Ein Raummeter (ein Ster)<br />
entspricht einem Wür fel von einem Meter Seiten länge, also einem Rauminhalt<br />
von einem Kubik meter geschich teter Holzmasse einschließlich der Zwischen -<br />
räume in der Schichtung.<br />
Der Schüttraummeter (srm) ent spricht einer lose geschütteten Holzmenge<br />
von einem Kubik meter.<br />
Ein Kubikmeter Holz ohne Zwischen räume ist der Festmeter (fm).<br />
Der Verband für Holzwirtschaft gibt folgende Umrechnung bekannt:<br />
1,0 Festmeter (fm) = 1,4 Raummeter/Ster (rm) = 2,5 Schüttraummeter (srm)<br />
0,7 Festmeter (fm) = 1,0 Raummeter/Ster (rm) = 1,8 Schüttraummeter (srm)<br />
0,4 Festmeter (fm) = 0,56 Raummeter/Ster (rm) = 1,0 Schüttraummeter (srm)<br />
Die Holzpreise sind je nach Jahreszeit und Ver fügbarkeit recht<br />
unterschiedlich. Im Inter net lassen sich die Preise tages aktuell vergleichen.<br />
Mobiles Handbuch<br />
Mit der praktischen App »Handbuch Brenn holz machen« kann der Hobby -<br />
waldarbeiter auf dem iPhone oder dem iPad sogar noch im Wald die richtigen<br />
Schritte im Umgang mit der Motorsäge nachschlagen. Der digitale Ratgeber<br />
bietet nicht nur einen Einblick in die zehn Regeln zum Holzmachen, sondern<br />
stellt auch die unterschiedlichen Werkzeuge für die Arbeit im Forst vor. Zudem<br />
gibt es Hinweise für die passende Schutzkleidung und die richtige Lagerung<br />
des Brennholzes.<br />
allgäu <strong>ALTERNATIV</strong><br />
jetzt auch<br />
online lesen!<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
- Bewirtschaftete Wälder – gut für den Klimaschutz<br />
- Im Allgäu wächst genug Holz nach!<br />
- Holz verbrennt CO2-neutral<br />
- Energiewende im Allgäu!<br />
»Anfassbare« Zahlen<br />
Dabei werden auch Zusammenhänge erläutert,<br />
die nicht allgemein bekannt sind. »Wer weiß schon,<br />
warum es sinnvoll für den Umweltschutz ist, Wälder<br />
aktiv zu bewirtschaften? Nur nachwachsendes Holz<br />
entzieht der Atmosphäre CO2. Mit zunehmendem<br />
Baumalter nimmt diese Fähigkeit immer mehr ab«, so<br />
Gerald Härtlein. Der Diplomvolkswirt und Texter legt<br />
großen Wert darauf Zahlen anschaulich aufzubereiten:<br />
»Allein das Duracher Forstrevier um Kempten entzieht<br />
der Atmosphäre 78.000 Tonnen CO2. Das ist<br />
dreimal so viel, wie alle Berufsein- und -auspendler<br />
der Stadt Kempten mit ihrem Auto ausstoßen. So kann<br />
sich jeder vorstellen, wie wichtig bewirtschaftete Wälder<br />
sind.«<br />
Infos:<br />
Portal: www.izu.bayern.de/marketing_kmu/<br />
Biomassehof Allgäu eG<br />
Riederau 1<br />
87437 Kempten<br />
Tel. 0831/540 273-0<br />
Fax 0831/540 273-120<br />
info@biomassehof.de<br />
www.biomassehof.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
55
Medien<br />
Wie wir morgen leben<br />
Geschichten vom Umgang<br />
mit der Welt<br />
Lassen die täglichen Horror -<br />
meldungen eigentlich noch<br />
Hoffnung auf ein Morgen zu?<br />
Und wenn ja, wie können wir<br />
die gewaltigen Heraus for -<br />
derungen hinsichtlich der<br />
ökologischen, sozialen und<br />
ökonomischen Probleme<br />
lösen? Die Zukunft heißt: Ein<br />
jeder muss erst einmal vor der<br />
eigenen Haustür kehren!<br />
»Geschichten vom guten<br />
Umgang mit der Welt« ist der<br />
Untertitel von »Futurzwei«,<br />
einem vom Umfang wie vom<br />
Inhalt her gewichtigen Buch.<br />
In 82 Geschichten gelungener<br />
Praxis, in denen nicht mehr<br />
über die Verhältnisse gelebt<br />
wird, präsentiert Futurzwei<br />
Handlungsoptionen und<br />
Vorbilder für eine gerechte<br />
Zukunft und eine enkel -<br />
taugliche Gesellschaft, fernab<br />
von Katastrophen und wirt -<br />
schaftlichen Wachstumsraten.<br />
Harald Welzer berichtet von<br />
Men schen, die einfach<br />
begonnen haben, anders zu<br />
handeln als gewohnt.<br />
Menschen, die ihr Hirnkastl in<br />
Be wegung gesetzt haben, um<br />
aus den gewohnten Gleisen<br />
her aus zutreten. Da stellt eine<br />
Firma aus Gras Kunststoff her.<br />
In Neuburg an der Donau soll<br />
die Abwärme aus dem Indus -<br />
trie gebiet künftig die gesamte<br />
Stadt heizen. Auch Abwasser<br />
kann Wärme liefern. Es geht<br />
zugleich im kleinen Rahmen.<br />
Das Veränderungs atelier »Bis<br />
es mir vom Leibe fällt«<br />
veredelt Kleider und rettet als<br />
Attacke auf die Ver schwen -<br />
dung Kleider vor der Ver -<br />
gessenheit. Kün stler er -<br />
richteten in einem leer -<br />
stehenden Gebäude in<br />
Augsburg das »Grandhotel<br />
Cosmopolis«. Flüchtlinge,<br />
Künstler und Reisende leben<br />
dort unter einem Dach. Welzer<br />
berichtet ebenso über Wild -<br />
poldsried, um vor der eigenen<br />
Haustür zu bleiben – das Dorf<br />
im Oberallgäu, das längst<br />
energetisch autark ist.<br />
Dass sich selbst im Sport Wege<br />
auftun, um es besser als andere<br />
zu machen, zeigen die Spieler<br />
des 1. FC Mainz 05 den<br />
Anhängern. Mit technischen<br />
Einsparungen, CO ² -Kompen -<br />
sation und Anstachelung von<br />
Fans und Spielern hat es Mainz<br />
zum ersten klimaneutralen<br />
Fußballbundesligaverein ge -<br />
bracht. Jeder, der will, kann<br />
auch etwas tun. Das zeigen die<br />
Beispiele in Futurzwei, einem<br />
Almanach des Erfolgs, der<br />
keineswegs mit mahnend<br />
erhobenem Finger daher -<br />
kommt, sondern sich richtig<br />
spannend und amüsant lesen<br />
lässt. Welzer setzt auf die Kraft<br />
der vielen, größtenteils gänz -<br />
lich unrevolutionären Bei -<br />
spiele, von denen man immer<br />
wieder erzählen muss, bis sie<br />
in den Köpfen der Menschen<br />
eine eigene Aha!-Idee zünden.<br />
Warum sollte heute nicht mehr<br />
gelingen, was einst als<br />
»Allmende« begann? Land, das<br />
weder öffentliches noch pri -<br />
vates Eigentum war, wurde von<br />
der Gemeinschaft gemeindlich<br />
genutzt. Warum nicht heute?<br />
Die Wirtschafts-Nobelprei s -<br />
trägerin Elinor Ostrom wies<br />
nach, wie natürliche Res sour -<br />
cen nachhaltig und friedlich<br />
genutzt werden können.<br />
Inzwischen beschäftigen sich<br />
zahlreiche Universitäten mit<br />
dem Thema »Urban Mining«.<br />
Mit steigenden Rohstoff -<br />
preisen werden abgelegte<br />
Konsum- und Produktions -<br />
güter oder Industrie abfälle zu<br />
neuen Rohstoff-Stätten.<br />
Gleiches trifft auch auf<br />
»Landfill-Mining« zu – die<br />
gezielte Suche nach brauch -<br />
baren Materialien in längst<br />
vergrabenen Mülldeponien.<br />
Der Autor Harald Welzer (57)<br />
ist Mitbegründer und Direktor<br />
der gemeinnützigen Stiftung<br />
»Futurzwei«. Er studierte<br />
Soziologie, Politische Wissen -<br />
schaft und Literatur an der<br />
Universität Hannover, wurde<br />
dort 1988 in Soziologie<br />
promo viert und habilitierte<br />
sich 1993 in Sozialpsychologie<br />
sowie 2001 in Soziologie. Die<br />
Co-Autorinnen haben mit<br />
ausgezeichneten Artikeln zum<br />
Thema um die »Material -<br />
schlacht« und Zukunfts -<br />
strategien »Wie es werden<br />
könnte« zu diesem höchst<br />
informativen Zukunfts-<br />
Almanach beigetragen.<br />
Thomas Niehörster<br />
Harald Welzer, Dana Giesecke,<br />
Luise Tremel (Hrsg.), FUTURZWEI<br />
Zukunftsalmanach <strong>2015</strong>/<strong>16</strong>,<br />
Geschichten vom guten Umgang<br />
mit der Welt, 544 Seiten, Fischer<br />
Taschenbuch 03049, <strong>16</strong>,99 Euro,<br />
ISBN 978-3-596-03049-1<br />
Klimaanpassung<br />
im Detail<br />
Strategien in Stadt- und<br />
Regionalentwicklung<br />
Die Folgen des Klimawandels<br />
sind unübersehbar: Hoch -<br />
wasser an Flüssen nach plötz -<br />
lichen Starkregen, Niedrig -<br />
wasser in Folge von Trocken -<br />
perioden, Hitzeinseln in<br />
Städten bei anhaltend hohen<br />
Temperaturen oder Gebäude -<br />
schäden durch Hagel oder<br />
Stürme. Die Aufzählung ließe<br />
sich fortführen. Allen Bei -<br />
spielen ist gemein, dass sie das<br />
Leben der Menschen beein -<br />
flussen und zum Teil mit<br />
enormen Schäden verbunden<br />
sind. Doch unabhängig davon,<br />
ob Wetterextreme plötzlich<br />
auftreten oder sich Klima -<br />
faktoren langsam verändern,<br />
lautet die Frage: Wie können<br />
wir unsere Städte und Re -<br />
gionen auf die sich wandeln -<br />
den Rahmenbedingungen<br />
vorbereiten?<br />
Dieser Band zeigt Instrumente<br />
und Maßnahmen, die in<br />
der Stadt- und Regionalent -<br />
wicklung dazu beitragen kön -<br />
nen, den Herausfor der ungen<br />
des Klimawandels zu be -<br />
gegnen. Innovative Ansätze für<br />
die Zukunft und Überleg un -<br />
gen zu grundlegenden Para -<br />
dig men wechseln ergänzen das<br />
Spektrum der Beiträge. Neben<br />
theoretischen Grundlagen und<br />
Forschungsansätzen illus -<br />
trieren Beispiele aus der Praxis<br />
mögliche Maßnahmen zur<br />
Klimaanpassung in Städten<br />
und Regionen.<br />
Jörg Knieling leitet das Fach -<br />
gebiet Stadtplanung und Re -<br />
gionalentwicklung der Ha -<br />
fenCity Universität Hamburg.<br />
56<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
Er forscht nach Leitbildern<br />
und Strategien in Stadt- und<br />
Regionalplanung, Klima wan -<br />
del und Raument wicklung.<br />
Bernhard Müller ist Raum -<br />
planer und Geograf. Er ist<br />
Direktor des Leibniz-Instituts<br />
für ökologische Raum ent -<br />
wicklung. An der TU Dresden<br />
hat er einen Lehrstuhl für<br />
Raumentwicklung.<br />
J.Knieling und B.Müller (Hrsg.),<br />
Klimaanpassung in der Stadt- und<br />
Regionalentwicklung, Ansätze,<br />
Instrumente, Maßnahmen und<br />
Beispiele, 462 Seiten Ökom Verlag<br />
München, 39,95 Euro,<br />
ISBN 9783-86581-703-7<br />
Wasserland Bayern<br />
Nachhaltige Wasserwirtschaft<br />
in Bayern<br />
Bayern ist ein »Wasserland«.<br />
Mehr als 100.000 Kilometer<br />
Bäche und Flüsse durchziehen<br />
das Land. Zusammen mit der<br />
Natur an ihren Ufern bilden<br />
sie ein Netzwerk von Lebens -<br />
räumen für viele Tier- und<br />
Pflanzenarten. Für die Ge -<br />
wässer als Lebensraum setzt<br />
die EG-Wasserrahmenricht -<br />
linie neue<br />
Maßstäbe. In Bayern werden<br />
viele Gewässer re na turiert,<br />
auch die Energie gewinnung<br />
aus Wasserkraft, die im Zuge<br />
der Energiewende natürlich im<br />
Fokus steht, wird Stück für<br />
Stück umweltver träglicher<br />
gestaltet. Die Bro schüre zeigt<br />
Beispiele dafür – zur<br />
Nachahmung empfohlen!<br />
Jeder Einzelne ist gefordert,<br />
mit unserem flüssigen Schatz<br />
ver ant wortungsvoll umzu -<br />
gehen. Die Broschüre des<br />
bayerischen Staatsminis -<br />
teriums für Umwelt und<br />
Gesundheit will das nötige<br />
Wissen hierfür vermitteln.<br />
Wasserland Bayern; Broschüre<br />
des Umweltministeriums Bayern;<br />
www.wasser.bayern.de; 6. Auflage;<br />
124 Seiten; kostenlos zu bestellen:<br />
Tel. 089 122220, E-Mail:<br />
direkt@bayern.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
57
Bauen<br />
Ein Haus ganz aus Holz<br />
Regionales Wohnkonzept für die Zukunft<br />
Ist es möglich, mit ökologischen Materialien ein modernes und energieeffizientes Haus<br />
zu bauen? Ja! Den Beweis erbringt ein KfW-Effizienzhaus in Aichstetten. Dass der<br />
Neubau fast komplett aus Holz erstellt wurde, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar.<br />
Die Bauherren setzten von der Tragkonstruktion bis zur Wärmedämmung in Dach,<br />
Wand und Boden konsequent auf den natürlichen und nachwachsenden Rohstoff Holz.<br />
Auf den ersten Blick erkennt<br />
man kaum, dass das neue<br />
Haus in Aichstetten »aus<br />
einem Guss« in Holz hergestellt<br />
und gebaut wurde<br />
Die junge Bauherrschaft aus Aichstetten bei<br />
Memmingen wünschte sich ein umweltfreundliches<br />
Eigenheim mit gesunden und<br />
hellen Innenräumen. Als die Planung im Jahr 2014<br />
endlich beginnen konnte, war deshalb schnell klar,<br />
dass sie hauptsächlich auf den Rohstoff Holz setzen<br />
werden. Sie entschieden sich für die Massivholzbauweise,<br />
gedämmt mit Holzfaserdämmstoffen von der<br />
Firma Pavatex, einer Schweizer Weltfirma mit einer<br />
deutschen Vertretung in Leutkirch. Die gewählte Konstruktion<br />
erfüllt die Anforderungen der KfW und erreicht<br />
den Standard KfW-Effizienzhaus 55. Die<br />
Bauherren konnte deshalb von einem zinsverbilligten<br />
Darlehen in Höhe von 50.000 Euro und 2500 Euro<br />
Tilgungszuschuss profitieren.<br />
Ökologie von Anfang bis Ende<br />
Bei der ökologischen Beurteilung von Baustoffen<br />
ist es wichtig, dass der gesamte Lebenszyklus betrachtet<br />
wird: von der Rohstoffgewinnung über die Produktion,<br />
die Nutzung im Bauwerk bis zur Entsorgung, die<br />
spätere Generationen einmal erledigen müssen. Mit<br />
Holz erbaute und gedämmte Häuser schneiden in vieler<br />
Hinsicht im Vergleich zu anderen Baumaterialien<br />
sehr gut ab und leisten auf vielfältige Weise einen Beitrag<br />
zum Klimaschutz. So bestehen die Holzfaserdämmplatten<br />
von Pavatex genauso wie die Massivholzwände<br />
aus dem natürlichen Rohstoff Holz. Sie<br />
werden aus Resthölzern hergestellt, die in Sägewerken<br />
als Nebenprodukt anfallen. Verbautes Holz trägt dazu<br />
bei, die CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre zu senken,<br />
da es während seines Wachstums CO 2 aufgenommen<br />
und gebunden hat. Verbaute Dämmstoffe bewirken,<br />
dass der Heizenergiebedarf von Gebäuden markant<br />
sinkt. Und am Ende ihrer Lebensdauer können<br />
die Holzfaserdämmstoffe sogar kompostiert oder thermisch<br />
verwertet werden, künstliche Dämmstoffe hingegen<br />
werden meist zu Sondermüll. Der renommierte<br />
internationale Verein natureplus bestätigt die Umweltfreundlichkeit<br />
der Pavatex-Holzfaserplatten: Er verlieh<br />
den Dämmstoffen nach strengen Prüfungen sein Gütesiegel.<br />
Wohnkomfort in allen Jahreszeiten<br />
Die Umweltfreundlichkeit der Bauweise bedeutet<br />
nicht, dass die Bewohner Einbußen beim Komfort in<br />
Kauf nehmen müssten. Ganz im Gegenteil: Dank des<br />
hohen Flächengewichtes und der porösen Struktur der<br />
Massivholzwände und der Dämmstoffe sind die Innenräume<br />
sehr gut vor Kälte, Hitze und Lärm geschützt.<br />
Die Holzfaserplatten sind in der Lage, anfallende<br />
Wärme zu speichern und erst mit einer großen<br />
Verzögerung wieder nach außen abzugeben. Dadurch<br />
bleiben die Innenräume in der Sommerhitze angenehm<br />
kühl. Auch um die Gesundheit müssen sich die<br />
Bewohner keine Sorgen machen: Die Dämmstoffe beinhalten<br />
keinerlei Schadstoffe und sorgen für ein gesundes<br />
Innenraumklima.<br />
58<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Pavatex<br />
Atmungsaktive Außenwände<br />
Das Einfamilienhaus in Aichstetten profitiert von<br />
der Diffusionsoffenheit der Konstruktion: Wasserdampfmoleküle<br />
können durch die natürliche Holz -<br />
faserstruktur nach außen gelangen. Die Wirkungsweise<br />
lässt sich mit der von atmungsaktiver Sportbekleidung<br />
vergleichen und bietet auch dieselben Vorteile:<br />
Durch den Wasserdampftransport können Feuchtespitzen<br />
im Innenraum ausgeglichen werden. Zusätzlich<br />
verhindern die Dämmstoffe im Gegensatz etwa zu<br />
geschlossenporigen Materialien größere Tauwasser -<br />
ansammlungen in der Konstruktion und daraus resultierende<br />
Schimmelbildungen.<br />
Putz auf der Holzfaserplatte<br />
Die Massivholzkonstruktion des Einfamilienhauses<br />
ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, denn die<br />
Fassade ist zum Teil verputzt. Als Putzträgerplatte kam<br />
der Holzfaserdämmstoff Pavawall-Bloc in einer Dicke<br />
von 20 Zentimetern zum Einsatz. Die Dämmplatten<br />
wurden mit speziellen Dämmstoffdübeln auf dem<br />
Massivholz-Untergrund befestigt und anschließend<br />
mit einem mineralischen System verputzt. Ein solches<br />
Wärmedämmverbundsystem hat eine Lebensdauer<br />
von mehr als 50 Jahren, das haben Untersuchungen<br />
des Fraunhofer-Institutes ergeben. Die Holzfaserplatten<br />
verfügen über eine hohe Druckfestigkeit und sind deshalb<br />
sehr stabil. Abgestellte Fahrräder oder spielende<br />
Kinder können der Putzoberfläche nichts anhaben.<br />
Sogar kleinere Lasten wie Briefkästen und Außenbeleuchtungen<br />
können mit handelsüblichen Dübeln direkt<br />
in der Dämmplatte befestigt werden. Zudem ist<br />
auch die Gefahr von Algen- und Pilzbefall an der<br />
Putzfassade deutlich geringer als bei herkömmlichen<br />
Dämmstoffen.<br />
Schutz vor allen Wettern<br />
Für die Dämmung des Daches kam ein Aufsparrendämmsystem<br />
ebenfalls aus dem Hause Pavatex<br />
zum Einsatz. Direkt auf die Schalung über den Sparren<br />
wurde die Dachschalungsbahn DSB2 verlegt. Diese<br />
übernimmt die wichtige Funktion der Luftdichtigkeitsschicht.<br />
Darüber wurden zwei Lagen der Dämmplatte<br />
Pavatherm mit einer Stärke von 100 Millimetern<br />
angebracht, und den äußeren Abschluss bildet die Unterdeckplatte<br />
Isolair 35. Sämtliche Dämm- und Dichtsysteme<br />
sind vom Schweizer Hersteller optimal aufeinander<br />
abgestimmt. Sie stellen die Luftdichtigkeit<br />
der Gebäudehülle sicher, sind aber gleichzeitig diffusionsoffen.<br />
Der Wasserdampfdiffusions-Widerstand<br />
der verwendeten Systeme nimmt stets von innen gegen<br />
außen ab. Das erforderliche Austrocknungspotenzial<br />
ist also jederzeit gegeben, und die Bauteile sind<br />
damit optimal geschützt. Der Hersteller gibt darauf sogar<br />
eine Systemgarantie. Die Unterdeckplatte ist als<br />
Bauzeitabdichtung drei Monate dicht und hält auch<br />
stärksten Unwettern und Hagelschlägen stand.<br />
Angenehme Innenräume dank Holz<br />
Auch im Innenraum wurde das Holz-Konzept<br />
konsequent weiterverfolgt. Die Installationsebene an<br />
der Außenwand wurde mit der Dämmplatte Pavatherm-Profil<br />
mit einer Stärke von 60 Millimetern ausgebildet.<br />
Für eine gute Wärme- und Trittschalldämmung<br />
unter dem Nassestrich mit Fussbodenheizung<br />
sorgen zwei Lagen Pavaboard mit ebenfalls 60 Millimetern<br />
Stärke. Die Trennwände wurden in einer Holzständer-Konstruktion<br />
erstellt, die mit 80-Millimeter-<br />
Platten gedämmt und mit einer Innenausbauplatte<br />
vom gleichen Hersteller verkleidet sind.<br />
Das Aichstetter Einfamilienhaus ist sozusagen<br />
aus »einer Hand« errichtet worden. Das ist ein Wunsch -<br />
traum vieler Bauherren. Denn oft werden die verschiedensten<br />
Werkstoffe unterschiedlicher Hersteller kombiniert.<br />
Verwendet man Baumaterial unterschiedlicher<br />
Hersteller, kann es passieren, dass die Dimensionen<br />
und die Anschlüsse nicht zusammenpassen oder die<br />
Materialien nicht aufeinander abgestimmt sind. Diese<br />
Schwierigkeiten vermeidet man, wenn man einen Spezialisten<br />
mit einem breiten, modernen und ökologisch<br />
orientierten Portfolio in der Planungsphase rechtzeitig<br />
mit einbindet.<br />
In der Bauphase konnte man<br />
zeitweise noch genau die<br />
verwendeten Massivholzkon -<br />
stru ktionen und die Dämmstoffe<br />
aus Holzprodukten erkennen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
59
Bauen und Sanieren<br />
Ohne Energieverlust lüften<br />
Moderne Anlagen sinnvoll einsetzen<br />
Noch immer wird im Neubau-Bereich,<br />
vor allem aber bei Altbausanierungen<br />
das Thema Wohnraumlüftung zu oft<br />
vernachlässigt. Dabei sind die Gebäudehüllen<br />
mit den steigenden Energie -<br />
effizienz-Anforderungen deutlich dichter<br />
geworden. Wer nicht alle zwei Stunden<br />
seine Fenster aufreißen und sich kalte<br />
Luft im Winter oder Hitze im Sommer<br />
in die Wohnräume holen will, setzt auf<br />
eine moderne Lüftungsanlage. Zentral<br />
oder dezentral? Das ist die Frage, vor<br />
der insbesondere Besitzer von Altbauten<br />
bei der Sanierung ihrer Gebäude stehen.<br />
Dr. Ulrich Werkmeister und seine Frau Marie-<br />
Luise kennen das Vorurteil und können<br />
darüber jetzt nur lachen: Wer eine Lüftungsanlage<br />
in seinem Haus hat, darf die Fenster nicht mehr<br />
öffnen, glauben nach wie vor viele Menschen. »So ein<br />
Quatsch«, meint Marie-Luise Werkmeister. »Ich kann<br />
das Fenster öffnen, aber ich muss es nicht – das ist der<br />
feine Unterschied.« Als die Werkmeisters vor ein paar<br />
Jahren ihr Haus in Isny sanierten, war ihnen schnell<br />
klar, dass der Einbau einer Lüftungsanlage wesentlicher<br />
Bestandteil der Generalsanierung sein muss.<br />
»Wir haben die Entscheidung noch keinen Tag bereut«,<br />
betont Marie-Luise Werkmeister – wegen des<br />
besseren Raumklimas, aber auch wegen der Energieeinsparung.<br />
»Wer im Winter über die Fenster lüftet,<br />
jagt die ganze Energie, die er sich durch die Dämmung<br />
spart, gleich wieder zum Fenster hinaus.«<br />
Fenster als Energieschleudern<br />
In alten Häusern besteht oft ein permanenter<br />
Luftaustausch durch undichte Fenster. Diese unkontrollierte<br />
Lüftung führt aber auch zu unnötig hohen<br />
Energieverlusten, vor allem bei windigem Wetter,<br />
wenn es richtig zieht. Mit dem Einbau neuer Fenster,<br />
wie sie die Energieeinsparverordnung vorgibt, oder<br />
bei einem Neubau reduziert sich der Wärmeverlust,<br />
aber auch der Luftaustausch. Dann ist eine ausreichende<br />
Lüftung für den Wohnkomfort unverzichtbar – hygienisch<br />
notwendig und auch wichtig, um Bauschäden<br />
wegen einer zu hohen Luftfeuchtigkeit zu vermeiden.<br />
Lüftungsanlagen sind daher in gut gedämmten Neubauten<br />
und energetisch sanierten Altbauten eine sinnvolle<br />
– und komfortable – Alternative zur klassischen<br />
Fensterlüftung. Die Anlagen sorgen zuverlässig für<br />
eine gleichbleibend hohe Raumluftqualität bei einem<br />
geringen Energieverbrauch. Dabei werden Luftschadstoffe<br />
und hohe Kohlendioxyd-Konzentrationen sicher<br />
abgeführt und die Luftfeuchtigkeit auf ein unschädliches<br />
Maß begrenzt.<br />
Die Allergiker atmen auf<br />
Die Fenster müssen in der Heizperiode nicht<br />
mehr geöffnet werden, Außenlärm und Außenluftschadstoffe<br />
bleiben ausgesperrt. Durch Filter kann zudem<br />
die einströmende Luft von Staub und Pollen gereinigt<br />
werden – Allergiker atmen auf. Und es gibt<br />
noch weitere Vorteile: Auch bei Abwesenheit der<br />
Bewohner oder unter ungünstigen Wetterverhältnissen<br />
sorgen Lüftungsanlagen für die notwendige Mindestlüftung.<br />
Dadurch wird die Restfeuchte des morgendlichen<br />
Duschens sicher abgeführt, ohne das Einbruchrisiko<br />
durch geöffnete Fenster zu erhöhen. Die<br />
einfachste Form der kontrollierten Wohnungslüftung<br />
sind einfache Abluftsysteme. Ein zentraler Ventilator<br />
saugt die Luft aus Bad, Küche und WC ab. Gleichzeitig<br />
strömt frische Luft über Zuluft-Öffnungen in den<br />
60<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Die Aus- und Eintritts -<br />
öffnungen der hauseigenen<br />
Lüftungsanlage fallen<br />
am Bau kaum auf<br />
Fotos: Eza!, Angelina S./Pixelio<br />
Wänden oder Fensterrahmen in die Wohn- und<br />
Schlafräume. Der große Nachteile dieser Lösungen:<br />
Die Wärme der verbrauchten Luft wird nicht genutzt.<br />
Die Wärme doppelt nutzen<br />
Ganz anders bei einer zentralen Komfortlüftungsanlage<br />
mit Wärmerückgewinnung. Das Gerät<br />
wird an einem zentralen Ort, zum Beispiel im Keller,<br />
im Speicher oder im Hauswirtschaftsraum aufgestellt.<br />
Die verbrauchte Raumluft wird dabei kontinuierlich<br />
über Rohrleitungen und Abluftöffnungen in Bad, WC<br />
und Küche abgesaugt. Diese warme, verbrauchte Luft<br />
dient dann zur Vorwärmung der frischen Luft, die<br />
ganz langsam über Zuluftventile in die Wohn- und<br />
Schlafräume eingelassen wird. Bei diesem System können<br />
zum Teil über 90 Prozent der in der verbrauchten<br />
Luft enthaltenen Wärme mithilfe von Wärmetauschern<br />
zurückgewonnen werden. Der Energie -<br />
verbrauch der in der Anlage eingebauten Ventilatoren<br />
ist dabei äußerst gering. Die Vorteile einer Lüftungsanlage<br />
liegen also auf der Hand. Und wie sieht es mit<br />
lästigen Nebengeräuschen und unangenehmen Zuglufterscheinungen<br />
aus? Bei gut geplanten und fach -<br />
gerecht eingebauten zentralen Lüftungsanlage ist vom<br />
laufenden Betrieb so gut wie nichts zu hören, betont<br />
Steffen Riedel vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu.<br />
An den richtigen Stellen im Rohrleitungssystem<br />
platzierte Schalldämpfer sorgen laut Riedel für eine<br />
ungetrübte Frischluftzufuhr. Ist die Anlage richtig eingestellt,<br />
sind auch die Luftströme nicht zu spüren, fügt<br />
der eza!-Experte hinzu.<br />
Was passiert im Altbau?<br />
Fotos: Angelina S./pixelio.de<br />
Während sich im Neubaubereich der Einbau einer<br />
zentralen Komfortlüftungsanlage anbietet, ist bei<br />
der Altbausanierung eine nachträgliche Verlegung<br />
von Rohrleitungen oft mit hohem Aufwand verbunden.<br />
Hier bietet sich als Alternative der Einbau kleiner,<br />
dezentraler Lüftungsgeräte in einzelnen Räumen an –<br />
am besten auch mit einer Wärmerückgewinnung, die<br />
jedoch in der Regel nicht den Effizienzgrad zentraler<br />
Lüftungsanlagen erreicht. Inzwischen sind zahlreiche<br />
Fabrikate auf dem Markt wie zum Beispiel »die Pendellüfter«<br />
(Riedel) von Inventer oder LTM, die abwechselnd<br />
und paarweise die vorgewärmte Außenluft<br />
in die Wohnräume blasen und die Abluft wieder absaugen.<br />
Möglichst leise sollten die Geräte arbeiten,<br />
eine ausreichende Luftaustauschquote garantieren und<br />
eine hohe Wärmerückgewinnung aufweisen – darauf<br />
sollte man laut Riedel bei der Entscheidung für eines<br />
der angebotenen Systeme achten.<br />
Als Alternative dazu gibt es eine Mischung zwischen<br />
dezentralen und zentralen Lüftungsanlagen.<br />
Beispielsweise lassen sich mit den Lüftungsgeräten<br />
von Blumartin und Melten mit vergleichsweise geringem<br />
Aufwand mehrere Räume anschließen. Daher<br />
eignet sich das System auch für die Altbausanierung.<br />
Nebenbei erfüllt das Blumartin-Gerät die strengen<br />
Kriterien des Passivhaus-Instituts Darmstadt – insbesondere<br />
in puncto Wärmerückgewinnung – und sorgt<br />
mit acht integrierten Sensoren, die unter anderem den<br />
CO 2 -Gehalt und die Luftfeuchtigkeit messen, für eine<br />
bedarfsgerechte Wohnraumlüftung. Letzteres ist ein<br />
wichtiger Aspekt, denn eine zu hohe Luftaustauschquote<br />
kann im Winter eine sehr niedrige Luftfeuchtigkeit<br />
zur Folge haben, was als unangenehm empfunden<br />
wird und zu Reizungen der Schleimhäute führen<br />
kann.<br />
…und noch ein Tipp<br />
Dieses Altbau-Fenster wirkt<br />
auf den ersten Blick sehr<br />
romantisch, rein energetisch<br />
gesehen ist es jedoch eine<br />
Energieschleuder<br />
Eza!-Berater Steffen Riedel empfiehlt: »Wie jedes<br />
andere technische Gerät sollte auch eine<br />
Lüftungsanlage regelmäßig gewartet werden<br />
– am besten alle ein bis zwei Jahre. Dazu zählen<br />
der Filterwechsel und die Reinigung der<br />
Luftkanäle. Dann«, so der eza!-Experte,<br />
»kann man sich stets an der frischen Luft in<br />
den Räumen erfreuen.« Weitere Infos unter<br />
Telefon 0831/960286-50 oder www.eza.eu<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
61
Klimawandel<br />
Starkregen ließ in Fischen 2006<br />
die Iller über die Ufer treten<br />
Immer mehr Starkregenfälle<br />
Auswirkungen auch im Allgäu spürbar<br />
Weltweit haben extreme Regenfälle in den vergangenen 30 Jahren zu immer neuen Rekorden<br />
geführt. Auch bei uns im Allgäu stellen wir eine deutliche Zunahme solcher Starkregen fest,<br />
die bei uns häufig mit Vb-Wetterlagen und im Zusammenhang mit Schneeschmelze<br />
vorkommen. Die Starkregen sind oft begleitet von heftigen Blitzeinschlägen. Aber auch<br />
vermehrte Hitzeperioden wie dieses Jahr im Juli/August werden uns zunehmend zu schaffen<br />
machen. Wir stellen Ergebnisse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung vor.<br />
Land unter in Tiefenbach-<br />
Wasach, verursacht<br />
durch von der Breitach<br />
Bis 1980 lassen sich Schwankungen in der<br />
Häufigkeit von Starkregen mit natürlichen<br />
Faktoren erklären, für die jüngste Zeit aber<br />
haben Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für<br />
Klima folgenforschung einen klaren Aufwärtstrend bei<br />
solchen zuvor nie dagewesenen Wetter-Ereignissen<br />
ausgemacht. Diese Zunahme passt zum Anstieg der<br />
globalen Mitteltemperatur, die verursacht wird von<br />
Treibhausgasen aus dem Verbrennen von Kohle und<br />
Öl. Sturzbachartige Regenfälle können zu folgenschweren<br />
Überschwemmungen führen.<br />
Schlimme Hochwasser im Allgäu<br />
Seit 1997 haben sich in Deutschland nicht weniger<br />
als drei sogenannte Jahrhundertfluten ereignet, also<br />
innerhalb von nur wenigen Jahren. In allen betroffenen<br />
Regionen hat die Regenmenge, die an einem Tag zu<br />
Boden stürzte, örtliche Rekorde gebrochen, erklärt Jascha<br />
Lehmann vom Potsdam-Institut. Wir erinnern<br />
uns im Allgäu an die Hochwässer von 1999, den Bergsturz<br />
an der Starzlach, bei dem seinerzeit Teile von Tiefenbach<br />
bei Oberstdorf überschwemmt wurden, und<br />
an die Illerhochwasser z.B. 2005, die Sonthofen und das<br />
Seifener Becken fluteten und Kempten an den Rand ei-
Fotos: Volker Wille, Wolfgang Rausch, Viola Elgaß, Markt Oberstdorf, Archiv EDITION <strong>ALLGÄU</strong><br />
Wie hier in Sonthofen<br />
schluckte die Kanalisation<br />
die massiven Regenfälle<br />
2006 nicht mehr<br />
ner Katastrophe brachen. Auch der große Bergrutsch<br />
am Immenstädter Horn 2006 und die Schlammlawine<br />
in Oberstdorf in diesem Jahr, die Schaden in Millionenhöhe<br />
anrichtete, wurden durch starke Regenfälle<br />
verursacht. Jedes dieser Ereignisse hat eine ganze Reihe<br />
von verschiedenen Auslösern, aber insgesamt sehen<br />
wir bei diesen so nie dagewesenen Unwettern einen<br />
klaren Trend: Sie nehmen zu.<br />
Zunahme um zwölf Prozent<br />
Eine statistische Analyse von Regendaten aus den<br />
Jahren 1901 bis 2010, gewonnen aus Tausenden von<br />
Wetterstationen weltweit, zeigt für den Zeitraum seit<br />
1980 einen Anstieg solcher Ereignisse um zwölf<br />
Prozent, verglichen mit einem Szenario ohne Klimawandel.<br />
Weil der Trend nach oben weist, beträgt die<br />
Zunahme von Rekord-Regenfällen im letzten der untersuchten<br />
Jahre sogar 26 Prozent, so Lehmann.<br />
Diese Rekorde brechende Abnormität ist auf den<br />
Kontinenten der Erde unterschiedlich ausgeprägt;<br />
feuchte Regionen wie unser Allgäu erleben eine stärkere<br />
Zunahme, trockene eine weniger starke. In den<br />
Ländern Südost-Asiens wurde eine Zunahme von Rekord-Regenfällen<br />
um volle 56 Prozent verzeichnet, in<br />
Europa um 31 Prozent. Andere Regionen hingegen<br />
beobachten eine Abnahme von Rekord-Regen. Im<br />
Mittelmeer-Raum beträgt diese Abnahme 27 Prozent,<br />
im Westen der USA 21 Prozent. Beide Regionen sind<br />
von Trockenheit bedroht.<br />
Warme Luft – mehr Regen<br />
Eine statistische Analyse kann keine direkte physikalische<br />
Ursache-Wirkung-Beziehung liefern. Deshalb<br />
haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse mit<br />
dem bereits vorhandenen Wissen verglichen, wie viel<br />
mehr an Wasser eine wärmere Atmosphäre speichern<br />
kann; erfasst wird dies mit der Clausius-Clapeyron-<br />
Gleichung. Das Mehr an Feuchtigkeit in der Luft kann<br />
bei kurzfristigen Regenfällen freigesetzt werden. Die<br />
Forscher zeigen, dass die beobachtete Zunahme von<br />
nie dagewesenem Starkregen tatsächlich zu dem passt,<br />
was man durch den Einfluss der globalen Erwärmung<br />
rein thermodynamisch erwarten würde. Hier tut sich<br />
wieder eine Gefahr speziell für unser Allgäu auf: Die<br />
Vb-Wetterlagen<br />
Im Falle einer Vb-Wetterlage (Klassifikation<br />
nach van Bebber, 1891) liegt in höheren<br />
Luftschichten ein sogenannter Tiefdrucktrog<br />
über West- und Mitteleuropa, d.h., die<br />
Höhenströmung verläuft in einer lang -<br />
gestreckten engen Kurve (Mäander) vom<br />
Nordatlantik kommend zunächst südwärts,<br />
um dann über Südeuropa scharf nach<br />
Norden umzubiegen und schließlich über<br />
Mitteleuropa nordwärts auszugreifen. Die<br />
Entstehung und Verlagerung von Hoch- und<br />
Tiefdruckgebieten im Bodenniveau wird von<br />
dem Strömungsverlauf in den höheren<br />
Atmosphärenschichten verursacht und<br />
gesteuert.<br />
Eine ausgeprägte spätsommerliche Vb-Lage<br />
führte zum Elbehochwasser 2002 mit einer<br />
24-stündigen Regensumme von 312 Milli -<br />
metern. Vb-Lagen entwickeln sich bevorzugt<br />
im Frühling und <strong>Herbst</strong>, wenn es zu einem<br />
intensiven Luftmassenaustausch zwischen<br />
den kalten nördlichen und warmen südlichen<br />
Breiten kommt. Sie können prinzipiell jedoch<br />
zu allen Jahreszeiten auftreten und gehören<br />
zu den eher seltenen Wetterlagen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
63
Klimawandel<br />
Feuerwehr errichtet 2005 eine<br />
Sandsacksperre in Sonthofen<br />
Die letzte Umweltkatastrophe<br />
betraf <strong>2015</strong> den Oberstdorfer<br />
Ortsteil Dummelsmoos<br />
Erhöhung der Durchschnittstemperaturen wirkt sich<br />
auf die typische Allgäuer Landwirtschaft aus – auf die<br />
Grünland-Wirtschaft. Nicht nur, dass, wie sich in diesem<br />
Sommer zeigte, das Wachstum des Grases unterbrochen<br />
wurde: Es gibt langfristig auch Auswirkungen<br />
auf die Rinderhaltung.<br />
Probleme für die Rinderhaltung<br />
Ähnlich Menschen atmen und schwitzen Kühe<br />
stärker und nehmen mehr Wasser auf als bei ihrer<br />
Wohlfühltemperatur, die bei etwa 4 bis 15 Grad Celsius<br />
liegt. Der Hitzestress wirkt sich unmittelbar auf<br />
Millionen wurden<br />
in den letzten Jahren<br />
in die Hochwas ser -<br />
freilegung investiert<br />
die Leistung milchgebender Kühe aus, beispielsweise<br />
durch weniger Milchinhaltsstoffe und eine verringerte<br />
Milchabgabe. Bei hohen Temperaturen nehmen Kühe<br />
auch weniger Futter auf, um eine weiteres Aufheizen<br />
ihrer ohnehin gestiegenen Körpertemperatur zu verhindern.<br />
Anerkannte Klimamodelle gehen davon aus,<br />
dass sich die mittlere Temperatur bis zum Jahr 2050
um 1,5 bis 2 Grad Celsius erwärmen und die Häufigkeit<br />
extremer Wetterlagen zunehmen wird. Klar ist:<br />
Tiere leiden genau wie Menschen unter Hitze. Schon<br />
seit einigen Jahren forschen Wissenschaftler am<br />
Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf<br />
(FBN) an den Auswirkungen zunehmender Hitzeperioden<br />
auf den Stoffwechsel und die Fruchtbarkeit<br />
von Milchkühen.<br />
Abhilfe: Treibhausgase reduzieren<br />
Der Trend zu vermehrten Rekord-Regenfällen ist<br />
beunruhigend. Weil dieser Trend mit der vom Menschen<br />
verursachten globalen Erwärmung über -<br />
einstimmt, kann er auch vom Menschen wieder gedreht<br />
werden – nämlich, wenn sie den Ausstoß von Treibhausgasen<br />
aus fossilen Brennstoffen rasch reduzieren.<br />
Selbst kleine Bäche wie der<br />
Fleschermühlbach bei Werden -<br />
stein werden bei Hochwasser<br />
zur Gefahr für Gebäude<br />
Das Machbare und die<br />
Grenzen der Vorsorge<br />
Immenstadts Bürgermeister<br />
Armin Schaupp<br />
Armin Schaupp, Bürgermeister der Stadt<br />
Immenstadt und Fachmann für Wetter- und<br />
Katastrophenschutz, beurteilt die Lage<br />
bei uns im Allgäu:<br />
»Sollten die Klimaforscher Recht behalten, haben<br />
wir uns auf eine höhere Wahrscheinlichkeit von<br />
extremen Niederschlagsereignissen einzustellen<br />
mit den entsprechenden Auswirkungen. Das sind<br />
Erdrutsche, Muren und Überschwemmungen. Wie<br />
kann Vorsorge getroffen werden?<br />
Dies soll aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Einmal<br />
von der Seite einer Kommune und zum anderen von privater Seite her.<br />
Zunächst müssen wir uns im Klaren sein, dass es absolut sichere Standorte<br />
für Gebäude nicht gibt, sondern nur risikoärmere und risikoreichere.<br />
Daher sollten Kommunen die Ergebnisse der Hochwasser- und Bergrutsch-<br />
Gefahrenanalyse in ihrer Bauleitplanung berücksichtigen und bei Ausweisung<br />
neuer Baugebiete die risikoreichen Zonen von Bebauung oder anderer<br />
hochwertiger Nutzung freihalten.<br />
Ein Problem ist, dass in der Vergangenheit darauf aber weniger geachtet wur de<br />
und viele Gebäude in diesen höheren Risikozonen stehen. Darüber hinaus<br />
wurden Siedlungsgebiete in höheren Risikozonen erst möglich gemacht durch<br />
technische Schutzmaßnahmen, die aber ebenfalls nur einen relativen Schutz<br />
schaffen können. Besonders kritisch wird es immer dann, wenn die Überlas t ung<br />
eines technischen Schutzsystems zu dessen Zerstörung führt. Um die sem<br />
Risiko entgegenzuwirken, wurden zum Beispiel die Hochwasser schutz deiche der<br />
Iller im Seifener Becken mit einer Innensperre versehen. Eine Wir kung, die<br />
daraus resultiert, ist, dass die Deiche in einem Überlastungsfall eine wesent lich<br />
längere Standsicherheit aufweisen, weil sie nicht ausgespült werden können.<br />
Ferner ist zu beachten, welche Vorwarnzeiten realistisch sind. Besonders<br />
risikoreich sind Bereiche neben Bergen oder Geländeausschnitten.<br />
Gewitterzellen oder auch Niederschlagsschwerpunkte innerhalb einer Genua-<br />
Tieflage sind detailörtlich nicht prognostizierbar, und hier gibt es im Prinzip<br />
keine Vorwarnzeit. Die öffentliche Hand kann hier kaum Schutz schaffen, da<br />
dies weder technisch noch finanziell zu leisten wäre – das kleinste Rinnsal<br />
entwickelt sich bei diesen Wetterlagen innerhalb kürzester Zeit zu einem<br />
reißenden Sturzbach.<br />
Hier helfen nur kluge, vorausschauende private Vorsorgemaßnahmen. Das<br />
kann bedeuten, dass man beim Bau auf Kellerfenster verzichtet oder Erd -<br />
geschoss-Eingangsbereiche hochzieht, sodass Schlamm und Wasser um das<br />
Haus schadlos herumgeführt werden können. Darüber hinaus kann ich nur<br />
zum Abschluss einer Gebäudeversicherung raten, um ein verbleibendes Rest -<br />
risiko aufzufangen.<br />
Über eines müssen wir uns wirklich bewusst sein: Öffentliche Schutzbauten<br />
werden darauf ausgelegt, dass sie im Schnitt einmal in hundert Jahren<br />
überlastet werden. Dieser statistische Wert wurde aber aus der Rückwärts -<br />
betrachtung ermittelt. Sollten die Prognosen der Klimaforscher eintreffen,<br />
dann wird sich die Eintreff-Wahrscheinlichkeit erheblich erhöhen.«
Natur<br />
Hans Geiger aus Leuten bei<br />
Waltenhofen hat sich auf seltene<br />
Schafarten spezialisiert und<br />
bietet ihnen eine neue Heimat<br />
Schaf ist nicht gleich Schaf<br />
Heimische und fremde Rassen auf dem Geigerhof<br />
Ein Schaf? »Das ist weiß, frisst viel und schaut dumm.« Dass es außer diesen Klischees,<br />
die er selbst humorvoll zitiert, noch viel mehr mit den Fellträgern zu erleben gibt,<br />
zeigt Hans Geiger auf seinem Hof in Leuten bei Waltenhofen. Faszinierend, welcher<br />
Reichtum an Rassen sich über Jahrtausende im Zusammenspiel von Tier und Mensch<br />
entwickelt hat, genau angepasst an bestimmte Umgebungen und Lebensbedingungen.<br />
Wahrlich ein »dickes Fell« haben<br />
die freilaufenden Vierbeiner auf<br />
dem Hof (Foto unten). Weniger<br />
dick ist das Fe derkleid der<br />
gerade ge schlüpf ten Enten<br />
(Foto unten rechts)<br />
In einer Welt, die immer digitaler und abstrakter<br />
wird, suchen Menschen gerne nach den Ursprüngen,<br />
nach den Quellen des Lebens. Besonders Kinder<br />
lassen sich von der »Wirklichkeit« faszinieren.<br />
Lebendige Tiere, insbesondere auch solche, die unser<br />
Allgäu über Jahrhunderte »bevölkert« haben, findet<br />
man auf dem Geigerhof, und beim Hoffest können sie<br />
hautnah erlebt werden. Der Streichelzoo für Kinder<br />
war ein riesiger Erfolg. Sage und schreibe 30 alte<br />
Schaf-Rassen waren zu sehen, darunter 13, die auf der<br />
roten Liste der GEH (Gesellschaft der Erhaltung aussterbender<br />
Haustierrassen) stehen. Vom »Scottish<br />
Blackface« bis zum Jakobsschaf mit seinen vier Hörnern,<br />
vom kleinen Ouessantschaf aus Frankreich bis<br />
zum rumänischen Wallachenschaf. Auch die dazu -<br />
gehörigen Hütehunde waren dabei.<br />
18 Wollsorten gab es zu sehen und anzufassen in<br />
verschiedenen Arbeitsschritten: von roh bis gekämmt,<br />
gesponnen und gefilzt. Beim Fest wurde der Hof von<br />
3000 Besuchern regelrecht überrannt. Uff. Das war, bei<br />
aller Freude über dieses geballte Interesse, ein bisschen<br />
viel für Mensch und vor allem Tier. Drum wird das<br />
erst mal eine einmalige Veranstaltung bleiben.<br />
Dem Hof seiner Familie, auf dem er aufgewachsen<br />
ist, eine ehemalige klassische Kuhhaltung, hat Geiger<br />
ein neues Gesicht gegeben. In Zukunft wird er sich<br />
auf wenige Schaf-Rassen konzentrieren, sagt er. Das ist<br />
als Basis das Bergschaf, lange im Alpenraum heimisch,<br />
Fotos: Markus Noichl
Ein typischer Allgäuer<br />
Bauernhof in der Nähe<br />
von Waltenhofen fand<br />
eine neue Bestimmung<br />
inzwischen aber vom Aussterben bedroht. Sein langes<br />
Fell gibt es in braun, schwarz, weiß und gescheckt. Diese<br />
Vielfalt wurde gezüchtet, um verschiedene Woll -<br />
farben zur Herstellung von Loden zu bekommen.<br />
Ein dickes Fell hat auch das Walliser Schwarznasenschaf.<br />
Diese trittsicheren Tiere, rund um das Matterhorn<br />
verbreitet, haben noch mehr zu bieten: Hier<br />
tragen auch die weiblichen Tiere einen stattlichen<br />
Kopfschmuck. Weit ausladend ragen ihre gedrehten<br />
Hörner wehrhaft zur Seite, während die kräftigen<br />
Schnecken der Widder mehr am Kopf sitzen. Das sei<br />
eine »zufriedene Rasse«, die auch Tiere anderer Herkunft<br />
bei sich dulden, beschreibt sie Geiger.<br />
Faszinierend sei, dass jede Rasse ihren eigenen<br />
Charakter mitbringt. Das »Scottish Blackface« etwa sei<br />
»platzbeherrschend« und dominant bis rabiat. Wenn<br />
andere Rassen ihm nicht ausweichen können, etwa im<br />
Winter im Stall, gebe es Probleme und sogar Verletzungen.<br />
Geiger hat beobachtet, dass manche Rassen als Einzelgänger<br />
unter »Fremden« zurechtkommen, manche<br />
aber nicht und dann »seelisch leiden«. Überfremdung<br />
wird ganz unterschiedlich empfunden. Eine Beobachtung,<br />
die man ja auch bei Menschen machen kann.<br />
Behalten möchte Geiger das quirlige Ouessantschaf.<br />
Ein kleines Kraftpaket. »Das war der geilste Widder,<br />
den ich je erlebt habe«, erzählt er grinsend von diesem<br />
Bock. Spezialisten wie das »Shropshire« knabbern<br />
keine Bäume an. Aus dem neugeborenen Nachwuchs<br />
des persischen Karakulschafs, makaber, werden die<br />
Persianermäntel gefertigt. Fettschwanz-Schafe haben<br />
unter dem Schwanz einen Höcker aus Fett, von dem<br />
sie in kargen Zeiten zehren. Im Orient wird dieser wabbelnde<br />
Fettschwamm als Delikatesse aufgetischt.<br />
Nicht nur Schafe gibt es auf dem Hof, sondern<br />
auch zwei Esel, Lara und Oktavia, und Federvieh, nämlich<br />
bayerische Landgänse, Laufenten und Hühner.<br />
Auch hier haben alte Rassen Vorrang. Eine steirische<br />
Sulmtaler Henne brütet gerade auf 13 Eiern. Die Stadt<br />
Kempten hat für nächstes Weihnachten zur lebenden<br />
Krippe schon Interesse angemeldet. Markus Noichl<br />
Beim Hoffest waren Besucher<br />
herzlich willkommen.<br />
Der An drang war überwältigend<br />
Kontakt<br />
hof.geiger@t-online.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
67
Pioniere/Mächler<br />
Nicht einfach nur Plastik<br />
Vom Segelflugzeug zum Spritzguss<br />
Aus einer 1903 gegründeten Schreinerei, die in den 1950er-Jahren<br />
»nebenher« Segelflugzeuge namens »Geier« baute, entwickelte sich<br />
in Nesselwang-Wank ein hochmodernes Werk für die Verarbeitung<br />
von Kunststoffen. Die Firma Allgaier Kunststoffverarbeitung GmbH<br />
& Co. KG ist ein mittelständisches, von der Inhaberfamilie in dritter<br />
Generation geführtes Unternehmen.<br />
Verschiedene Bauphasen kennzeichnen die<br />
Firmengeschichte der Allgaiers. Mehrfach<br />
wurde erweitert, wurden neue Produktionsstätten<br />
in Wank errichtet. Nach der Fertigung von<br />
technischen Produkten aus Holz begann für Allgaier<br />
1969 das »Kunststoff-Zeitalter« mit der Verarbeitung<br />
von Polyurethan. Die erste Produktionshalle entstand<br />
1976. Nach erstem Einsatz von Spritzguss begann 1980<br />
der Sandwichspritzguss. 1993 und 1998 erfolgten Erweiterungsbauten,<br />
u.a. entstand das Verwaltungsgebäude.<br />
Und heute drehen sich wieder die Baukräne<br />
über dem Ortsteil an der B309.<br />
68<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Archiv Fa. Allgäier<br />
Hochmotivierte Mitarbeiter<br />
Die namhaften Kunden kommen aus dem Bereich<br />
Haushaltsgeräte, aus dem Reha- und Medizinbereich,<br />
dem Sport und der Fahrzeugausstattung. In<br />
Nesselwang wird zudem für die Sparten Bürozubehör<br />
und den Maschinenbau produziert. Rund 90 top<br />
qualifizierte und hochmotivierte Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter garantieren durch ihr Engagement<br />
und ihr technisches Know-how die hohe Qualität der<br />
von Allgaier hergestellten Produkte.<br />
Von der ersten Idee des Kunden unterstützt<br />
Allgaier die Entwicklung Schritt für Schritt bis zu<br />
Fertigung, Montage und Versand des Produktes. Unter<br />
Einsatz modernster Methoden sowie der CAD/<br />
CAM- und Simulationstechniken können nicht nur<br />
die entsprechenden Werkzeuge entwickelt werden.<br />
Vorbeugend wird vorab nach eventuellen Problemstellen<br />
geforscht, um spätere kostenintensive Änderungen<br />
zu verhindern. Um das Optimum eines Produktes<br />
zu erreichen, wird bei Allgaier nicht nur das<br />
bestgeeignete, kostengünstigste Material vorgeschlagen,<br />
es muss auch nach Gesichtspunkten hinsichtlich<br />
der Optik, Haptik und der Mechanik vorausgedacht<br />
werden.<br />
Kernkompetenz Spritzguss<br />
Allgaier tätigt große Investitionen, um den Werkzeugbau<br />
auf dem aktuellsten Stand zu halten. Was immer<br />
ein Kunde für die Herstellung seines Produktes<br />
benötigt, wird bei Allgaier entwickelt und konstruiert.<br />
Damit behält das Unternehmen die Kontrolle von der<br />
Entwicklung bis zum fertigen Produkt in eigener<br />
Hand, und es wird die gleichbleibende Qualität eines<br />
Formteils auch über lange Produktionszyklen garantiert.<br />
Die zentrale Aufgabe von Allgaier ist primär die<br />
Herstellung von technischen Kunststoffen in kleinen<br />
bis großen Serien. Automatisierte Prozessabläufe erfüllen<br />
höchste Ansprüche an die Qualität. Eine zentrale<br />
Materialtrocknungs- und Förderungsanlage,<br />
hochmoderne Spritzgießmaschinen mit automatisierten<br />
Handling-Systemen zählen zu den Stärken der<br />
Fertigung. Dank des gut ausgerüsteten Maschinenparks<br />
ist es für das Unternehmen möglich, die passende<br />
Lösung auch für spezielle Wünsche zu realisieren.<br />
Qualität bedeutet für Allgaier, dass die Kunden zurückkommen<br />
und nicht die Ware.<br />
Kurzinfo<br />
Allgaier Kunststoff verar beit ung GmbH & Co. KG<br />
Wank 2, 87484 Nesselwang<br />
Gesellschafter: Max Allgaier, Bernhard Allgaier,<br />
Christoph Allgaier, Thomas Allgaier<br />
Verantwortung für die Zukunft<br />
Mit der Einführung des Energiemanagement -<br />
systems wollen wir den Umgang mit Energie<br />
optimieren und die Energieeffizienz unserer<br />
Unternehmensprozesse verbessern. Gegen -<br />
über Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und<br />
der Gesellschaft bekennen wir uns zu unserer<br />
Verantwortung im Umwelt- und Klimaschutz.<br />
Die Flugzeug-Schreinerei Allgaier<br />
in Nesselwang-Wank hat sich<br />
heute zu einem modernen<br />
Kunststoff-Formenhersteller<br />
weiterentwickelt<br />
Kontinuierliche Verbesserung des spezi -<br />
fischen Energieverbrauchs, die Verpflichtung,<br />
den Verbrauch von Energieressourcen so<br />
gering wie möglich zu halten und mit den<br />
Ressourcen so effizient wie möglich<br />
umzugehen, definiert unsere gemeinsame<br />
Grundphilosophie. Aus diesem Grund sehen<br />
wir die Einführung des Energiemanagements<br />
als eine Investition für die Zukunft.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
69
Pioniere/Mächler<br />
Geier mit nassen Flügeln<br />
Die »Wiederansiedlung« ist geglückt<br />
Im Mai trafen sich stolze Geier-Besitzer in Durach. Sie kamen jedoch nicht<br />
mit jenen lebendigen Geiern, die man am nackten Hals erkennt, sondern<br />
mit Oldtimer-Segelflugzeugen. Die Allgäuer »Geier« wurden in den 1950er-<br />
Jahren in Nesselwang von der Firma Allgaier gebaut. Den Ursprüngen<br />
des Vogels ist unser Mitarbeiter Thomas Niehörster nachgegangen.<br />
Oben: historische Aufnahme<br />
eines Geier-Segelflugzeugs bei<br />
der Erprobung in den 1950er-<br />
Jahren auf dem Flugplatz<br />
in Memmingen<br />
Josef Allgaier, ein Schreinergeselle und Mächlar<br />
aus Nesselwang-Wank im Allgäu, konstruierte<br />
Anfang 1950 ein Segelflugzeug. Obschon<br />
durch die Alliierten das Fliegen noch verboten war,<br />
beschloss Allgaier, ein streckentaugliches Flugzeug zu<br />
bauen. Die Rumpflänge sollte acht Meter, die Flügelspannweite<br />
rund 18 Meter betragen – ungewöhnlich<br />
große Maße für die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg. Die Kenntnisse vom Segelflugzeugbau<br />
hatte Allgaier als Zulieferer und bei der Teilfertigung<br />
des Segelflugzeuges »Grunau-Baby« erlangt, das heute<br />
noch bei vielen Oldtimerveranstaltungen anzutreffen<br />
und eines der weltweit am häufigsten gebauten Segelflugzeuge<br />
ist. Wenn auch selten, gibt es noch fünf flugtaugliche<br />
Geier, die sich in diesem Jahr in der alten<br />
Heimat versammelt haben.<br />
Geier sind anmutige Flieger<br />
Die heutigen Besitzer eines Geier-Segelflugzeugs<br />
sind begeistert von den angenehmen Flugeigenschaften,<br />
der herausragend guten Sicht und dem bequemen<br />
Cockpit. Zur damaligen Zeit war das nicht selbstverständlich<br />
für ein Holzflugzeug. Der Erstflug mit dem<br />
ehemaligen Jagdflieger und Testpiloten Alois Obermeier<br />
im Cockpit fand im Februar 1955 auf dem Flugplatz<br />
in Memmingen statt. Er lobte das leicht zu fliegende<br />
Hochleistungsflugzeug, das auf Wettbewerben<br />
keine Konkurrenz zu fürchten brauchte. Leider war<br />
die Vermarktung des Geiers ein großes Problem. Allgaier<br />
war es nicht gelungen, für die Segelflug-Weltmeis -<br />
terschaft 1958 einen Top-Piloten der Segelfliegerei als<br />
Werbeträger zu gewinnen, da sie alle schon unter Vertrag<br />
standen.<br />
Ein preiswerter Bausatz<br />
Josef Allgaier musste sich in der Folge auf den<br />
Bau weniger Exemplare beschränken und fertigte Bausätze<br />
seines Flugzeuges. In diese Bausatzproduktion<br />
war auch die Westallgäuer Luftsportgruppe in Lindenberg<br />
einbezogen. Einen dieser Gesamt-Bausätze erwarb<br />
auch die Luftsportgruppe Kempten für seinerzeit<br />
5000 DM. Die 8500 DM für einen flugfertigen Geier<br />
waren dem Verein zu viel. Heinz Thalhammer hatte<br />
die Leitung des Zusammenbaus im Verein übernommen,<br />
und so konnten nach kurzer Bauzeit die Vereinspiloten<br />
Englisch, Lausmann und Rauh das Segelflug-<br />
70 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Beim ersten Treffen der historischen Geier-Segler auf dem Flugplatz in Durach:<br />
ein Geier im Flugzeugschlepp (Foto oben) und drei gut erhaltene, flugfähige Geier<br />
der 1950er-Jahre aus der Produktion des Nesselwanger Allgaier-Werkes<br />
Fotos: Thomas Niehörster, Archiv Fa. Allgaier, LSG Kempten-Durach<br />
zeug zu vielen Wettbewerben mitnehmen. Diese Piloten<br />
begründeten damit die erfolgreiche sportliche Vergangenheit<br />
der Luftsportgruppe Kempten, die sich seit<br />
zwei Jahren Luftsportgruppe Kempten-Durach nennt.<br />
Entdeckung in Südengland<br />
Fast 55 Jahre später, im Jahr 2009, entdeckte der<br />
heutige Vorsitzende der Luftsportgruppe, Erwin Seibold,<br />
zusammen mit seinem Enkel David auf einer<br />
Reise in Südengland genau jenen Geier, der von der<br />
Luftsportgruppe gebaut wurde. Mit Unterstützung der<br />
Familie Allgaier kam das Flugzeug noch im selben<br />
Jahr wieder in sein altes Nest zurück. Gerührt konnten<br />
sich Josef Allgaier, seine Frau Sina und viele alte Vereinsmitglieder<br />
über das heimkehrende Flugzeug freuen.<br />
Der Vorbesitzer, der Engländer Rick Fretwell, hatte<br />
den Segler nie geflogen, weil er mit seinen zwei Metern<br />
Körperlänge zu groß für das Cockpit war…<br />
Der wirtschaftliche Druck des Segelflugzeugbaus<br />
lastete in den 1950er-Jahren zu groß auf der Familie<br />
Allgaier, sodass sie die Fertigung aufgeben musste. Insgesamt<br />
wurden vom Geier 1 und dem Nachfolger<br />
Geier 2 insgesamt rund 20 Stück gefertigt, die meisten<br />
jedoch von einer Firma, die von Allgaier die Lizenz<br />
dazu erhalten hatte.<br />
Ein Geier als Denkmal<br />
Dr. Claudia Gallikowski, promovierte Biologin<br />
im hessischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft<br />
und Forsten, ist begeisterte Besitzerin und Pilotin<br />
eines der alten Geier-Segelflugzeuge. Sie kam auf<br />
die Idee, alle noch fünf existierenden Geier-Segelflugzeuge<br />
zum 1. Mai <strong>2015</strong> nach Kempten-Durach kommen<br />
zu lassen. Gastgeber wurde die dortige Luftsportgruppe.<br />
An diesem 1. Mai konnten nicht nur die<br />
Geier- Segelflugzeuge besichtigt werden. Auch der riesige<br />
Kranich und der kleine Spatz, beides Segelflug-<br />
Oldtimer, sind hier dauerhaft ausgestellt. Die LSG ist<br />
bemüht, den Geier beim Bayerischen Denkmalschutzamt<br />
als »bewegliches Kulturgut« anerkennen zu lassen,<br />
was ihm den Status eines Denkmals gewähren würde.<br />
Leider machte dauerhafter Starkregen im Mai einen<br />
Strich durch die Rechnung für die angesagten Stre -<br />
ckenflüge und Kunstflugvorführungen. Wenigstens<br />
konnte Dr. Claudia Gallikowski ihren Vortrag über die<br />
gefiederten einheimischen Geier halten.<br />
Gast beim ersten Geier-Treffen<br />
in Durach war Bernhard<br />
All gaier, der Sohn des Geier-<br />
Erbauers Josef A. Allgaier<br />
(Foto ganz oben)<br />
Darunter Dr. Claudia Gallikowski<br />
mit ihrem Geier. Sie hatte die<br />
Idee, alle noch existierenden<br />
Geier nach Durach einzuladen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
71
Mächler-Story<br />
Glockengeläut und Särge<br />
Trotz guter Ideen gescheitert<br />
Das Allgäu war auch schon in früheren Zeiten Mächler- und Pionierland.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> blättert immer wieder in Gemeindearchiven auf der Suche<br />
nach Persönlichkeiten und Produkten, die damals Aufsehen erregt haben. In Hegge<br />
fand der Ortschronist Manfred Böck Aufzeichnungen den Fall des Erfinders und<br />
Elektrotechnikers Fritz Höltl (1876 – 1938).<br />
Rechts: Fritz Höltl mit Frau und<br />
Tochter Frieda.<br />
Unten: der Begräbniswagen<br />
von Fritz Höltl beim Test<br />
Fotos: Gemeindearchiv Hegge<br />
In die Schlagzeilen geraten war Fritz Höltl mit einer<br />
Erfindung, die gleichzeitig das Ende seiner Laufbahn<br />
als Geschäftsmann bedeutete: Bei der Premiere<br />
seines Begräbniswagens mit Sargversenkung<br />
ging alles schief, was schiefgehen konnte. Auf dem<br />
evangelischen Friedhof unter der Burghalde in Kempten<br />
sollte der angesehene Kraftwerksbesitzer Adolf<br />
Böhm im Beisein von viel Prominenz beerdigt werden.<br />
Die Erfindung von Fritz Höltl war ein Begräbniswagen,<br />
der mit dem Sarg über das offene Grab gefahren<br />
wurde und dann an Gurten langsam abgesenkt<br />
werden konnte. Nun befand sich die Grabstätte aber<br />
direkt an der Friedhofsmauer. Der Wagen wurde über<br />
die Grube gefahren, beim Absenken musste Höltl<br />
einem Mauervorsprung ausweichen, der Sarg kam aus<br />
dem Gleichgewicht und polterte samt Inhalt kopfüber<br />
nach unten. Nach diesem Eklat war der Begräbniswagen<br />
nicht mehr zu vermarkten und der Erfinder blamiert<br />
und am Ende.<br />
Dabei hatte Fritz Höltl seine Karriere als Erfinder<br />
und Geschäftsmann in Hegge so hoffnungsvoll begonnen.<br />
Er setzte auf die damals noch junge Elektrifizierung<br />
und entdeckte eine Marktlücke, die er erfolgreich<br />
ausfüllte: Er konstruierte eine elektrische Kirchen -<br />
glocken-Läutemaschine mit automatischem Klöppelfänger.<br />
Für diese Erfindung bekam er Gebrauchsmusterschutz<br />
und das Deutsche Reichspatent. 1912 eröffnete<br />
Fritz Höltl ein Geschäft in Hegge. Bereits 1915 baute<br />
er an der Fischener Straße in Hegge ein imposantes<br />
Gebäude, in dem er die Läutwerke baute. Die Geschäfte<br />
gingen gut. 1918 und 1923 wurden die Fabrikationsgebäude<br />
erweitert und neue Maschinen angeschafft.<br />
1926 beschäftigte Höltl schon 20 Arbeiter, einen<br />
Ingenieur, einen Buchhalter und eine Sekretärin. Er<br />
selbst reiste viel, um Kirchenämter von seiner Erfindung<br />
zu überzeugen und seine Läutwerke in den Kirchen<br />
einzubauen. In den Akten in Hegge befinden<br />
sich Aufzeichnungen über Läutwerke in der Basilika<br />
St. Matthias in Trier, in den Stadtpfarrkirchen in Wangen,<br />
Calw, Partenkirchen, Saaburg, Esslingen, Oberlenningen,<br />
St. Rupertus in München und St. Ludwig<br />
in Ludwigshafen. Es gab aber wohl noch viele Kirchengemeinden<br />
mehr, die auf der Kundenliste des<br />
Werkes in Hegge standen.<br />
1929 ereignete sich der Börsenkrach in New<br />
York, und die Weltwirtschaftskrise begann. Für den<br />
Unternehmer aus Hegge hatte das zur Folge, dass immer<br />
weniger Kirchengemeinden Geld für die Umrüstung<br />
auf die Höltlschen Läutwerke hatten. Es gab sogar<br />
Kunden, die ihr Läutwerk nicht mehr bezahlen
Ein Werbefoto für die elektrische<br />
Kirchenglocken-Läutemaschine<br />
mit automatischem Klöppel -<br />
fänger, konstruiert von Fritz Höltl<br />
konnten. Zeitgleich traten mehrere Konkurrenten auf.<br />
Ihre Konstruktionen waren nicht so aufwendig gebaut<br />
wie die aus Hegge und deshalb deutlich billiger. Fritz<br />
Höltl erkannte das schnell und machte sich an die<br />
Konstruktion einfacherer Läutwerke. In dieser Zeit<br />
aber konnte er keine Geschäfte machen. Die Schulden<br />
häuften sich, eine Lösung musste her.<br />
Zusammen mit seinen Schwiegersöhnen aus<br />
Werdenstein und Niedersonthofen und mit dem<br />
Glockengießermeister Andreas Hirt aus Hegge gründete<br />
er 1930 das Bavaria-Werk. Die neuen Läutwerke<br />
sollten dort gebaut werden und eben auch der anfangs<br />
beschriebene Begräbniswagen mit Sargversenkung.<br />
Der neue Partner Hirt hatte zuvor die Glockengießerei<br />
am Ostbahnhof in Kempten geleitet.<br />
Allerdings stand der Start des Bavaria-Werkes unter<br />
keinem guten Stern. Fünf Arbeiter und der eigene<br />
Ingenieur beantragen bereits am 12. Oktober 1931 den<br />
Konkurs der Bavaria-Werke. In den Konkursakten ist<br />
zu lesen: Die Kirchen verzeichneten aufgrund der Wirtschaftskrise<br />
schlechte Steuereingänge und konnten keine<br />
Läutwerke mehr kaufen. Dazu kamen noch verschiedene<br />
Unstimmigkeiten durch unbrauchbare Motorenlieferungen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt standen fünf Läutwerke<br />
im Wert von rund 10.000 Reichsmark fast auslieferungsreif<br />
in den Fabrikationsräumen. Aufgrund des<br />
Konkurses konnten sie nicht mehr montiert werden. Sie<br />
wurden später wohl verschrottet.<br />
Fritz Höltl und seine beiden Partner wurden sogar<br />
wegen Betruges angezeigt, allerdings 1933 vom<br />
Landgericht in Kempten freigesprochen. Der vierte im<br />
Bunde, Andreas Hirt, versuchte noch, die Firma weiterzuführen<br />
– gab aber bald auf. Auch er verschuldete<br />
sich erheblich.<br />
Fritz Höltl hatte zwar die Zeichen der Zeit richtig<br />
erkannt, scheiterte aber trotzdem. In den Akten der<br />
Staatsanwaltschaft findet sich eine Aufzählung der<br />
Gründe: Der Bau von Glockenläutmaschinen benötigt<br />
fortwährend Neukonstruktionen und Abänderungen,<br />
sogenannte Einführungsanlagen zu geringen Preisen,<br />
laut Garantie kostenlos vorzunehmende Reparaturen<br />
Rohbau des repräsentativen<br />
Geschäftsgebäudes in Hegge<br />
Das Gebäude nach der Fertig -<br />
stellung. Dahinter die erste<br />
Werkstatt.<br />
Unten: ein Foto der Belegschaft<br />
aus dem Jahre 1926<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
73
Mächler-Story<br />
Werbeauftritte für das Läut -<br />
werk: rechts eine Zeitungs an -<br />
zeige mit Hinweis »früher und<br />
heute«. Unten der Messestand<br />
mit Fritz Höltl und Tochter<br />
Frieda<br />
und Behebung von Betriebsstörungen bei den nach<br />
allen Teilen Deutschlands gelieferten Anlagen sowie<br />
hohe Werbungs- und Reisekosten. Teuer war die Beschickung<br />
von Ausstellungen und Messen, dazu kamen<br />
die Einstellung unbrauchbarer Arbeitskräfte, Veruntreuung<br />
durch diese, unbelehrbare Vertrauensseligkeit<br />
allen Fremden gegenüber, Erfindungen und Fabrikation<br />
von Begräbniswagen mit Sargversenkung, die dann<br />
nichts einbrachten, und anderes mehr. So verbrauchte<br />
Höltl nicht nur das eigene, nicht geringe Vermögen,<br />
sondern sah sich gezwungen immer wieder fremde<br />
Gelder zu beanspruchen. In seinem unverrückbar feststehenden<br />
Optimismus hinsichtlich des nun kommenden<br />
großen Geschäftes und Gewinnes glaubte er, dies<br />
unbedenklich tun zu können.<br />
Der Enkel von Fritz Höltl beschrieb später seinen<br />
Großvater so: »Er war ständig mit neuen Erfindungen<br />
und Tüfteleien an neuen Geräten beschäftigt. Für die<br />
Geschäftsführung hatte er zu wenig Zeit. Viele seiner<br />
Erfindungen waren nicht zu vermarkten, weil sie teils<br />
nicht ausgefeilt und teils nicht abzusetzen waren.« Für<br />
den Begräbniswagen hatte Höltl beispielsweise bereits<br />
ein Patent beantragt, bevor die Generalprobe so grandios<br />
schiefging, wie eingangs beschrieben.<br />
Seine letzten Jahre verbrachte Fritz Höltl in<br />
Friedrichshafen und München, wo er 1938 auch verstarb.