Orgelnacht 2016 Programmheft druckfertig
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Innerhalb von nur 10 Tagen komponierte Max Reger<br />
(1873 – 1916) im September des Jahres 1900 seine drei<br />
Choralphantasien op. 52. Im Einzelnen liegen diesen<br />
folgende Choräle zugrunde: „Alle Menschen müssen sterben“<br />
(op. 52/1), „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (op. 52/2),<br />
sowie „Halleluja! Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud“ (op.<br />
52/3). Anlässlich seines Todestages, der sich soeben am<br />
11. Mai zum 100. Mal jährte, sollen zwei seiner Choralphantasien,<br />
die zum Schwierigsten der gesamten Orgelliteratur<br />
gehören (namentlich die teilweise kaum mehr<br />
spielbare Halleluja-Fuge), erstmals in der gesamten Region<br />
an einem einzigen Abend gespielt, den Abschluss der<br />
diesjährigen Schongauer <strong>Orgelnacht</strong> im Max-Reger-Jahr<br />
<strong>2016</strong> bilden.<br />
Seit jeher diente der Choral „Wachet auf, ruft uns die<br />
Stimme“ von Philipp Nicolai (1556 – 1608) zahlreichen<br />
Komponisten in etlichen Epochen der gesamten Musikgeschichte<br />
als thematische Grundlage für die verschiedenartigsten<br />
Tonschöpfungen. Die zweifelsfrei großartigste<br />
Vertonung davon gelang Max Reger in seiner<br />
Phantasie und Fuge über „Wachet auf, ruft uns die<br />
Stimme“ op. 52/2, in denen er den Text aller drei Choralstrophen<br />
auf einzigartige Weise tonmalerisch ausdeutet.<br />
Sowohl wegen der Popularität des zugrunde liegenden<br />
Chorals, vor allem aber wegen des unvergleichlichen<br />
tonmalerischen Gehaltes haben sie sich als Repertoirestück<br />
erster Ordnung durchgesetzt und gelten heute als<br />
Regers bedeutendstes Orgelwerk, zählen aber zugleich<br />
zum kompositorisch wie spieltechnisch Anspruchsvollsten<br />
überhaupt.<br />
Der Anfang stellt die Zuhörer auf eine harte Geduldsprobe<br />
– Reger quält sie regelrecht, indem er den bekannten<br />
Choral lange, lange zurückhält. Minutenlang wabern düstere<br />
Harmonien durch den Raum, ohne dabei rhythmische<br />
oder formale Strukturen erkennen zu lassen – das<br />
Warten der Menschheit auf die Ankunft des Erlösers.<br />
Zweimal sausen Blitze hernieder, doch immer wieder<br />
kehrt die Düsternis zurück. Wenn man die Hoffnung<br />
schon fast aufgegeben hat, erhebt sich „nur äußerst zart<br />
hervortretend“ ein sanfter Engelsruf mit dem Beginn des<br />
Chorals und dessen erster Strophe: „Wachet auf, ruft uns<br />
die Stimme“. Erst die zweite Strophe („Zion hört die<br />
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