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Leseprobe Riba, die Weltretterin

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<strong>Riba</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>Weltretterin</strong><br />

Für Mone<br />

Wenn Liebe eine Leiter wäre,<br />

und Erinnerungen <strong>die</strong> Stufen,<br />

würden wir hinaufsteigen,<br />

um Dich zu uns zurückzuholen.


© 2016 Federleichtverlag Andreas Kugler, Wendlingen<br />

Text und Illustrationen:<br />

Silke Kugler<br />

Satz und Layout: SoliDeSign, Simone Rudolf, Meßkirch<br />

Druck und Bindung:<br />

Frick Kreativbüro & Onlinedruckerei e.K., Krumbach<br />

Hergestellt in Deutschland • Alle Rechte vorbehalten<br />

www.federleichtverlag.de<br />

ISBN 978-3-9817763-3-1


Die Autorin<br />

Silke Kugler, Jahrgang 1977, lebt mit<br />

ihrer Familie in der Nähe von Stuttgart.<br />

Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte<br />

sie während einer persönlichen Krankheitsphase.<br />

Da sie zusammen mit<br />

ihren Kindern viel Zeit hinter Kinderbüchern<br />

verbringt und es liebt, in andere Welten einzutauchen,<br />

erfüllt sie sich mit der Veröffentlichung ihrer<br />

Kinderbücher ihren großen Traum. Ihre künstlerischen<br />

Fähigkeiten entwickelte sie bereits im Kindesalter.<br />

<strong>Riba</strong>s Apfel Seite 4<br />

<strong>Riba</strong>s Federregen und<br />

<strong>Riba</strong>s Sternenzauber Seite 31<br />

<strong>Riba</strong>s Garten Seite 61<br />

<strong>Riba</strong>s Gartenfest Seite 106<br />

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<strong>Riba</strong>s Wangen sind rosig, apfelfarben rosig. Das sind sie<br />

immer, wenn <strong>Riba</strong> glücklich ist. Und <strong>Riba</strong> ist glücklich,<br />

wenn sie in ihrem Apfelbaum sitzt. Eigentlich ist es nicht<br />

ihr Apfelbaum. Aber so erzählt sie es den vorbeilaufenden<br />

Menschen. Ob sie es hören wollen oder nicht. Ob<br />

sie schnellen Schrittes vorbeihasten, ohne einen Blick auf<br />

<strong>Riba</strong> im Apfelbaum zu werfen oder ob sie stehen bleiben,<br />

um zu schauen, wem <strong>die</strong> baumelnden Beine zwischen<br />

den Ästen gehören. „Das ist mein Apfelbaum“, sagt sie<br />

jedes Mal voller Stolz und streichelt liebevoll über <strong>die</strong><br />

Blätter, im Winter über <strong>die</strong> kahlen Zweige. Denn auch<br />

bei Eiseskälte sucht <strong>Riba</strong> ihren Lieblingsplatz auf.<br />

Jo montierte ihr letzten Herbst ein Sitzbrett, damit<br />

es bequemer ist. Das ist <strong>Riba</strong> allerdings gar nicht so<br />

wichtig. Trotzdem freute sie sich, dass Jo einmal etwas<br />

für sie tat. Für seine kleine Schwester, <strong>die</strong> er sonst<br />

immer nur belächelt.<br />

„Jetzt sitzt <strong>die</strong> schon wieder im Apfelbaum“, kommentiert<br />

er <strong>Riba</strong>s baumelnde Beine. „Was macht <strong>die</strong> da bloß?<br />

Das ist doch stinkelangweilig.“ Flink lässt er sein Jo-Jo<br />

hoch und runter sausen. Dann flitzt er auf seinem Skateboard<br />

um <strong>die</strong> Ecke des Hochhauses. Wenn Mama jedoch<br />

Apfelpfannkuchen backt, ist Jo der erste, der am Tisch<br />

sitzt und hastig einen nach dem anderen verschlingt.<br />

4


„Iss nicht so schnell!“, schimpft Mama jedes Mal. In<br />

Zeitlupe schiebt sie Opa Otto eine Gabel voll Apfelpfannkuchen<br />

in den Mund. Manchmal füttert auch <strong>Riba</strong><br />

ihn, ihren Opotto, wie sie ihn liebevoll nennt. Sie macht<br />

das gerne im Gegensatz zu Jo, der das Gesabbere nicht<br />

mag. Vor allem, wenn es Apfelpfannkuchen gibt.<br />

Denn dann sabbert Opotto noch mehr als sonst. Sie<br />

sind sein Lieblingsessen und rufen Erinnerungen in<br />

ihm wach. Tief vergrabene an eine glückliche Zeit.<br />

Wie lange ist sie her? <strong>Riba</strong> weiß es nicht so genau.<br />

Aber sie weiß, dass Opotto einen Schlaganfall hatte.<br />

Ihr läuft ein Schauer über den Rücken, wenn sie an<br />

jene Nacht denkt, in der das Blaulicht sie weckte.<br />

Plötzlich war es im ganzen Zimmer, weil <strong>Riba</strong> nie <strong>die</strong><br />

Rollläden herunterlässt. Sie möchte <strong>die</strong> Schatten der<br />

Nacht sehen. Das Mondlicht, das auf ihren Apfelbaum<br />

scheint. Die Sirene brannte sich in ihr Herz ein. Barfuß<br />

lief sie aus dem Haus. Opotto wurde gerade auf einer<br />

Trage in den Krankenwagen geschoben. <strong>Riba</strong> konnte<br />

noch <strong>die</strong> Sauerstoffmaske auf seinem Gesicht erkennen.<br />

Sie warf ihm einen Blick zu. Er warf ihr einen<br />

Blick zurück. Hauchdünn hob er seine Hand und zeigte<br />

in Richtung Apfelbaum. <strong>Riba</strong> verstand ihn wortlos.<br />

„Ja, Opotto“, flüsterte sie. „Ich werde mich um den<br />

Apfelbaum kümmern.“<br />

Ihre Füße trugen sie nicht zu Opotto, obwohl sie ihnen<br />

den Befehl dazu gab. Zu gerne hätte sie seine Apfelwangen<br />

gestreichelt.<br />

5


Mama trug sie zurück in ihr Bett, weil <strong>Riba</strong> sonst <strong>die</strong><br />

ganze Nacht vor der Tür gestanden oder sogar auf<br />

den Apfelbaum geklettert wäre.<br />

Am Morgen erzählte Mama, dass Opotto einen Schlaganfall<br />

erlitten hatte. Tränen tropften in den Topf, in<br />

dem sie gerade Apfelmus kochte. „Er wird nicht mehr<br />

der Alte sein“, sagte Mama mit zitternder Stimme. „Er<br />

wird nicht mehr spazierengehen können.“<br />

Sie rührte weiter in dem Tränenbrei. „Und er wird<br />

nicht mehr sprechen können.“ Das Mus wurde viel zu<br />

flüssig durch <strong>die</strong> vielen Tränen, aber <strong>Riba</strong> aß es trotzdem.<br />

Jo ließ es wortlos stehen und schwang sich auf<br />

sein Skateboard.<br />

Von <strong>die</strong>sem Tag an verbringt <strong>Riba</strong> jede freie Minute auf<br />

dem Apfelbaum, den es schon so lange gibt. Vor vielen<br />

Jahren steckte Opotto einen Apfelkern in den Boden.<br />

Dieser stammte aus dem ersten Apfel, den er nach<br />

Kriegsende in <strong>die</strong> Hand bekam.<br />

Es war das Köstlichste, das er je gegessen hatte und<br />

er wollte mit dem Samen ein Zeichen für eine neue<br />

Zeit setzen.<br />

6


Liebevoll pflegte er den Keimling. Im Sommer schleppte<br />

er Gießkannen voller Wasser an. Im Winter hätte<br />

er ihn am liebsten mit einer Decke gewärmt.<br />

Opottos Apfelbaum ge<strong>die</strong>h prächtig. Bald überragte<br />

er den kleinen Otto. Nie vergaß er den ersten Apfel<br />

von seinem Baum.<br />

Er pflanzte noch viele weitere Kerne ein. Allerdings<br />

nicht in dem kleinen Garten vor dem Haus, sondern<br />

auf einer weit entfernten Wiese, wo nun mindestens<br />

ein Dutzend Apfelbäume stehen.<br />

Jetzt kann sich Opotto nicht mehr um seinen Baum<br />

kümmern. Ja, er kann noch nicht einmal unter ihm sitzen,<br />

weil er das Haus nicht verlassen kann. Deshalb<br />

fährt <strong>Riba</strong> sein Pflegebett immer an das Wohnzimmerfenster.<br />

Von dort aus kann er seinen Apfelbaum<br />

sehen und <strong>die</strong> baumelnden Beine, <strong>die</strong> fröhlich hin und<br />

her schaukeln. Dann schiebt <strong>Riba</strong> ihren Kopf aus dem<br />

Blätterdach und schickt Opotto einen Gruß. Einen<br />

kugelrunden Apfelgruß mit süßem Duft und Bienensummen.<br />

Wenn sie sieht, dass Opotto ihren Gruß mit<br />

einem Kopfnicken oder einem Augenblinzeln erwidert,<br />

schaukeln ihre Beine noch glücklicher.<br />

Doch <strong>Riba</strong>s Wangen bleiben nur apfelrosig, wenn sie<br />

ihren Blick nicht über den Garten hinaus schweifen<br />

lässt. Sie stellt sich immer vor, dass ihr Apfelbaum<br />

in einem kleinen geschützten Kästchen steht.<br />

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8


Doch immer gelingt ihr das nicht. Die Einflüsse der<br />

Außenwelt sind zu groß. Sie stinken, sind laut und<br />

schmutzig. Dann vergießt <strong>Riba</strong> Tränen, <strong>die</strong> auf den<br />

Äpfeln landen wie Mamas Tränen im Apfelmus.<br />

Wer hat es erlaubt, so hohe Häuser zu bauen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> kitzelnden und lustigen Strahlen der Sonne aufhalten?<br />

Wer hat es den Lastwagen erlaubt, im Sekundentakt<br />

an <strong>Riba</strong>s Apfelbaum vorbeizurauschen und ihre stinkenden<br />

Abgase in <strong>die</strong> Luft zu blasen?<br />

<strong>Riba</strong> weiß nicht, gegen wen sie ihr Wut richten soll. Sie<br />

weiß nur, dass <strong>die</strong> Wut immer größer wird und sich<br />

durchfrisst wie ein Wurm durch einen Apfel.<br />

Manchmal war sie schon versucht, sich mit ausgebreiteten<br />

Armen auf <strong>die</strong> Straße zu stellen, um <strong>die</strong> Transporter<br />

zu stoppen. „Hört auf damit!“, möchte sie den<br />

Fahrern ins Gesicht schreien.<br />

„Seht ihr denn nicht, dass es meinem Apfelbaum immer<br />

schlechter geht?“ Aber sie weiß, dass Mamas Apfelmus<br />

dann noch flüssiger würde. Mama vergießt sowieso<br />

schon zu viele Tränen seit Opottos Schlaganfall.<br />

Ihre Wangen sind seitdem nie mehr apfelrosig. Obwohl<br />

apfelrosige Wangen doch das Glücklichsein-Zeichen<br />

in <strong>Riba</strong>s Familie sind.<br />

Am ausgeprägtesten war <strong>Riba</strong>s Wut an dem Tag, an<br />

dem sie doch einmal wieder einen Blick außerhalb des<br />

Kästchens warf.<br />

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