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LoRum

Das Magazin für Lorch und Umgebung mit vielen interessanten Themen und lesenswerten Geschichten

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LoRch 24<br />

LORCHER Chorbuch<br />

zurück in der Heimat<br />

Acht Mönche und 750 Kälber – das war der Stoff, aus dem<br />

damals die Lorcher Chorbücher gemacht wurden. Sechs<br />

Schreiber und zwei Illuministen arbeiteten zwei Jahre lang an<br />

den Prachtwerken – das bedeutete Buchherstellung im 16.<br />

Jahrhundert. Insgesamt fünf Chorbücher wurden in dieser Zeit<br />

angefertigt. Drei davon sind heute noch erhalten, zwei Antiphonarien,<br />

Liederbücher fürs Stundengebet und ein Graduale<br />

für den Messgottesdienst.<br />

Das Graduale tritt dieses Jahr als Leihgabe der Württembergischen<br />

Landesbibliothek seinen Weg nach Hause an. Vom<br />

16. September bis 16. Oktober wird in der Prälatenstube des<br />

Klosters Lorch die Ausstellung »Vom Lorcher Chorbuch zum<br />

württembergischen Kirchengesangbuch« gezeigt. Vorträge bekannter<br />

Wissenschaftler und stimmungsvolle Musik ergänzen<br />

die Ausstellung.<br />

Doch zurück ins 15. Jahrhundert: 1462 schließt sich das Kloster<br />

Lorch der Melker Reform an. Diese ging vom niederösterreichischen<br />

Kloster Melk aus. »Back to he roots« könnte man<br />

das Credo der Anhänger nennen, die eine Rückkehr zum klösterlichen<br />

Leben forderten. Denn die Mönche wandten sich zu<br />

dieser Zeit vermehrt weltlichen Dingen zu. Sie trieben Handel,<br />

verkauften Land oder bauten Wein an.<br />

Nun feierten die Reformklöster ihre Gottesdienste nach der<br />

auf römischer Liturgie fußenden Melker Ordnung. Ein Dilemma<br />

für die Mönche – denn damit waren die gerade fertig gewordenen<br />

Chorbücher schon wieder veraltet. Dazu kam noch,<br />

dass sich das Kloster die Anfertigung neuer Bücher schlichtweg<br />

nicht leisten konnte.<br />

Outsourcing und Sponsorensuche<br />

Etwa 50 Jahre später gab Abt Sebastian Sitterich neue Bücher<br />

in Auftrag: Drei Antiphonarien und zwei Graduale. Die Bücher<br />

hatten die Maße 61x42 Zentimeter. Aufgeschlagen maßen sie<br />

85 Zentimeter! Keine Frage, dass Profis mit der Herstellung<br />

beauftragt wurden. Die typischen italienischen Quadratnoten<br />

wurden von Leonhard Wagner von St. Ulrich und Afra mit<br />

der Unterstützung des aus Nürtingen stammenden Lorcher<br />

Mönchs Michael Keuerleber gesetzt.<br />

Die Buchmalerei wurde dagegen outgesourct. Nikolaus Bertschi<br />

aus Augsburg, ein echter Star in der Illuminations-Branche,<br />

kümmerte sich mit seinen Schülern um die buchmalerische<br />

Ausstattung der Bücher.<br />

Überhaupt bewiesen die Ordensbrüder im operativen Geschäft<br />

ein geschicktes Händchen. Da die Buchherstellung –<br />

allein schon wegen der Masse an Kälbern – sehr teuer war, und<br />

das Kloster sich in einer, durch Baumaßnahmen, eher prekären<br />

finanziellen Lage befand, machten sie sich auf die Suche nach<br />

Sponsoren. Klostervogt Herzog Ulrich von Württemberg war<br />

der Hauptsponsor. Die Geldgeber wurden durch Konterfeis mit<br />

Beischriften oder Wappen im Buch gewürdigt.<br />

Die Lorcher Chorbücher sind nicht nur groß, prächtig und unbezahlbar.<br />

Sie sind ein Zeugnis der damaligen Buchkunst. Die<br />

Notenhandschriften sind reich verziert und enthalten zusammen<br />

108 Bordürenrahmen und Bildinitialen. In den Büchern<br />

gibt es Überraschendes und zuweilen Kurioses zu entdecken.<br />

Sei es eine Szene, die Nikolaus Bertschi beim Illuminieren zeigt,<br />

während seine Frau Margareta ihm mitleidig den Arm um die<br />

Schulter legt oder zwei Hasen, die einen Jäger am Spieß braten.<br />

Aber auch dem biblisch-geistlichen Anspruch wurde Rechnung<br />

getragen: Die Bildinitialen zeigen die Geburt Christi, das<br />

Pfingstwunder und die Himmelfahrt Marias.<br />

1535 machte die Reformation auch vorm Kloster Lorch nicht<br />

Halt. Das Kloster wurde aufgelöst und die vertriebenen Mönche<br />

nahmen die fünf großen Folianten mit. Das war nachvollziehbar,<br />

schließlich waren die Chorbücher ein wichtiger<br />

Bestandteil im Gottesdienst. Das Gesangbuch wurde auf ein<br />

hohes Pult gestellt, sodass alle gut daraus lesen konnten. 1587<br />

tauchten drei Exemplare der Chorbücher wieder auf, als ehemalige<br />

Lorcher Mönche sie ans Kloster Neresheim verkauften.<br />

Die anderen zwei Bücher blieben verschollen.<br />

<br />

• Kathrin Klar

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