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Gleise im Dornröschenschlaf

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VÖLKLINGEN/GROSSROSSELN<br />

<strong>Gleise</strong> <strong>im</strong> <strong>Dornröschenschlaf</strong><br />

Seit zehn Jahren ohne Züge: Lässt sich die Rosseltal-Bahnstrecke neu<br />

beleben?<br />

Von Doris Döpke, 11. August 2016, 02:00 Uhr<br />

Saarbahn Richtung Warndt, das war einmal: 2001 konnten Besucher des Warndt-Weekends per Bahn bis zur damals noch<br />

aktiven Grube Warndt in Karlsbrunn fahren. Heute enden die Schienen bereits ein gutes Stück vor dem Grubengelände, die<br />

Oberleitungen sind demontiert.<br />

Die eingleisige Bahntrasse durchs Rosseltal stand einst <strong>im</strong> Dienst des<br />

Bergbaus. Jetzt gibt es den Vorschlag, die Strecke zu reaktivieren und<br />

einzubetten in ein neues Schienenverkehrs-Modell. Die Meinungen dazu<br />

gehen auseinander.<br />

Die Linken sind dafür. Die Völklinger Grünen auch. Desgleichen die AfD. Meinrad<br />

Grewenig, Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte, unterstützt die<br />

Idee der Interessengemeinschaft Warndt-Rosseltalbahn (IGWRB) ebenfalls. Jörg<br />

Dreistadt (SPD) hingegen, Großrosselns Bürgermeister, ist skeptisch, ob das<br />

Projekt sich überhaupt verwirklichen lässt.<br />

Seit ihrer Gründung Anfang 2006 kämpft die IGWRB dafür, die Bahnstrecke<br />

durchs Rosseltal zu erhalten. Die einspurige Trasse führt von Fürstenhausen<br />

über Geislautern, Velsen, Großrosseln nach Karlsbrunn, zur ehemaligen Grube<br />

Warndt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie gebaut, mit kleinen Bahnhöfen


in Fürstenhausen, Geislautern und Großrosseln. Sie diente dem Bergbau, brachte<br />

Menschen zu ihrem Arbeitsplatz - bis die Deutsche Bahn (DB) 1973 den<br />

Personenverkehr einstellte.<br />

Auf der Strecke fuhren noch Güterzüge. Nach der Schließung der Grube Warndt war<br />

es aber vorbei mit den Kohle-Transporten. Und 2006 wollte die DB die Schienen am<br />

liebsten abräumen. In der Region erwachte Protest: Die Chance zu Verbesserungen<br />

des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), die eine Schienenstrecke bietet,<br />

sollte bleiben.<br />

Die IGWRB trat auf den Plan. Draisinenfahrten durchs Rosseltal begannen. 2012<br />

wurden sie eingestellt. Seither ist kein Rad mehr auf den Warndt-Schienen<br />

gerollt. Und der Bahnhof Großrosseln, der noch Bahntechnik beherbergte, ging<br />

in private Hände über; die Bahnhöfe Fürstenhausen und Geislautern hatte die<br />

DB schon lange zuvor verkauft.<br />

Die IGWRB kämpft weiter um die Strecke. Sie hat nun ein Konzept<br />

vorgelegt. Eine Museenbahn soll drei Orte der Industriekultur verbinden, das<br />

Weltkulturerbe Völklinger Hütte, das Bergbaumuseum <strong>im</strong> französischen Petite<br />

Rosselle und die alte Grube Velsen mit ihrem Erlebnisbergwerk. Und ein Schienen-<br />

Ringverkehr soll entstehen, grenzüberschreitend, von Saarbrücken aus entlang der<br />

Saar, durch den Warndt, nach Forbach und durch Frankreich zurück nach<br />

Saarbrücken (die SZ berichtete). So soll ÖPNV auf der Schiene Verkehrslast von den<br />

Straßen der Region nehmen.<br />

Reaktivierung der Rossel-Bahnstrecke, Bau einer grenzüberschreitenden<br />

Ringbahn – für Manfred Jost, den Vorsitzenden der Völklinger Grünen, ist das „die<br />

nachhaltige Antwort auf die ungelösten Verkehrsprobleme der Region“. Jost<br />

meint, solch ein Großprojekt sei auch finanziell zu stemmen: Aus Töpfen der<br />

Europäischen Union könne man dafür Zuschüsse einwerben, die bis zu 80<br />

Prozent der Kosten decken.<br />

Dieter Müller, Fraktionsvorsitzender der AfD <strong>im</strong> Völklinger Stadtrat, hält die<br />

Museenbahn für „eine geniale Idee“. Sie würde, sagt er, „dem Tourismus <strong>im</strong><br />

Saarland einen ernormen Schub geben“. Und die Ringbahn sei gut für<br />

Saarbrücken, binde sie doch französische Kunden besser ans Einkaufen dort an.<br />

„Die Idee hört sich gut an“ sagt Großrosselns Bürgermeister Jörg Dreistadt (SPD),<br />

„aber ob sie zum jetzigen Zeitpunkt realisierbar ist?“ Er erinnert ans Technische:<br />

Zwischen Warndtschacht und Velsen queren die Schienen zehn Brücken, die<br />

nach gut einem Jahrzehnt Nicht-Wartung kaum mehr intakt sein dürften. Vor<br />

Karlsbrunn enden die Schienen <strong>im</strong> Nirgendwo, das Gleis zum Warndtschacht ist<br />

demontiert. Eine Brücke zum Völklinger Weltkulturerbe fehlt. Zur französischen<br />

Bahn hin müssten 700 Meter Schienen gebaut werden. – das, sagt er, koste<br />

schätzungsweise 40 Millionen Euro. Zwischen Saarbrücken und Velsen bestehe<br />

keine Schaltmöglichkeit mehr. Und aus dem Wildwuchs zwischen Schienen und<br />

Schwellen seien mittlerweile Bäume geworden, mit Wurzeln tief <strong>im</strong> Schotterbett;


Letzteres müsse man wohl komplett erneuern. Angesichts knappen Geldes<br />

überall und der, vorsichtig gesagt, bescheidenen Zahl von ÖPNV-Passagieren in<br />

der Region kann Dreistadt sich schwer vorstellen, wie Bahn-Bau und vor allem Bahn-<br />

Betrieb auf Dauer zu finanzieren wären.<br />

Für den Streckenabschnitt Großrosseln-Karlsbrunn hat er einen anderen<br />

Vorschlag: Rückbau – aber nur, betont er mehrfach, „wenn es dafür keine<br />

Nutzung mehr gibt“. Der Bahndamm und die Bahnunterführung, ein Nadelöhr in<br />

Richtung Petite Rosselle, seien <strong>im</strong> Ortsteil Großrosseln nämlich „ein<br />

Riesenhindernis für die Entwicklung des Ortskerns“. Der Anstoß kam aus<br />

Lothringen. Fünf Jahre lang rangen 47 Kommunen <strong>im</strong> Rosseltal um ein<br />

gemeinsames Zukunftsmodell. Ende 2011 hatten sie sich geeinigt, auf einen<br />

großen, visionären Wurf – sie verabschiedeten den SCoT (siehe „Hintergrund“)<br />

für die Region. Eines der zentralen Themen <strong>im</strong> Konzept ist der öffentliche<br />

Personennahverkehr (ÖPNV) auf der Schiene: Eine Bahn, Tram-Train genannt,<br />

soll künftig den gesamten Rosseltal-Raum erschließen. Die SCoT-Macher haben<br />

auch schon grob ihre Wunsch-Trassen skizziert.<br />

Deutsche Partner lobten – jedoch zurückhaltend. Die französischen Pläne seien<br />

„hochspannend“, aber „finanziell noch nicht hinterlegt“ sagte etwa<br />

Regionalverbandspräsident Peter Gillo (SPD). Auf jeden Fall weckte der<br />

französische Stups Bahnfreunde auf. Die Idee, die Saarbahn Richtung Frankreich<br />

weiterzuführen, war schließlich schon lange <strong>im</strong> Gespräch. Nun diskutierte man<br />

darüber, die Saarbahn anzuschließen an den Tram-Train. Beflügelnd wirkte,<br />

dass die Franzosen dem Tram-Train oberste Priorität einräumten bei ihren<br />

SCoT-Zielen - und dass es in Frankreich für SCoT-Projekte kräftige staatliche<br />

Hilfen gibt. So teuer Bahn-Neubau auch ist, völlig unrealistisch sah die Sache<br />

nicht aus. Und Paul Fellinger, Bürgermeister von Schoeneck und SCoT-Präsident,<br />

erklärte hoffnungsfroh, es werde mit dem Tram-Train nicht lange dauern.<br />

Doch dann hörte man nichts mehr aus Frankreich. Der Eurodistrikt Saar-Moselle<br />

gab schon mal eine Studie in Auftrag. Geht das überhaupt mit dem<br />

grenzüberschreitenden Schienenverkehr? Wenn ja, wo? Technisch geht es,<br />

lautete die Antwort der Studien-Macher. Bevorzugt zwischen Saarbrücken und<br />

Forbach, wo es auch Nachfrage gäbe nach solch einem Verkehrsmittel. Mit einer<br />

zweiten Studie fasste der Eurodistrikt nach, Ende 2015 lag das Ergebnis vor.<br />

„Ermutigend“ sei es, fanden die Auftraggeber. Zwei Trassen-Alternativen für eine<br />

Stadtbahnverbindung Forbach-Saarbrücken schlugen die Gutachter vor; zusätzlich sei<br />

eine große oder eine kleine Schleife <strong>im</strong> deutsch-französischen Grenzraum möglich. Und<br />

eine neue Bahn wirke sich in vielerlei Hinsicht positiv aus, für Stadtbild,<br />

Wohnungsangebot, Wirtschaft, regionales Image.<br />

Akteure auf beiden Seiten der Grenze waren Feuer und Flamme.<br />

Landtagsabgeordnete verschiedenster Couleur forderten, das Land möge die<br />

technisch machbare neue Bahn unterstützen. Aber da ist noch ein wichtiger Satz in<br />

Der Mitteilung, in der der Eurodistrikt die Studienergebnisse vorstellte: „Die<br />

Finanzierung des Baus der Stadtbahn, Vereinbarungen über den Betrieb und die Höhe<br />

der laufenden Kosten waren nicht Teil der Machbarkeitsstudie“. All das müsse nun


erstmal geklärt werden.<br />

Zum Thema:<br />

Hintergrund: Die Abkürzung SCoT steht für „Schéma de Cohérence Territoriale“<br />

(Plan des räumlichen Zusammenhangs). Der SCoT gibt Leitlinien vor für die<br />

langfristige Entwicklung einer Region, über kommunale Grenzen hinweg.<br />

SCoT-Vorgaben sind verbindlich; Kommunen müssen Pläne anpassen. Für<br />

SCoT-Projekte gibt es staatliche Hilfen. Mit dem SCoT-Konzept fürs Rosseltal haben<br />

sich Ende 2011 vier lothringische Kommunalverbände mit insgesamt 47<br />

Kommunen zusammengeschlossen. dd scot-rosselle.com

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