08.12.2012 Aufrufe

Allgemeinbildung in der Grundschule und der Bildungsauftrag des ...

Allgemeinbildung in der Grundschule und der Bildungsauftrag des ...

Allgemeinbildung in der Grundschule und der Bildungsauftrag des ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6<br />

www.wi<strong>der</strong>streit-sachunterricht.de/Ausgabe Nr. 4/März 2005<br />

lemanalyse, daß dieser Fragenkomplex m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens drei Aspekte <strong>in</strong> sich birgt: Es geht zum e<strong>in</strong>en um die Frage<br />

nach makrosoziologischen <strong>und</strong> makropolitischen Ursachen von Friedensgefährdung o<strong>der</strong> aktuellen Kriegshandlungen,<br />

d.h. um ökonomische Interessen als mögliche Kriegsursachen, nationalistisch o<strong>der</strong> rassistisch o<strong>der</strong> f<strong>und</strong>amentalistisch<br />

motivierte Imperialismen, um Ungleichverhältnisse, also auch um all das, was <strong>der</strong> norwegische<br />

Friedensforscher Johan Galtung als Verhältnisse o<strong>der</strong> Formen „struktureller Gewalt“ bezeichnet hat. E<strong>in</strong> zweiter<br />

Aspekt betrifft die durch solche makrosoziologischen <strong>und</strong> makropolitischen Bed<strong>in</strong>gungen vermittelten gruppen-<br />

<strong>und</strong> massenpsychologischen Ursachen aktueller o<strong>der</strong> potentieller Friedlosigkeit, also kollektive Aggressionen,<br />

Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>, Stereotypen, Vorurteile. − Drittens aber muß Friedenserziehung − auf den eben genannten Zusammenhang<br />

von makrosoziologischen bzw. makropolitischen <strong>und</strong> gruppen- bzw. massenpsychologischen Kriegsursachen<br />

bzw. Voraussetzungen von Kriegsbereitschaft o<strong>der</strong>, gegenläufig, von Friedensbereitschaft <strong>und</strong> Friedensengagement<br />

bezogen − die Frage aufwerfen, ob es heute noch moralische Rechtfertigungen für Kriege gehen<br />

kann: als sogenannte ultima ratio <strong>in</strong> bestimmten Konfliktsituationen, als sogenannte „gerechte“ o<strong>der</strong> „heilige“<br />

Kriege, als Kriege um <strong>der</strong> sogenannten nationalen Würde willen, als Bestrafungskriege, Verteidigungskriege usf.<br />

Diese Rechtfertigungsfrage aber muß reflektiert werden angesichts <strong>der</strong> historisch beispiellosen Vernichtungswirkung<br />

mo<strong>der</strong>ner Waffensysteme <strong>und</strong> <strong>der</strong> weitgehend unmöglichen Begrenzung dieser Wirkungen auf sogenannte<br />

„kriegswichtige Ziele“.<br />

So viel skizzenhaft zu e<strong>in</strong>er übergreifenden Kategorialanalyse. Ich vermute nun, aber ich behaupte es damit<br />

nicht als erwiesen, daß die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> ersten <strong>und</strong> dritten Problemdimension über die Möglichkeiten<br />

von Gr<strong>und</strong>schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n h<strong>in</strong>ausgeht. Wohl aber halte ich es für möglich <strong>und</strong> für s<strong>in</strong>nvoll, didaktisch zu<br />

durchdenken <strong>und</strong> unterrichtlich zu erproben, e<strong>in</strong>führende Schritte <strong>in</strong> die zweite Problemdimension zu tun, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> den gruppenpsychologischen Aspekt von Kriegsbereitschaft bzw. Friedensbereitschaft <strong>und</strong> Friedensengagement.<br />

− Dieses Beispiel verweist überdies auf e<strong>in</strong>e generelle Konsequenz <strong>des</strong> Schlüsselproblem-Konzepts<br />

als e<strong>in</strong>es die verschiedenen Bildungsstufen übergreifenden Pr<strong>in</strong>zips, nämlich auf e<strong>in</strong>e mehrfache, schrittweise<br />

vertiefende <strong>und</strong> erweiternde Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit solchen Problemen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Spiralcurriculums.<br />

Schließlich drängt sich von den bisherigen Ausführungen her noch e<strong>in</strong>e unterrichtsorganisatorische Konsequenz<br />

auf: Dem Teil <strong>des</strong> Unterrichts, <strong>der</strong> sich auf Schlüsselprobleme im angedeuteten S<strong>in</strong>ne konzentriert, ist die<br />

45-M<strong>in</strong>uten-Schulst<strong>und</strong>en-Schablone ersichtlich unangemessen. Selbst die Blockung zu Doppelst<strong>und</strong>en kann nur<br />

e<strong>in</strong> − wenngleich vielfach bereits begrüßenswerter − Zwischenschritt se<strong>in</strong>. Die angemessene Form ist <strong>der</strong> Epochalunterricht.<br />

St<strong>und</strong>enplantechnisch heißt das: Durch den Schulvormittag von Halbtags- o<strong>der</strong> Ganztagsschulen<br />

müßte sich an allen o<strong>der</strong> den meisten Tagen <strong>der</strong> Schulwoche e<strong>in</strong> Band von m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens zwei Schulst<strong>und</strong>en, besser<br />

vielleicht noch: etwa zwei Zeitst<strong>und</strong>en ziehen, das <strong>in</strong> erheblichem Umfang <strong>und</strong> <strong>in</strong> epochalem Wechsel <strong>der</strong><br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Themen, die an Schlüsselproblemen orientiert s<strong>in</strong>d, vorbehalten wäre.<br />

Die zweite Orientierungsdimension <strong>des</strong> Sachunterrichts: Vielseitige Interessen- <strong>und</strong> Fähigkeitsför<strong>der</strong>ung<br />

An früherer Stelle me<strong>in</strong>es Vortrages hatte ich betont, daß neben dem bisher erörterten Schlüsselproblem-<br />

Gedanken auch für den Sachunterricht <strong>der</strong> <strong>Gr<strong>und</strong>schule</strong>, die Auswahl <strong>und</strong> Akzentuierung se<strong>in</strong>er Themen, e<strong>in</strong><br />

weiteres Pr<strong>in</strong>zip Geltung erhalten o<strong>der</strong> behalten muß. Ich bezeichne es als „vielseitige Interessen- <strong>und</strong> Fähigkeitsför<strong>der</strong>ung<br />

durch die Entwicklung von elementaren Kategorien <strong>und</strong> Formen <strong>des</strong> Wirklichkeits- <strong>und</strong> Selbstverständnisses<br />

von Gr<strong>und</strong>schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n“. Dieses Pr<strong>in</strong>zip bildet die m.E. notwendige, polare Ergänzung zum<br />

Schlüsselproblempr<strong>in</strong>zip. Denn so notwendig die zeitweilige Konzentration auf jene risikobehafteten Schlüsselprobleme<br />

unserer mo<strong>der</strong>nen Welt schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gr<strong>und</strong>schule</strong> ist, so würde sie, wenn man sie zum alle<strong>in</strong>igen Auswahlpr<strong>in</strong>zip<br />

erklären wollte, doch die Gefahr von Fixierungen, Blickverengungen, mangeln<strong>der</strong> Offenheit heraufbeschwören.<br />

Vor allem aber: Die Konzentration auf Schlüsselprobleme ist notwendigerweise mit Anspannungen,<br />

Belastungen, Anfor<strong>der</strong>ungen kognitiver, emotionaler <strong>und</strong> moralischer Art verb<strong>und</strong>en, die vor allem auch für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> zur Überfor<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zur E<strong>in</strong>schränkung ihrer gegenwärtigen <strong>und</strong> zukünftigen Möglichkeiten werden<br />

könnten, wenn sie die Bildungsprozesse ausschließlich bestimmen würden. Es bedarf also <strong>der</strong> polaren Ergänzung<br />

durch e<strong>in</strong>e Bildungsdimension, <strong>der</strong>en Themen <strong>und</strong> Lernformen nicht primär durch ihren Beitrag zur Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit zentralen Zeit- <strong>und</strong> Zukunftsproblemen gerechtfertigt s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n die auf die Mehrdimensionalität<br />

menschlicher Aktivität <strong>und</strong> Rezeptivität abzielen, auf die breite Entwicklung <strong>der</strong> kognitiven, emotionalen,<br />

ästhetischen, sozialen, praktisch-technischen Fähigkeiten <strong>des</strong> jungen Menschen sowie se<strong>in</strong>er Möglichkeiten,<br />

das eigene Leben an <strong>in</strong>dividuell wählbaren S<strong>in</strong>ndeutungen zu orientieren. Dabei me<strong>in</strong>t die hier vorgeschlagene<br />

Unterscheidung zweier bildungstheoretischer bzw. didaktischer Orientierungspr<strong>in</strong>zipien ke<strong>in</strong>e schematische<br />

Abgrenzung, schließt Berührungsflächen <strong>und</strong> Übergangszonen nicht aus.<br />

Noch e<strong>in</strong>mal: In <strong>der</strong> jetzt <strong>in</strong>teressierenden Perspektive sollen Zugänge zu unterschiedlichen Möglichkeiten<br />

menschlichen Selbst- <strong>und</strong> Weltverständnisses <strong>und</strong> zu verschiedenen kulturellen Aktivitäten geöffnet werden, von<br />

<strong>der</strong> subjektiven Seite aus <strong>und</strong> im Vorblick auf spätere Bildungsstufen betrachtet: zur Vielzahl möglicher, relativ<br />

frei wählbarer <strong>in</strong>dividueller Interessenschwerpunkte.<br />

Ich versuche, den Umkreis solcher Lernprozesse zur Entwicklung elementaren Welt- <strong>und</strong> Selbstverstehens an<br />

e<strong>in</strong>igen Fragen zu verdeutlichen, die Gr<strong>und</strong>schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> stellen, sei es von sich aus, sei es durch unterrichtlich

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!