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Die Großgruppe als Selbsterfahrung in Altaussee ...

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ke<strong>in</strong>esfalls <strong>als</strong> anekdotisch-gemütliche Diskussionsrunde, sondern im analytischen<br />

Sett<strong>in</strong>g zu führen. <strong>Die</strong> erste <strong>Großgruppe</strong> unter me<strong>in</strong>er Leitung, bestehend aus gezählten<br />

sechzehn Teilnehmern und e<strong>in</strong>em Hund, wurde aus vier w<strong>in</strong>zigen Kle<strong>in</strong>gruppen<br />

zusammengesetzt. Ich forderte die Teilnehmer auf, frei zu assoziieren, versuchte die<br />

E<strong>in</strong>fälle zu deuten und beantwortete Fragen mit Deutungen. <strong>Die</strong> Kle<strong>in</strong>gruppenleiter<br />

saßen dam<strong>als</strong> ebenfalls im Kreis, wir waren <strong>als</strong>o <strong>in</strong>sgesamt zwanzig Personen. Ich kann<br />

mich noch an me<strong>in</strong>e damalige Angst vor dieser großen Anzahl von Teilnehmern<br />

er<strong>in</strong>nern. <strong>Die</strong> Gruppenmitglieder assoziierten <strong>als</strong>o frei und der Hund bellte frei mit. <strong>Die</strong><br />

Gruppe verlief recht stürmisch, und die Teilnehmer taten ihr bestes, um die<br />

Gruppenleiter gegene<strong>in</strong>ander auszuspielen, was ihnen auch manchmal gelang. <strong>Die</strong><br />

Gruppenleiter reagierten zum Teil schweigend, zum Teil aggressiv und defensiv, und<br />

zum Teil deutend auf die Angriffe der Gruppenmitglieder, und ich machte verzweifelte<br />

Versuche, das gesamte Geschehen zu kommentieren, ohne mich <strong>in</strong> das<br />

Gruppengeschehen zu verstricken - e<strong>in</strong> Unterfangen, das mir nicht immer gelungen ist.<br />

Im Laufe der Zeit wurde die <strong>Großgruppe</strong> größer, und dementsprechend änderte sich ihr<br />

Sett<strong>in</strong>g. Wir fanden heraus, dass die Übertragung besser bearbeitbar war, wenn sie auf<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Gruppenleiter konzentriert war. Ich entwickelte me<strong>in</strong>en eigenen<br />

Interventionsstil, wurde direkter im Umgang mit der Gruppe, weniger abgehoben und<br />

abstrakt, verwendet mehr die erlebnisnahe Sprache der Gruppenmitglieder. Der Humor<br />

<strong>als</strong> spezifisches Stilmittel der <strong>Großgruppe</strong> hat sich <strong>als</strong> brauchbar erwiesen im Umgang<br />

mit den bedrohlichen Ängsten, und zwar sowohl <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Interventionen, <strong>als</strong> auch<br />

seitens der Gruppenmitglieder. Als die Teilnehmerzahl fünfzig überstieg, übersiedelten<br />

wir mit der <strong>Großgruppe</strong> von der Villa Platen <strong>in</strong>s Seehotel, und <strong>als</strong> das Seehotel dam<strong>als</strong><br />

schließen musste wegen der teilweisen Umwandlung <strong>in</strong> Apartments, übersiedelte sie <strong>in</strong>s<br />

Volkshaus. E<strong>in</strong>ige Jahre später kehrte die <strong>Großgruppe</strong> <strong>in</strong>s Hotel am See zurück. All<br />

diese Umstellungen erzeugten e<strong>in</strong>e große Unsicherheit <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> und im<br />

gesamten Workshop. E<strong>in</strong> Element des Sett<strong>in</strong>gs blieb jedoch unverändert vom Anfang an<br />

und vermittelte e<strong>in</strong> Gefühl der Sicherheit, nämlich die Eröffnung und Beendigung jedes<br />

Workshops mit der <strong>Großgruppe</strong>. <strong>Die</strong>s wurde zu e<strong>in</strong>em Markenzeichen der Workshops<br />

von <strong>Altaussee</strong>. <strong>Die</strong> Idee dah<strong>in</strong>ter war, die Teilnehmer gleich zu Beg<strong>in</strong>n mit der<br />

Fremdheit und Kälte der Begegnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unstrukturierten <strong>Großgruppe</strong> zu<br />

konfrontieren. <strong>Die</strong> Arbeit <strong>in</strong> den Kle<strong>in</strong>gruppen gewann dadurch nach unserer Erfahrung<br />

an Intensität <strong>als</strong> es bei e<strong>in</strong>em sanfteren E<strong>in</strong>stieg der Fall wäre. <strong>Die</strong> Intimität der<br />

Kle<strong>in</strong>gruppe bildet e<strong>in</strong> Gegenpol zum Chaos der <strong>Großgruppe</strong>. Im Laufe der Woche wird<br />

die <strong>Großgruppe</strong> vertrauter, manchmal dient sie sogar <strong>als</strong> Zuflucht vor der Enge der<br />

Kle<strong>in</strong>gruppen. Am Ende der Woche dient die <strong>Großgruppe</strong> <strong>als</strong> Ort der Reflexion des<br />

Geschehens und der geme<strong>in</strong>samen Bearbeitung der durchgemachten Erfahrungen. Sie<br />

bildet den Übergang zwischen dem Workshop und der Außenwelt. Jetzt ersche<strong>in</strong>t die<br />

Außenwelt mit ihren Normen und Ritualen <strong>als</strong> fremd, und die Frage wird erörtert, was<br />

bleibt von der gruppenanalytischen Erfahrung nach der Rückkehr <strong>in</strong> den Alltag übrig.<br />

<strong>Die</strong>se letzte Sitzung der <strong>Großgruppe</strong> dient oft zur Bestandsaufnahme und kritischen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den eigenen Werten und Perspektiven. Dabei wird es klar, dass<br />

analytische Arbeit nicht nur <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen, sondern auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Rahmen<br />

s<strong>in</strong>nvoll und möglich ist. Es ist bee<strong>in</strong>druckend zu erleben, wie sich e<strong>in</strong>e amorphe Masse<br />

<strong>in</strong>nerhalb weniger Tage <strong>in</strong> e<strong>in</strong> vertrauliches und sensibles Gefüge von Beziehungen<br />

verwandeln kann. <strong>Die</strong>s geschieht jedoch nicht ohne größere Verstrickungen, Irrwegen<br />

und Konflikten. Der E<strong>in</strong>zelne bekommt dabei E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die eigene Unsicherheit und<br />

Verführbarkeit.<br />

Der Abschied <strong>in</strong> den Kle<strong>in</strong>gruppen zielt auf die Auflösung der ödipalen Verstrickung <strong>in</strong><br />

der K<strong>in</strong>dheit und <strong>in</strong> der Übertragungssituation. <strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> h<strong>in</strong>gegen beschäftigt<br />

sich eher mit der Verstrickung <strong>in</strong> den irrealen Illusionen und Größenideen. Sie muss die

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