08.12.2012 Aufrufe

Die Großgruppe als Selbsterfahrung in Altaussee ...

Die Großgruppe als Selbsterfahrung in Altaussee ...

Die Großgruppe als Selbsterfahrung in Altaussee ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

narzisstischen Versuchungen überw<strong>in</strong>den, und e<strong>in</strong>e Brücke zur äußeren Realität bilden,<br />

um die Kluft zwischen Innen- und Außenwelt überw<strong>in</strong>den zu können. Insofern ist die<br />

<strong>Großgruppe</strong> e<strong>in</strong> B<strong>in</strong>deglied zwischen der K<strong>in</strong>dheitsfamilie, wie sie sich <strong>in</strong> den<br />

Kle<strong>in</strong>gruppen widerspiegelt, und den größeren gesellschaftlichen Verbänden, mit denen<br />

wir lebenslang zu tun haben. <strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> widerspiegelt gesellschaftliche<br />

Verhältnisse mit den Konflikten zwischen den Generationen und dem<br />

Geschlechterkampf. Wir steigen <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> aus unseren Alltagsrollen und<br />

lernen, unsere Masken und Klischees kritisch zu betrachten. Dabei gel<strong>in</strong>gt es<br />

gelegentlich <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong>, uns über unsere Schwächen zu erheben und e<strong>in</strong>e<br />

tolerantere Haltung uns und anderen gegenüber e<strong>in</strong>zunehmen. Bedauerlicherweise<br />

gel<strong>in</strong>gt uns solche heitere Gelassenheit nur selten, aber die Er<strong>in</strong>nerung daran verblasst<br />

bald. Was von der <strong>Selbsterfahrung</strong> <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> im Alltag bleibt, ist vielleicht e<strong>in</strong>e<br />

bessere Wahrnehmung unserer Grenzen und etwas weniger Angst vor unserer<br />

Irrationalität. Wenn dieses Ziel verfehlt, was oft genug geschieht, bleibt die <strong>Großgruppe</strong><br />

<strong>in</strong> ihren Größenphantasien verfangen, ohne Perspektive auf e<strong>in</strong>e reale Änderung. Meist<br />

wird e<strong>in</strong> mehr oder weniger gelungener Kompromiss erreicht. Es ist e<strong>in</strong> Zeichen der<br />

Reife, wenn die <strong>Großgruppe</strong> ihre Grenzen erkennt und Trauerarbeit leisten kann.<br />

Wichtig <strong>in</strong> der <strong>Selbsterfahrung</strong> <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> ist auch das Erleben der Grenze<br />

zwischen Vernunft und Wahn. <strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> überschreitet diese Grenze und ist fähig,<br />

diesen Vorgang zu reflektieren. Sie lernt, den Wahn nicht nur <strong>als</strong> Mangel an Vernunft,<br />

sondern auch <strong>als</strong> Gegenpol und Korrektiv zum rationalen Denken zu begreifen. <strong>Die</strong><br />

Absurdität des Geschehens, die <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> ursprünglich <strong>als</strong> befremdlich und<br />

bedrohlich erlebt wird, kann dann <strong>in</strong>tegriert werden. Man lernt, unseren vertrauten<br />

Alltag auch von se<strong>in</strong>er absurden Seite zu begreifen. <strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> lehrt uns, das<br />

Psychotische <strong>in</strong> uns und dadurch auch die Psychotiker besser zu verstehen.<br />

<strong>Die</strong> Reflexion der Wechselwirkung zwischen der <strong>Großgruppe</strong> und den Kle<strong>in</strong>gruppen ist<br />

ebenfalls e<strong>in</strong> Merkmal der Workshops <strong>in</strong> <strong>Altaussee</strong>. Es ist spannend, die vielfältigen<br />

Beziehungen zwischen dem Geschehen <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> und den Kle<strong>in</strong>gruppen zu<br />

verfolgen. Probleme aus den Kle<strong>in</strong>gruppen werden <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> wiederholt und<br />

bearbeiten und kommen dann <strong>in</strong> veränderter Form <strong>in</strong> die Kle<strong>in</strong>gruppen zurück. Das<br />

gleiche Geschehen bekommt <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> e<strong>in</strong>e andere Färbung <strong>als</strong> <strong>in</strong> der<br />

Kle<strong>in</strong>gruppe. Es ist elementarer und plakativer, hat e<strong>in</strong>en mehr öffentlichen Charakter.<br />

In der Kle<strong>in</strong>gruppe ist das gleiche Geschehen <strong>in</strong>timer und differenzierter. In der<br />

<strong>Großgruppe</strong> ist es regressiver und plakativer, <strong>in</strong> der Kle<strong>in</strong>gruppe auf höherer<br />

Entwicklungsebene. Es ist so möglich, Probleme auf archaischer und ödipaler Ebene<br />

zugleich anzugehen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> eignet sich gut zur Behandlung von großen gesellschaftlichen<br />

Problemen, wie die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, den Generationen,<br />

verschiedenen Kulturen. <strong>Die</strong> Teilnahme unserer Stipendiaten aus Osteuropa bedeutet<br />

trotz oder wegen der Verständigungsschwierigkeiten e<strong>in</strong>e ausgesprochene Bereicherung<br />

für die <strong>Großgruppe</strong>. Sie ermöglicht uns, die eigenen Wertmaßstäbe und Gewohnheiten<br />

gewissermaßen von außen zu betrachten und <strong>in</strong> Frage zu stellen, und dadurch das<br />

Fremde <strong>in</strong> uns zu entdecken.<br />

Das Erleben unserer eigenen Fremdheit ist viel <strong>in</strong>tensiver <strong>in</strong> der <strong>Großgruppe</strong> <strong>als</strong> <strong>in</strong> der<br />

Kle<strong>in</strong>gruppe. <strong>Die</strong> Ich-Grenzen verwischen sich und die Ich-Funktionen, wie das Denken<br />

und die Realitätsprüfung, stehen uns nur <strong>in</strong> verm<strong>in</strong>dertem Ausmaß zur Verfügung. Das<br />

magische Denken und primitive Abwehrmechanismen treten vermehrt <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung.<br />

Um diesen bedrohlichen Zustand zu beschreiben, aber auch um ihn zu überw<strong>in</strong>den,<br />

bedient sich die <strong>Großgruppe</strong> e<strong>in</strong>er bilderreichen Sprache, die an primitive Mythologien<br />

er<strong>in</strong>nert. <strong>Die</strong> <strong>Großgruppe</strong> wird zunächst <strong>als</strong> e<strong>in</strong>e archaische Mutter, ernährend und<br />

verschl<strong>in</strong>gend zugleich erlebt. Wie die <strong>Großgruppe</strong> mit diesem Erlebnis umgeht,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!