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Infobrief Anwaltbüro - 2-2016

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anwaltbüro<br />

<strong>Infobrief</strong> für Kanzleimitarbeiter<br />

Editorial<br />

Herausgeberin:<br />

Carmen Wolf<br />

Rechtswirtin, Koblenz<br />

1. Jahrgang<br />

02<br />

AUG <strong>2016</strong><br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Thema des Monats<br />

Was muss bei einem Antrag auf<br />

Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

beachtet werden?............3<br />

Büromanagement<br />

Das richtig abgestempelte<br />

Empfangsbekenntnis...............7<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

es ist noch gar nicht lange her, da haben wir Ihnen die erste Ausgabe unseres neuen<br />

<strong>Infobrief</strong>s anwaltbüro (diese finden Sie unter www.zap-verlag.de/anwaltbuero)<br />

vorgestellt. Die Zeit ist schnell verflogen – und schon ist die zweite Ausgabe fertiggestellt!<br />

Unser Thema des Monats dreht sich diesmal rund um den Antrag auf Prozesskostenhilfe.<br />

Wann ist der richtige Zeitpunkt? Was müssen Sie im Rahmen des Verfahrens<br />

beachten, um hier nichts einzubüßen? Erweitern Sie Ihr Wissen in gerade dieser nicht<br />

alltäglichen Angelegenheit!<br />

Wie stempeln Sie eigentlich Ihr Empfangsbekenntnis? Gehören Sie auch zu der<br />

Vielzahl der Kanzleien, die nur wegen des Stempels an falscher Stelle Gefahr laufen,<br />

Probleme bei der Fristenkontrolle zu schaffen – ohne es zu wissen? Lesen Sie in unserer<br />

Rubrik Büromanagement, wie Sie Fehler vermeiden können.<br />

In unserer Rubrik Gebührenpraxis geht es diesmal um das Quotenvorrecht, das im<br />

Dreiecksverhältnis zwischen Anwalt, Mandant und Rechtsschutzversicherung zum<br />

Vorteil des Mandanten ausgenutzt werden sollte bzw. muss. Zum einen, um Ihrem<br />

Mandanten einen Vorteil zu verschaffen, zum anderen, um gegenüber dem Mandanten<br />

nicht in Haftung zu geraten. Erfahren Sie, wie Sie richtig vorgehen und geben Sie<br />

die wertvollen Tipps auch an Ihre Chefs weiter, damit schon bei der Titulierung (etwa<br />

beim Vergleich) die richtigen Weichen gestellt werden.<br />

Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre des <strong>Infobrief</strong>s viel Vergnügen, neue Werte und<br />

Erkenntnisse.<br />

Gebührenpraxis<br />

Anwalt/Mandant/Rechtsschutzversicherung<br />

– Das Quotenvorrecht:<br />

Vermeiden Sie Haftungsgefahren;<br />

Sichern Sie den Vorteil<br />

für den Mandanten!..............10<br />

Ihre Carmen Wolf<br />

P.S. Wie gefällt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, das anwaltbüro? Sind die Themen<br />

richtig gewählt? Haben Sie Wünsche oder Verbesserungsvorschläge? Schreiben Sie<br />

mir an wolf@infobrief-anwaltbuero.de – mich interessiert Ihre Meinung, denn der<br />

<strong>Infobrief</strong> soll auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein.<br />

anwaltbüro 02 | AUG <strong>2016</strong> www.infobrief-anwaltbuero.de<br />

1


anwaltbüro kompakt<br />

Aufladeverfahren für beA-Signaturkarten hat begonnen<br />

Wer eine beA-Karte mit Signaturfunktion bestellt hat, muss das qualifizierte Signaturzertifikat<br />

auf die Karte aufladen. Die Bundesnotarkammer (BNotK) schreibt die<br />

Besteller individuell an und bereitet sie auf die nächsten Schritte, die für dieses<br />

Aufladeverfahren durchzuführen sind, vor. Im Wesentlichen sind folgende Schritte zu<br />

beachten:<br />

Zunächst ist online ein signaturrechtlicher Antrag zu stellen, der mit den bereits<br />

bekannten Daten vorausgefüllt ist. Anschließend ist nach dem Signaturrecht zwingend<br />

eine individuelle Identifizierung des Karteninhabers erforderlich. Diese erfolgt<br />

bei einem Notar mittels Unterschriftenbeglaubigung oder in einigen Kammerbezirken<br />

bei der Rechtsanwaltskammer. Nähere Informationen zum KammerIdent-Verfahren<br />

finden Sie unter bea.bnotk.de/kammerident/.<br />

Nach erfolgreicher Identifizierung erhält der Karteninhaber eine elektronische<br />

Mitteilung mit einer detaillierten Beschreibung, wie er das qualifizierte elektronische<br />

Zertifikat auf seine beA-Karte aufladen kann. Eine Software hierfür stellt die Zertifizierungsstelle<br />

der BNotK zur Verfügung. Die PIN für das qualifizierte elektronische<br />

Zertifikat wird ebenfalls elektronisch übermittelt. Nähere Informationen finden Sie<br />

unter: bea.bnotk.de/documents/FAQ_beA_Nachladeverfahren.pdf.<br />

Individuelle Indentifizierung<br />

Software<br />

Hinweis:<br />

Wer noch keine beA-Karte beantragt hat, sollte dies zeitnah unter bea.bnotk.de<br />

tun. Die BNotK ist bemüht, eingehende Bestellungen so abzuarbeiten, dass die<br />

Karten noch vor dem angekündigten Starttermin für das beA am 29.9.<strong>2016</strong><br />

ausgeliefert werden können. Für die Bestellung wird die SAFE-ID bzw. die persönliche<br />

Antragsnummer benötigt, die die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) jeder<br />

Rechtsanwältin und jedem Rechtsanwalt im Juni <strong>2016</strong> per Post zugesandt hat.<br />

Weitere Informationen zum Bestellprozess finden Sie unter bea.brak.de/fragenund-antworten/bea-karten-chipkartenlesegeraete-und-signaturkarten.<br />

(Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin v. 3.8.<strong>2016</strong>)<br />

BGH präzisiert Anforderungen an Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht<br />

Der BGH hat sich Mitte Juli mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die<br />

Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. BGB zu stellen sind.<br />

In Bestätigung und Fortführung seiner Rechtsprechung hat der BGH entschieden,<br />

dass es für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung genügt, wenn der Käufer durch das<br />

Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch<br />

vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Verkäufer für die Erfüllung<br />

nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten<br />

Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es dabei nicht.<br />

§§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. BGB<br />

Aufgepasst!<br />

Vergessen Sie dabei nicht, dass Sie (bzw. Ihr Mandant) im Falle eines Falles für das<br />

Nacherfüllungsverlangen beweispflichtig sind (ist). Daher ist das schriftliche<br />

Nacherfüllungsverlangen immer noch die beste Variante, natürlich ist auch das<br />

mündliche (bzw. fernmündliche) in Gegenwart eines Zeugen möglich; weniger<br />

Beweiskraft dürfte indessen ein eigener handschriftlicher Vermerk haben.<br />

(Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 121/<strong>2016</strong> v. 13.7.<strong>2016</strong>)<br />

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anwaltbüro kompakt<br />

Bußgelder zum Schutz der Netzneutralität<br />

Das Bundeskabinett stellt den freien Zugang zum offenen Internet sicher. Grundsatz<br />

dabei ist die sog. Netzneutralität. Sprich: Internetanbieter müssen alle Datenpakete<br />

gleich behandeln. Verstößt ein Anbieter dagegen, drohen ihm künftig empfindliche<br />

Bußgelder.<br />

Beschränkt ein Internetanbieter in unzulässiger Weise den Datenverkehr, können bis<br />

zu 500.000 EUR Bußgeld verhängt werden. Drosselt ein Internetanbieter das<br />

Datenvolumen seiner Kunden und informiert sie darüber nicht vollständig, werden<br />

Bußgelder bis zu 100.000 EUR fällig. Sanktionen wie diese sollen einen diskriminierungsfreien<br />

Zugang zum Internet sicherstellen. Die Bundesnetzagentur beaufsichtigt<br />

dabei die Anbieter, mit den neuen Befugnissen darf sie bei Verstößen die Bußgelder<br />

verhängen.<br />

Mit dem Gesetzentwurf passt die Bundesregierung das Telekommunikationsgesetz<br />

an. Sie setzt eine EU-Verordnung in nationales Recht um. Die Bundesregierung sorgt<br />

damit ihrerseits für einen europaweit einheitlichen Zugang zum offenen Internet.<br />

(Quelle: Bundesregierung, 3.8.<strong>2016</strong>)<br />

Datenverkehr<br />

Einheitlicher Zugang zum<br />

offenen Internet<br />

Thema des Monats<br />

Was muss bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

beachtet werden?<br />

Von Bürovorsteher i.R. Hans May, Warendorf<br />

I. Einleitung<br />

Der Gesetzgeber hat beim Prozesskostenhilferecht einige Änderungen und Ergänzungen,<br />

die am 1.1.2014 in Kraft getreten sind, vorgenommen. Die Einzelheiten über die<br />

Prozesskostenhilfe ergeben sich aus den §§ 114–127 ZPO.<br />

II. Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe<br />

Prozesskostenhilfe bekommt nach § 114 ZPO derjenige,<br />

• der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der<br />

Lage ist, die Kosten der Prozessführung komplett, nur zum Teil oder nur in Raten<br />

aufzubringen,<br />

• dessen beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend<br />

Aussicht auf Erfolg bietet,<br />

• dessen beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig<br />

erscheint.<br />

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sowohl der Kläger als auch der<br />

Beklagte Prozesskostenhilfe erhalten. Auch eine Partei kraft Amtes (Insolvenzverwalter,<br />

Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger), eine juristische Person (Aktiengesellschaft<br />

oder GmbH) oder eine parteifähige Vereinigung (offene Handelsgesellschaft,<br />

Kommanditgesellschaft) kann Prozesskostenhilfe beantragen.<br />

III. Antragstellung<br />

Gemäß § 117 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 ZPO ist zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

die Stellung eines entsprechenden Antrags erforderlich. Der Antrag kann schriftlich<br />

oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden.<br />

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Thema des Monats<br />

Über den Antrag entscheidet das Gericht, bei dem der Prozess anhängig ist. Der Antrag<br />

kann aber auch bereits vor Klageerhebung gestellt werden; dann entscheidet das<br />

Gericht, bei dem der Prozess anhängig gemacht werden soll; in diesem Fall wird über<br />

die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zunächst ein isoliertes Verfahren durchgeführt.<br />

Gemäß § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO ist mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

unbedingt eine Darstellung des Sachverhalts, für den Prozesskostenhilfe<br />

bewilligt werden soll, einzureichen; nur anhand dieser Darstellung kann das Prozessgericht,<br />

bei dem der Antrag eingereicht werden muss, prüfen, ob die beabsichtigte<br />

Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg bietet. Aus der<br />

Darstellung des Sachverhalts muss sich für das Gericht die vom Gesetz geforderte<br />

„hinreichende Aussicht auf Erfolg“ schlüssig ergeben. Zu dieser Darstellung des<br />

Sachverhalts kann der Antragsgegner Stellung nehmen.<br />

Es erfolgt jetzt durch das Gericht eine summarische Vorprüfung. Für eine Bewilligung<br />

der Prozesskostenhilfe muss der Verfahrensausgang zumindest offen sein, da er ggf.<br />

letztlich erst im Rahmen einer Beweiserhebung geklärt werden kann.<br />

Sollte die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur zum Teil hinreichende<br />

Aussicht auf Erfolg haben, erfolgt auch nur für diesen Teil die Bewilligung.<br />

Sofern der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zusammen mit der Klage<br />

eingereicht wird, ergibt sich aus der Klagebegründung selbst der Sachverhalt.<br />

IV. Bedingte/unbedingte Klage<br />

Die Klage kann „bedingt“ oder „unbedingt“ eingereicht werden.<br />

Bei der bedingten Klageeinreichung wird diese zunächst im Entwurf übersandt; sie<br />

wird erst anhängig, wenn dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

stattgegeben wird.<br />

Bei der unbedingten Klageeinreichung mit dem gleichzeitigen Antrag auf Bewilligung<br />

von Prozesskostenhilfe wird das Klageverfahren unabhängig von der Bewilligung<br />

von Prozesskostenhilfe fortgeführt.<br />

V. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse<br />

Gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO ist dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

einschließlich Nachweis durch entsprechende Belege beizufügen. Belege können z.B.<br />

Kontoauszüge, Sparbücher, Lohnabrechnungen oder Versicherungsscheine sein; für<br />

diese Erklärung gibt es ein Formular, welches benutzt werden muss (§ 117 Abs. 4<br />

ZPO); der Antragsteller muss in diesem Formular wahrheitsgemäße Angaben zu<br />

Familienverhältnissen, Beruf, Vermögen, Einkommen und Belastungen machen.<br />

Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den<br />

vorgelegten Belegen darf dem Antragsgegner nur mit Zustimmung des Antragstellers<br />

übersandt werden.<br />

VI. Keine Mutwilligkeit<br />

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt weiter voraus, dass die Rechtsverfolgung<br />

oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig erscheint.<br />

Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dann<br />

mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger<br />

Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung<br />

Zuständiges Gericht<br />

Darstellung des Sachverhalts<br />

Vorprüfung durch das Gericht<br />

Klageeinreichung<br />

Übersendung an Antragsgegner<br />

Mutwillige Rechtsverfolgung/<br />

Rechtsverteidigung<br />

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Thema des Monats<br />

absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe; als mutwillig<br />

gilt ein Prozess z.B. dann, wenn bei bestehender Erfolgsaussicht eine wirtschaftlich<br />

gut gestellte Person eine Klage dennoch nicht erheben würde, z.B. wegen unverhältnismäßig<br />

hoher Prozesskosten im Verhältnis zum erreichbaren Ziel.<br />

Mutwilligkeit beim Antragsgegner wird teilweise dann angenommen, wenn sich der<br />

Gegner nicht zum PKH-Antrag äußert, und zwar deshalb nicht, weil im PKH-Bewilligungsverfahren<br />

gem. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO eine Kostenerstattung nicht stattfindet;<br />

dazu hat das OLG Köln am 12.9.2013 entschieden: „Einem Antragsgegner, der sich<br />

im Verfahrenskostenhilfeverfahren des Antragstellers nicht zu dessen Sachvortrag<br />

äußert, insbesondere auf Aufforderungsschreiben zur Stellungnahme nicht reagiert,<br />

kann im Grundsatz die Bewilligung (eigener) Verfahrenskostenhilfe unter dem<br />

Gesichtspunkt der Mutwilligkeit versagt werden.“<br />

VII. Prozesskostenhilfe in der Zwangsvollstreckung<br />

Auch hier muss gesondert Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt werden (§ 48<br />

Abs. 5 S. 2 Nr. 1 RVG); die vorher ggf. in dem Prozess bereits bewilligte Prozesskostenhilfe<br />

reicht nicht aus. Nach § 117 Abs. 1 S. 3 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung<br />

von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung bei dem für die Zwangsvollstreckung<br />

zuständigen Gericht zu stellen, und zwar nicht nur für den Gläubiger, sondern<br />

auch für den Schuldner, der sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen wehren will.<br />

Oft ist es so, dass für die Zwangsvollstreckung Prozesskostenhilfe ohne Beiordnung<br />

eines Anwalts bewilligt wird, das führt dann nur zur Befreiung von Gerichts- und<br />

Gerichtsvollzieherkosten. Die Beiordnung eines Anwalts wird oft abgelehnt mit der<br />

Begründung, ein Anwalt sei nicht erforderlich; die Partei könne die Vollstreckungshandlung<br />

selbst in die Wege leiten oder die Rechtsantragsstelle des Gerichts bemühen;<br />

in diesem Fall erhält der Anwalt keine Vergütung aus der Staatskasse, da hier<br />

die Beiordnung fehlt.<br />

Gemäß § 119 Abs. 2 ZPO umfasst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die<br />

Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen alle Vollstreckungshandlungen im<br />

Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der<br />

eidesstattlichen Versicherung.<br />

Aus § 45 RVG ergibt sich, dass der Anwalt, der der Partei beigeordnet wurde, seine<br />

Vergütung aus der Landeskasse erhält; § 46 RVG sagt, dass Auslagen, insbesondere<br />

Reisekosten, nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der<br />

Angelegenheit nicht erforderlich waren; gem. § 47 RVG kann der Rechtsanwalt für<br />

die entstandenen Gebühren sowie die entstandenen und voraussichtlich entstehenden<br />

Auslagen einen angemessenen Vorschuss aus der Staatskasse fordern, der<br />

Umfang des Anspruchs und der Beiordnung sind in § 48 RVG geregelt.<br />

VIII. Ablehnung der Prozesskostenhilfe oder Aufhebung der Bewilligung von<br />

Prozesskostenhilfe<br />

Nach § 118 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

ablehnen, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Stellungnahmefrist<br />

seine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

nicht glaubhaft macht oder er bestimmte Fragen des Gerichts nicht oder nur ungenügend<br />

beantwortet.<br />

Die Abänderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen nachträglicher<br />

Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers<br />

ist umfassend neu in § 120a ZPO geregelt worden; danach soll das Gericht die<br />

Mutwilligkeit beim Antragsgegner<br />

Beiordnung eines Anwalts<br />

Vollstreckungshandlungen<br />

Vergütung des Anwalts aus<br />

der Landeskasse<br />

Nachträgliche Änderungen<br />

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Thema des Monats<br />

Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die<br />

Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

wesentlich geändert haben; auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit<br />

erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist, wobei eine Änderung<br />

zum Nachteil der Partei ausgeschlossen bleibt, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung<br />

oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.<br />

Verbessern sich demnach die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder<br />

ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.<br />

Der Antragsteller ist somit stets eigenständig verpflichtet, wesentliche Änderungen<br />

in den Vermögensverhältnissen und seiner Anschrift mitzuteilen. Was wesentlich ist,<br />

bestimmt § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO.<br />

Die Voraussetzungen der Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach<br />

§ 124 ZPO sind verschärft worden. Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen<br />

des § 124 ZPO kein Ermessen mehr gegeben, was mit den Mitteilungspflichten<br />

des bedürftigen Antragstellers, die sich aus § 120a Abs. 2 ZPO<br />

ergeben, im Zusammenhang steht.<br />

Gemäß § 115 Abs. 5 Nr. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies<br />

zumutbar ist. Das Gericht setzt dann gem. § 120 ZPO von der Partei zu zahlende<br />

Monatsraten fest; das Gericht kann aber auch eine Einmalzahlung aus dem Vermögen<br />

des Antragstellers festsetzen, z.B. bei vorhandenem Sparguthaben.<br />

Die bewilligte Prozesskostenhilfe ist gem. § 127 Abs. 3 ZPO nur durch die Staatskasse<br />

mit der sofortigen Beschwerde angreifbar, wenn weder Monatsraten noch aus dem<br />

Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt wurden.<br />

Sofern die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt wird, ist gegen diesen<br />

Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, die sofortige Beschwerde<br />

innerhalb einer Notfrist von einem Monat zulässig. Über diese sofortige Beschwerde<br />

entscheidet das Gericht des ersten Rechtszugs oder das Gericht des höheren Rechtszugs,<br />

wenn das Verfahren dort anhängig ist.<br />

Bei der sofortigen Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfeablehnung ist zu beachten,<br />

dass der Streitwert der Hauptsache 600 EUR übersteigen muss, es sei denn, die<br />

Prozesskostenhilfe wurde ausschließlich wegen der persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse des Antragstellers abgelehnt; dann gilt dieser Mindestwert nicht.<br />

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (§ 119<br />

ZPO); für die Berufung muss die PKH-Bewilligung und die Beiordnung somit erneut<br />

erfolgen. Es wird oft übersehen, einen entsprechenden Antrag zu stellen; gleiches gilt<br />

für eine Klageerhöhung oder für die Erhebung der Widerklage, wenn bisher nur für<br />

die Klageabweisung Prozesskostenhilfe bewilligt war.<br />

Mitteilung wesentlicher<br />

Änderungen<br />

Aufhebung der Bewilligung<br />

Rechtszug<br />

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Büromanagement<br />

Das richtig abgestempelte Empfangsbekenntnis<br />

Von Rechtswirtin Carmen Wolf, Koblenz<br />

Gemäß § 174 ZPO kann einem Anwalt (und anderen bestimmten Personen) ein<br />

Schriftstück gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Zum Nachweis der<br />

Zustellung, die unter Umständen Fristen in Gang setzt, genügt das mit Datum und<br />

Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht<br />

zurückzusenden ist.<br />

Bei der Zustellung eines fristgebundenen Schriftstücks an den Prozessbevollmächtigten<br />

der Partei nach § 174 ZPO kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der<br />

Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat.<br />

Wie der BGH wiederholt bestätigt hat, darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis<br />

nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten<br />

die (Rechtsmittel-)Frist festgehalten und vermerkt und dass sie im Fristenkalender<br />

notiert worden ist (BGH, Beschl. v. 5.11.2002 – VI ZR 399/01, BGH, Beschl. v.<br />

26.3.1996 – VI ZB 1/96, VI ZR 2/96 sowie BGH, Beschl. v. 30.11.1994 – XII ZB<br />

197/94). Um nicht Gefahr zu laufen, im Falle eines Falles mit einem Wiedereinsetzungsgesuch<br />

zu scheitern, darf von diesem Grundsatz – zuerst die Notierung der<br />

Frist(en) und dann (nach Prüfung) die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />

(mit Datum der Zustellung) – nicht abgewichen werden.<br />

Maßgeblich für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist ist nicht der Eingangsstempel<br />

(Zugang in der Kanzlei), weil dieser Stempel für den Zeitpunkt der Zustellung<br />

an die legitimierte Person grundsätzlich nichts besagt, sondern alleine das Datum,<br />

an dem das Empfangsbekenntnis von der dazu legitimierten Person (i.d.R. der<br />

Rechtsanwalt) unterzeichnet worden ist (Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den<br />

Rechtsanwalt; vgl. BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – VI ZR 362/95, erneuert: BGH, Beschl.<br />

v. 12.1.2010 – VI ZB 64/09).<br />

Das Datum des Eingangsstempels und der maßgebliche Zustellungszeitpunkt können<br />

also (in vielen Fällen!) durchaus voneinander abweichen.<br />

Der übliche Ablauf in der Anwaltskanzlei wird wie folgt sein:<br />

• Brief öffnen,<br />

• Empfangsbekenntnis mit Eingangsstempel versehen,<br />

• Fristen notieren und Vermerk, dass (welche) Fristen notiert wurden,<br />

• Rechtsanwalt zur Unterschrift vorlegen.<br />

Dabei wird in vielen Kanzleien der „fehlerhafte Weg“, in dem das Empfangsbekenntnis<br />

an der für den Ort der Eintragung des maßgeblichen Zustellungsdatums vorgesehenen<br />

Stelle gestempelt wird, gegangen, was fatale Folgen haben kann: Was hätte<br />

passieren können, wenn der Anwalt die Post erst am 23.6.<strong>2016</strong> zu Gesicht bekommen<br />

hätte?<br />

Fristbeginn<br />

Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />

Stempel an der falschen Stelle<br />

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7


Büromanagement<br />

Spontan könnte man sagen: Nichts, denn die Fristen wurden ab Eingang am<br />

22.6.<strong>2016</strong> berechnet und wenn der Anwalt die Sache erst später zur Kenntnis<br />

nehmen würde, aber so unterzeichnet, ist die Fristberechnung ja richtig!<br />

Aber die Praxis zeigt es, wie folgender Beispielsfall belegt, anders auf:<br />

Die Tagespost, also das Empfangsbekenntnis, das zusammen mit den fristgebundenen<br />

Schriftstücken am 22.6.<strong>2016</strong> in der Kanzlei eingegangen ist, findet der sachbearbeitende<br />

Rechtsanwalt aufgrund auswärtiger Termine erst am 23.6.<strong>2016</strong> in seinem<br />

Büro auf dem Tisch vor. Er prüft die Post, sieht einen Eintrag, dass die Monatsfrist<br />

notiert ist und notiert sich diese selbst zusätzlich – auf Montag, den 25.7.<strong>2016</strong>, weil<br />

er das Tagesdatum im Kopf hat und ihm nicht auffällt, dass der Kanzleistempel mit<br />

dem Datum von gestern aufgedrückt ist.<br />

Das Empfangsbekenntnis wird vom Anwalt (bloß!) unterzeichnet und zurückgesandt.<br />

Kurz vor Ablauf der Monatsfrist (zur Vorfrist) wird dem Anwalt die Akte vorgelegt; da<br />

dieser wegen einer Vielzahl von fristgebundenen Mandaten unter Druck steht, prüft<br />

er die notierte Frist und gibt dem Sekretariat die Anweisung, die auf den 22.7.<strong>2016</strong><br />

vom Sekretariat notierte Frist auf Montag, den 25.7.2015 umzunotieren, weil er das<br />

Schriftstück – das bestätigt auch sein Terminkalender – erst am 23.6.<strong>2016</strong> zur<br />

Kenntnis habe nehmen können. Auf diese Weise gewinnt er noch ein wenig Zeit.<br />

Gesagt getan: Das am (vermeintlichen) Tag des Fristablaufs eingelegte Rechtsmittel<br />

ist verspätet. Widereinsetzung in den vorherigen Stand? Fehlanzeige! Das hat der<br />

BGH schon oft genug bestätigt. Und das, obwohl der Anwalt ja die Frist richtig<br />

berechnet hat. Er hat aber nicht selbst das maßgebliche Datum eingetragen, sondern<br />

sich auf den Eingangsstempel verlassen.<br />

Es empfiehlt sich daher, wie folgt vorzugehen:<br />

Empfohlene Vorgehensweise<br />

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Büromanagement<br />

• Brief öffnen,<br />

• Empfangsbekenntnis mit Eingangsstempel versehen, aber oberhalb der auszufüllenden<br />

Zeilen,<br />

• Fristen notieren und Vermerk, dass (welche) Fristen notiert wurden,<br />

• Rechtsanwalt zur Unterschrift vorlegen,<br />

• Rechtsanwalt vervollständigt Datum und Unterschrift.<br />

Wenn man sich obiges Beispiel vor Augen führt, sieht das etwa so aus, wie im<br />

vorstehenden Schaubild: Was wäre passiert, wenn der Anwalt bei Vorfrist die<br />

Einzelanweisung gegeben hätte, die Frist auf den 25.7.<strong>2016</strong> umzunotieren? Nichts.<br />

Denn die am 25.7.<strong>2016</strong> eingegangene Rechtsmittelschrift wäre auf jeden Fall<br />

rechtzeitig.<br />

Wenn Zugangs- und maßgeblicher Zustellungszeitpunkt auseinanderfallen, ist dies<br />

auch kein Problem (vgl. auch die oben aufgeführten Fundstellen), denn durch den<br />

handschriftlichen Eintrag des Zustellungszeitpunkts durch den Anwalt ist klar<br />

festgehalten, wann er – der Anwalt – das Schriftstück zur Kenntnis genommen hat<br />

und somit wann der Lauf etwaiger Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt wurde.<br />

Handschriftlicher Eintrag des<br />

Zustellungszeitpunkts<br />

Tipp!<br />

Weichen Eingangszeitpunkt in der Kanzlei und Zustellungszeitpunkt an die<br />

legitimierte Person voneinander ab, sollte man sich vor Rücksendung des Empfangsbekenntnisses<br />

eine (Scan-)Kopie fertigen. Dann ist auch jederzeit in den<br />

Handakten nachvollziehbar, warum eine Frist vielleicht später abläuft, als auf den<br />

ersten Blick vermutet würde.<br />

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Gebührenpraxis<br />

Anwalt/Mandant/Rechtsschutzversicherung – Das Quotenvorrecht:<br />

Vermeiden Sie Haftungsgefahren; Sichern Sie den Vorteil für den<br />

Mandanten!<br />

Von Rechtswirtin Carmen Wolf, Koblenz<br />

Ist der Mandant rechtsschutzversichert, erteilt diese Deckungszusage und zahlt die<br />

Kosten und Gebühren des beauftragten Rechtsanwalts, so geht der Anspruch des<br />

Mandanten auf Kostenerstattung (durch Gegner oder gegnerische Versicherung oder<br />

auch – z.B. bei einer entsprechenden Einigung – durch Dritte) auf den Rechtsschutzversicherer<br />

gem. § 86 VVG über. Damit wird der Rechtsschutzversicherer selbst<br />

Gläubiger von in Kostenfestsetzungsbeschlüssen titulierten Erstattungsansprüchen<br />

oder auch anderen, materiell-rechtlichen Erstattungsansprüchen, die (noch) nicht<br />

tituliert sind. Erstattet der Gegner, die dahinterstehende Versicherung oder ein Dritter<br />

solche Kosten, so sind diese also dem Rechtsschutzversicherer zurückzugewähren<br />

(ggf., was aber hier nicht Thema sein soll, kann der Rechtsschutzversicherer auch<br />

einen Kostenfestsetzungsbeschluss umschreiben lassen, um selbst zu vollstrecken<br />

und – falls ein Titel nicht existiert – aus einem materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch<br />

selber klagen).<br />

Hat der Mandant mit seinem Rechtsschutzversicherer eine Selbstbeteiligung vereinbart,<br />

so findet seitens des Rechtsschutzversicherers an den beauftragten Rechtsanwalt<br />

lediglich eine anteilige Kostenübernahme statt, nämlich die zu zahlenden<br />

Gebühren und Auslagen abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung, die der<br />

Mandant dann an den Auftraggeber zu leisten hat. Erfolgt bei einer solchen Konstellation<br />

dann eine Kostenerstattung durch z.B. den Gegner, tun sich viele mit der<br />

Berechnung der (an wen?) auszukehrenden Beträge schwerer als nötig: Denn das<br />

Quotenvorrecht des § 86 VVG ist nach herrschender Meinung auch bei der Rechtsschutzversicherung<br />

anzuwenden. Und hiernach stehen Zahlungen des erstattungspflichtigen<br />

Gegners stets erst dem Mandanten (Versicherungsnehmer) bis zur Höhe<br />

der geleisteten Selbstbeteiligung (vgl. AG Köln, Urt. v. 5.7.2006, Az. 135 C 157/06<br />

– Urteil erging noch zum VVG a.F., dort § 67) oder andere, für diesen Rechtsfall<br />

aufgewendeten Kosten und Gebühren zu. Das bedeutet also: Reicht der Ersatzanspruch<br />

des Gegners (oder Dritten) nicht aus, um den beim Mandanten gebliebenen<br />

und den auf den Versicherer übergegangenen Anspruch vollständig auszugleichen, so<br />

darf der geschädigte Versicherungsnehmer aus der Kostenerstattung des Gegners<br />

bzw. Dritten die von der Rechtsschutzversicherung nicht gedeckten Positionen vorab<br />

entnehmen.<br />

Nach herrschender Meinung gilt das Quotenvorrecht für sämtliche Rechtsverfolgungskosten,<br />

die beim Rechtsschutzversicherer nicht gedeckt sind, demnach gilt dies<br />

nicht nur für etwaige Selbstbeteiligungen, sondern auch für beispielsweise nicht<br />

versicherte Reisekosten und Abwesenheitsgelder des Anwalts oder der Partei, soweit<br />

diese denn erstattet werden.<br />

Selbstbeteiligung<br />

Geltung des Quotenvorrechts<br />

Beispiel:<br />

Der Mandant führt einen Rechtsstreit über 5.000 EUR; es findet ein Verhandlungstermin<br />

statt, im Anschluss hieran ergeht ein Urteil, nachdem die Gegenseite<br />

3.000 EUR und dem folgend 60 % der Verfahrenskosten zu zahlen hat. Der<br />

Mandant ist rechtsschutzversichert und hat eine (Brutto-)Selbstbeteiligung in<br />

Höhe von 250 EUR vereinbart. Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder, die hier mit<br />

72,50 EUR und 40 EUR zu Buche schlagen, übernimmt die Rechtsschutzversicherung<br />

nicht.<br />

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Gebührenpraxis<br />

Insgesamt fallen folgende Kosten und Gebühren an:<br />

Satz<br />

Bezeichnung<br />

1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG 393,90 EUR<br />

1,2 Terminsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 3104 VV RVG 363,60 EUR<br />

Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen,<br />

Nr. 7002 VV RVG<br />

Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kfz, Nr. 7003 VV RVG<br />

5 Tage- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise, Nr. 7005 VV<br />

RVG<br />

Zwischensumme: 890,00 EUR<br />

20,00 EUR<br />

72,50 EUR<br />

40,00 EUR<br />

19 % Umsatzsteuer von 890 EUR, Nr. 7008 VV RVG 169,10 EUR<br />

3,00 Gerichtskosten 438,00 EUR<br />

Summe<br />

1.497,10 EUR<br />

Die Rechtschutzversicherung zahlt die Vorschussrechnung des Anwalts wie folgt:<br />

Satz Bezeichnung<br />

1,30 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG 393,90 EUR<br />

1,20 Terminsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 3104 VV RVG 363,60 EUR<br />

Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen,<br />

20,00 EUR<br />

Nr. 7002 VV RVG<br />

./. Selbstbeteiligung (netto) - 210,09 EUR<br />

Zwischensumme: 567,41 EUR<br />

19 % Umsatzsteuer von 567,41 EUR, Nr. 7008 VV RVG 107,81 EUR<br />

3,00 Gerichtskosten 438,00 EUR<br />

Summe<br />

1.113,22 EUR<br />

Der Mandant zahlt die von der Rechtsschutzversicherung abgelehnten Fahrt- und<br />

Abwesenheitsgelder sowie die Selbstbeteiligung wie folgt:<br />

Bezeichnung<br />

Selbstbeteiligung<br />

210,09 EUR<br />

Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kfz, Nr. 7003 VV RVG<br />

72,50 EUR<br />

Tage- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise, Nr. 7005 VV RVG<br />

40,00 EUR<br />

Zwischensumme: 322,59 EUR<br />

19 % Umsatzsteuer von 322,59 EUR, Nr. 7008 VV RVG 61,29 EUR<br />

Summe:<br />

383,88 EUR<br />

Sodann findet die Kostenausgleichung vor dem Gericht statt: Zur Ausgleichung<br />

werden die vollen, beim Rechtsanwalt angefallenen Beträge berücksichtigt, mithin<br />

1.497,10 EUR: Die Gegenseite meldet Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Auslagen<br />

plus Mehrwertsteuer mit insgesamt 925,23 EUR an. Auszugleichen sind insgesamt<br />

2.422,33 EUR. Der von der Gegenseite insgesamt zu übernehmende Betrag beträgt<br />

1.453,40 EUR; die Gegenseite hatte eigene Kosten in Höhe von 925,23 EUR, so dass<br />

sie (1.453,40 EUR - 925,23 EUR) einen Betrag in Höhe von 528,17 EUR an die<br />

Mandantin (oder Rechtsschutzversicherung der Mandantin?) zu erstatten hat.<br />

Wer bekommt was?<br />

Da hier das Quotenvorrecht greift, kann sich der Mandant zuerst aus dem Erstattungstopf<br />

„bedienen“ und sich die vorgelegten Kosten zurückzahlen lassen, mithin<br />

383,88 EUR.<br />

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Gebührenpraxis<br />

Die Rechtsschutzversicherung erhält somit:<br />

Zahlungseingang<br />

528,17 EUR<br />

./. Zahlung an den Mandanten - 383,88 EUR<br />

Ausschüttung an Rechtsschutzversicherung<br />

Tipp!<br />

144,29 EUR<br />

Fordern Sie stets Vorschussrechnungen (etwa in Höhe von Verfahrens- und<br />

Terminsgebühr) beim Rechtsschutzversicherer ein; wenn dieser gezahlt hat, kann<br />

dann Ihre Kanzlei den (nach Quoten) erstatteten Betrag selbst „verteilen“ und<br />

dabei das Quotenvorrecht des Mandanten berücksichtigen.<br />

Haben Sie keine Vorschussrechnungen an die Rechtsschutzversicherung gestellt,<br />

wird es oft schwierig, denn regelmäßig wird die Versicherung sich im Nachhinein<br />

sträuben, unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts zu zahlen, was dann bedeutet,<br />

dass Sie um Ihr Honorar kämpfen müssen! In diesem Falle sei dann angeraten,<br />

vor Gericht das Kostenausgleichungsverfahren zu verweigern und auf getrennte<br />

Kostenfestsetzung der jeweiligen Ansprüche zu bestehen: Der Rechtsschutzversicherer<br />

muss dann den Anspruch des Gegners ausgleichen und erhält nach Kostenerstattung<br />

durch die Gegenseite nur den nach Abzug der nicht gedeckten Kosten<br />

verbleibenden Betrag, womit ein Streit dann umgangen ist (sofern der Erstattungsbetrag<br />

die nicht gedeckten Kosten erreicht bzw. übersteigt).<br />

Doch auch schon im Rahmen der Prozessbeendigung (etwa beim Vergleich) kann der<br />

Rechtsanwalt für die Günstigerstellung des Mandanten sorgen: Einigt man sich<br />

beispielsweise auf die Hälfte der Forderung, sollte auf keinen Fall die Kostenaufhebung<br />

– jeder zahlt seine eigenen Anwaltskosten, die angefallenen Gerichtskosten<br />

werden hälftig geteilt – vereinbart werden: Denn hier erfolgt keine Kostenerstattung<br />

und da rückzuzahlende Gerichtskosten nach wohl zutreffender Meinung (AG<br />

Kempten, Urt. v. 29.11.2010 – 4 C 1178/10; anders, aber wohl unzutreffend: AG<br />

Wetzlar, Urt. v. 27.6.2006, 30 C 588/06; vgl. auch AnwBl. 7 /2012) vom Quotenvorrecht<br />

nicht erfasst werden (§ 86 Abs. 2 S. 2 VVG setzt einen Schadensersatzanspruch,<br />

also eine Kostenerstattung voraus), können diese nicht zugunsten des<br />

Mandanten berücksichtigt werden. Die bei einer Kostenaufhebung nach Vergleich<br />

(ohne Überhang) zurückerstatteten Gerichtskosten (in Zivilverfahren I. Instanz 2,0)<br />

sind vollen Umfangs an den Rechtsschutzversicherer – der damit auch in Vorlage<br />

getreten ist – zurückzuerstatten; nur der auszugleichende Teil (50 % von 1,0<br />

Gerichtsgebühren) ist dann bei der Erstattung durch den Gegner (= Kostenerstattung<br />

= Schadensersatzanspruch) quotenbevorrechtigt für den Mandanten zu berücksichtigen.<br />

In einem solchen Falle sollte also eine Kostenverteilung 50:50 vereinbart<br />

werden, nicht die Kostenaufhebung. Diese Vereinbarung ermöglicht nämlich wiederum<br />

die getrennte Festsetzung (s.o.).<br />

Prozessbeendigung<br />

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12


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Carmen Wolf<br />

Rechtswirtin in Koblenz<br />

Erscheinungsweise:<br />

monatlich, nur als PDF, nicht im Print<br />

Bezugspreis (jährlich):<br />

69,- EUR zzgl. MwSt.<br />

Bestellungen:<br />

Über jede Buchhandlung und beim Verlag. Abbestellungen müssen<br />

6 Wochen zum Jahresende gegenüber dem Verlag erfolgen.<br />

ZAP Verlag GmbH<br />

Rochusstraße 2–4 · 53123 Bonn<br />

Tel.: 0228-91911-65 · Fax: 0228-91911-66<br />

service@zap-verlag.de<br />

Ansprechpartnerin im Verlag:<br />

Teresa Feldkirchner<br />

Exklusive preisreduzierte Mängelexemplare für Kanzleimitarbeiter/innen<br />

gibt es unter: www.zap-verlag.de/anwaltbuero-Leserbereich<br />

Das gültige Passwort finden Sie in der E-Mail der aktuellen Ausgabe.<br />

Hinweis:<br />

Die Ausführungen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt und nach<br />

bestem Wissen erstellt. Sie stellen jedoch lediglich Arbeitshilfen und<br />

Anregungen für die Lösung typischer Fallgestaltungen dar. Die<br />

Eigenverantwortung für die Formulierung von Verträgen, Verfügungen<br />

und Schriftsätzen trägt der Benutzer. Herausgeber, Autoren und Verlag<br />

übernehmen keinerlei Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit<br />

der in diesem <strong>Infobrief</strong> enthaltenen Ausführungen.<br />

Hinweise zum Urheberrecht:<br />

Die Inhalte dieses <strong>Infobrief</strong>s wurden mit erheblichem Aufwand<br />

recherchiert und bearbeitet. Sie sind für den Abonnenten zur ausschließlichen<br />

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Dementsprechend gilt Folgendes:<br />

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Form) der Informationen aus diesem <strong>Infobrief</strong> darf nur unter<br />

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bildliche oder tabellarische Darstellungen von Informationen aus<br />

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