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Music, Body and Stage

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Operapoint<br />

Zeitschrift für Oper und Konzert - unabhängig - publikumsnah Jahrgang 8, Heft 2, 2008<br />

Einzelpreis Euro 4,80<br />

Festivaldaten in Deutschl<strong>and</strong> und Europa 2008<br />

Premierenkritiken zahlreicher Opernhäuser von Februar bis April 2008


Inhalt<br />

Tosca von Giacomo Puccini im Teatro dell’ Opera in Rom<br />

Olaf Zenner .................................................................................................................................................. S. 4<br />

Universität der Stadt New York: <strong>Music</strong>, <strong>Body</strong> <strong>and</strong> <strong>Stage</strong>-Konferenz<br />

Martin Knust .................................................................................................................................................S. 6<br />

Thema<br />

Warum machen Menschen Musik?<br />

Olaf Zenner ...................................................................................................................................................S. 8<br />

Interview mit dem portugiesischen Kulturstaatssekretär ........................S. 11<br />

Informationen aus aller Welt ..................................................................................................S. 13<br />

Zwei Meldungen von Johann Sebastian Bach<br />

Olaf Zenner .................................................................................................................................................S. 15<br />

Opernaufführungen im Ausl<strong>and</strong><br />

London, Lüttich, New York und Zürich++ .........................................................................................S. 16<br />

Opernaufführungen in Deutschl<strong>and</strong><br />

Aachen, Bayreuth, Berlin, Bonn, Bremen, Chemnitz, Dessau, Dortmund,<br />

Dresden, Duisburg, Erfurt, Essen, Gelsenkirchen, Greifswald, Koblenz, Köln,<br />

Krefeld, Stuttgart, München .....................................................................................................................S. 23<br />

Neue CDs ..........................................................................................................................................S. 48<br />

Impressum ...................................................................................................................................................S. 52<br />

Titelbild: Floria Tosca (Mirtò Papatanasiu) vor dem getöteten Scarpia (Silvio Zanon)<br />

2


Editorial<br />

Endlich einmal eine überzeugende Inszenierung einer veristischen<br />

Oper! Zum einhundertfünfzigsten Gegburtstag von Giacomo Puccini<br />

hat Franco Zeffi relli in der römischen Oper Tosca inszeniert, was wir<br />

zum Anlaß nehmen, das vorliegende zweite Heft des Jahrgangs 2008<br />

von Operapoint mit einer Rezension dieser denkwürdigen Aufführung zu<br />

eröffnen. Ein eindrucksvolles Szenenbild aus dem zweiten Akt der Oper<br />

ziert unser Heft.<br />

Eine ganz neue Perspektive in der Opernforschung bringt der Bericht über<br />

die Ikonographie der Oper. Dabei wird das aus der 400jährigen Geschichte<br />

der Oper überlieferte Bildmaterial musikwissenschaftlich gesichtet. Hier ist<br />

eine Verbindung zwischen Kunst- und Musikwissenschaft in die Tat umgesetzt.<br />

Häufi g wird über die Verbindung zwischen verschiedenen Kunstrichtungen<br />

referiert, doch selten kommt es zu einem tatsächlichen Austausch<br />

wie hier geschehen. Ohnehin ist die Oper eine Verbindung verschiedenster<br />

Künste. Wenn man das Singen in den Opern als Allerwichtigstes herausstellt,<br />

ist das eigentlich eine – mit Verlaub – schmalspurige Auslegung des<br />

Kunstwerks Oper oder Musiktheater.<br />

Damit Operapoint sich besser lesen läßt, haben wir ab jetzt eine neue<br />

Schrift gewählt und hoffen, daß auch Sie als unsere Leser es gut fi nden.<br />

Im Thema des Hefts: Warum machen Menschen Musik? werden Überlegungen<br />

angestellt, über die man sich normalerweise kaum Gedanken macht.<br />

Aber die allenthalben monierte Umweltverschmutzung hat noch eine<br />

Begleiterin: die die Menschen belastende Musikberieselung in Kaufhäusern,<br />

Hotelhallen, Aufzügen, Restaurants etc. Dabei kann der Mensch<br />

ja weder weghören noch seine Ohren verschließen, wie er das mit den<br />

Augen tut, die man nach Belieben schließen und wegdrehen kann. Aber<br />

noch etwas <strong>and</strong>eres ist anzumerken: die auf Tonträgern überall und zu<br />

jeder Zeit verfügbare Musik mit hervorragenden Interpreten läßt das eigene<br />

Musizieren mit Instrument oder Stimme stark in den Hintergrund<br />

treten. Daher ist es nach meinem Dafürhalten gut, über die Möglichkeit<br />

einer Harmonisierung der zwei Naturen im Menschen, der Gefühle<br />

(Triebe) und des Verst<strong>and</strong>es, mit Hilfe der Musik nachzudenken.<br />

Weiterhin fi nden Sie im Heft wieder zahlreiche Rezensionen aus dem<br />

Ausl<strong>and</strong> und Deutschl<strong>and</strong>. Wir werden diese kurzgefaßten Rezensionen<br />

noch vermehren, um Ihnen damit eine Möglichkeit an die H<strong>and</strong> zu geben,<br />

sich vor Ihrem Opernbesuch in knapper Form zu orientieren.<br />

Einige CD-Besprechungen beschließen das Heft.<br />

Im kommenden Heft 3 werden Sie sehr viele weitere CD- und DVD-<br />

Informationen fi nden. Gerade Opern-DVDs kommen ja in letzter Zeit<br />

in sehr großer Zahl auf den Markt.<br />

In der Hoffnung, daß Sie bei der Lektüre des Hefts Vergnügen haben<br />

und einiges Neues entdecken,<br />

verbleibe ich mit herzlichen Grüßen<br />

3


Tosca von Giacomo Puccini<br />

im Teatro dell’ Opera in Rom<br />

Dem vor einhundertfünfzig Jahren (1858) geborenen Giacomo Puccini erwies die römische Oper ihre Reverenz<br />

und spielte Tosca im Januar und April 2008 in jeweils zwei Serien von acht und fünf Aufführungen. Die Oper<br />

erlebte ihre Uraufführung am 14. Januar 1900 im Teatro Costanzi, heute Teatro dell’Opera. Den jetzt 85jährige<br />

Franco Zeffirelli kann man wohl zu den bekanntesten Opernregisseuren rechnen. Operapoint besuchte<br />

die letzte Aufführung am 27. April 2008, Zeffirelli war anwesend. La Tosca ist sicher die bekannteste aller<br />

Puccini-Opern, was wahrscheinlich auch auf den gleichnamigen Film von Brian Large 1992 mit Catharine<br />

Malfitano, Plácido Domingo und Ruggiero Raimondi zurückgeführt werden kann.<br />

Als Vorlage seiner Oper nahm Puccini ein seinerzeit<br />

berühmtes Theaterstück La Tosca von Victorien Sardou<br />

(1831-1908). Dieser französische Theaterdichter war<br />

bekannt für seine mit Überraschungscoups gewürzten<br />

Schauspiele. Puccini unterwarf seine Oper dem Stil des<br />

Verismo (vero-wahr), einem gegen Ende des 19. Jh.s<br />

in Mode stehenden Theaterstil. Beispiele dafür waren<br />

Cavalleria rusticana (Mascagni) und I Pagliacci-Der Bajazzo<br />

(Leoncavallo). Die H<strong>and</strong>lung sollte ungeschminkt<br />

dargestellt werden: den triebhaften Mensch in all seiner<br />

Grausamkeit, seinen Schwächen und Fehlern, kurz in<br />

seiner Unkontrolliertheit stellte man auf die Bühne.<br />

Nach seinen Welterfolgen mit Manon Lescaut und La<br />

Bohème brauchte Puccini fast zehn Jahre zur Komposition<br />

dieser Oper. Das war eine lange Zeit, doch das<br />

Resultat war gr<strong>and</strong>ios, allerdings nicht am Uraufführungstag<br />

in der römischen Oper.<br />

Wie immer lagen dem Mißerfolg verschiedene Ursachen<br />

zugrunde: Die wirtschaftliche Lage war in Italien<br />

nicht rosig, und man hatte mehrmals Attentate auf<br />

König Umberto I. verübt. Am 14. Januar 1900 hörte<br />

man in Rom von einer Bombendrohung in der Oper.<br />

Da konnte keine rechte Stimmung aufkommen, das Publikum<br />

nicht sonderlich begeistert werden! Tags darauf<br />

f<strong>and</strong>en sich in der Presse unterschiedliche Ansichten.<br />

Aber es dauerte nicht lange und die Oper wurde ein<br />

überwältigender Erfolg. Die sechzehn nachfolgenden<br />

Aufführungen in Rom waren sämtlich ausverkauft.<br />

Was macht diese Oper so anziehend? Die Ingredienzien<br />

für Sardous Tosca waren Sex, Sadismus, Religion und Kunst; sie<br />

wurden von der H<strong>and</strong> eines Meisterkochs gemischt und mit dem<br />

ganzen Gericht auf dem Tablett eines wichtigen historischen Ereignisses<br />

serviert, so Mosco Carner in seiner lesenswerten<br />

Biographie Puccini.<br />

Die Spannung des Stücks ergibt sich daraus, daß Puccini<br />

die alte Regel (nach Aristoteles) angewendet und das<br />

Schicksal dreier Personen an einem einzigen Tag und<br />

am gleichen Ort Rom (die Kirche San Andrea della Valle,<br />

der Palazzo Farnese und die Engelsburg) schildert.<br />

4<br />

Es war der 14. Juni 1800, als die Österreicher unter General<br />

Melas dem französischen Heer unter Napoleon<br />

Buonaparte bei Marengo (bei Aless<strong>and</strong>ria, Norditalien)<br />

gegenüberst<strong>and</strong>en. Am Vormittag siegten zunächst die<br />

Österreicher, doch konnte Napoleon am Nachmittag<br />

das Kriegsglück zu seinen Gunsten wenden.<br />

Vor dem einschneidenden historischen Ereignis dieser<br />

Schlacht (Italien wurde danach vierzehn Jahre von<br />

Frankreich beherrscht) spielt sich das für alle drei Personen<br />

tödliche Drama ab.<br />

Kurzinhalt<br />

Die ebenso schöne wie berühmte Sängerin Floria Tosca<br />

liebt den Maler Mario Cavaradossi, doch Baron Scarpia,<br />

Polizeichef von Rom, will Tosca besitzen. Der Zufall<br />

und Toscas grundlose Eifersucht gegenüber ihrem Mario<br />

kommen Scarpia zu Hilfe. Da Cavaradossi Cesare<br />

Angelotti Unterschlupf gewährt (dieser war Anhänger<br />

Napoleons und aus der Engelsburg entfl ohen), wird<br />

er verhaftet und gefoltert, um Angelottis Fluchtort zu<br />

verraten. Diese Folterung muß Tosca miterleben. Unter<br />

dem Druck verrät sie Angelottis Versteck. Der Preis<br />

ihres Verrats: sie kann mit Cavaradossi Rom verlassen,<br />

muß sich aber dafür Scarpia hingeben. Doch sie ersticht<br />

Scarpia und eilt zur Engelsburg, wo man Cavaradossi<br />

gefangenhält. Dieser mußte sich, um den äußeren<br />

Schein zu wahren, einer Scheinerschießung unterwerfen.<br />

Aber Cavaradossi stirbt im Kugelhagel. In Scarpias<br />

Palazzo Farnese entdeckt man den toten Scarpia. Die<br />

Gefolgsleute Scarpias eilen zur Engelsburg, aber Tosca<br />

springt von deren Plattform hinab in den Tod.<br />

Die Aufführung<br />

Wie gelang Zeffi relli die Umsetzung dieser schon zigmal<br />

auf die Bühne gebrachten Oper?<br />

Hören wir seine Ansicht, die er in einem längeren Interview<br />

gegenüber Michele Mirabella geäußert hat. Es steht<br />

im Opernprogrammheft, das in vorbildlicher Weise den<br />

gesamten Operntext mit eingestreuten ansprechenden<br />

Kommentaren zur Musik aufweist. Hier - nicht ganz


wortgetreu – einige Äußerungen Zeffi rellis:<br />

Wir sind im Verismo, alles wird also beschrieben: die Seelenzustände<br />

der Personen, ihre Akzente beim Singen, ihre Gebärden.<br />

All das fi ndet sich im Operntext und in der Musik. ….<br />

Ich sage es in aller Offenheit: es gibt eine Menge Narren, die sich<br />

die Willkür erlauben, zu ändern oder zu vereinfachen, was Puccini<br />

vorgegeben hat. Die Regisseure sollten gut die Geschichte erzählen,<br />

und zwar weniger das, was sie in der Tradition fi nden, als was<br />

Puccini geschrieben hat. Die Oper unserer Zeit anzupassen kann<br />

funktionieren, es ergibt aber ein mageres Resultat.<br />

Genau danach hat Zeffi relli geh<strong>and</strong>elt. Beim Öffnen<br />

des Vorhangs blickt man auf den Altar der Kirche San<br />

Andrea della Valle, Angelotti kann hinter dem Gitter der<br />

Attavanti-Kapelle links verschwinden, das Malergerüst<br />

mit dem fast vollendeten Madonnenbild steht gegenüber.<br />

Das Tableau (Bild, s. Abb.) zum Schluß des ersten Akts<br />

zeigt den hohen Kirchenraum übervoll mit Volk, vielen<br />

Geistlichen und Ministranten in Anwesenheit des Kardinals.<br />

Beim Aufrauschen von Orgel und Chor beim Gesang<br />

des Te Deum befi ndet man sich wirklich in einer Kirche.<br />

Man riecht den reichlich gespendeten Weihrauch.<br />

Ein recht verst<strong>and</strong>ener Verismo, meine ich! In gleicher<br />

Weise auch die beiden folgenden Akte: Scarpias Residenz<br />

als bibliothekähnlicher Arbeitsraum in dunklem Holz getäfelt,<br />

zuletzt die Plattform der Engelsburg.<br />

Hervorragend alle Sänger, auch die Nebenrollen: Myrtò<br />

Papatanasiu als Tosca, Giuseppe Gipali (Cavaradossi),<br />

Silvio Zanon (Scarpia) und Francesco Facini (Angelotti)<br />

singen ausgezeichnet. Die Darstellung, bei Zeffi relli<br />

genau nach der Musik ausgerichtet, bringen alle Protagonisten<br />

zwingend nachvollziehbar – besonders in der<br />

Begegnung Tosca/Scarpia – zum Ausdruck. Besonders<br />

gelingt Zeffi relli die letzte Szene: Cavaradossis Gefäng-<br />

5<br />

nis ist zunächst unterhalb der Plattform der Engelsburg.<br />

Nach dem ungemein gut vorgetragenen Klagegesang<br />

Cavaradossis: E lucevan le stelle – und die Sterne glänzten,<br />

der nach frenetischem Applaus wiederholt wird (eine<br />

Encore-Wiederholung habe ich seit über zehn Jahren<br />

nicht mehr erlebt!) und nach Cavaradossis und Toscas<br />

Hymne trionfal di nova speme – in Triumph und neuer<br />

Hoffnung fährt die Hebebühne die beiden hoch auf<br />

die Plattform: sie werden sich im Himmel wiedersehen,<br />

kann man sich vorstellen.<br />

Bleibt noch zu erwähnen, daß Franco Zeffi relli bei geöffnetem<br />

Vorhang, also vor dem Bühnenbild und vor allen<br />

Sängern, gemeinsam mit Gianluigi Gelmetti (der großartig<br />

das Riesenorchester leitet) erscheint, um sich bei Sängern,<br />

dem Chor, seinen Mitstreitern und dem Publikum<br />

Schlußbild (Tableau) des 1. Akts mit Volk, Ministranten, Würdenträgern (in Altarnähe) und dem Kardinal mit Monstranz<br />

für das jedesmal ausverkaufte Opernhaus zu bedanken,<br />

eine ungemein sympathische Geste, wie mir scheint.<br />

Ich bin überzeugt: eine veristische Oper sollte man auch<br />

veristisch auf die Bühne bringen. Sollte jem<strong>and</strong> meinen,<br />

ich hätte einem musealen Kostümfest beigewohnt, so sei<br />

daran erinnert, daß Fernsehübertragungen vom Balkon<br />

des Petersdoms (mit allen Kardinälen im Ornat) mehr<br />

als eine Milliarde Zuschauer verfolgen, die die ehrwürdige<br />

Zeremonie kaum als museal empfi nden.<br />

O. Zenner Bild: Corrado Maria Falsini<br />

Giacomo Puccini: Tosca, Libretto: L. Illica und G. Giocosa.<br />

nach dem Theaterstück La Tosca von Victorien Sardou<br />

Regie/Bühnenbild: Franco Zeffi relli, Kostüme: Anna Biagiotti,<br />

Licht: Aless<strong>and</strong>ro Santini Dirigent: Gianluigi Gelmetti, Orchester<br />

und Chor des Teatro dell’Opera; Solisten: Myrtò Papatanasiu<br />

(Floria Tosca), Giuseppe Gipali (Mario Cavaradossi), Silvio<br />

Zanon (Baron Scarpia), Francesco Facini (Cesare Angelotti),<br />

Matteo Ferrara (Mesner), Claudio Barbieri (Spoletta), Antonio<br />

Taschini (Sciarrone), Massimo Mondelli (Gefängniswärter)<br />

Besuchte Vorstellung: 27. April 2008 (Premiere: 14. 01.2008)


Universität der Stadt New York<br />

<strong>Music</strong>, <strong>Body</strong> <strong>and</strong> <strong>Stage</strong> - Musik, Körper und Bühne<br />

Die Ikonographie von Musiktheater und Oper vom 11.-14. März 2008<br />

10. Konferenz des Research Center for <strong>Music</strong> Iconography (RCMI) und<br />

12. Konferenz des Répertoire International d’Iconographie <strong>Music</strong>ale (RIdIM)<br />

Die Ikonographie ist ursprünglich eine kunstwissenschaftliche<br />

Disziplin gewesen. Sie beschäftigt sich üblicherweise<br />

mit dem Sichten und Interpretieren von Bildquellen,<br />

die – nicht selten aufgrund ihres hohen Alters<br />

– viele Informationen enthalten, die sich nur durch die genaue<br />

Kenntnis der historischen Hintergründe und durch<br />

Vergleiche unter den Quellen erkennen lassen. Hervorragende<br />

Beispiele sind etwa die religiösen Gemälde des<br />

Mittelalters, bei denen die Farben und verwendetenSymbole mitunter einen ganz <strong>and</strong>eren, verborgenen Sinn ha-<br />

ben als uns auf<br />

den ersten Blick<br />

deutlich ist.<br />

Im Bereich<br />

der Musikforschung<br />

hat<br />

diese Art der<br />

Bildinterpretation<br />

in den<br />

letzten Jahren<br />

stark an Bedeutunggewonnen.<br />

Wichtige<br />

Gründe dafür<br />

sind zum einen,<br />

daß es<br />

eine Fülle von<br />

Musiker- und<br />

Musikdarstellungen<br />

aus den vergangenen Jahrhunderten gibt, zum<br />

<strong>and</strong>eren, daß diese Darstellungen – man denke nur an<br />

die ägyptische oder römische Antike – mitunter das einzige<br />

sind, was von dem Musikleben alter Kulturen noch<br />

erhalten ist.<br />

Auf dem New Yorker Kongreß ging es nun nicht ganz<br />

so weit in die Vergangenheit zurück, denn die Oper ist<br />

ja eine „erst“ 400 Jahre alte Gattung. Aber selbst, wenn<br />

man nur ein Jahrhundert in der Geschichte zurückblickt,<br />

lassen sich noch echte Entdeckungen machen,<br />

die unsere Sicht auf diese Epoche verändern. Zu dieser<br />

viertägigen Konferenz waren Vortragende aus allen<br />

Erdteilen angereist, u.a. aus Brasilien, der Türkei, China<br />

und Neuseel<strong>and</strong>. Insgesamt 68 Vorträge wurden gehal-<br />

Die Universität in New York mit Triumphbogen (Washington Arch)<br />

6<br />

ten, von denen im folgenden nur eine kleine Auswahl<br />

vorgestellt werden kann.<br />

Pierluigi Petrobelli (Rom) gab anh<strong>and</strong> der verschiedenen<br />

Traditionen von Inszenierungen der Opern Giuseppe<br />

Verdis einen Überblick über die Vielzahl von Fragen, die<br />

auftauchen, wenn man schlicht versucht, die Dekorationen<br />

der Verdi-Zeit zu rekonstruieren, und wie schwierig<br />

es ist, Bezüge zwischen Musik und Bühnenbild im allgemeinen<br />

herzustellen. Richard Leppert (Minneapolis)<br />

legte in seiner Interpretation von Werner Herzogs Film<br />

Fitzcarraldo unter<br />

<strong>and</strong>erem<br />

dar, wie hierbei<br />

spielerisch mit<br />

alten Inszenierungsformen<br />

der Oper umgegangen<br />

wird,<br />

wie die Musik<br />

als eine unkörperliche<br />

Kunst<br />

gewissermaßen<br />

eine Hauptrolle<br />

in einem Film<br />

spielen kann.<br />

Das die Tagung<br />

beschließende<br />

Referat von<br />

Tilman Seebass<br />

(Innsbruck) präsentierte eine Vielzahl von Bilddokumenten<br />

zum Musiktheater um 1900, etwa Alfred Rollers<br />

Dekorationen zu Richard Strauss’ Opern oder Arnold<br />

Schönbergs Bilder und Entwürfe zu seinen Musikstücken,<br />

in denen den Farben und ihrem Zusammenhang<br />

mit der Musik eine enorm wichtige Rolle zukommt.<br />

Die Vorträge von Thomas Betzwieser, Anno Mungen<br />

(beide Bayreuth) und Martin Knust (Greifswald) setzten<br />

sich mit der Gestik auf der Opernbühne des späten 18.,<br />

19. und frühen 20. Jahrhunderts ausein<strong>and</strong>er. Christine<br />

Fischer (Zürich) und Nicole Lallement (Paris) stellten<br />

Bildquellen des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre<br />

Auslegung vor, wovon aus dieser Zeit Kupferstiche und<br />

Zeichnungen von Architektur, Bühnenbild und Kostüm


des damaligen Musiktheaters Zeugnis ablegen.<br />

Doch nicht nur die Methodik der Auslegung, auch die<br />

Art der Quellen ist ungeheuer vielfältig. So wurden in<br />

mehreren Vorträgen Karikaturen von Opernsängern,<br />

Inszenierungen und Komponisten als wichtige Quellen<br />

der zeitgenössischen Publikumsreaktionen wie auch<br />

der Aufführungen an sich herausgestellt, etwa von Clair<br />

Rowden (Cardiff), Anita S. Breckbill (Lincoln/Nebraska)<br />

oder Anna Maria Ioannoni Fiore (Pescara, Italien).<br />

Neben zweidimensionalen Darstellungen wie Portraits,<br />

Medaillons, Postkarten usw. gibt es seit dem 18. Jh. kleine<br />

Porzellanfi gürchen von berühmten Sängerinnen, Fan-<br />

Artikel des beginnenden Primadonnenkults, die Berta<br />

Joncus (Oxford) in ihrem Vortrag vorstellte. Außergewöhnlich<br />

ist auch eine spezifi sch portugiesische Tradition<br />

der Darstellung von Musikern, nämlich in Form von<br />

Zeichnungen auf Kacheln – das Verfahren stammt, wie<br />

man an den blauen Zeichnungen auf weißem Grund sofort<br />

erkennt, aus den Niederl<strong>and</strong>en – mit denen die Gärten<br />

und Räume von Palästen ausgestattet wurden, was<br />

wiederum auf maghrebinische oder arabische Einfl üsse<br />

zurückgehen dürfte. Hierzu gab es zwei Vorträge von<br />

Daniel Tércio sowie Luís Sousa und Luzia Rocha (alle<br />

aus Lissabon).<br />

Welch großen Einfl uß auf<br />

die akustischen und optischen<br />

Möglichkeiten eines Theaters<br />

die Architektur von Bühne<br />

und Zuschauerraum hat,<br />

zeigte Dorothea Baumann<br />

(Zürich) in ihrem äußerst materialreichen<br />

Vortrag.<br />

Schließlich ist noch zu erwähnen,<br />

daß es nicht nur<br />

um das Musiktheater im<br />

traditionellen Sinne ging,<br />

sondern auch um – teilweise<br />

alterwürdige – Traditionen<br />

wie Begräbnisriten und<br />

religiöse Prozessionen etwa<br />

in Brasilien und der Slowakei,<br />

und um das <strong>Music</strong>al<br />

und die Inszenierung von<br />

Rockb<strong>and</strong>s auf der Bühne.<br />

Schließlich wurde auch die<br />

bildliche Selbstinszenierung<br />

von Dirigenten, die Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts einsetzte,<br />

unter die Lupe genommen,<br />

etwa, wie das zeitgenössische<br />

englische Publikum<br />

Hans Richter wahrnahm (Holly<br />

Matthieson, Neuseel<strong>and</strong>)<br />

oder wie fi lmische Dokumente<br />

von Willem Mengelbergs Diri-<br />

Die Karikatur zeigt Jules Massenet (1864-1912) und dessen<br />

Geliebte, die Sopranistin Sybill S<strong>and</strong>erson (1865-1903).<br />

Der Komponist hatte die Titelrolle der Thaïs extra für die<br />

S<strong>and</strong>erson geschrieben, wodurch die Oper 1894 einen enormen<br />

Erfolg hatte. Der Karikaturist macht sich lustig über die<br />

Vorhersehbarkeit des Erfolges der Oper, da Massenet durchweg<br />

auf der Welle der Kritik der damaligen Zeit schwamm.<br />

7<br />

gat zu lesen sind (Emile G.J. Wennekes, Utrecht).<br />

Unmöglich dürfte es sein, die zahlreichen disparaten<br />

Themen und Ergebnisse knapp zusammenzufassen. Allerdings<br />

wurden mehrere grundlegende Dinge bei dieser<br />

Konferenz deutlich:<br />

1. Nicht nur im Bereich der Alten Musik ist eine eingehende<br />

Auswertung der ikonographischen Quellen sinnvoll und<br />

fruchtbar. Das 19. und frühe 20 Jh. ist uns in dieser Hinsicht<br />

oft fremdartiger und ferner als wir gemeinhin annehmen.<br />

2. Längst sind noch nicht alle Quellen, ja noch nicht<br />

einmal alle Quellentypen erfaßt. Gleichwohl lassen die<br />

durch das RIdIM und RCMI bereits erfaßten und katalogisierten<br />

Bestände in einer vor wenigen Jahrzehnten<br />

noch nicht geahnten Weise Deutungen und ein neues<br />

Verständnis des Musiktheaters zu und erlauben dem<br />

heutigen Forscher sichere Urteile auf diesem Gebiet.<br />

3. Die interdisziplinäre Arbeit ist bei all den präsentierten<br />

Forschungsvorhaben Programm. So fl ießen in der Musik-<br />

Ikonographie Kunst- und Musikwissenschaft zusammen.<br />

Doch es gilt nun, den Blick auch mit Hilfe <strong>and</strong>erer Disziplinen<br />

zu schärfen, z.B. Architekturgeschichte, Akustik,<br />

Literatur-, Film- und Theaterwissenschaft, Theologie,<br />

Soziologie u.v.a. Nicht, daß<br />

es darum gehen würde, den<br />

Gegenst<strong>and</strong> völlig ausufern<br />

zu lassen, ganz im Gegenteil.<br />

Wie bei der guten Analyse<br />

eines Musikstückes gilt auch<br />

hier: Jedes Stück verlangt<br />

nach einer besonderen, angemessenen<br />

Weise des Zugriffs.<br />

Eine Methode, die bei dem<br />

einen Stück, z.B. einer Bachfuge,<br />

zu interessanten Resultaten<br />

führt, muß das nicht bei<br />

einer Verdi-Arie tun.<br />

Den Veranstaltern, von denen<br />

stellvertretend hier nur<br />

Antonio Balsassare (Wien),<br />

der Vorsitzende der Commission<br />

mixte des RIdIM,<br />

und Zdravko Blazekovic<br />

(New York) vom RCMI<br />

genannt seien, ist mit Nachdruck<br />

für ihre immensen<br />

Anstrengungen zu danken,<br />

eine derart reichhaltige und<br />

befl ügelnde Konferenz zu<br />

organisieren, die einen tiefen<br />

und globalen Einblick in die<br />

Entwicklung und den Forschungsst<strong>and</strong><br />

einer jungen wissenschaftlichen<br />

Disziplin erlaubte. M. Knust


Warum machen Menschen Musik?<br />

In Ingolstadt (Bayern) f<strong>and</strong> vom 26.-29. März 2008 das jährliche Treffen von nicht hauptberuflich<br />

tätigen Organisten statt. In diesem Jahr feierte man das 30jährige Bestehen des Treffens. Im Hauptberuf<br />

sind diese Menschen Juristen, Verwaltungsangestellte, Ärzte, Lehrer, Architekten etc. In ihrer<br />

Freizeit üben sie sich im Orgelspielen. In Seminaren werden dann unter Aufsicht eines Dozenten<br />

(hier Professor Edgar Krapp von der Münchner Musikhochschule) Kompositionen von Bach, Reger<br />

usw. erarbeitet. Bei der Festansprache versuchte ich, den Sinn unseres Musizierens herauszustellen<br />

und auf die einfach erscheinende Frage, warum wir Orgel spielen, eine Antwort zu finden. Aber<br />

letztendlich ging es mir um eine umfassende Überlegung hinsichtlich des Verhältnisses des Menschen<br />

zur Kunst und insbesondere zur Kunstausübung.<br />

Wenn ich mir hier erlaube, einige Gedanken zu äußern<br />

zur Frage, warum Menschen überhaupt Musik machen,<br />

so möchte ich unsere Beschäftigung mit dem ehrwürdigen<br />

Instrument Orgel als unsere<br />

Teilnahme an der Musik und<br />

überhaupt an der Kunst im Leben<br />

des Menschen herausstellen.<br />

Die hierzu geäußerten Überlegungen<br />

sind die Frucht der<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung von dreißig<br />

Jahren. Ich äußere mich hier als<br />

Amateurorganist und als Arzt.<br />

Als Arzt muß ich aber auch Realist<br />

sein. Denn ohne eine realistische,<br />

wirklichkeitsbezogene<br />

Haltung kann ich ja als Arzt nicht<br />

überleben. Im Blickwinkel habe<br />

ich die gew<strong>and</strong>elte kulturelle<br />

Auffassung, als Folge der geänderten<br />

technischen Bedingungen<br />

– denken Sie nur an den Computer<br />

oder das Internet – sowie<br />

die mir grundsätzlich geändert<br />

erscheinende Lebensauffassung<br />

in unserem L<strong>and</strong>.<br />

Vielleicht waren Sie schon einmal<br />

in Rom und st<strong>and</strong>en vor<br />

der schmucklosen Fassade von<br />

Santa Maria sopra Minerva, die<br />

sich ganz in der Nähe des römischen<br />

Pantheons befi ndet. Auf<br />

dem kleinen Platz vor der Kirche<br />

steht ein seltsames Denkmal: es<br />

zeigt einen Elefanten mit überlangem Rüssel, auf dessen<br />

Rücken sich ein Obelisk aus dem 6. Jh. vor Christus<br />

befi ndet. Das Denkmal geht auf den großen römischen<br />

Baumeister Bernini zurück. Folgende Inschrift steht auf<br />

dem Sockel dieses kleinen Elefanten:<br />

Documentum intellige robustae mentis esse solidam sapientiam sustine-<br />

Der Elefant von Bernini vor der Kirche Santa Maria<br />

sopra Minerva mit der zitierten Inschrift<br />

8<br />

re – Begreife als Symbol, daß es eines starken Verst<strong>and</strong>es bedarf, die<br />

gesunde Wahrheit zu ertragen. (Das Symbol ist der Elefant mit Obelisk).<br />

Sie fragen sich wohl, was das mit unserer Frage nach der<br />

Beschäftigung mit Musik zu tun<br />

hat? Nun, es sollte die aufwendige<br />

Suche nach dem wahren<br />

Beweggrund unterstreichen, der<br />

einige Menschen wie die hier<br />

anwesenden Teilnehmer des<br />

Orgelkurses dazu veranlaßt, viel<br />

Zeit und Anstrengung auf das<br />

Aneignen der technischen und<br />

künstlerischen Seite des Orgelspielens<br />

zu verwenden, und das<br />

Ganze ohne Aussicht auf Ehre<br />

oder große materielle Güter.<br />

Hier also meine Frage: Warum<br />

üben wir uns sozusagen absichtslos<br />

und ohne konkretes Ziel im<br />

Orgelspielen – oder allgemein –<br />

warum spielen Nichtberufsmusiker<br />

mit einer so großen Ernsthaftigkeit<br />

ein Instrument?<br />

Es würde hier zu weit führen,<br />

individuelle Antworten auf diese<br />

Fragen aufzuzählen und sie<br />

im einzelnen zu analysieren.<br />

In den zurückliegenden dreißig<br />

Jahren suchte ich in den Kulturwissenschaften,<br />

in der Musikwissenschaft,<br />

in der allgemeinen<br />

Geschichte, in soziologischen<br />

Abh<strong>and</strong>lungen und nicht zuletzt<br />

in Gesprächen mit den Kursteilnehmern, eine Antwort<br />

auf die oben gestellte Frage zu bekommen. Denn es<br />

müßte doch irgendeinen wichtigen Grund geben, warum<br />

Menschen die Mühe auf sich nehmen, lang<strong>and</strong>auernd<br />

auf harten Bänken und in kalten Kirchen Orgel zu<br />

üben. Man macht nicht jahrelang etwas, was doch kei-


neswegs oberfl ächlich im Sinne eines Hobbys vonstatten<br />

geht, ohne daß wichtige menschliche Lebensimpulse dahinterstecken.<br />

Das eben ist die Suche nach der Wahrheit, die ich oben<br />

mit dem Beispiel des Bernini-Elefanten versuchte, Ihnen<br />

deutlich zu machen.<br />

Wie gesagt, ich suchte und f<strong>and</strong> in den üblichen fachspezifi<br />

schen Kategorien nichts, gar nichts!<br />

Nach der aussichtslosen Suche wurde mir klar, daß die<br />

Beantwortung dieser einfach anmutenden Frage in der<br />

Philosophie liegen müßte. Wir erinnern uns, Philosophie<br />

heißt: Liebe zur Weisheit, d.h. die hingebungsvolle<br />

Beschäftigung mit der Weisheit. Demzufolge müßten<br />

wir Amateurorganisten uns eigentlich<br />

Phil-Organisten nennen, da wir uns ja<br />

mit dem Orgelspielen hingebungsvoll<br />

beschäftigen.<br />

Langsam wurde mir klar, daß ich meine<br />

Suche auf eine Person konzentrieren<br />

müßte, die sowohl auf dem Terrain der<br />

Philosophie als auch auf künstlerischem<br />

Gebiet sich umgetan hat. So entdeckte<br />

ich den Dichter Friedrich von Schiller als<br />

Philosophen und kam auf dessen philosophisches<br />

Hauptwerk mit dem Titel:<br />

Über die ästhetische Erziehung des Menschen<br />

in einer Reihe von Briefen.<br />

Schiller schrieb von 1793-1795 diese<br />

siebenundzwanzig Briefe zunächst an<br />

seinen Gönner, den Prinzen Friedrich<br />

Christian von Schleswig-Holstein-Sonderberg-Augustenburg<br />

und erweiterte sie später noch<br />

etwas. Vergegenwärtigen Sie sich bitte, daß diese Briefe<br />

1793, also vor genau 214 Jahren geschrieben wurden. Sagen<br />

Sie aber nicht, was haben uns diese alten Schriften<br />

denn heute noch zu sagen? Denn Sie sollten sich in Erinnerung<br />

rufen, daß der weitaus größte Teil der Musik, die<br />

wir heute spielen und studieren, aus dieser Zeit stammt.<br />

Ich werde diese inhaltsschweren Briefe natürlich nur im<br />

Inhalt streifen können und daraus einige Ausschnitte zitieren.<br />

Um es vorweg zu sagen, sie h<strong>and</strong>eln im Kern um<br />

die Harmonisierung der zwei Kräfte, die in jedem Menschen<br />

vorh<strong>and</strong>en sind: den Trieben oder den Gefühlen<br />

bzw. dem Geist oder dem Verst<strong>and</strong>.<br />

Wiederum sollten wir uns vergegenwärtigen, daß wir<br />

heute, 2008, in einer Zeit des völligen Werteverfalls leben,<br />

daß bedrohliche Angriffe auf unsere Nation vor der<br />

Tür stehen, daß unser christliches Weltbild, unsere Religion<br />

also, und damit natürlich auch unser Orgelspiel, vor<br />

einer säkularen Ausein<strong>and</strong>ersetzung stehen.<br />

Schillers Briefe wurden vier Jahre nach der Französischen<br />

Revolution von 1789 verfaßt, im gleichen Jahr, in dem<br />

man grundlos König Ludwig XVI. guillotiniert hatte.<br />

Schiller war tief enttäuscht von dieser Entwicklung und<br />

F. Schiller (1759-1805)<br />

Gemälde von Ludovike Simanowiz (1794)<br />

9<br />

den sich damals ereignenden Greueltaten der Massen.<br />

Der gemeinsame Gedanke, der das Gerüst dieser Briefe<br />

letztlich darstellt, ist der Versuch, in einem gegenüber<br />

dem Absolutismus verbesserten Staatsgebilde einen vernunftgeleiteten,<br />

aber auch gemütvollen Menschen zu<br />

entwickeln und ihn in ein ebenso geordnetes Staatsgebilde<br />

einzubeziehen.<br />

Ich habe aus der Fülle des Materials die Gedanken von<br />

Schiller herausgearbeitet, in der die Beteiligung des Menschen<br />

an der Kunst eine besondere Stellung einnehmen.<br />

Kein Philosoph oder <strong>and</strong>erer Schriftsteller nach Schiller hat<br />

nach meinem Dafürhalten je wieder so dezidiert und überlegt<br />

den Menschen hinsichtlich der Kultur sowie der Kunst<br />

und seiner Teilhabe daran dargestellt.<br />

Schillers Ansicht wurde von tiefer<br />

Kenntnis der Kant’schen Schrift Kritik<br />

der Urteilskraft und seiner eigenen<br />

Künstlerlaufbahn gespeist. Bei allen<br />

Utopien, die in den Briefen anklingen,<br />

ist Schiller aber immer dem realen Leben<br />

verhaftet geblieben, woran sicher<br />

sein Beruf als Arzt eine entscheidende<br />

Rolle spielte.<br />

Seine Gedanken einer ästhetischen<br />

Erziehung des Menschen haben eine<br />

bestürzende Modernität, wie die hier<br />

angeführten Zitate bestätigen werden.<br />

Da für die Aufklärung des Verst<strong>and</strong>es<br />

schon vieles geleistet wurde, ist es nun ein<br />

dringendes Bedürfnis unserer Zeit, auch<br />

zur Veredelung der Gefühle beizutragen.<br />

(1. Brief vom 13.7.1793)<br />

Wenn man nun seine Worte bezüglich der damaligen<br />

Kultur liest, meint man, ein gesellschaftlich mutiger Journalist<br />

von heute würde zu uns sprechen. Und weiter:<br />

Der versachlichte Arbeitsprozeß hat den Genuß von der Arbeit,<br />

das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden.<br />

Der Mensch wird nur noch Bruchstück seiner selbst, wird<br />

bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.<br />

Der Geschäftsmann bleibt in dem einförmigen Kreis seines Berufs<br />

befangen und zeichnet sich durch pedantische Beschränktheit aus;<br />

und die Wissenschaft läßt die geistige Arbeit immer abstrakter<br />

werden, bis sie in der leeren Substanz der Gelehrten verkümmert.<br />

Was schließlich den Staat betrifft, so achtet er eifersüchtig auf<br />

den Alleinbesitz seiner Diener. Er tritt dem unmündigen Bürger<br />

durch Repräsentation aus zweiter H<strong>and</strong> entgegen, also durch Gesetze<br />

und Steuern, Bürokratie und Polizei. Er funktionalisiert<br />

die Bürger. Wohin er auch schaue, er nehme nur Opfer staatlicher<br />

Bürokratie, dystopischer Arbeitsteilung [an ungewöhnlichen<br />

Stellen vorkommend, z.B. bei menschlichen Organen]<br />

und rationaler Produktivität wahr, die verkrüppelten Gewächsen<br />

gleichen. In diesem zerrütteten Gemeinwesen kann weder das Individuum<br />

all seine Talente entfalten, noch Staat und Gesellschaft<br />

zu einem harmonischen Ganzen gelangen.


Im oben Gesagten (6. Brief) äußert sich Schillers Kulturpessimismus.<br />

Er spricht von der Entfremdung des<br />

Menschen von der Natur, von der Arbeitsteilung im Alltag,<br />

von der Spezialisierung des einzelnen. All das hat aus<br />

der Menschheit – so schreibt Schiller – eine Armee nützlicher<br />

Sklaven gemacht. Schiller vergleicht diese menschliche Arbeitsform<br />

mit der Mechanik eines kunstreichen Uhrwerks.<br />

Ehrlicherweise räumt Schiller allerdings ein, daß die<br />

großen technischen Fortschritte nur durch eine solche<br />

sinnentfremdende Arbeitsteilung bewirkt werden konnten.<br />

Dann stellt Schiller die Frage, wie die Entfremdung des<br />

Menschen von der Natur ausgeglichen werden könnte.<br />

Vom Staat Hilfe zu erwarten würde erfolglos sein, weil<br />

gerade der Staat diese mißlichen Zustände zuwege gebracht<br />

habe und man schwerlich erwarten könne, daß<br />

von ihm Hilfe kommen könnte; denn der Staat müßte<br />

sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.<br />

Es liegt einzig und allein am einzelnen Menschen, denn<br />

jeder trägt in sich die Anlage und die Bestimmung eines<br />

idealistischen Menschen. Nun besteht der Mensch<br />

aus Trieben und Vernunft. Er ist ein Wilder, wenn seine<br />

Triebe – auch Gefühle genannt – über seine Vernunft<br />

herrschen. Das ist die vielbeschriebene Trieb- und Vernunftnatur<br />

des Menschen.<br />

Schiller fordert die Versöhnung<br />

der gegensätzlichen Kräfte von<br />

Gefühl und Verst<strong>and</strong>, Sinnlichkeit<br />

und Vernunft, also Natur und<br />

Rationalität. Erst dieser Ausgleich<br />

formt den gebildeten Menschen<br />

und gibt die Entscheidungsfreiheit<br />

wieder in die Hände des Menschen<br />

zurück, um z.B. seinen sittlichen<br />

Vorstellungen zu folgen.<br />

Also folgert Schiller:<br />

Der einzige Weg, auf dem sich der<br />

Mensch von der Vormundschaft des<br />

Staates und der Gesellschaft befreien<br />

könnte, ist, sich mit der Kunst zu beschäftigen.<br />

Wie können nun die ausein<strong>and</strong>ergeratenen Kräfte<br />

des Menschen zusammengeführt werden?<br />

Wie kann der Mensch wieder in Harmonie, in Einklang<br />

mit sich kommen?<br />

Das gelingt nach Schiller nur, wenn die Menschen durch<br />

die Kunst eine ästhetische Erziehung erhalten würden.<br />

Es ist der Versuch, durch Kunst und ästhetische Erziehung<br />

die getrennten Kräfte der Seele wieder zu vereinen,<br />

um so den ganzen Menschen in uns wiederherzustellen.<br />

Als Schlüssel zum Ganzen präsentiert uns Schiller seine<br />

Überlegungen zum menschlichen Spieltrieb (15. Brief).<br />

Nur durch den Spieltrieb geschieht die Vermittlung zwischen<br />

Sinnlichkeit und Vernunft; denn der Spieltrieb hat<br />

10<br />

von beidem etwas, vom Verst<strong>and</strong> und vom Gefühl.<br />

Und wörtlich:<br />

Der Weg zu dem Kopf geht nur durch das Herz. Denn, um es<br />

endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er<br />

in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz<br />

Mensch, wo er spielt.<br />

Schiller wußte sehr wohl, daß er hier den Boden der<br />

Wirklichkeit scheinbar verließ und sich in eine Utopie<br />

begab. Seine Erläuterung dazu ist aber einleuchtend:<br />

Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, der wird nicht<br />

die Wahrheit erobern.<br />

Schiller schwebt also nichts Geringeres vor, als die Krise<br />

der 1793 gegenwärtigen Kultur durch Kunst zu überwinden,<br />

genauer gesagt, durch Teilhabe der Menschen<br />

an der Kunst. Nach Schillers Ansicht sind im Spieltrieb<br />

Sinnlichkeit und Vernunft zugleich tätig.<br />

Aus dem Gesagten ergibt sich wohl einigermaßen zwingend,<br />

daß mit dem Spielen nicht nur das Spielen eines<br />

Instruments gemeint sein kann. Wäre nur diese Bedeutung<br />

gemeint, hätte dies Schiller deutlich angegeben. Da<br />

er die Einschränkung – Spielen auf einem Instrument -<br />

wegläßt und alle Menschen ausdrücklich anspricht, dabei<br />

aber die Kunst als die Basis angibt, können wir folgern,<br />

Albert Schweitzer an der Orgel<br />

daß er den ganzen Kunstbereich meint, also Malerei,<br />

Plastik, Architektur, Poesie und schließlich Musik.<br />

Es war für mich also naheliegend, uns als Orgelspieler<br />

mit dem spielenden Menschen zu identifi zieren. Ich meine<br />

uns Phil-Organisten oder Amateur-Organisten. Denn<br />

wir spielen ja im wahrsten Sinn des verwendeten Wortes.<br />

Ich hoffe, ich habe Ihnen einige für unser aller Selbstverständnis<br />

nützliche Gedanken darlegen können. Es ist<br />

für mich tröstlich, daß der Künstler-Philosoph Friedrich<br />

von Schiller vor über eineinhalb Jahrhunderten Überlegungen<br />

anstellte, die auch für uns heutige Menschen<br />

eine große seelische Hilfe bedeuten können.<br />

O. Zenner


Interview mit dem portugiesischen<br />

Kulturstaatssekretär Mário Vieira de Carvalho<br />

Operapoint war bei der diesjährigen Tagung der EMA (Europäische Musiktheater-Akademie) vom<br />

27.-30. Januar 2008 anwesend. Dabei ergab sich die Möglichkeit, Herrn Professor Dr. Mário Vieira<br />

de Carvalho in seinem Amtssitz im Palácio Nova da Ajuda am 28. Januar 2008 zu interviewen.<br />

? Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mich interessiert das<br />

Musikleben in Portugal. In Deutschl<strong>and</strong> hat man kaum<br />

Kenntnisse davon. Zunächst möchte ich Sie fragen, wo<br />

Sie Musik studiert haben?<br />

! Ich habe zunächst Rechtswissenschaft studiert, übrigens mit<br />

Schlußexamina. Ich studierte privat Musik und wurde Musikjournalist.<br />

Die Rechtswissenschaft habe ich nie ausgeübt.<br />

Später war ich sehr interessiert am deutschen Musiktheater.<br />

Ich knüpfte Kontakte mit Joachim Herz, dem Assistenten<br />

von Walter Felsenstein und späteren Intendanten<br />

in Dresden. [Felsenstein (1901-1975) war von 1947-75<br />

Intendant der Komischen Oper in Berlin.]<br />

Dann (1984) schrieb ich eine Dissertation an der Humboldt-Universität<br />

in Berlin bei Christian Kaden<br />

(Denken ist Sterben, Sozialgeschichte des Opernhauses Lissabon, Bärenreiter 1999).<br />

? Und warum haben Sie Deutschl<strong>and</strong> gewählt?<br />

! Gerade weil mich die Entwicklung des Musiktheaters<br />

in Deutschl<strong>and</strong> besonders interessierte, vor allem wegen<br />

Felsenstein und Herz. Denn ich kannte Felsensteins Ansatz<br />

auf dem Gebiet des Musiktheaters. 1975 gab es ein<br />

Gastspiel der Leipziger Oper im Opernhaus São Carlos<br />

Palácio Nova da Ajuda, Lissabon, Amtssitz des Kulturstaatssekretärs<br />

11<br />

in Lissabon, in dem die Oper Xerxes von Händel in einer<br />

Inszenierung von Herz mit dem Leipziger Ensemble<br />

gezeigt wurde. Brecht und das Berliner Ensemble waren<br />

auch für mich wichtige Begriffe.<br />

? Wo wird in Lissabon Musik gelehrt?<br />

! An der Staatsuniversität. Dort bin ich Professor für Musiksoziologie.<br />

Ich begann 1986 als Assistent und bin seit<br />

1997 Ordinarius für Musiksoziologie. In den letzten drei<br />

Jahren mußte ich aber meine Forschungs- und Lehrtätigkeit<br />

unterbrechen, da ich bei der Regierung arbeite.<br />

? Sie sind Staatssekretär für Kultur?<br />

! Ja. Die Einladung kam von der Kulturministerin. Wir<br />

amtierten im März 2005 als Mitglieder der neuen sozialistischen<br />

Regierung.<br />

? Der Staatssekretär ist derjenige, der die Arbeit leistet?<br />

! Wir arbeiten in einem Team, ich bin Stellvertreter der Ministerin,<br />

wenn sie nicht anwesend ist. Ich übernahm nämlich die<br />

direkte Verantwortung für Musik-, Theater- und Opernwesen,<br />

Film, die Unterstützung der Künste im allgemeinen.<br />

? Und Sie sind der Chef der Oper?<br />

! Nein, ich bin der Verantwortliche für die Kulturpolitik,


die damit zusammenhängt und im Regierungsprogramm<br />

entworfen wurde. Die Staatstheater wurden von meiner<br />

Regierung in öffentliche Unternehmen umgew<strong>and</strong>elt. Der<br />

Grund war, ihnen mehr fi nanzielle Autonomie zu geben,<br />

weil die Regeln der Staatsverwaltung bei uns sehr strikt sind<br />

und eigentlich keine langfristige Planung erlauben. Jetzt ist<br />

es so, daß die Staatstheater als öffentliche Unternehmen einen<br />

dreijährigen Vertrag mit dem Staat schließen, worin das<br />

gesamte Budget und die Ziele festgesetzt werden.<br />

? Sagen Sie als Kulturstaatssekretär, was und wie die Theater<br />

planen sollen?<br />

! Die Theater machen ihre Verträge selbständig und diskutieren<br />

ihre strategische Entwicklung und Finanzierung mit<br />

dem Kultur- und Finanzministerium. In erster Linie gilt<br />

als Ziele: Förderung der portugiesischen Künstler und des<br />

portugiesischen Kulturerbes, dann weiter, die Entwicklung<br />

der Beziehungen im internationalen Netz. Das São Carlos<br />

muß sich einem breiteren Publikum öffnen.<br />

? Sie richten jetzt ein Opernstudio ein?<br />

! Ja, dies steht als Aufgabe im neuen Statut, hinzu kommt ein<br />

Erziehungsprogramm für junge Leute. Auch Kinderoper-Projekte<br />

wollen wir fördern. Übrigens ist das São Carlos das einzige<br />

Operntheater in Portugal.<br />

? In Porto gibt es nur Sprechtheater?<br />

! Ja, doch wir verlangen vom São<br />

Carlos, daß es nicht nur in Lissabon,<br />

sondern auch durch Gastspiele<br />

wirkt – nämlich in mehreren, gut<br />

ausgestatteten städtischen Bühnen,<br />

darunter einigen historischen Gebäuden,<br />

die im Laufe der letzten<br />

Jahre renoviert bzw. neu gebaut<br />

wurden. Im September 2007 hat<br />

das São Carlos in der Stadt Azores<br />

mit einer Oper gastiert. Mit Unterstützung<br />

einer Firma ist es auch<br />

vorgesehen, daß eine Operninszenierung<br />

in verschiedenen Theatern<br />

direkt (über Satellit) übertragen<br />

wird, wie es jetzt bei der Uraufführung<br />

von Das Märchen von Emmanuel<br />

Nuñes geschehen ist. Dreitausend<br />

Zuschauer haben dem ersten<br />

Teil der Oper beigewohnt (2 Stunden). Für den 2. Teil<br />

(weitere 2 Stunden) blieben nur etwa eintausend. Manche<br />

hatten noch nie eine Oper gesehen.<br />

? Wie groß ist der Etat für das Teatro São Carlos?<br />

! Ungefähr 14 Millionen im Jahr. Hinzu kommen noch Sponsorengelder,<br />

so daß sich der Etat auf etwa 16,5 Millionen erhöht.<br />

? Wieviel Angestellte gibt es am São Carlos, ich meine,<br />

den technischen Stab und die Künstler?<br />

! Das Opernhaus hat ein Sinfonieorchester, einen Berufschor,<br />

technische Angestellte, aber kein festes Ensemble.<br />

Doch in Zukunft wird das Opernhaus auch mit Sängern<br />

12<br />

langfristige Verträge machen. Wir fi nden es sehr positiv,<br />

daß ein Sänger sich ans Opernhaus bindet und damit auch<br />

beim Publikum bekannt wird. Auch wenn ausländische<br />

Sänger eine Beziehung mit dem L<strong>and</strong> und seiner Kultur<br />

beginnen, ist das positiv.<br />

? Nun noch etwas <strong>and</strong>eres: wie sind die kulturellen Beziehung<br />

von Ihnen, also vom Staat Portugal, mit dem Staat<br />

Brasilien?<br />

! Unsere beiden Staaten haben enge Beziehungen auf<br />

allen politischen, sozialen und kulturellen Ebenen. Und<br />

meine Regierung hat viel geleistet, um diese Entwicklung<br />

noch weiterzuführen. Nicht nur zweiseitig, sondern<br />

auch im Rahmen der Gemeinschaft der portugiesischsprechenden<br />

Länder (CPLP) bzw. der Organisation der<br />

ibero-amerikanischen Staaten (OEA) sind unsere beiden<br />

Staaten in der Zusammenarbeit engagiert.<br />

Ich mag Brasilien sehr, auch im Sinne der Möglichkeiten<br />

der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und durch regelmäßigen<br />

Austausch mit Kollegen von Sao Paulo und<br />

Rio de Janeiro. Wissen Sie, ich beschäftige mich mit der<br />

Musiksoziologie Theodor W. Adornos sehr detailliert.<br />

2003 hae ich in Belo Horizonte an einem Kongreß über<br />

Kulturstaatssekretär Mário Vieira de Carvalho<br />

Adorno teilgenommen. Anwesend waren 80 Forscher aus<br />

aller Welt, Deutschl<strong>and</strong> natürlich einbezogen, die meisten<br />

aber aus Brasilien. Ich selbst habe über Adornos Theorie<br />

der musikalischen Reproduktion gesprochen. Übrigens<br />

habe ich auch 2003 ein kleines internationales Adorno-<br />

Kolloquium in meiner Universität organisiert.<br />

Olaf Zenner: Ich danke herzlich für das Interview.<br />

Prof. Vieira de Carvalho: Es hat mich sehr gefreut, daß<br />

Sie nach Lissabon gekommen sind und daß Sie das<br />

Opernhaus São Carlos besucht haben – eine gut erhaltene<br />

historische Opernbühne aus dem Jahr 1793.


Informationen aus aller Welt<br />

Ein großer Bassist wird siebzig<br />

Der in Buir bei Köln geborene Bassist Kurt Moll wurde<br />

an der Kölner Musikhochschule zum Sänger ausgebildet<br />

und bekam seine erste<br />

Anstellung bei den Wuppertaler<br />

Bühnen. Sein tiefgrundiger Baß<br />

führte ihn rasch nach Bayreuth<br />

(1967) als zweiter Gralsritter in<br />

Wagners Parsifal. 1970 kam er<br />

nach Salzburg, wo er mit der Rolle<br />

des Sarastro in Mozarts Zauberfl<br />

öte debütierte. Diese Rolle – sie<br />

wurde seine Paraderolle – sang er auch 1972 an der<br />

Wiener Staatsoper. Es folgten Schallplattenaufnahmen<br />

1984 unter Sir Colin Davis und 1990 unter Sir Georg<br />

Solti mit der Mozartpartie.<br />

In den vielen Jahren seiner großen Karriere glänzte<br />

Kurt Moll wohl im gesamten vorh<strong>and</strong>enen Baß-Repertoire<br />

von Seneca in Claudio Monteverdis Poppea bis hin<br />

zu den Rollen bei Verdi (Philipp II.), Wagner (Dal<strong>and</strong>,<br />

Hunding, Gurnemanz) und Moussorgski (Boris). Fast<br />

unübertroffen gestaltete er seinen Graf von Lerchenau<br />

in Richard Strauss’ Rosenkavalier. Nicht weniger überzeugte<br />

er als Liedersänger in Schuberts Winterreise und<br />

den Loewe-Balladen.<br />

Vielleicht ist er bei uns vor allem als Mozartsänger unübertroffen.<br />

Seiner Darstellung als Haremswächter Osmin<br />

in Mozarts Entführung aus dem Serail hat kaum ein<br />

<strong>and</strong>erer Sänger soviel Komik und Charakter gegeben<br />

wie Kurt Moll. Am 11. April wurde er siebzig Jahre alt.<br />

Giuseppe di Stefano mit 86 Jahren gestorben<br />

Am 2. April dieses Jahres verstarb<br />

einer der ganz großen Tenöre unserer<br />

Zeit in seinem Haus bei Mail<strong>and</strong><br />

an den Folgen eines Überfalls,<br />

den er 2004 in seinem Haus in Kenia<br />

erlitten hatte. Von den schweren<br />

Verletzungen hat er sich nicht<br />

mehr ganz erholen können.<br />

Der Sizilianer di Stefano war nach<br />

seinem Auftreten in der Rolle Des<br />

Grieux in Jules Massenets Manon<br />

1947 an der Mailänder Scala auf der Stelle berühmt. Jürgen<br />

Kesting zitiert in seinem Buch Die großen Sänger des<br />

20. Jh. den langjährigen Leiter der Metropolitan Opera<br />

in New York Rudolf Bing in 5000 Abende in der Oper mit<br />

folgenden Worten: Es war ein wirkliches Erlebnis, als ich das<br />

Diminuendo seines hohen C bei Salut, demeure chaste et pure in<br />

13<br />

Faust (Gounod) hörte. Solange ich lebe, werde ich die Schönheit<br />

dieses Tons nicht vergessen.<br />

Di Stefano verdiente sein erstes Geld in Kaffeehäusern,<br />

Kirchen und Kinos, erhielt dann eine Ausbildung, mußte<br />

aber vor dem Abschluß zum Militär, wo er mit seinem<br />

Singen so auffi el, daß man ihn freistellte. Nach dem<br />

Krieg schaffte er es sehr rasch, am Teatro alla Scala zu<br />

singen. Schnell kamen auch Schallplattenaufnahmen und<br />

sein Debüt am 25. Februar 1948 an der Met mit dem<br />

Herzog in Rigoletto. Im folgenden Jahrzehnt sang er oft<br />

mit Maria Callas zusammen und war auch ihr Partner bei<br />

der Aufnahme von Tosca mit Victor de Sabata, einer der<br />

großartigsten Aufnahmen, die wir von dieser Oper haben.<br />

Niem<strong>and</strong> blieb ungerührt bei dem Verzweifelungsschmerz<br />

von Cavaradossis Arie E lucevan le stelle – und<br />

es glänzten die Sterne mit dem beziehungsreichen Schluß:<br />

e non ho amato mai tanto la vita – und ich liebte so sehr das<br />

Leben.<br />

Cappella Coloniensis Residenz-Orchester in Essen<br />

Dieses Spezialensemble für Alte Musik wurde 1954 für<br />

den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) durch<br />

Eduard Gröninger gegründet. Man war nämlich auf<br />

die Idee gekommen, in den<br />

H<strong>and</strong>schriften der Barockund<br />

Klassikzeit nicht nur<br />

Musikwerke der damaligen<br />

Zeit zum heutigen Gebrauch<br />

einzurichten, sondern auch<br />

aus den h<strong>and</strong>schriftlichen<br />

Angaben aufführungspraktischen<br />

Anweisungen zu<br />

übernehmen, um so dem<br />

musikalischen Ausdruck der<br />

Werke zum Zeitpunkt ihrer<br />

Entstehung so nahe wie möglich zu kommen. Das auf<br />

authentischen Instrumenten spielende Ensemble wurde<br />

Wegbereiter der Historischen Aufführungspraxis. Zwischen<br />

den Jahren 1960 und 1970 war die Cappella auf ausgedehnten<br />

Welttourneen (Carnegie-Hall, New York, Bunka-Kaikan-Hall,<br />

Tokio, Teatro Colón, Buenos Aires).<br />

Man spielte Rossini-Opern, z.B. Tancredi, La Cenerentola,<br />

L’italiana in Algeri. Viele namhafte Dirigenten leiteten die<br />

Cappella, wie u.a. William Christie, John Elliot Gardiner,<br />

Gabriele Ferro, Reinhard Goebel, René Jacobs, Sigiswald<br />

Kuijken oder Hans-Martin Linde. Es gibt mehr als fünfzig<br />

Einspielungen auf CD und mehreren hundert Rundfunkaufnahmen.<br />

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR), der als Nachfol-


ger des NWDR die Cappella fünfzig Jahre betreut hatte,<br />

kündigte den Vertrag mit dem Ensemble 2004. Nun hat<br />

die Cappella Coloniensis eine neue Heimstatt in der Philharmonie<br />

Essen gefunden, wo sie für fünf Spielzeiten<br />

sechs Konzerte pro Saison geben wird.<br />

Der vom WDR so schnöde aufgegebene Klangkörper<br />

sollte sich vielleicht auch einen neuen Namen geben:<br />

Cappella Asnidensis?<br />

Oper in Norwegens Hauptstadt Oslo<br />

Die Osloer Opernliebhaber können sich freuen: endlich<br />

ist ihr lange geplantes Opernhaus, fast im Wasser<br />

des Oslofjords gelegen, am 12. April mit einer Gala aus<br />

Konzert, Oper und Ballett eröffnet worden. Auch unsere<br />

Kanzlerin Angela Merkel hat sich über fünf Stunden<br />

zusammen mit Königinnen und Kronprinzessinnen sowie<br />

einem Kronprinzen an Opernausschnitten und Balletten<br />

erfreut. Es gibt Stadtbewohner, die freudestrahlend<br />

verkünden, daß dieses 500 Millionen Euro teure<br />

Gebäude die größte kulturelle Leistung Norwegens sei,<br />

seit der Errichtung des Doms zu Trondheim. Dieserart<br />

äußerte sich Wolfgang S<strong>and</strong>ner am 14. April 2008 in der<br />

FAZ. Nach seinem Urteil soll auch die Akustik des eintausendeinhundert<br />

Plätze aufweisenden Operntempels<br />

gut sein.<br />

Das vom Architekturbüro Snøhetta geplante Bauwerk<br />

soll für alle Menschen gleichermaßen eine Bereicherung<br />

sein, so die offi zielle Ankündigung. Wollen wir hoffen,<br />

daß die Programmgestaltung und die künstlerische Arbeit<br />

mit der jetzigen Freude Schritt hält.<br />

Das Teatro Colón erst 2010 wiedereröffnet<br />

Die argentinischen<br />

Opernliebhaber müssen<br />

noch zwei Jahre<br />

auf die schon in diesem<br />

Jahr angekündigte<br />

Wiedereröffnung<br />

warten. Das erste<br />

Opernhaus von 1857<br />

ist verschwunden. Das jetzige Haus mit einer als überdurchschnittlich<br />

gerühmten Akustik wäre 2008 einhundert<br />

Jahre alt geworden. Dazu sollte es mit der auch<br />

schon zu seiner Eröffnung 1908 gespielten Oper Aida<br />

von G. Verdi brillieren. Doch Geldknappheit – ausgelöst<br />

durch die zur Zeit herrschende enorme Infl ation<br />

– zwang zum Aufschub. Der neue Direktor der Teatro<br />

14<br />

Colón, Horacio Sanguinetti, hat in diesem Jahr nur Instrumental-<br />

und Chorkonzerte sowie Ballette angekündigt. Die Wiedereröffnung<br />

soll jedenfalls am 25. Mai 2010 stattfi nden. Es wäre<br />

das 102. Jahr der Eröffnung des weltbekannten Opernhauses<br />

und der 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Argentiniens.<br />

Dubai, El-Ain-Musik Festival<br />

Zaki Nussaibah li und der Präsident des<br />

Richard-Wagner-Verb<strong>and</strong>es von Abu Dhabi<br />

In der Ankündigung:<br />

Das wichtigste<br />

Konzert des<br />

Jahres. Nicht von<br />

der Qualität her<br />

– die war bei diesem<br />

Konzert,-<br />

das die Qualität<br />

einer Plattenaufnahme<br />

erreichte.<br />

Auch nicht vom<br />

Programm her – ein Potpourri aus Vorspielen zahlreiche<br />

Wagner Opern hätte jedes Publikum zu Beifallsstürmen<br />

hingerissen. Nein, es geht um die Kombination der Werke<br />

und des Ortes: Das erste Konzert ausschließlich mit<br />

Werken Richard Wagners auf der arabischen Halbinsel,<br />

den Vereinigten Arabischen Emiraten!<br />

Stattgefunden hat es im teuersten Konzertsaal des L<strong>and</strong>es:<br />

dem Konzertsaal im Emirates Palace Hotel (Baukosten:<br />

vier Milliarden Dollar). Der Sächsischen Staatskapelle unter<br />

Chefdirigent Fabio Luisi kann man hier eine Botschafter-<br />

Mission der europäischen Musikkultur und einen erfolgreichen<br />

Werbeauftritt des L<strong>and</strong>es Sachsen attestieren.<br />

Das El Ain Musik-Festival, gegründet von musikbegeisterten<br />

Bewohnern Abu Dhabis, nahm dabei den<br />

Richard-Wagner-Verb<strong>and</strong> von Abu Dhabi mit ins Boot.<br />

Beim Konzert zeigten sich in der ersten Reihe Mitglieder<br />

der Regierung, das deutsche diplomatische Corps<br />

und Wirtschaftsvertreter.<br />

O. Hohlbach<br />

Faszinierende Sängerin<br />

Die Sopranistin Danielle De Niese, bei New York lebend<br />

und 27 Jahre jung, gelang zu internationalem Ruhm, als sie<br />

2005 in Glyndebourne ihr viel umjubeltes Debüt in David<br />

McVicars Inszenierung von Händels Giulio Cesare (Dirigent:<br />

William Christie) gab. Diese DVD sollte jeder Opernliebhaber<br />

unbedingt besitzen. Wir<br />

hörten sie in Ariodante (Händel) als<br />

Ginevra im Théâtre des Champs-<br />

Élysées. Sie war genauso umwerfend<br />

wie im Giulio Cesare. Durch<br />

ihre komische und gleichzeitig<br />

emotional tiefgreifende Ausstrahlung<br />

als Schauspielerin, gepaart mit<br />

einer außergewöhnlichen Stimme<br />

und Musikalität wird ihr eine spektakuläre<br />

Zukunft vorhergesagt; ihr Exklusiv-Vertrag mit<br />

dem Label Decca <strong>Music</strong> Group trägt dazu bei.


Zwei Meldungen von<br />

Johann Sebastian Bach (1685-1750)<br />

Sensationsmeldung der<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Freude in der Organistenwelt: zwei Musikwissenschaftler,<br />

Dr. Michael Pacholke und Stephan Blaut, haben die<br />

Abschrift einer Choralfantasie für Orgel aufgefunden.<br />

Ihr Titel ist: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält.<br />

Die Universitäts- und L<strong>and</strong>esbibliothek in Halle hatte<br />

kürzlich einen Teilnachlaß des Leipziger Thomaskantors<br />

Wilhelm Rust (1822-1892)<br />

ersteigert. Als man die Abschriften<br />

von Rust in Augenschein<br />

nahm, fi el ein<br />

Stück von Bach auf, von<br />

dem bisher nur fünf Takte<br />

bekannt waren. Wilhelm<br />

Rust war seit 1855 Herausgeber<br />

der ersten Bach-<br />

Gesamtausgabe.<br />

Otto Jahn, der die erste wis-<br />

Erste Seite der Choralfantasie senschaftliche Mozart biographie<br />

schrieb (diese wurde<br />

später von Hermann Abert neu herausgegeben), hatte Rust<br />

für die Gesamtausgabe als Mitarbeiter gewonnen.<br />

Rusts Arbeiten an der Bachausgabe wurde für ein halbes<br />

Jahrhundert das Muster kritischer musikalischer<br />

Editionen. Er hatte die philologische Methode aus<br />

Jahns klassischer Altertumswissenschaft übernommen.<br />

Otto Jahn war kein Musik-, sondern Altertumswissenschaftler<br />

und hatte zuletzt in Bonn den Lehrstuhl für<br />

Archäologie inne. Rust fertigte die Abschrift der Choralfantasie<br />

1877 an. Die beiden Musikwissenschaftler prüften<br />

genauestens die Herkunft der Quelle, die Rust als<br />

Vorlage gedient hatte. Danach legte man die Abschrift<br />

noch weiteren Musikwissenschaftlern vor: Professor Dr.<br />

Hans-Joachim Schulze und Dr. Peter Wollny vom Bach-<br />

Archiv Leipzig konnten die Komposition zweifelsfrei als<br />

Werk Johann Sebastian Bachs bestimmen.<br />

Die Choralfantasie ist für zwei Manuale und Pedal geschrieben<br />

und wohl – was man aufgrund besonderer<br />

Schreibweisen erkannte - zwischen 1705-1710 von Bach<br />

komponiert worden. Bis zur Auffi ndung der Abschrift<br />

kannte man von Bach nur die Choralfantasie Christ lag<br />

in Todesb<strong>and</strong>en (BWV 718). Die Form einer Choralfantasie<br />

hatte Bach bei Dieterich Buxtehude gelernt. Die<br />

aufgefundene Choralfantasie wird erstmals bei den<br />

Händelfestspielen am 10. Juni 2008 um 18 Uhr in der<br />

Marktkirche zu Halle öffentlich von Martin Haselböck<br />

15<br />

dargeboten. Aufgrund dieses Fundes kann man annehmen,<br />

daß uns doch noch nicht alle Werke Johann Seb.<br />

Bachs bekannt sind und wir auf weitere Sensationsfunde<br />

hoffen können.<br />

Das Eisenacher Bachhaus: Neues Bachportrait<br />

Heutzutage unterwirft man alles einer genauen wissenschaftlichen<br />

Analyse. So<br />

gibt es seit dem 21. März<br />

2008 im Eisenacher Bachhauses<br />

eine Sonderausstellung<br />

mit dem Titel:<br />

Bach im Spiegel der Medizin.<br />

Die schottische Gerichtsmedizinerin<br />

Dr. Caroline<br />

Wilkinson hat nach Original-Schädelmaßen<br />

das<br />

Gesicht Johann Sebastian<br />

Das rekonstruieter Portrait von J.S. Bach Bachs rekonstruiert.<br />

Doch niem<strong>and</strong> kann sicher sein, daß es sich um Bachs authentisches<br />

Portrait h<strong>and</strong>elt. In der spannenden Geschichte<br />

von Bachs Tod im Jahr 1750 und der Suche nach seinen Gebeinen<br />

bleiben einige Unsicherheiten. Kein Zweifel besteht<br />

daran, daß Frau Dr. Wilkinson mit großer Genauigkeit den<br />

Bachschen Schädel mit Laser und Computer abgemessen<br />

und danach das Computerbild erstellt hat.<br />

Man wußte, daß Johann Sebastian am 28. Juli 1750 in<br />

einem Eichensarg beerdigt worden war. Doch die Grabstelle<br />

wurde vergessen. Wegen einer Erweiterung der<br />

Johanniskirche wurde 1894, 54 Jahre nach Bachs Tod,<br />

auf deren Gräberfeld gegraben. Dabei f<strong>and</strong> der damalige<br />

Pastor Transchel zusammen mit dem Leipziger<br />

Anatomieprofessor Hiss drei Eichensärge. In einem der<br />

Eichensärge lag eine Frauenleiche, im zweiten Sarg eine<br />

männliche Leiche mit zerquetschtem Schädel, im dritten<br />

f<strong>and</strong> man einen Schädel, dessen Untergebiß mit den<br />

bekannten Bachgemälden übereinstimmte. Daher nahm<br />

man an, Johann Sebastians Schädel aufgefunden zu haben.<br />

Unter Berücksichtigung der Gesichtsweichteile<br />

fertigte der Leipziger Bildhauer Carl Seffner daraus das<br />

bekannte Bachdenkmal vor der Leipziger Thomaskirche.<br />

Die Quellenlage ist also nicht ganz so eindeutig, so<br />

daß man ruhig skeptisch bleiben kann, das echte Abbild<br />

Johann Sebastians würde uns in der neuen Darstellung<br />

ansehen. Das neue Bachportrait überzeugt vielleicht<br />

auch nicht jeden. Man vermutet dahinter eher einen<br />

Ringer als das Gesicht eines der größten musikalischen<br />

Genies.<br />

O. Zenner


Opernaufführungen im Ausl<strong>and</strong><br />

Rezensionen in alphabetischer Ordnung nach Städten<br />

London, Covent Garden<br />

Salome<br />

von Richard Strauss, Drama in einem Akt, Libretto: Hedwig Lachmanns<br />

Übersetzung des Dramas Salomé (1891) von Oscar Wilde, redigiert von<br />

Richard Strauss. UA: 9. Dezember 1905, Hofoper Dresden<br />

Regie: David McVicar, Bühnenbild: Es Devlin, Licht: Wolfgang<br />

Göbbel, Video: Leo Warner und Mark Grimmer<br />

Dirigent: Philippe Jordan, Orchestra Royal Opera House<br />

Solisten: Thomas Moser (Herodes), Michaela Schuster (Herodias),<br />

Nadja Michael (Salome), Michael Volle (Jochanaan), Joseph Kaiser<br />

(Narraboth), Daniela Sindram (Page), Adrian Thompson, Martyn<br />

Hill, Hubert Francis, Ji-Min Park, Jeremy White (Juden), Iain Paterson,<br />

Julian Tovey (Nazarener), Vuyani Mlinde (ein Kappadozier)<br />

Besuchte Aufführung: 8. März 2008 (Premiere: 21. Februar 2008)<br />

Kurzinhalt<br />

Die Oper beginnt mit einem Geburtstagsfest im Königspalast.<br />

Herodias Tochter Salome hat die Festgesellschaft ihres<br />

Stiefvaters Herodes aus Langeweile verlassen und kommt in<br />

den Palastkeller zu den Soldaten. Diese bewachen Jochanaan,<br />

der in einer Zisterne gefangen gehalten wird. Die Stimme von<br />

Jochanaan hört man aus<br />

einem Gitter, das die<br />

Zisterne verschließt. Er<br />

verwünscht das ehebrecherische<br />

Verhalten von<br />

Herodias und Herodes,<br />

denn Herodes hatte<br />

die Frau seines Bruders<br />

Philipp geheiratet. Von<br />

Jochanaans Stimme erregt,<br />

zwingt Salome die<br />

Soldaten, ihr diesen trotz<br />

des strikten königlichen<br />

Verbots vorzuführen.<br />

Seine ungeschlachte Art,<br />

sein wildes Aussehen,<br />

seine verfi lzten Haare<br />

reizen Salome noch mehr:<br />

sie gerät geradezu in eine<br />

Obsession. Sie berührt ihn, streift mit den Händen durch seine<br />

Haare und will ihn schließlich küssen. Doch Jochanaan weist sie brutal<br />

zurück und wird in sein Erdloch zurückgeworfen.<br />

Von der Terrasse herunter kommen ihr Stiefvater, ihre<br />

Mutter Herodias und die Festgäste in das Kellergeschoß.<br />

Herodes ist so sehr vernarrt in seine Stieftochter, daß er<br />

sie bittet, für ihn zu tanzen. Als sie sich weigert, schwört<br />

er, ihr alle seine Schätze und sogar die Hälfte seines Königsreichs<br />

zu geben. Endlich tanzt sie. Danach fordert sie<br />

den Kopf des Jochanaan. Ihre Mutter ist darüber entzückt.<br />

Brüsk weist Salome alle Kleinodien, die Herodes ihr bietet,<br />

16<br />

zurück. Schließlich wird ihr das Haupt Jochanaans auf<br />

einer Silberschüssel präsentiert. Ganz außer sich küßt sie<br />

ekstatisch den Mund des abgeschlagenen Kopfes. Darauf<br />

läßt Herodes sie umbringen.<br />

Aufführung<br />

In drei inein<strong>and</strong>er übergehenden Räumen, die an eine<br />

Schlächterei (s. Abb.) erinnern, sieht man ein an den Beinen<br />

aufgehängtes Schwein mit abgeschlagenem Kopf.<br />

Einige Soldaten mit Gewehren bewachen einen in den<br />

Boden gelassenen Rost, aus dem Jochanaans Verwünschungen<br />

schallen. Zwei Frauen, die eine in Unterwäsche,<br />

die <strong>and</strong>ere völlig nackt, dienten offenbar den<br />

Soldaten zur Lustbefriedigung. Sie ziehen sich langsam<br />

an. Wie Strauss es vorschreibt, schreitet über eine geschwungene<br />

Treppe rechts Prinzessin Salome in einem<br />

engen Abendkleid herab.<br />

Bei Salomes Tanz<br />

wird dem Zuschauer<br />

die Illusion vermittelt<br />

(wohl Videokunststück),<br />

daß sie<br />

durch sieben Pforten<br />

hindurchtanzt.<br />

Die Räume hinter<br />

den Pforten sind<br />

allesamt leer, nur<br />

einmal steht darin<br />

ein ovaler Spiegel.<br />

Dann fi ndet Salome<br />

auf einem Kleiderständer<br />

ein weißes<br />

Abendkleid (ist<br />

es ein Hochzeitskleid?).<br />

Sie streift es<br />

sich über, dreht ekstatische Pirouetten und tanzt schließlich<br />

Walzer mit Herodes. Am Ende sehen wir wieder<br />

den gefl iesten Keller, worin sich dann das schreckliche<br />

Finale mit Jochanaans und ihrem eigenen Tod ereignet.<br />

Michael Volle (Jochanaan) li, Joseph Kaiser (Narraboth) mitte,<br />

Nadja Michael (Salome) re<br />

Sänger<br />

Nadja Michael (Salome) ist bestürzend wirklichkeitsnah,<br />

dabei mitreißend und abstoßend zugleich – wie es ihre<br />

Rolle erfordert. Ihr Sopran ist lyrisch, schrill und – beim<br />

Fordern des Hauptes von Jochanaan – dunkel belegt,<br />

so daß das sechsmal geäußerte Fordern von Jochanaans<br />

Tod in den verschiedenen Tonarten wohl bei jedem


Zuschauer ein Frösteln hervorruft. David McVicar versteht<br />

es ungemein eindrucksvoll, diese verwöhnte und<br />

schließlich übergeschnappte junge Frau ihrer Rolle gemäß<br />

zu führen. Mit wachsender Spannung verfolgt man<br />

ihre perverse Erotik, die schließlich in den nekrophilen<br />

Küssen des abgeschlagenen Kopfes kulminiert. Eine<br />

kolossale schauspielerische und sängerische Leistung!<br />

Michael Volle (Jochanaan) stellt den vitalen Propheten mit<br />

den verfi lzten langen Haupthaaren, dessen Gesicht und<br />

Kutte nur so vor Schmutz starren, vollendet dar. Die ruhigen<br />

Prophetien über den Erretter der Welt, die als einzige<br />

Musik in geordneten Harmonien unser Ohr treffen, bringt<br />

er mit seinem grundigen Bariton ungemein überzeugend<br />

heraus. Salomes unmißverständliche Annäherungen und<br />

seine brutale Zurückweisung gestaltet er so plastisch, daß<br />

man keines seiner Worte zu verstehen braucht, um dennoch<br />

alle Aktionen sofort richtig zu deuten. Doch Volle<br />

prononciert dennoch so deutlich – im Gegensatz zu Nadja<br />

Michael – daß der spannungsgeladene H<strong>and</strong>lungsablauf<br />

eine fast unerträgliche Intensität erreicht.<br />

London, Covent Garden<br />

Carmen<br />

von Georges Bizet, Opéra comique in vier Akten, Text: Henri Meilhac<br />

und Ludovic Halévy nach einer Novelle von Prosper Mérimée;<br />

Uraufführung: 3. März 1875, Paris; Regie: Francesca Zambello,<br />

Designs: Tanya McCallin, Choreographie: Arthur Pita, Licht: Paule<br />

Constable, Dirigent: Daniel Oren, Orchester und Chor des Royal<br />

Opera House, Chorleitung: Renato Belsadonna<br />

Solisten: Nancy Fabiola Herrera (Carmen), Marcelo Álvarez<br />

(Don José), Kyle Ketelsen (Escamillo), Susan Gritton (Micaëla),<br />

Alan Ewing (Zuniga), Jacques Imbrailo (Moralès), Elena<br />

Xanthoudakis (Frasquita) Monika-Evelin Liiv (Mercédès) u.a.<br />

Besuchte Aufführung: 28.3.2008<br />

(Premiere: 8.12.2006,<br />

Wiederaufnahme 25.3.2008)<br />

Kurzinhalt<br />

Ein Platz im Sevilla des 19.<br />

Jahrhunderts: Gelangweilt<br />

amüsieren sich Wachsoldaten<br />

über die lokale<br />

Bevölkerung. Nach der<br />

feierlichen Wachablösung<br />

ist der Pausenfl irt mit den<br />

Mädchen der gegenüberliegenden<br />

Tabakfabrik<br />

die Hauptattraktion der<br />

Soldaten. Carmen, eine<br />

Zigeunerin, die auch dort<br />

arbeitet, ist die Begehrteste<br />

unter ihnen.<br />

Doch sie gibt sich kühl<br />

und unnahbar: sie be-<br />

17<br />

Außerordentlich gekonnt gestalten die fünf Juden ihr<br />

Gezänk, ob Jochanaan Gott gesehen habe oder nicht.<br />

Dieses kompositorische Meisterstück, an Kakophonie<br />

mit den überein<strong>and</strong>er getürmten verschiedenen Tonarten<br />

(Bitonalität) für die damalige Zeit (1905) ungeheuer<br />

neu, wird auch hier auf der Bühne meisterhaft dargestellt.<br />

Alle <strong>and</strong>eren Sänger, voran natürlich Thomas<br />

Moser (Herodes) und Michaela Schuster (Herodias),<br />

sind auf gleichem sängerischen Niveau wie die beiden<br />

Hauptdarsteller.<br />

Das Riesenorchester begleitet allermeist gut, ohne sich – wie es<br />

leider oft geschieht – allzuviel vordergründig aufzuspielen.<br />

Fazit<br />

Eine umwerfende, nervenaufreizende, gleichzeitig anziehende<br />

und abstoßende Aufführung, so wie Strauss sich<br />

auch einmal schriftlich dazu geäußert hat. Salomes Tanz<br />

mit dem Durchschreiten der sieben Pforten ist eine in<br />

der heutigen Regie- und Bühnengestaltung ganz ungeöhnliche<br />

geistige Leistung.<br />

O. Zenner<br />

Bild: Clive Barda<br />

singt ihre Philosophie der Liebe als Ode an die Freiheit:<br />

L‘amour est un oiseau rebelle. Gleichwohl fi ndet sie Interesse<br />

an Don José, einem Unteroffi zier der Wachsoldaten, der<br />

gedankenverloren und desinteressiert ihr Spiel beobachtet.<br />

Es gelingt ihr jedoch, seine Gefühle zu erwecken und<br />

Don José behält die von ihr zugeworfene Rose.<br />

Ein Tumult entsteht in der Fabrik und Wachsoldaten<br />

unter Don José versuchen, Ordnung zu schaffen. Car-<br />

Nancy Fabiola Herrera, als Carmen in der Mitte der Tanzenden


men wird für schuldig befunden, einen Messerkampf<br />

entfacht zu haben. Stolz und widerspenstig lehnt sie ab,<br />

den Vorfall zu kommentieren. Sie bleibt unter der Obhut<br />

Don Josés, um ins Gefängnis abgeführt zu werden. Allein<br />

mit ihm gesteht sie ihm ihre Liebe. Don José erlaubt<br />

ihr die Flucht und wird nun selbst gefangen gesetzt.<br />

Nach seiner Freilassung wartet Carmen auf Don José<br />

in der Kneipe von Lillas Pastia, einem Treffpunkt der<br />

Schmuggler, zu denen auch Carmen gehört. Während<br />

sie wartet, erscheint der erfolgreiche Stierkämpfer Escamillo<br />

und läßt sich feiern. Er fl irtet auch mit Carmen,<br />

doch sie widersteht ihm, nicht zuletzt aus Dankbarkeit<br />

gegenüber Don José. Als dieser endlich in der Schenke<br />

erscheint, ist es schon spät. Das Wiedersehen der Liebenden<br />

wird vom Zapfenstreich überrascht, und ein<br />

Streit entsteht, als Don José zur Kaserne zurückkehren<br />

will. Als nun auch noch der Carmen nachstellende Leutnant<br />

Zuniga, Don Josés Vorgesetzter, erscheint, wird<br />

Don José h<strong>and</strong>greifl ich. Es gibt nun keinen Weg zurück,<br />

er schließt sich den Schmugglern an.<br />

Im Schmugglerlager wird Carmen Don Josés zunehmend<br />

überdrüssig, spürt jedoch das herbeinahende<br />

Unglück und auch das Befragen der Karten prophezeit<br />

ihren baldigen Tod. Escamillo, der Carmen ins Lager<br />

gefolgt ist, wird vom wachhabenden Don José entdeckt<br />

und eifersüchtig in einen Messerkampf verwickelt. Carmen<br />

und die Schmuggler trennen die beiden und Carmen<br />

folgt einer Einladung Escamillos zum Stierkampf<br />

nach Sevilla. Trotz Escamillos Triumph in Sevilla bleibt<br />

Carmen allein vor der Stierkampfarena. Don José war<br />

ihr heimlich nach Sevilla gefolgt und erreicht sie noch<br />

vor der Arena. Stolz und st<strong>and</strong>haft widersteht Carmen<br />

seinen Annäherungen. Darüber gerät José so in Wut,<br />

daß er sie ersticht.<br />

Aufführung<br />

Francesca Zambellos Inszenierung ist ein Traum in<br />

Orange; manchmal funktioniert er und manchmal<br />

nicht. Eine Bühne aus runden, orangenen Einzelteilen,<br />

die konkav zur Zigarrettenfabrik und konvex zur Stierkampfarena<br />

ausgerichtet sind. Ein wunderschöner erster<br />

Akt mit Zitronenbaum, freilaufenden Hühnern und viel<br />

sonstigem Detail wurde kontrastiert von einer enttäuschenden<br />

Lillas Pastia Kneipe: die Schenkenatmosphäre<br />

der Schmuggler zeigte einen zu nüchternen Kontrast der<br />

schlichten Holztische vor orangefarbenem Hintergrund.<br />

Da half auch keine noch so ansprechende Beleuchtung.<br />

Die Wechselhaftigkeit der Inszenierung spiegelte sich<br />

auch in der Choreographie (Artur Pita) wieder. Der perfekt<br />

abgestimmte parallele Wachwechsel von Soldaten<br />

und Kindern im ersten Akt war ästhetisch und passend.<br />

Hingegen wirkt die Eröffnungsszene des zweiten Aktes<br />

hilfl os und das Zigeunerchanson Les tringles des sistres<br />

tintaient gestampft und plump. Der vierte Akt mit<br />

dem festlichen Einzug Escamillos und Blütenregen, mit<br />

18<br />

reichlich vielen B<strong>and</strong>erilleros und Picadores sowie einer<br />

waschechten Madonna entschädigte jedoch letzten Endes<br />

für vieles.<br />

Eine illustre Schar von Solisten bot hohen musikalischen<br />

Genuß auf breiter Basis. Allen voran der Argentinier<br />

Marcelo Álvarez, der sich selbst und der Rolle des Don<br />

José mit seinem vollen klaren Tenor wahrhaft gerecht<br />

wurde, und Susan Gritton, die als Micaëla mit ihrem<br />

wunderschönen klaren Sopran überraschte. Insbesondere<br />

im Duett mit Álvarez (José) Parle-moi de ma mère!<br />

klangen die beiden fast unwirklich. Auch Kyle Ketelsen<br />

(Escamillo) überzeugte stimmlich und mit durchaus spanischer<br />

Matadorarroganz. Nancy Fabiola Herrera sang<br />

eine durchaus akzeptable, jedoch schauspielerisch und<br />

gesanglich wenig überraschende Carmen.<br />

Daniel Oren dirigierte das gewohnt präzise Orchester<br />

des Royal Opera House so schnell, daß man sich fragte,<br />

ob er nach der Aufführung vielleicht noch ein Flugzeug<br />

erreichen mußte. Die Chöre brillierten in ihrer hohen<br />

Qualität. Insgesamt ein schöner Abend, insbesondere<br />

musikalisch.<br />

D. Zenner<br />

Bild: Catherine Ashmore<br />

Lüttich (Liège), Opéra Royal de Wallonie<br />

Maria Stuarda<br />

von Gaëtano Donizetti, lyrische Tragödie in zwei Akten<br />

Libretto: Giuseppe Bardari, Vorlage: Maria Stuart von Friedrich von<br />

Schiller, UA: 30. Dezember 1835, Mail<strong>and</strong>, Teatro alla Scala<br />

Regie/Kostüme: Francesco Esposito, Bühnenbild: Italo Grassi,<br />

Licht: Daniele Naldi; Dirigent: Luciano Acocella, Orchester und<br />

Chor der Opéra de Wallonie<br />

Solisten: Patrizia Ciofì (Maria Stuarda, Königin von Schottl<strong>and</strong>), Marianna<br />

Pizzolato (Elisabeth, Königin von Engl<strong>and</strong>), Diana Axentil (Anna<br />

Kennedy), Danilo Formaggia (Roberto, Graf von Leicester), Frederico<br />

Sacchi (Graf Giorgio Talbot ), Mario Cassi (Lord Guglielmo Cecil)<br />

Besuchte Aufführung: 30. April 2008 (Premiere)<br />

Lüttich liegt etwa 100 km von Köln entfernt und ist eine<br />

Stadt in der wirtschaftlich aufstrebenden belgischen Provinz<br />

Wallonie. Es hat ein mäßig subventioniertes Opernhaus.<br />

Seit Jahren gibt es ausgezeichnete Opern wie z.B.<br />

Le Roi d’Ys von E. Lalo oder Die heimliche Ehe von D.<br />

Cimarosa in der laufenden Saison und in der nächsten<br />

Spielzeit – unter neun Premieren – Paride ed Elena von<br />

Ch. W. Gluck (7.10.08) oder Fra Diavolo (24.4.09) von<br />

D.F.E. Auber. Was aber noch mehr ins Gewicht fällt ist<br />

die Sängerauswahl bei übrigens ausgezeichneten Inszenierungen.<br />

Unter der Sängerschar hat die Intendanz der<br />

Oper für die Belcanto-Oper Maria Stuarda wohl die besten<br />

ausgewählt: Patricia Ciofì und Marianna Pizzolato.<br />

Kurzinhalt<br />

Die berühmte Fehde zwischen der katholischen Königin<br />

von Schottl<strong>and</strong> und der protestantischen englischen Königin<br />

hat Schiller in seinem Drama nacherzählt, das dem<br />

Librettist in der Übersetzung von Andrea Maffei vorlag.


Durch einen Aufst<strong>and</strong> in Schottl<strong>and</strong> mußte Maria Stuart<br />

fl üchten. Sie begab sich in die Obhut von Königin Elisabeth,<br />

die sie aber auf Schloß Fotheringhay gefangen<br />

setzte.<br />

Dies ist der Hintergrund der Oper, die im Todesjahr der<br />

schottischen Königin 1587 spielt. Beide Königinnen sind<br />

in Graf Roberto Leicester verliebt, der Maria bevorzugt.<br />

Ziemlich bald steht für Elisabeth fest, daß sie ihre Kusine<br />

aus dem Weg räumen muß, da Maria auch Anspruch<br />

auf den englischen Thron hat. Die Zuneigung Robertos<br />

zu Maria beschleunigt ihren Entschluß zum Tod ihrer<br />

Widersacherin durch das Beil.<br />

Diese h<strong>and</strong>lungsarme Oper, deren Reichtum auf der<br />

Spiegelung der Charaktere und seelischen Verfassungen<br />

der beiden Protagonistinnen beruht, hat Donizetti<br />

mit überreichem Belcanto ausgestattet. Die Musik spielt<br />

hier womöglich noch eine größere Rolle als in seinen<br />

sonstigen Opern. Donizetti hat es gewagt, zwei Sopranstimmen<br />

die<br />

Hauptlast<br />

der Oper anzuvertrauen.<br />

Doch die<br />

großangelegten<br />

Arien<br />

und Duette<br />

geben erst<br />

die wirkliche<br />

psychologischeBefindlichkeit<br />

der beiden<br />

Königinnen<br />

wieder. Der<br />

Erfolg hängt<br />

nur von der<br />

Stimmqualität<br />

der Sängerinnen in<br />

den Rollen von Maria und Elisabeth ab.<br />

Aufführung<br />

Dies gelang dem Lütticher Team über alle Maßen! Besonders<br />

sind die Personenführung und die prächtigen Kostüme<br />

der damaligen Zeit durch den Regisseur Francesco<br />

Esposito (für Regie und Kostüme verantwortlich) hervorzuheben:<br />

Die Sängerinnen und Sänger bewegten sich<br />

so lebendig, daß man die H<strong>and</strong>lung, auch ohne die Worte<br />

im einzelnen zu verstehen, mitverfolgen kann. Neuerdings<br />

werden die Übertitel auch in Deutsch angezeigt,<br />

was wir sicher als Erleichterung wahrnehmen.<br />

Ein solches Stimmenpaar mit Patrizia Ciofì (Maria Stuarda)<br />

und Marianna Pizzolato (Elisabeth), ergänzt durch<br />

Danilo Formaggia (Roberto Leicester), der durchaus<br />

ebenbürtig sang, fi ndet man wahrlich nicht alle Tage!<br />

Die beiden exquisiten Sängerinnen f<strong>and</strong>en das rechte<br />

19<br />

Maß, das Honoré de Balzac in seiner Novelle Massimilla<br />

Doni in unnachahmlicher Weise folgendermaßen <strong>and</strong>eutet:<br />

Die Koloratur [im Belcanto] ist die höchste Ausdrucksform<br />

der Kunst, sie ist die Arabeske, die das schönste Gemach in der<br />

ganzen Wohnung ziert: ein wenig darunter, und wir haben nichts,<br />

ein wenig mehr und alles ist verwirrt.<br />

Patrizia Ciofì als Maria Stuarda muß ja mit ihren Arien<br />

fast den gesamten dritten Akt gestalten. Das erfordert<br />

ungemein viel Ausdauer, kluge Atemtechnik, abgewogenen<br />

Stimmeinsatz. Und sie muß die abenteuerlichsten<br />

Koloraturen gestalten, mal mit einem Fortissimo, mal mit<br />

einem Pianissimo oder der Messa di voce, dem Schwellton,<br />

in der Tiefe wie in der Höhe. Mühelos schaffte sie die<br />

hohen, über dem Chor liegenden Töne. Sie traf die Töne<br />

auch weit ausein<strong>and</strong>er liegender Intervalle messerscharf.<br />

Nie war ihre Stimme – etwa in der Höhenlage – schneidend,<br />

stets war sie lyrisch und ungemein angenehm zu<br />

hören. Nie verlor ihre Stimme die Spannung. Alles war<br />

musikalisch ungemein ausgewogen. Bei Marianna Pizzolato(Elisabeth),<br />

die<br />

eigentlich<br />

eine hohe<br />

Mezzosopranistin<br />

ist,<br />

konnte man<br />

Ähnliches<br />

beobachten.<br />

Sie war<br />

besonders<br />

in den Duettenüberzeugend.<br />

Danilo Formaggia(RobertoLeicester)<br />

sang<br />

seine Partie<br />

deutlich prononciert und hatte einen bewundernswerten<br />

Registerwechsel, d.h. unmerklich wechselte er von<br />

der Brust- in die Kopfstimme.<br />

Die Nebenrollen waren genauso gut besetzt. Hier gefi el<br />

mir besonders Diana Axentil als Anna Kennedy mit ihrem<br />

lyrischen Mezzo und ihrer deutlichen Aussprache.<br />

Die Aufführung ist eine Übernahme aus Bergamo und<br />

Rom aus dem Jahre 2006. In Rom sah ich die Aufführung<br />

mit der großartigen Sängerin Daniella Devia, die<br />

damals am 25. März 2006 frenetisch gefeiert wurde<br />

(s. Operapoint 2006, Heft 2). Hier in Lüttich sind die<br />

Opernbesucher zurückhaltender. Aber das disziplinierte<br />

Publikum gab allen Sängern, natürlich besonders Ciofì und<br />

Pizzolato, zum Schluß lang anhaltende Klatschsalven.<br />

Elisabeth (Marianna Pizzolato) li, bedroht Maria Stuarda (Patrizia Cofì) re<br />

O. Zenner<br />

Bild: Jack Croisier


New York, Metropolitan Opera<br />

Tristan und Isolde<br />

von Richard Wagner, Oper in drei Akten, Text vom Komponisten;<br />

UA: 1865 München; Regie: Dieter Dorn, Bühnenbild/Kostüm: Jürgen<br />

Rose, Licht: Max Keller; Dirigent: James Levine; Solisten: John<br />

Mac Master (Tristan), Deborah Voigt (Isolde), Michelle DeYoung<br />

(Brangäne), Eike Wim Schulte (Kurwenal), Matti Salminen (Marke),<br />

Stephen Gaertner (Melot), Matthew Plenk (Stimme eines jungen<br />

Seemanns), Mark Schowalter (Hirt), James Courtney (Steuermann).<br />

Besuchte Vorstellung: 10. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Tristan, der tapferste Held Cornwalls, und Isolde, Prinzessin<br />

von Irl<strong>and</strong>, sind fürein<strong>and</strong>er in Liebe entfl ammt.<br />

Da sie Repräsentanten verfeindeter Länder sind, sind sie<br />

allerdings außerst<strong>and</strong>e, sich ihre Liebe einzugestehen.<br />

Als Brangäne, die Zofe Isoldes,<br />

ihnen einen Liebestrank<br />

verabreicht, können sie es jedoch<br />

nicht länger vorein<strong>and</strong>er<br />

verheimlichen.<br />

Ihre Liebe – Isolde ist Tristans<br />

Lehnsherrn Marke zur Ehe<br />

versprochen – läßt sich jedoch<br />

nicht verwirklichen, und so<br />

beschließen beide, den Tod zu<br />

wählen, um ihrer unmöglichen<br />

Situation zu entfl iehen. Tristan<br />

stürzt sich in das Schwert<br />

Melots, als beide im Morgengrauen<br />

von Marke und seinem<br />

Hofstaat ertappt werden, und<br />

wird schwer verletzt. An seiner<br />

Wunde siechend erwartet er<br />

verzweifelt die Ankunft Isoldes,<br />

um den ersehnten Tod<br />

fi nden zu können. Als sie bei<br />

ihm eintrifft, stirbt er. Isolde<br />

schickt sich in ihrem Schlußgesang<br />

an der Leiche Tristans<br />

an, ihm zu folgen. Der Vorhang fällt.<br />

Aufführung<br />

Deborah Voigt (Isolde), li und<br />

Michelle DeYoung (Brangäne), re<br />

James Levines Vorliebe für breite Tempi ist allgemein<br />

bekannt, doch hält sich mit Ausnahme des dritten Aktes<br />

seine Interpretation in den Grenzen des allgemein Üblichen.<br />

Die Sänger – John Mac Master sprang an diesem<br />

Abend für den erkrankten Ben Heppner ein – bieten<br />

ohne Ausnahme musikalisch ein sehr hohes Niveau,<br />

selbst die Nebenrollen waren mit Kräften besetzt, über<br />

die sich jedes deutsche Theater freuen würde – vor allem<br />

der Kurwenal Eike Wim Schultes ist hier zu nennen –, und<br />

dennoch sprang der Funke an diesem Abend nicht über.<br />

Das lag zum einen sicherlich an der ausgesprochen biederen,<br />

teilweise sogar naiven Regie. Das Bühnenbild,<br />

von zwei perspektivisch zulaufenden Wänden begrenzt<br />

und stets monochrom beleuchtet, gestattet ausschließ-<br />

20<br />

lich Auftritte aus dem Bühnenboden heraus, was spätestens<br />

im zweiten Akt regelrecht ermüdete.<br />

Die gesamte große Liebesszene im zweiten Akt f<strong>and</strong> vor<br />

einem stark weiß-grünlich beleuchteten Hintergrund<br />

statt, der von dem Liebespaar lediglich die Umrisse erkennen<br />

ließ, ohne jegliche Bewegung auf der Bühne,<br />

und dürfte damit zu den einfallslosesten Inszenierungen<br />

dieser entscheidenden und immerhin mehr als vierzig<br />

Minuten dauernden Szene zählen. Einzelne Effekte<br />

wirkten unfreiwillig komisch und wurden vom Publikum<br />

dementsprechend auch mit lautem Gelächter quittiert,<br />

etwa, wenn nach dem Genuß des Liebestrankes die bis<br />

dahin in ein kaltes, weißes Licht gehüllte Bühne plötzlich<br />

tiefrot erstrahlte, wenn Isolde während ihrer Erzählung<br />

im ersten Akt plötzlich mit einer<br />

kleinen Tristan-Puppe in einem<br />

Miniaturboot hantierte, um das<br />

Erzählte zu illustrieren, und im<br />

dritten Akt Tristans Schloß Kareol<br />

– ebenfalls im Spielzeugformat<br />

und mit kleinen Pferden<br />

und Rittern dekoriert – aus dem<br />

Bühnenboden emporsteigt.<br />

Mit Ausnahme von Matti Salminen<br />

(Marke), dessen gewaltige<br />

Bühnenpräsenz auch an<br />

diesem Abend das Publikum<br />

förmlich hinriß, und der Bayreuth-erprobten<br />

Michelle De<br />

Young (Brangäne) scheiterten<br />

alle Darsteller an der vom Regisseur<br />

vorgegebenen ausgesprochen<br />

pathetischen und schwerfälligen<br />

Personenführung.<br />

Darüber hinaus zeigten sich bei<br />

Deborah Voigt, die an diesem<br />

Abend ihr Debüt als Isolde gab,<br />

und John Mac Master (Tristan)<br />

in ihren langen Monologen im ersten und<br />

dritten Akt teilweise gravierende Mängel in<br />

der Beherrschung des deutschen Textes.<br />

Insbesondere Tristans berüchtigter Fiebermonolog im<br />

dritten Akt mißlang gründlich, wofür Mac Master vom<br />

Publikum unbarmherzig ausgebuht wurde. Das war insofern<br />

bedauerlich, als er sich an diesem Abend deutlich<br />

unter Wert verkaufte. Seine Gesangstechnik und Nuancierungsfähigkeit,<br />

die – für einen Heldentenor völlig ungewöhnlich<br />

– sich durchaus mit der eines dramatischen<br />

Baritons messen kann, kam hier aufgrund seiner textlichen<br />

Unsicherheit kaum mehr zur Geltung. Außerdem<br />

erlaubt ihm seine enorme Korpulenz leider nur wenige<br />

Bewegungen auf der Bühne. Eine Mischung aus Heiterkeit<br />

und Furcht machte sich breit, als er am Beginn des<br />

dritten Aktes auf seinem Krankenbett liegend, das offensichtlich<br />

nicht für ihn konstruiert war, aufgrund des


leichten Gefälles der Bühne immer weiter unaufhaltsam<br />

in Richtung Orchestergraben rutschte.<br />

Fazit<br />

Bis auf wenige Momente herrscht in dieser Inszenierung<br />

gepfl egte Langeweile vor, auch wenn sich die Regie<br />

insgesamt recht eng an die Wagnerschen Regievorgaben<br />

hält und die musikalische Leistung von Orchester und<br />

Sängern wirklich über jeden Zweifel erhaben ist. Zwar<br />

ist man bei dieser Produktion vor unliebsamen Überraschungen<br />

von seiten der Regie sicher, zugleich fehlt es<br />

aber der altertümlich anmutenden Personenführung sowie<br />

der Ausstattung und Beleuchtung der Szene an Konsequenz,<br />

so daß kein überzeugendes Ganzes entsteht.<br />

Daher ist diese Produktion nur begrenzt zu empfehlen.<br />

Die derzeit in Bremen laufende Tristan-Inszenierung ist,<br />

obwohl sie in jeder Hinsicht mit ungleich begrenzteren<br />

Mitteln auskommen muß und mit einer ähnlich minimalistischen<br />

Personenführung arbeitet, der New Yorker in<br />

nahezu allen Punkten vorzuziehen.<br />

New York, Metropolitan Opera<br />

Peter Grimes<br />

M. Knust<br />

Bild: Ken Howard<br />

von Benjamin Britten (1913-1976), Oper in einem Prolog und drei<br />

Akten, Text von Montagu Slater nach einem Gedicht von George<br />

Crabbe; UA: 1945 London; Regie: John Doyle, Bühnenbild: Scott<br />

Pask, Kostüme: Ann Hould Ward, Licht: Peter Mumford<br />

Dirigent: Donald Runnicles, Chor der Metropolitan Opera, Einstudierung:<br />

Donald Palumbo; Solisten: Anthony Dean Griffey (Peter Grimes),<br />

Patricia Racette (Ellen Orford), Dean Peterson (Hobson), John<br />

Del Carlo (Swallow), Felicity Palmer (Mrs. Sedley), Jill Grove (Auntie),<br />

Greg Fedderly (Bob Boles), Anthony Michaels-Moore (Captain<br />

Balstrode), Bernard Fitch (Rev. Horace Adams), Leah Partridge u.a.<br />

Besuchte Vorstellung: 15. März 2008 (Premiere 28. Februar 2008)<br />

Kurzinhalt<br />

Das kleine Fischerdorf Borough zu Beginn des 19. Jahrhunderts.<br />

Der Fischer Peter Grimes ist angeklagt, den<br />

Tod seines Lehrlings verschuldet zu haben, was ihm jedoch<br />

nicht nachzuweisen ist. Die Stimmung im Dorf<br />

wird ihm gegenüber feindseliger, lediglich die Schulmeisterin<br />

Ellen Orford und Captain Balstrode halten noch<br />

zu ihm. Doch Grimes hat <strong>and</strong>ere Pläne: Seine genaue<br />

Kenntnis des Meeres, die ihm stets erfolgreiche Fischzüge<br />

erlaubt, will er ausnutzen, um genug Geld für eine<br />

sichere Existenz auf dem L<strong>and</strong>e zu verdienen und Ellen<br />

zu heiraten. Als er einen neuen Lehrling bekommt, führt<br />

er ihn gleich mit größter Strenge in sein H<strong>and</strong>werk ein.<br />

Zwar versucht ihn Ellen daran zu hindern, zuviel von<br />

dem Jungen zu verlangen, doch Grimes verliert darüber<br />

die Fassung und schlägt sie ins Gesicht. Seinen Lehrling<br />

scheucht er so unbedacht hinaus, daß dieser die Klippen<br />

hinunterstürzt. Doch nur wenige Tage gelingt ihm<br />

seine Geheimhaltung vom Tod des Lehrjungen, dann<br />

kommt der rasende Mob wiederum zu seiner Hütte.<br />

Grimes fl üchtet aufs Meer, setzt die Segel und versenkt<br />

sein Boot in einem aufkommenden Sturm.<br />

21<br />

Patricia Racette (Ellen Orford) und Erikson<br />

Aufführung<br />

Diese rezensierte Aufführung wurde weltweit in Kinos<br />

in über fünfzehn Ländern live übertragen, was sich, um<br />

es vorwegzunehmen, als wahrhafter Glücksgriff erwies.<br />

Musikalisch und szenisch bekam das Publikum an diesem<br />

Nachmittag Leistungen auf allerhöchstem Niveau<br />

geboten, wofür es sich mit stehenden Ovationen bei<br />

dem Sänger der Titelpartie und lauten Bravorufen für<br />

Dirigent und Orchester vor dem zweiten und dritten Akt<br />

bedankte, und das völlig zurecht. Donald Runnicles vermochte<br />

es, wirklich jeden Klang der Britten’schen Partitur<br />

an diesem Abend zum Ereignis werden zu lassen.<br />

Es dürfte wohl kaum möglich sein, diese Musik noch<br />

präziser – die gestochen scharfe Phrasierung in Holzund<br />

Blechbläsern, wie sie für amerikanische Orchester<br />

bezeichnend ist, kam hier voll zur Geltung –, klanglich<br />

ausgewogener – auch in den extrem lauten und leisen<br />

Passagen – und dabei so packend und atmosphärisch<br />

dicht aufzuführen. Dem Zuhörer wurde die Wucht von<br />

See und Sturm praktisch physisch erfahrbar, man glaubte<br />

förmlich, das Salz in der Luft zu schmecken.<br />

Die Sänger boten allesamt hervorragende Leistungen<br />

und klangschöne Stimmen – lediglich Patricia Racette<br />

(Ellen Orford) bildete aufgrund ihres unangenehm starken<br />

Tremolos eine Ausnahme – und erwiesen sich darüber<br />

hinaus als äußerst versierte Darsteller. Natürlich<br />

gebührt neben Felicity Palmer (Mrs. Sedley) dem Sänger<br />

der Titelpartie, Anthony Dean Griffey, hier das höchste<br />

Lob, denn seine enorme B<strong>and</strong>breite in der Tongebung,<br />

vom beinahe schon sprechenden Ton bis hin zum lyri-


schen, an Peter Pears – für den diese Partie komponiert<br />

wurde – erinnernden, leicht verschleierten Schmelz,<br />

paart sich mit einer großen darstellerischen Begabung,<br />

die dem Publikum diese düstere Figur in ihrer ganzen<br />

Widersprüchlichkeit nahebringt.<br />

Bühnenbild, Regie und Kostüme sind halb naturalistisch<br />

und greifen sehr geschickt die von der Oper geschilderte,<br />

bedrückende dörfl iche Enge auf: Die H<strong>and</strong>lung spielt<br />

auf engstem Raum, am vorderen R<strong>and</strong> der Bühne, der<br />

durch eine gewaltige Schuppenw<strong>and</strong>, die sich über die<br />

volle Höhe und Breite der Bühne erstreckt und keinen<br />

Himmel darüber erkennen läßt, abgegrenzt wird. Die Personenführung<br />

und Choreographie ist sehr intelligent und<br />

ökonomisch, nichts, was die musikalische Dramaturgie in<br />

irgendeiner Form stören würde. Das Publikum blieb, was<br />

für New Yorker Verhältnisse völlig ungewöhnlich ist, bis<br />

zum letzten Ton und sogar noch darüber hinaus auf seinen<br />

Plätzen und feierte die Ausführenden.<br />

Fazit<br />

Man kann der Met nur zu dieser Produktion gratulieren.<br />

Die schon beinahe hypnotische Wirkung von Runnicles’<br />

Dirigat wird durch die unaufdringliche, kultivierte Regie<br />

Doyles verstärkt und ergänzt. Ein Muß für jeden New-<br />

York-Besucher!<br />

Zürich, Opernhaus<br />

Intermezzo<br />

M. Knust<br />

Bild: Ken Howard<br />

von Richard Strauss (1864-1949), Bürgerliche Komödie in zwei<br />

Aufzügen, Text von Richard Strauss, UA: 4. November 1924 im<br />

Schauspielhaus Dresden; Regie: Jens-Daniel Herzog, Bühnenbild/<br />

Kostüme: Mathis Neidhardt, Licht: Jürgen Hoffmann, Dramaturgie:<br />

Stefan Rissi; Dirigent: Peter Schneider, Orchester der Oper Zürich;<br />

Solisten: Christiane Kohl (Christine), Florian Voigt (Franzl, ihr Sohn,<br />

stumme Rolle), Rod Gilfry (Hofkapellmeister Robert Storch), Martina<br />

Welschenbach (Anna, ihr Hausmädchen), Roberto Saccà (Baron<br />

Lummer), Ruben<br />

Drole (Notar), Liuba<br />

Chuchrova (Notarsgattin),<br />

Volker Vogel<br />

(Kapellmeister Stroh),<br />

Krešimir Strašanac<br />

(Kommerzienrat), Morgan<br />

Moody (Justizrat),<br />

Pavel Daniluk (Kammersänger),<br />

Felicitas<br />

Heyerick (Marie), Besuchte<br />

Aufführung: 13.<br />

März 2008 (Premiere 9.<br />

März 2008)<br />

Kurzinhalt<br />

Eine Verwechslung<br />

wird fein ausgesponnen.<br />

Die<br />

Ehefrau Christine des<br />

Hofkapellmeisters fi ndet in der Post ihres Mannes einen<br />

Brief, in dem eine gewisse Mieze Mayer ihren „lieben<br />

Schatz“ um zwei Opernkarten bittet und ihn nachher<br />

22<br />

in eine Bar einlädt. Empört reagiert die Ehefrau, sie<br />

schickt ihm ein Telegramm nach Wien und droht ihm<br />

die sofortige Scheidung an. Das Telegramm erreicht<br />

ihn in einer fröhlichen Skatrunde. Ein Mitspieler, der<br />

Kapellmeister Stroh, klärt die Verwechslung auf, ihm<br />

gilt der Brief, und nicht dem Hofkapellmeister Storch.<br />

Storch schickt den Kapellmeister Stroh sofort zu seiner<br />

Frau Christine. Da klärt sich alles auf. Letztendlich folgt<br />

die Versöhnung der Eheleute. „Das nennt man doch<br />

wahrhaftig eine glückliche Ehe.“<br />

Im ersten Aufzug hilft Christine ihrem Mann beim Packen<br />

und geht ihm mit ihren ständigen Stimmungswechseln auf<br />

die Nerven. Als er endlich abgereist ist, rodelt sie und fährt<br />

einen Skifahrer über den Haufen, der sich als Baron Lummer<br />

vorstellt. Christine bittet den jungen Mann, sie zu besuchen.<br />

Es entsteht ein freundschaftliches Verhältnis. Als<br />

er sie um tausend Mark anfl eht, ist sofort die Freundschaft<br />

beendet. Dann kommt der bewusste Brief.<br />

Aufführung<br />

Strauss bedient sich eines wortgetreuen Parl<strong>and</strong>o-Stiles.<br />

Erst am Schluß gibt es im Duett Christine/Robert ein<br />

arioses Aufblühen. Bis dahin beschränkte sich das melodische<br />

Element auf die breit angelegten sinfonischen<br />

Zwischenspiele. Altmeister Peter Schneider leitete das<br />

Opernorchester umsichtig und sehr transparent. Das<br />

Sängerensemble präsentierte sich auf gutem bis sehr<br />

gutem Niveau. Rod Gilfry als Hofkapellmeister Storch<br />

stach hervor mit seiner sonoren Baritonstimme. Auch<br />

Roberto Saccà (Baron Lummer), den wir von der Kölner<br />

Oper kennen, überzeugte mit seiner hellen, w<strong>and</strong>lungsfähigen<br />

Tenorstimme. Christiane Kohl (Christine)<br />

sang mit ein wenig scharfer Stimme.<br />

Die Übertitelung erfolgte in deutscher Sprache. Das war<br />

sehr angenehm, weil man die H<strong>and</strong>lung besser verfolgen<br />

konnte und<br />

den trockenen<br />

Witz des Textes<br />

verst<strong>and</strong>. Die<br />

Inszenierung<br />

von Jens-Daniel<br />

Herzog war<br />

wohltuend am<br />

Werk orientiert.<br />

Die Drehbühne<br />

blieb leer bis<br />

auf wenige Requisiten,<br />

so war<br />

viel Platz für<br />

die vergnüglich<br />

Christine (Christiane Kohl) und Baron Lummer (Roberto Saccà) beim Rodelunfall schauspielernden<br />

Sänger und Sängerinnen<br />

sowie für die muntere Statisterie. Das Publikum<br />

dankte mit lang anhaltendem Beifall.<br />

P. Sinkwitz<br />

Bild: Suzanne Schwiertz


Opernaufführungen in Deutschl<strong>and</strong><br />

Rezensionen in alphabetischer Ordnung nach Städten<br />

Aachen, Stadttheater<br />

Rigoletto<br />

von Giuseppe Verdi, Oper in drei Akten, Libretto: Francesco Maria<br />

Piave; UA: 11. März 1851, Venedig<br />

Regie: Ewa Teilmans, Bühnenbild: Elisabeth Pedross<br />

Dirigent: Daniel Jakobi, Sinfonieorchester Aachen, Opernchor<br />

Jean François Borras (Herzog von Mantua), Igor Morosow (Rigoletto),<br />

Michaela Maria Mayer (Gilda), Woong-jo Choi (Graf von Monterone),<br />

Johannes Piorek (Graf von Ceprano), Martin Berner (Marullo),<br />

Andreas Joost (Matteo Borsa), Pawel Lawreszuk (Sparafucile),<br />

Iva Danova (Maddalena), Anne Lafeber (Giovanna).<br />

Besuchte Aufführung: 16.02.2008<br />

Kurzinhalt<br />

Rigoletto, Hofnarr des Herzogs von Mantua, verhöhnt<br />

auf einem Fest den Grafen Monterone, weil dieser seine<br />

Tochter Gilda geschändet hatte. Monterone verfl ucht<br />

ihn. Rigoletto kehrt zu seiner Tochter Gilda nach Hause<br />

zurück. Sie ist sein ganzer Lebensinhalt. Daher versteckt<br />

er sie vor dem Hof. .Er weiß jedoch nicht, daß Gilda<br />

schon längst das Objekt der Begierde des Herzogs ist. In<br />

seiner Abwesenheit sucht der Herzog Gilda, um sie zu<br />

verführen, wird aber<br />

kurz vor dem Ziel von<br />

Rigolettos Rückkehr<br />

unterbrochen. Kurz<br />

darauf rächt sich die<br />

Hofgesellschaft an Rigoletto,<br />

indem sie Gilda<br />

entführt.<br />

Der Herzog erfährt<br />

von den Entführern,<br />

daß Gilda sich durch<br />

einen glücklichen Zufall<br />

im Palast befi ndet<br />

und verführt sie.<br />

Währenddessen fordert<br />

Rigoletto von den<br />

Höfl ingen die Herausgabe<br />

seiner Tochter, doch die Höfl inge weiden sich an<br />

Rigolettos Schmerz. Gilda erscheint. Voller Scham erzählt<br />

sie ihrem Vater die Wahrheit über ihre heimliche<br />

Liebe. Obwohl sie der Herzog betrogen hat, will sie ihm<br />

verzeihen. Doch Rigoletto will nur noch Rache nehmen<br />

an dem Mann, der seine Tochter entehrt hat. Er heuert<br />

den Berufsmörder Sparafucile an, den Herzog zu ermorden.<br />

Vorher will er Gilda aber beweisen, daß ihr Geliebter<br />

in Wahrheit ein treuloser Herzensbrecher ist. Er zwingt<br />

sie anzusehen, wie der Herzog in einem Gasthof mit<br />

Maddalena, der Schwester Sparafuciles fl irtet. Aber auch<br />

23<br />

Maddalena erliegt dem Charme des Herzogs und überredet<br />

ihren Bruder, diesen zu verschonen und statt dessen<br />

den nächsten Besucher der Gaststätte zu ermorden und<br />

als Opfer auszugeben. Gilda hat die Unterhaltung angehört<br />

und spielt den nächsten Besucher der Gaststätte. Rigoletto<br />

muß mit Erschrecken feststellen, daß der Sack,<br />

der ihm von Sparafucile übergeben wurde, nicht den<br />

toten Herzog, sondern seine sterbende Tochter enthält.<br />

Damit hat sich der Fluch Monterones erfüllt.<br />

Aufführung<br />

Die ständig wechselnden Schauplätze wurden durch<br />

eine bemalte Leinw<strong>and</strong>konstruktion aufgegriffen, die<br />

sich drehen ließ. Zu Beginn zeigte diese das Innere einer<br />

Palasthalle in Olivtönen, später die Palastmauern in gelb<br />

und violett. Auch Kostüme und Lichteffekte blieben in<br />

dem Farbenspektrum. Die Hofdamen trugen violette<br />

Ballkleider, die Herren hatten schwarze Fracks an und<br />

hielten Gehstöcke.<br />

Zwei Welten wurden<br />

hier kunstvoll<br />

in Szene gesetzt:<br />

die an Spaß orientierteHofgesellschaft<br />

auf der einen<br />

und die bürgerliche<br />

Beschränktheit auf<br />

der <strong>and</strong>eren Seite.<br />

Die Höfl inge<br />

wurden schauspielerisch<br />

vor allem<br />

durch Andreas<br />

Joost (Matteo Borsa)<br />

und Martin<br />

Berner (Marullo)<br />

vertreten. Beide<br />

stellten ihre Rolle<br />

durch ihre sexistischen Anspielungen sehr überzeugend<br />

dar. Hier ist auch Jean François Borras (Herzog von<br />

Mantua) zu erwähnen, der mit seinem strahlenden Tenor<br />

der Rolle sehr viel Aristokratisches verlieh, von seinem<br />

äußeren Erscheinungsbild einmal abgesehen, das weniger<br />

zu einem jugendlichen Frauenhelden paßte.<br />

Der Graf von Monterone (Woong-jo Choi, rechts) stört die heitere Festgesellschaft des Herzogs<br />

(Yikun Chung, links) und wird von Rigoletto (Igor Morosow, Mitte) verhöhnt.<br />

Die bürgerliche Welt, vertreten von Igor Morosow (Rigoletto)<br />

und Michaela Maria Mayer (Gilda), spielte den<br />

Gegenpart. Morosows kräftige Baritonstimme verlieh<br />

dem vom Haß und Schmerz zerfressenen Narren viel<br />

Nachdruck, doch als liebevoller Vater war die Stimme


weich und sanft. Mayer (Rollendebüt als Gilda) war<br />

dafür wie geschaffen; denn ihr lyrischer Sopran paßte<br />

gut zu der mädchenhaften Unschuld Gildas. Mit ihrem<br />

Aussehen (gelockte, blonde, lange Haare, schlanke Figur)<br />

entsprach sie dem Bild einer Frau mit den Zügen<br />

eines Engels voll und ganz. Woon-Jo Choi (Monterone)<br />

brachte durch seinen kurzen, aber eindrucksvollen<br />

Auftritt den Saal mit seinem schmetternden Baßbariton<br />

zum Erbeben.<br />

Nicht zuletzt sollte hier die Leistung des Orchesters erwähnt<br />

werden, das von Daniel Jakobi dirigiert wurde.<br />

Die Stimmungswechsel in Verdis Musik – von Erheiterung<br />

am Anfang bis Erschütterung ganz zum Schluß<br />

– wurden gut umgesetzt.<br />

Das ausverkaufte Haus war tief beeindruckt. Am Ende erhob<br />

sich das Publikum sogar von den Sitzen, wobei Michaela<br />

Maria Meyer hier den stürmischsten Applaus einheimste.<br />

Fazit<br />

Die Aachener Inszenierung ist eine sehr originalgetreue<br />

Umsetzung der Oper Verdis. Man fühlte sich miteinbezogen<br />

in das Geschehen, das dank der brillanten Besetzung<br />

und der großartigen musikalischen Leistung allen<br />

Ansprüchen gerecht wurde.<br />

M. Joannidis<br />

Bild: Ludwig Koerfer<br />

Aachen, Theater<br />

Orfeo ed Euridice – Opheus und Euridice<br />

von Christoph Willibald Gluck, Oper in drei Akten, in italienischer<br />

Sprache, Libretto: Ranieri de Calzabigi, UA: 5. Oktober 1762, Wien<br />

Regie: Martin Philipp, Bühnenbild: Detlev Beaujean<br />

Dirigent: Volker Hiemeyer, Sinfonieorchester Aachen, Opernchor,<br />

Solisten: Annika van Dyk (Orfeo), Zoe Nicolaidou (Euridice), Soo-<br />

Jin Park (Amor); Besuchte Aufführung: 13.4.2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Während Orfeo den Tod seiner Gattin Euridice betrauert,<br />

erscheint Gott Amor. Er bietet ihm an, in die Unterwelt<br />

zu reisen, um Euridice zurück ins Leben zu holen.<br />

Einzige Bedingung sei, daß Orfeo Euridice auf keinen<br />

Fall ansehen dürfe,<br />

<strong>and</strong>erenfalls würde er<br />

sie erneut für immer<br />

verlieren. Orfeo hat<br />

Zweifel: Wie wird Euridice<br />

wohl auf sein<br />

Verhalten reagieren?<br />

Vor den Toren der<br />

Unterwelt versperren<br />

Furien ihm die Pforten.<br />

Doch durch seinen<br />

Gesang sind die<br />

Furien so ergriffen,<br />

daß sie ihn passieren<br />

lassen. Orfeo durchquert<br />

die Tore und<br />

Das Bild zeigt Annika van Dyk (Orfeo), Zoe Nicolaidou (Euridice, liegend)<br />

24<br />

trifft wenig später auf Euridice. Er ergreift ihre H<strong>and</strong><br />

und fordert sie auf, ihm schweigend zu folgen. Dabei<br />

schaut er sie nicht an. Euridice ist verwirrt und deutet<br />

sein distanziertes Verhalten als Gleichgültigkeit ihr gegenüber.<br />

Als sie ihn immer intensiver anfl eht, sieht er sie<br />

an. Gleich darauf stirbt Euridice. Aus Verzweifl ung will<br />

Orfeo ebenfalls sterben. Aber auch hier hat Amor Mitleid<br />

mit ihm und verhindert dies. Er erweckt Euridice<br />

wieder zum Leben und schickt das Paar zurück auf die<br />

Erde. In freudiger Stimmung wird der Triumph des Liebesgottes<br />

gefeiert.<br />

Vorbemerkung<br />

Bei dieser Oper h<strong>and</strong>elt es sich um ein besonderes<br />

Werk im Schaffen Glucks. Sie stellt den Versuch einer<br />

Synthese von Opera seria und der französischen Tragédie<br />

lyrique dar. Daher hat Gluck die Oper sowohl in italienischer,<br />

als auch in französischer Sprache geschrieben.<br />

Damit bricht Gluck mit der Operntradition des frühen<br />

18. Jahrhunderts, indem er deren Künstlichkeit bzgl. der<br />

ausgedehnten Koloraturarien ablehnt. Statt dessen besticht<br />

diese Opernform durch Einfachheit und geradlinige<br />

H<strong>and</strong>lung. Leider lieferte das Programmheft des<br />

Opernhauses wenig Informationen über diese Besonderheiten<br />

der Gluckschen Oper.<br />

Aufführung<br />

Die Inszenierung rückte die Musik ganz in den Vordergrund.<br />

Dies geschah vor allem durch eine sehr schlichte<br />

Optik von Bühnenbild und Kostümen.<br />

Im ersten Akt blieb die Bühne, abgesehen von einer<br />

Treppe und einem Messer als Requisite, leer. Auf eine<br />

schwarze W<strong>and</strong> (als Ersatz für einen roten Vorhang)<br />

wurde ein Film projiziert. Er zeigte die beiden Hauptdarsteller<br />

glücklich als Paar vereint. Im zweiten Akt hob<br />

sich die schwarze W<strong>and</strong> und enthüllte eine erhöhte Konstruktion,<br />

die die Höllenatmosphäre sehr beeindruckend<br />

vermittelte. Kleine Figuren, die auf eine Walze gesteckt<br />

waren und sich um ihre eigene Achse drehten, stellten<br />

die Furien dar. Die Szene im Elysium wurde aufgegriffen<br />

durch eine Waldatmosphäre<br />

in Grüntönen.<br />

Dies blieben die<br />

einzigen bunten Effekte<br />

in dem Stück, bei<br />

dem sonst die Farbe<br />

Schwarz vorherrschte.<br />

Auch die Kostüme<br />

waren unauffällig<br />

schwarz, allein Euridice<br />

trug ein weißes Kleid.<br />

Stimmlich überzeugte<br />

Annika van Dyk (Orfeo)<br />

durch ihren warmen<br />

Mezzosopran,<br />

der gut zu ihrer Rolle


paßte. Auch schauspielerisch konnte sie Orfeos Verzweifl<br />

ung durch eine sehr überzeugende Mimik Ausdruck<br />

verleihen. Sehr auffallend war auch Soo-Jin Park<br />

(Amor), deren klarer und schmetternder Sopran eine<br />

Bereicherung für das Stück war.<br />

Die Rolle des Amors spielte sie ebenfalls sehr überzeugend,<br />

wobei sie die intriganten Züge des Gottes in den<br />

Vordergrund rückte. Sie trug ständig zwei Puppen mit<br />

sich, die Orfeo und Euridice verkörpern sollten. Durch<br />

diese manipulierte sie die beiden, wo sie nur konnte, wie<br />

bei einem Voodo-Zauber. Damit zeigte sich deutlich, wer<br />

in dem Stück die Fäden in der H<strong>and</strong> hielt. Auch ihr Aussehen<br />

(schwarzes Lederkleid und kurze schwarze Zöpfe)<br />

unterstrich den verspielten Charakter ihrer Rolle.<br />

Zoe Nicolaidou (Euridice) war ein weiterer Höhepunkt<br />

des Abends. Durch ihren kräftigen, metallischen Sopran<br />

konnte sie vor allem den Schmerz und die Ängste<br />

Euridikes sehr gut umsetzen. Besonders hervorzuheben<br />

ist auch die Leistung des Chores, der sehr gut mit dem<br />

Orchester unter Volker Hiemeyer zusammen agierte.<br />

Das Ende des Stückes war etwas irritierend, da es dem<br />

glücklichen Ende der Vorlage nur teilweise entsprach.<br />

Auch hier war Soo-Jin Park als Amor wieder sehr dominant.<br />

Sie versetzte dem Liebespaar einen Stoß, das sich<br />

daraufhin wie ein Uhrwerk in Bewegung setzte und im<br />

Kreis drehte. Somit wurde die Abhängigkeit von Amors<br />

Wohlwollen doch ein wenig auf die Spitze getrieben.<br />

Fazit<br />

Eine sehr schlichte Umsetzung des Stückes, die sich auf<br />

das Musikalische konzentriert. Optisch nicht unbedingt<br />

spektakulär, dafür aber fürs Hören um so mehr.<br />

M. Joannidis<br />

Bild: Carl Brunn<br />

Bayreuth, Markgräfl iches Opernhaus<br />

Iphigenie auf Tauris<br />

von Christoph Willibald Gluck (1714-1787) Tragédie lyrique in vier-<br />

Akten, Libretto: Nicolas-François Guillard; UA: 18. Mai 1779, Palais<br />

Royal, Paris; Deutsche Fassung: Ch. W. Gluck<br />

und Johann Baptist von Alxinger (1723-81);<br />

UA (deutsch): 1781, Burgtheater Wien<br />

Regie: Claus J. Frankl, Kostümbild: Ruth<br />

Krottentaler<br />

Dirigent: Christoph Ulrich Meier, Opernorchester<br />

der Jungen Internationalen Orchesterakademie,<br />

Sonderchor der Bayreuther Festspiele<br />

Solisten: Johanna Winkel (Iphigenie), Christoph<br />

Schröter (Orest), Bohyeon Mun (Pylades), Jae<br />

Won Yang (Thomas), Nicala Becht (Diana).<br />

Besuchte Vorstellung: 30.03.2008<br />

(Premiere 29. März 2008)<br />

Kurzinhalt<br />

Iphigenie fi ndet nach Jahren des<br />

Dienstes im Tempel der Diana ihren<br />

Bruder Orest wieder. Dieser, ein Ge-<br />

25<br />

fangener der Skythen, soll zusammen mit seinem Freund<br />

Pylades als Menschenopfer getötet werden. Durch Eingreifen<br />

der Diana wird dies verhindert und alle drei können<br />

zusammen in ihre Heimat fahren.<br />

Aufführung<br />

Claus J. Frankl, erfahrener Operetten- und <strong>Music</strong>aldarsteller<br />

und Regisseur, sah sich in seiner Interpretation<br />

des Gluckschen Stoffes mit einer großen Schwierigkeit<br />

konfrontiert: Geldmangel. Sein Bühnenbild, zusammengestückelte<br />

Kostüme aus allen Erdteilen und Epochen,<br />

minderten den Eindruck, den das Werk Glucks verdient.<br />

Dazu kamen noch ein paar überfl üssige Regiegags, wie<br />

die Nachwuchsregelung der Diana-Priesterinnen.<br />

Die Priesterinnen trugen auch keine griechischen Gewänder,<br />

sondern glichen Samurai-Nonnen aus einem<br />

schlechten Film. Ebenso Thoas, der mal an Krücken<br />

gehen mußte, dann aber auch ohne Gehhilfen ganz bequem<br />

laufen konnte, trug Asiatisches, so daß zusammen<br />

mit dem Kostüm Iphigenies, ein weißes Fin-de-siecle-<br />

Kleid mit einem Zwanziger-Jahre-Mantel, der Eindruck<br />

entstehen konnte, man sei in einer schlechten L<strong>and</strong>-des-<br />

Lächelns-Show gel<strong>and</strong>et. Die Statisterie brachte schon<br />

mal durch ihre Gesichtsbemalung einen ersten Eindruck auf<br />

die kommende Fußball-Europameisterschaft in Österreich.<br />

Nun denn, für eine gute Inszenierung wird halt etwas<br />

Geld benötigt. Die einzelnen Figuren waren zwar durch<br />

Frankl glaubwürdig in Szene gesetzt, überzeugten aber<br />

am Ende doch nur durch ihre sängerische Leistung.<br />

Überragend Johanna Winkel als Iphigenie. Ihre angenehm<br />

timbrierte Stimme überzeugte in allen Lagen. Bohyeon<br />

Mun als Pylades, sehr deutlich zu verstehen, erstrahlte<br />

in der hervorragenden Akustik des Markgräfl ichen<br />

Opernhauses. Christoph Schröter (Orest) wurde nach der<br />

Pause deutlich besser.<br />

Der eigentliche Star an diesem Abend aber war die Junge<br />

Internationale Orchesterakademie unter Ulrich Meier.<br />

Das Orchester beglückte mit einem Glanz, den man in<br />

größeren Häusern so oft vermißt. Meier gelingt es immer,<br />

das Orchester den stimmlichen Bedürfnissen auf<br />

der Bühne anzupassen. Auch ist die Musikalität des Cho-<br />

Iphigenie und Orest im Vordergrund, dahinter der Damenchor


es, jeweils sechs Damen- und Herrenstimmen, besonders<br />

hervorzuheben. Stets bemüht, der Szene Ausdruck zu verleihen,<br />

sind sie dennoch immer in der Musik präsent.<br />

Der Eindruck, den die diesjährige Opernproduktion des<br />

Bayreuther Opernfestivals hinterließ, ließe sich durch eine<br />

bessere Ausstattung steigern. Hier wären Sponsoren gefordert,<br />

aber auch eine bessere Vermarktung der Opernaufführung<br />

könnte dazu beitragen, daß Bayreuth neben<br />

seinem Sommerevent auch im Frühling aus seinem kulturellen<br />

Dornröschenschlaf erweckt würde. Dem Intendanten<br />

Ulrich Schubert und seinem Team ist jedenfalls<br />

zu dieser Produktion zu gratulieren und der Iphigenie<br />

auf Tauris wäre eine längere Laufzeit zu wünschen.<br />

Berlin, Komische Oper<br />

Teseo - Theseus<br />

A.M. Hauer<br />

Bild: Opernhaus Bayreuth<br />

von Georg Friedrich Händel, Oper in fünf Akten, Text von Niccolò<br />

Francesco Haym nach dem Libretto von Philippe Quinault zur Tragédie<br />

en musique Thésée von Jean-Baptiste Lully; UA: 1713 London<br />

Deutsche Textfassung: Bettina Bartz/Werner Hintze; Inszenierung: Benedikt<br />

von Peter. Bühnenbild: Natascha von Steiger, Kostüme: Katrin<br />

Wittig, Licht: Frank Evin; Dirigent: Aless<strong>and</strong>ro de Marchi, Orchester der<br />

Komischen Oper; Solisten: Elisabeth Starzinger (Theseus), Marina Rebeka<br />

(Agilea), Stella Doufexis (Medea), Hagen Matzeit (Ägeus), Karolina<br />

Andersson (Clizia), David DQ Lee (Arkane)<br />

Besuchte Vorstellung: 10. Februar 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Medea, die Zauberin aus Kolchis, liebt den athenischen<br />

Kriegshelden Theseus, der wiederum Agilea liebt. Nach<br />

mehreren erfolglosen Versuchen, die beiden zu trennen,<br />

beschließt Medea, Agilea zu töten und macht sich König<br />

Ägeus zum Komplizen. Als der sich jedoch daran<br />

macht, Theseus zu vergiften, erkennt er ihn an seinem<br />

Schwert als seinen vermißten Sohn. Medea, die nun die<br />

ganze Welt vernichten will, wird durch das Eingreifen<br />

einer göttlichen Macht daran gehindert.<br />

Aufführung<br />

Es h<strong>and</strong>elt<br />

sich bei dieser<br />

Inszenierung<br />

um das Berliner<br />

Debüt des<br />

1977 geborenen<br />

Regisseurs<br />

Benedikt von<br />

Peter. Wie auch<br />

die <strong>and</strong>eren<br />

Kräfte seines<br />

Teams stehen<br />

die meisten<br />

seiner Sänger<br />

am Beginn ihrer<br />

Karrieren.<br />

Von einem<br />

solch jungen<br />

26<br />

Ensemble wird man eine kühne, unkonventionelle, vielleicht<br />

sogar rebellische Lesart des Textes erwarten. Und<br />

die bekam man geboten.<br />

Um es gleich vorwegzunehmen: Wer mit den Operninszenierungen<br />

etwa eines Christoph Schlingensief, ihrer oft<br />

sehr lockeren, assoziativen und multimedialen Bildgebung<br />

prinzipiell nicht zu Recht kommt, für den war<br />

der Abend schon gelaufen, bevor der erste Ton gespielt<br />

war. In dem Stück sieht kein Schauplatz auch nur annähernd<br />

so aus, wie man ihn sich nach den Vorgaben<br />

des Librettos vorstellen würde. Die Darsteller bewegen<br />

sich viel und oft aufgeregt, praktisch immer sind mehr<br />

Personen auf der Bühne, als gerade singen, um stumme<br />

Aktionen auszuführen, der Umgang mit der Musik ist<br />

stellenweise sehr frei, es kommt zu Unterbrechungen<br />

mit kurzen gesprochenen Monologen (z.B. wird Heiner<br />

Müllers Gedicht Verkommenes Ufer im 4. Akt rezitiert),<br />

Laiendarsteller wirken mit (eine arabische Familie), die<br />

Darsteller werden mit Kübeln begossen, dekorieren sich<br />

gegenseitig mit Schlagsahne usw.<br />

Der komplette erste und der Beginn des vierten Aktes<br />

spielen vor dem eisernen Vorhang, der Rest der H<strong>and</strong>lung<br />

auf der vollkommen mit Schlamm bedeckten<br />

Opernbühne. Allein aus diesen wenigen Beispielen wird<br />

ersichtlich, was für eine Strategie mit dieser Inszenierung<br />

verfolgt wird. Wer allerdings mit dieser zum Teil<br />

anarchisch anmutenden Ästhetik keine Schwierigkeiten<br />

hat, auf den wartete ein überaus amüsanter und darüberhinaus<br />

musikalisch bravourös gemeisterter Abend.<br />

Da es viel zuviel zu sehen und – wenn man erst einmal<br />

das Programmheft zur H<strong>and</strong> nimmt – zu deuten gibt,<br />

um alles zu erwähnen, läßt sich der Gesamteindruck der<br />

Inszenierung in etwa so zusammenfassen:<br />

Man wird Benedikt von Peters Arbeit wegen der Freiheit<br />

seiner Deutung sicherlich einiges vorwerfen kön-<br />

Stella Doufexis (Medea), vorne knieend


nen, aber nicht, sie sei langweilig, humorlos, ignoriere<br />

das musikalische Geschehen und sei nicht sachkundig.<br />

Das Timing der Aktionen ist – dank der hervorragenden<br />

Darsteller – brillant, so daß während der dreieinhalbstündigen<br />

Oper keinerlei Leerlauf aufkommt. Das<br />

Libretto mit seinen mitunter wenig überzeugenden Entwicklungen<br />

wird sowohl in seiner Absurdität als auch<br />

seinen ethischen Momenten ernst genommen.<br />

Händels Stoff bietet eine Fülle verwickelter Liebesbeziehungen<br />

und besitzt zugleich eine politische Dimension,<br />

da die Oper, wie es für das 17. und frühe 18. Jahrhundert<br />

typisch ist, im Milieu der Helden, Könige und Halbgötter<br />

spielt, . Dies kommt in der Inszenierung ebenso zum<br />

Ausdruck wie der Umst<strong>and</strong>, daß die H<strong>and</strong>lung vor dem<br />

Hintergrund eines Krieges zu sehen ist, eines Krieges,<br />

der die Protagonisten zeichnet.<br />

Musik und Sänger<br />

Das Orchester der Komischen Oper brachte, in historischer<br />

Aufstellung und mit historischen Instrumenten<br />

angereichert, unter der Leitung von Aless<strong>and</strong>ro de<br />

Marchi einen kräftig-dunklen, dabei ungemein genau<br />

artikulierten und akzentuierten Klang hervor. Das Zusammenwirken<br />

mit den Sängern in ihren Koloraturarien,<br />

die, wie in den einschlägigen Ensembles seit ein paar<br />

Jahren üblich, in einem sehr schnellen Tempo genommen<br />

wurden, war in seiner Präzision<br />

wirklich atemberaubend. Alle Solisten<br />

wurden völlig zu Recht mit Bravorufen<br />

für ihre Leistungen bedacht.<br />

Sämtliche Sängerinnen und die beiden<br />

Counter-Tenöre verfügen über<br />

eine hochspezialisierte Technik, die<br />

ihnen gestattet, exakt phrasierte,<br />

schnelle Läufe und Figurationen<br />

ebenso souverän zu singen wie auch<br />

einen forcierten, raumfüllenden Ton<br />

zu erzeugen.<br />

Die Nuancierungsmöglichkeiten aller<br />

Sänger, etwa von Stelle Doufexis<br />

als Medea, stehen auf höchstem Niveau.<br />

Von der Regie wurde bisweilen<br />

in ihre Partien eingegriffen, indem<br />

einige kurze Rezitativphrasen gesprochen<br />

oder nur halb gesungen und in den Arien einzelne<br />

Töne verlängert oder Gliss<strong>and</strong>i eingefügt wurden; doch<br />

betrifft dies nur einen sehr kleinen Teil der Partitur. Alle<br />

Chöre und Bühnenmusiken kamen, zum Teil elektronisch<br />

verfremdet, vom B<strong>and</strong>.<br />

Fazit<br />

Musikalisch ist diese Inszenierung ein Traum. Sie ist jedoch<br />

wirklich nur etwas für Leute, die offen für Überraschungen<br />

sind, oder für Freunde des modernen, experimentierfreu-<br />

gen Theaters. In jedem Falle sehr kurzweilig.<br />

M. Knust<br />

Bild: Monika Rittershaus<br />

27<br />

Bonn, Oper<br />

L´Italiana in Algeri<br />

von Gioachino Rossini, Dramma giocoso per musica, zwei Akte; Libretto:<br />

Angelo Anelli; UA: 25. Mai 1813, Teatro San Benedetto, Venedig.<br />

Regie: Andrea Schwalbach, Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Stephan<br />

von Wedel; Dirigent: Wolfgang Lischke, Herrenchor, Einstudierung:<br />

Sibylle Wagner, Choreographie: Ulrike Schumann<br />

Solisten: Martin Tzonev (Mustafa), Anna Virovlansky (Elvira), Anjara<br />

I. Bartz (Zulma), Algis Lunskis (Haly), Jónas Gudmunđsson (Lindoro),<br />

Susanne Blattert (Isabella), Haris Andrianos (Taddeo)<br />

Besuchte Aufführung: 2. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Algier um 1810 Mustafa, der Bey von Algier, ist seiner<br />

Frau Elvira überdrüssig. Sein Vertrauter Haly soll ihm eine<br />

temperamentvolle Italienerin zuführen und Elvira mit seinem<br />

italienischen Sklaven Lindoro verheiraten. Isabella<br />

macht sich mit ihrem Gefährten Taddeo auf die Suche nach<br />

ihrem Geliebten Lindoro und str<strong>and</strong>et mit dem Schiff vor<br />

der Küste Algeriens. Haly nützt die Gelegenheit und führt<br />

Isabella seinem Herrn, der sofort von ihr hingerissen ist. Um<br />

Isabella für sich einzunehmen, ernennt Mustafa ihren „Onkel“<br />

Taddeo zum „Kaimakan“. Mustafa, Taddeo und Lindoro<br />

beobachten Isabella heimlich bei der Toilette. Sie will<br />

sich für ihren Liebsten schön machenl. Jeder der drei bildet<br />

sich ein, er sei gemeint. Isabella verspricht Mustafa, ihn zu<br />

lieben, wenn er sich zum „Pappataci“, einem Mampfenden<br />

und Schweigenden, machen lasse. Die Zeremonie nutzen<br />

Susanne Blattert (Isabella); Haris Andrianos (Taddeo)<br />

Isabella, Lindoro und die übrigen Sklaven zur Flucht. Zu spät<br />

erkennt Mustafa den Schwindel und fügt sich in sein Schicksal.<br />

Aufführung<br />

Die Regisseurin hat den im osmanischen Algier angesiedelten<br />

Stoff in die Gegenwart verlegt. Während der Ouvertüre<br />

klebt Isabella im grauen Kostüm, strenger Frisur<br />

und Brille, zurecht gemacht wie eine Oberlehrerin, Suchplakate<br />

mit dem Konterfei Lindoros an eine Mauer. Ihr<br />

Geliebter gleicht einem Buchhalter, als er mit Mustafa<br />

in einer Art Kaffeehaus, eher eine Teestube mit Fischtheke<br />

und Pepsi-Kühlschrank, lose angebunden sitzt. Den


Mokka nimmt man aus Teegläsern zu sich. Mustafa als Macho<br />

zu erkennen, ist nicht eben originell gestaltet: Zum weißen<br />

Nadelstreifenanzug trägt er ein lila Hemd, sowie dicke<br />

Goldketten. Die Begegnung der Kulturen fi ndet also nur<br />

im Klischee statt: Auch dann, wenn ein fl iegender Teppich<br />

vorbeisaust, ein Kamel um die Ecke blickt und die von<br />

einem dickbäuchigen Eunuchen unterstützte Bauchtanzgruppe<br />

orientalischen Reiz bringen. Aus der delikat erdachten<br />

Komödie werden gut getimte Klamauknummern, die<br />

man mögen muß – oder auch nicht.<br />

Mit ihrem Sportboot krachen Taddeo und Isabella durch<br />

die Requisite. Zu Lachen gibt es also reichlich. Die schauspielerische<br />

und choreographische Darbietung der Statisterie<br />

und des Herrenchors sind glänzend.<br />

Die Haremsdamen tragen zunächst Burka, später von der<br />

Italienerin quasi „infi ziert“, ebenfalls graue Kostüme, die<br />

Herren westliche Anzüge. Lindoro, der gerne seine Rechenmaschine<br />

umklammert, wirkt kalkulierbar. Alle Sklaven<br />

und Herren, das macht die schauspielerisch und sängerisch<br />

herausragende Susanne Blattert (Isabella) klar, verfallen ihr,<br />

der durch das „Schicksal gestärkten“ Primadonna. Wenn<br />

sie sich zur gemeinsamen Kaffeestunde bis auf den Unterrock<br />

auskleidet, sind nicht nur die drei Herren, sondern<br />

auch der ganze Harem wie paralysiert und auch der Kühlschrank<br />

dampft. Elvira hält den Emanzipationsschriften<br />

ihrer Zofe das kitschige Hochzeitsbild entgegen, denn für<br />

sie und Mustafa bleibt nach wie vor alles beim Alten. Das<br />

Orchester kann bis auf Details gut mithalten. Die<br />

Sänger, allen voran Susanne Blattert, können mit<br />

warmen leichtem Belcanto einnehmen, wie der<br />

im leichten Parl<strong>and</strong>ostil singende Martin Tzonev<br />

(Mustafa) und der überzeugende Haris Andrianos<br />

(Taddeo), dessen Komik brillant ist. Eine gewisse<br />

Enttäuschung war Jonas Gudmundsson (Lindoro),<br />

der trotz seines schönen Tenors besonders in seiner<br />

ersten Arie die Höhen forcierte, was der Leichtigkeit<br />

von Rossinis Musik gar nicht gut st<strong>and</strong>. Anna<br />

Virovlansky verkörperte mit hellem Sopran die<br />

Partie der Elvira, Algis Lunskis (Zulma) und Anjara<br />

I. Bartz (Haly) und machten aus ihren Nebenrollen<br />

stimmlich und agierend das Beste.<br />

Fazit<br />

Das Orchester spielte, wenn auch gelegentlich etwas dominant<br />

(z.B. Finale 1. Akt), musikalisch, sieht man von der<br />

nicht gerade repräsentativen Solofl öte in der Ouvertüre<br />

einmal ab. Der Wechsel zwischen Rezitativen und Arien<br />

gelang bruchlos. Schauspielerisch war die Aufführung<br />

rundum gelungen. Die Sänger sind bis auf den Lindorodarsteller,<br />

dessen Stimme die weiche Leichtigkeit fürs Belcantofach<br />

vermissen ließ, hörenswert. Eine insgesamt auf<br />

Komik setzende Version mit umgangssprachlich übersetzten<br />

Obertiteln (etwa: Jetzt heißt es cool bleiben), die nicht auf<br />

Raffi nesse, sondern auf kraftvolle Bilder à la Slapstick setzt.<br />

F. Zink<br />

Bild: Thilo Beu<br />

28<br />

Bonn, Opernhaus<br />

Margarethe – Faust<br />

von Charles Gounod (1818-1893), Oper in 5 Akten, überarbeitete<br />

Fassung 1869: Libretto: Jules Barbier und Michel Carré nach Johann<br />

Wolfgang von Goethe. UA: 19. März 1859, Paris, Théâtre Lyrique<br />

Regie: Vera Nemirova, Bühnenbild/Kostüme: Ulrike Kunze<br />

Dirigent: Wolfgang Lischke, Beethoven Orchester Bonn, Chor: Einstudierung:<br />

Sibylle Wagner; Solisten: Julia Kamenik (Margarethe),<br />

Arturo Martin (Faust), Martin Tzonev (Mephisto), Aris Argiris (Valentin),<br />

Kamen Todorov (Wagner), Susanne Blattert (Siebel). Anjara<br />

I. Bartz (Marthe Schwertlein),<br />

Besuchte Aufführung: 13. April 2008 (Premiere).<br />

Kurzinhalt<br />

Faust, im vorgerückten Alter, ist im Ringen nach Erkenntnis<br />

müde geworden. Er greift nach dem Giftbecher.<br />

In Unmut über die von draußen in seine Studierstube<br />

dringenden religiösen Gesänge ruft er den Satan herbei,<br />

der als Edelmann erscheint. Der Pakt um Jugend, Kraft<br />

und Hoffnung gegen die Seele des Wissenschaftlers<br />

wird beschlossen. Durch einen Trank verjüngt, begehrt<br />

er das Mädchen auf dem ihm gezeigten Bild: Margarethe.<br />

Ihr Bruder Valentin verläßt als Soldat die Stadt. Die<br />

Studenten Siebel und Wagner versprechen, auf Grete<br />

zu achten. Mephisto mischt die heitere Gesellschaft mit<br />

düsteren Prophezeiungen auf, es kommt zum Gerangel.<br />

Faust lernt Margarethe kennen. Mephisto verschafft<br />

Schmuck. Die geschwätzige Nachbarin redet Grete zu,<br />

ihn zu behalten. Mephisto organisiert ein erstes Treffen.<br />

Julia Kamenik (Margarethe), Arturo Martin (Faust), Martin<br />

Tzonev (Mephisto), Anjara I. Bartz (Marthe), von li nach re<br />

Margarethe wird von Faust verlassen; sie erwartet ein<br />

Kind von ihm. Der zurückgekehrte Valentin stellt den<br />

Verführer im Kampf und wird von ihm tödlich verwundet.<br />

Mephisto führt Faust auf einen Berg, den Brocken<br />

im Harz, wo während der Walpurgisnacht sinnliche Genüsse<br />

aller Art auf ihn warten. Faust hat die Vision der<br />

leidenden Margarethe und fl ieht mit Mephisto zu der als<br />

Kindesmörderin verurteilten Grete ins Gefängnis. Dem<br />

Drängen Mephistos zu folgen, kann sie, die tugendhaft<br />

Reine, nicht nachgeben. Mephistos Ausruf: „gerichtet“<br />

schallt das himmlische „gerettet“ entgegen und Grete<br />

schwebt gen Himmel.


Aufführung<br />

In Bonn hat man sich für die französische Version mit<br />

deutschen Übertiteln entschieden, was die musikalische<br />

Einheit verdichtet. Die Regiearbeit der Bulgarin Vera<br />

Nemirova, einer Schülerin Peter Konwitzschnys, läßt ein<br />

einigermaßen deprimiertes Publikum zurück. Bedauernswert,<br />

wenn einer Regisseurin zu der delikaten Musik<br />

von Charles Gounod mitunter platte, um nicht zu sagen,<br />

hausbackene Bilder einfallen.<br />

Das erste Bild läßt noch hoffen: Faust im hohen Raum<br />

eines Turms mit W<strong>and</strong>tafeln, die mit mathematischen<br />

Formeln übersät sind. Er ist ein junger Mann, der sich<br />

nicht verjüngt, sondern zum Spiegelbild Mephistos verw<strong>and</strong>elt<br />

wird. Die Rolle von Mephisto wird dominant,<br />

er ist nicht nur treibende, sondern auch aktiv h<strong>and</strong>elnde<br />

Kraft in der Verführungsszene. Margarethe heißt in Bonn<br />

letztlich Faust, was diese Betonung erklärt. Dennoch<br />

bleibt bei Gounod, im Gegensatz zu Goethe, Margarethe<br />

die Hauptperson.<br />

Der Auftritt Mephistos, in hochfahrendem, rotem Ledersessel<br />

sitzend, zeigt Wirkung. Über den neuerdings<br />

in Regiearbeiten unvermeidlichen Laptop sieht Faust<br />

Margarethes Bild.<br />

Die <strong>and</strong>ere Seite des „Studierzimmers“ ist das weiße Foyer<br />

einer Pfl egestation für Senioren, in dem Margarethe<br />

als Pfl egerin arbeitet und die Banalisierung des als romantische<br />

Oper gedachten Stoffes beginnt. Das Vestibül<br />

bleibt Kulisse bis zum vorletzten Bild, wird Schauplatz<br />

des Bacchusfestes, eine Art Weinfest mit Menschen in<br />

Lederhosen und Schürzenkleidchen plattesten Kolorits.<br />

Faust intoniert seine Arie Sei gegrüßet reines Heim ins Foyer<br />

hinein, was einen merkwürdigen Beigeschmack bekommt.<br />

Margarethe mit Putzeimer und Lappen im dritten<br />

Akt hängt mit Gounods zauberhafter Musik ihrem<br />

Geliebten nach. Wer möchte das so sehen?<br />

Das eindringlichste Bild ist die Gebetsszene, in der Margarethe<br />

um Gottes Gnade fl eht und die Gläubigen sich<br />

gegen Mephisto, der seine eigene, satanische Messe zu<br />

zelebrieren scheint, stellen. Valentins Rückkehr aus dem<br />

Krieg wird zu einer Miniaturparade realsozialistischer<br />

Prägung. Kinder mit Spielzeuggewehren, selbst der Nelkenstrauß<br />

fehlt nicht.<br />

Das Bacchanal der Walpurgisnacht in wilder Gebirgsl<strong>and</strong>schaft<br />

ist als aus Eimern saufende Feierrunde mit<br />

blinkenden Teufelshörnchen und Papphütchen zu sehen.<br />

Margarethe wirft im Hintergrund der Party das tote<br />

Kind in eine für kühle Getränke bereit gestellte Gefriertruhe.<br />

Fausts Frage Wo sind wir? stellt man sich als Zuschauer<br />

selbst.<br />

Die Sänger<br />

Julia Kamenik (Margarethe) war allen voran eine wünschenswerte<br />

Besetzung, die auch schauspielerisch einiges<br />

zu bieten hatte. Über eine schöne Stimme verfügt<br />

29<br />

der eigentlich als zweite Besetzung vorgesehene Arturo<br />

Martin (Faust). Noch scheint er der großen Partie nicht<br />

gewachsen zu sein. Martin Tzonev gab als Darsteller<br />

einen satanischen Mephisto, stimmlich hätte man sich<br />

einen profunderen Charakterbaß vorstellen können.<br />

Aris Argiris überzeugte als Valentin gänzlich, Susanne<br />

Blattert füllte die Rolle Siebels voll aus, wie Kamen Todorov<br />

und Anjara I. Bartz die von Wagner und Marthe<br />

Schwertlein. Der Chor hatte große, gelungene Szenen.<br />

Das Beethovenorchester bietet nach einer etwas erdig<br />

tönenden Ouvertüre hörbares Bemühen um einen leichten,<br />

romantischen Tonfall, aus dem sich in erster Linie<br />

fein artikulierte Holzbläserstellen herauskristallisierten.<br />

Bremen, Theater am Goetheplatz<br />

La Cenerentola – Das Aschenputtel<br />

F. Zink<br />

Bild: Tilo Beu<br />

von Gioachino Rossini (1792-1868), Dramma giocoso in 2 Akten,<br />

Libretto: Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon ou La petite<br />

pantoufl e de verre (1697) von Charles Perrault<br />

Dirigent: Markus Poschner, die Bremer Philharmoniker, Chor des<br />

Theater Bremen, Einstudierung Tarmo Vaask<br />

Regie: Michael Hampe, Bühnenbild: Christian Köpper/Andreas Hornburg,<br />

Ausstattung: Monika Gora, Kostüme: Paul Zimmermann;<br />

Solisten: Tamara Klivadenko (Angelina), Benjamin Bruns (Don Ramiro), Jan<br />

Friedrich Eggers (D<strong>and</strong>ini), Seth Keeton (Alidoro), Damon Nestor Ploumis<br />

(Don Magnifi co), Nadine Lehner (Clorinda), Barbara Buffy (Tisbe)<br />

Besuchte Aufführung: 12. April 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Angelina (Aschenputtel) gibt dem als Bettler verkleideten<br />

Philosophen Alidoro zu essen und zu trinken. Sie<br />

ist selbstlos, ganz im Unterschied zu ihren Halbschwestern<br />

Clorinda und Tisbe. Alidoro hilft ihr, aufs Fest im<br />

Schloß des Prinzen Ramiro zu kommen, was ihr Vater<br />

Don Magnifi co verboten hatte.<br />

Dort wollte sie Don Ramiro wiedersehen. Denn Prinz<br />

Ramiro, verkleidet als sein Diener D<strong>and</strong>ini, hatte sich<br />

zuvor auf Brautschau zur Wohnung von Don Magnifi co<br />

begeben, wo er sich in die unscheinbare Angelina verliebt<br />

hatte. Don Magnifi co will aber seine Töchter reich<br />

verheiraten, weil er fi nanziell am Ende ist.<br />

Alidoro führt Angelina mit verschleiertem Gesicht aufs<br />

Fest ins Schloß. Angelina gibt zu erkennen, daß sie den<br />

Kammerdiener liebt, woraufhin der Prinz seine Verkleidung<br />

fallenläßt.<br />

Einige Zeit später arrangiert Alidoro vor Don Magnifi -<br />

cos Haus einen Kutschunfall. Beim Betreten des Hauses<br />

erkennt Prinz Ramiro Angelina am Armreif, den sie zuvor<br />

als Geschenk von Ramiro beim Schloßfest erhalten<br />

hatte. Magnifi co und seine beiden Töchter müssen mit<br />

ansehen, wie Don Ramiro Angelina zur Frau nimmt.<br />

Der Triumph der Güte wird deutlich am Ende der Oper<br />

erkennbar: Angelina vergibt großzügig ihren Schwestern<br />

und ihrem Vater Don Magnifi co.


Vor dem Thron Benjamin Bruns (Prinz Ramiro), in der Mitte Tamara Klivadenko (Angelina) und die Festgesellschaft<br />

Aufführung<br />

Diese Produktion eröffnete in Bremen den Zyklus von<br />

Rossini-Inszenierungen.<br />

Michael Hampe brachte in seiner Inszenierung mit althergebrachten<br />

Techniken die Illusion des barocken Theaters<br />

auf die Szene zurück: drehbare Bühne, sich hebende<br />

und senkende Prospekte, künstliche Pferde und<br />

eine Kutsche, dabei vorbeiziehender Hintergrund, um<br />

das Fahren zu imitieren, sich auf der Bühne umkleidende<br />

Sänger: Durchschaubarkeit und Magie in einem. Die<br />

Kostüme, detailgenau rekonstruiert, gaben in ihrer bunten<br />

Ausführung das I-Tüpfelchen.<br />

Die Bremer Philharmoniker spielten wohltuend präzise<br />

und musizierten in hervorragendem Einklang mit den<br />

Sängern. Die Rezitative am Hammerklavier verwirklichte<br />

Karen Schulze-Koops präzise. Der Herrenchor war<br />

musikalisch exzellent vorbereitet und bot einen schauspielerisch<br />

gekonnten Spiegel für die H<strong>and</strong>lung.<br />

Die Solisten st<strong>and</strong>en mit ihrer sängerischen Leistung<br />

alle auf ähnlich hohem Niveau. Ihre Koloraturen kamen<br />

gekonnt und artikulatorisch sehr verständlich in atemberaubender<br />

Geschwindigkeit daher. Nur über höchste<br />

Konzentration konnte es möglich sein, das Zusammensingen<br />

in den Ensembles mit dieser Präzision zu erreichen,<br />

eines der entscheidenden Elemente, welches die<br />

Virtuosität dieser Oper ausmachte.<br />

Tamara Klivadenko gestaltete die zwar zurückgewiesene,<br />

aber nicht widerst<strong>and</strong>slose Stieftochter Angelina<br />

nachvollziehbar. Durch ihren weiten Stimmumfang<br />

wurde die Verw<strong>and</strong>lung von schlichter Dienstmagd, die<br />

30<br />

einfache Melodien singt, zur bravourösen Königin, die<br />

Koloraturen perlen lassen kann, eindrucksvoll deutlich.<br />

Seth Keeton (Alidoro), der die Fäden der Geschichte in<br />

der H<strong>and</strong> hält, blieb gemäß seiner Rolle etwas im Hintergrund,<br />

symbolisch trug er einen „Wendemantel“: außen<br />

grau und innen voller Sterne.<br />

Jan Friedrich Eggers (D<strong>and</strong>ini) vertrat genußvoll seinen<br />

Herrn und st<strong>and</strong> ihm in nichts nach. Sein Baß klang sogar<br />

manchmal wohltönender als der an lauten Stellen etwas<br />

gepreßte Tenor des Benjamin Bruns (Don Ramiro).<br />

Damon Nestor Ploumis (Don Magnifi co) war sowohl<br />

schauspielerisch als auch stimmlich ein Meister der Komik,<br />

ob es um seine träumerischen Schwärmereien für<br />

eine fi nanziell unabhängige Zukunft ging, um seine<br />

kratzfüßige Unterordnung gegenüber dem Prinzen oder<br />

um seine verschwörerische Absprache mit den Töchtern.<br />

Nadine Lehner (Clorinda) und Barbara Buffy (Tisbe)<br />

spielten die zänkischen, schnatternden, neidischen und<br />

von Selbstdarstellungszwang zerfressenen Marionettenwesen<br />

einfach umwerfend gut. Es ist wirklich schwierig,<br />

häßlich zu singen!<br />

Nach dreistündiger Aufführungszeit dann das Lieto fi ne<br />

(das glückliche Ende) mit einer der virtuosesten Ensembleszenen<br />

Rossinis – der angestrebte Triumph des Guten:<br />

den Bösen wurde vergeben, die Guten sonnen sich. Offensichtlich<br />

war das Publikum zufrieden: stehende Ovationen<br />

sprachen dafür. Ausnahmsweise wurde auch die<br />

Regie in den Applaus einbezogen. Man hatte eine Oper<br />

gesehen, in der sich schauspielerische und sängerische<br />

Leistung der Darsteller aufs Beste ergänzten.<br />

C. Jakubowski Bild: Jörg L<strong>and</strong>sberg


Chemnitz, Theater<br />

Il Templario – Der Templer<br />

von Otto Nicolai (1810-1849), Melodramma in drei Akten<br />

Libretto: Girolamo Maria Marini nach Ivanhoe von Walter Scott,<br />

UA: 19. September 1840, Triest<br />

Regie/Bühnenbild: Ralf Nürnberger, Kostüme: Claudia Rühle<br />

Dirigent: Frank Beermann, Robert-Schumann-Philharmonie,<br />

Opernchor, Einstudierung: Mary Adelyn Kauffman<br />

Solisten: Kouta Räsänen (Cedrico der Sachse), Stanley Jackson (Vil<br />

fredo d’Ivanhoe), Judith Kuhn (Rovena), Andreas Kindschuh (Luca<br />

di Beaumoir), Hans Christoph Begemann (Briano di Bois-Guilbert),<br />

Andre Rimer (Isacco di York), Tiina Penttinen (Rebecca)<br />

Besuchte Aufführung: 7. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Vilfredo schließt sich gegen den Willen seines Vaters<br />

Cedrico dem Normannenkönig Richard Löwenherz an<br />

und nimmt mit ihm am Dritten Kreuzzug teil. Im Heiligen<br />

L<strong>and</strong> wird er verletzt und von der Jüdin Rebecca gesund<br />

gepfl egt. Sie verliebt sich in ihn und folgt ihm heimlich<br />

nach Engl<strong>and</strong>.<br />

Vilfredo tritt beim Turnier in Ashby inkognito auf und<br />

besiegt den als unbesiegbar geltenden Normannen Briano.<br />

Danach läßt er sich durch Rovena, die er schon seit langem<br />

liebt, den Siegeskranz<br />

überreichen. Rebecca<br />

und Isacco fi nden bei<br />

Cedrico und Rovena<br />

Schutz vor ihren Verfolgern.<br />

Der unerwartet<br />

aufgetauchte Briano<br />

läßt Rebecca, in die er<br />

seit seiner Zeit in Palästina<br />

verliebt ist, entführen<br />

und verschleppt sie in die<br />

Komturei der Templer.<br />

Briano reißt sie aus ihren<br />

Träumen an Vilfredo<br />

und bietet ihr ein<br />

Leben fernab der Tempelritter an. Er warnt vor der Ankunft<br />

des Großmeisters, denn das würde beider Tod bedeuten.<br />

Rebecca bleibt st<strong>and</strong>haft und weist Briano auf eine<br />

zweifache Sünde hin: das Zusammenleben mit einer Jüdin<br />

und seinen Treuebruch gegenüber dem Templerorden.<br />

Eine Zeremonie der Templer stört Isacco und fordert die<br />

Herausgabe seiner entführten Tochter. Doch der Großmeister<br />

bezichtigt Rebecca der Hexerei und verurteilt sie<br />

zum Scheiterhaufen. Briano verweigert jede Aussage, rät<br />

Rebecca aber zu einem Gottesurteil, da er so für sie eintreten<br />

könne. Die Templer bestimmen ihn aber zum Kämpfer<br />

für die Sache der Templer.<br />

Als Vilfredos Vater erfährt, daß Rovena ihn liebt, gibt er<br />

nach und verzeiht seinem Sohn. Vilfredo tritt als Kämpfer<br />

für Rebecca auf und erschlägt Briano. Rebecca ist frei und<br />

erklärt, daß sie Vilfredo liebe, und lieber sterben würde, als<br />

auf ihn zu verzichten. Entseelt sinkt sie zu Boden.<br />

31<br />

Aufführung<br />

Ralf Nürnberger gestaltet die „moderne“ Uraufführung<br />

sehr werkgetreu. Seine Regie und Personenführung ließen<br />

nichts zu wünschen übrig. Ein gut durchdachtes,<br />

wenngleich auch unspektakuläres Bühnenbild und die<br />

einfachen, aber schön anzusehenden Kostüme trugen<br />

dazu bei, den H<strong>and</strong>lungsverlauf zu verstehen, auch wenn<br />

man nicht am Übertitel klebt.<br />

Nürnberger st<strong>and</strong>en ein ausgezeichnetes Sängerensemble,<br />

ein hervorragender Chor und die aufs Beste gestimmte<br />

Robert-Schumann-Philharmonie zur Verfügung. Allein,<br />

die Tatsache der Wiederentdeckung des fast schon<br />

vergessen Werkes sollte Ehre genug sein.<br />

Wirklich außergewöhnlich an diesem Abend war die musikalische<br />

Leitung Frank Beermanns! Allen voran Stanley<br />

Jackson (Vilfredo) als Gast, der in dieser mörderischen<br />

Partie zu seiner alten tenoralen Strahlkraft zurückgefunden<br />

hat, unterstützt von Tiina Penttinen (Rebecca), die<br />

hier in dieser Rolle, zwischen Mezzo und Sopran gelegen,<br />

ihre ganze Kunst darstellen konnte. Judith Kuhn als Rovena:<br />

ach hätte Nicolai diese Rolle doch etwas ausführlicher<br />

gestaltet, der Abend wäre noch schöner geworden.<br />

Andre Riemers Isacco (für eine Oper ungewöhnlich: ein<br />

Tenor in einer Vaterrolle)<br />

überzeugte<br />

auf der ganzen Linie,<br />

und Hans Christoph<br />

Begemanns Briano,<br />

ein in sich Zerrissener,<br />

zwischen<br />

unglücklicher Liebe<br />

und Pfl ichterfüllung<br />

Schwankender, sang<br />

sich trotz unklarer<br />

Position im Stück<br />

in die Herzen der<br />

Opernbesucher.<br />

Gratulation auch an Michael Wittmann, der diese Oper<br />

dem Vergessen entrissen hat, und an die Leitung der<br />

Chemnitzer Oper, die das Wagnis einging, ein völlig unbekanntes<br />

Stück auf den Spielplan zu stellen. Möge Il<br />

Templario eine lange Laufzeit beschieden, und möge er<br />

auf vielen weiteren Bühnen zu sehen sein, denn Otto<br />

Nicolais Musik entspricht genau dem St<strong>and</strong>ard der Zeit<br />

um 1840. Es ist eine typisch italienische Oper.<br />

Ein Besuch dieser Aufführung lohnt sich trotz – oder<br />

vielleicht – auch wegen der etwas auf Sparfl amme gekochten<br />

Ausstattung. Aber leider genießt ein Opernhaus<br />

wie Chemnitz nicht die Zuwendungen von Sponsoren<br />

wie größere Häuser, die einen besseren (wenngleich nicht<br />

immer gerechtfertigten Ruf) haben. Für mich war die<br />

Premiere auf alle Fälle eines der außergewöhnlichsten<br />

Musikereignisse dieses Jahres.<br />

Tiina Penttinen (Rebecca) und Hans Christoph Begemann (Briano) in der Templerkomturei<br />

A. M. Hauer<br />

Bild: Dieter Wuschanski


Dessau, Anhaltisches Staatstheater<br />

Parsifal<br />

Musik und Libretto von Richard Wagner, Bühnenweihfestspiel<br />

Uraufführung: 26.07.1882, Bayreuth, Festspielhaus<br />

Regie: Johannes Felsenstein, Bühnenbild/Kostüme: Stefan Rieckhoff;<br />

Dirigent: Golo Berg, Anhaltische Philharmonie Dessau, Opernchor,<br />

Choreinstudierung: Helmut Sonne, Kinderchor (Leitung: Dorislava<br />

Kuntscheva); Solisten: Ulf Paulsen (Amfortas), Rainer Büsching<br />

(Titurel), Manfred Hemm (Gurnemanz), Richard Decker (Parsifal),<br />

Nico Wouterse (Klingsor), Iordanka Derilova (Kundry), Mark Bowman-Hester<br />

(Erster Gralsritter), Christian Most (Zweiter Gralsritter),<br />

Cornelia Marschall, Sabine Noack, Noerbert Leppin, Alex<strong>and</strong>er<br />

Dubnov (Knappen), Cornelia Marschall, Anette Fritsch, Sabine Noack,<br />

Jule Rosalie Vortisch, Kristina Baran, Anne Weinkauf (Zaubermädchen),<br />

Sabine Noack (Stimme aus der Höhe)<br />

Besuchte Aufführung: 26. April 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Amfortas leidet unter einer nicht heilenden Verletzung,<br />

die durch einen magischen<br />

Speer hervorgerufen worden<br />

war. Diese Wunde kann nur<br />

durch den Speer geschlossen<br />

werden, der sie auch schlug.<br />

Alle Versuche seiner Ritter<br />

Klingsor diesen Speer zu entreißen,<br />

schlugen fehl. Erst dem<br />

unschuldigen Jüngling Parsifal<br />

gelingt es, die Zaubermacht<br />

Klingsors zu brechen. Zum<br />

Lohne ernennt man ihn zum<br />

neuen König.<br />

Aufführung<br />

Zum wiederholten Male gelang<br />

es Johannes Felsenstein und<br />

seinem Bühnen- und Kostümbildner<br />

Stefan Rieckhoff mit<br />

einfachen Mitteln, große Oper<br />

zu machen. Felsenstein setzt<br />

das Orchester auf die Bühne.<br />

Rieckhoff baut eine Hebeund<br />

Drehbühne auf dem Orchestergraben<br />

auf. Einziges<br />

Versatzstück scheint ein Stück Treibholz zu sein, das es<br />

aber in sich hat. Durch absolut lautlose Technik wird<br />

aus diesem Stück Holz ein primitiv geschnitztes, der einfachen<br />

Volkskunst verpfl ichtetes Kruzifi x. Rieckhoffs<br />

Kostüme sind stilisierte Zeitzeugnisse. So trägt Kundry<br />

zu Beginn ein römisches Kleid, die Ritter mit Metallteilen<br />

verstärkte Mäntel, der Gralszeremonienmeister ein<br />

an die evangelische Kirche erinnerndes Gew<strong>and</strong>, während<br />

Klingsors Anzug eindeutig katholische Elemente<br />

trägt. Parsifal selbst ist in Krachledernes gew<strong>and</strong>et, Amfortas,<br />

an Seele und Leib leidend, ist am ganzen Körper<br />

b<strong>and</strong>agiert. Die Kostüme w<strong>and</strong>eln sich im dritten Akt zu<br />

zeitgenössischer Kleidung um. Die Ritter in Anzügen,<br />

Kundry im Lederkostüm, Parsifal in Jeans und Hemd.<br />

Gurnemanz, Kundry, und Parsifal, von li nach re<br />

32<br />

Felsensteins Regieansatz ist eher traditionell, aber keineswegs<br />

altbacken. Er erzählt die Geschichte des reinen<br />

Tores so, wie der Bayreuther Meister sie auch geschrieben<br />

hat. Eine in ihren eigenen Gesetzen verhaftete Männergesellschaft<br />

schafft es nicht, neue Wege zu gehen.<br />

Erst der Einfl uß von draußen ermöglicht eine Erneuerung<br />

und Fortbest<strong>and</strong>. Dies alles gelingt ihm ohne modische<br />

Symbolik, ohne „trendige“ Umdeutungen, ohne<br />

Kostümmorgie und Komparserieschlachten. Er führt<br />

keine Regietricks vor, sondern zeigt solides H<strong>and</strong>werk,<br />

das man heute doch so oft schmerzlich vermißt.<br />

Solisten und Orchester<br />

Golo Berg läßt seine Anhaltische Philharmonie leichtläufi<br />

g und transparent durch Wagners Partitur fl ießen.<br />

Die sonst so sperrige Musik des Parsifal erreicht bei ihm<br />

eine Dynamik, die die über fünf Stunden dauernde Aufführung<br />

im Fluge vergehen läßt.<br />

Doch achtet Berg immer darauf,<br />

daß seine Sänger niemals unter<br />

dem Orchester leiden müssen.<br />

Durch kluge Tempi und Dynamikwahl<br />

wird niem<strong>and</strong> zum<br />

Forcieren gezwungen. Das Ensemble<br />

ist insgesamt deutlich besser,<br />

als man es von einem Haus<br />

dieser Größe erwarten würde, ja<br />

über eine Einspielung dieses Parsifals<br />

würde man sich sicherlich<br />

freuen.<br />

Die Sänger, die ohne direkten<br />

Augenkontakt zum Dirigenten<br />

agieren müssen, sind alle auf<br />

überdurchschnittlichem Niveau.<br />

Angefangen von dem gr<strong>and</strong>iosen<br />

Chor, über die Knappen,<br />

die Blumenmädchen, die sowohl<br />

stimmlich als auch optisch durchaus<br />

anrührend sind, bis hin zu den<br />

großen Partien.<br />

Richard Decker (Parsifal) gibt den<br />

tumben Helden stets tonsicher,<br />

wenn auch mit einigen leicht unschönen Registerwechseln.<br />

Rainer Büsching singt seinen Titurel aus dem Bühnenhintergrund<br />

ganz ohne Verstärkung deutlich und ohne Tadel.<br />

Manfred Hemm (Gurnemanz) ist ein verzweifelter Ritter,<br />

der scheinbar mühelos durch diese Riesenpartie geht. Nico<br />

Wouterse (Klingsor) singt seine tiefe Partie ohne jeden<br />

Schönglanz, genau wie sie seiner Rolle entspricht. Ulf Paulsen<br />

(Amfortas) verbietet ebenfalls seiner Stimme jegliche<br />

Lieblichkeit. Seine sonst doch immer so wohltuende Stimme<br />

läßt er diesmal trocken, gebrochen und leidend ertönen.<br />

Einzige Dame in dieser Männerriege ist Iordanka Derilova.<br />

Sie ist die Königin des Abends. Ihre Kundry, stets aufs Genaueste<br />

textverständlich, sicher in der Intonation, perfekt<br />

im Klang, w<strong>and</strong>elt sich von einer Furie zur mitfühlenden


Frau. Ihre Stimme changiert in allen Registern und allen Facetten,<br />

so wie es diese schwierige Rolle erfordert. Von der<br />

körperlich Erschöpften, über die Verführerin im zweiten<br />

Akt, bis hin zur leidenden, zur sprachlichen Äußerung unfähig,<br />

gew<strong>and</strong>elten Frau zeigt sie wieder mal, welch großartige<br />

Sängerin und Darstellerin sie ist.<br />

Fazit<br />

Ein Meisterwerk des Theaters Dessau, das man sich nicht<br />

entgehen lassen sollte. Eine Regie, die ohne Firlefanz daherkommt,<br />

dafür aber die h<strong>and</strong>werklichen Grundlagen<br />

des Theaters berücksichtigt, eine musikalische Leistung,<br />

die man sich besser nicht wünschen könnte.<br />

Dortmund Theater<br />

The Rake‘s Progress<br />

A. M. Hauer<br />

Bild: Claudia Heysel<br />

von Igor Strawinsky, Oper in drei Akten Dichtung: Wystan Hugh<br />

Auden und Chester Kallman, UA: Venedig, 11. September 1951.<br />

Regie: Rol<strong>and</strong> Schwab, Bühnenbild: Piero Vinciguerra, Kostüme: Renée<br />

Listerdal, Dramaturgie: Verena Harzer<br />

Dirigent: Jac van Steen, Dortmunder Philharmoniker, Opernchor Theater<br />

Dortmund, Choreinstudierung: Granville Walker<br />

Solisten: Jeff Martin (Tom Rakewell), Simon Neal (Nick Shadow), Lydia<br />

Skourides (Ann Trulove), Vidar Gunnarsson (Trulove), Ji Young Michel<br />

(Mutter Goose), Hannes Brock (Türkenbab), Tansel Akzeybek (Sellem,<br />

der Auktionator), Georg Kirketerp (Wärter des Irrenhauses)<br />

Besuchte Vorstellung: 30. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Strawinsky verarbeitete hier die Geschichte, die bereits<br />

1735 in einer Kupferstichserie des englischen Malers<br />

William Hogarth in Engl<strong>and</strong> erschien.<br />

Der Lebemann Tom<br />

Rakewell sieht nicht<br />

ein, warum er sich in<br />

das Leben einpassen<br />

soll, das sein zukünftiger<br />

Schwiegervater<br />

für ihn entworfen hat.<br />

Angespornt wird er<br />

von Nick Shadow, der<br />

ihn durch eine angebliche<br />

Erbschaft nach<br />

London lockt. Dort<br />

bringt er ihn als dämonischer<br />

Gefährte auf Abwege. Alles endet schließlich in<br />

Elend und Verderben und Rakewell verläßt seine Verlobte<br />

Ann Trulove. Als zu guter Letzt nur noch ein teuflisches<br />

Kartenspiel seine Seele retten kann, bewahrt die<br />

selbstlose Liebe von Ann Trulove Tom Rakewell davor,<br />

seine Seele zu verlieren. Doch Nick Shadow bringt Rakewell<br />

zum Wahnsinn.<br />

Aufführung<br />

Der Vorhang öffnet sich in einem perfekten Zusam-<br />

Simon Neal (Nick Shadow), re unten und Jeff Martin (Tom Rakewell),<br />

re unten stehend, sowie Chormitglieder als Schattenbilder<br />

33<br />

menspiel mit dem Orchester. Auf der Bühne zeigt sich eine<br />

Konstruktion aus achtzehn großen fensterartigen Aussparungen,<br />

die jeweils in drei Etagen mit je drei Aussparungen<br />

einen in der Mitte gelegenen, großen, runden Bühnentunnel<br />

einfassen. Darin schwelgen Tom Rakewell (Jeff Martin)<br />

und Ann Trulove (Lydia Skourides) in ihrem Liebesglück.<br />

Die Inszenierung durch Rol<strong>and</strong> Schwab macht aus<br />

Strawinskys letztem Werk seiner neoklassizistischen<br />

Phase ein Theaterstück, das den Publikumsraum mit<br />

einschließt. So agieren die Akteure teilweise von verschiedenen<br />

Publikumslogen aus und der Chor kommt<br />

seitens der Publikumseingänge auf die Bühne. Obwohl<br />

die Bühnenkonstruktion erst sehr spät wechselt, verschafft<br />

sie durch stetig neue Licht- und Farbenspiele,<br />

die harmonisch dem Konzept und dem Klang angepaßt<br />

sind, neue Eindrücke. Die sinnbildliche Zerrissenheit<br />

von Ann Trulove, ob sie ihrem Tom nach London nachreisen<br />

soll oder nicht, stellt Rol<strong>and</strong> Schwab durch fünf<br />

identisch aussehende Anns dar, die auf der Bühne an<br />

Ann Trulove hin- und herzerren.<br />

Sänger<br />

Zu der gut gemachten Inszenierung gesellen sich sehr<br />

gute Gesangsstimmen. Ohne Zweifel ist die Tenorstimme<br />

von Jeff Martin (Tom Rakewell) zuerst zu nennen.<br />

Er sang den größten Teil in dieser Oper und meisterte<br />

dies wirklich vortreffl ich. Seine Stimme ist klar, kräftig<br />

und von gleichbleibender Brillanz. Ebenso beeindruckend<br />

ist auch sein schauspielerisches Agieren – ein<br />

wahrer Genuß für Auge und Ohr. Der Bariton Simon<br />

Neal (Nick Shadow) stellt mit seiner Gesangsleistung<br />

einen würdigen Gegenpart zu Jeff Martin dar. Er überzeugt<br />

durch eine kräftige,<br />

voluminöse Stimme.<br />

Hannes Brock<br />

(Türkenbab) hat sich<br />

trotz einer schweren<br />

Indisposition bereit<br />

erklärt, die Tenorpartie<br />

des Türkenbab zu<br />

singen, um die Premiere<br />

nicht zu gefährden<br />

und macht dies mit<br />

Bravour. Die Sopranistin<br />

Lydia Skourides<br />

(Ann Trulove) überzeugt<br />

als Sängerin ebenso wie als Akteurin. Ihre gemeinsamen<br />

Arien mit Jeff Martin sind ein harmonisches Klangerlebnis.<br />

Gidar Gunnarsson (Trulove), Ji Young Michel<br />

(Mutter Goose), Tansel Akzeybek (Auktionator) und<br />

Georg Kirketerp (Wärter des Irrenhauses) glänzten als<br />

Sänger wie als Akteure.<br />

Der Opernchor beeindruckte mit den Vokaleinlagen<br />

und sorgte gemeinsam mit der Statisterie für ein ausgewogenes,<br />

buntes Gesamtbild. Das Orchester unter der<br />

Leitung von Jac van Steen spielte rhythmisch wie melo-


disch perfekt und beeindruckte mit fein abgestimmtem<br />

Zusammenspiel zwischen Bühnenakteuren und Orchestereinsätzen.<br />

Der Einsatz eines Cembalos ist für dieses<br />

Werk Strawinskys natürlich ein Muß und wird hier von<br />

Alex<strong>and</strong>ra Goloubitskaia sehr gut bewerkstelligt.<br />

Fazit<br />

Insgesamt eine sehr gelungene Inszenierung mit ausgezeichneten<br />

Solisten und einem auf allen Ebenen hervorragenden<br />

Orchester. Eine Opernvorstellung, die sehr zu<br />

empfehlen ist und Genuß für Augen und Ohren bietet.<br />

Dresden, Semperoper<br />

Il Barbiere di Siviglia<br />

B. W<strong>and</strong>schneider<br />

Bild: Opernhaus Dortmund<br />

von Gioacchino Rossini, Libretto: Cesare Sterbini nach der Komödie<br />

von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais; UA: 20. Februar<br />

1816, Teatro Argentina, Rom; Regie: Grischa Asagaroff, Bühnenbild/Kostüme:<br />

Luigi Perego; Dirigent: Riccardo Frizza, Sächsische<br />

Staatskapelle Dresden, Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden,<br />

Einstudierung: Christof Bauer<br />

Solisten Kenneth Tarver (Graf Almaviva), Michael Eder (Dr. Bartolo),<br />

Vesselina Kasarova (Rosina), Fabio Maria Capitanucci (Figaro),<br />

Roberto Sc<strong>and</strong>uiuzzi (Basilio), Christoph Pohl (Ein Offi zier), Peter<br />

Küchler (Ambrosio), Andrea Ihle (Berta)<br />

Besuchte Aufführung: 12. April 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Graf Almaviva liebt die schöne Bürgerliche Rosina, aber<br />

er möchte nicht<br />

wegen seines<br />

Adeltitels geliebt<br />

werden, sondern<br />

nur wegen seiner<br />

Person. So<br />

bringt er ihr eines<br />

Nachts unter<br />

ihrem Fenster<br />

ein Ständchen<br />

als Student Lindoro.<br />

Der Funke<br />

springt über<br />

und Rosina liebt<br />

den armen Lindoro.<br />

Rosinas<br />

Vormund Dr.<br />

Bartolo hat aber<br />

<strong>and</strong>ere Pläne mit<br />

ihr: Er möchte sie selbst heiraten. So bewacht er sie wie<br />

ein Zerberus. Aber mit List und Tücke gelingt es Almaviva<br />

in den verschiedensten Verkleidungen Zutritt<br />

zum Hause Bartolo zu erlangen, mal als angetrunkener<br />

Offi zier, mal als klerikaler Gesangslehrer. Immer dabei<br />

ist sein Freund Figaro, der ihm auch einen Schlüssel zur<br />

Balkontür verschafft, damit die beiden Rosina entführen<br />

können. Bartolo, der Figaros und Almavivas Pläne<br />

34<br />

durchschaut, bestellt schleunigst einen Notar, um seine<br />

Hochzeitspläne unter Dach und Fach zu bringen. Als<br />

Meister der Situation rettet Figaro die beiden Liebenden,<br />

und der Notar vermählt Rosina mit Almaviva. Bartolo<br />

geht leer aus.<br />

Aufführung<br />

Die Übernahme aus dem Züricher Opernhaus war auch<br />

in Dresden ein voller Erfolg. Luigi Peregos Bühnenbild,<br />

seine wunderschönen Kostüme und die bezaubernden<br />

Requisiten unterstützten aufs genialste Grischa Asagaroffs<br />

Regie. Dieser transponierte Beaumarchais rebellisches<br />

Rokokostück in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts,<br />

ohne sich dabei auf eine Ära festzulegen. Seine<br />

Inszenierung spielt irgendwo zwischen den zwanziger<br />

und fünfziger Jahren. Die Ausstattung ist geprägt durch<br />

stilisierte Spanienversatzstücke. Perego baute vier Bühnenbilder<br />

auf die Drehbühne des Hauses. Vier verschiedene<br />

Fächer, durch ein paar Möbel und Versatzstücke<br />

umgew<strong>and</strong>elt zu einer Straße in Sevilla, einem Musikzimmer,<br />

einem Mädchenzimmer und einem Labor. Seine<br />

Kostüme sind einfach, aber ergänzen den Charakter<br />

der Rollen, einzig die beiden Kostüme Rosinas sprengen<br />

den Rahmen: <strong>and</strong>alusische Folklore aufgepeppt zu eleganten<br />

Designerstücken.<br />

Sänger, Chor und Orchester<br />

Wo soll man mit dem Lob anfangen? Am einfachsten<br />

mit dem Orchester. Nach einer sensationell dirigierten<br />

Ouvertüre ergoß<br />

sich der Klang<br />

der wunderbar<br />

geleiteten und<br />

aufs beste gelauntenStaatskapelle<br />

in das<br />

Halbrund der<br />

Semperoper. Immer<br />

in der richtigen<br />

Lautstärke,<br />

stets im richtigen<br />

Tempo gaben<br />

Maestro Frizza<br />

und seine Mannen<br />

einmal wieder<br />

den Beweis<br />

für den guten<br />

Ruf dieses Orchesters.<br />

Der Chor<br />

der Sächsischen Staatsoper brilliert in der Gestaltung<br />

einer Gesangstruppe im ersten Akt ebenso wie als gut<br />

gedrillte Militärtruppe.<br />

Auf der Bühne brillierte ein Ensemble höchster Güte.<br />

Angefangen von den kleineren Partien, Christoph Pohl<br />

(Offi zier) und Andrea Ihles (Berta) bis hin zu Fabio<br />

Maria Capitanucci (Figaro) waren alle Sänger aufs Beste<br />

Figaro (Fabio Maria Capitanucci) hält Rosina (Vesselina Kasarova) den Schminkspiegel


gestimmt. Michael Eders Bartolo war ebenso angenehm<br />

wie Roberto Sc<strong>and</strong>uzzis Basilio. Kenneth Tarvers sanfter,<br />

lyrischer Tenor gewann nach kurzer Zeit an Klang<br />

und Ausdruck, im gleichen Maß wie sein Lampenfi eber<br />

schw<strong>and</strong>. Fabio Maria Capitanuccis kraftvoller Bariton<br />

gab der Rolle des Figaro Wärme und Tiefe. Seine halsbrecherische<br />

Auftrittsarie meisterte er ebenso elegant<br />

wie den Rest des Abends. Und Vesselina Kasarova?<br />

Ihre Rosina war einfach stupend. Mit dem ersten Ton<br />

gewann sie die Ohren und Herzen des fast vollbesetzten<br />

Hauses. Ihre geläufi ge Gurgel scheint speziell für<br />

diesen wunderbaren Rossiniklang geformt zu sein. Für<br />

ihre Koloraturen müßte man neue Wörter ersinnen, so<br />

unbeschreiblich schön war der Klang.<br />

Die Premiere schloß mit einem nicht enden wollenden<br />

Applaus in einem Haus, das sich in letzter Zeit doch<br />

mehr durch gewöhnungsbedürftige Inszenierungen auszeichnete.<br />

Durch diese Koproduktion mit dem Züricher<br />

Opernhaus dürften sich die Gemüter wieder etwas beruhigen<br />

lassen. A. M. Hauer<br />

Bild: Matthias Creutziger<br />

Duisburg, Stadttheater<br />

L’elisir d’amore<br />

von Gaetano Donizetti, Melodrama in zwei Akten, Libretto von Felice<br />

Romani; UA: 12. Mai 1832, Mail<strong>and</strong><br />

Regie: Andràs Fricsay/Kali Son; Bühnenbild: Tina Kitzing<br />

Dirigent: Pierre-Dominique Ponnelle, Duisburger Philharmoniker,<br />

Chor: Christoph Kurig; Solisten: Andrej Dunaev (Nemorino), Netta<br />

Or (Adina), Dimitri Vargin (Belcore), Bruno Balmelli (Dulcamara),<br />

Iryna Vakula (Gianetta)<br />

Besuchte Aufführung: 9. Februar 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Im Zentrum der H<strong>and</strong>lung steht der schüchterne L<strong>and</strong>mann<br />

Nemorino, der in die schöne Pächterin Adina verliebt<br />

ist. Diese treibt mit seiner Liebe aber nur ein Spiel<br />

und zieht ihm zunächst den Sergeant Belcore vor, der<br />

mit seinen Soldaten in ihr Dorf einmarschiert ist. Gleich<br />

macht Belcore Adina einen Heiratsantrag. Um Adina<br />

nicht zu verlieren, greift Nemorino auf die Hilfe des<br />

geschwätzigen Doktor<br />

Dulcamara zurück. Dieser<br />

war ins Dorf gekommen<br />

und verkauft unter<br />

<strong>and</strong>erem einen Liebestrank<br />

(eigentlich nur eine<br />

Flasche Bordeaux). Dulcamara<br />

gaukelt ihm vor,<br />

daß der Trank erst nach<br />

einem Tag zu wirken beginnen<br />

würde. Nemorino<br />

greift zu und trinkt sofort<br />

den Liebestrank. Durch<br />

den Alkohol übermütig<br />

gemacht, spielt er Adina<br />

den Gleichgültigen<br />

Netta Or (Adina) und Dimitri Vargin (Belcore)<br />

35<br />

vor. Doch Adina versucht ihn aus der Reserve zu locken,<br />

indem sie vorgibt, Belcore noch am selben Tag<br />

zu heiraten. Um das Geld für eine weitere Flasche des<br />

Liebestranks zu bekommen, verdingt sich Nemorino als<br />

Soldat bei Belcore. Bevor es Nemorino eigentlich selbst<br />

erfährt, wissen bereits die Dorfbewohner, daß er Erbe<br />

eines großen Vermögens geworden war. Also machen<br />

sich alle schönen Mädchen des Dorfs an ihn heran. Aber<br />

der naive Nemorino glaubt, dies sei allein dem Liebestrank<br />

zuzuschreiben. Er gebärdet sich als umschwärmter<br />

Mann souverän gegenüber Adina, was diese, die ihn<br />

noch liebt, völlig verunsichert. Als sie dann noch erfährt,<br />

daß er sich, um den Liebestrank zu bekommen, als Soldat<br />

verpfl ichtet hat, kauft sie ihn frei, gesteht ihm ihre<br />

Liebe und beide werden unter Anteilnahme des ganzen<br />

Dorfes ein glückliches Paar.<br />

Aufführung<br />

Die Duisburger Inszenierung versetzte das Geschehen<br />

nach der Opernvorlage in ein Bergdorf.<br />

Dementsprechend wurde das Bühnenbild gestaltet: eine<br />

Miniaturl<strong>and</strong>schaft mit Bergkulisse im hinteren Teil der<br />

Bühne, eine Almhütte im vorderen Teil. Die riesengroße<br />

Nachbildung eines nackten Frauenoberkörpers mit<br />

gigantischen blanken Brüsten ragte aus den Bergen heraus.<br />

Das sollte wohl die Liebesgöttin sein, die Vorstellung<br />

allerdings war grotesk.<br />

Die Kostüme wurden passend zum Bühnenbild sehr<br />

farbenfroh gewählt: die Damen trugen bonbonfarbene<br />

Dirndl mit bunten lockigen Perücken, die Herren erdfarbene<br />

Almtracht.<br />

Hervorzuheben ist besonders die gesamte musikalische<br />

Leistung des Abends unter der Leitung Pierre-Dominique<br />

Ponnelles. Donizettis Musik mit ihrem lebendigen<br />

und leichten Charakter wurde überzeugend dargestellt.<br />

Ebenso beeindruckend war Andrej Dunaev (Nemorino).<br />

Die unbeholfene Schüchternheit Nemorinos spielte<br />

er mit sehr entsprechender Gestik und Mimik. Sein<br />

klarer und leicht metallischer Tenor paßte gut zur Rolle<br />

und war der Höhepunkt des Abends. Spätestens nach<br />

Una furtiva lagrima - eine<br />

fl üchtige Träne, für die<br />

er stürmischen Applaus<br />

und Bravorufe kassierte,<br />

st<strong>and</strong> Dunaev als Publikumsliebling<br />

fest.<br />

Der Chor, der ja im<br />

Stück sehr präsent ist,<br />

harmonierte zwar nicht<br />

optisch, dafür aber gesanglich<br />

durch sein<br />

klangliches Volumen.<br />

Netta Or (Adina) konnte<br />

nach dem ersten Akt<br />

wegen Krankheit nicht


mehr weiter singen. Im zweiten Akt spielte sie die Rolle.<br />

Elena Brilova sang für sie aus der Kulisse. Ihr lyrischer<br />

Sopran war aber im Vergleich zu Ors schon im ersten<br />

Akt angeschlagener Stimme eine musikalische Bereicherung<br />

für das Stück. Bruno Balmelli (Dulcamara) setzte<br />

seine Baritonstimme sehr lautmalerisch mit Grölen,<br />

Jauchzen etc. ein. Dimitri Vargin (Belcore) wurde seiner<br />

Rolle des arroganten Belcore gerecht, obwohl er den aufmaschierenden<br />

Sergeant ein wenig überzeichnet spielte<br />

und sang. Überhaupt unterstrichen die beiden Regisseure<br />

die komischen Aspekte der Oper. Dabei waren eindeutige<br />

Gesten nicht selten: ein kleiner Po-Klatscher hier,<br />

ein unverschämtes Grabschen dort; immer mit einem<br />

leichten Augenzwinkern, so wie man es von der Opera<br />

buffa gewohnt ist. Das Publikum lachte und applaudierte<br />

mit großer Anteilnahme.<br />

Fazit<br />

Alles in allem eine sehr bunte, schrille und komische<br />

Umsetzung der Oper Donizettis, die musikalisch kaum<br />

einen Wunsch offen läßt und szenisch einen kurzweiligen<br />

Abend garantiert. Allein wegen Andrej Dunaev<br />

lohnt es, die Aufführung zu besuchen.<br />

M. Joannidis<br />

Bild: Eduard Straub<br />

Erfurt, Oper<br />

Die Rosenkönigin - La Reginetta delle Rose<br />

von Ruggero Leoncavallo, Operette in drei Akten; Libretto von Giovacchino<br />

Forzano; UA: Rom u. Neapel 1912; Deutsche Übersetzung:<br />

Peter Brenner (Deutsche Erstaufführung);<br />

Regie: Peter Brenner; Bühnenbild/Kostüme:<br />

Hank Irwin Kittel; Dirigent: Joji Hattori,<br />

Philharmonisches Orchester und Chor,<br />

Choreinstudierung: Andreas Ketelhut,<br />

Choreographie: Rudolf Hanisch; Solisten:<br />

Besetzung: Marisca Mulder (Lilian), Susanne<br />

Roth (Anita), Carola Gruber (Mikalis),<br />

Erik Fenton (Max), Mate Solyom-Nagy<br />

(Don Pedro), Dieter Hönig (Gin) u.v.a.<br />

Besuchte Aufführung: 1. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Bei einem Fest in einem Londoner<br />

Park trifft das Blumenmädchen Lilian<br />

ihren Geliebten Max ohne zu<br />

wissen, daß er ein Prinz aus dem<br />

fernen Portowa ist und sich auf Bildungsreise<br />

in London aufhält. Sie<br />

verabreden, sich in Portowa wieder<br />

zu sehen. Im königlichen Palast<br />

von Portowa fordert die Regentin<br />

die Hochzeit des Prinzen Max<br />

mit Prinzessin Anita. Da trifft die<br />

Nachricht ein, daß die gerade angekommene<br />

Lilian unter dem Verdacht<br />

inhaftiert wurde, Nihilistin<br />

Marisca Mulder (Lilian)<br />

und Erik Fenton (Max) als Traumpaar<br />

36<br />

zu sein. Max läßt Lilian zu sich bringen, die überrascht ist,<br />

einem Prinzen gegenüber zu stehen und glaubt, getäuscht<br />

worden zu sein. Vergeblich versucht Max, sie von seiner<br />

Liebe zu überzeugen. Während das Volk Freiheit für die<br />

Gefangene fordert, dankt Max, um sich aus der Affäre zu<br />

ziehen, ab; Lilian schlägt dagegen vor, die Revolution zu<br />

unterstützen. Als der Aufst<strong>and</strong> losbricht, will die Regentin<br />

Widerst<strong>and</strong> leisten, aber im Angesicht der entschlossenen<br />

Gegnerschaft von Max gibt sie auf und geht ins Exil. Das<br />

Volk ruft Max zum König aus und erwartet von ihm eine<br />

Verfassung. Wütend über Lilians vermeintliche Abreise<br />

verweigert er die Unterschrift und zerbricht die Feder. Da<br />

erscheint Lilian und reicht ihm eine Rose, damit er mit deren<br />

Stiel anstelle der zerbrochenen Feder das Dokument<br />

unterschreibe. Max tut es und bittet sogleich das Volk darum,<br />

das Mädchen Lilian aus dem Volk heiraten zu dürfen.<br />

Zur Operette<br />

Die bedeutendsten italienischen Opernkomponisten der<br />

Wende zum 20. Jh. schreiben unter dem Eindruck der Erfolge<br />

der Wiener Operetten auch Werke dieses Genres. Die<br />

Rosenkönigin ist die interessanteste und erfolgreichste der<br />

sieben Operetten Leoncavallos, die außerhalb Italiens noch<br />

auf ihre Entdeckung warten.<br />

Aufführung<br />

Man muß der Stadt Erfurt gratulieren: zu ihrem Opernhaus,<br />

dessen hervorragendem Orchester, seinen guten<br />

Solisten und zu seiner Leitung. Darunter gebührt einen<br />

besonderen Dank dem Intendanten Guy Montavon und<br />

dem Dramaturgen Arne Langer für die Ausgrabung der<br />

Leoncavallo-Operette.<br />

In der gelungenen Dekoration<br />

von Hank Irwin Kittel brachte<br />

Peter Brenner ein sehr skurriles<br />

Engl<strong>and</strong> und ein verschrobenes<br />

Königreich irgendwo in Europa<br />

auf die Bühne. Leoncavallo erfüllt<br />

alle Operettenklischees.<br />

Carola Gruber (Mikalis) war und<br />

ist stimmlich immer ein Garant in<br />

Erfurt. Das ernste Paar – Marisca<br />

Mulder (Lilian) und Erik Fenton<br />

(Max) – waren beide in glänzender<br />

Verfassung. Das heitere Paar<br />

– Susanne Rath (Anita) und Mate<br />

Solyom-Nagy (Don Pedro) – erfreuen<br />

durch ihr bezauberndes<br />

Duett und durch angenehme Beweglichkeit.<br />

Überhaupt Beweglichkeit:<br />

Selten zuvor habe ich einen<br />

so agilen Chor erlebt wie den<br />

in Erfurt. Natürlich wäre es schön,<br />

wenn das Haus ein eigenes Ballett<br />

hätte; denn ganz kann es auch<br />

der bewegungsfreundlichste Chor


nicht ersetzen. Dennoch: die Tanznummern des Chors,<br />

und da sei besonders die “Altherrenriege“ im zweiten<br />

Akt erwähnt, sind schön choreographiert und exakt getanzt.<br />

Ein großes Lob an den Chor und seinen Leiter<br />

Andreas Ketelhut.<br />

Erwähnenswert ist auch das Sprachtraining, welches das<br />

internationale Ensemble absolviert hat. Die gesprochenen<br />

Passagen kamen deutlich herüber und die Verständlichkeit<br />

des Gesangs verlangte nicht nach einer Übertitelung.<br />

Fazit<br />

Alles in allem muß diese Produktion unter Peter Brenners<br />

Regie, gekoppelt mit einer geschickten Übersetzung<br />

und einer liebevollen Verlegung in die 80er Jahre<br />

des alten Jahrhunderts und unter der musikalischen<br />

Leitung von Joji Hattori hoch gelobt werden. Sie macht<br />

neugierig auf weitere unbekannte Operetten, und man<br />

sollte sich wünschen, daß mehr Theater den Mut aufbrächten,<br />

jenseits von Lustigen Witwen, Czardasfürstinnen,<br />

Zarewitschen und Fledermäusen Ausschau nach<br />

Entdeckenswertem zu suchen. Der Schlußapplaus sollte<br />

Anreiz genug sein. A. M. Hauer<br />

Bild: Lutz Edelhoff<br />

Essen, Aalto-Theater<br />

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg<br />

Musik und Text von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Akten;<br />

UA: 19. Oktober 1845, Dresden, Hoftheater<br />

Regie: Hans Neuenfels, Bühne und Kostüme: Reinhard von der Thannen,<br />

Licht: Jürgen Nase; Dirigent: Stefan Soltesz, Essener Philharmoniker, Opernund<br />

Extrachor des Aalto-Theaters, Einstudierung: Alex<strong>and</strong>er Eberle<br />

Solisten: Scott MacAllister (Tannhäuser), Danielle Halbwachs (Elisabeth),<br />

Heiko Trinsinger (Wolfram von Eschenbach), Elena Zhidkova<br />

(Venus), Marcel Rosca (L<strong>and</strong>graf Hermann), Thomas Piffka (Walther<br />

von der Vogelweide), Almas Svilpa (Biterolf), Rainer Maria Röhr<br />

(Heinrich der Schreiber), Michael Haag (Reinmar von Zweter), Christina<br />

Clark (Hirt), Mitglieder des Aalto Kinderchors (Edelknaben)<br />

Besuchte Vorstellung:<br />

29. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Siehe Tannhäuser bei Oper Köln<br />

Inszenierung<br />

Der Essener Tannhäuser<br />

ist Hans Neuenfels’ zweite<br />

Wagner-Regiearbeit nach den<br />

Meistersingern 1994 in Stuttgart.<br />

Sein schon im Vorfeld<br />

angekündigtes Vorhaben, die<br />

Wagner-Rezeption von Klischees<br />

und Pompösem befreien<br />

zu wollen, ist durchaus<br />

lobenswert. Der Ansatz, nach<br />

komischen oder ironisierenden<br />

Elementen bei Wagner<br />

zu suchen, funktioniert im<br />

Tannhäuser jedoch nur sehr<br />

37<br />

bedingt. Herausgekommen ist denn auch über weite Strecken<br />

nicht mehr als eine Verballhornung des Werkes. Der<br />

Effekt, der sich z.B. durch die Jagd auf leicht bekleidete<br />

Damen mit Hirschgeweihen und Häschenohren (erster<br />

Akt) erzielen läßt, verpufft rasch. Tiefere Einblicke in das<br />

Werk lassen sich so kaum erreichen.<br />

Neuenfels scheint zudem selbst unschlüssig zu sein, von<br />

welcher Seite er sich dem Tannhäuser eigentlich nähern<br />

will. Zu der erwähnten Ironisierung kommt eine Gleichsetzung<br />

des Titelhelden mit dem Komponisten. Dieses<br />

Konzept hätte aufgehen können, denn im Tannhäuser<br />

geht es letztendlich um einen Menschen, der im Leben<br />

und in der Kunst zu Extremen neigt und bis zu seinem<br />

Tod nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen. Unbestritten<br />

ist auch, daß Wagners Figuren oft autobiographische<br />

Züge haben. Der „Wagner-Tannhäuser“ wirkt jedoch<br />

inmitten des boulevardesken Geschehens deplaziert,<br />

ebenso wie die Anspielungen auf die Entstehungszeit<br />

der Oper. Und wenn sich während des Sängerwettstreits<br />

gar Wagners Mäzen Ludwig II. persönlich mit einem<br />

älteren Wagner im Schlepptau herbemüht, ist das nicht<br />

mehr als purer Slapstick. Allenfalls aufdringlich wirkt der<br />

Versuch, bei Ouvertüre und Orchester-Zwischenspielen<br />

durch vor den Vorhang projizierte Texte den direkten<br />

Kontakt zum Publikum zu suchen, etwa beim Vorspiel<br />

zum dritten Akt: Es versöhnt, dass wir es bis jetzt mitein<strong>and</strong>er<br />

ausgehalten haben.<br />

Einen Teil des dritten Aktes siedeln Neuenfels und von der<br />

Thannen in einer Irrenanstalt an: offensichtlich um zu zeigen,<br />

daß „Wagner-Tannhäuser“ nur bei denen, die den Schritt aus<br />

der Gesellschaft mit letzter Konsequenz getan haben, Liebe<br />

und Anerkennung fi ndet. Hier gelingen dem Regisseur sogar<br />

einige stille, berührende Momente. Leider fügen sie sich<br />

kaum in das Ganze ein und lösen sich außerdem angesichts<br />

neuer überfl üssiger Gags – Auftritt eines Roboters mit dem<br />

Stab des Papstes – rasch in Wohlgefallen auf.<br />

Scott Mac Allister (Tannhäuser) und Statisten


Sänger und Orchester<br />

Scott MacAllister (Tannhäuser) verfügt über eine hell<br />

timbrierte, erfreulich schlanke Stimme, die mit ausreichend<br />

Metall und Durchschlagskraft ausgestattet ist, um<br />

alle Facetten der gefürchteten Partie souverän bewältigen<br />

zu können. Lobenswert auch die Sorgfalt, mit der<br />

er sich der Artikulation des Textes widmete – trotz eines<br />

unüberhörbar amerikanischen Akzentes.<br />

Danielle Halbwachs (Elisabeth) runder, in allen Lagen<br />

sauberer und ausgeglichener Sopran war ein Vergnügen.<br />

Da konnte Elena Zhidkova als Venus nicht ganz mithalten.<br />

Zwar gebietet sie über einw<strong>and</strong>freie Spitzentöne, in<br />

mittlerer und tiefer Lage erwies sich ihre Stimme jedoch<br />

als steif und unfl exibel. Auch die Textverständlichkeit<br />

ließ bei ihr erheblich zu wünschen übrig.<br />

Heiko Trinsinger konnte für den Wolfram von Eschenbach<br />

mit einem edlen, kräftigen und geschmeidigen<br />

Bariton aufwarten. Insgesamt fi el sein Vortrag etwas<br />

eindimensional aus, was auf eine gerade überst<strong>and</strong>ene<br />

Indisposition zurückzuführen sein mag. Unter den übrigen<br />

Sängern hinterließen naturgemäß Marcel Rosca<br />

(L<strong>and</strong>graf Herrmann) und Thomas Piffka (Walther von<br />

der Vogelweide) den stärksten Eindruck.<br />

Schauspielerisch blieben alle Solisten blaß, wenn man von<br />

einigen Ausbrüchen an Spielfreude unter den Minnesängern<br />

(Rainer Maria Röhr als Heinrich der Schreiber und<br />

Michael Haag als Reinmar) absieht. Das liegt in erster Linie<br />

an Neuenfels’ Personenregie. Er steckt viel Energie in die<br />

Choreographie seines „Bewegungschores“. Die Solisten<br />

überläßt er dabei weitgehend sich selbst.<br />

Star des Abends waren nach Scott MacAllister ganz ohne<br />

Zweifel die Essener Philharmoniker unter Stefan Soltesz.<br />

Schon die Ouvertüre gestaltete Soltesz einfallsreich und dynamisch<br />

fein abgestuft. Seine Tempi sind zügig und fl üssig,<br />

ohne zu hetzen. Es wäre reine Beckmesserei anzumerken,<br />

daß man sich im Forte mitunter noch etwas mehr Schlankheit<br />

und Transparenz gewünscht hätte. Als bestens disponiert<br />

erwies sich auch der Chor,<br />

sogar unter „erschwerten“ Bedingungen<br />

(Aufstellung im Zuschauerraum<br />

beim Einzug der Gäste).<br />

Fazit<br />

Musikalisch kann sich der Essener<br />

Tannhäuser mehr als hören lassen.<br />

Und ein „Sk<strong>and</strong>al“ ist Neuenfels’<br />

Inszenierung ganz sicher nicht. Es<br />

bleiben aber berechtigte Zweifel, ob<br />

er die moderne Wagner-Rezeption<br />

mit seiner Deutung einen Schritt<br />

nach vorn gebracht hat – und ob<br />

das Publikum von dieser Inszenierung<br />

mehr in Erinnerung behält als<br />

ein paar Albernheiten.<br />

E. M. Ernst<br />

Bild: Matthias Jung<br />

38<br />

Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier<br />

L´incoronazione di Poppea – Die Krönung der Poppea<br />

von Claudio Monteverdi, Dramma in musica, Prolog und drei Akte<br />

Dichtung: Giovanni Francesco Busenello, UA: Venedig 1642.<br />

Regie: Bettina Lell (nach einer Inszenierung von Andreas Baesler),<br />

Bühnenbild: Eckhard-Felix Wegenast, Kostüme: Susanne Hubrich,<br />

Dramaturgie: Johann Casimir Eule; Dirigent: Samuel Bächli, Neue<br />

Philharmonie Westfalen; Solisten: Wolf-Rüdiger Klimm (Amor),<br />

Claudia Braun (Poppea), Anke Sieloff (Nero), Noriko Ogawa-Yatake<br />

(Ottavia), Matthias Lucht (Ottone), Christian Helmer (Seneca), Leah<br />

Gordon (Drusilla), William Saetre (Arnalta) u.a.<br />

Eine Koproduktion mit dem Staatstheater Braunschweig<br />

Besuchte Vorstellung: 9. 3.2008 (Premiere<br />

Kurzinhalt<br />

Die Götter Fortuna (Schicksal), Amor (Liebe) und Virtu<br />

(Tugend) streiten sich, wer von ihnen die Geschicke der<br />

Menschen lenkt. Amor will beweisen: allein die Liebe.<br />

Kaiser Nero liebt Poppea, die Gattin des Praetors Ottone.<br />

Er will Poppea zur neuen Kaiserin ernennen und<br />

sich daher von Kaiserin Ottavia trennen. Als Seneca die<br />

Machenschaften Neros kritisiert, wird er zum Selbstmord<br />

gezwungen. Ottone und dessen Freundin Drusilla<br />

versuchen auf Ottavias Rat, Poppea zu ermorden.<br />

Durch Eingreifen Amors mißlingt der Mordanschlag<br />

und die Täter werden gefaßt. Ottone bezichtigt die Kaiserin<br />

Ottavia der Mittäterschaft. Beide werden daraufhin<br />

aus Rom verbannt und Nero erhebt seine Geliebte Poppea<br />

zur rechtmäßigen Kaiserin.<br />

Aufführung<br />

Ein besonderes Augenmerk dieser Inszenierung ist auf<br />

die Darstellung der Klassengegensätze im Stück gelegt:<br />

die Adligen, die nur mit ihren Gefühlen beschäftigt sind,<br />

singen italienisch, das niedere Volk der Soldaten, Ammen<br />

und Angestellten kann nur Deutsch, wohingegen<br />

der abgehobene Philosoph Seneca öfters auch in lateinischer<br />

Sprache doziert.<br />

Anke Sieloff meistert gesanglich und in den Bewegun-<br />

William Saetre (Arnalta), Claudia Braun (Poppea), Wolf-Rüdiger Klimm (Amor)


gen ihre Rolle als Nero sehr gut. Ein echtes Mitfühlen<br />

während der Liebeszenen zwischen Nero und Poppea<br />

konnte aber nicht aufkommen, obwohl Claudia Braun<br />

(Poppea) gesanglich wie auch durch ihr attraktives, verführerisches<br />

Äußeres, gr<strong>and</strong>ios ist. Das Schlußduett der<br />

beiden, in welchem das auf Erden wie im Himmel widerhallende<br />

Glück von Poppea und Nero besungen wird, ist<br />

ein musikalischer Höhepunkt. Das geht einem wirklich<br />

unter die Haut! Noriko Ogawa-Yatake (Ottavia) bringt<br />

gesanglich eine durchgängig gute Leistung und ist ihrer<br />

Rolle angemessen stimmlich unauffällig. William Saetre<br />

(Arnalta) überzeugt durch eine kecke Stimme und das<br />

teilweise witzig vorgetragene Parl<strong>and</strong>o. Leah Gordon<br />

(Drusilla), Daniel Wagner (1. Soldat/Schüler), Jan Ciesielski<br />

(2. Soldat/Schüler) und Artur Grywatzik (Schüler)<br />

machen aus ihren Nebenrollen stimmlich und agierend das<br />

Beste. Christian Helmer (Seneca) entspricht mit seiner voluminösen<br />

Baßstimme den zur Zeit Monteverdis typischen<br />

Stimmencharakter eines würdigen, weisen Philosophen.<br />

Der Counter-Tenor Matthias Lucht (Ottone) entspricht<br />

mit weicher, chromatisch schmiegsamer Melodik in seinen<br />

Gesangspassagen der Rolle eines zaudernden Ottone<br />

gr<strong>and</strong>ios. Wolf-Rüdiger Klimm (Amor) erinnert in seinem<br />

auffällig kitschigen Silberpaillettenanzug mit Ballonrock,<br />

Flügeln und Plateaustiefeln eher an das Bühnenoutfi t der<br />

1970er Jahre und überschattet damit seine gesangliche Leistung.<br />

Insgesamt sind fl ippige Kostüme, Kleidung aus den<br />

1950er Jahren bis zurück zu barock anmutender Kostümierung,<br />

bunt nebenein<strong>and</strong>er gruppiert.<br />

Das Orchester unter der Leitung von Samuel Bächli verdient<br />

das größte Lob. Von Monteverdis L´incoronanzione<br />

di Poppea ist nämlich nur Singstimme und Baßlinie überliefert.<br />

Erst durch die Instrumentation von Samuel Bächli<br />

und Kai Tietje ist sie für die Aufführung außerordentlich<br />

eindrucksvoll hergerichtet worden.<br />

Die Gratw<strong>and</strong>erung zwischen der Aufführungspraxis<br />

Alter Musik und heutiger Musizierpraxis ist gr<strong>and</strong>ios<br />

gelungen. Kai Tietje und Samuel Bächli zaubern mit ihrer<br />

Kammermusikgruppe von 22 Musikern ein perfektes<br />

Zusammenspiel zwischen historischen Klangquellen<br />

wie Blockfl öten, Laute, Truhenorgel und authentischen<br />

Streichinstrumenten einerseits und Klarinetten, Klavier,<br />

Akkordeon und Vibraphon von heute <strong>and</strong>ererseits.<br />

Hinzu kommen noch Oboen, Fagotte und Posaune.<br />

Ein gewagtes Unternehmen, das manchmal sehr ein<br />

anti-monteverdisches, aber durchaus wohlklingendes Ergebnis<br />

hervorruft. Allemal kooperieren die Musiker gut<br />

mitein<strong>and</strong>er. Sie verstehen es, Rhythmik, Harmonik und<br />

Melodik meisterhaft darzubieten.<br />

Fazit<br />

Die Aufführung wirkt insgesamt sehr solide. Ein großer<br />

Applaus am Schluß der Premierevorstellung blieb aus. Die<br />

Umsetzung des Stücks in der gebotenen Form ist sicherlich<br />

eine Geschmacksfrage.<br />

B. W<strong>and</strong>schneider<br />

Bild: Majer-Finkes und Rudolf Finkes<br />

39<br />

Greifswald, Theater Vorpommern<br />

Fidelio<br />

von Ludwig van Beethoven, Oper in 2 Aufzügen, Text: Joseph Sonnleithner,<br />

Stephan von Breuning und Georg Friedrich Treitschke nach der Oper Léonore<br />

ou l’amour conjugal von Pierre Gaveaux und Jean Nicolas Bouilly<br />

UA: (3. Fassung): 1814 Wien<br />

Regie: Anton Nekovar, Bühnenbild/Kostüme: Sabine Lindner; Dirigent:<br />

Mathias Husmann, Philharmonisches Orchester Vorpommern,<br />

Singakademie Stralsund und Opernchor des Theaters Vorpommern,<br />

Einstudierung: Thomas Riefl e, Günther Wolf<br />

Solisten: Anna Ryan (Leonore / Fidelio), Michael Renier (Florestan), Benno<br />

Remling (Don Pizarro), Bernhard Leube (Rocco), Eva Resch (Marzelline),<br />

Noriyuki Sawabu (Jaquino), Bryan Rothfuss (Don Fern<strong>and</strong>o), Bernd Roth<br />

(Erster Gefangener), Volker-Johannes Richter (Zweiter Gefangener)<br />

Besuchte Vorstellung: 5. April 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Marzelline, Tochter des Gefängniswärters Rocco, liebt<br />

den Gehilfen Fidelio, der sich durch Fleiß und Geschick<br />

auszeichnet. Tatsächlich h<strong>and</strong>elt es sich bei ihm jedoch<br />

um eine verkleidete Frau, Leonore, die sich in das Gefängnis<br />

eingeschlichen hat, um Kontakt zu ihrem Gatten<br />

Florestan, einem politischen Gefangenen, der seit Jahren<br />

im tiefsten Verließ sitzt, zu bekommen. Als eine königliche<br />

Inspektion des Gefängnisses angekündigt wird, entschließt<br />

sich der Gouverneur Don Pizarro, der Florestan<br />

widerrechtlich festhalten läßt, Florestan zu töten, um<br />

seinen gefährlichsten Widersacher aus dem Weg zu räumen.<br />

Dank des Vertrauens des Gefängniswärters Rocco<br />

darf Leonore zu ihrem Gatten herabsteigen, gerade<br />

im rechten Moment, um ihm das Leben zu retten. Don<br />

Fern<strong>and</strong>o, der Abges<strong>and</strong>te des Königs, trifft in diesem<br />

Moment ein, nimmt Pizarro gefangen, verspricht eine<br />

Aufarbeitung von dessen tyrannischer Herrschaft und<br />

entläßt Florestan in die Freiheit.<br />

Aufführung<br />

Die für Greifswalder Verhältnisse aufwendig ausgestattete<br />

Inszenierung des Intendanten Anton Nekovar ist, das<br />

muß man vorab sagen, als sehr gelungen zu bezeichnen.<br />

Sie macht den Genrewechsel, der im Text des ersten Akts<br />

angelegt ist, durch einen originellen Einfall deutlich: Wenn<br />

der Vorh<strong>and</strong> sich öffnet, bietet sich ein Bild wie in einer<br />

Inszenierung des 19. Jahrhunderts: Bemalte Leinwände<br />

zeigen das Gefängnisgebäude im Hintergrund, davor singen<br />

die Solisten im historischen Kostüm. Das berühmte<br />

kanonische Quartett Mir ist so wunderbar wurde durch die<br />

Lichtregie und eine musikalisch fein abgestimmte Vortragsweise<br />

aller Beteiligten sehr deutlich und durchhörbar.<br />

Dann, während des Terzetts Gut, Söhnchen, gut ändert sich<br />

das Bild vollständig. Von der Decke werden eine Vielzahl<br />

von Uniformen herabgelassen, aus denen sich die drei<br />

Solisten schwarze Jacken mit der Aufschrift „Security“<br />

heraussuchen. Die Leinwände werden hochgezogen,<br />

und wir befi nden uns für den Rest des Abends im 21.<br />

Jahrhundert, genauer: in einem Gefängnis des 21. Jahrhunderts:<br />

Steril und klinisch geht es hier zu, kahle Wände,<br />

kaltes Neonlicht.


Ein Gefangenenchor in<br />

orangefarbenen Uniformen<br />

singt von einer Einheit<br />

mit Maschinengewehren.<br />

Diese Einheit besteht<br />

aus jungen Männern im<br />

Outfi t privater Wachdienste,<br />

woran wir uns in den<br />

letzten Jahrzehnten gewöhnt<br />

haben. Der Bezug<br />

auf das Foltergefängnis<br />

von Guantánamo ist sofort<br />

deutlich – und die zeitlose<br />

Aktualität von Beethovens<br />

Oper wird ein weiteres Mal<br />

eindrucksvoll belegt. Politische<br />

Gefangene, für die<br />

kein Recht gilt, gehören<br />

– wie vor 200 Jahren – zu<br />

unserer Realität.<br />

Hier regiert ein eleganter und eiskalter Don Pizarro,<br />

überzeugend dargestellt von Benno Remling, einem der<br />

besten Akteure des Opernensembles. Florestan wird in<br />

einem unterirdischen Hochsicherheitstrakt verwahrt, seine<br />

Verzweifl ung wirkt bedrückend realistisch. Die lange<br />

Schlußszene mit großem Chor, die wegen ihres utopischen<br />

Gehalts schwer umzusetzen ist, gelang szenisch<br />

und vor allem musikalisch.<br />

Das Philharmonische Orchester Vorpommern brachte<br />

Beethovens Musik souverän und mit Verve zum Erklingen,<br />

und das in der sehr trockenen, keinen Fehler kaschierenden<br />

Akustik des Greifswalder Theaters. Das vor<br />

gut einem Jahrzehnt durch Fusion entst<strong>and</strong>ene Orchester<br />

hat seit dem Engagement Mathias Husmanns eine<br />

erfreuliche Entwicklung genommen.<br />

Was die musikalische Leistung der Solisten angeht, darf<br />

man natürlich nicht das Niveau eines Großstadttheaters<br />

erwarten. Zwar verfügen Anna Ryan (Fidelio) und Michael<br />

Renier (Florestan) über sehr kräftige, klangvolle<br />

Stimmen, doch wirkte vor allem Reniers Einsatz seiner<br />

Mittel unausgeglichen, beinahe so, als würde er zu sehr<br />

an die Verhältnisse eines großen Hauses gewöhnt sein.<br />

Mitunter war das Orchester bei seinen Fortissimo-Einsätzen<br />

nicht mehr zu hören, und seine Aussprache des<br />

Deutschen ist leider noch nicht sehr deutlich.<br />

Dafür aber meisterte er die gefürchtete Schlußstretta seines<br />

Monologs Zur Freiheit, zur Freiheit vollauf. Anna Ryan verfügt<br />

wie er über eine sehr solide Technik, die sie mit Sicherheit<br />

auch im hochdramatischen Fach mit Erfolg einsetzen<br />

kann. Am schwächsten war die sängerische Leistung von<br />

Bryan Rothfuss (Don Fern<strong>and</strong>o). Darstellerisch gingen die<br />

Solisten und Choristen ganz in der ihnen von der Regie<br />

gestellten Aufgabe auf. Szenen- und ein langer Schlußbeifall<br />

ließen keinen Zweifel daran, daß diese Produktion vom<br />

Publikum mehr als dankbar angenommen wird.<br />

40<br />

Anna Ryan (Leonore / Fidelio), Michael Renier (Florestan)<br />

Fazit<br />

Musikalisch wird eine – für ein kleines Theater – ordentliche<br />

Leistung geboten, vom Orchester sogar eine sehr<br />

gute, dazu eine Inszenierung mit Tiefgang und weit über<br />

dem Durchschnitt vergleichbarer Häuser. Kleine Bühne,<br />

großer Wurf!<br />

Koblenz, Theater der Stadt<br />

Lucia di Lammermoor<br />

M. Knust<br />

Bild: Theater Vorpommern<br />

von Gaetano Donizetti, Dramma tragico in 3 Akten; Libretto: Salvatore<br />

Cammarano, nach dem Roman The Bride of Lammermoor<br />

(1819) von Sir Walter Scott; UA: 26. 9. 1835, Teatro San Carlo, Neapel<br />

Regie und Bühnenbild: Hans Hoffer, Kostüme: Gera Graf<br />

Dirigent: Anton Marik, Staatsorchester Rheinische Philharmonie<br />

Solisten: Estelle Kruger (Lucia), Guillermo Dominguez (Edgardo),<br />

Alex<strong>and</strong>er Polakovs (Enrico), Michael Burt (Raimondo), Monica<br />

Mascus (Alisa), Max An (Arturo), Ji-Soo Kim (Normanno)<br />

Besuchte Aufführung: 29. Februar 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Die schottischen Familien Ravenswood und Lammermoor<br />

sind verfeindet. Doch Lucia di Lammermoor hat<br />

sich in Edgardo, den letzten Erben von Ravenswood,<br />

verliebt. Sie trifft sich heimlich mit dem Geliebten am<br />

Brunnen, wo sie sich gegenseitige Treue schwören.<br />

Lucias Bruder Lord Enrico aber will sie mit dem reichen<br />

Lord Arturo Bucklaw verheiraten, um die Familie<br />

aus ihrer verschuldeten Lage zu retten. Inzwischen<br />

schreibt Edgardo, der sich als Botschafter in Frankreich<br />

befi ndet, Briefe. Einen davon fälscht ihr Bruder. Darin<br />

gesteht Edgardo Lucia, daß er eine <strong>and</strong>ere lieben würde.<br />

So unterschreibt Lucia schließlich den Ehevertrag mit<br />

Arturo. Während der Hochzeitsfeier taucht Edgardo<br />

plötzlich auf und fragt sie, ob es stimme, daß sie einen<br />

<strong>and</strong>eren lieben würde. Als Lucia das bejaht, gibt er ihr


den Ring zurück. Noch in der Nacht fordert Enrico<br />

Edgardo zum Duell. Die feiernde Hochzeitsgesellschaft<br />

wird geschockt durch die Mitteilung, Lucia habe ihren<br />

frisch Vermählten getötet. Diese erscheint mit blutverschmiertem<br />

Kleid im Saal. Sie ist dem Wahnsinn verfallen.<br />

Zu spät erkennt Enrico, was er seiner Schwester<br />

angetan hat.<br />

Heimkehrende Hochzeitsgäste berichten Edgardo, der<br />

im Morgengrauen auf Lord Enrico zum Duell wartet,<br />

Lucia sei wahnsinnig geworden. Kurz darauf verkünden<br />

die Glocken ihren Tod. Edgardo beschwört seine Liebe<br />

zu Lucia und nimmt sich das Leben.<br />

Aufführung<br />

Die Liebe zwischen Lucia und Edgardo ist von Anfang<br />

an zum Verderben<br />

verurteilt. Es<br />

ist die tragische<br />

Geschichte einer<br />

unterdrückten<br />

Frau, die von<br />

allen zu deren<br />

Vorteil ausgenutzt<br />

wird. Nach<br />

Auffassung des<br />

Regisseurs Hans<br />

Hoffer will Enrico<br />

Lucia des Ruhmes<br />

und Geldes<br />

wegen verheiraten<br />

und Edgardo<br />

sie als Trophäe<br />

besitzen. Sie verleugnet<br />

ihre große<br />

Liebe und damit ihr eigenes Ich. Und schließlich fl üchtet<br />

sie sich in den Wahnsinn. Es ist das erste Mal, daß Lucia<br />

sein kann, was sie will: frei.<br />

Die Wahnsinnsarie im dritten Akt ist der Höhepunkt der<br />

Oper, und daraufhin hat Hans Hoffer (auch Bühnenbildner)<br />

seine Inszenierung auch ausgelegt: Die Bühne<br />

ist spartanisch eingerichtet. Im Mittelpunkt steht eine<br />

überdimensionale weiße Maske, die das Gesicht und den<br />

Verst<strong>and</strong> der Lucia darstellt. Zu Beginn der Oper fl üchtet<br />

sie sich immer wieder darauf wie auf eine schützende<br />

Insel. Bei der Hochzeitsfeier schließlich ist die Maske<br />

in einzelne Teile zerfallen – genau wie Lucias Verst<strong>and</strong><br />

dem Wahnsinn verfallen ist.<br />

Schon während der Ouvertüre deutet Hoffer das Schicksal<br />

der Lucia an: Ein Fadenkreuz wird auf die Bühne<br />

projiziert, und dahinter erkennt man eine Figur, die wie<br />

durch eine Wärmebildkamera betrachtet, langsam hin<br />

und her durch den Raum schwebt. Dazu erklingen die<br />

unheilvollen Töne des Orchesters.<br />

Und noch einen dramaturgischen Kniff wendet Hoffer<br />

an: Als Edgardo und Lucia sich nachts treffen, sind sie<br />

41<br />

durch ein eierförmiges, leicht schräg liegendes Loch in<br />

einer schwarzen W<strong>and</strong> zu sehen – auch eine Möglichkeit,<br />

den Brunnen darzustellen, vor dem sie stehen. Alisa zieht<br />

ihr zuvor ihre Jacke an – allerdings mit der Öffnung nach<br />

hinten. Dies erinnert unweigerlich an eine Zwangsjacke.<br />

Und so ziehen sich die Assoziationen an Lucias Wahnsinn<br />

durch das gesamte Stück. Vor allem gegen Ende erweckt<br />

der Bühnenbildner die Vision einer Irrenanstalt:<br />

Raimondo wird als Greis im Rollstuhl umher geschoben,<br />

das Ensemble trägt weiße Kittel, Lucia zieht ihre Perücke<br />

aus, unter der ein kurzgeschorener Haarschopf erscheint,<br />

Edgardo schlitzt sich am Ende die Pulsadern auf.<br />

Für Lucias Wahnsinn läßt sich Hoffer ein eindringliches<br />

Bild einfallen: Als sie während der Feier den Saal betritt,<br />

trägt sie ein leuchtend rotes Kleid und eine rote Perücke<br />

und schleift den<br />

toten Körper Arturos<br />

hinter sich<br />

her. Sie zieht das<br />

Kleid aus, unter<br />

dem sie ein<br />

weißes, blutverschmiertesNachtgew<strong>and</strong><br />

trägt.<br />

Dann stimmt sie,<br />

auf dem Leichnam<br />

sitzend, die<br />

Wahnsinnsarie<br />

an.<br />

Estelle Kruger<br />

(Lucia) liefert<br />

eine meisterliche<br />

Hauptfi gur ab.<br />

Die gebürtige<br />

Südafrikanerin besticht durch eine gute Dynamik. Vor<br />

allem ihre Koloraturen in der Wahnsinnsarie sind ein Genuß<br />

und begeistern das Publikum. Ihr Zusammenklang<br />

mit der Flöte ist perfekt. Auch Guillermo Dominguez<br />

(Edgardo) erfreut mit einer sehr angenehmen Stimme.<br />

Sein Spiel, vor allem in der letzten Szene, ist überaus<br />

überzeugend. Man kauft ihm zweifellos den feurigen<br />

Liebhaber ab. Alex<strong>and</strong>er Polakovs (Enrico) singt einen<br />

zornigen, rachsüchtigen Enrico. Vor allem zu Beginn ist<br />

seine Stimme etwas zu schrill. Michael Burt (Raimondo)<br />

singt als satter, ansonsten recht unauffälliger Baß. Auch<br />

das restliche Ensemble fügt sich gut ein. Dirigent Anton Marik<br />

gelingt es gut, die verschiedenen Stimmungen der Musik aus<br />

dem Orchester herauszulocken. Die Streicher überzeugen, die<br />

Bläser sind an manchen Stellen ein wenig unsauber.<br />

Fazit<br />

Eine durchaus gelungene, aussagekräftige Inszenierung<br />

mit einer überzeugenden Lucia und einem ansonsten zufrieden<br />

stellenden Ensemble und Orchester.<br />

Estelle Kruger (Lucia) sitzt auf dem Leichnam ihres Gatten, im Hintergrund die zerfallene Maske.<br />

J. Korst<br />

Bild: PIELmedia


Köln, Oper<br />

Rotter<br />

von Torsten Rasch, Oper in zwei Akten, Text: Katharina Thalbach<br />

und Christoph Schw<strong>and</strong>t nach Thomas Brasch; Regie: Katharina<br />

Thalbach, Bühnenbild: Momme Röhrbein; Dirigent: Hermann Bäumer,<br />

Gürzenich-Orchester Köln, Opernchor Köln<br />

Solisten: Hans-Georg Priese (Rotter), Albert Bonnema (Lackner), Regina<br />

Richter (Elisabeth), Ulrich Hielscher (Fleischer), Shannon Chad Foley<br />

(Hauptmann), Johannes Beck (Vorsitzender), Alex<strong>and</strong>er Fedin (Kunde/<br />

Polizist/Maschke), Stefan Kohnke (Rotmaler), Hauke Möller (Grabow/1.<br />

Arbeiter), David Pichlmaier (Tetzner/2. Arbeiter), Jong Min Lim (Kutz/3.<br />

Arbeiter), Julia Giebel (Fräulein Berthold), Machiko Obata (Radio)<br />

Besuchte Aufführung: 23. Februar 2008 (Uraufführung)<br />

Kurzinhalt<br />

Du bist der Gleiche geblieben, der du immer warst. Diese Erkenntnis<br />

am Ende des Stücks liest sich wie ein Fazit aus<br />

den letzten zwei Stunden Operngeschehen, aber auch aus<br />

einem gesamten Menschenleben. Karl Rotter, ein Kind<br />

der Weimarer Republik, durchläuft verschiedene Stationen<br />

des Zeitgeschehens des 20. Jahrhunderts in Deutschl<strong>and</strong>:<br />

Erst ist er Metzgerlehrling, dann im SS-Hemd und<br />

schließlich Baustellenleiter in der noch jungen DDR.<br />

Daneben bestimmen ihn eine gescheiterte Ehe mit Elisabeth,<br />

eine Haßliebe zu seinem Gegenspieler Lackner<br />

und die über Jahre hinweg quälende Frage, ob das Kind,<br />

das Elisabeth<br />

nicht bekommen<br />

hat, von ihm<br />

oder doch von<br />

Lackner war.<br />

Rotter will immer<br />

weitermachen,<br />

auch, wenn um<br />

ihn herum alles<br />

schon mit neuen<br />

Dingen beschäftigt<br />

ist. Er läßt<br />

sich benutzen,<br />

ohne es zu merken,<br />

wird er lästig,<br />

schickt man<br />

ihn in den Ruhest<strong>and</strong>.<br />

Selbst im<br />

Angesicht des<br />

Todes will er wieder<br />

von neuem anfangen. Er ist der Gleiche geblieben,<br />

auch wenn sich um ihn alles verändert hat.<br />

Inszenierung<br />

Ein ständiges Kommen und Gehen beherrscht das Geschehen.<br />

Da liegt es nahe, die Haupth<strong>and</strong>lungsstätte<br />

eines Bahnhofs als Bühnenbild dominieren zu lassen.<br />

Geschickt lassen sich die Stahlkonstruktionen, die an<br />

Stützen einer Bahnhofsüberdachung erinnern, im zweiten<br />

Akt zu einer Baustelle neu herrichten, zumal auch<br />

hier das Motiv der Eisenbahn in Gestalt einer Werksbahn<br />

erneut auftritt.<br />

42<br />

Die Kostüme sind schlüssig aus dem jeweils dargestellten<br />

Zeitabschnitt deutscher Geschichte gewählt,<br />

Charlestontänzer sind dadurch genauso legitimiert wie<br />

NS-Uniformen und FDJler.<br />

Katharina Thalbachs Regie orientiert sich nah an den<br />

Konventionen des Schauspiels, was für eine Oper, die<br />

sich politischen Themen widmet, mehr als angebracht<br />

ist, um den H<strong>and</strong>lungsstrang klar, direkt und ohne unnötige<br />

Ausschmückungen darzustellen. Daneben frischen<br />

innovative Elemente, die durchaus durch den<br />

Text begründet sind, wie Samba tanzende Schweine, das<br />

Gezeigte auf.<br />

Komposition<br />

Torsten Rasch beweist mit seiner ersten Oper einen originellen<br />

Geist. Er weiß mit der menschlichen Stimme<br />

umzugehen und traditionelle Opernelemente sinnvoll<br />

einzusetzen. Während im größten Teil der Oper der<br />

syllabische Stil überwiegt, dienen z.B. Melismen der<br />

Textausdeutung, ein Wort besonders zu betonen, so geschehen<br />

beim Erwähnen des Führers, bei dem durch eine<br />

aberwitzige Koloratur die Verbundenheit und Bewunderung<br />

Rotters für diese Person ausgedrückt wird.<br />

Das Instrumentarium ist besonders in den tiefen Lagen<br />

Albert Bonnema (Lackner) und Arbeiter (Opernchor)<br />

und im Schlagwerk erweitert. Die dadurch entstehenden<br />

klanglichen Möglichkeiten stimulieren sehr genau<br />

das Gefühl (die Affekte): So dient ein Gliss<strong>and</strong>o in den<br />

Streichern dazu, Rotters Zurückstreichen der Haare, um<br />

dem Führer zu ähneln, zu untermalen, Hammerschläge<br />

auf der Baustelle werden lautmalerisch im Schlagwerk<br />

dargestellt. Nahezu symbolhaft ist der Einsatz der Celesta<br />

[Tasteninstrument, bei dem Metallstäbe angeschlagen<br />

werden], die immer dann erklingt, wenn die Alten Kinder<br />

im Chor auftreten, vergleichbar mit dem kommentierenden<br />

Chor des antiken griechischen Dramas. Aber auch


wenn Kinder agieren oder ein Kinderlied angestimmt<br />

wird, erklingt das Schlagwerk der Celesta wie eine Spieluhr<br />

aus der Ferne.<br />

Insgesamt ist die Komposition freitonal, es treten jedoch<br />

auch kurze lyrische Passagen auf, die ein tonales Zentrum<br />

aufweisen. Diese Stellen sind gezielt gesetzt und<br />

dienen der Textverdeutlichung, z.B. während der Deportation<br />

von Juden. Durch diese kurzen tonalen Momente<br />

erscheint der Aufbruch ins Freitonale noch krasser und<br />

der Zuschauer verliert sich nicht im bloßen Zuhören,<br />

sondern wird immer wieder zum genauen Hinhören<br />

aufgefordert. Besonders imponierend ist das Orchesterzwischenspiel<br />

vor der fünften Szene des ersten Aktes.<br />

Hier wird das Kriegstreiben lautmalerisch ausgedeutet.<br />

Dazu fi ndet auf der Bühne eine groteske Engführung<br />

von Schlacht, Tänzerinnen, spielenden Kindern und<br />

Schneegestöber statt, was den beklemmenden Charakter<br />

der Musik unterstützt.<br />

Sänger<br />

Die Besetzungswahl ist weitestgehend überzeugend.<br />

Leider gelingt es nicht allen Sängern, insbesondere in<br />

den Nebenrollen, über das in Extremlagen spielende<br />

Orchester hinweg in den Zuschauerraum vorzudringen.<br />

Beeindruckend ist die Leistung von Hans-Georg Priese<br />

in der Rolle des Karl Rotter. Nahezu in jeder Szene<br />

muß er stimmlich und schauspielerisch präsent sein. Da<br />

er vor drei Jahren vom Baritonfach ins schwere Tenorfach<br />

wechselte, beherrscht er auch die verhältnismäßig<br />

tiefen Passagen einw<strong>and</strong>frei. Regina Richter (Elisabeth)<br />

brilliert mit ihrem klaren Mezzosopran und weiß ihn<br />

sowohl verführerisch, als auch energisch und verbittert<br />

einzusetzen. Einzig die Wahl, die Figur Lackners, dessen<br />

Partie überwiegend im Parl<strong>and</strong>ostil geschrieben ist, mit<br />

dem aus den Niederl<strong>and</strong>en stammenden Albert Bonnema<br />

zu besetzen, bleibt bisweilen fragwürdig. Gerade in<br />

einem Stück, in dem beinahe jedes Wort von politischer<br />

Relevanz ist, sollte besonderer Wert darauf gelegt werden,<br />

daß, trotz der mitlaufenden Übertitel, das Gesungene<br />

durchweg verständlich ist.<br />

Das Gürzenich-Orchester Köln erweist sich unter der<br />

Leitung von Hermann Bäumer als überaus fähig, den<br />

Ansprüchen einer durchdachten Komposition gerecht<br />

zu werden. Der Chor der Oper Köln kann insbesondere<br />

in den sphärisch anmutenden Passagen durch einen äußerst<br />

homogenen Klang überzeugen.<br />

Fazit<br />

Man muß schon eine gewisse Neigung zu Neuer Musik<br />

haben, um von Rotter begeistert zu werden. Doch auch<br />

dann wird einem die Aufführung nicht gefallen, wenn<br />

man nur in die Oper geht, um (frei nach Brecht) romantisch<br />

zu glotzen. Was einen erwartet, ist durchaus schwere<br />

Kost, die zu probieren es sich allerdings sehr lohnt.<br />

Ch. Lauter<br />

Bild: Klaus Lefebvre<br />

43<br />

Köln, Oper<br />

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg<br />

Musik und Text von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Aufzügen.<br />

UA: 19. Oktober 1845, Hoftheater Dresden<br />

Regie: Jasmin Solfaghari, Bühnenbild: Frank Philipp Schlößmann,<br />

Kostüme: Mechthild Seipel; Dirigent: Markus Stenz, Gürzenich-Orchester<br />

und Chor der Oper, Einstudierung: Andrew Olivant<br />

Solisten: Andreas Hörl (Hermann, L<strong>and</strong>graf), Torsten Kerl (Tannhäuser),<br />

Miljenko Turk (Wolfram von Eschenbach), Martin Homrich<br />

(Walter von der Vogelweide), Andrés F. Orozco Martinez (Heinrich<br />

der Schreiber), Daniel Henriks (Biterolf), Wilfried Staber (Reinmar<br />

von Zweter), Camilla Nylund (Elisabeth), Dalia Schaechter (Venus),<br />

Susanne Nieblung (ein junger Hirt) u.a.<br />

Besuchte Aufführung: 15. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Beim Erwachen aus tiefem Schlaf weiß Tannhäuser<br />

nicht, wie lange er schon bei Venus weilt. Doch er sehnt<br />

sich zurück nach der Menschenwelt. Schließlich fi ndet<br />

er sich in einem schönen Tal wieder. Der L<strong>and</strong>graf und<br />

die Ritter, von der Jagd zurückkommend, fi nden ihn<br />

und begrüßen ihn freudig. Als Wolfram ihm von der auf<br />

ihn wartenden Elisabeth berichtet, geht Tannhäuser mit<br />

ihnen auf die nahe gelegene Wartburg. Hier trifft Tannhäuser<br />

auf Elisabeth.<br />

Die Vorschrift beim Sängerwettstreit ist, das Wesen der<br />

Liebe durch die Lieder zu beschreiben. Die Minnesänger<br />

Wolfram, Walther und Biterolf tragen ihren abstrakten,<br />

moralisierenden Liebesbegriff vor. Tannhäuser antwortet,<br />

jedes Mal immer hitziger, auf die einzelnen Sänger<br />

und setzt dagegen seine Ansicht von irdischer, sinnlicher<br />

Liebe, die er beglückt erlebt hat. Sein Preislied auf Venus<br />

ist der Höhepunkt.<br />

Darüber sind die Minnesänger so aufgebracht, daß sie<br />

ihn mit dem Tod bedrohen. Doch Elisabeth, obwohl<br />

bis ins Herz durch Tannhäusers Aufenthalt bei Venus<br />

getroffen, stellt sich zwischen die Kontrahenten. Tannhäuser<br />

wird ausgestoßen und zur Bußfahrt nach Rom<br />

gezwungen. In der Zwischenzeit betet Elisabeth für<br />

Tannhäusers Seelenheil. Im Herbst kehrt er ohne die<br />

Pilger allein zurück. Er ist zutiefst enttäuscht, denn der<br />

Papst konnte ihn von seinen Sünden nicht lossprechen.<br />

So will er in den Venusberg zurückkehren, doch Wolfram<br />

erinnert ihn an die sterbende Elisabeth. Tannhäuser<br />

besinnt sich und stirbt in den Armen Wolframs als Erlöster.<br />

Aufführung<br />

Die Vorstellung der Teheranerin Jasmin Solfaghari zur<br />

Darstellung einer Romantischen Oper nachzuvollziehen,<br />

verlangt Ungewöhnliches: Wir sehen eine Einheitsbühne,<br />

die am ehesten einer Sparkassenhalle gleicht,<br />

beleuchtet mit Neonröhren, möbliert mit einer schwarzledernen,<br />

rechteckigen Sitzcouch und vielen Stühlen,<br />

begrenzt von Glaswänden. Zuvor diente – mit riesigen<br />

blutroten Bettlaken auf der Sitzcouch – diese Halle dem<br />

Liebesnest Venus/Tannhäuser. Nach seiner Flucht fi ndet


sich Tannhäuser,<br />

nach der SpielanweisungWagners<br />

… plötzlich<br />

in einem schönen<br />

Tal, mit blauem<br />

Himmel und heitererSonnenbeleuchtung.<br />

Diese von Wagner<br />

gewollte<br />

Pastorale, betont<br />

durch den auftretendenHirten,<br />

ist bei Frau<br />

Solfaghari ein<br />

Sparkassenvestibül.<br />

Durch den<br />

hinteren Teil des<br />

Vestibüls zieht<br />

eine Pilgergruppe,<br />

unschwer an roten Kreuzen auf den weißen T-Shirts<br />

erkennbar. Elisabeth tritt auf im Männerhemd mit nackten<br />

Beinen. Daß sie sich in diesem Aufzug auf den zurückkehrenden<br />

Tannhäuser freut, kann man verstehen,<br />

denn sie ist wohl am frühen Morgen noch nicht angezogen.<br />

Daß sie aber in gleicher Montur Tannhäuser und<br />

den L<strong>and</strong>graf begrüßt, ist weniger zu begreifen.<br />

Bei der Rückkehr von seinem Rom-Büßergang fi ndet<br />

Tannhäuser die Halle zertrümmert vor: sämtliche Fensterscheiben<br />

sind zerbrochen, die Neonröhren liegen<br />

auf der Erde, selbst die „Lustcouch“ ist umgestürzt.<br />

Bei Wagner ist es lediglich Herbst, ohne daß die Halle<br />

verwüstet ist. Mit rotem Vorhang erscheint Frau Venus<br />

wieder, doch Tannhäuser beachtet sie nicht und stirbt in<br />

Gedanken an seine keusche Elisabeth.<br />

Sänger<br />

Andreas Hörls (L<strong>and</strong>graf Hermann) tiefer Baß hallte<br />

wohltönend durch die Sparkassenlobby. Er war für den<br />

erkrankten Reinhard Dorn eingesprungen und gestaltete<br />

seinen Part glänzend. Von Torsten Kerl (Tannhäuser)<br />

kann man das leider nicht behaupten: von Anfang an<br />

preßte er seinen Tenor durch Höhen und Tiefen, daß<br />

man manchmal Angst hatte, wann die Stimme kippen<br />

würde. Eine wahre Freude war Miljenko Turk als Wolfram.<br />

Er sang einigermaßen verständlich und seine Baritonstimme<br />

durchmaß alle Fährnisse souverän. Auch an<br />

allen <strong>and</strong>eren Minnesängern – Martin Homrich (Walter),<br />

Orozco Martinez (Heinrich), Daniel Henriks (Biterolf)<br />

sowie Wilfried Staber (Reinmar) – war sängerisch nichts<br />

auszusetzen. Beeindruckend setzte Susanne Niebling (ein<br />

junger Hirt) ihren hohen Sopran ein. Allein ihr Kostüm,<br />

mit weißen Kniestrümpfen und klobigen schwarzen Schuhen,<br />

widersprach der Sparkassenhallenumgebung. Irgend<br />

Pilger mit T-Shirt und rotem Kreuz bei ihrer Rückkehr aus Rom<br />

44<br />

was muß Jasmin Solfaghari im Kopf gehabt haben, das<br />

sie uns damit kundtun wollte. Vielleicht hat sie tatsächlich<br />

an eine Hirtenl<strong>and</strong>schaft (Pastorale) gedacht?<br />

Camilla Nylund (Elisabeth) war eine Augen- und Ohrenweide:<br />

ihre Intonationssicherheit ist bewundernswert,<br />

nur ihre Aussprache ist grauenvoll: ich verst<strong>and</strong><br />

fast nichts! Sollte man nicht doch auch bei deutschen<br />

Opern einen Übertitel mitlaufen lassen? Die schnelle<br />

Einstudierung der Gesangsrollen erlaubt zeitlich meist<br />

nicht, durch die Vokalisierung noch die Konsonanten<br />

verständlich zu singen. Dalia Schaechter (Venus) sang<br />

und bewegte sich venusgerecht.<br />

Der Chor war gut trainiert, aber oft sehr laut. Lauter<br />

allerdings war das Orchester unter Stenz’ Stabführung.<br />

Auch eine massive Wagnerpartitur kann man zurücknehmen.<br />

Die Sänger haben es allemal schwer.<br />

Fazit<br />

Warum meinen eigentlich viele Regisseure, durch robustes<br />

Modernisieren eine Oper verständlicher oder<br />

sogar attraktiver zu machen? Bei dieser Inszenierung<br />

geschieht es ohne irgendwelchen Gewinn an Klarheit<br />

oder Spannungserhöhung. Im Gegenteil, es sind so viele<br />

unverständliche Einzelheiten, daß man sich langweilt<br />

oder sich ärgert oder alles beim Gesang vergißt und die<br />

Augen schließt. Ist das der Sinn einer Modernisierung,<br />

gegen die ja grundsätzlich nichts einzuwenden ist?<br />

Einstimmiges Buhen begrüßte dann auch das Regieteam.<br />

Später kam auch Applaus auf, wohl für die Sänger, die sich<br />

dem Team hinzugesellten. Das wiederum quittierte Frau<br />

Solfaghari mit deutlichem Lachen. Vom Sängerischen ist<br />

die Aufführung zwiespältig aufzufassen: neben hervorragenden<br />

Stimmen die Stimme des Titelhelden, der einem<br />

eigentlich den Abend verleidet. O. Zenner<br />

Bild: Klaus Lefebvre


Krefeld, Stadttheater<br />

Die verkaufte Braut<br />

von Bedřich Smetana, Komische Oper in drei Akten, Libretto: Karel<br />

Sabina, Deutsch von Kurt Honolka;<br />

UA: 30. Mai 1866, Interimstheater in Prag<br />

Regie: François de Carpentries, Bühne: Siegfried E. Mayer, Kostüme:<br />

Karine van Hercke; Dirigent: Kenneth Duryea, Niederrheinische<br />

Sinfoniker, Chor der Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach;<br />

Solisten: Christoph Erpenbeck (Kruschina), Uta Christina<br />

Georg (Ludmilla), Janet Bartolova (Marie), Matthias Wippich (Tobias<br />

Micha), Margriet Schlössels (Hata), Markus Heinrich (Wenzel), Hans-<br />

Jürgen Schöpfl in (Hans), Hayk Dèinyan (Kezal), Manfred Feldmann<br />

(Zirkusdirektor Springer), Jeannette Wernecke (Esmeralda, Tänzerin),<br />

Jeong-Han Lee (Muss).<br />

Besuchte Aufführung: 15. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Marie, die Tochter eines verarmten Bauernpaares, liebt<br />

den Knecht Hans, der aus der Fremde zugew<strong>and</strong>ert ist.<br />

Sie geloben ein<strong>and</strong>er ewige Treue. Maries Eltern hingegen<br />

erwarten von Marie, daß sie sich auf dem Kirchweihfest<br />

mit Wenzel, Sohn des Großgrundbesitzers Tobias<br />

Micha, verlobt. Gemeinsam mit dem Heiratsvermittler<br />

Kezal setzen sie einen Ehevertrag auf. Jedoch Marie ist<br />

nicht bereit, sich dem Willen ihrer Eltern zu beugen.<br />

Sie liebe einen<br />

<strong>and</strong>eren und<br />

habe sich mit<br />

ihm bereits<br />

verlobt.<br />

Im Wirtshaus<br />

begegnet Marie<br />

ihrem vermeintlichen<br />

Bräutigam<br />

Wenzel. Sie<br />

erzählt dem<br />

leichtgläubigen<br />

Tölpel,<br />

ohne sich ihm<br />

zu erkennen<br />

zu geben, daß<br />

seine Braut<br />

Marie ihn vergiften<br />

wolle. Sie nimmt ihm das<br />

Versprechen ab, ihretwegen auf Marie zu verzichten.<br />

Gleichzeitig will Kezal Hans seine Braut abkaufen. Zum<br />

Entsetzen des Dorfes verkauft er seine Braut für dreihundert<br />

Gulden.<br />

Bei einem Besuch im Zirkus verliebt sich Wenzel in die<br />

Tänzerin Esmeralda. Da der Darsteller des Bären betrunken<br />

ist, übernimmt der naive Wenzel dessen Rolle.<br />

Den Verkauf der Braut glaubt Marie erst, als sie den<br />

Kaufvertrag sieht. Nun willigt sie doch in die Heirat<br />

mit Wenzel ein. Unerwartet treffen Tobias Micha und<br />

seine Frau im Dorf ein. Sie lüften endlich das Geheim-<br />

45<br />

nis um Hans’ Herkunft: Er ist der erstgeborene Sohn<br />

des Großgrundbesitzers Tobias Micha. Dieser war vor<br />

Jahren in die Fremde gezogen. Im „Brautkaufvertrag“<br />

st<strong>and</strong> nur, daß sie den Sohn des Tobias Micha heiraten<br />

dürfe, welchen, war nicht festgelegt. So konnte Marie<br />

sich ihren Bräutigam frei wählen. Als Versöhnungsgeste<br />

mit seinem Sohn willigt Tobias Micha in die Verbindung<br />

ein und Hans und Marie können mit dem ganzen Dorf die<br />

letztendlich glückliche Verlobung der verkauften Braut feiern.<br />

Inszenierung<br />

Die H<strong>and</strong>lung ist ins bäuerliche Milieu der 1960er Jahre<br />

verlegt, was sich insbesondere in der Wahl der Kostüme<br />

widerspiegelt. Viele kleine liebevoll eingesetzte Details<br />

peppen das Geschehen vor der Kulisse von Kirchweihfest<br />

und Wirtshaus auf: Die Zirkustruppe bietet die neuartige<br />

Tupperware feil, das Anwesen Tobias Michas sieht<br />

dem Schloß Neuschwanstein zum Verwechseln ähnlich.<br />

Das Bühnenbild ist auf das Wesentliche reduziert, was<br />

durchaus von Vorteil ist, da der Zuschauer nicht durch<br />

üppige Ausstattung vom H<strong>and</strong>lungsstrang abgelenkt<br />

wird. Hervorgehoben seien zudem die über das im Libretto<br />

vorgesehene Maß hinausgehenden erheiternden<br />

artistischen Darbietungen zu Beginn des dritten Aktes.<br />

Sänger<br />

Die Liebe zum<br />

Detail fi ndet<br />

sich auch in<br />

der Spielfreude<br />

von Ensemble<br />

und<br />

Chor wieder.<br />

Die verkaufte<br />

Braut ist keine<br />

Oper, in<br />

der die Sänger<br />

virtuoses<br />

Können unter<br />

Beweis stellen<br />

müssen,<br />

vielmehr ist<br />

ausdrucksvolles<br />

Spielen gefordert.<br />

Allen Sängern voran<br />

ist Hans-Jürgen Schöpfl in zu nennen, der sowohl mit<br />

agiler Stimme als auch mit leidenschaftlichem Spiel den<br />

verliebten und gleichzeitig verschmitzten Hans darstellt<br />

und damit zeigt, daß er die ihm in der letzten Spielzeit<br />

verliehene Auszeichnung der Kritikerumfrage NRW als<br />

bester Sänger nicht nur für ernste Rollen verdient hat,<br />

sondern auch in Buffopartien glänzen kann. An seiner<br />

Seite scheint Janet Bartolova mit der Spontaneität ihres<br />

Partners manchmal etwas überfordert, doch mit Humor<br />

fängt sie sich schnell und kann gerade Maries Verzweiflung<br />

glaubwürdig darstellen. Daneben agiert Hayk Dèinyan<br />

(Kezal) überzeugend, allerdings hat er damit zu<br />

Janet Bartolova (Marie), Hay Dèinyan (Kezal), Uta Christina<br />

Georg (Ludmilla) und Christoph Erpenbeck (Kruschina)


kämpfen, gegen das Orchester anzusingen.<br />

Unter den Nebenrollen sind Christoph Erpenbeck<br />

(Kruschina) und Markus Heinrich (Wenzel) besonders<br />

hervorzuheben, die mit offensichtlicher Begeisterung<br />

die Eigenarten ihrer Charaktere betonen. Das Ensemblebild<br />

wird durch souveräne Leistungen von Uta Christina<br />

Georg (Ludmilla), Matthias Wippich (Tobias Micha)<br />

und Margriet Schlössels (Hata) in Spiel und Gesang abgerundet.<br />

Wie schon so oft erweist sich der Chor der Vereinigten<br />

Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach,<br />

der für seine Qualität auch über die Stadtgrenzen hinaus<br />

bekannt ist, als absolut treffsicher in Ausdruck und Gestaltung<br />

und scheut sich auch nicht, die Tanzeinlagen im<br />

böhmisch-mährischen Stil burlesk darzubieten, statt sie<br />

einem Ballettensemble zu überlassen.<br />

Die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von<br />

Kenneth Duryea waren stets bemüht, Smetanas Vorstellung<br />

von folkloristischem Klang gerecht zu werden.<br />

Dies gelang am ehesten bei der Begleitung der Sänger.<br />

Fazit<br />

Sieht man über das streckenweise farblose Orchesterspiel<br />

hinweg, so erwartet einen ein amüsanter Opernabend,<br />

der vor allem durch Spiel-, Tanz- und Detailfreude<br />

von Ensemble und Chor besticht.<br />

Ch. Lauter<br />

Bild: Mattias Stutte<br />

Stuttgart, Staatsoper<br />

La Juive - Die Jüdin<br />

von Jacques Fromental Halévy (1799-1862), Gr<strong>and</strong> Opera in 5 Akten,<br />

Text: Eugène Scribe; UA: 23. Februar 1835, Paris<br />

Regie: Jossi Wieler/Sergio Morabito, Bühnenbild: Bert Neumann, Kostüme:<br />

Nina von Mechow, Dirigent: Sébastien Roul<strong>and</strong>, Staatsorchester<br />

Stuttgart, Solisten: Catriona Smith (La Princesse Eudoxie), Tatiana Pechnikova<br />

(Rachel), Chris Meritt (Éléazar), Liang Li (Le Cardinal de Brogni),<br />

Ferdin<strong>and</strong> von Bothmer (Léopold), Karl-Friedrich Dürr (Ruggiero),<br />

Christoph Soler (Albert), Sebastian Bollacher (Ausrufer)<br />

Besuchte Vorstellung: 16. März 2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Vorgeschichte in Rom: Der jüdische Goldschmied<br />

Éléazar hat die Tochter des Magistrats Brogni aus den<br />

Flammen gerettet. Zuvor hatte er durch de Brogni seine<br />

Söhne im Feuer verloren. Er zieht das Mädchen ohne de<br />

Brognis Wissen als seine eigene Tochter Rachel im jüdischen<br />

Glauben auf. Brogni, zum Kardinal aufgestiegen,<br />

eröffnet 1414 das Konzil in Konstanz.<br />

Rachel hat sich in einen Mann verliebt, der vorgibt, Jude zu<br />

sein, aber eigentlich Reichsfürst Léopold ist. Da Léopold<br />

mit Eudoxie verheiratet ist, verurteilt Kardinal de Brogni<br />

das Liebespaar zum Tode, ebenso Éléazar, da dieser die<br />

Ruhe der Konzilseröffnung störte. Rachel läßt sich durch<br />

die fl ehentliche Bitte von Eudoxie zur Zurücknahme ihrer<br />

Anschuldigung gegen Léopold überreden und erwirkt<br />

damit seine Begnadigung. Sie selbst könnte sich durch<br />

Konvertierung zum christlichen Glauben retten, aber sie<br />

46<br />

entscheidet sich für<br />

den gemeinsamen<br />

Tod mit ihrem vermeintlichen<br />

Vater.<br />

Im Augenblick ihres<br />

Todes enthüllt<br />

Éléazar Rachels<br />

wahre Identität:<br />

Sie ist de Brognis<br />

verloren geglaubte<br />

Tochter. Während<br />

Éléazar triumphierend<br />

in den Tod<br />

geht, bricht Brogni<br />

zusammen.<br />

Aufführung<br />

Die Uraufführung<br />

am 23. Februar 1835<br />

Tatiana Pechnikova (Rachel)<br />

und Chor der Staatsoper Stuttgart<br />

gilt neben Meyerbeers Robert der Teufel und Hugenotten als<br />

Geburtsstunde der Gr<strong>and</strong> Opéra. In dieser Inszenierung<br />

steht das Beziehungsgefl echt zwischen den Juden Éléazar<br />

und Rachel sowie Kardinal de Brogni auf der einen<br />

Seite und zwischen Rachel, Eudoxie und Leopold (klassische<br />

Dreiecksbeziehung) auf der <strong>and</strong>eren Seite.<br />

Dem Team Wieler/Morabito gelingt über weite Strecken<br />

eine glaubwürdige Darstellung durch die klare Zeichnung<br />

der Charaktere und ihrer inneren Gefühle. Gut gelungen<br />

ist die Darstellung des inneren Kampfes Éléazars: Er<br />

rächt sich am Ende an de Brogni, indem er Rachel und<br />

sich erschießt. Also keine Verbrennung, wie Halévy es<br />

vorgesehen hat.<br />

Der Wutanfall Rachels, als sie das doppelte Spiel Léopolds<br />

durchschaut, zeichnet das Regieteam außerordentlich<br />

gekonnt. Es ist ein Musterbeispiel von Personenregie,<br />

ebenso wie die Darstellung Léopolds als feiger<br />

Lüstling ohne Charakter und ohne Fähigkeit, konsequent<br />

zu bleiben (ihm unterläuft sogar der Fehler, während des<br />

jüdischen Passahfestes das Kreuz zu schlagen!). Als Rachel<br />

ihn vor Eudoxie zur Rede stellen will, bricht er zusammen.<br />

Etwas an den Haaren herbeigezogen ist die Darstellung<br />

eines Historienspiels: der mehrmalige Übergriff einer<br />

ganzen Stadt auf <strong>and</strong>ersartige Mitbürger, nur weil sie<br />

sonntags arbeiten, ist kaum glaubhaft und führt die Ziele<br />

dieser Oper ins Abseits.<br />

Nicht ganz so viel Glanz verbreitet die Sängerriege. Ferdin<strong>and</strong><br />

von Bothmer belegt eindrucksvoll, was passiert,<br />

wenn man die mörderische Partie des Léopold unterschätzt:<br />

Er verfügt zwar über eine sehr schöne Mittellage,<br />

jedoch die Höhen erreicht er nur mit Gewalt. Dagegen<br />

kann Chris Meritt in der „leichteren“ Partie des<br />

Éléazar glänzen: Ein Charaktertenor mit viel Volumen<br />

und Überzeugungskraft auch im dramatischen Bereich.<br />

Ebenso stürmisch gefeiert wurden zu Recht Tatiana<br />

Pechnikova als Rachel und Catriona Smith als Prinzessin


Eudoxie. Liang Li führt die Rolle des Kardinals auf eine<br />

Nebenrolle zurück.<br />

Ein weiterer Glanzpunkt des Abends ist das Orchester des<br />

Hauses unter der Leitung von Sébastien Roul<strong>and</strong>, dem es gelingt,<br />

mit viel französischem Esprit die Klangvielfalt der Musik<br />

Halévys den heutigen Hörgewohnheiten anzupassen.<br />

Fazit<br />

Ein großartiger Abend mit gemischten Leistungen. Aber<br />

es sind solche Abende, denen es gelingt, die Gr<strong>and</strong> Opéra<br />

auf die Bühnen unserer Tage zurückzubringen.<br />

Oliver Hohlbach<br />

Bild: Martin Sigmund<br />

München, Staatstheater am Gärtnerplatz<br />

I masnadieri - Die Räuber<br />

von Giuseppe Verdi, Oper in 4 Akten, Libretto: Andrea Maffei<br />

nach Die Räuber von Friedrich Schiller<br />

UA: 22. Juli 1847, Her Majesty’s Theatre, Haymarket, London<br />

Regie: Thomas Wünsch, Bühnenbild/Kostüme: Heiko Mönnich,<br />

Licht: Wiel<strong>and</strong> Müller-Haslinger; Dirigent: Henrik Nánási, Orchester,<br />

Chor, Extrachor des Staatstheaters, Choreinstudierung: Hans-<br />

Joachim Willrich; Solisten: Guido Jentjens (Massimiliano), Zurab<br />

Zurabaishvili (Carlo), Mikael Babajanyan (Francesco), Elaine Ortiz<br />

Ar<strong>and</strong>es (Amalia), Adrian Xhema (Arminio) u.a.<br />

Besuchte Aufführung: 15.3.2008 (Premiere)<br />

Kurzinhalt<br />

Carlo, Sohn des Grafen Massimiliano<br />

Moor, ist des Lebens in der Räuberb<strong>and</strong>e,<br />

der er sich angeschlossen<br />

hat, überdrüssig. Er will an den Hof<br />

des Vaters und zu seiner Geliebten<br />

Amalia zurück. Als er einen Brief erhält,<br />

in dem ihn sein Vater verstößt,<br />

verwirft er diesen Gedanken und<br />

läßt sich zum Anführer der Räuber<br />

ernennen. In Wahrheit stammt der<br />

Brief jedoch von seinem machtgierigen<br />

Bruder Francesco, der sich an<br />

seinem bevorzugten Bruder rächen<br />

will. Seinem Vater und Amalia erzählt<br />

Francesco, daß Carlo gefallen<br />

sei, woraufhin der alte Graf Massimiliano<br />

tot zusammenbricht. Als<br />

Amalia an dessen Grab betet, gesteht<br />

ihr Francescos Diener Arminio,<br />

daß sowohl der Graf, als auch<br />

ihr Geliebter Carlo am Leben seien.<br />

Sie weist den werbenden Francesco<br />

zurück und fl ieht. Im Wald trifft sie<br />

zufällig auf Carlo. Als dieser erfährt, was<br />

geschehen ist, will er sich an seinem Bruder rächen,<br />

verschweigt das aber Amalia. Seine Räuberb<strong>and</strong>e soll<br />

nach Francesco suchen. Doch dieser kann ihnen entkommen.<br />

Statt Francesco schleppen sie Amalia herbei.<br />

Um ihr ein Leben in Sch<strong>and</strong>e zu ersparen, ersticht Carlo seine<br />

Geliebte. Danach verläßt er die Räuber, um sich zu stellen.<br />

Elaine Ortiz Ar<strong>and</strong>es (Amalia)<br />

47<br />

Aufführung<br />

Für die Münchner Erstaufführung der selten gespielten<br />

Oper holte Intendant Peters erstmals mehrere Gastsolisten<br />

ans Gärtnerplatztheater, was sich ebenso als Glücksgriff<br />

herausstellt wie die Aufführung in italienischer Originalsprache.<br />

Das Regieteam um den Verdi-erfahrenen<br />

Thomas Wünsch siedelt die H<strong>and</strong>lung in den kaputten<br />

Stahlträgern eines Wolkenkratzers im Jahr 2056 an. Dieser<br />

Wolkenkratzer stellt, zusammen mit einigen Fragmenten<br />

der Freiheitsstatue, das Einheitsbühnenbild dar.<br />

Die Ruine auf der Bühne ist gleichzeitig Sinnbild für den<br />

zerrütteten Zust<strong>and</strong> der Gesellschaft in Verdis Oper –<br />

eine Idee, die sich nicht unbedingt aufdrängt, den Kern<br />

der Oper jedoch stimmig darzustellen vermag.<br />

Wünsch gelingen so mit einfachen Mitteln viele starke<br />

Bilder. Gekonnt auch die Personenführung: selbst in den<br />

großen Massenszenen kommt es durch die geschickte, aber<br />

dennoch nie übertriebene Choreographie nicht zu einem<br />

oratorienhaften Stehtheater, wie es bei Verdi-Aufführungen<br />

allzu oft zu beobachten ist. Henrik Nánási und das Gärtnerplatzorchester<br />

lieferten dazu dramatischen, energiegeladenen,<br />

wenngleich bisweilen sehr lauten Verdi-Sound aus<br />

dem Graben.<br />

Von den Sängern erbrachte Mikael Babajanyan das stimmigste<br />

Rollenportrait. Mit kernigem<br />

Bariton und großartigen darstellerischen<br />

Fähigkeiten war er ein idealer<br />

Francesco. Überzeugend auch der<br />

noble Baß des Bayreuth-erfahrenen<br />

Guido Jentjens und der Carlo von<br />

Zurab Zurabaishvili, dessen Timbre<br />

ungemein an Neil Shicoff erinnert.<br />

Einziger Wermutstropfen bei Zurabaishvili<br />

waren einige Intonationsprobleme,<br />

vor allem im großen<br />

Duett mit Amalia. Ensemblemitglied<br />

Elaine Ortiz Ar<strong>and</strong>es hat einen<br />

schweren St<strong>and</strong> gegen die hervorragenden<br />

Gäste und stößt in der<br />

Partie der Amalia mit fl ackernder<br />

Stimme an ihre Grenzen. Ihr Gestaltungswille<br />

und die scheinbar unendliche<br />

Klangfarbenpalette ließen<br />

den Abend trotzdem auch für sie zu<br />

einem Erfolg werden. Die Nebenrollen<br />

waren sehr gut aus dem Ensemble<br />

besetzt. Großer Beifall für<br />

alle Beteiligten!<br />

Fazit<br />

Es muß nicht immer die große Staatsoper in München<br />

sein! Wie der Abend am Gärtnerplatztheater zeigt, gibt<br />

es auch an kleineren Häusern große Oper!<br />

Ch. Lang<br />

Bild: Staatsoper am Gärtnerplatz, München


The Art of Christa Ludwig<br />

Der Sängerin Christa Ludwig ist ein Sampler mit fünf<br />

CDs gewidmet, vier davon spiegeln das breite Repertoire<br />

der großen Liedsängerin. Schubert, Schumann und<br />

Brahms bilden den Schwerpunkt, daneben sind Hugo<br />

Wolf, Gustav Mahler, Richard Strauss, Richard Wagner,<br />

Maurice Ravel und <strong>and</strong>ere Komponisten vertreten. Unterstützt<br />

wird Christa Ludwig von den beiden hervorragenden<br />

Liedbegleitern Gerald Moore und Geoffrey Parsons.<br />

In den Schubert- und Schumann-Liedern kommt mir<br />

ihre Musizierweise ein wenig behäbig und betulich vor,<br />

diese Lieder habe ich schon wesentlich lebhafter, aufregender<br />

gehört, auch von Sängern ihrer Zeit wie beispielsweise<br />

ihrem großen Vorbild Irmgard Seefried oder<br />

von Dietrich Fischer-Dieskau.<br />

Die zweite Hälfte der vierten CD und die ganze fünfte CD<br />

portraitieren die Oratorien- und Opernsängerin – hier ist je<br />

eine Arie aus den Bach-Passionen vertreten, ein kurzer Teil<br />

aus dem Verdi-Requiem und Szenen aus Norma (Bellini),<br />

Carmen (Bizet), Tristan und Isolde (Wagner), Rosenkavalier<br />

(R. Strauss) und aus der legendären Don Giovanni-<br />

Einspielung mit Otto Klemperer. Gesungen wird teils in<br />

deutscher, teils in italienischer Sprache. Heute hört man vor<br />

allem die Opern einfach <strong>and</strong>ers – man denke an die Don<br />

Giovanni-Aufnahme mit René Jacobs – trotzdem ist diese<br />

umfangreiche Zusammenstellung eine gelungene Hommage<br />

an die Sängerin und ein echter Genuß. Ein kleiner<br />

Wermutstropfen ist der Klang, der trotz Digitalisierung teilweise<br />

ein wenig fl ach wirkt.<br />

Ebenfalls eine gelungene Hommage ist der Artikel von<br />

Gottfried Klaus im Booklet, dessen Titel für sich spricht:<br />

Im Universum des Gesangs.<br />

Neue CDs<br />

The beautiful voice<br />

of Christa Ludwig,<br />

mit Werken von<br />

Brahms, Mahler,<br />

Schumann, Schubert,<br />

Strauss, Wagner<br />

Label:<br />

EMI Classics<br />

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von Opernsängern bzw. Sängerinnen.<br />

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Hubert Sieben, Tel. + Fax: 0221-8800956<br />

D. Riesenkönig<br />

48<br />

Herbert von Karajan – the legend<br />

Aufnahmen<br />

mit den<br />

Berliner<br />

Philharmonikern<br />

Label:<br />

EMI Classics<br />

Runde Geburtstage sind ein beliebter Anlaß, den Verkauf<br />

von CDs anzukurbeln. Zwar h<strong>and</strong>elt es sich dabei<br />

naturgemäß meist nur um eine Neuaufl age vorh<strong>and</strong>ener<br />

Aufnahmen, aber genau darin liegt auch ein eigener<br />

Reiz, nämlich die damalige und die heutige Musizierweise<br />

zu vergleichen.<br />

Herbert von Karajan wäre 2008 einhundert Jahre alt geworden,<br />

Christa Ludwig wird achtzig, was liegt näher,<br />

als von diesen großen Musikern einen Querschnitt ihres<br />

Schaffens zu veröffentlichen?<br />

Das Album Herbert von Karajan – the legend besteht aus 2<br />

CDs mit Stücken, die Karajan in der Zeit von 1971 bis<br />

1981 eingespielt hat und beinhaltet Werke von Mozart<br />

(gest. 1791) bis Sibelius (gest. 1957) – Programmmusik,<br />

Opern- und Operettenpartien sowie einzelne Sätze von<br />

Sinfonien.<br />

Vergeblich habe ich nach einem Leitgedanken oder roten<br />

Faden in der Anordnung der Stücke gesucht, schließlich<br />

ist eine Legende eine gewachsene Geschichte, die sich<br />

entwickelt hat, aber vielleicht soll dieser Anspruch auch<br />

gar nicht bedient werden.<br />

Wer kauft sich eine solche CD? Möglicherweise Musikfreunde,<br />

die sich ihr Lieblingsstück mal anhören wollen,<br />

aber eben keine ganze Sinfonie, sondern nur beispielsweise<br />

den letzten Satz aus Dvoraks Sinfonie aus der Neuen<br />

Welt oder Smetanas Moldau, oder die beim Autofahren<br />

nette Musik hören wollen, und genau dafür ist diese Zusammenstellung<br />

ideal.<br />

Ein dreisprachiges Booklet bringt eine Kurzbiographie<br />

des Dirigenten, einige Fotos und ein paar informative<br />

Zeilen über jedes eingespielte Stück.<br />

D. Riesenkönig


Sergej Prokofi ew (1891-1953)<br />

Peter und der Wolf<br />

Romy Schneider,<br />

Herbert<br />

von Karajan<br />

Label:<br />

EMI Classics<br />

Ein wahres Kleinod ist die Einspielung von Peter und der<br />

Wolf mit der noch sehr jungen Romy Schneider als Sprecherin.<br />

Meist wird dieses Märchen von einer eher tieferen<br />

Männerstimme erzählt, so z.B. in der ebenfalls legendären<br />

Aufnahme mit Mathias Wiemann und den Berliner<br />

Philharmonikern unter Fritz Lehmann, die auch eine<br />

meiner ersten Schallplatten in den fünfziger Jahren war.<br />

Um so erstaunter war ich, als ich las, daß die Uraufführung<br />

mit Natalia Saz stattf<strong>and</strong> – sie war künstlerische Lei-<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)<br />

Jugendwerke<br />

Gew<strong>and</strong>haus Chor<br />

Mendelssohn-<br />

Orchester Leipzig<br />

Leitung:<br />

Gregor Meyer<br />

Label:<br />

GENUIN<br />

Musikproduktion<br />

Leipzig<br />

Ein junges Orchester – gegründet 1999 mit Absolventen<br />

der Hochschule für Musik und Theater Leipzig –<br />

der traditionsreiche Gew<strong>and</strong>hauschor sowie vier junge<br />

Solisten, die alle ihr H<strong>and</strong>werk bei namhaften Sängerpersönlichkeiten<br />

gelernt haben, widmen sich den frühen<br />

Werken des Komponisten, der ab 1835 wesentlich dazu<br />

beitrug, die Stadt zu einem bedeutenden Musikzentrum<br />

in Europa zu machen.<br />

Die eingespielten Werke entst<strong>and</strong>en jedoch lange vor<br />

Mendelssohns Leipziger Zeit von 1821 bis 1830, also<br />

im Alter von 12 – 21 Jahren! Mendelssohn war seit 1821<br />

Mitglied der Berliner Singakademie, sein Kompositionslehrer<br />

war Friedrich Zelter.<br />

49<br />

terin des Moskauer Zentralen Kindertheaters und wollte<br />

Kinder mit den Instrumenten des Orchesters vertraut<br />

machen. Auf ihre Initiative schrieb Prokofi ew Text und<br />

Musik und brachte das Stück am 2. Mai 1936 zur Uraufführung.<br />

Die Aufnahme Karajan/Romy Schneider ist in den Jahren<br />

1956/57 entst<strong>and</strong>en, Romy Schneider war damals 19 Jahre<br />

alt und kurz vor den Dreharbeiten zum dritten Sissi-Film.<br />

Mit mädchenhafter Stimme erzählt sie frisch, unbekümmert<br />

und doch spannend die Geschichte von Peter, der<br />

den großen grauen Wolf fängt. Was mag Herbert von<br />

Karajan bewogen haben, diese Schauspielerin als Sprecherin<br />

zu wählen? – Das Booklet, das Romy Schneiders<br />

Leben aufrollt, läßt uns darüber im unklaren.<br />

Wohl eher als Füllsel ist der Anhang von Tschaikowskis<br />

Ballettsuite Der Nußknacker zu verstehen, eine ordentliche,<br />

aber nicht spektakuläre Aufnahme.<br />

Ausgesprochen liebenswert ist das Booklet gestaltet: In<br />

die Bilder der beiden Künstler sind durch Computeranimation<br />

die Bilder der h<strong>and</strong>elnden Tiere eingebaut worden,<br />

selbst die CD schmückt ein silberner Wolf!<br />

D. Riesenkönig<br />

Die Auswahl der frühen Werke zeigt sowohl die musikalische<br />

Phantasie als auch das erstaunliche h<strong>and</strong>werkliche<br />

Können des jungen Komponisten. Beeindruckend<br />

ist vor allem das fast halbstündige Magnifi cat des Dreizehnjährigen.<br />

Ein lebhafter Eingangschor mit großem<br />

Orchester gestaltet den freudigen Text bildhaft genau,<br />

die weiteren Abschnitte werden teils solistisch, teils als<br />

Chorfuge, nur von Streichern begleitet durchgeführt,<br />

um wieder in großen Orchester- und Chorsätzen zu<br />

münden.<br />

Chor, Orchester und Solisten werden den Anforderungen<br />

der Werke in höchstem Maße gerecht. Chor- und<br />

Orchesterklang sind ausgeglichen und gut aufein<strong>and</strong>er<br />

abgestimmt, der a-cappella-Gesang im Kyrie c-moll und in<br />

der Choralbearbeitung Mitten wir im Leben sind ist absolut<br />

sauber intoniert. Mendelssohn selber bezeichnete diesen<br />

Choral in einem Brief an seine Familie als eins der besten<br />

Kirchenstücke, die ich gemacht habe.<br />

Meiner Einschätzung nach verdienen es die unbekannten<br />

frühen Chorwerke unbedingt, in Kirchenkonzerten<br />

zur Aufführung zu kommen. Vielleicht trägt diese CD<br />

dazu bei, daß Chorsänger und vor allem Chorleiter sie<br />

entdecken und sich dafür begeistern.<br />

D. Riesenkönig


Johannes Brahms (1833-1897)<br />

Sinfonie Nr. 1<br />

Sinfonie Nr. 3<br />

Dresdener<br />

Philharmonie,<br />

Rafael Frühbeck<br />

de Burg<br />

Label:<br />

Genuin Musikproduktion,<br />

Leipzig<br />

Rafael Frühbeck de Burgos ist seit 2004 / 05 Chefdirigent<br />

der Dresdener Philharmonie, einem Konzertorchester,<br />

das 1870 gegründet wurde und seitdem das Dresdener<br />

Kulturleben wesentlich prägt. Die vorliegende Aufnahme<br />

der 1. und 3. Sinfonie von Johannes Brahms wurde<br />

2007 in der Lukaskirche Dresden aufgenommen.<br />

An seiner ersten Sinfonie hat Brahms mehr als 15 Jahre<br />

gearbeitet, immer im Bewußtsein, an Beethovens sinfonischen<br />

Werken gemessen zu werden. Der Dirigent<br />

Hans von Bülow nannte sie kurzerh<strong>and</strong> Die Zehnte von<br />

Beethoven, obwohl zwischen der Entstehung von Beethovens<br />

letzter Sinfonie (1822 – 24) und der Uraufführung<br />

Édouard Lalo (1823-1892) - Symphonie Espagnole<br />

Johannes Brahms (1833-1897) - Violin-Konzert<br />

Nathan Milstein<br />

Orchestre<br />

National de Paris<br />

Leitung:<br />

André Cluytens<br />

NDR-<br />

Sinfonieorchester<br />

Leitung:<br />

Paul Klecki<br />

Label: Claves<br />

Trotz der Bezeichnung Symphonie h<strong>and</strong>elt es sich bei<br />

der Symphonie espagnole um ein Violinkonzert.<br />

Nathan Milstein, der nach eigener Aussage Geige lernte,<br />

damit er die Nachbarskinder nicht verprügelte, interpretiert<br />

das durch spanisches Kolorit geprägte Werk mit<br />

großer Spielfreude virtuos und ausdrucksstark. Dabei<br />

sind Orchester und Dirigent adäquate Partner. Besonders<br />

beeindruckend ist das Scherz<strong>and</strong>o, das durch seine<br />

tänzerischen Elemente gefällt. Der letzte Satz, ein Rondo,<br />

endet mit einem akrobatischen Violinsolo, ehe er in<br />

den Schlußakkord mündet. Hier zeigt sich das besondere<br />

Können des Solisten, das durch lautstarken Beifall<br />

belohnt wird.<br />

50<br />

von Brahms erster Sinfonie (1876) immerhin ein halbes<br />

Jahrhundert liegt.<br />

Diese Sinfonie ist geprägt durch einen Sommeraufenthalt<br />

auf Rügen 1876 – wohl deshalb taucht sie auch so<br />

oft als Hintergrundmusik in Filmen auf, die mit Rügen<br />

zu tun haben.<br />

Auch die dritte Sinfonie, der von Anfang an großer<br />

Erfolg beschieden war, konnte die Selbstzweifel von<br />

Brahms, noch immer im Schatten Beethovens zu stehen,<br />

zunächst nicht mildern.<br />

Beide Sinfonien werden sehr ansprechend wiedergegeben.<br />

Die Instrumentengruppen sind dynamisch geführt<br />

und gut durchhörbar. Besonders im letzten Satz<br />

der Ersten führt der Dirigent seine Musiker in einem<br />

großartigen Spannungsbogen zum strahlenden C-Dur<br />

– Finale. Das kann tatsächlich Bilder von Kreidefelsen,<br />

Meer und wogenden Rapsfeldern hervorrufen!<br />

Die Gestaltung des Covers gefällt mir besonders gut: ein<br />

grau in grau gehaltenes stilisiertes Eichenblatt, das vielleicht<br />

mit der Arndt – Eiche zu assoziieren ist, die dieser<br />

aus Rügen in Bonn pfl anzen ließ – sie steht heute noch<br />

als stattlicher Baum auf dem dortigen Alten Friedhof.<br />

D. Riesenkönig<br />

Brahms Violinkonzert d-moll gehört zu den großen<br />

„D“ neben Beethoven und Tschaikowski. Wegen seiner<br />

für die damalige Zeit hohen technischen Anforderungen<br />

wurde es zunächst nicht sehr schnell bekannt. Heute<br />

gehört es zum festen Repertoire jedes konzertierenden<br />

Geigers. Obwohl d-moll tituliert, beginnt das Konzert<br />

mit einer strahlenden Orchestereinleitung in Dur. Erst<br />

das zweite Thema, das sofort von der Sologeige aufgegriffen<br />

wird, bringt die Molltonart ein. Beide Themen<br />

werden im Folgenden von Orchester und Geige verarbeitet.<br />

Milstein und das NDR-Sinfonieorchester unter<br />

Paul Klecki musizieren in diesem 1960 entst<strong>and</strong>enen<br />

Konzertmitschnitt so mitreißend, dass schon nach dem<br />

ersten Satz Beifall auffl ackert. Auch die folgenden Sätze<br />

lassen keine Wünsche offen. Selbst die gelegentlich hörbaren<br />

Nebengeräusche aus dem Publikum wirken kaum<br />

störend. Sie gehören zu solch einem Konzerterlebnis<br />

dazu und vermitteln die Spannung der Momentaufnahme<br />

im Gegensatz zu einer sterilen und perfektionierten<br />

Studioaufnahme.<br />

Erwähnt sei noch ein dreisprachiger Text im Booklet,<br />

der ein interessantes Bild der Persönlichkeit Nathan Milstein<br />

zeichnet.<br />

D. Riesenkönig


Robert Schumann (1810-1856)<br />

Späte Klavierwerke<br />

Tobias Koch, Pianoforte<br />

von Krems,<br />

Düsseldorf<br />

GENUIN<br />

Musikproduktion<br />

Leipzig 2007<br />

Vielen Kennern der Schumannschen Klavierwerke<br />

sind wohl die hier auf der CD gespielten Werke kaum<br />

bekannt. Aber sie sind hörenswert! Man sagt ja jovial:<br />

Schumann kam als Genie auf die Welt und endete als Talent.<br />

Bei diesen Klavierwerken ist diese sarkastische Bemerkung<br />

kaum nachzuvollziehen. Es ist eine dynamisch,<br />

energiegeladene Musik, die besonders in den Fantasiestücken<br />

Op. 111 deutlich wird. Vielleicht ist es aber auch<br />

Ludwig van Beethoven (1770-1827)<br />

Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur<br />

Mikhail Pletnev,<br />

Piano<br />

Russian National<br />

Orchestra<br />

Leitung:<br />

Christian Gansch<br />

Label:<br />

Deutsche<br />

Grammophon<br />

Gesellschaft<br />

Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur ist sehr<br />

häufi g im Konzertsaal oder im Rundfunk zu hören. Es<br />

ist eingängig und doch spannungsvoll, virtuos und gefühlvoll,<br />

man kann es eigentlich immer hören. Um so<br />

mehr wünsche ich mir bei einer CD-Einspielung den<br />

Aufhorch-Effekt so habe ich das noch nie gehört. Genau das<br />

ist Mikhail Pletnev (Jahrgang 1957) gelungen. Mit dem<br />

Russian National Orchestra, das er 1990 als erstes vom<br />

Staat unabhängiges Orchester gründete, spielte er alle<br />

Klavierkonzerte von Beethoven ein, zuletzt das Es-Dur-<br />

Konzert als Mitschnitt vom Bonner Beethovenfest 2006.<br />

Die langsame Hinführung zum mehrmals wiederkehrenden<br />

Hauptthema im ersten Satz krönt Pletnev mit einer<br />

minimalen Tempoverzögerung. Dadurch entsteht ein<br />

Atemanhalten, dann das erleichterte Wiedererkennen –<br />

da ist sie wieder, diese wunderbar einfache Melodie. Dies<br />

alles ist wohldosiert, ohne Effekthascherei. Möglicherweise<br />

hat Beethoven das 5. Klavierkonzert geschrieben,<br />

51<br />

der starke, voluminöse, im Baß – auch bei Terzenläufen –<br />

immer klare Klavierton, der dafür verantwortlich ist. Im<br />

ausgezeichnet informativen Booklet kann man über die<br />

im 19. Jh. berühmte und gefragte Klavierfabrik Krems<br />

aus Düsseldorf nachlesen. Auf einem solchen Instrument<br />

spielt der stupend musikalische Tobias Koch die<br />

späten Klavierwerke Schumanns mit einer Energie und<br />

einem Einfühlungsvermögen, womit er viele Pianisten,<br />

die man auf den großen Konzertpodien sonst antrifft, in<br />

den Schatten stellt. Man merkt ihm bei seinem Spiel an,<br />

daß er sich intensiv mit der Klaviertechnik des Krems-<br />

Flügels ausein<strong>and</strong>ergesetzt hat. Und das ist die eigentliche<br />

Faszination dieser CD neben den beeindruckenden<br />

Schumannschen Kompositionen: der ungewohnte Klang<br />

des Krems-Flügels. Was muß das doch für eine abwechslungsreiche<br />

Hörerfahrung im 19. Jahrhundert gewesen<br />

sein, diese vielen unterschiedlich gestimmten Flügel mit<br />

ihren z.T. herben, auch rauen und sanften Charakteren.<br />

Jedenfalls war die Klavierwelt bunter als heute, wo jeder<br />

Flügel in jedem L<strong>and</strong> der Welt ununterscheidbar ähnlich<br />

klingt. Aber wir sind es ja nicht <strong>and</strong>ers gewohnt als<br />

Gleichheit überall.<br />

um seine eigenen Fähigkeiten als Pianist und Improvisator<br />

herauszustellen. Pletnev legt großen Wert auf die<br />

Lebendigkeit der Interpretation, er will nicht ehrfurchtsvoll<br />

vor dem Denkmal Beethoven stehen sondern, Beethovens<br />

Inspiration mit Spontaneität erfassen. Diese Idee<br />

spürt man durchgängig in der gesamten Einspielung.<br />

Bei einem Konzertmitschnitt gibt es keine Korrekturmöglichkeiten,<br />

es zählt die Tagesform. Hier waren alle<br />

Mitwirkenden in Bestform, was durch den stürmisch<br />

aufbrausenden Beifall nach dem Schlußakkord dokumentiert<br />

ist.<br />

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O. Zenner<br />

D. Riesenkönig


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Impressum<br />

Operapoint, unabhängige, publikumsnahe Zeitschrift für Oper und Konzert; ISSN 1864-4023<br />

Zugleich: Organ des Vereins zur Pfl ege klassischer Musik durch Musikliebhaber e.V., Köln<br />

Anschrift der Redaktion: Schwabenstraße 3, 50996 Köln. Tel: 0221 - 35 39 44, Fax: 0221 - 39 67 14<br />

Herausgeber und Chefredakteur: Dr. Olaf Zenner<br />

Operapoint erscheint vierteljährlich, Einzelpreis 4,80 Euro, im Jahresabonnement 20 Euro, inkl. Vers<strong>and</strong>kosten, Ausl<strong>and</strong> auf Anfrage<br />

Copyright für alle Beiträge beim Herausgeber. Nachdruck, auch auszugsweise, Aufnahme in Online-Dienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie<br />

CD-ROM etc. nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. In Fällen höherer Gewalt kein Anspruch auf Lieferung oder Rückzahlung des Bezugspreises.<br />

Internet: http://www.operapoint.de; e-mail: verein@operapoint.de<br />

Graphik und Gestaltung: Klaus Goergens und Dr. Olaf Zenner<br />

Druck: cede Druck GmbH, Köln

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