<strong>COLUMBA</strong> Das Palliativ-Portal Magazin Das Palliativ-Portal im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner Palliative Care und Politik Von Yvonne Dauer Frau Zeulner, als Mitglied des Gesundheitsausschusses haben Sie die geplanten Verbesserungen der Hospiz- und Palliativversorgung mitgestaltet. Auf welchem Wege sind Sie erstmals mit dieser Thematik in Berührung gekommen und was hat Sie dazu bewogen, derart viel Energie und Zeit in eben diese zu investieren? Ich habe selbst in der Familie erlebt, wie wichtig eine gute Versorgung und eine professionelle Begleitung am Lebensende sind. Zudem habe ich während des Studiums in der Sozialstiftung Bamberg gearbeitet und konnte auf der Palliativstation im Bereich der Verwaltung wertvolle Erfahrungen sammeln, die mich ebenfalls geprägt haben. Wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet, so verlangt dies seinen Angehörigen psychisch und emotional unglaublich viel ab. Deswegen verdient der Betroffene mit seiner Familie eine besondere Unterstützung. Was verstehen Sie, fern von abstrakten Begrifflichkeiten, die immer wieder auftauchen, unter einer ‚guten‘ Palliativversorgung? Der Patient und seine Familie sollten zu jeder Tages- und Nachtzeit unterstützt werden, damit ihnen vor allem in Krisenzeiten jemand beistehen kann. Diese Unterstützung sollte unabhängig vom Wohnort gewährleistet sein und medizinische, pflegerische und seelsorgerische Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigen. Foto: Paul Blau Ist diese Vorstellung in den letzten Jahren ein Stück realer geworden? Ja, wir kommen dieser Vorstellung immer näher. Seit wir 2007 die SAPV gesetzlich verankert haben, haben wir diese Errungenschaft stetig und auf hohem Niveau in die Fläche getragen. Auch gibt es deutlich mehr Hospize und Palliativstationen als noch vor einigen Jahren. Das Palliativgesetz stellt weitere Weichen, damit die palliative wie auch die hospiz liche Versorgung die Menschen überall dort erreicht, wo sie ihre letzten Tage verbringen. Die positiven Auswirkungen der mit dem Hospizgesetz beschlossenen Maßnahmen werden sich voll umfänglich in einigen Jahren bemerkbar machen. Durften Sie das bereits ‚live‘ erleben? Das heißt, konnten Sie sich selbst von den verbesserten Bedingungen auf Palliativstationen, in Hospizeinrichtungen, Pflegeheimen oder im Bereich der ambulanten Palliativversorgung überzeugen? Ja, wir konnten erreichen, dass meine Heimat Oberfranken quasi flächendeckend mit SAPV versorgt wird. Die Verhandlungen, um die letzten verbliebenen weißen Flecken zu schließen, laufen gerade. In meiner Funktion als Berichterstatterin für Hospiz- und Palliativversorgung für die Unionsfraktion besuche ich regelmäßig Hospize und Palliativstationen, auch in Pflegeheimen bin ich regelmäßig, um mir ein Bild von der Situation zu machen. Für mich ist es ganz wichtig, zu wissen, wie es vor Ort aussieht: Kommen die Maßnahmen, die wir in Berlin beschließen, auch wirklich in der Versorgung an? Wo müssen wir noch nachbessern? Woran hakt es möglicherweise? Dazu stehe ich in engem Austausch mit Fachleuten aus dem Bereich der Palliative Care. Was sind die nächsten Schritte in dieser Richtung, die Ihrer Meinung nach unbedingt eingeleitet werden sollten? Wir müssen eine noch bessere Vernetzung zwischen den Sektoren erreichen, damit überall niedrigschwellige Versorgungsangebote vorhanden sind. Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz gehen wir wichtige Schritte in diese Richtung: Zum einen tragen wir den Hospiz-Gedanken verstärkt in die Pflegeheime. Nachdem für jeden Zweiten das Krankenhaus der Sterbeort ist und nur 15 Prozent der Krankenhäuser über eine Palliativstation verfügen, haben wir mit dem Gesetz die Einführung von multiprofessionellen Palliativdiensten beschlossen. Dafür habe ich mich mit Nachdruck stark gemacht. Kleine Krankenhäuser können den Dienst auch über Kooperationen organisieren. Dies sind nur zwei Beispiele für die umfangreichen Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben. Sehr häufig wird angeführt, dass eine optimierte Palliativversorgung auch signifikanten Einfluss auf die Menschen hat, die den Tod der, manchmal ungewiss langen, Phase der Krankheit, des Sterbens vorziehen. Für wie allgemeingültig halten Sie dieses Argument? Tatsächlich zeigt eine Studie aus dem Jahr 2012, dass hinter einem vermeintlichen Sterbewunsch oftmals der Wunsch steht, die Kontrolle über das eigene Leben zu erhalten. Palliative Behandlung kann erwiesenermaßen die Angst vor einem leidvollen Sterben lindern, denn sie lindert nicht nur Schmerzen, sondern betreut den Patienten auch pflegerisch und psychologisch-seelsorgerisch. Dennoch wird es immer Einzelfälle geben, in denen auch die Palliativmedizin einen Sterbewunsch nicht nehmen kann. Wo sehen Sie die Grenzen von Palliative Care? Palliative Care stellt für mich vor allem eine Haltung gegenüber unseren Mitmenschen dar, Grenzen treten nur im medizinischen Bereich auf. Doch Palliative Care bedeutet diese Grenzen zu respektieren und – unter Berücksichtigung des Wunsches des Patienten – sie nicht unbedingt auszureizen. Unnötige Behandlungen können vermieden, Schmerzen gelindert werden. Trotzdem gibt es Einzelfälle, bei denen die Qualen der Patienten auch mit den Mitteln der Palliativmedizin nicht vollständig gelindert werden können. In solchen Fällen kommt eine palliative Sedierung infrage, mit deren Hilfe die Patienten in einen Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt werden. Das Ziel der Palliativversorgung ist es, dem Sterbenden beizustehen und ihm größtmögliche Erleichterung zu verschaffen. So konkret sich „Tod“ und „Sterben“ einerseits definieren lassen, so schwer greifbar und unendlich persönlich sind diese Ereignisse und Prozesse andererseits. An diesem Punkt wird der Einzelne nicht nur mit einer medizinischen Faktenlage konfrontiert, sondern immer auch mit philosophischen oder spirituellen Fragen. Wie sehr beeinflussen derlei Aspekte Überlegungen zu zunächst theoretischen und rationalen Gesetzesentwürfen? Ist es überhaupt möglich, solch per se private und individuelle Grenzsituationen zu ‚verwalten‘? Wir als Politiker können zwar nicht jedem Einzelnen die passenden Antworten vorgeben. Wir können jedoch die notwendigen Angebote bereitstellen, damit sich jeder individuell mit seiner Spiritualität aufgehoben fühlt und diese ausleben kann. Dadurch, dass beispielsweise die Palliativteams multiprofessionell aufgestellt sind, das heißt auch seelsorgerische Begleitung anbieten, geben wir eine Antwort auf diese Frage. Wie Sie so passend sagen: Es ist ein unendlich persönlicher Prozess und es lassen sich keine pauschalen Aussagen und Vorkehrungen treffen, welche spirituelle oder philosophische Begleitung der Einzelne be- 6 Palliative Care und Politik 7