Juwelierkunst Booklet
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Wirklich? Made in Germany? Würde es sich nicht vielmehr lohnen die großen Häuser Frankreichs<br />
zu besprechen?<br />
Der spießige, ernste Deutsche mit Sinn für Technik und allenfalls in der Ingenieurskunst bewandert,<br />
soll schöne und unnütze Dinge kreieren?<br />
Nun, wir sind auch ein Volk der Dichter und Denker, wenn wir beim Klischee bleiben wollen, warum<br />
also nicht auch der Kreativität und mit Sinn für Schönheit?<br />
Ja und nein: Schön soll es sein, aber praktisch muss es auch sein. Kreativ und edel soll es sein,<br />
aber bitte nicht zu viel Schnickschnack.<br />
Und genau darin liegt unsere Stärke: Mit oft bescheidenen Mitteln, aber herausragender Perfektion<br />
des Handwerks wurde und wird Außergewöhnliches kreiert.<br />
Doch der Reihe nach!<br />
Der preußische Hof, geprägt durch protestantisch-calvinistische Nüchternheit, die Monarchen eher<br />
dem Militär denn Schöngeistigem zugetan, ist ein Paradebeispiel für die „deutschen Tugenden“:<br />
Fleiß, Bescheidenheit, Sparsamkeit, Gewissenhaftigkeit und Ordnung. Im Zuge der napoleonischen<br />
Kriege forderte Prinzessin Marianne von Preußen den Hofstaat auf Gold, Silber und Juwelen für die<br />
Kriegskasse zu geben, als Gegenleistung erhielten die Patrioten eine kleine Nadel mit dem<br />
Schriftzug „Gold gab ich für Eisen“. Davon inspiriert fertigten findige Eisengießereien alle Arten von<br />
Schmuckstücken, ja ganze Paruren – die bald als „Berliner Eisen“ große Verbreitung fanden und<br />
nicht nur die preußischen Damen schmückten. Die besten Stücke in unnachahmlicher Perfektion<br />
stammten aus der Manufaktur in Gleiwitz und wurden erfolgreich vermarktet vom Juwelier Geis aus<br />
Berlin.<br />
Diese Schmuckstücke sind von hohem sammlerischen Wert, besonders wenn die filigranen Details<br />
gut erhalten sind. Und was einst die Damen Preußens zierte, trug Nicole Kidman in Cannes: Berliner<br />
Eisen – perfektes deutsches Understatement!<br />
Die folgende Epoche, nach der Neuordnung Europas nannte man bezeichnender-weise<br />
„Biedermeier“ – Kleinbürgerlichkeit und Spießigkeit wurden zum Kult der Zeit erhoben. Nicht<br />
Repräsentation sondern Häuslichkeit war en Vogue. Auch in dieser Zeit war opulenter Schmuck<br />
verpönt, dennoch gab es auch im Biedermeier gestalterische Besonderheiten.<br />
Der Erfindungsreichtum deutscher Goldschmiede offenbart sich in dieser Epoche durch das<br />
Schaumgold: hauchdünn gewalztes Gold wurde in eine dreidimensionale Form gepresst, es<br />
entstand ein dekoratives Schmuckstück von außerordentlicher Leichtigkeit, sehr dekorativ und<br />
gleichzeitig sparsam. In ganz besonderen Fällen wurden auch Perlen und Edelsteine mit verarbeitet.