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Luzern

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Ratione, quo vadis?<br />

Text: Maximilian Marti<br />

Im Herbst 2015 wurde ruchbar, dass die<br />

Fachklasse Grafik, ein Angebot des Kantons<br />

<strong>Luzern</strong>, der Sparsamkeit geopfert und<br />

geschlossen werden soll. Viele glaubten,<br />

sich verhört zu haben; wo doch Geld vorhanden<br />

ist, um damit die halbe Welt zu beglücken,<br />

soll es nicht mehr dazu reichen,<br />

Wissen an kommende Generationen weiterzugeben?<br />

Das Knowhow, auf dem unser<br />

Wohlstand aufgebaut ist, soll mangels<br />

politischer Weitsicht kläglich verkümmern?<br />

Andere vermuteten, ein Themenentwurf<br />

für die nächste Fasnachtszeitung sei vorzeitig<br />

entwichen, verwarfen aber die Idee<br />

hurtig wieder weil undenkbar ist, dass man<br />

als <strong>Luzern</strong>er mit solch ernsten Themen<br />

Spässe treibt. Einige schrieben die Nachricht<br />

einem Studenten-Ulk zu. Aber nein,<br />

wurden sie vom Lehrkörper schnellstens<br />

belehrt, der Angriff komme aus der politischen<br />

Ecke, aus dem eigenen Regierungsgebäude.<br />

Dann stand in der Presse:<br />

Aktuell: <strong>Luzern</strong> will die Fachklasse<br />

Grafik wegsparen<br />

Emil Steinberger, Absolvent der Fachklasse Grafik<br />

Jetzt war der Teufel los! Landauf landab<br />

wurde Unwille laut. Beim Schweizer Grafiker<br />

Verband liefen die Telefone heiss. Die<br />

Mailboxen überquollen mit der allgemeinen<br />

Empörung um die Wette. Bleistifte wurden<br />

gespitzt und und erste Kampfverbände formierten<br />

sich zum Antritt gegen die Kantonsräte.<br />

Alte Seilschaften wurden mobilisiert und<br />

zur Rettung der bedrohten Klasse beigezogen.<br />

Einzelne Namen gelangten an die<br />

Oberfläche, grosse Namen, die das geistige<br />

Vermächtnis der Fachklasse Grafik<br />

umsetzten, bekannt machten und mit ihrem<br />

Schaffen den guten Ruf <strong>Luzern</strong>s in die Welt<br />

hinaustrugen. Einer davon ist Emil Steinberger.<br />

Als ehemaliger Absolvent eben dieser<br />

Klasse an deren Wohlergehen interssiert,<br />

reiste er extra heran, um vor versammeltem<br />

Publikum folgendes zu sagen:<br />

«Hier habe ich gelernt, Erreichtes wieder zu<br />

hinterfragen, hartnäckig daran weiter zu<br />

arbeiten oder wieder von vorne zu beginnen,<br />

mit neuen Ansätzen. Ich habe gelernt,<br />

dass man in kritischen Phasen die Nerven<br />

nicht verlieren, sondern an sich selbst und<br />

das erlernte Können glauben soll. Ich habe<br />

gelernt, stets neugierig zu sein, Menschen<br />

zu beobachten und Gegenstände bewusster<br />

wahrzunehmen. Man lehrte mich zuzuhören,<br />

andere Ansichten abzuwägen, Kritik<br />

zu akzeptieren und meine eigene Meinung<br />

nachvollziehbar und verständlich zu positionieren.<br />

Bestimmt denken jetzt einige,<br />

dass dies ein lockerer Schulbetrieb sei, wo<br />

mehr Kaffe getrunken, als gearbeitet wird.<br />

Auch wenn ein Tischtennis- oder Billardtisch<br />

im Raum steht illustriert das nur die<br />

Tatsache, dass kreatives Leben und dessen<br />

Entwicklung eine andere Umgebung<br />

braucht, die ich aber hier nicht näher beschreiben<br />

kann. Vielleicht sollte man eine<br />

solche Umgebung im Regierungsgebäude<br />

pflanzen, damit es dort mehr nach<br />

Herzensfreude und Kreativität aussieht,<br />

als nur nach verstaubten Aktenordnern.<br />

Schon Jack Lang, langjähriger Kulturminister<br />

in Frankreich, erkannte: ‹eine Nation<br />

ohne kreative Menschen hat keine Zukunft!›<br />

Ich staune immer wieder, welche Urkraft an<br />

gestalterischer Fähigkeit oft in Schülern<br />

aus entlegenen Regionen wohnt. In einer<br />

Zeit, wo alle studieren wollen brauchen wir<br />

dringend Lehrstätten, die solch handwerklichen<br />

Talenten eine Chance geben. Schulen<br />

wie die Fachklasse Grafik mit einem<br />

breit gefächerten, alle neuen Techniken<br />

vermittelnden Lehrplan. Liebe Politiker,<br />

Streichen kann Kunst sein, ja, aber mit<br />

dem Pinsel, nicht mit dem Rotstift!»<br />

<strong>Luzern</strong>’s Emil hinterliess eine nachdenkliche<br />

Audienz. Bleibt nur zu hoffen dass die<br />

Leute mit dem Rotstift, gemäss dem Berner<br />

Troubadour Mani Matter selig, «Hemmige<br />

hei». Sonst müsste man wirklich fragen<br />

«Vernunft, wohin gehst Du»?<br />

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