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PORTRAIT<br />
WENN MAN 1990 MIT EINER E-MAIL ZU EINER BESPRECHUNG EINGELADEN<br />
HAT, HAT MAN NOCH DAZU GESAGT, DASS DAS WIRKLICH ERNST GEMEINT IST:<br />
BRANDENBURG ÜBER DIE ANFÄNGE.<br />
eine kleine Datei, reduziert auf das Wesentliche, auf<br />
das, was der Mensch überhaupt nur benötigt, um sie<br />
zu verstehen, sie zu hören, sie zu mögen, auf sie zu<br />
tanzen, mitzusingen.<br />
vielleicht als „Freak“ bezeichnet, heute als „Nerd“,<br />
obwohl er für einen solchen viel zu gesprächig rüberkommt,<br />
aufgeschlossen, kommunikativ. Vielleicht<br />
war er als solcher ja eben der ideale Ansprechpartner<br />
für seinen damaligen Doktorvater. Fasziniert von<br />
Technik und mit der Bereitschaft, das Unmögliche<br />
möglich zu machen:<br />
Wer früher unterwegs Musik hören wollte, der vertraute<br />
einem Walkman. Jahrelang war er ein Symbol<br />
für Innovation, Modernität, Mobilität. In einem<br />
Walkman befand sich eine Cassette mit einer A- und<br />
einer B-Seite. Meistens etwa 90 Minuten Musik, die<br />
Länge einer handelsüblichen Durchschnittskassette,<br />
20, 30 Titel. In den Jahren danach versprach der<br />
Discman mehr Qualität. CDs waren etwas für Musikliebhaber,<br />
perfekter digitaler Sound ohne Störgeräusche.<br />
Ein Discman war schick, nicht mehr so<br />
klobig wie ein rechteckiger Walkman. Doch CDs<br />
waren in ihrer Kapazität beschränkt, sie waren<br />
empfindlich, und für die umsichgreifende immer<br />
in Bewegung befindliche Fitnessgeneration eher<br />
ungeeignet. Dann aber kam die Revolution, Ende<br />
der 90 Jahre des 20. Jahrhunderts, und sie kam aus<br />
Franken: Mit dem neuen Format mp3 vom Fraunhofer-Institut<br />
aus Erlangen trennte sich die Musik von<br />
ihrem Trägermedium, sie war nur noch eine Datei,<br />
Der Revoluzzer hieß Karlheinz Brandenburg, noch<br />
ohne den Titel Professor. Damals nämlich war er nur<br />
Doktorand in Erlangen, einer von vielen Wissenschaftlern<br />
an der renommierten Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg und später am<br />
Fraunhofer-Institut.<br />
„Das mit mp3 war daher auch nicht meine alleinige<br />
Idee, die ich umsetzte, da waren viele Personen im<br />
Laufe der Jahre daran beteiligt.“ Sie ehrt ihn, diese<br />
Bescheidenheit, „ich habe ja keinen Heiligenschein“,<br />
es geht ihm bei aller Anerkennung nicht um Ruhm,<br />
es geht ihm um die Wissenschaft, um Forschung,<br />
um Technik. Im 90er Jahre Deutsch hätte man ihn<br />
Sein Doktorvater nämlich kam in den 1980er Jahren<br />
mit der Idee zu ihm, den damaligen ISDN-Telefonstandard<br />
für die Übertragung von Musik zu verwenden.<br />
Das aber war genau die Herausforderung:<br />
Sprache, Bilder oder Videos zu codieren, in ein Datenformat<br />
zu übersetzen, das galt damals schon als machbar.<br />
Für Musik galt das aber nicht. „Das war der Stand<br />
der Technik“ schmunzelt Brandenburg im Rückblick.<br />
Genau die richtige Aufgabe für die Doktorarbeit des<br />
ambitionierten Forschers. Er denkt das Problem von<br />
der anderen Seite her: Was braucht das Gehör eigent-<br />
36 <strong>BAMBERGER</strong> | DAS MAGAZIN AUSGABE <strong>13</strong> / NOVEMBER 2016