Jahresbericht 2016
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„Du kannst doch nicht gehorchen, was willst du im Kloster?“<br />
hat der Vater gefragt. Sie zeigt ein Foto, auf dem ein Wirbelwind<br />
im weißen Spitzenkleidchen posiert. „Das bin ich.“<br />
Freiheit gab es bei der Großmutter auf dem Bauernhof. „Die<br />
Oma hat mir auch die Religiosität ins Herz gelegt.“ Im Arm<br />
der Großmutter bekam sie den Gute-Nacht-Segen auf die<br />
Stirn gemalt und eine Pfefferminzkugel in den Mund gesteckt.<br />
So verband sich für Laetitia Fech die Süßigkeit des Lebens<br />
untrennbar mit dem Glauben.<br />
Seit fast 40 Jahren findet sie nun Freiheit in freiwilliger<br />
Disziplin und Energie in ihrem Wahlspruch „Die dem Herrn<br />
vertrauen, schöpfen neue Kraft“ (Jes 40,31). Schöpfen<br />
versteht sie auch wörtlich: Ihr Wappen ziert ein Brunnen. Und<br />
sollte das alles nichts helfen, dann gibt es immer noch<br />
den heiligen Joseph. Ihm legt Mutter Laetitia<br />
alles zu Füßen, was sie so plagt. Ihren<br />
„Finanzminister“ nennt sie ihn, denn meist<br />
sind es Geldangelegenheiten, in denen sie<br />
ihn braucht. Er steht in einer Nische vor<br />
ihrem Büro und ist aus viel einfacherem<br />
Holz geschnitzt als die wunderbaren<br />
Figuren in der Bibliothek. Ein Zimmer-<br />
mann fertigte ihn während der Sanierung aus<br />
einem Dachbalken. Hemdsärmlig wie ein<br />
Arbeiter und „so schön schaffig mit seiner Kelle“<br />
steht er da, findet die Äbtissin und schiebt ihm vorm Hinaus-<br />
gehen wieder den Bauplan für das Inklusionsprojekt unter den<br />
Sockel.<br />
Barfuß in Sandalen mit wehendem schwarzem Skapulier<br />
überm wollweißen Gewand eilt sie ein weiteres Mal in die<br />
Kirche. Der Tag endet, wie er begonnen hat, mit dem Chorgebet.<br />
Danach segnet Mutter Laetitia jede einzelne Schwester im<br />
stillen Dunkel der Vorhalle. Eine Pfefferminzkugel gibt es<br />
allerdings nicht.<br />
(Auszug aus der Mittelbayerischen Zeitung<br />
„Nachaufnahme Porträt)<br />
des Klosters seit dem Barock mit einem Volumen von<br />
beinahe 40 Millionen Euro und die Neubelebung des<br />
Konvents. Beides ist gelungen. Mittlerweile sind nur mehr<br />
drei der neun Schwestern länger in Waldsassen als die<br />
Äbtissin selbst. Ihr eng geknüpftes Netzwerk von Freundeskreisen<br />
im In- und Ausland verankert das Kloster, einst<br />
die prägende Instanz im Stiftland und dann in eine fast<br />
aussichtslose Randlage gerutscht, neu in der Mitte<br />
Europas. Der Bau strahlt innen wie außen. Ein modernes<br />
Hotel und Tagungszentrum, das Gästehaus St. Joseph,<br />
beherbergt Gäste von nah und fern. In der Mädchenrealschule<br />
pulsiert das Leben. Eine im wahrsten Wortsinn<br />
florierende Umweltstation zieht Besucher an.<br />
Eigentlich müsste man Betriebswirt und auch noch<br />
Bauingenieur sein, um das alles hinzukriegen. Aber<br />
Laetitia Fech ist ein Schöngeist, eigentlich eine Künstlerin.<br />
„Ich habe mein Kloster gestickt“, sagt sie deshalb<br />
gern. Sie ist Meisterin der Paramentenstickerei und hat mit<br />
Erlaubnis ihrer Ordens an der privaten Kunstschule von<br />
Professor Hans Seeger in München Zeichnen und Malerei<br />
studiert. „Schwester, hast' di verirrt?“, hat er sie damals<br />
begrüßt. Und verabschiedet so: „Schad', dass'd wieder<br />
gehst', Schwester. Weil wo du warst, waren die Mitstudenten<br />
immer anständig.“<br />
Agathe ist in München geboren und in Augsburg aufgewachsen.<br />
Sie hat einen jüngeren Bruder und eine jüngere<br />
Schwester. Der Vater – „ein Humanist, durch und durch,<br />
bescheiden und dabei blitzgescheit“. Er unterrichtete<br />
Latein, Griechisch, Hebräisch und Russisch. Auf dem<br />
Schreibtisch der Äbtissin steht ein Foto des 1985 Verstorbenen:<br />
kluge Stirn, freundliche Augen, gerade Nase – die<br />
Ähnlichkeit ist unverkennbar, bis auf die gemütliche<br />
Pfeife in seiner Hand. Die Mutter – „eine tüchtige Pragmatikerin“.<br />
Die strengen Eltern waren nicht begeistert vom<br />
Entschluss der Tochter, Nonne zu werden. Nach ihrer<br />
Profess 1980 in der Zisterzienserinnen-Abtei<br />
Lichtenthal in Baden-Baden aber sagte ihr<br />
Vater: „Ich sehe, dass du glücklich bist.“ Da<br />
war sie froh. Ihre 82-jährige Mutter hat erst<br />
kürzlich gemeint: „Kind, du bist immer<br />
noch wie früher.“ Auch darüber hat sich<br />
Laetitia sehr gefreut.<br />
Früher war sie übrigens so: ein lebhaftes,<br />
sonniges Mädel, überall dabei und<br />
nicht zu bändigen. Der Name „Laetitia“<br />
– Freude – hätte schon damals gepasst.