25.01.2017 Aufrufe

Nippeser Bürgerwehr Fest 2016/2017

Festheft der Kölner Karnevalsgesellschaft Nippeser Bürgerwehr 1903 e.V. | Weitere Informationen unter www.nippeser-buergerwehr.de

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Anstatt eines langweiligen Mathe-Lehrers<br />

der Sehenswürdigkeiten erläutert, ruft unser<br />

Kommandant in regelmäßigen Abständen die<br />

absoluten Superbrüller durch das Mikrofon.<br />

Man unterhält sich über Gott, Frauen, die<br />

letzten Sportergenisse und die Welt. Klatschend<br />

und trampelnd werden nebst „Kölsche Tön“<br />

Klassiker wie „Auf der Vogelwiese“, „Schwarze<br />

Natascha“ und „Hey Jude“ angestimmt. Es<br />

werden wahnwitzige Geschäftsideen entwickelt,<br />

Pläne geschmiedet und wieder verworfen. Doch<br />

vor allem werden langjährige Freundschaften<br />

geknüpft.<br />

Die Stimmung ist am Siedepunkt als wir<br />

nach einem 12-Stunden-Tag gegen halb eins<br />

nachts wieder den Kappes erreichen. Wer denkt,<br />

dass wäre es gewesen, hat weit gefehlt, denn<br />

zu diesem Zeitpunkt haben wir ja gerade erst<br />

vorgetrunken, lerne ich.<br />

AFTERHOUR<br />

Mit dem Taxi geht es zur nächsten Location.<br />

Vorbei an allen Schlangen, bekommt der<br />

Türsteher wahlweise, aber auch der Wirt einen<br />

<strong>Bürgerwehr</strong> Pin. Sollte nicht ohnehin bereits ein<br />

<strong>Bürgerwehr</strong> Fass angeschlagen sein herrscht<br />

Kranzgewitter. Auch hier fällt mir auf, dass die<br />

übrige Partymeute anders als gewohnt auf<br />

mich reagiert. Wahnsinn was diese Uniform<br />

ausmacht. Des Öfteren beginnen nette<br />

Gespräche, weil ich Fragen wie „Bist du ein<br />

Funk?“ oder „Warum seht ihr alle gleich aus?“<br />

oder schlimmsten Falls „Was ist das für ein<br />

Kostüm?“ beantworten muss. Vorteil Nummer<br />

Eins: auch in einer überfüllten Location findet<br />

man sich gegenseitig schnell wieder. Vorteil<br />

Nummer Zwei: es gibt immer einen Kameraden<br />

mit dem man sich das Taxi nach Hause teilt, da<br />

fast alle aus der selben Richtung kommen.<br />

WEIBERFASTNACHT<br />

Pünktlich um 7:00 Uhr klingelt der Wecker. Bis<br />

hierher ein ganz normaler Weiberfastnacht-Tag<br />

eines Kölners. 8:00 Uhr bei Mettbrötchen und<br />

Kaffee wird mit dem ersten Kölsch angestoßen.<br />

Bis dahin auch noch nichts besonderes. Unter<br />

tosendem Beifall werden wir wenige Minuten<br />

später auf dem Wilhelmplatz begrüßt. Ein<br />

besonderer Augenblick denn in Nippes selber<br />

waren wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht<br />

aufgetreten.<br />

Nach einer kurzen Stippvisite im Kaufhof,<br />

der Sparkasse und dem Laden unseres<br />

Kameraden Sitzius, wo wir mit feinstem<br />

Kölner Bräu verwöhnt werden, finden wir uns<br />

schließlich zum traditionellen Marsch im St.<br />

Vinzenz Krankenhaus wieder. Begleitet von<br />

Krankenschwestern und Krankenpfleger, die<br />

Kamelle verteilen, streifen wir Flur für Flur<br />

durch die einzelnen Etagen des Hauses. In den<br />

Zimmern liegen winkende Patienten, wer kann<br />

ist aufgestanden. Hier und da fließen Tränen vor<br />

Freude. Für einen kurzen Augenblick können wir<br />

einigen Menschen aus ihrem unangenehmen<br />

Alltag entführen. Das macht diesen zum<br />

Wichtigsten aller Auftritte.<br />

Wenige Stunden später das<br />

Kontrastprogramm: Zum zweiten und letzten<br />

Mal stehen wir diese Session in einer geraden<br />

Reihe um Punkt 18:00 Uhr auf der großen Bühne<br />

der Kölnarena. Ein Gedankenblitz lässt erahnen<br />

wie sich die Stars, die bereits auf dieser Bühne<br />

gestanden haben sich fühlen mussten. Das<br />

bunte Publikum scheint wie Konfetti. Auf dem<br />

großen Würfel in der Mitte strahlen unsere<br />

orange und weißen Uniformen. Das Programm<br />

ist eng getacktet. Alles geht Schlag auf Schlag<br />

und so schnell wie wir aufmarschiert sind,<br />

verschwinden wir auch schon wieder nach<br />

draußen.<br />

ÜBER KÖLN LACHT DIE SONNE,<br />

ÜBER DÜSSELDORF...<br />

Sturmwarnung. monsunartiger Regen<br />

prasselt, wie vorhergesagt, auf die Dachfenster<br />

unserer Wohnung, als ich das Haus verlasse.<br />

Nach langem Bangen ist klar, dass im<br />

Gegensatz zum Düsseldorfer Zug, der Kölner<br />

Rosenmontagszug statt finden wird. Mit einigen<br />

Einschränkungen. In einer Harakiri Aktion, die<br />

seinesgleichen sucht wurden am gestrigen<br />

Abend, wie am Fließband Kamelle umgepackt.<br />

Das <strong>Fest</strong>komitee hat beschlossen, dass<br />

alle Pferde aus dem Zug genommen werden.<br />

Ebenso spontan ist morgens die Mitteilung<br />

das Helme wegen der widrigen Bedingungen<br />

ausnahmsweise zu Hause bleiben. Die wenigen<br />

Meter unter freiem Himmel, die wir bis zum<br />

Aufstellplatz zurücklegen reichen aus, um die<br />

Uniformen vollständig zu durchnässen. Wir sind<br />

auf das Schlimmste eingestellt.<br />

Nur wenige Minuten bevor wir endlich<br />

loslaufen passiert es. Die Sonne kämpft sich<br />

durch die Wolkendecke. Bereits als wir den<br />

mittleren Teil der Severinstraße passieren ist der<br />

Asphalt getrocknet. Die Stimmung der am Rand<br />

stehenden, kostümierten Jecken spiegelt unser<br />

aller Empfinden wieder. Animalisch! Noch nie<br />

war das schöne Wetter so selbstverständlich.<br />

Die Menschenflut, die zwischenzeitlich an die<br />

Zugstrecke strömte, ist überwältigend. Mit vollen<br />

Händen verteilen wir Kamelle unters Volk.<br />

Es wird gebüzt, geschunkelt und getanzt.<br />

Toffifeepackungen wechseln im Sekundentakt<br />

den Besitzer. Strüssje werden reihenweise<br />

eingetauscht und fast beiläufig „Kölsche Tön“<br />

angestimmt. Besser geht es nicht!<br />

NIPPESER ZOCH<br />

Nur wenige Sekunden bevor der<br />

Startschuss zum großen Finale fallen soll<br />

der Schock: Auch heute müssen wegen<br />

Unwetterwarnungen alle Pferde in ihren<br />

Ställen bleiben.<br />

Hunderte Menschen stehen bereits mit<br />

Schirmen und Regenkleidung bewaffnet am<br />

Zugweg und warten auf Gruppe Eins - uns.<br />

Jeder packt mit an, um die Hunderte Kilo<br />

Kamelle an ihren neuen Platz zu bringen.<br />

Fast pünktlich marschieren wir los und<br />

als wär der Liebe Gott ne Kölsche Jeck<br />

wechselt das Wetter schlagartig von grau auf<br />

sonnengelb. Erst als die letzte Gruppe das Ziel<br />

erreicht zieht ein Sturm auf. Mit einer Stange<br />

Kölsch in der Hand stehen wir am Fenster<br />

in unserem beheizten Quartier und sehen<br />

zu wie das Unwetter die letzten Spuren des<br />

Straßenkarnevals in die Kantsteinrinne spült.<br />

Bei dem Gedanken, dass die kürzeste Session<br />

des Jahrhunderts bald vorbei ist, werde ich<br />

fast wehmütig…<br />

Christian Heuchert<br />

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