Top-Thema - Dr. R. Kaden Verlag
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IntervIew<br />
„Lasik Xtra“: Crosslinking als Routinebehandlung<br />
für dünne Hornhäute?<br />
<strong>Dr</strong>. med. Omid Kermani, dessen Familie<br />
bereits in den 1950er Jahren von Persien<br />
nach Deutschland ausgewandert war,<br />
absolvierte nach dem Medizinstudium<br />
in Münster, Wellington (Neuseeland)<br />
und Isfahan (Iran) seine Facharztausbildung<br />
von 1987 bis 1991 an den<br />
Universitätsaugenkliniken Bonn und<br />
Köln. Nach dreijähriger Zeit als Oberarzt<br />
an der Universitätsaugenklinik Köln<br />
ließ er sich 1993 als operativ tätiger<br />
Augenarzt nieder, gründete das Augenlaserzentrum<br />
Köln und übernahm 1998<br />
die ärztliche Leitung der Abteilung für<br />
Augenheilkunde in der PAN Praxisklinik.<br />
Zusammen mit <strong>Dr</strong>. med. Georg Gerten<br />
gründete er 2006 die Augenklinik am<br />
Neumarkt in Köln. O. Kermani ist OP-<br />
Trainer der gemeinsamen Kommission<br />
für refraktive Chirurgie von DOG und<br />
BVA (KRC) und Mitglied in zahlreichen<br />
Fachverbänden wie zum Beispiel der<br />
DOG, DGII, ESCRS und ASCRS.<br />
nachgefragt bei Omid Kermani, Köln<br />
→ „Lasik Xtra“ ist die Bezeichnung für eine Lasik-Behandlung, die mit der Stabilisierung<br />
der Hornhaut durch „Corneal Crosslinking“ (CXL) mittels riboflavin und<br />
Uv-Bestrahlung kombiniert wird. Das CXL zur Quervernetzung der Hornhaut wird<br />
in Deutschland bislang primär bei Keratokonus angewendet – die ergebnisse des<br />
Crosslinking sind für diese Indikation seit 15 Jahren dokumentiert. Seit Kurzem<br />
propagieren einige Augenärzte die sogenannte Lasik Xtra als Prophylaxe gegen<br />
eine Schwächung der Hornhaut, die nach Lasik auftreten kann. Ist diese jetzt auch<br />
bei „eigentlich zu dünner Hornhaut“ zu verantworten?<br />
Zur Anwendung der Lasik Xtra hat die gemeinsame Kommission von DOG und<br />
BvA für refraktive Chirurgie (KrC) bis jetzt noch nicht abschließend Stellung genommen.<br />
Der eingriff wird in der Fachwelt äußerst kontrovers diskutiert.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe sprach hierüber mit <strong>Dr</strong>. med. Omid Kermani in Köln, der<br />
das verfahren anwendet.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Was geschieht<br />
bei einer Lasik Xtra konkret?<br />
O. KerMAnI: Zunächst wird eine ganz<br />
normale Lasik mit dem Excimerlaser<br />
durchgeführt. Nach dem Laserabtrag<br />
wird die Riboflavinlösung auf das exponierte<br />
Stroma geträufelt. Die Vitamin<br />
B 2 Lösung dringt daher unmittelbar<br />
in die Hornhaut ein. Die erforderliche<br />
Diffusionszeit der 0,3 %igen Lösung<br />
beträgt nur 45 bis 60 Sekunden gegenüber<br />
30 Minuten Einwirkzeit der<br />
0,1 %igen Lösung bei dem konventionellen<br />
CXL. Das Inter face wird gespült<br />
und anschließend wird der Hornhautflap<br />
wieder zurückgeklappt. Jetzt erfolgt<br />
die Bestrahlung der Hornhaut<br />
mit dem UVLicht: Während dies bei<br />
der konventionellen Therapie eine<br />
Wellenlänge von 370 nm hat, sind es<br />
beim Lasik Xtra 365 nm – mit einer<br />
Energiedichte von 20 bis 30 mW/cm 2 .<br />
Beim konventionellen CXL beträgt die<br />
Energie der Strahlquelle nur ein Zehntel<br />
dessen, also 3mW/cm 2 . Die Bestrahlungszeit<br />
beim XtraVerfahren beträgt<br />
daher nur 60 Sekunden gegenüber 30<br />
Minuten Bestrahlungszeit beim konventionellen<br />
CXL. Im Angelsächsischen<br />
spricht deshalb man vom „accelerated<br />
CXL“ [= beschleunigt; Anm. d. Red.].<br />
Die Behandlung führt zu dem bekannten<br />
Photopolymerisationsprozess und<br />
damit zu einer Zunahme der Quervernetzung<br />
des Kollagens im Bereich das<br />
LasikInterfaces.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Die Behandlung<br />
ohne Lasik ist ja als Corneal Crosslinking<br />
oder Kollagenvernetzung bei<br />
KeratokonusPatienten bekannt, auch<br />
bei Ektasie nach Lasik. Bei welchen Patienten<br />
setzen Sie es ein?<br />
OPHTHALMO-CHIRURGIE 24: 301 – 304 (2012) 301
Interview: „Lasik Xtra“ – Crosslinking als Routinebehandlung für dünne Hornhäute?<br />
O. KerMAnI: Wir besprechen den Einsatz<br />
des XtraVerfahrens als Additivum<br />
bei der Lasik, wenn die Hornhautdicke<br />
im Verhältnis zur erforderlichen Ablationstiefe<br />
relativ dünn ist und die Alternative<br />
einer phaken IOLImplantation<br />
nicht in Erwägung zu ziehen ist. Auch<br />
bei sehr jungen Patienten mit noch weicher<br />
Hornhaut kann das Verfahren zum<br />
Einsatz kommen, wenn eine PRK als erste<br />
Wahl absolut nicht gewünscht ist. Bei<br />
diskreten Hornhautasymmetrien, wenn<br />
die Indikation der Lasik zu überdenken<br />
ist und eine PRK als Alternative zu erwägen<br />
wäre, auch dann kann man das<br />
Additivum Xtra anbieten.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Die KRC hat<br />
sowohl für die Lasik als auch für das<br />
Crosslinking Richtlinien formuliert – allerdings<br />
nicht für die Kombination beider<br />
Verfahren. Sehen Sie diese jetzt als<br />
hinfällig an?<br />
302<br />
„Das Konzept von Lasik-Xtra<br />
ist plausibel und bietet den<br />
Patienten Sicherheit.“<br />
O. KerMAnI: Nein, aber das Konzept<br />
von LasikXtra ist plausibel. Die Lasik ist<br />
ein die Hornhautstabilität schwächendes<br />
Verfahren. Mit Crosslinking wird die<br />
Hornhaut in ihrer Festigkeit gestärkt.<br />
Ein sinnvolle Kombination, die in dieser<br />
frühen Phase der klinischen Anwendung<br />
zunächst noch den Risikoaugen vorbehalten<br />
bleiben sollte. So viel therapeutische<br />
Freiheit muss sein, insbesondere<br />
in einem HighVolumeLasik zentrum,<br />
wenn man das Sicherheitsprofil für die<br />
Behandlung der Patienten optimieren<br />
möchte. Die verfügbaren diagnostischen<br />
Risikoindizes sind auf lange Sicht<br />
nicht hinreichend sensitiv. Es gibt Sicherheitslücken,<br />
die auch die KRC mit<br />
den bewährten Empfehlungen nicht<br />
schließen kann.<br />
OPHTHALMO-CHIRURGIE 24: 301 – 304 (2012)<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Welche Erfahrungen<br />
liegen bis jetzt mit Lasik<br />
Xtra vor? Gibt es zum Beispiel EinjahresErgebnisse<br />
oder wissenschaftliche<br />
Studien?<br />
„es gibt bereits einige<br />
„peer-reviewed“ Publikationen<br />
mit 12-Monats-ergebnissen.“<br />
O. KerMAnI: Die internationalen Erfahrungen<br />
sind umfangreich und vielversprechend,<br />
dafür dass das Verfahren<br />
noch relativ jung ist. Es gibt bereits einige<br />
„peerreviewed“ Publikationen in den<br />
internationalen Journalen mit 12MonatsErgebnissen<br />
und zahlreiche Kongressbeiträge<br />
zu dem <strong>Thema</strong>. So berichteten<br />
Mita und CoAutoren über 25 000<br />
Lasik XtraBehandlungen, ebenfalls mit<br />
12 MonatsErgebnissen. Der klinische<br />
Verlauf sei unauffällig im Vergleich zur<br />
StandardLasik, die refraktiven Ergebnisse<br />
sind stabil. Konfokale Mikroskopien<br />
zeigen den Effekt des Crosslinking im<br />
Bereich des LasikInterfaces.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Nach CXL bei<br />
Keratokonus sind bislang Nebenwirkungen<br />
wie Linsentrübungen oder Endothelzellverlust<br />
nicht dokumentiert,<br />
allerdings ist in den ersten 2 bis 3 Monaten<br />
nach der Vernetzung eine oberflächliche<br />
Hornhauttrübung im Sinne<br />
eines Haze feststellbar. Welche Nebenwirkungen<br />
können bei Lasik XtraPatienten<br />
auftreten?<br />
O. KerMAnI: Das beim konventionellen<br />
CXL gelegentlich zu beobachtende<br />
Haze ist beim Lasik XtraVerfahren<br />
kaum wahrzunehmen. Die Wechselwirkungszone<br />
ist auch tiefer unter der<br />
Bowmann’schen Schicht gelegen. Wenn<br />
das Riboflavin nicht hinreichend ausgespült<br />
wird, kann dies Auswirkung<br />
auf die frühe Visusentwicklung haben.<br />
Die Augen brauchen etwas länger, um<br />
den vollen Visus wiederzugewinnen. Es<br />
scheint kein erhöhtes Risiko für DLK zugeben.<br />
Einen bakteriziden Nebeneffekt<br />
nehmen wir gerne in Kauf. Mit Gewissheit<br />
kann man allerdings noch nicht beurteilen,<br />
ob andere, bislang unbekannte<br />
Nebeneffekte zu Tage treten.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Die UVLicht<br />
Bestrahlung erfolgt nach der Behandlung,<br />
durch das intakte Hornhautepithel.<br />
Könnte dies eine unterschiedliche<br />
Eindringtiefe des Riboflavin beim Crosslinking<br />
bewirken?<br />
„Haze ist kaum feststellbar,<br />
und bakterizide nebeneffekte<br />
nehmen wir gern in Kauf.“<br />
O. KerMAnI: Das Verfahren ist standardisiert<br />
in den Abläufen. Diffusionszeiten<br />
und Strahlentransmission sind<br />
experimentell untersucht worden und<br />
im Ergebnis in die fest vorgegebenen<br />
Behandlungsparameter eingegangen.<br />
Natürlich wird es Verfeinerungen geben.<br />
Die Physik hinter dem Verfahren ist<br />
aber, so weit erforderlich, bekannt.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Welchen Nachteil<br />
hätte eine zweizeitige Behandlung?<br />
O. KerMAnI: Bei der Lasik ist die Tür für<br />
das CXL „sperrangelweit“ offen. Das<br />
Stroma liegt frei, und daher kommen<br />
wir mit so kurzen Diffusionszeiten aus.<br />
Die spezielle Strahlungsquelle bringt die<br />
gleiche Energie in einem <strong>Dr</strong>eißigstel der<br />
Zeit in das Gewebe hinein. Ein zweizeitiger<br />
Eingriff bedeutet schlicht einen<br />
zweiten, vollständigen Eingriff, bei dem<br />
natürlich auch das Epithel entfernt werden<br />
müsste. Das hat nichts mit Prophylaxe<br />
zu tun. Das macht nur Sinn, wenn<br />
es ein therapeutischer Eingriff ist – bei<br />
manifester Ektasie.
Interview: „Lasik Xtra“ – Crosslinking als Routinebehandlung für dünne Hornhäute?<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Würden Sie<br />
bei dünner Hornhaut die Lasik Xtra einem<br />
schnittfreien Verfahren wie Lasek<br />
oder Cten Laser vorziehen?<br />
O. KerMAnI: Ich würde ein Oberflächenverfahren<br />
wie die PRK vorziehen – egal<br />
in welcher Modifikation, das ist doch<br />
klar. Nur, es gibt sehr viele Menschen,<br />
die wirklich Angst oder Bedenken haben<br />
wegen der Nachteile von Oberflächenverfahren<br />
wie Schmerzen, wochenlange<br />
VisusRehabilitationszeiten und monatelange<br />
Kortisontherapie.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Wenn die<br />
Zielrefraktion nicht erreicht wird: Ist<br />
eine Nachbehandlung nach LasikXtra<br />
dann genauso problemlos wie nach einfacher<br />
Lasik? Muss ein anderer Behandlungsalgorithmus<br />
gewählt werden?<br />
O. KerMAnI: Noch gibt es hier nicht<br />
sehr viel Erfahrung. Die Kollegen aus<br />
Japan, mit denen ich hierüber gesprochen<br />
habe, und die das Verfahren am<br />
längsten anwenden, empfehlen Nachkorrekturen<br />
auf dem Flap als Oberflächenbehandlung<br />
durchzuführen. Die<br />
Nachbehandlungsrate ist allerdings mit<br />
den Lasersystemen der neuesten Generation<br />
deutlich unter 5 % gesunken.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Hat die Behandlung<br />
Auswirkungen zum Beispiel<br />
auf die Auflösung von möglichen Striae?<br />
O. KerMAnI: Seit wir mit dem Femtosekundenlaser<br />
den Flap schneiden, und<br />
das sind jetzt gute 6 Jahre, seitdem haben<br />
wir keine Striae mehr richten müssen.<br />
Theoretisch müsste der ebenfalls<br />
etwas versteifte Flap natürlich schwie<br />
304<br />
OPHTHALMO-CHIRURGIE 24: 301 – 304 (2012)<br />
riger zu richten sein. Wir werden berichten,<br />
wenn es mal dazu kommen sollte.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Für Keratokonuspatienten<br />
ist eine stabile Wirkung<br />
des Crosslinking belegt. Dennoch geht<br />
man bei diesen Patienten nicht davon<br />
aus, dass die Kollagenvernetzung ein<br />
Leben lang „hält“. Wie schätzen Sie dies<br />
bei Ihrer Patientenauswahl ein?<br />
O. KerMAnI: Das Risiko einer Ektasie<br />
wie das eines Keratokonus sinkt deutlich<br />
mit zunehmendem Lebensalter aufgrund<br />
der biologischen Zunahme der<br />
Kollagenvernetzung der Hornhaut im<br />
Alter. Alle hoffen, dass das CXL die Patienten<br />
in diese Zeit hinein „rettet“, und<br />
das gilt auch für beide Verfahren.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Bleibt der Keratokonus<br />
auch für LasikXtra eine Kontraindikation?<br />
O. KerMAnI: Ja. Vorerst jedenfalls. Das<br />
CXL in Kombination mit PRK hat ganz<br />
gute Ergebnisse hervorgebracht. Wir<br />
warten ab, was die Veröffentlichungen<br />
in den nächsten Jahren zu Tage bringen.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Sie sind ja<br />
KRCAnwender. Ob die Kommission das<br />
Lasik Xtra überhaupt empfehlen wird,<br />
ist mehr als fraglich. Wie gehen Sie mit<br />
dieser Situation um?<br />
O. KerMAnI: Wir wollen im Bereich der<br />
Wissenslücken bei einem Standardverfahren<br />
mehr Sicherheit für unsere Patienten<br />
generieren. Und das auf plausiblen<br />
medizinischen Grundlagen. Es gibt<br />
eine Reihe von Fragen in Zusammenhang<br />
mit der PostLasikEktasie, auf die<br />
zur Zeit niemand eine Antwort weiß.<br />
Auch die KRC nicht. Ich sehe nicht, warum<br />
die KRC das Verfahren auf rationaler<br />
Basis förmlich ablehnen sollte.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Wäre es nicht<br />
sicherer, die Lasik Xtra zunächst im Rahmen<br />
einer prospektiven Studie zu evaluieren?<br />
„Die klinische verträglichkeit<br />
von Lasik Xtra ist mit den veröffentlichten<br />
Fallzahlen belegt.“<br />
O. KerMAnI: Die klinische Verträglichkeit<br />
von Lasik Xtra ist mit den veröffentlichten<br />
Fallzahlen belegt. Weder<br />
die Lasik noch das CXL alleine sind mit<br />
völlig unbekannten und unerwarteten<br />
Komplikation behaftet gewesen. Dies<br />
ist aus der Kombination der beiden Verfahren<br />
auch nicht zu erwarten. Wenn<br />
es um die Frage geht, ob mit Lasik Xtra<br />
tatsächlich eine Ektasie sicher verhindert<br />
werden kann, dann machen prospektive<br />
kontrollierte Studien natürlich<br />
Sinn. Wenn aber „Gefahr im Verzug“ ist<br />
und wir konkret bei einem Patienten die<br />
Frage der langfristigen Folgeschäden<br />
einer Lasik erörtern, dann bin ich heute<br />
froh, mit Lasik Xtra ein zusätzliches Instrument<br />
zur Verfügung zu haben, das<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein mehr<br />
an Sicherheit bei relativ geringem Nebenwirkungsprofil<br />
in Aussicht stellt.<br />
OPHtHALMO-CHIrUrGIe: Herr <strong>Dr</strong>. Kermani,<br />
herzlichen Dank für die Auskünfte!<br />
Wir werden das <strong>Thema</strong> weiter verfolgen...