Arbeitsrecht 1/17
Newsletter zu Entwicklungen im Arbeitsrecht
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schulden im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 HS. 2 EFZG vor, wodurch ein Entgeltfortzahlungsanspruch<br />
ausgeschlossen ist.<br />
Anderes gilt jedoch in dem Fall, in dem die Befruchtung nach allgemein anerkannten<br />
Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen und anschließend eine<br />
Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit aufgetreten sei, mit deren Eintritt nicht gerechnet<br />
werden musste.<br />
Praxistipp<br />
Das BAG musste sich hier im Wesentlichen mit der Frage beschäftigen, inwieweit<br />
eine Arbeitnehmerin infolge von Krankheit auf Grund einer künstlichen Befruchtung<br />
finanziell durch das EFZG abgesichert werden soll. Nach Ansicht des BAG<br />
betrifft der Wunsch, ein Kind zu bekommen, vornehmlich die individuelle Lebensgestaltung,<br />
gilt aber nicht zwangsläufig als allgemeines Krankheitsrisiko im Sinne<br />
von § 3 EFZG. Zudem müssen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und der Krankenversicherung<br />
angemessen verteilt werden. Ein anspruchsausschließendes Verschulden<br />
liegt für das BAG dann vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit sowohl vorhersehbar<br />
als auch eine willentlich herbeigeführte Folge einer komplikationslosen In-<br />
Vitro-Fertilisation sei.<br />
Das BAG stellte außerdem erneut klar, dass der Beginn der Schwangerschaft bei<br />
einer solchen Befruchtung die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter<br />
(sog. Embryonentransfer) ist. Ab diesem Zeitpunkt findet ohne Weiteres<br />
das Mutterschutzgesetz Anwendung. Wird sodann ein ärztliches Beschäftigungsverbot<br />
ausgesprochen, hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Mutterschutzlohn<br />
(vgl. § 11 MuSchG).<br />
Wichtige Hinweise für die Praxis zur Arbeitnehmerüberlassung<br />
Das BAG hat bereits am 20. September 2016 (9 AZR 735/15) eine Entscheidung zu den<br />
wesentlichen Abgrenzungsfragen zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk- bzw.<br />
Dienstvertrag getroffen, die die Privatautonomie in den Vordergrund rückt.<br />
Neubewertung der Abgrenzung<br />
von Werk-/Dienstverträgen zur<br />
Arbeitnehmerüberlassung<br />
Nach bisheriger Rechtsprechung kam es bei der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung<br />
und Werk- bzw. Dienstvertrag darauf an, in wessen Betrieb der Arbeitnehmer<br />
eingegliedert ist und wessen Weisungen er unterliegt. Anhaltspunkt hierfür ist der jeweilige<br />
Vertrag. Allerdings kam es beim Auseinanderfall von vertraglicher Vereinbarung und<br />
tatsächlicher Durchführung bisher maßgeblich auf letzteres an. Diese Ansicht hat das BAG<br />
nunmehr mit dem Hinweis gerügt, dass weder viele Unternehmen noch das LAG in der<br />
Vorinstanz die Bedeutung der getroffenen Vertragsgestaltung ernstgenommen habe, sondern<br />
schlicht auf die tatsächliche Durchführung verwiesen hätten. Das BAG hat damit die<br />
folgenden zwei Kernaussagen getroffen:<br />
1. Die Bedeutung der Vertragsgestaltung muss bei der Abgrenzung angemessene<br />
Berücksichtigung finden. Dabei kommt es neben „harten“ vertraglichen Rechten und<br />
Pflichten (Weisungsbefugnis, verpflichtende Teilnahme an Schulungen und Einweisungen<br />
etc.) auch auf „weiche“ Fakten wie einzelne Formulierungen („gestelltes Personal“)<br />
an.<br />
2. Weiterhin soll es beim Auseinanderfall von Vertrag und Durchführung nur dann auf<br />
die Durchführung ankommen, wenn sie „von dem Willen der am Abschluss der vertraglichen<br />
Vereinbarung beteiligten Parteien umfasst war“, was wiederrum voraussetzt, dass<br />
„die zum Vertragsschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichende<br />
Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen.“<br />
Damit setzt das BAG neue Maßstäbe zur Beurteilung derartiger Sachverhalte. Die tatsächliche<br />
Durchführung diene folglich nur als Auslegungshilfe zur Ermittlung des Vertragsinhaltes.<br />
Hinzu kommt, dass nunmehr auch die Kenntnis/Billigung der zum Vertragsschluss<br />
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