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Meine sehr verehrten Damen und Herren! - Der Sächsische Landtag

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Eröffnung<br />

(Beginn der Sitzung: 10.01 Uhr)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich<br />

eröffne die 16. Sitzung des 3. <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es.<br />

Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer<br />

heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Grapatin, Herr<br />

Nolle, Herr Dr. Nowak, Herr Lämmel, Herr Heinz, Herr Hamburger <strong>und</strong><br />

Frau Dr. Raatz.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung<br />

liegt Ihnen vor. Den Fraktionen wurden folgende Redezeiten<br />

vorgegeben: CDU-Fraktion bis zu 210 Minuten, PDS-Fraktion bis zu<br />

140 Minuten, SPD-Fraktion bis zu 70 Minuten, Staatsregierung bis zu<br />

140 Minuten. Die Redezeiten können wie immer auf die<br />

Tagesordnungspunkte verteilt werden, wie es die Fraktionen für<br />

notwendig erachten.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, aus der Ihnen vorliegenden Tagesordnung ist<br />

der Punkt 18, Kleine Anfragen, zu streichen.<br />

Gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? - Bitte schön, Frau<br />

Ludwig.<br />

Frau Ludwig, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die SPD-<br />

Fraktion beantragt die Erweiterung der Tagesordnung nach § 81 Abs.<br />

4 der Geschäftsordnung um den Antrag der Fraktion der SPD in der<br />

Drucksache 3/1879. <strong>Der</strong> Titel des Antrages lautet: "Aktenversand<br />

innerhalb der Exekutive".<br />

Zu Beginn der Plenarsitzung im Mai wurde die Staatsregierung mit<br />

dem Vorwurf konfrontiert, Akten, die möglicherweise Beweismittel<br />

für den Untersuchungsausschuss sein können, angefordert zu haben.<br />

Die CDU-Fraktion hatte eine unverzügliche Aufklärung dieser<br />

Vorwürfe abgelehnt.<br />

Die SPD-Fraktion hat deshalb zunächst einen Berichtsantrag zur<br />

Sache gestellt. Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme vom<br />

20.6.2000 eine inhaltliche Beantwortung des Antrages abgelehnt. Im<br />

Wesentlichen verweist sie auf verfassungsrechtliche<br />

Unzulässigkeiten des Begehrens, da dadurch in die angeblich<br />

ausschließliche Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses<br />

eingegriffen werde.<br />

Das Ziel des Antrages ist jedoch gerade nicht mit dem<br />

Untersuchungsauftrag identisch. Vielmehr soll geklärt werden, wie<br />

das Verhalten der Staatsregierung zur eigenen Vorbereitung dieses<br />

Ausschusses aussieht, ob bzw. wie Erkenntnismittel, die der<br />

Ausschuss eventuell später zu Erkenntniszwecken anfordern wird,<br />

durch die Staatsregierung sondiert oder aufbereitet wurden oder<br />

werden.<br />

Es muss dem Selbstverständnis des <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es, welcher<br />

ein Organ zur Kontrolle der Exekutive eingesetzt hat, nämlich den<br />

Untersuchungsausschuss, entsprechen, dass die Staatsregierung<br />

Auskunft darüber gibt, diesem Kontrollorgan später eventuell<br />

veränderte Erkenntnismittel zur Verfügung gestellt zu haben.<br />

Dementsprechend ist heute auf Antrag der SPD-Fraktion nach<br />

Erweiterung der Tagesordnung ein Beschluss des <strong>Landtag</strong>es darüber<br />

herbeizuführen, dass die Staatsregierung die im Antrag enthaltenen<br />

nachgefragten Sachverhalte wahrheitsgemäß zu beantworten hat.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte, Herr<br />

Leroff.


Leroff, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Ich gehe<br />

davon aus, dass das Hohe Haus nicht beschließen muss, dass die<br />

Staatsregierung dem <strong>Landtag</strong> wahrheitsgemäß antworten muss. Dazu ist<br />

sie schon verfassungsrechtlich verpflichtet.<br />

(Adler, SPD: Das hat sie aber nicht getan!)<br />

Darüber hinaus möchte ich feststellen, dass auch meine Fraktion die<br />

Ihnen gegebene Antwort als - ich will es einmal höflich umschreiben<br />

- nicht <strong>sehr</strong> glücklich betrachtet. Nach unseren Informationen ist<br />

Ihnen aber mitgeteilt worden, dass die Staatsregierung eine<br />

ausführliche, erweiterte Antwort nachreichen wird. Somit sehen wir<br />

keine Notwendigkeit, die Tagesordnung um diesen Punkt zu erweitern.<br />

(Unruhe bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Herr Dr. Hahn, bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die PDS-<br />

Fraktion unterstützt selbstverständlich den Antrag der SPD-<br />

Fraktion, nachdem wir in der vergangenen <strong>Landtag</strong>ssitzung dieses<br />

Problem angesprochen haben <strong>und</strong> unser Versuch, einen Dringlichen<br />

Antrag in die Tagesordnung aufnehmen zu lassen, an der<br />

Mehrheitsfraktion gescheitert ist.<br />

Herr Kollege Leroff, wer so antwortet wie zu diesem Antrag, der hat<br />

etwas zu verbergen. Wer so antwortet, hält sich nicht an die<br />

verfassungsmäßige Pflicht, dem <strong>Landtag</strong> Auskunft zu erteilen.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

Im Übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, dass sich bereits<br />

mehrfach während des Tagens von Untersuchungsausschüssen Anträge<br />

<strong>und</strong> Anfragen zu diesem Gegenstand im Geschäftsgang bef<strong>und</strong>en haben<br />

<strong>und</strong> selbstverständlich beantwortet worden sind. Zu keinem Zeitpunkt<br />

hat die Staatsregierung verfassungsrechtliche Bedenken geltend<br />

gemacht. Verfassungsrechtlich bedenklich ist es, wenn die<br />

Staatsregierung nicht antwortet. Deshalb sind wir für die Aufnahme<br />

dieses Antrages.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

Präsident Iltgen: Noch einmal Frau Ludwig, bitte.<br />

Frau Ludwig, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die<br />

Staatsregierung hatte drei Wochen Zeit, unseren Antrag zu<br />

beantworten. Die Antwort liegt vor; Prof. Milbradt als Minister hat<br />

sie unterschrieben. Offensichtlich gibt es im Hause des<br />

Finanzministers <strong>und</strong> auch bei ihm persönlich einen Sinneswandel.<br />

Doch das Schreiben, das wir heute früh bekommen haben -<br />

zusammengestellt aus einer Pressemitteilung <strong>und</strong> einer E-Mail-Kopie<br />

- ist weder der Würde dieses Hauses noch einer Staatsregierung<br />

angemessen.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

Wir gehen davon aus, dass der Minister, wenn er nichts zu<br />

verschweigen hat, heute sofort auf unsere Fragen antworten kann.<br />

Mit Beschluss des Hohen Hauses würde er dazu heute die Gelegenheit<br />

erhalten.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der CDU-Fraktion, wenn Sie auch der<br />

Meinung sind, dass der Minister bzw. die Staatsregierung nichts zu<br />

verschweigen hat, dann fordere ich Sie ausdrücklich auf, unserem<br />

Antrag zuzustimmen.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Es wird weiter das Wort gewünscht. Herr Leroff,<br />

bitte.


Leroff, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Werte Frau<br />

Kollegin, ich habe eben schon angedeutet, dass die Antwort in der<br />

Tat dürftig ist <strong>und</strong> es sich so nicht gehört hätte.<br />

(Adler, SPD: Sie war unverschämt!)<br />

Jedoch kann ich daraus nicht schlussfolgern, die Staatsregierung<br />

habe etwas zu verheimlichen.<br />

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

- Herr Porsch, seien Sie doch einmal still. Sie haben immer etwas<br />

zu verheimlichen, wenn man es genau nimmt, denn Ihre Fraktion hat<br />

auch einiges im Schattendasein.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Frau Kollegin Ludwig, ich gehe davon aus, dass Sie mit der Ihnen<br />

von der Staatsregierung jetzt zugestellten Post die Mitteilung<br />

erhalten haben, dass Sie in der nächsten Woche eine ausführliche<br />

Antwort auf die Fragen erhalten werden, die Sie haben.<br />

(Jurk, SPD: Klaus, das steht ja nicht einmal drin!)<br />

- Ich gehe aber davon aus, dass das so ist.<br />

Die Tatsache, dass die Staatsregierung in dieser Frage, wie Sie es<br />

genannt haben, umdenkt, zeigt doch, dass sie wohl selbst erkannt<br />

hat, dass die Antwort so nicht befriedigend ist. Deshalb gehe ich<br />

davon aus, dass die Antwort, die Sie erhalten werden, ausreichend<br />

sein wird.<br />

Präsident Iltgen: Es wird weiter das Wort gewünscht. Herr Jurk,<br />

bitte.<br />

Jurk, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Es<br />

ist zutreffend, dass wir heute eine Antwort - ich weiß nicht,<br />

welchen Charakter sie trägt - erhalten haben. Darin heißt es: "In<br />

Ergänzung zu meinem Antwortschreiben vom 14.6.2000 ..." - das waren<br />

die lapidaren Sätze, die begründen sollen, dass man nicht antworten<br />

kann oder will.<br />

"In vorbezeichneter Angelegenheit darf ich ergänzend auf die<br />

anliegende Pressemitteilung meines Hauses nebst Anlage Bezug<br />

nehmen."<br />

<strong>Der</strong> zweite Satz lautet: "Eine ausführliche inhaltliche<br />

Stellungnahme zu dem Antrag der SPD-Fraktion vom 26.5.2000 folgt."<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Frist zur Beantwortung<br />

unseres Antrages ist abgelaufen. <strong>Der</strong> zweite Satz enthält nicht<br />

einmal eine Fristsetzung. Wir wissen also nicht, wann die Antwort<br />

folgt. Dies halte ich für ungeheuerlich.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, ich lasse jetzt über die<br />

Aufnahme des Antrages der Fraktion der SPD in die heutige<br />

Tagesordnung abstimmen. Es handelt sich um die Drucksache 3/1879.<br />

Wer der Aufnahme in die Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? -<br />

Bei 2 Stimmenthaltungen <strong>und</strong> einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür<br />

ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, damit kommen wir zu der Ihnen vorliegenden<br />

Tagesordnung mit der von mir bekannt gegebenen Streichung des<br />

Punktes 18.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 1<br />

2. <strong>und</strong> 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des<br />

Landesjugendhilfegesetzes<br />

Drucksache 3/0026, Gesetzentwurf der Fraktion der PDS


Drucksache 3/1956, Beschlussempfehlung des Ausschusses für<br />

Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Familie, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

Den Fraktionen wird das Wort zu einer allgemeinen Aussprache<br />

erteilt. Es beginnt die Fraktion der PDS. Danach erhalten CDU, SPD,<br />

CDU <strong>und</strong>, wenn gewünscht, die Staatsregierung das Wort. Die Debatte<br />

ist eröffnet. Das Wort hat die Fraktion der PDS. Herr Neubert,<br />

bitte.<br />

Neubert, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Heute haben wir die einmalige Chance, ein Wahlversprechen aller<br />

drei im <strong>Landtag</strong> vertretenen Parteien umzusetzen. Dass es in Sachsen<br />

nur noch eine oberste Landesjugendbehörde geben soll, hatten im<br />

Jahr 1999 PDS, SPD <strong>und</strong> CDU in ihren Antworten auf die<br />

Wahlprüfsteine der Landesjugendverbände dargelegt.<br />

Die CDU hat zudem einen Parteitagsbeschluss mit eben dieser<br />

Forderung aufzuweisen. Das heißt, es besteht Konsens darin, eine<br />

oberste Landesjugendbehörde zu schaffen. Die CDU-Fraktion begründet<br />

ihre jetzige Ablehnung damit, dass unsere Gesetzesnovelle nicht<br />

mehr nötig sei, denn der Herr Ministerpräsident hat bei der<br />

Kabinettsneubildung im Herbst des vergangenen Jahres den<br />

Jugendbereich vollständig dem Sozialministerium zugeschoben. Man<br />

kann nun darüber spekulieren, ob das auch etwas mit der Besetzung<br />

der Spitzen beider Häuser zu tun hat. Aber das gehört heute nicht<br />

hierher.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der CDU! Keiner aus der PDS-Fraktion<br />

möchte Herrn Geisler den Jugendbereich streitig machen. Allerdings<br />

wollen wir nicht dem Ministerpräsidenten die Entscheidung<br />

überlassen, wann es wie viele oberste Landesjugendbehörden geben<br />

soll. Wir wollen, dass wir als Parlament <strong>und</strong> Gesetzgeber selbst per<br />

Gesetz festlegen, wer in Sachsen oberste Landesjugendbehörde sein<br />

soll. Für uns ist diese Forderung nicht banal. Wir wurden in den<br />

<strong>Landtag</strong> gewählt, um politische Entscheidungen für Sachsen zu<br />

treffen. Wir wurden nicht gewählt, um unsere<br />

Entscheidungsmöglichkeiten an die Staatsregierung zu übertragen.<br />

Wir wurden dafür gewählt, Gesetze zu machen, <strong>und</strong> nicht dafür,<br />

unsere politischen Kompetenzen der Staatsregierung zu übertragen.<br />

Wir werden nicht dafür bezahlt, immer mehr unserer originären<br />

Aufgaben an die Staatsregierung abzugeben.<br />

Dass wir als Gesetzgeber selbst festlegen können, wer oberste<br />

Landesjugendbehörde sein soll, zeigen das <strong>Sächsische</strong><br />

Landeserziehungsgeldgesetz, das Kita-Gesetz oder das <strong>Sächsische</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsdienstgesetz. Deshalb gibt es für uns keinen Gr<strong>und</strong>,<br />

unseren Gesetzentwurf ad acta zu legen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der CDU, ich sehe keinen sachlichen<br />

Gr<strong>und</strong> dafür, dass Sie unserer Forderung nicht zustimmen können.<br />

Des Weiteren lösen wir mit unserem Gesetzentwurf auch ein anderes<br />

Problem, das seit langer Zeit in der Diskussion ist. Wir möchten<br />

genauso wie viele freie Träger der Jugendhilfe, dass das<br />

Landesjugendamt eine der obersten Landesjugendbehörde unmittelbar<br />

nachgeordnete obere Landesbehörde wird.<br />

In § 69 Abs. 3 des Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetzes ist<br />

festgehalten: "Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Buch<br />

errichtet jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt". Im<br />

Freistaat Sachsen aber ist das Landesjugendamt nur eine Abteilung<br />

des Landesamtes für Familie <strong>und</strong> Soziales. Das ist jenes Amt, das<br />

zum Beispiel für die Kriegsopferfürsorge zuständig ist. Herr


Geisler würde es positiv so formulieren: Einige Bereiche des Amtes<br />

haben nur <strong>sehr</strong> entfernt etwas mit Jugendhilfe zu tun.<br />

Das Landesjugendamt hat gemäß B<strong>und</strong>esgesetz KJHG eine besondere<br />

Stellung. Es ist eine zweigliedrige Behörde, deren Aufgabe durch<br />

den Landesjugendhilfeausschuss <strong>und</strong> die Verwaltung des<br />

Landesjugendamtes wahrgenommen wird. Ein Landesjugendamt ist einem<br />

Ministerium nachgeordnet <strong>und</strong> gleichzeitig an die Beschlüsse des<br />

Landesjugendhilfeausschusses geb<strong>und</strong>en. Eine zusätzliche fach- <strong>und</strong><br />

rechtsaufsichtliche Bindung, so wie es in Sachsen praktiziert wird,<br />

ist dem abträglich <strong>und</strong> beschränkt die auf Fragen der Jugendhilfe<br />

ausgerichtete Erfüllung der Aufgaben, die im Wesentlichen von der<br />

Staatsregierung vorgegeben werden <strong>und</strong> dem Amt gegenwärtig kaum<br />

Spielräume lassen, auf aktuelle Entwicklungen selbständig zu<br />

reagieren.<br />

Wir glauben, dass bei einem Landesjugendamt als einem<br />

eigenständigen Amt politische Verfahrenswege verkürzt würden <strong>und</strong><br />

damit verwaltungsflexibler reagiert werden könnte. Es bestünde die<br />

Möglichkeit Mehrfachbefassungen zu vermeiden <strong>und</strong> sachfremde<br />

Entscheidungen außen vor zu lassen.<br />

Besonders wichtig für uns ist, dass damit die Jugendhilfe in<br />

Sachsen aufgewertet würde. Es würde ein Signal gesetzt, das die<br />

Bedeutung der Arbeit für <strong>und</strong> mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

unterstreichen <strong>und</strong> so deren gesamten Stellenwert hervorheben würde.<br />

<strong>Der</strong> Landesjugendhilfeausschuss hätte dann wirklich etwas zu sagen<br />

<strong>und</strong> zu entscheiden.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der CDU, lassen Sie mich noch erwähnen,<br />

dass Sachsen nicht das einzige Land wäre, das diesem Anspruch eines<br />

Landesjugendamtes durch eine Gesetzesänderung gerecht werden würde.<br />

Als Beispiele seien nur die CDU-regierten Länder Thüringen <strong>und</strong><br />

Bayern erwähnt.<br />

Am 8. März dieses Jahres hat sich der Landesjugendhilfeausschuss<br />

mit der Gesetzesnovelle beschäftigt. In diesem Gremium sitzen die<br />

Fachleute der Jugendhilfe in Sachsen, Vertreter von<br />

Jugendverbänden, Politiker <strong>und</strong> Vertreter weiterer<br />

gesellschaftlicher Gruppen. <strong>Der</strong> Landesjugendhilfeausschuss hat sich<br />

mit Mehrheit hinter den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion gestellt.<br />

Ich hoffe, Sie hören einmal auf die Meinung der Fachleute.<br />

Ansonsten wäre der Landesjugendhilfeausschuss ein reines<br />

Alibigremium, das sich zwar äußern darf, aber nicht erhört wird.<br />

Sehr geehrte <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Angesichts der Tatsache, dass sich<br />

der Landesjugendhilfeausschuss hinter unseren Gesetzentwurf<br />

gestellt hat, angesichts der Versprechen aller hier vertretenen<br />

Parteien im Wahlkampf sowie angesichts der Beispiele aus anderen<br />

CDU-regierten Ländern möchte ich Ihnen Folgendes nahe legen: Folgen<br />

Sie den sachlichen Argumenten der Fachleute, folgen Sie Ihrem<br />

Gewissen <strong>und</strong> stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!<br />

Ich danke Ihnen.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr<br />

Rohwer, bitte.<br />

Rohwer, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong><br />

<strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Bei der ersten Ansicht der Drucksache der PDS zur<br />

Änderung des Landesjugendhilfegesetzes fiel mir nur ein Spruch ein:<br />

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Wohl niemand zweifelt<br />

die Richtigkeit des Spruches von Michail Gorbatschow an. Besonders


Sie von der PDS müssten angesichts des verdienten Schicksals Ihrer<br />

Vorgänger bestens mit ihm bekannt sein.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Hochmut kommt<br />

vor dem Fall!)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der PDS! Bei Ihrem Gesetzentwurf kann<br />

man diesen Satz getrost erneut aussprechen. Herr Porsch, das sagt<br />

eben nicht viel über seine Qualität aus - ganze zwei Artikel<br />

umfasst der gesamte Gesetzentwurf, <strong>und</strong> wenn man dahinter schaut,<br />

kommt sogar noch weniger zu Tage. Wenn man Ihnen Böses wollte, so<br />

könnte man Ihnen unterstellen, Sie hätten aus den Unterlagen des<br />

Landesjugendhilfeausschusses der letzten Legislaturperiode<br />

abgeschrieben. Erschreckend ist nur, dass Sie glauben mit dieser<br />

Methode groß rauszukommen. Ich muss Sie enttäuschen. Das werden Sie<br />

ganz gewiss nicht. Allein das bisherige Desinteresse der<br />

Öffentlichkeit unterstützt diese These.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Herr Rohwer,<br />

wir sind schon ganz groß rausgekommen!)<br />

- Das möchte ich bezweifeln.<br />

Lassen Sie mich einige Ausführungen zu den Details Ihres Antrages<br />

machen. Es sei Ihnen von der PDS ins Parteibuch geschrieben: Im<br />

Freistaat Sachsen besitzt immer noch der Ministerpräsident die<br />

Richtlinienkompetenz. Er gestaltet diese auch aus. Wenn Sie diese<br />

Kompetenz durch eine gesetzliche Regelung aushöhlen wollen,<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: So ein Schwachsinn!<br />

Hätten Sie doch lieber geschwiegen!)<br />

so bitte ich Sie, beim nächsten Versuch etwas schneller zu sein.<br />

Während wir in der vergangenen Legislaturperiode noch zwei oberste<br />

Landesjugendbehörden hatten, nämlich das Sozialministerium <strong>und</strong> das<br />

Kultusministerium, ist es in der 3. Legislaturperiode allein das<br />

Sozialministerium. Die alte Struktur hat in der Aufbauphase der<br />

letzten neun Jahre ihren Sinn gehabt, auch wenn es für den<br />

einzelnen freien Träger oft schwierig war, sie zu begreifen. Diese<br />

Aufbauphase ist im zehnten Jahr nach der Wende vorbei <strong>und</strong> es war<br />

richtig <strong>und</strong> zeitgemäß die Zuständigkeit in einem Ministerium zu<br />

konzentrieren. Dies wurde bereits vom Landesjugendhilfeausschuss<br />

auf Anregung der freien <strong>und</strong> öffentlichen Träger der Jugendhilfe<br />

vorgeschlagen.<br />

In der vom Sozialausschuss durchgeführten Anhörung wurde deshalb<br />

von mehreren Sachverständigen wohlwollend auf die entsprechende<br />

Bekanntmachung der Staatsregierung über die Änderung der<br />

Geschäftsbereiche hingewiesen. Für mich ist ein gewichtiges<br />

Beispiel der Städte- <strong>und</strong> Gemeindetag.<br />

Da man bei der PDS meint, wieder einmal besonders fix zu sein <strong>und</strong><br />

in alter linker Regulierungswut diese Zuständigkeit nunmehr<br />

gesetzlich festlegen zu müssen, sagt die CDU ganz deutlich: Nein!<br />

Die CDU-Fraktion will dies ausdrücklich nicht, da wir der Meinung<br />

sind, dass wir hinsichtlich der Planung unserer Verwaltung flexibel<br />

bleiben sollten. Gerade im Bereich der Jugendhilfe ist vieles in<br />

Bewegung. Deshalb können wir es uns nicht erlauben, Strukturen auf<br />

Jahre hin festzuschreiben. Können Sie denn sagen, über welche<br />

Probleme wir in zehn oder vielleicht schon in fünf Jahren<br />

diskutieren werden? Gerade Sie, bekannt für Ihre<br />

Rückwärtsgewandtheit <strong>und</strong> Verklärung alles Vergangenen, wirken dabei<br />

wenig kompetent.<br />

(Lachen des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)


Eine eventuelle Umstrukturierung in der Zukunft wäre dann nur durch<br />

eine Gesetzesänderung möglich. Das bedeutet aus Sicht der CDU-<br />

<strong>Landtag</strong>sfraktion eine unnötige Hürde, die wir nicht brauchen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Wo liegt denn das Problem?)<br />

- Herr Porsch, hören Sie doch einfach einmal zu, anstatt immer nur<br />

reinzureden!<br />

Wie wir es von Ihnen gewohnt sind, will die PDS wieder einmal das<br />

Geld ausgeben, das sie nicht hat <strong>und</strong> auch nicht - das ist<br />

insbesondere für Sie wichtig, Herr Porsch - durch Herbeibeten<br />

bekommen wird.<br />

Ein eigenes Landesjugendamt wird ganz sicher mehr Kosten<br />

verursachen. Das ist bei eigenständigen Behörden nun einmal so. Da<br />

können Sie sich auf den Kopf stellen <strong>und</strong> abenteuerliche Rechnungen<br />

vorzeigen, ändern werden Sie es nicht. Eine Eigenständigkeit des<br />

Landesjugendamtes zieht einen höheren Stellenschlüssel nach sich.<br />

Einsparungspotenziale, die wir gerade aus größeren<br />

Verwaltungseinheiten erhalten, würden ins Leere laufen.<br />

Ich hatte es schon erwähnt, die CDU-Fraktion schließt sich<br />

ausdrücklich der Stellungnahme des <strong>Sächsische</strong>n Städte- <strong>und</strong><br />

Gemeindetages an. Im Rahmen einer sinnvollen <strong>und</strong> effizienten<br />

Verwaltungsreform ist der Vorschlag der PDS nicht zielführend,<br />

sondern rückwärts gewandt. Aufteilung der Aufgaben, bessere<br />

Vernetzung <strong>und</strong> flexiblere Verwaltungsvorgänge sind die Devisen der<br />

Zukunft, nicht Separierung <strong>und</strong> Vereinzelung.<br />

<strong>Der</strong> CDU-Fraktion geht es in ihrer Politik darum, möglichst jede<br />

Mark an die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen im Freistaat Sachsen direkt<br />

weiterzugeben <strong>und</strong> sie nicht in einer übertriebenen Verwaltung zu<br />

verschwenden.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Wohin aufgeblähte Verwaltungen führen, haben nicht zuletzt 40 Jahre<br />

real existierender Sozialismus gezeigt.<br />

Die PDS begründet ihren Vorschlag mit einem höheren Stellenwert der<br />

Jugendpolitik in der Politik durch ein eigenständiges<br />

Landesjugendamt. Doch leider kommen Sie auch hier zu spät. Nur die<br />

allerwenigsten B<strong>und</strong>esländer haben noch eigenständige<br />

Landesjugendämter. In den meisten ist die obere<br />

Landesjugendbehörde, was die Landesjugendämter im Durchschnitt<br />

sind, in andere Verwaltungseinheiten integriert.<br />

Herr Neubert, es tut mir Leid, ich muss Sie korrigieren: Das CDUgeführte<br />

Thüringen hat eben kein eigenständiges Landesjugendamt,<br />

sondern es ist auch da in ein Landesamt für Familie <strong>und</strong> Soziales<br />

eingebettet. Wenn Sie in der Anhörung im Sozialausschuss zugehört<br />

hätten, hätten Sie mitbekommen, dass der von uns benannte<br />

Sachverständige aus Thüringen, der ursprünglich aus Rheinland-Pfalz<br />

kommt, auch ausgeführt hat, dass das Landesjugendamt in Thüringen<br />

in ein Landesamt für Familie <strong>und</strong> Soziales integriert ist. Also,<br />

erzählen Sie hier nicht solche Lügen!<br />

(Beifall bei der CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

Herr Rohwer!)<br />

Des Weiteren empfehle ich Ihnen ganz intensiv die Lektüre meiner<br />

Kleinen Anfrage, Drucksache 3/0546, die genau dieses Ergebnis<br />

zeigt. Sie müsste Ihnen ja schon geraume Zeit vorliegen. Aber<br />

manchmal hilft Lesen eben doch mehr, als Luftblasen auszusondern.<br />

Auch viele Kommunen leisten sich mittlerweile kein eigenständiges<br />

Jugendamt mehr. Zum Beispiel hat Chemnitz die Synergieeffekte bei


Zusammenlegung mehrerer anderer Ämter genutzt. Das hat etwas mit<br />

kommunaler Selbstverwaltung zu tun. Aber davon versteht die PDS<br />

eben nichts.<br />

Ein reines Ämterdenken in engen Bahnen, was in der PDS-Fraktion<br />

wiederum nicht unbekannt sein dürfte, wird so wirksam verhindert.<br />

Damit erreichen wir auch bessere Entwicklungsperspektiven der<br />

Mitarbeiter des Landesjugendamtes innerhalb der Staatsverwaltung.<br />

Eines steht fest: <strong>Der</strong> Stellenwert für Jugend in der Politik der<br />

Staatsregierung ist seit dieser Legislaturperiode besser vertreten,<br />

denn von 1990 bis 1999 tauchte das Wort "Jugend" in keiner<br />

Bezeichnung der Staatsministerien auf. Seit der dritten Amtsperiode<br />

ist es in die offizielle Amtsbezeichnung des Staatsministeriums,<br />

dem mein Kollege Dr. Hans Geisler vorsteht, aufgenommen worden. Sie<br />

lautet nun: Staatsministerium für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Steter Tropfen<br />

höhlt den Stein!)<br />

Bereits in der konstituierenden Sitzung des neuen<br />

Landesjugendhilfeausschusses hat Herr Staatsminister Dr. Geisler<br />

ausdrücklich auf den hohen Stellenwert der Jugendpolitik für die<br />

Staatsregierung hingewiesen <strong>und</strong> ich schließe mich für die CDU-<br />

Fraktion an.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Da kommen<br />

Sie nach zehn Jahren <strong>sehr</strong> spät!)<br />

Er hat auch ausdrücklich auf das direkte Zugangsrecht des Leiters<br />

des Landesjugendamtes persönlich aufmerksam gemacht. Das wird<br />

außerhalb jedes Verwaltungsweges stattfinden <strong>und</strong> schon gar nicht<br />

durch Gesetz geregelt.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der PDS! Das verstehe ich<br />

unter moderner Verwaltung. Ihre Regelungswut ist demnach nicht nur<br />

von gestern, sondern von vorgestern.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Es sind nur zwei<br />

Paragraphen, Herr Rohwer! - Beifall bei der PDS)<br />

- Weil es nur zwei Paragraphen sind, ist Ihr Gesetz so dünn.<br />

Präsident Iltgen: Herr Porsch, ich bitte Sie, sich etwas<br />

zurückzuhalten!<br />

Rohwer, CDU: Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Die Regelungswut<br />

der PDS kommt in der einen Position ausdrücklich zu spät <strong>und</strong> in der<br />

anderen ist sie weder sinnvoll noch zielführend. Damit der<br />

Freistaat Sachsen in seiner Jugendpolitik weiter Kurs hält <strong>und</strong><br />

nicht zu spät kommt, wird die CDU ihren Wählerauftrag ausführen <strong>und</strong><br />

weiterhin Schaden von unserem Land <strong>und</strong> unserer Jugend abwenden. Wir<br />

werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Sie sind an<br />

keine Aufträge geb<strong>und</strong>en!)<br />

Nachdem ich die ganze Zeit die PDS kritisiert habe, möchte ich aber<br />

auch noch zwei Hinweise an die kleinere Oppositionsfraktion im<br />

Hause richten. Wenn es auch nicht ausdrücklich Inhalt der heutigen<br />

Drucksache ist, hat es doch etwas mit der Struktur der Jugendhilfe<br />

zu tun.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von der SPD! Verhindern Sie im B<strong>und</strong>estag die<br />

Bestrebungen zur Abschaffung der Zweigliedrigkeit in der<br />

Jugendhilfe. Aus Ihrer B<strong>und</strong>estagsfraktion konnte man bis zum<br />

heutigen Tage keine eindeutige Stellungnahme erhalten. Die CDU/CSU-


B<strong>und</strong>estagsfraktion hat sich bereits für die Beibehaltung der<br />

derzeitigen Struktur ausgesprochen.<br />

(Zuruf von der SPD: Das haben Sie klären können!)<br />

- Wir haben uns dafür ausgesprochen. Bei Ihrer B<strong>und</strong>estagsfraktion<br />

herrscht Stillschweigen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Zu spät, Herr<br />

Rohwer! - Staatsminister Dr. Geisler: Das<br />

besteht <strong>und</strong> jetzt kommt die neue Initiative!)<br />

Präsident Iltgen: Herr Rohwer, darf ich Sie bitten fortzufahren.<br />

Rohwer, CDU: Zum Zweiten: Helfen Sie den sächsischen<br />

Jugendverbänden bei ihrem Wunsch zur Änderung des<br />

Personenbeförderungsrechts. Die derzeitige Regelung ist unsinnig<br />

<strong>und</strong> bringt riesige Probleme in einem wichtigen <strong>und</strong> sensiblen<br />

Bereich. Weder in der rot-grünen B<strong>und</strong>esregierung wird das Thema<br />

zurzeit mit der nötigen Ernsthaftigkeit betrachtet, noch kümmert<br />

sich jemand in Ihrer B<strong>und</strong>estagsfraktion um das Thema. Erinnern Sie<br />

Ihren Kanzler, dass er nicht nur wichtig über Atomausstieg <strong>und</strong><br />

Ökosteuer referieren soll, sondern dass es auch weniger<br />

medienträchtige Themen gibt, an deren Lösung er irgendwann einmal<br />

von den betroffenen Bürgern bzw. Jugendlichen gemessen wird.<br />

Insofern hoffe ich, dass zumindest von Ihrer Seite dazu<br />

Gesprächsbereitschaft vorhanden ist.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit <strong>und</strong> bitte Sie, das Gesetz<br />

abzulehnen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau<br />

Ludwig, bitte.<br />

Frau Ludwig, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Für die<br />

öffentlichen <strong>und</strong> freien Träger der Jugendhilfe war die schlechte<br />

Zusammenarbeit der beiden obersten Landesjugendbehörden - des<br />

Kultusministeriums <strong>und</strong> des Sozialministeriums - <strong>und</strong> die uneffektive<br />

<strong>und</strong> völlig verbürokratisierte Art ihrer Arbeit in der Tat ein<br />

erhebliches Problem.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Deshalb hat die SPD-Fraktion bereits 1996 im Rahmen unseres<br />

Jugendfördergesetzes beantragt, dass es nur noch eine oberste<br />

Landesjugendbehörde geben soll, nämlich beim Sozialministerium.<br />

Vier Jahre fehlte der Staatsregierung der Mut, dem Kultusminister<br />

zu entziehen, was er ohnehin nie machte <strong>und</strong> ohnehin nie wirklich<br />

verstanden hat, nämlich die Jugendarbeit.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Nun hat die Staatsregierung diesen überfälligen Schritt vollzogen.<br />

Somit wurde natürlich auch der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion<br />

sozusagen vom Leben wirklich überholt.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Ob das Sozialministerium als einzig jetzt existierende oberste<br />

Landesjugendbehörde die Erwartungen der freien <strong>und</strong> öffentlichen<br />

Träger tatsächlich erfüllen kann, das wird sich noch zeigen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Zum zweiten Teil des PDS-Gesetzentwurfes,<br />

zur Stellung des Landesjugendamtes, möchte ich Ihnen sagen, Herr<br />

Neubert, es ist nicht wirklich die zentrale Frage der freien <strong>und</strong><br />

öffentlichen Träger, welchen Status diese Landesbehörde hat. Die<br />

Träger plagen ganz andere Sorgen, nämlich sie wollen endlich eine<br />

finanziell verlässliche Förderung. Sie wollen endlich nicht mehr


als Bittsteller behandelt werden <strong>und</strong> sie wollen endlich ein<br />

zuverlässiges <strong>und</strong> entbürokratisiertes Antragsverfahren.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Hier sind wir allerdings in Sachsen offensichtlich in einer<br />

entscheidenden Phase angekommen. Das Sozialministerium plant für<br />

das Jahr 2001, also in sechs Monaten, die Einführung der pauschalen<br />

Finanzierung in der Jugend- <strong>und</strong> Jugendsozialarbeit, ebenfalls eine<br />

Forderung meiner Fraktion. Wir haben dazu zwei Jahre lang mit den<br />

Trägern diskutiert. Das Sozialministerium hat es bisher immer<br />

abgelehnt.<br />

Zu dieser überfallartigen Einführung möchte ich kurz etwas<br />

bemerken. Die Landesjugendhilfeausschusssitzung in der vergangenen<br />

Woche war von der Überraschung der Vorsitzenden des<br />

Landesjugendhilfeausschusses <strong>und</strong> der Mitglieder, des Leiters des<br />

Landesjugendamtes, aller Jugendamtsleiter - wie ich mich<br />

nachträglich noch erk<strong>und</strong>igt habe - <strong>und</strong> natürlich auch der freien<br />

<strong>und</strong> öffentlichen Träger geprägt, dass das Sozialministerium plant<br />

die Pauschalfinanzierung auch hier in Sachsen einzuführen. Deshalb<br />

weckt diese überfallartige Einführung dieses eigentlich guten<br />

Modells bei meiner Fraktion nicht nur Hoffnung. Soll diese<br />

Pauschalfinanzierung jetzt wirklich eingeführt werden, um den<br />

Kommunen <strong>und</strong> den freien Trägern mehr Gestaltungsspielraum <strong>und</strong><br />

Planungssicherheit zu geben, so wie es das Modell eigentlich will<br />

<strong>und</strong> in einigen ostdeutschen Ländern erfolgreich praktiziert wird,<br />

oder soll unter dem Deckmantel, Herr Minister, neuer<br />

Förderinstrumente zulasten der Kommunen <strong>und</strong> der freien Träger<br />

schlichtweg eingespart werden?<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! <strong>Der</strong> Gesetzentwurf der PDS-Fraktion war<br />

sicher gut gemeint. Er ist, wie gesagt, vom Leben ein ganzes Stück<br />

überholt, löst aber die wirklichen Probleme nicht.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau<br />

Nicolaus, bitte.<br />

Frau Nicolaus, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Wir haben jetzt einiges zu dem Gesetzentwurf der PDS-<br />

Fraktion gehört. Erst einmal zu Ihnen, Herr Neubert. Es sind völlig<br />

neue Gedankengänge von der PDS-Fraktion, wenn bestimmte Positionen<br />

von CDU-regierten B<strong>und</strong>esländern herausgegriffen werden <strong>und</strong> dann als<br />

Ihr Eigenes <strong>und</strong> das Neue von der PDS-Fraktion vorgebracht werden.<br />

Es ist schon <strong>sehr</strong> überraschend, wenn man diese Gedankengänge mit<br />

verfolgt.<br />

Zum Inhalt haben wir schon einiges gehört: Die Dinge haben sich<br />

überholt. Wir können mit der Lösung, die hier gef<strong>und</strong>en wurde, dass<br />

wir eine oberste Landesjugendbehörde haben, zufrieden sein.<br />

Zu den Dingen, die Frau Ludwig zum Landesjugendhilfeausschuss<br />

angesprochen hat, möchte ich noch sagen, dass es natürlich<br />

notwendig <strong>und</strong> auch die Pflicht der Staatsregierung <strong>und</strong> damit des<br />

Ministers ist, bestimmte Gedankengänge einzubringen <strong>und</strong> zu äußern.<br />

Als Vordenker oder Einbringer von Gesetzesveränderungen sind Sie<br />

hier auf der Regierungsbank. Wir werden uns <strong>sehr</strong> intensiv mit der<br />

eventuellen Pauschalierung der Jugendhilfe auseinander setzen. Wir<br />

werden Experten hören <strong>und</strong> am Ende zusammenfassen, was für unseren<br />

Freistaat notwendig <strong>und</strong> richtig ist. Am Ende werden wir sagen, wie<br />

es laufen kann.


Natürlich werden wir auch die Erfahrungen der anderen B<strong>und</strong>esländer,<br />

in denen dies bereits eingeführt <strong>und</strong> durchgesetzt wurde, mit<br />

einfließen lassen. Da gibt es das eine oder andere, was nicht so<br />

gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat. Wir werden uns also<br />

diesen Dingen stellen.<br />

Lassen Sie mich abschließend noch einen Gedanken darüber äußern,<br />

was die Selbständigkeit eines Landesjugendamtes betrifft. Aus<br />

meiner Sicht <strong>und</strong> unter den jetzigen Gegebenheiten muss man von<br />

anderen Bedingungen ausgehen. Das Jugendamt an sich <strong>und</strong> die<br />

Zweigliedrigkeit der Jugendhilfe hat sich wegentwickelt von der<br />

"Eingreiftruppe" - so will ich es einmal bezeichnen - zu einem<br />

Dienstleister für unsere Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen. Dem müssen wir<br />

gerecht werden, indem wir Vernetzungen schaffen. Diese Vernetzungen<br />

sind einmal mehr gegeben, wenn das Landesjugendamt als Abteilung in<br />

das Landesamt für Familie <strong>und</strong> Soziales integriert ist. Wir müssen<br />

in der Jugendhilfe Vernetzungsstrukturen schaffen hin zur<br />

Bildungspolitik, zur Sozialpolitik <strong>und</strong> zur Arbeitsmarktpolitik. Ich<br />

denke, dann sind wir gemeinsam auf dem richtigen Weg.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der PDS-Fraktion das Wort. Herr<br />

Tischendorf.<br />

Tischendorf, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! <strong>Der</strong> vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des<br />

Landesjugendhilfegesetzes vom 13.10. vergangenen Jahres war die<br />

erste Gesetzesinitiative in der 3. Legislaturperiode des<br />

<strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es. Dabei bestand das Anliegen meiner Fraktion<br />

nicht darin, die Ersten zu sein, sondern es ging uns darum, im Zuge<br />

der Regierungsbildung lang gehegte Forderungen der<br />

Jugendhilfelandschaft im Freistaat Sachsen, also auch des<br />

<strong>Sächsische</strong>n Landesjugendhilfeausschusses, in die Diskussion zu<br />

bringen.<br />

<strong>Der</strong> Beitrag von Herrn Rohwer bringt mich zum Nachdenken. Er sagte,<br />

dass wir zu spät gekommen seien. Nun weiß ich nicht, wie Herr<br />

Rohwer seinen Kalender beschreibt. Ich beschreibe ihn von vorn nach<br />

hinten.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Da ist nun mal der 13. Oktober der Stichtag, an dem unser<br />

Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Wenige Tage später äußerte<br />

sich der Ministerpräsident in diesem Sinne. Und wenn Sie es noch<br />

genauer haben wollen: Am 2. November erfolgte dazu der<br />

Kabinettsbeschluss. Zwischen Oktober <strong>und</strong> November besteht doch ein<br />

Unterschied.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Nun wiederum war die CDU-Fraktion wie auch ein Teil der<br />

Sachverständigen zur Anhörung der Meinung, der Gr<strong>und</strong> des zweiten<br />

Teils unseres Gesetzes hätte sich erledigt, nämlich das<br />

Sozialministerium verbindlich als oberste Landesjugendbehörde zu<br />

erklären. Nach Auffassung der PDS-Fraktion trifft das nicht zu.<br />

Lassen Sie mich das kurz erklären. Als langjähriges Mitglied des<br />

<strong>Sächsische</strong>n Landesjugendhilfeausschusses kenne ich die Diskussion<br />

seit Mitte der neunziger Jahre, in der es darum ging, dass es nur<br />

noch eine oberste Landesjugendbehörde geben soll, denn man sprach<br />

immer vom SMS.<br />

Frau Ludwig, es gab auch noch eine andere Partei, die sich 1996 mit<br />

einem Parteitagsbeschluss verdient gemacht hat. Das waren nicht


wir, das gebe ich zu. Löblicherweise war es die CDU auf ihrem 9.<br />

Parteitag am 26. Oktober. Den gefassten Beschluss will ich kurz<br />

zitieren: "... die Mitglieder der CDU-Fraktion im <strong>Sächsische</strong>n<br />

<strong>Landtag</strong> zu bitten, im konstruktiven Dialog mit der <strong>Sächsische</strong>n<br />

Staatsregierung zu prüfen, in welcher Weise die Zuständigkeit für<br />

die Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe im Freistaat in einem Ministerium<br />

konzentriert werden kann."<br />

Die disziplinierte CDU-Fraktion antwortete auf diesen Beschluss -<br />

jetzt wird es spannend - in einer Stellungnahme: "<strong>Der</strong> konstruktive<br />

Dialog mit der Staatsregierung über die Möglichkeit, die<br />

Zuständigkeit für Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe im Freistaat Sachsen in<br />

ein Ministerium bzw. eine Behörde zu konzentrieren, hat<br />

stattgef<strong>und</strong>en." Übrigens, Herr Rohwer, da hätten Sie das<br />

Landesjugendhilfegesetz als Stellungnahme mitbringen müssen, sonst<br />

müssen Sie wirklich die B<strong>und</strong>esgesetze ändern. Sie haben gerade der<br />

SPD-Fraktion vorgeworfen, dass sie das machen will. Hier haben Sie<br />

geschrieben, Sie wollen das machen. Das verstehe ich nicht; aber<br />

das ist nicht der wichtigste Beschluss, den Sie falsch gefasst<br />

haben.<br />

(Vereinzelt Beifall <strong>und</strong> Gelächter bei der PDS)<br />

Dann schreiben Sie weiter: "In der Neufassung des Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendhilfegesetzes wird eine Verbesserung der Koordinierung<br />

vorgesehen." Das war also 1996. Ich bin noch bei der Zeitleiste,<br />

damit wir klarsehen. Im Referentenentwurf der Staatsregierung 1997<br />

zur Änderung des Landesjugendhilfegesetzes fanden wir die<br />

Formulierung, wie sie jetzt von der Mehrheitsfraktion<br />

festgeschrieben wurde. Wieder forderten Anfang 1997 die freien<br />

Träger der Jugendhilfe, dass das <strong>Sächsische</strong> Landesjugendamt<br />

verbindlich als oberste Landesjugendbehörde beim SMS ist.<br />

(Rohwer, CDU: Herr Tischendorf, geben<br />

Sie zu, dass Sie abgeschrieben haben!)<br />

Wie wir wissen, war es erfolglos. Es gab keinerlei Aktivitäten<br />

trotz des Gesetzesbeschlusses in der Praxis. Ihre Mehrheitsfraktion<br />

verschob die Entscheidung in die alleinige Verantwortung der<br />

Staatsregierung. Passiert ist seitdem nichts. Jetzt, fast vier<br />

Jahre nach Ihrem Parteitagsbeschluss, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von<br />

der CDU-Fraktion, kommt Ihr so konstruktiv geführter Dialog mit der<br />

Staatsregierung zum Ergebnis, was, wie gesagt, schon Mitte der<br />

neunziger Jahre in der sächsischen Fachöffentlichkeit unumstritten<br />

war.<br />

Nun wage ich ja gar nicht laut darüber nachzudenken, welchen<br />

Zeitraum dieser Erkenntnisprozess benötigt hätte, wenn er entgegen<br />

Ihrem Beschluss nicht so konstruktiv gelaufen wäre.<br />

(Gelächter bei der PDS)<br />

Aus unserer Sicht kam die <strong>Sächsische</strong> Staatsregierung allemal zu<br />

spät zur richtigen Entscheidung. Das begründet auch, warum wir<br />

weiterhin daran festhalten, dass solche Entscheidungen nicht über<br />

den Verordnungsweg, sondern im Parlament beschlossen werden.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Aber, meine <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, um auch ein Stück weit<br />

konstruktiv in die Zukunft zu schauen: Sehr geehrte Abgeordnete der<br />

CDU-Fraktion, stellen Sie sich einen kurzen Moment vor, im Jahr<br />

2004 heißt der Ministerpräsident Porsch oder von mir aus auch Jurk.<br />

(Heiterkeit bei der CDU)


- Ja ja, ich weiß schon, was Sie mir sagen wollen. Das können Sie<br />

nicht verhindern. Da haben Sie durchaus Recht.<br />

Wenn Sie heute unserem Gesetzentwurf zustimmen, dann könnten Sie<br />

wenigstens für die Zukunft auf dem Gebiet der Jugendhilfe den<br />

Innovationsstillstand in der <strong>Sächsische</strong>n Staatsregierung von<br />

vornherein ausschließen. Außerdem hätten Sie Ihren<br />

Parteitagsbeschluss von 1996 umfassend erfüllt.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich finde, mehr können Sie<br />

von der PDS-Fraktion nun wirklich nicht verlangen. Sie könnten das<br />

mal ein Stück weit würdigen.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Die zweite Änderung zu dem Gesetzentwurf betrifft die Einordnung<br />

des <strong>Sächsische</strong>n Landesjugendamtes. Vieles wurde schon dazu<br />

gesprochen. Die gegenwärtige Anbindung lediglich als Abteilung<br />

entspricht aus Sicht der PDS-Fraktion - mein Vorredner hat es schon<br />

gesagt - keinesfalls modernen Anforderungen an zukunftsfähige<br />

Jugendpolitik. Wir sehen das ganz bewusst anders. In der Anhörung<br />

zum Gesetzentwurf wurde bei aller Unterschiedlichkeit der<br />

Auffassungen in der Sache von nahezu allen Sachverständigen - <strong>und</strong><br />

ich denke, das werden Sie, Herr Rohwer, auch nicht bestreiten - auf<br />

die kommenden Aufgaben in der Jugendhilfe b<strong>und</strong>esweit hingewiesen.<br />

Jetzt sage ich eines ganz bewusst: <strong>Der</strong> Einzige, der von den<br />

Anwesenden am Ende der Anhörung völlig neben dem Thema stand, waren<br />

Sie, Herr Staatsminister Geisler. Ich möchte ganz kurz zitieren,<br />

was das Fazit einer zweieinhalbstündigen Anhörung aus Ihrer Sicht<br />

war:<br />

"Dann bleibt als Einziges übrig, Sie haben nicht an mich die<br />

Forderung gestellt, dass ich statt Abteilungsleiter den Titel<br />

'Präsident' vergebe." - Hier ist der Leiter des <strong>Sächsische</strong>n<br />

Landesjugendamtes gemeint. - "Etwas anderes ändert sich nicht. Dass<br />

ich also nur noch einen Präsidenten küre, halte ich für insgesamt<br />

wenig weiterführend." - Ende Ihres Zitates.<br />

Herr Staatsminister, ich war bisher der Meinung, dass solche<br />

inhaltsleeren Aussagen bei Ihnen die Ausnahme sind. Ich muss aber<br />

ehrlich zugeben, nach meiner erst kurzen Zeit im <strong>Sächsische</strong>n<br />

<strong>Landtag</strong> werde ich meine Sachen noch mal revidieren. Ich denke, dies<br />

ist so nicht mehr haltbar. Ich nenne Ihnen mal paar Beispiele.<br />

Da fangen wir gleich wieder beim heutigen Gesetzentwurf an. Zur<br />

Erinnerung: Am 13.10. - Herr Rohwer, für Ihren Kalender, damit Sie<br />

da wieder klarkommen - haben wir das Gesetz eingebracht. Am 15.<br />

Dezember konstituierte sich der <strong>Sächsische</strong><br />

Landesjugendhilfeausschuss. Sehr schön, Herr Staatsminister Geisler<br />

war da. <strong>Der</strong> Leiter des Landesjugendamtes <strong>und</strong> Herr Staatsminister<br />

Geisler begründeten die Aufgaben für die nächsten Jahre, die vor<br />

dem Ausschuss stehen.<br />

In der Grußansprache sagte der Minister, er werde sich immer dafür<br />

einsetzen, dass der Landesjugendhilfeausschuss rechtzeitig <strong>und</strong><br />

umfassend an allen Dingen der Jugendhilfe beteiligt wird.<br />

Entgegen diesem Versprechen lag aber den Ausschussmitgliedern bis<br />

zu diesem Tag im Dezember der Gesetzentwurf der PDS nicht vor. Es<br />

wurde überhaupt nicht in Ihrer Rede darüber informiert. Erst<br />

nachdem ich in der Sitzung das Thema im Landesjugendhilfeausschuss<br />

auf die Tagesordnung gebracht habe, beschloss der Ausschuss<br />

einstimmig sich damit zu beschäftigen. Und am 8. März - mein


Vorredner sagte es scbon - stimmte der Landesjugendhilfeausschuss<br />

beiden Punkten unseres Gesetzentwurfes zu.<br />

Also wenn Sie wirklich mal was in Richtung Anerkennung der freien<br />

Jugendhilfe <strong>und</strong> der Beteiligung machen wollen, kann ich Ihnen nur<br />

sagen, dann stimmen Sie diesem Gesetz zu.<br />

Sie aber, nachdem ich die Diskussion angeleiert hatte,<br />

(Teilweise Heiterkeit)<br />

Sie argumentierten leidenschaftlich dagegen, dass das<br />

Landesjugendamt <strong>und</strong> damit auch der Ausschuss landespolitisch<br />

aufzuwerten seien. Und jetzt kommts: Sie begründeten - <strong>und</strong> das ist<br />

ganz toll, Herr Staatsminister - Ihre Ablehnung u. a. damit, dass<br />

der Abteilungsleiter 5 des <strong>Sächsische</strong>n Landesamtes für Familie <strong>und</strong><br />

Soziales, also der Leiter des <strong>Sächsische</strong>n Landesjugendamtes, bei<br />

Ihnen ein ganz besonderes Privileg besitzt. Sie sagten, der könnte<br />

jederzeit unter Umgehung des Leiters seiner Behörde bei Ihnen<br />

anrufen, wenn ihm danach wäre. - Das war die Begründung für die<br />

Ablehnung unseres Gesetzentwurfes.<br />

Herr Staatsminister, das mag ja aus Ihrer Sicht das Beste für die<br />

Fortentwicklung der Jugendhilfe in Sachsen sein. Wir setzen dann<br />

andere Akzente. Wir möchten ganz gern, dass in dem Gesetz die<br />

Stärkung der Jugendhilfe vorangetrieben wird. Wir setzen nicht auf<br />

blindes Vertrauen von internen Telefon-Talks.<br />

(Unruhe im Saal)<br />

Und übrigens: Ihr Telefon-Management scheint auch nicht zu<br />

funktionieren. Das wird schon allein daran deutlich, dass Sie es<br />

ganz offensichtlich nicht einmal geschafft haben, den Leiter des<br />

Landesjugendamtes in dieser Zeit von Oktober bis Dezember über<br />

unseren Gesetzentwurf zu informieren, so dass sich zeitnah der<br />

Landesjugendhilfeausschuss daran hätte beteiligen können.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Wer hat da angerufen?)<br />

- Das weiß ich nicht. Das wird der Herr Minister selber dann<br />

beantworten, wie es wirklich war.<br />

Zweites Beispiel - da muss ich Sie schon noch ein Stück weit<br />

strapazieren. Mit nun schon zur Tradition gewordener Regelmäßigkeit<br />

fordert das Landesjugendamt jedes Mal bei Haushaltsberatungen, dass<br />

dem Landesjugendhilfeausschuss, wie im § 11 Landesjugendhilfegesetz<br />

festgeschrieben, alle jugendhilferelevanten Haushaltstitel des<br />

Planentwurfs zur Stellungnahme vorgelegt werden. Das betrifft neben<br />

den Haushaltstiteln des Sozialministeriums <strong>und</strong> früher des<br />

Kultusministeriums auch die Haushaltstitel des Innenministeriums,<br />

z. B. der Jugendfeuerwehren, des Umweltministeriums, z. B. der<br />

Landjugend; alles eindeutig Aufgaben im Sinne der Jugendhilfe, an<br />

der der Ausschuss zu beteiligen ist.<br />

Diese mehrfach vom Ausschuss geäußerte Erwartung hat jedoch die<br />

<strong>Sächsische</strong> Staatsregierung nie dazu bewogen, dem wenigstens<br />

ansatzweise nachzukommen. Diese Verfahrensweise gibt Aufschluss<br />

über die Wertigkeit der Jugendhilfe in der <strong>Sächsische</strong>n<br />

Staatsregierung.<br />

Noch eins apropos Haushalt: Bezeichnend ist für mich, dass es seit<br />

1992 den Landesjugendhilfeausschuss gibt, aber er hat nicht einmal<br />

eine eigene Haushaltsstelle in der Staatsregierung. Das heißt, über<br />

den Sammeltitel kann man eventuell etwas beantragen. Aber das hat<br />

etwas mit Wertigkeit zu tun.<br />

So verw<strong>und</strong>ert es auch nicht - Herr Rohwer hats ja angesprochen -,<br />

dass das SMS nun den Titel "Jugend" im Briefkopfbogen schreibt,


jedoch wenn Sie mit dem Anliegen wirklich Ernst machen würden, dann<br />

müssten Sie natürlich auch in Ihrem Ministerium irgendwann mal<br />

deutlich machen, dass es eine Abteilung Jugend gibt. Schauen Sie<br />

sich den Strukturplan an; da finden Sie das nicht. Das scheint auch<br />

nicht in Reichweite zu sein.<br />

Abschließend, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>: Eines hat die Anhörung zum<br />

Gesetzentwurf auch gezeigt - Slogans sind ja aktuell; Sie haben<br />

einen von Gorbatschow genannt; ich nenne einen, den kennen Sie<br />

bestimmt auch -: "Von Bayern lernen heißt siegen lernen."<br />

(Jurk, SPD: Das haben wir früher<br />

anders gelernt!)<br />

<strong>Der</strong> Leiter des Bayerischen Landesjugendamtes, Dr. Sauter, der ja<br />

von uns als Sachverständiger eingeladen war, machte aus meiner<br />

Sicht überzeugend deutlich, wie im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit<br />

im Bereich der Verwaltung <strong>und</strong> Organisation trotz Schaffung einer<br />

eigenständigen Jugendbehörde Synergieeffekte erzielt werden: "Ich<br />

sehe es genau anders herum, nämlich in dem Fall, indem man<br />

geeignete Aufgaben mit anderen Behörden zusammenlegt." Das wurde<br />

dort deutlich.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Abschließend wies Herr Dr.<br />

Sauter noch einmal auf die Wichtigkeit der heutigen Entscheidung<br />

hin. Erlauben Sie mir noch ein Zitat. <strong>Der</strong> Leiter des Bayerischen<br />

Landesjugendamtes sagte: "Die Frage der Eigenständigkeit der<br />

Jugendhilfebehörden <strong>und</strong> der Jugendhilfestruktur ist schon auch eine<br />

Frage der Wertschätzung der Jugendhilfe als eigenständiger<br />

politischer Gestaltungsbereich. Niemand käme auf die Idee, die<br />

Eigenständigkeit der Polizeiverwaltung oder der Finanzverwaltung<br />

infrage zu stellen. Niemand würde das kritisieren <strong>und</strong> würde das<br />

infrage stellen. Aber man stellt immer wieder die Eigenständigkeit<br />

der Jugendhilfeverwaltung infrage. Und das hat etwas damit zu tun,<br />

mit der Wertschätzung <strong>und</strong> mit dem Sinn von politischem<br />

Gestaltungsverständnis." - Zitatende.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Mit dem von uns vorgelegten<br />

Gesetzentwurf erhält das Hohe Haus heute eine gute Gelegenheit, den<br />

Stellenwert der Jugendhilfe im Freistaat Sachsen neu zu bestimmen.<br />

Im Interesse der Stärkung der sächsischen Jugendhilfe bittet meine<br />

Fraktion um Zustimmung.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Das Wort hat die Staatsregierung; Herr<br />

Staatsminister Dr. Geisler, bitte.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die PDS-Fraktion<br />

hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie schon mehrfach hier zitiert,<br />

der eine Änderung des Landesjugendhilfegesetzes in zwei Punkten<br />

verfolgt.<br />

Erstens soll im Landesjugendhilfegesetz festgelegt werden, dass in<br />

Sachsen das <strong>Sächsische</strong> Staatsministerium für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Jugend <strong>und</strong> Familie als oberste Landesjugendbehörde bestimmt wird.<br />

Dazu ist zu sagen, dass dieses Anliegen mittlerweile gegenstandslos<br />

ist, denn es gibt kein Wahlversprechen, Herr Neubert, es gibt kein<br />

Wahlversprechen, dass diese Einheitlichkeit bei einer obersten<br />

Landesjugendbehörde gesetzlich festgelegt werden soll. Dieses<br />

werden Sie nirgends finden. Vielleicht bei Ihnen, aber nicht bei<br />

den Aussagen der CDU.


Und nun lassen Sie mich dazu noch etwas anderes aus den letzten<br />

aktuellen politischen Ereignissen in Deutschland in Ihre Erinnerung<br />

rufen. Die Frage der Verteilung von Ressorts ist in allen<br />

B<strong>und</strong>esländern ursächliche Verantwortung des Ministerpräsidenten,<br />

die bei Koalitionsverhandlungen <strong>sehr</strong> wohl berücksichtigt wird <strong>und</strong><br />

entsprechend den Wertigkeiten von Parteien in ihrer Wahlaussage <strong>und</strong><br />

den Ergebnissen von Wahlen entsprechend verändert wird.<br />

Das jüngste Beispiel Rot-Grün in NRW mit der Veränderung des<br />

Ministeriums von Frau Höhn, aber auch bei der PDS in den<br />

Verhandlungen in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Zuschnitt für Herrn<br />

Holter sind aktuell-politische Entscheidungen, wie Ressorts<br />

zugeschnitten werden. Von daher ist die Zuordnung im<br />

Sozialministerium nicht für immer festzuschreiben <strong>und</strong> würde den<br />

politischen Gegebenheiten <strong>und</strong> auch der Verantwortung an der Stelle<br />

der jeweils Handelnden, also Ministerpräsidentenkandidaten bzw.<br />

gegebenenfalls Koalitionsführern bei entsprechenden Verhandlungen,<br />

widersprechen.<br />

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?<br />

- Sie müssen sich jetzt nur einigen: Herr Porsch oder Herr Neubert?<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Immer die<br />

Jugend! - Heiterkeit)<br />

- Herr Neubert, ja? - Also Herr Neubert zuerst. Bitte.<br />

Neubert, PDS: Herr Minister, Sie haben eben gesagt, dass der<br />

Ministerpräsident immer die Zuständigkeit beschreibt <strong>und</strong> dass das<br />

immer sozusagen am Anfang der Debatte ist.<br />

Warum ist dann zum Beispiel im <strong>Sächsische</strong>n Ges<strong>und</strong>heitsdienstgesetz,<br />

also auch sozusagen in Ihrem Bereich, das SMS als oberste<br />

Landesges<strong>und</strong>heitsbehörde festgeschrieben?<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Weil es in dieser Frage bisher aus Tradition keine<br />

Differenzen bezüglich der Zuordnung gegeben hat. Sie haben völlig<br />

Recht, dass man solche Dinge - <strong>und</strong> das hat sich ja in den Zurufen<br />

auch geäußert - durch Gesetze wieder verändern kann. Das ist<br />

richtig.<br />

Aber die Zuordnung gerade in diesen Bereichen von Jugend ist <strong>sehr</strong><br />

verschieden in den einzelnen B<strong>und</strong>esländern geschehen. Die Regelung<br />

beim öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst ist auch darin zu suchen, dass<br />

wir in den vergangenen 40 Jahren eine Entwicklung in Deutschland<br />

hatten, die relativ einhellig war. Schließlich kam es auch bei dem<br />

letzten B<strong>und</strong>esland, das es noch nicht so geregelt hatte - das war<br />

Bayern -, vor drei Jahren in die Zuständigkeit des Ressorts, in dem<br />

Soziales, Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Jugend häufig - aber nicht immer -<br />

zusammengefasst sind. Und dann gibt es auch, wie Sie ja in<br />

Mecklenburg-Vorpommern mit dem speziellen Wunsch seitens der PDS<br />

sehen, eine besondere Struktur bezüglich Arbeit.<br />

Insofern sind dies wirklich Fragen, die sinnvollerweise nicht in<br />

der Art, wie Sie das gesagt haben, generell gesetzlich geregelt<br />

werden, sondern es hat eine Entwicklung in unterschiedlichen<br />

Fachbereichen gegeben, die Sie nicht alle über einen Kamm scheren<br />

können. Da gibt es keine Einheitlichkeit <strong>und</strong> nicht nur einen<br />

Königsweg.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Von daher, denke ich, ist es<br />

sachgerecht, dass es auch in Sachsen diese Entwicklung gegeben hat,<br />

die jetzt zu der Zuordnung in ein Ministerium - gegenwärtig in das,<br />

wofür ich Verantwortung trage - geführt hat. Und ich möchte <strong>sehr</strong>


deutlich sagen, dass ich die immer wieder geäußerte Kritik an<br />

meinem Kollegen Herrn Rößler in dieser Weise nicht mittrage.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Dass es Schwierigkeiten in den Verfahrensfragen gibt, wie sie auch<br />

Frau Ludwig gerade bezüglich der Pauschalierung angesprochen hat,<br />

werden wir in der Umsetzung von Pauschalierung in der Zukunft noch<br />

erleben. Ich kann - <strong>und</strong> darauf möchte ich <strong>sehr</strong> deutlich hinweisen -<br />

überhaupt nicht verstehen, Frau Ludwig, wie Sie von einem<br />

überfallartigen Vorschlag reden können.<br />

(Frau Ludwig, SPD: Das habe ich so empf<strong>und</strong>en!)<br />

Und die, die Sie dort zitiert haben, müssen sich dann, falls Ihre<br />

Mitteilungen richtig sind, doch fragen lassen, wo sie zum Beispiel<br />

Anfang April gewesen sind. Wenn ich Sie richtig verstanden habe,<br />

haben Sie auch die Jugendamtsleiter zitiert. Ich habe die<br />

Jugendamtsleitertagung Anfang April besucht. Das war vor<br />

zweieinhalb Monaten. Da kann man nicht mehr von Überfall reden.<br />

Dort waren mindestens 90 % der Jugendamtsleiter anwesend <strong>und</strong> ich<br />

habe ihnen über unsere Vorstellungen berichtet. Es gab auch<br />

öffentliche Veranstaltungen im Herbst letzten Jahres, auf denen ich<br />

über Pauschalierung gefragt wurde <strong>und</strong> darauf auch geantwortet habe.<br />

Pauschalierung ist in anderen Bereichen des Sozialministeriums, zum<br />

Beispiel im Ges<strong>und</strong>heitsbereich, nichts Neues <strong>und</strong> auch im Bereich<br />

der Jugend nichts generell Neues. Zum Beispiel hat es bei Kultus<br />

durchaus die Frage der pauschalierten Förderung von Jugendferien-,<br />

Jugendbildungsmaßnahmen gegeben; nicht in Richtung Kommunen,<br />

sondern in Richtung Verbände.<br />

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr<br />

Minister?<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: - Ja, bitte.<br />

Präsident Iltgen: Frau Ludwig.<br />

Frau Ludwig, SPD: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die<br />

Einführung der Pauschalfinanzierung in Sachsen-Anhalt zwei Jahre<br />

gedauert hat?<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Und zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)<br />

Also erst einmal Ja <strong>und</strong>: zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt<br />

hat. - Ich habe geantwortet.<br />

(Frau Ludwig, SPD: Ich hätte noch mehr<br />

Fragen. Mal sehen, wie lange Sie mich lassen!)<br />

Präsident Iltgen: Sie möchten noch eine weitere Frage stellen?<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: - Nein, danke.<br />

Von daher haben wir <strong>sehr</strong> wohl Vorstellungen, die nicht mit dem<br />

übereinstimmen, was Sie hier vorgetragen haben.<br />

(Frau Ludwig, SPD: Ich hatte zu wenig Zeit!)<br />

Insofern sage ich noch einmal - es ist ja nicht das erste Mal, dass<br />

wir hier darüber reden - -<br />

(Frau Ludwig, SPD: Sie haben es bisher<br />

immer abgelehnt!)<br />

- Das stimmt ja nicht, wie ich es Ihnen gerade schon gesagt habe.<br />

Präsident Iltgen: Herr Minister, vielleicht lassen Sie doch eine<br />

Zwischenfrage zu?


Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Ich denke, es ist erst einmal sinnvoll, dass ich diesen<br />

Teil vortrage <strong>und</strong> nicht durch Fragen immer wieder auf andere Bahnen<br />

gelenkt werde, die nicht direkt zum Thema gehören.<br />

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Volkmer, SPD)<br />

- Auf schöne Bahnen, ja, um Unsicherheit auszulösen, Frau Dr.<br />

Volkmer, das wissen wir schon.<br />

Insofern, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, will ich Ihnen kurz etwas dazu<br />

sagen, wie die Pauschalierung im Augenblick in der Vorbereitung<br />

ist. Sie lautet: Es wird keine generelle Pauschalierung geben, denn<br />

es wird weiterhin Finanzierungsbedarf bestehen, der nicht über den<br />

Kreis, sondern landesweit zu organisieren ist. Insofern wird es<br />

sowohl Pauschalierung als auch weiterhin über das Landesjugendamt<br />

auszuführende Förderung geben.<br />

Diese betrifft zum Beispiel die institutionelle Förderung für die<br />

landesweiten Verbände, aber im Wesentlichen auch die<br />

Investitionsförderung, soweit sie noch für notwendig erachtet wird,<br />

weil diese nicht gleichmäßig in den einzelnen Landkreisen jährlich<br />

läuft.<br />

Ganz anders sieht es mit den Förderungen der Fachkräfte aus. Dabei<br />

muss ich auch wieder differenzieren zwischen den Fachkräften, die<br />

bei den landesweiten Verbänden sind, sonst kommen gleich wieder<br />

erschreckte Anfragen, das könne doch nicht über die Kreise<br />

organisiert werden. Nein, das soll auch nicht über die Kreise<br />

organisiert werden, sondern es geht dabei um die Fachkräfte, die<br />

bisher mit einer anteiligen Finanzierung von Kommunen, Landkreisen<br />

<strong>und</strong> dem Land finanziert werden, wo jetzt eine Pauschalierung in<br />

Richtung Landkreise <strong>und</strong> kreisfreie Stadt organisiert werden soll.<br />

Dabei habe ich auf dieser von mir schon erwähnten Tagung der<br />

Jugendamtsleiter <strong>sehr</strong> deutlich gesagt, dass wir eine Parallelität<br />

im Jahre 2001 zwischen alter Förderung <strong>und</strong> neuer Förderung laufen<br />

lassen werden, dass die Antragstellung nach alter Förderung<br />

geschieht, damit keine Unsicherheit passiert <strong>und</strong> man auch einen<br />

Übergang schaffen kann, dass die bis dahin auszuarbeitenden<br />

Kriterien <strong>und</strong> Maßstäbe bedacht bzw. der Entscheidung parallel<br />

zugr<strong>und</strong>e gelegt werden können. Insofern gibt es durchaus einen<br />

fließenden Übergang, nicht nur wenige Wochen, wenige Monate,<br />

sondern einen wahrscheinlich über ein Jahr oder anderthalb Jahre<br />

gehenden Prozess.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Ich denke, damit ist deutlich geworden,<br />

dass dies nicht den Vorstellungen, was wir vorhaben, entspricht,<br />

die hier gerade von Frau Ludwig referiert worden sind.<br />

Ein Weiteres möchte ich sagen. Wenn von der Zweigliedrigkeit durch<br />

meine Kollegin Frau Nicolaus gesprochen worden ist, dann geht es um<br />

einen Diskussionsprozess, der in der Zeit der Verantwortung der<br />

rot-grünen B<strong>und</strong>esregierung zustande gekommen ist. Die<br />

Zweigliedrigkeit der Jugendhilfe ist in der Zeit davor nicht<br />

infrage gestellt worden. Wir haben diese Zweigliedrigkeit weiterhin<br />

als B<strong>und</strong>es-CDU-Fraktion als sachgerechte Lösung bestätigt. Darum<br />

ging es hier ganz eindeutig. Wir halten sie nach den Erfahrungen,<br />

die wir gemacht haben, auch weiterhin in Sachsen für sachgerecht.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, nun zu dem zweiten Punkt: die direkte,<br />

unmittelbare Unterstellung des Landesjugendamtes unter die oberste<br />

Landesjugendbehörde. Und da, Herr Tischendorf, ist es für mich kein<br />

Spaß, wenn ich etwas zugespitzt - oder wie Sie es sagen


"kompetenzverneinend" - formuliert habe. Es kann doch nicht sein<br />

oder ich halte es nicht für <strong>sehr</strong> zielführend oder aufwertend oder<br />

bedeutungsfördernd, wenn ich einen Abteilungsleiter zum Präsidenten<br />

oder Leiter eines Amtes befördere. Von daher ist der Vergleich, wie<br />

Sie ihn meinetwegen mit Bayern oder mit der Polizeiverwaltung<br />

gemacht haben, eben wenig - jetzt sage ich es auch einmal etwas<br />

zugespitzt - von Sachkompetenz getrübt.<br />

Denn es geht beim Landesjugendamt um die Größe der Behörde, die ich<br />

nicht bloß deswegen verdoppele oder verdreifache, damit sich dann<br />

eine Größe ergibt, die eine Eigenständigkeit ermöglicht.<br />

Bei dem Vergleich mit Bayern müssen Sie immerhin sehen, dass sie<br />

wegen der Größe des Landes eine Viergliedrigkeit gerade in den<br />

Fragen der sozialen Strukturen haben, die wir in der gesamten<br />

Landesverwaltung nicht haben. Es gibt dort die Bezirke <strong>und</strong> diese<br />

spielen wegen der Größe des Landes eine andere Rolle <strong>und</strong> auf diese<br />

haben wir in Sachsen sachgerechterweise verzichtet.<br />

Es hat dann natürlich Auswirkungen auf die Größe der<br />

Landesjugendbehörde, wenn man damit dreimal so viel Bevölkerung<br />

organisatorisch-dienstleistungsmäßig versorgen muss. So ist auch<br />

meinetwegen der Vergleich mit der Polizeiverwaltung in Sachsen<br />

überhaupt nicht relevant. Die Größe der Polizeiverwaltung werden<br />

wir mit der Jugendverwaltung nie erreichen <strong>und</strong> auch nicht<br />

anstreben. Es geht um eine Größe, die weit unter 100 Personen<br />

liegt.<br />

Wenn wir die Pauschalierung in dem von mir jetzt gerade<br />

geschilderten Rahmen durchführen, wird dies zu einer weiteren<br />

mindestens zwanzigprozentigen Reduzierung des Personals im<br />

Landesjugendamt führen, denn diese Aufgaben werden dann dort nicht<br />

mehr vollzogen. Die betreffenden Förderbescheide sind dort nicht<br />

mehr zu bearbeiten. Damit ist dieses Personal auch nicht mehr<br />

weiter dort verantwortbar einzusetzen <strong>und</strong> die Behörde wird noch ein<br />

Stückchen kleiner.<br />

Für so kleine Behörden alleine den ganzen anderen allgemeinen<br />

Verwaltungsaufwand aufzubauen - das haben wir uns <strong>sehr</strong> wohl 1990/91<br />

überlegt <strong>und</strong> eindeutig entschieden -, das ist nicht zu<br />

verantworten. Aber um dieser inhaltlich herausgehobenen Situation<br />

gerecht zu werden, ist es nicht nur die Frage, dass der Leiter des<br />

Landesjugendamtes - der er ja ist <strong>und</strong> dessen Titel auch so lautet,<br />

unabhängig davon, dass er in einer Struktureinheit ein<br />

Abteilungsleiter ist; trotzdem ist er Leiter des Landesjugendamtes<br />

in dieser von Ihnen geforderten Bezeichnung - jederzeit den<br />

direkten Zugang zu mir hat <strong>und</strong> damit die Frage der fachlichen<br />

Verantwortung wahrnehmen kann. Er ist nicht daran geb<strong>und</strong>en, dass er<br />

sich dort erst die Zustimmung von einem - <strong>und</strong> damit die Wertigkeit<br />

gegebenenfalls nicht akzeptierenden - Präsidenten eines Amtes<br />

einholen muss.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Ich denke, wir haben damit deutlich<br />

gemacht, dass dieses Gesetz, so wie es uns heute zur Entscheidung<br />

vorliegt, nicht mehr notwendig ist bzw. unseren Vorstellungen <strong>und</strong><br />

Verantwortlichkeiten nicht sachgerecht entspricht. Ich bitte dieses<br />

Gesetz abzulehnen.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU)


Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit ist die Aussprache<br />

zum Gesetzentwurf der Fraktion der PDS zur Änderung des<br />

Landesjugendhilfegesetzes abgeschlossen.<br />

Wir kommen jetzt zu den Einzelberatungen. Ich schlage vor, dass wir<br />

über die Artikel dieses Änderungsgesetzes einzeln abstimmen. Dazu<br />

wird jetzt das Wort gewünscht? - Bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Präsident! Wir möchten bitten, dass über die<br />

beiden Paragraphen im Artikel 1 getrennt abgestimmt wird. Es<br />

handelt sich um zwei Sachverhalte <strong>und</strong> möglicherweise findet der<br />

eine der beiden die Zustimmung. Deshalb möchten wir bitten, nicht<br />

artikelweise, wie Sie jetzt vorgeschlagen haben, sondern punktweise<br />

abzustimmen.<br />

Präsident Iltgen: Ich will mich noch einmal vergewissern. Wir<br />

stimmen jetzt ab über § 10 <strong>und</strong> § 15?<br />

Dr. Hahn, PDS: Ja.<br />

Präsident Iltgen: Okay. <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit kommen wir<br />

zur Abstimmung: Gesetz zur Änderung des Landesjugendhilfegesetzes,<br />

Gesetzentwurf der PDS, Drucksache 3/0026. Wir beginnen mit Artikel<br />

1, mit § 10. Wer dem § 10 des Gesetzes die Zustimmung geben möchte,<br />

den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer<br />

enthält sich? - Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür <strong>und</strong> bei<br />

Stimmenthaltungen ist der § 10 im Artikel 1 mehrheitlich abgelehnt<br />

worden.<br />

Ich lasse abstimmen über § 15 - das vereinfacht die Sache jetzt<br />

etwas - im Artikel 1. Wer dem § 15 im Artikel 1 die Zustimmung<br />

geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Gleiches<br />

Abstimmungsverhalten, damit Ablehnung.<br />

Ich lasse abstimmen über die übrigen Paragraphen in Artikel 1. Wer<br />

diesem Artikel 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der<br />

Stimme? - Gleiches Abstimmungsverhalten, damit abgelehnt.<br />

Ich lasse abstimmen über Artikel 2 In-Kraft-Treten. Wer dem Artikel<br />

2 des Gesetzentwurfes zustimmen möchte, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der<br />

Stimme? - Bei Stimmenthaltungen <strong>und</strong> einer größeren Anzahl von<br />

Stimmen dafür ist der Artikel 2 mehrheitlich abgelehnt. Damit<br />

erübrigen sich weitere Abstimmungen. <strong>Der</strong> Gesetzentwurf ist dann<br />

insgesamt abgelehnt.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit ist auch die Beratung zu<br />

Tagesordnungspunkt 1 Gesetzentwurf beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 2<br />

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung aufwandsentschädigungs<strong>und</strong><br />

besoldungsrechtlicher Vorschriften<br />

Drucksache 3/1876, Gesetzentwurf der Fraktion der CDU<br />

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums darüber vor eine<br />

Aussprache zu führen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e spricht nur der Einreicher,<br />

die Fraktion der CDU. Ich bitte das Wort zu nehmen. Herr Bandmann,<br />

bitte.<br />

Bandmann, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! <strong>Der</strong> vorliegende Gesetzentwurf hat im Wesentlichen zwei<br />

Punkte zum Gegenstand: Die starre Regelung der<br />

Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Ortsvorsteher soll durch<br />

eine flexible Festsetzung durch den Gemeinderat ersetzt werden. Die


Anrechnung von Dienstzeiten bei der Festsetzung der<br />

Besoldungsgruppe, die im Gegensatz zur bisherigen Regelung auch in<br />

anderen Gebietskörperschaften geleistet worden sind, soll anerkannt<br />

werden.<br />

Bei der Umsetzung der kommunalen Besoldungsordnung <strong>und</strong> der<br />

Aufwandsentschädigungsverordnung haben sich in der Vergangenheit<br />

Konstellationen gezeigt, die aus unserer Sicht einer Neuregelung<br />

bedürfen, um in der Praxis aufgetauchte Gewichtungsprobleme zu<br />

beseitigen.<br />

Zum ersten Punkt, zur Aufwandsentschädigung: <strong>Der</strong>zeit besteht für<br />

die Aufwandsentschädigung für Ortsvorsteher lediglich eine starre<br />

<strong>und</strong> unflexible Regelung. Danach erhalten Ortsvorsteher 30 % der<br />

Entschädigung von ehrenamtlichen Bürgermeistern.<br />

Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Höhe der<br />

Aufwandsentschädigung besteht nicht. Einige Gemeinden haben diese<br />

starre Regelung als unausgewogen kritisiert, da eine Diskrepanz<br />

besteht zwischen der Entschädigung von Gemeinderäten <strong>und</strong> der<br />

Entschädigung für Ortsvorsteher. Da aber gerade die Gemeinderäte<br />

häufig einen erheblich höheren Arbeitsaufwand haben als<br />

Ortsvorsteher, muss es hier zu einer Flexibilisierung kommen.<br />

Die bisherige starre Regelung soll daher, um dieser Unterscheidung<br />

angemessen Rechnung tragen zu können, eine flexible Festlegung<br />

erhalten, deren Höchstbetrag der derzeitigen entsprechen soll.<br />

Allerdings soll die Entscheidung den Gemeinderäten vorbehalten<br />

bleiben. Die Gemeinderäte haben am besten die Möglichkeit, unter<br />

Beachtung der Aufgaben <strong>und</strong> des Verantwortungsumfanges zu<br />

beurteilen, wie die Aufwandsentschädigung der Ortsvorsteher<br />

individuell festgesetzt werden soll.<br />

<strong>Der</strong> zweite Punkt. Bisher war es für die Einstufung von kommunalen<br />

Wahlbeamten in eine höhere Besoldungsgruppe erforderlich, dass<br />

diese bei der nächsten Wahl wieder gewählt worden sind, was<br />

frühestens nach sieben Amtsjahren der Fall war. Eine<br />

Übergangsregelung für die Bürgermeister nach dem Ende der DDR-<br />

Diktatur wurde im Vorfeld der Gemeindegebietsreform durch § 7<br />

geschaffen, wonach eine Amtszeit von sieben Jahren insgesamt<br />

ausreichend war, wenn es sich bei der Gemeinde um einen<br />

Rechtsnachfolger handelt.<br />

Beide Regelungen berücksichtigten jedoch nicht, dass es kommunale<br />

Wahlbeamte gab, die erst in einer <strong>und</strong> später dann anschließend in<br />

einer anderen Gemeinde ihr Amt wahrgenommen haben, letztere aber<br />

eben nicht Rechtsnachfolger war. Das hat dazu geführt, dass das<br />

Engagement der kommunalen Wahlbeamten nicht lückenlos anerkannt<br />

wurde.<br />

Gerade das wollen wir. Wir wollen, dass sich der Einsatz der<br />

kommunalen Wahlbeamten auch niederschlagen soll <strong>und</strong> nicht abhängig<br />

gemacht wird von einer Wiederwahl, sondern dass in Zukunft diese<br />

Dinge angemessen gewürdigt werden können, ohne dass das Erfordernis<br />

der Wiederwahl gänzlich entfallen muss, sondern dass dies durch<br />

Addierung von Anrechnungszeiten aller Dienstzeiten ersetzt wird.<br />

Ich denke, das ist eine gerechtere Lösung <strong>und</strong> es kommt der<br />

Situation im Lande durch Gemeindegebietsreform <strong>und</strong> durch<br />

Veränderung besser entgegen. Es kann nicht weiter fortgeführt<br />

werden wie in der Vergangenheit, wo es eben doch zu<br />

Ungerechtigkeiten gekommen ist.


Wir bitten diesen Gesetzentwurf an den Innenausschuss -<br />

federführend - <strong>und</strong> an den Haushalts- <strong>und</strong> Finanzausschuss zur<br />

Beratung zu überweisen <strong>und</strong> bitten um Ihre Zustimmung.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Das Präsidium schlägt<br />

Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung aufwandsentschädigungs<strong>und</strong><br />

besoldungsrechtlicher Vorschriften an den Innenausschuss -<br />

federführend - <strong>und</strong> an den Haushalts- <strong>und</strong> Finanzausschuss zu<br />

überweisen. - Es wird jetzt um das Wort gebeten für einen<br />

Geschäftsordnungsantrag. Bitte, Herr Dr. Hahn.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Präsident! Ich möchte für die PDS-Fraktion den<br />

Antrag stellen, diesen Gesetzentwurf zusätzlich noch an den<br />

Verfassungs- <strong>und</strong> Rechtsausschuss zu überweisen.<br />

Wir haben rechtliche Bedenken hinsichtlich des Umstandes, dass auf<br />

Gesetzeswege jetzt bislang ausschließlich exekutive Vorschriften<br />

verändert werden sollen. Wir möchten, dass dies genau geprüft wird.<br />

Deshalb bitten wir um die zusätzliche Überweisung.<br />

Präsident Iltgen: Wird dazu das Wort gewünscht? - Wenn nicht, gehe<br />

ich davon aus, dass sich kein Widerspruch erhebt, dass die<br />

Überweisung auch an diesen Ausschuss erfolgt. Die Federführung<br />

verbleibt aber in dieser Sachfrage naturgemäß beim Innenausschuss.<br />

Wer also dafür ist, dass das in die beiden von mir vorgetragenen<br />

<strong>und</strong> an den einen von der PDS zusätzlich beantragten Ausschuss<br />

überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist das so<br />

beschlossen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, der Tagesordnungspunkt 2 ist damit beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 3<br />

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für<br />

den Freistaat Sachsen<br />

Drucksache 3/1927, Gesetzentwurf der Fraktion der PDS<br />

Auch hier liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine<br />

allgemeine Aussprache durchzuführen. Deshalb spricht nur die<br />

Einreicherin, die Fraktion der PDS. Herr Dr. Hahn, bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Nachdem CDU<br />

<strong>und</strong> Staatsregierung seit Monaten hinter verschlossenen Türen über<br />

ihre Pläne zu einer Bildungsreform in Sachsen beraten haben, ohne<br />

dass substanziell bislang etwas geschehen ist, <strong>und</strong> nachdem die SPD<br />

einen Schulgesetzentwurf zwar mehrfach angekündigt, aber immer noch<br />

nicht eingebracht hat, handelt nun die PDS-Fraktion.<br />

(Jurk, SPD: Wir diskutieren bereits<br />

mit der Öffentlichkeit!)<br />

Angesichts der bevorstehenden Haushaltsberatungen für den Etat der<br />

Jahre 2001/2002 müssen aus unserer Sicht jetzt Weichen für<br />

Veränderungen im Schulbereich gestellt werden. Nach wie vor<br />

vertritt die PDS die Auffassung, dass Sachsen ein völlig neues<br />

Schulgesetz benötigt, um fit für die Anforderungen des neuen<br />

Jahrtausends zu sein.<br />

In einem solchen Gesetz müssten unter anderem die Autonomie der<br />

Schulen gestärkt, die Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsziele neu definiert,<br />

die sechsjährige Gr<strong>und</strong>schule endlich eingeführt, die Möglichkeiten<br />

der demokratischen Mitbestimmung ausgeweitet, der<br />

Religionsunterricht abgeschafft <strong>und</strong> nach Brandenburger Vorbild


durch ein Pflichtfach Lebensk<strong>und</strong>e/Ethik/Religion ersetzt werden.<br />

Für eine solch tiefgreifende Korrektur gibt es derzeit leider weder<br />

eine parlamentarische Mehrheit - im Falle des Religionsunterrichtes<br />

wäre sogar eine Verfassungsänderung nötig -,<br />

(Schimpff, CDU: Gott <strong>und</strong> dem Wähler sei Dank!)<br />

noch geht die aktuelle Diskussion in der Gesellschaft vorrangig in<br />

diese Richtung.<br />

Die PDS hält gleichwohl an ihren bildungspolitischen Zielen fest<br />

<strong>und</strong> wird zu gegebener Zeit auch einen Komplettentwurf für ein<br />

sächsisches Schulgesetz präsentieren.<br />

Die heute in 1. Lesung einzubringende Novelle zum geltenden<br />

Schulgesetz soll in drei gravierenden Punkten für aus unserer Sicht<br />

dringend notwendige Veränderungen sorgen. Erstens soll die<br />

Verantwortung für die Schulentwicklungsplanung, das heißt auch die<br />

Entscheidung über die künftigen Schulstandorte, auf die Landkreise<br />

<strong>und</strong> kreisfreien Städte übertragen werden - nicht zuletzt deshalb,<br />

weil diese auch für die Schülerbeförderung zuständig sind <strong>und</strong> die<br />

dafür notwendigen <strong>und</strong> seit Jahren beständig steigenden Kosten zu<br />

tragen haben.<br />

Die bisherigen Planungsentscheidungen der Regionalschulämter <strong>und</strong><br />

die Entscheidung über das so genannte öffentliche Bedürfnis zur<br />

Fortführung einer Schule waren weitgehend einer Mitwirkung <strong>und</strong><br />

Kontrolle der gewählten kommunalen Vertretungen entzogen. Dies soll<br />

sich dadurch ändern, dass die Kreistage <strong>und</strong> Stadträte alle drei<br />

Jahre einen Schulentwicklungsplan zu beschließen haben, über den<br />

auch das Kultusministerium nicht hinweggehen kann.<br />

Was beispielsweise gegenwärtig vor allem im Bereich des<br />

Regionalschulamtes Bautzen geschieht, zeigt, wie notwendig eine<br />

diesbezügliche Korrektur des Schulgesetzes ist. Da werden Kinder<br />

wie Schachfiguren hin- <strong>und</strong> hergeschoben, das Recht auf freie<br />

Schulwahl im Anschluss an die Gr<strong>und</strong>schule wird ausgehöhlt.<br />

Wenn - wie in Steinigtwolmsdorf - 37 Schüler die dortige<br />

Mittelschule besuchen wollen, dann gilt plötzlich der Klassenteiler<br />

nicht mehr <strong>und</strong> das Regionalschulamt verweigert die Bildung von zwei<br />

5. Klassen, weil man es sich partout in den Kopf gesetzt hat diese<br />

Schule schließen zu wollen.<br />

(Zuruf von der PDS: Hört, hört!)<br />

Wenn die Mittelschule aber weiterhin zweizügig laufen würde, hätte<br />

man keine Handhabe mehr für den geplanten Schritt. Jetzt sollen<br />

fünf Schüler zwangsversetzt werden <strong>und</strong> eine Schule besuchen, an der<br />

das von ihnen ausgewählte Profil überhaupt nicht existiert. Das ist<br />

glatter Rechtsbruch <strong>und</strong> es ist nur logisch, dass sich die<br />

Betroffenen dagegen zur Wehr setzen, zumal es ja kein Einzelfall<br />

ist. Daher ist es höchste Zeit, der zunehmenden Willkür der<br />

Regionalschulämter endlich einen Riegel vorzuschieben.<br />

(Sehr richtig! <strong>und</strong> Beifall des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Ziel der von uns vorgeschlagenen Änderung ist es darüber hinaus,<br />

insbesondere im ländlichen Raum den Interessenausgleich zwischen<br />

den Schulträgern zu befördern <strong>und</strong> ein möglichst flächendeckendes<br />

Netz der Schulstandorte zu erhalten.<br />

Die zweite Änderung bezieht sich auf den Klassenteiler <strong>und</strong> die<br />

Klassenbildung. Beides war bisher gesetzlich nicht verankert,<br />

obwohl das Kultusministerium <strong>und</strong> auch die Schulämter immer wieder<br />

versuchten diesen Eindruck zu vermitteln.


Aus Sicht der PDS soll Schluss damit sein, dass der Kultusminister<br />

in seinen jährlichen Schulorganisationserlassen mehr oder weniger<br />

willkürlich den Klassenteiler sowie die Mindestzahlen für die<br />

Klassenbildung festsetzt. <strong>Der</strong> von uns vorgeschlagene Klassenteiler<br />

von 25 entspricht den jahrelangen Forderungen der Schüler- <strong>und</strong><br />

Elternvertretungen sowie der Lehrergewerkschaften <strong>und</strong> war auch<br />

schon Gegenstand eines Volksantrages sowie eines leider<br />

gescheiterten Volksbegehrens. Die Absenkung der Mindestzahl für die<br />

Klassenbildung von derzeit 15 auf zehn Schüler verfolgt vor allem<br />

das Ziel, in gering besiedelten ländlichen Gebieten auch kleinere,<br />

insbesondere Gr<strong>und</strong>schulen erhalten zu können.<br />

Wir sind im Übrigen auch gern bereit über andere Vorschläge zu<br />

diskutieren, so über das Modell der SPD, eine Obergrenze für die<br />

Schülerzahl je Klasse einzuführen. Dazu muss jedoch der<br />

Gesetzentwurf auf den Tisch dieses Hauses. Eine Debatte via<br />

Internet bringt uns da nicht <strong>sehr</strong> viel weiter.<br />

(Jurk, SPD: Doch, eben!)<br />

Für die PDS steht jedoch fest: Das Recht auf freie Wahl der<br />

weiterführenden Schulen darf im Kern nicht zur Disposition gestellt<br />

werden.<br />

Unser dritter Vorschlag soll die Demokratie an den Schulen stärken.<br />

Wir fordern eine Drittelparität in der Schulkonferenz, um der<br />

bisherigen Übergewichtung der Lehrkräfte entgegenzuwirken.<br />

Gleichzeitig wollen wir die Aufgaben <strong>und</strong> Rechte der Schulkonferenz<br />

erweitern <strong>und</strong> unter anderem ermöglichen, dass die Schulleitung<br />

durch die Schulkonferenz gewählt <strong>und</strong> nicht wie bisher durch die<br />

Kultusbehörden eingesetzt wird. Dies wäre auch ein Schritt hin zu<br />

mehr Autonomie der Schulen.<br />

Abschließend noch ein Wort zu den Kosten unseres Gesetzentwurfes.<br />

Die Korrekturen bei der Schulkonferenz <strong>und</strong> die Übertragung der<br />

Schulentwicklungsplanung auf die Landkreise verursachen keine<br />

Kosten.<br />

Anders sieht die Sache bei der Veränderung des Klassenteilers <strong>und</strong><br />

der Mindestschülerzahlen aus. Hier werden Mehrausgaben entstehen,<br />

die aber bei zurückgehenden Schülerzahlen durch nicht ausgeschöpfte<br />

Personalmittel aus dem Jahre 2000 gedeckt werden können, wenn das<br />

bisherige Haushaltsvolumen im Kultusbereich unverändert beibehalten<br />

wird.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der parlamentarischen Abläufe könnte die Umsetzung unseres<br />

Gesetzes, sofern es denn eine Mehrheit in diesem Hause findet,<br />

ohnehin erst mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 erfolgen, so dass<br />

erst im Jahre 2002 die vollständigen Ausgaben in den Haushalt<br />

einzustellen wären. Sollte dafür eine Aufstockung im Einzelplan 05<br />

notwendig sein, wird die PDS-Fraktion im Rahmen der<br />

Haushaltsberatungen entsprechende Deckungsvorschläge unterbreiten.<br />

Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich hoffe auf eine<br />

konstruktive Diskussion über unseren Gesetzentwurf <strong>und</strong> bitte um<br />

Überweisung an den zuständigen Ausschuss.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Das Präsidium schlägt<br />

Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für<br />

den Freistaat Sachsen an den Ausschuss für Schule <strong>und</strong> Sport zu<br />

überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss<br />

zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist


dagegen? - Wer enthält sich? - Bei 2 Stimmenthaltungen <strong>und</strong> 2<br />

Stimmen dagegen ist das mehrheitlich so beschlossen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit ist der Tagesordnungspunkt 3 beendet.<br />

Wir kommen jetzt zu<br />

Tagesordnungspunkt 4<br />

Verb<strong>und</strong>initiative Automobilzulieferer Sachsen 2005<br />

Drucksache 3/0974, Antrag der Fraktion der CDU, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Fraktionen können zu dem Antrag Stellung nehmen. Es beginnt die<br />

Fraktion der CDU als Einreicherin, dann PDS, CDU, SPD;<br />

Staatsregierung, wenn gewünscht.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Debatte ist eröffnet. Die Fraktion der<br />

CDU als Einreicherin hat das Wort. Herr Bolick, bitte.<br />

Bolick, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Die Verb<strong>und</strong>initiative Automobilzulieferer Sachsen 2005 ist vom<br />

<strong>Sächsische</strong>n Wirtschaftsministerium initiiert worden. Die Leitstelle<br />

sitzt in Chemnitz. <strong>Der</strong> Projektträger ist das RKW Sachsen <strong>und</strong><br />

Projektpartner sind die IHKs, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />

Sachsen <strong>und</strong> die SIAS, die <strong>Sächsische</strong> Initiative Innovation <strong>und</strong><br />

Arbeit.<br />

Worum geht es dabei? Es geht um die Entwicklung sächsischer<br />

Gesamtkompetenz im Fahrzeugbau. Dieser Anspruch lässt sich in drei<br />

Punkten darstellen: Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Kontakte<br />

zu anderen nationalen <strong>und</strong> internationalen Unternehmen <strong>und</strong><br />

Zuliefernetzen <strong>und</strong> sachsenweite Zusammenführung regionaler<br />

Initiativen, Potenziale, Kenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen der sächsischen<br />

Automobilindustrie.<br />

Ich möchte an der Stelle daran erinnern, dass vor r<strong>und</strong> 100 Jahren<br />

in Sachsen Horch gegründet wurde, eine Automobilfirma,<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Nun horche mal!)<br />

aus der später nach Zusammenschlüssen in Westsachsen Audi wurde.<br />

- Horch, Herr Porsch! Sie haben doch bloß die Firma Horch <strong>und</strong> Guck<br />

gegründet.<br />

(Heiterkeit bei der CDU - Prof. Dr.<br />

Porsch, PDS: Ich nicht. Da irren Sie sich.<br />

Ich war bei Porsche beteiligt.)<br />

Was ist nun der Inhalt? Die Wiedergewinnung von<br />

Gesamtfahrzeugkompetenz in Sachsen durch sukzessiven,<br />

modulorientierten Kompetenzausbau. Das Hauptziel ist natürlich kein<br />

neues Fahrzeug, sondern neue, erweiterte, die gesamte<br />

Zulieferpalette integrierende Kompetenz. Dabei geht es um produkt<strong>und</strong><br />

prozesskonkrete Vorgehensweise in zwei Stufen:<br />

Projektinitiierung <strong>und</strong> Schaffung der Realisierungsvoraussetzungen.<br />

Zurzeit liegen mehr als 40 interessante Projektvorstellungen vor,<br />

zwölf mit besonderer Priorität. Im Mittelpunkt stehen dabei<br />

Projekte, die zur Erhöhung der Fertigungstiefe bei sächsischen<br />

Unternehmen führen.<br />

Vorrangig ist natürlich die Vergrößerung der Marktanteile durch<br />

Innovation. Man konzentriert sich dabei auf folgende<br />

Kompetenzfelder: Getriebe, Motorperipherie, Innenausstattung,<br />

Fahrzeugsicherheit, Abgasanlage <strong>und</strong> Fahrzeugaufbauten.<br />

Wesentlich ist, dass übergreifende, mehrheitlich zutreffende Themen<br />

parallel zu den Aktivitäten der Finalproduzenten geplant <strong>und</strong><br />

betrieben werden. Dazu gehört die Schaffung einer sächsischen E-<br />

Commerce-Plattform, der Aufbau von CarNet, einer internetbasierten


Datenbank als Werkzeug für schnelle Kooperation zwischen den<br />

Betrieben, die Schaffung der Voraussetzungen für virtuelle Produkt<strong>und</strong><br />

Prozessentwicklung mit integrierter Kostenbestimmung, eine<br />

Erweiterung des K<strong>und</strong>enspektrums zusätzlich zur Automobilindustrie -<br />

Schwerpunkt ist dabei die Gewinnung der B<strong>und</strong>eswehr als Auftraggeber<br />

durch die Einbringung neuer Technologien <strong>und</strong> Produkte -, die<br />

Erweiterung des Leistungsspektrums der Anlagenproduzenten mit<br />

zusätzlichen Teilen <strong>und</strong> Komponenten bzw. Modulfertigung.<br />

Es gibt natürlich konkrete Betriebe in Sachsen, die dort einbezogen<br />

sind. Einige Beispiele sind die Firma Krupp Trautz<br />

Ingenieurbetriebe in Hohenstein-Ernstthal, die Wema<br />

Werkzeugmaschinenfabrik Vogtland in Plauen, Hörmann GmbH in<br />

Neukirchen <strong>und</strong> viele andere.<br />

Was bringt zum Beispiel das von mir schon genannte CarNet-Online-<br />

Verb<strong>und</strong>system sächsischer Automobilzulieferer? Für die Nutzung<br />

neuer Medien als Teilbereich im Rahmen der Initiative AMZ wurde ein<br />

Systemansatz entwickelt, der sich sowohl an K<strong>und</strong>en als auch an<br />

Automobilzuliefererunternehmen selbst wendet. <strong>Sächsische</strong> Firmen<br />

können sich mit ihren Produktlisten <strong>und</strong> -spektren besser kennen<br />

lernen <strong>und</strong> eventuell kooperieren, zum Beispiel in Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung, aber auch bei Auftragsabwicklungen <strong>und</strong> Angeboten.<br />

Weiterhin dient es der Hilfe zur Selbsthilfe durch effektive<br />

Informationsrecherche <strong>und</strong> Verwaltung sowie Marktanalysen,<br />

zugeschnittene Problemlösungen mit wenigen Mausklicks. Es<br />

verbessert die Chancen zur Kooperation <strong>und</strong> die<br />

Marketingmöglichkeiten sowie der Präsentation des<br />

Automobilstandorts Sachsen auf allen Märkten der Welt.<br />

Was gibt es nun für Ergebnisse? Ich habe einige ausgewählt: Aufbau<br />

einer Kooperation zwischen den Firmen Protomaster Riedel <strong>und</strong> Co.<br />

GmbH <strong>und</strong> Krupp Trautz Ingenieurbetrieb GmbH für den Werkzeugbereich<br />

der Porsche-Anlagen in Leipzig, ein gemeinsames Angebot für Skoda,<br />

der Porsche-Auftrag für die Planung der Achsmontagen in Leipzig an<br />

die Krupp Trautz GmbH in Hohenstein, die Realisierung der<br />

Achsmontage für Porsche in Leipzig als AMZ-2005-Aktivität in<br />

Abstimmung mit der Porsche AG, laufende Projektvorbereitungen über<br />

Coachingverträge für Innovationen zu den Innenbereichen.<br />

Folgende Vorhaben mit AMZ-Coachingverträgen sind in Vorbereitung:<br />

Motorperipherie, Metallsubstitution, Kunststoffeinsatz,<br />

Sicherheitseinrichtungsmodule bei Sicherung h<strong>und</strong>ertprozentiger<br />

sächsischer Fertigungstiefe, Fahrzeugspezialaufbauten, Organisation<br />

der Lieferantenbeziehungen zu den Lkw-Herstellern, zum Beispiel für<br />

KoKi Technik <strong>und</strong> Metallverarbeitung Niederwürschnitz, Unterstützung<br />

aller Aktivitäten zu Komplettleistungen, die vom Entwurf bis zur<br />

Fertigung führen.<br />

Natürlich ist ein ganz besonders wichtiger Aspekt die Ebnung von<br />

Wegen zu internationalen Märkten. Die Notwendigkeit dafür ist klar.<br />

Die sächsische Automobilzuliefererbranche muss aktiv an der<br />

Globalisierung teilnehmen. Die Zulieferer müssen dort hin, wo der<br />

Markt ist. Die Internationalisierung ist lebensnotwendig <strong>und</strong> die<br />

Kontakte sind unabdingbar.<br />

Dazu gehört auch die Organisation von Unternehmerreisen, teilweise<br />

mit der WFS <strong>und</strong> vielen Firmen, nach England, Japan, Portugal, aber<br />

auch nach Polen, <strong>und</strong> die Vorbereitung eines deutsch-italienischen<br />

Lieferantenforums, die Vorbereitung eines Firmenpools mit Thailand


durch die IHK Zwickau, der Start des Pilotprojektes Thailand, ein<br />

Vorbereitungsseminar Iran, um einige Beispiele zu nennen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

So wurde beispielsweise die Branchenmesse in den USA SAE 2000 vom<br />

6. bis 9. März auch von einer sächsischen Delegation besucht. Das<br />

ist die weltweit größte Ausstellung für Automobiltechnik <strong>und</strong> auch<br />

ein Beispiel erfolgreicher deutscher Gemeinschaftsbeteiligung. Mehr<br />

als 1 300 Zulieferfirmen waren an dieser Ausstellung beteiligt.<br />

Dort wurde der Stand der Technologie auf diesem Gebiet deutlich<br />

veranschaulicht. Herausragende Themen waren die Kommunikations- <strong>und</strong><br />

Computertechnologie, Umwelt, Sicherheit, Produkttechnologie <strong>und</strong><br />

Design. 45 deutsche Zulieferfirmen waren präsent. Durch<br />

Gemeinschaftsstände wurde mittleren <strong>und</strong> kleineren Unternehmen der<br />

Markteintritt erleichtert. Eine wichtige Aufgabe bei AMZ ist es,<br />

kleinen Firmen diese Möglichkeiten zu eröffnen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Ich möchte betonen, dass für AMZ auch Polen, also der Markt im<br />

Osten, wichtig ist. Die Messe Motorshow wurde besucht. Viele kennen<br />

ja nur den alten Witz: "Machen Sie Urlaub in Polen. Ihr Auto ist<br />

schon dort." Aber wissen wir heute überhaupt noch, was sich im Jahr<br />

2000 in Polen auf dem Automobilmarkt <strong>und</strong> dem<br />

Automobilproduktionsbereich abspielt? Es ist ein Automobilstandort<br />

der Zukunft, auf dem sich heute bereits alle führenden Kfz-<br />

Produzenten der Welt, Fiat, Daewoo, General Motors, Ford, VW, als<br />

Investoren engagiert haben.<br />

Ich denke, dass die Darlegungen dazu beitragen konnten, das<br />

Verständnis für AMZ, deren Aktivitäten <strong>und</strong> Zielrichtungen zu<br />

verbessern.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau<br />

Schulz, bitte.<br />

Frau Schulz, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Alles, was über die Verb<strong>und</strong>initiative Automobilzulieferer<br />

zu wissen notwendig ist, haben Sie soeben erfahren, <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus auch einiges, was vielleicht nicht unbedingt in diesen Saal<br />

gehört hätte. Für die neuen Mitglieder des <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es<br />

ist das sicher ein neuer, interessanter Aspekt von<br />

Wirtschaftsgestaltung. Für die Abgeordneten der 2.<br />

Legislaturperiode handelt es sich um nichts wesentlich Neues, denn<br />

bereits im April 1998 gab es einen Projektentwurf, der vorsah, dass<br />

die Verb<strong>und</strong>initiative Mitte des Jahres 1998 startet <strong>und</strong> bis zum<br />

31.12.2002 läuft.<br />

Im August 1998 gab es dazu eine erste Drucksache der CDU-Fraktion,<br />

in der die Vorstellung enthalten war, die sächsischen IHKs <strong>und</strong> das<br />

Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft in Sachsen<br />

einzubeziehen <strong>und</strong> als Partner zu gewinnen. Offenbar wurde danach<br />

<strong>sehr</strong> lange <strong>und</strong> auch fleißig an den Startlöchern gegraben; denn es<br />

dauerte immerhin bis Dezember 1999, bis der Start in Chemnitz<br />

offiziell vollzogen wurde.<br />

Jetzt ist in der Stellungnahme der Staatsregierung zum neuerlichen<br />

CDU-Antrag zu lesen, dass nunmehr auch in Chemnitz ein Büro dazu<br />

aufgebaut wird. Ebenfalls ist das Branchenhandbuch erstellt worden,<br />

von dem bereits 1998 im Konzept der Staatsregierung die Rede war.


Ich will nicht über den späten Start hadern. Wir sollten uns alle<br />

gemeinsam freuen, dass er vollzogen wurde.<br />

Sie werden sich möglicherweise über Beifall seitens der PDS zu<br />

diesem Projekt w<strong>und</strong>ern, sind doch sonst eher die Themen<br />

Schienenwege <strong>und</strong> ÖPNV unser Anliegen. Ich will Sie deshalb nicht im<br />

Ungewissen darüber lassen, was wir an dieser Verb<strong>und</strong>initiative<br />

Automobilzulieferer Sachsen gut finden.<br />

Zunächst sei gesagt, dass auch meine Fraktionskolleginnen <strong>und</strong> -<br />

kollegen wissen, dass die Automobilindustrie in Sachsen<br />

traditionell eine große wirtschaftliche Bedeutung hatte <strong>und</strong> hat.<br />

Die Chance <strong>und</strong> die Notwendigkeit, Arbeitsplätze im Bereich der<br />

Zulieferindustrie <strong>und</strong> sogar als Systemanbieter für die<br />

Automobilendfertiger zu erhalten <strong>und</strong> zu entwickeln, bot sich<br />

insbesondere in Südwestsachsen, rings um Chemnitz <strong>und</strong> Zwickau,<br />

förmlich an. Dieses harte Geschäft, im weltweiten Wettbewerb die<br />

Nase vorn zu haben, erforderte neue Herangehensweisen an<br />

Produktionsorganisation, Logistik, Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung. Das<br />

bekommt auch unseren Beifall. Zuliefernetzwerke, marktorientierte<br />

Unternehmensnetzwerke <strong>und</strong> Kooperationsverbünde - das ist eine<br />

Organisationsphilosophie, die uns zusagt <strong>und</strong> die unsere<br />

Unterstützung findet.<br />

Positiv finden wir auch die Zielgruppe, die es zu bündeln gilt.<br />

Herr Bolick kam schon darauf zu sprechen: Kleine <strong>und</strong><br />

mittelständische Unternehmen sollen so beraten <strong>und</strong> gefördert<br />

werden, dass sie fit sind, um den raschen technischen <strong>und</strong><br />

technologischen Wechseln in der Automobilindustrie standzuhalten<br />

<strong>und</strong> nicht permanent überfordert zu werden. Ihre Hemmschwelle, sich<br />

auf diesen komplizierten Markt einzulassen, soll gesenkt werden.<br />

Das ist unserer Meinung nach ein richtiger Ansatz.<br />

Für richtig ausgewählt halten wir auch die Partner, die Berater.<br />

Das RKW als seriöser, erfahrener, ehrlicher <strong>und</strong> kompetenter<br />

Partner, die Stiftung Innovation <strong>und</strong> Arbeit Sachsen <strong>und</strong> die<br />

Wirtschaftsförderung Sachsen mit ihren jeweiligen Instrumentarien<br />

sind nützlich. Diese Einschätzung gilt ganz besonders für die IHK<br />

Südwestsachsen mit ihren Erfahrungen, denn die Kompetenz dieser<br />

Branche liegt nun einmal in dieser Region.<br />

Aber - das ist ebenfalls positiv zu werten - diese Initiative soll<br />

regional offen gestaltet werden. Zunächst stand das auf dem Papier.<br />

Wir als PDS sind seit langem zu der Auffassung gelangt, Erfolg oder<br />

Misserfolg einer Wirtschaftsinitiative daran zu messen, ob <strong>und</strong> wie<br />

es gelingt, aus den traditionellen oder auch Kompetenzzentren<br />

heraus auszustrahlen <strong>und</strong> strukturschwache Regionen einzubeziehen.<br />

Immerhin ist bezüglich dieser Verb<strong>und</strong>initiative inzwischen der<br />

Versuch unternommen worden, beginnend mit Januar 2000<br />

beispielsweise auch an die Oberlausitz zu denken.<br />

<strong>Der</strong>zeit ist die Frage, ob <strong>und</strong> wie es gelingt, mit der<br />

Verb<strong>und</strong>initiative kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen aus<br />

strukturschwachen Regionen dauerhaft <strong>und</strong> effektiv an die Regionen<br />

mit Kernkompetenzen anzubinden, noch nicht beantwortbar. Wir müssen<br />

uns dieser Frage jedoch stellen, denn es gibt in Sachsen noch viel<br />

zu viele weiße Flecken.<br />

Es gibt aber auch - <strong>und</strong> das muss gesagt werden, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong> <strong>und</strong> Herr Minister - eine ganze Reihe von Branchen, die eine<br />

ähnliche Zuwendung wie die Automobilzulieferer <strong>und</strong> die<br />

Automobilindustrie vertragen könnten. Ich denke nur an den DIW-


Wochenbericht 11/1999 zum Spezialisierungsprofil der sächsischen<br />

Industrie. Dieser Bericht enthält für uns noch <strong>sehr</strong> viel<br />

Nachdenkenswertes. Ich will das nur deshalb erwähnen, weil zu<br />

vermuten ist, dass uns das Lieblingskind der sächsischen CDU-<br />

Wirtschaftspolitiker, die Automobilindustrie, im <strong>Landtag</strong> noch<br />

weitere Diskussionen bescheren wird; es wird uns also auch weiter<br />

beschäftigen. Das ist schließlich auch eine interessante Sache.<br />

Noch besser wäre es, wenn die Ergebnisse <strong>und</strong> die Erfahrungen auf<br />

andere Branchen übertragen <strong>und</strong> andere Kernkompetenzen in anderen<br />

Regionen auch so zielgerichtet <strong>und</strong> tatkräftig entwickelt würden.<br />

Es gibt in Sachsen in Breite <strong>und</strong> Tiefe noch jede Menge zu tun!<br />

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Da ich annehme, dass die CDU-Fraktion über ihren Berichtsantrag<br />

abstimmen lassen will, sage ich gleich: Wir haben nichts dagegen.<br />

So erfahren wir von der Staatsregierung wenigstens ab <strong>und</strong> zu etwas<br />

Neues zu der Frage, ob es sich bewährt <strong>und</strong> ob eine Übertragung<br />

erfolgen kann. Wir hätten also nichts dagegen, wenn andere Branchen<br />

von der Automobilzulieferung siegen lernen würden.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr<br />

Pietzsch, bitte.<br />

Pietzsch, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen <strong>und</strong><br />

Kollegen! Frau Schulz, Sie hatten den Vorschlag, an andere zu<br />

denken, in Ihre Ausführungen eingeflochten, aber ich glaube, wir<br />

sollten unsere ganze Kraft darauf verwenden, dieses Projekt in<br />

allen Details, so wie wir es besprochen haben, zu befördern <strong>und</strong><br />

durchzusetzen, um Erfahrungen zur Übertragbarkeit auf andere<br />

Bereiche zu sammeln. Das war der Aspekt, der mir in Ihren Worten<br />

gefehlt hat.<br />

Ich möchte Ihre Ausführungen noch ein wenig präzisieren. In der<br />

vergangenen Wahlperiode - ich glaube, es war die 91. Sitzung -<br />

hatten wir uns schon einmal im Rahmen einer Debatte mit der<br />

Zulieferindustrie in Sachsen beschäftigt. In dem vorliegenden<br />

Antrag geht es darum, was seither geschehen ist. Darüber wollen wir<br />

heute unsere Betrachtungen anstellen.<br />

Mein Kollege Gunter Bolick hat schon detailliert dargestellt, was<br />

vor Ort läuft. Ich möchte noch einmal näher auf die<br />

Projektkonstruktion eingehen, damit der Zusammenhang für<br />

diejenigen, die das zum ersten Mal hören, nachvollziehbar ist. Wer<br />

sich in den vergangenen Monaten mit dieser Initiative beschäftigt<br />

hat, kann heute feststellen, dass sich insoweit wirklich etwas<br />

getan hat.<br />

Nun kann die Verb<strong>und</strong>initiative richtig starten, um in den nächsten<br />

Jahren für eine der wichtigsten Branchen im Freistaat<br />

wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Dabei wird es an schweren<br />

Steigungen <strong>und</strong> schwierigen Wegen nicht mangeln. Die<br />

Automobilindustrie in Sachsen hat traditionell eine große<br />

wirtschaftliche Bedeutung; Frau Schulz, Sie hatten das erwähnt. <strong>Der</strong><br />

Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Sachsen ist in den letzten<br />

Jahren stetig gestiegen. <strong>Der</strong> Export konnte erheblich gesteigert<br />

werden. Am erfreulichsten ist jedoch folgende Tatsache: Mit ca.<br />

42 000 Beschäftigten in der Zulieferindustrie hat in Sachsen eine<br />

Branche aus beschäftigungspolitischer Sicht eine erhebliche<br />

Bedeutung erlangt.


Herr Staatsminister, ich hatte unlängst die Möglichkeit, Sie mit<br />

einer Wirtschaftsdelegation, auch mit Vertretern der<br />

Automobilzulieferindustrie, nach Japan zu begleiten. Dort habe ich<br />

mitbekommen, wie wichtig die Türöffnerfunktion ist. Deshalb möchte<br />

ich Ihnen an dieser Stelle auch einen Dank aussprechen. Ihrem<br />

Engagement ist es zu verdanken, dass der Formierung eines<br />

Zuliefererbereiches an einem traditionellen Standort wirklich eine<br />

Perspektive eröffnet werden kann. Sie sind nicht nur ein kleiner<br />

Pförtner, sondern in Wirklichkeit ein Türöffner.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind die sich<br />

stark verändernden Wachstumsmärkte. Die Sättigung der bisherigen<br />

Hauptmärkte der Automobilindustrie führt zur Verlagerung der<br />

Produktion <strong>und</strong> des Zulieferbedarfes auf neue internationale<br />

Wachstumsmärkte. Die Konzentration auf das Kerngeschäft <strong>und</strong> die<br />

Verringerung der Fertigungstiefe bei den Produzenten stellen die<br />

Zulieferindustrie vor neue Herausforderungen. Die sächsischen<br />

Unternehmen müssen diesen Wandel erkennen <strong>und</strong> sich strategisch<br />

darauf einstellen. Entsprechendes Prozess- <strong>und</strong> Produkt-Know-how,<br />

branchenspezifische Managementsysteme, effektive<br />

Zulieferkooperationen <strong>und</strong> konsequente Kostenbeherrschung müssen<br />

schrittweise ausgebaut werden.<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen! Gestatten Sie mir einen kleinen<br />

Rückblick. Als ich 1979 bei Sachsenring anfing, hat mich besonders<br />

beeindruckt, wie vielfältig die Prozesse sind, die zur Produktion<br />

eines Fahrzeuges notwendig sind. Unter diesem Eindruck kann ich<br />

heute nur feststellen, dass wir - damit meine ich alle hier - viel<br />

zu achtlos in unsere Fahrzeuge einsteigen, ohne nur einen Gedanken<br />

daran zu verschwenden, welch herausragende ingenieurtechnische<br />

Leistungen sowie handwerkliche Präzision nötig sind. Oder hätten<br />

Sie damals gewusst, dass die Trabantkarosse aus zirka 1 000<br />

einzelnen Blechteilen besteht oder unter welch schwierigen<br />

Bedingungen bzw. mit welch hohem technischem Aufwand die als Pappe<br />

bezeichnete Außenhülle produziert wurde?<br />

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Ich glaube, das wussten Sie nicht.<br />

Daran können Sie ermessen: Die entwickelte Kreativität ist typisch<br />

sächsisch <strong>und</strong> bildet die Basis für den Umstrukturierungsprozess<br />

nach der Wende. Was war geblieben außer der Tatsache, dass keiner<br />

einen "Trabant" kaufen wollte?<br />

Durch das Wissen <strong>und</strong> Können der Ingenieure <strong>und</strong> Facharbeiter auf<br />

dieser soliden Basis, verb<strong>und</strong>en mit dem Engagement von VW in Mosel<br />

<strong>und</strong> in Chemnitz, entwickelte sich die Region Südwestsachsen zu<br />

einem innovativen Standort der Fahrzeugindustrie. Die dabei<br />

zurückgelegte Wegstrecke war nicht nur schwierig, sondern auch mit<br />

schmerzlichen Einschnitten verb<strong>und</strong>en.<br />

Es sind aus diesem Prozess 250 Unternehmen als Automobilhersteller<br />

<strong>und</strong> Zulieferer mit 42 000 Beschäftigten hervorgegangen. Ich hatte<br />

das eingangs bereits erwähnt.<br />

In der Zwischenzeit hat sich aufgr<strong>und</strong> der weltweiten Sättigung auf<br />

den Hauptmärkten der Automobilproduktion <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen<br />

<strong>sehr</strong> einschneidenden Rationalisierungskonzepten der<br />

Automobilhersteller eine völlig neue Situation dieses bisher<br />

prosperierenden Wirtschaftsbereiches ergeben.


Es stellt sich nun die Frage: Sind unsere sächsischen Unternehmen<br />

fit, diese strategische Herausforderung anzunehmen? Ich denke: ja.<br />

Sie benötigen aber unsere Unterstützung.<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen! Die derzeitige Entwicklung verlangt<br />

von uns <strong>und</strong> unseren Unternehmen schnellere Modellwechsel, um auf<br />

kürzere Entwicklungszeiten zu reagieren. Die Vielzahl der Teile <strong>und</strong><br />

Baugruppen wird durch herstellerübergreifende <strong>und</strong> sogar<br />

typenübergreifende Baugruppen drastisch reduziert. Das hat zur<br />

Folge, dass sich Teilelieferanten zu Baugruppen oder<br />

Systemlieferanten entwickeln müssen, denn nur so können sie im<br />

internationalen Wettbewerb bestehen.<br />

War es früher so, dass der Finalproduzent seine<br />

Fahrzeugentwicklungen nach den angebotenen Einzelteilen ausrichten<br />

musste, was in der Mangelwirtschaft äußerst schwierig war - davon<br />

kann ich ein Lied singen -, so ist es heute umgedreht: Mehr<br />

Flexibilität der Teileproduzenten ermöglicht eine effektivere<br />

Produktentwicklung bei den Finalproduzenten.<br />

Mit dem Projekt AMZ 2005 wurde eine landesweit koordinierte<br />

zukunftsweisende Fördermaßnahme für die Zulieferindustrie<br />

gestartet. Durch Kooperationsverbünde sollen sich die beteiligten<br />

Unternehmen in die Lage versetzt sehen, ein vollständiges<br />

innovatives Produktprogramm anzubieten. Variabilität <strong>und</strong><br />

Flexibilität sind dabei so zu steigern, dass sie als Modul- <strong>und</strong><br />

Systemlieferanten eine starke Marktposition erlangen können.<br />

Die dafür notwendigen Plattformen wurden gebildet. Die Plattformen<br />

haben ihre Arbeit aufgenommen. Das RKW Sachsen <strong>und</strong> die IHK<br />

Südwestsachsen haben durch Kooperationsvereinbarungen Netzwerke<br />

gebildet, die ihre Arbeit aufgenommen haben.<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen! Ohne Kooperation <strong>und</strong> Koordinierung<br />

regionaler Kompetenzen können keine marktfähigen, vor allem keine<br />

marktführenden Systemlösungen entwickelt werden. Mit diesem Projekt<br />

werden neue Wertschöpfungsketten erschlossen, die darauf abzielen,<br />

innovative Produkte <strong>und</strong> Engineeringlösungen zu entwickeln <strong>und</strong> sie<br />

mittels der geschaffenen Netzstrukturen zu vermarkten.<br />

Zur Praxis noch einige Bemerkungen. Durch meine Mitarbeit im Beirat<br />

der Regionalstelle der Stiftung für Innovation <strong>und</strong> Arbeit sowie der<br />

sächsischen Aufbau- <strong>und</strong> Qualifizierungsgesellschaft ist es mir<br />

möglich, dieses Projekt hautnah zu begleiten. Dabei spielt ein erst<br />

kürzlich abgeschlossener Kooperationsvertrag des B<strong>und</strong>es mit der<br />

Verb<strong>und</strong>initiative AMZ 2005 zur Vernetzung des Innoregio-Projektes<br />

Industrie- <strong>und</strong> Automobilregion Westsachsen eine herausragende<br />

Rolle.<br />

Die angestrebte Bildung eines Automobilkompetenznetzwerkes wird<br />

sich dabei auf vier Kernthemen konzentrieren: die Forschung <strong>und</strong><br />

Technologie, die IuK-Technologien, das Marketing <strong>und</strong> die<br />

Fachkräfteentwicklung.<br />

Lassen Sie mich zum Schluss speziell auf den vierten Punkt<br />

eingehen, auf die Fachkräfteentwicklung. Die Unternehmen haben<br />

erkannt, dass innerhalb ihrer Branche in der perspektivischen<br />

Entwicklung von einem sich ständig verschärfenden Wettbewerb<br />

auszugehen ist <strong>und</strong> die Unternehmen gute Ausgangspositionen<br />

benötigen. Dabei sind die Integration neuer Technologien in der<br />

Metallverarbeitung, die Nutzung von IuK-Technologien, aber auch<br />

innovative Managementmethoden mit entsprechenden Auswirkungen auf<br />

die Fachkräfte unabdingbar.


Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde ein Netzwerk<br />

regionaler <strong>und</strong> überregionaler Akteure gebildet, die eine enge<br />

Verzahnung von beruflicher Bildung, Weiterbildung, Dienstleistung<br />

<strong>und</strong> Technologie anstreben.<br />

Als Beispiel für die Notwendigkeit solcher Netzwerke möchte ich<br />

Folgendes anführen: In der Region Westsachsen bestehen mehr als 95<br />

Erodierzentren, aber kein Unternehmen verfügt über hochwertige <strong>und</strong><br />

voll ausgebildete Fachkräfte zur Bedienung <strong>und</strong> so - das ist die<br />

Crux an der ganzen Sache - kann diese innovative Technologie nicht<br />

voll ausgereizt werden.<br />

Die jetzt angebotenen Ausbildungsmodule, die man innerhalb dieses<br />

Netzwerkes gegründet hat, ermöglichen es den Unternehmen, flexibel<br />

auf diese Anforderungen zu reagieren. Ich bin der festen<br />

Überzeugung, dass sich das, was schon zum großen Teil auf dem<br />

Ausbildungssektor gelungen ist, auch in allen anderen Bereichen<br />

installieren lässt.<br />

Ich bedanke mich <strong>sehr</strong> herzlich.<br />

(Beifall bei der CDU - Beifall der Abg. Frau Schulz, PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr<br />

Lochbaum, bitte.<br />

Lochbaum, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Herr<br />

Pietzsch, vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist richtig <strong>und</strong><br />

kann ich nur unterstützen. Aber wir diskutieren hier über einen<br />

Berichtsantrag ohne konkreten Bericht. Ich weiß nicht, was die CDU-<br />

Fraktion überhaupt erwartet hat, denn die Verb<strong>und</strong>initiative wurde<br />

nach fast zweijährigem Vorlauf - Frau Schulz hat das bereits<br />

erläutert - erst im Dezember des letzten Jahres aus der Taufe<br />

gehoben <strong>und</strong> in Chemnitz vorgestellt.<br />

Wenn man bedenkt, dass so komplexe Projekte wie eine solche<br />

Initiative mit so unterschiedlichen Spielern <strong>und</strong> Interessen<br />

normalerweise eine längere Anlaufphase - aus meiner Sicht ein bis<br />

zwei Jahre - voraussetzt, so ist es vermessen, bereits jetzt nach<br />

konkreten Ergebnissen zu fragen. Fragen lässt sich höchstens nach<br />

dem Stand des Konzeptes, aber auch das ist noch nicht fertig, wie<br />

die Antwort der Staatsregierung zeigt.<br />

Das Ziel ist doch klar <strong>und</strong> dazu hätte es nicht dieses Antrages<br />

bedurft: Die sächsischen Zulieferer sollen in die Lage versetzt<br />

werden, auf dem Markt als Systemanbieter aufzutreten. Kompetenzen,<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Potenziale sollen gebündelt werden. Aber ein<br />

Konzept muss selbstverständlich mehr bieten.<br />

Wie sehen die speziellen innovativen Gedanken <strong>und</strong> Ansätze aus? Wie<br />

steht es konzeptionell <strong>und</strong> in der Praxis um die Einzelprojekte, die<br />

weder in der Fragestellung noch in der Antwort erwähnt sind? Was<br />

passiert beispielsweise in Polen, wo eine neue Automobilindustrie<br />

quasi aus dem Boden gestampft wird direkt vor unserer Haustür, in<br />

Gleiwitz, durch General Motors oder demnächst in Posen durch VW als<br />

Ausbau bestehender Fertigungsstätten? Gibt es diesbezüglich<br />

inhaltlich <strong>und</strong> in der Praxis eine Verbindung zum Programm der KfW<br />

für kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen zur Förderung von<br />

Direktinvestitionen im Ausland?<br />

Weiter stellt sich aktuell die Frage, inwieweit das RKW <strong>und</strong> das<br />

Wirtschaftsministerium bereits die Möglichkeiten im Auge haben, die<br />

im Spitzengespräch Putin - Schröder im Kontext der Wiederauflage<br />

von Hermes-Krediten erörtert wurden. Ist hier vielleicht auch ein<br />

neuer Ansatz möglich?


Wie werden Neuentwicklungen, wie das von der TU Dresden entwickelte<br />

3D-Display, das in besonderer Weise aus meiner Sicht für die<br />

Konstruktion von Autoteilen <strong>und</strong> -komponenten geeignet ist, in die<br />

Konzeption einbezogen? Fragen über Fragen, die sicher zum Zeitpunkt<br />

der Antwort der Staatsregierung Anfang März noch nicht beantwortet<br />

werden konnten. Aber auf welcher Basis diskutieren wir dann,<br />

verehrte Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen von der CDU-Fraktion?<br />

Selbstverständlich gibt es Kooperationen, Herr Bolick, aber die<br />

sind auch ohne Verb<strong>und</strong>initiative nach meiner Überzeugung<br />

erforderlich. Vielleicht verkündet nachher der Herr<br />

Wirtschaftsminister ganz neue Erkenntnisse <strong>und</strong> Ergebnisse. Immerhin<br />

sind seit der Antwort der Staatsregierung mehr als drei Monate<br />

vergangen.<br />

Das, was uns vorliegt, ist jedenfalls keine Gr<strong>und</strong>lage für eine<br />

sachgerechte <strong>und</strong> konkrete Diskussion. Über das Ziel der<br />

Verb<strong>und</strong>initiative sind wir uns ja einig. Konkrete Ergebnisse liegen<br />

nicht vor <strong>und</strong> können auch noch nicht vorliegen. Die Frage bleibt<br />

für uns: Was soll diese Diskussion zu diesem Zeitpunkt?<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Präsident Iltgen: Wird von der Staatsregierung das Wort gewünscht?<br />

- Herr Minister Schommer.<br />

Dr. Schommer, Staatsminister für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit: Herr<br />

Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Sie alle kennen die Prognosen<br />

führender Automobilhersteller, die sagen, in wenigen Jahren werden<br />

wir weltweit nur noch sechs bis acht so genannte Global-Player-<br />

Automobilhersteller haben, <strong>und</strong> ich wiederhole: weltweit.<br />

Parallel dazu erfolgt auch aufgr<strong>und</strong> des technischen Fortschritts,<br />

als Folge des Zwangs zu Kostensenkungen eine permanente Absenkung<br />

der Produktionstiefe in den einzelnen Automobilwerken. VW Mosel<br />

strebt unter 20 % an bzw. hat sie erreicht. Dies hat dramatische<br />

Auswirkungen auf Zulieferer <strong>und</strong> insbesondere auf die kleinen <strong>und</strong><br />

mittelständischen Zulieferer. Sie werden in diesem weltweiten<br />

Produktionszirkus, der um den Globus zieht, nur noch mithalten<br />

können, wenn sie System- <strong>und</strong> Modulanbieter sind.<br />

(Beifall des Abg. Dr. Münch, CDU)<br />

Wenn sie Zulieferer bei den einzelnen großen Herstellern sind <strong>und</strong><br />

bleiben wollen - da spielt der Standort des einzelnen Zulieferers<br />

keine Rolle -, werden sie nur mithalten können, wenn sie davon<br />

überzeugt werden können, dass nicht einzelne Teile das<br />

Entscheidende sind, sondern das Anbieten ganzer Systeme.<br />

Wenn ich an den Besuch einer Unternehmerdelegation unter meiner<br />

Führung im November 1999 in Thailand denke, wo wir die großen<br />

Automobilhersteller besucht haben <strong>und</strong> der dortige Mercedes-Daimler-<br />

Chrysler-Chef sagte, dass er die Anzahl von derzeit noch über 900<br />

Zulieferern in kurzer Zeit auf unter 100 Zulieferer absenken werde,<br />

dann ist, glaube ich, jedem klar, was dies für unsere noch so<br />

erfolgreichen <strong>und</strong> engagierten mittelständischen Unternehmer<br />

bedeutet. Sie werden keine Chance haben, wenn sie sich diesem<br />

dramatisch <strong>und</strong> unglaublich schnell vollziehenden Strukturwandel<br />

nicht anschließen. Deshalb muss man, Herr Lochbaum, ein Konzept<br />

haben. Unsere Strategie <strong>und</strong> unser Ziel ist klar.<br />

Dieses Konzept zur Erreichung dieses Zieles muss ich aber permanent<br />

den neuen Bedingungen anpassen. Deshalb werden wir Ihnen nicht wie<br />

bei Ausbildungsordnungen ein Konzept anbieten. Unser Konzept ist,


tagtäglich alles zu tun, um das Ziel zu erreichen, dass die<br />

sächsischen Zulieferer mithalten können <strong>und</strong> Partner der großen<br />

Automobilhersteller werden. Wir werden auf jede Änderung des<br />

Marktes sofort reagieren. Das ist unser Konzept.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Dass wir hier richtig liegen,<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Viel Freude!)<br />

Frau Schwarz, hat ja die internationale Investorenkonferenz<br />

gezeigt, die vor wenigen Wochen in Dresden stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

Frau Schulz, Sie haben Verzögerungen bei der Entwicklung<br />

angesprochen. Ja, das ist richtig. Das hat aber damit zu tun, dass<br />

wir aufgr<strong>und</strong> unserer <strong>sehr</strong> intelligenten Haushaltspolitik versuchen,<br />

so viel wie möglich europäische Mittel einzusetzen. Die<br />

europäischen Richtlinien sagen nun aber einmal, dass eine<br />

europaweite Ausschreibung erforderlich ist, was zu der<br />

angesprochenen Verzögerung geführt hat. Das klang, wenn Sie von der<br />

vergangenen Legislaturperiode sprechen, <strong>sehr</strong> dramatisch. Sie hätten<br />

auch vom vergangenen Jahrtausend sprechen können, in dem wir<br />

begonnen hätten <strong>und</strong> noch nicht fertig sind. Sie hätten genauso<br />

Recht gehabt <strong>und</strong> trotzdem daneben gelegen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Es gibt erste Ergebnisse <strong>und</strong> es wird<br />

täglich neue Ergebnisse geben, weil wir täglich am Ball sind.<br />

Lassen Sie mich zu einigen Punkten etwas sagen:<br />

Erstens. Schaffung von Marktzugängen; was hat die Initiative<br />

Automobilzulieferer 2005, die wir hier aufbauen, bis heute<br />

geschafft?<br />

Beispiel Porsche AG: Wir haben zwei Workshops mit Verkaufschefs von<br />

Porsche durchgeführt <strong>und</strong> erreicht, dass etwa 50 Kfz-Zulieferer<br />

daraufhin in den Porsche-Auftragspool aufgenommen worden sind, <strong>und</strong><br />

zwar für die gesamte Produktion. Außerdem haben fünf in Sachsen<br />

agierende Unternehmen zwischenzeitlich Aufträge erhalten. Im<br />

Einzelnen sind das Aufträge für Fertigungsplanung, Werkzeug- <strong>und</strong><br />

Anlagenbau, Serienlieferungen <strong>und</strong> periphere Dienstleistungen. Herr<br />

Bolick hat hierzu einzelne Firmen genannt.<br />

Zudem hat Porsche die Möglichkeiten der sächsischen Betriebe<br />

dargestellt, für das neue Werk in Leipzig als Ausrüster tätig zu<br />

werden. Das sind Ergebnisse, die wir bei der Beantwortung des<br />

Antrages in der Stellungnahme noch gar nicht wissen konnten.<br />

Zweites Beispiel, Portugal: Zu Volkswagen "Autoeuropa" in Portugal<br />

wurden enge Beziehungen aufgebaut. Unternehmer aus Sachsen waren<br />

mehrfach, organisiert von AMZ, vor Ort. Ergebnisse: Drei<br />

Dienstleistungsunternehmen werden Niederlassungen in Palmela<br />

aufbauen. Ein Serienlieferant wird in Kooperation mit einem<br />

portugiesischen Unternehmer Schweißteile in Portugal herstellen.<br />

Ein Werkzeugbauunternehmen etabliert sich mit einem portugiesischen<br />

Partner vor Ort. Herr Lochbaum, das sind Ergebnisse.<br />

Zwei Anlagenlieferanten, nämlich Spritzwerkzeuge <strong>und</strong><br />

Elektronikteile, erhalten Aufträge.<br />

Drittes Beispiel, Thailand: Wir wollen <strong>und</strong> werden ein sächsischthailändisches<br />

Netzwerk aufbauen, denn - das sagen alle Prognosen -<br />

Thailand wird das Detroit Südostasiens werden. Dort wird eine enorm<br />

große <strong>und</strong> erfolgreiche Automobilindustrie entstehen <strong>und</strong> die<br />

sächsischen Unternehmer <strong>und</strong> Zulieferer werden dabei sein. Die<br />

Gespräche mit den Produzenten laufen. Wir haben die volle<br />

Unterstützung der thailändischen Regierung.


Ein konkretes Pilotprojekt mit sächsischen Firmen in Partnerschaft<br />

mit der westsächsischen Hochschule Zwickau <strong>und</strong> der<br />

Verb<strong>und</strong>initiative AMZ ist gestartet.<br />

Ein anderer Bereich ist die Darstellung der sächsischen<br />

Autozulieferer im Internet. Wir entwickeln CarNet, das<br />

Internetportal für Brancheninformationen, Vermarktungen <strong>und</strong> den<br />

Kooperationsaufbau zwischen den sächsischen<br />

Automobilzulieferbetrieben. Wir wollen uns damit aber nicht<br />

zufrieden geben.<br />

Die weiteren Anstrengungen richten sich auf das ENX-Projekt, das<br />

vom Verband der deutschen Automobilindustrie initiiert worden ist.<br />

Damit wollen wir sächsische Kfz-Unternehmen an eine<br />

deutschlandweite Internetplattform, an der sich große<br />

Automobilhersteller beteiligen, andocken <strong>und</strong> E-Commerce-Anwendungen<br />

ermöglichen.<br />

Ein weiterer Punkt ist gemeinsame Technologieförderprojekte zu<br />

initiieren. Es sind Verträge für die Vorbereitung gemeinsamer<br />

Technologieförderprojekte abgeschlossen worden. An diesen Vorhaben<br />

wollen jeweils drei oder vier sächsische Unternehmen mitwirken <strong>und</strong><br />

dabei eng miteinander kooperieren. Beispiele dafür sind die<br />

Projekte "Fahrzeugfederung" <strong>und</strong> "Abgasanlagen".<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Mit dieser Initiative fördern wir ein<br />

Vorhaben, das den Standort Sachsen für Investoren interessant<br />

macht, nämlich ein sachsenweites Netzwerk, zusammengesetzt aus<br />

einer Vielzahl von einzelnen Netzwerken, dies alles unbürokratisch<br />

mit Menschen, die Ideen, die Visionen haben <strong>und</strong> die<br />

durchsetzungsstark die Umsetzung angehen <strong>und</strong> nicht aufgr<strong>und</strong><br />

formulierter Konzepte <strong>und</strong> Programme, sondern das einzige Ziel im<br />

Auge haben, alles zu tun, dass Sachsen wieder die führende<br />

Automobilregion wird,<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

ein Netzwerk, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, das mit langem Atem versehen<br />

ist. Die kurzfristigen <strong>und</strong> schnellen Erfolge sind nicht das, was<br />

wir erreichen wollen. Wir wollen vielmehr den Boden bereiten, dass<br />

sich eine Automobilindustrie mit hoher Kompetenz in Sachsen<br />

weiterentwickelt, <strong>und</strong> zwar in allen Regionen, verehrte Frau Schulz.<br />

Wir beziehen alle Regionen in diesen Bereich ein. Eine solche<br />

spezifische Kompetenz in der Automobilindustrie selbst <strong>und</strong> in der<br />

sächsischen Zulieferlandschaft sind unsere einzige Chance.<br />

Für mich ist die Verb<strong>und</strong>initiative "Automobilzulieferer Sachsen<br />

2005" eines meiner wichtigsten industriepolitischen Vorhaben. Ich<br />

bitte Sie alle, unterstützen Sie weiterhin diejenigen, die an der<br />

Verwirklichung <strong>und</strong> Umsetzung dieser Initiative im Interesse unserer<br />

sächsischen Automobilindustrie arbeiten.<br />

Herzlichen Dank.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Das Schlusswort hat die Fraktion der CDU. Herr<br />

Bolick, bitte.<br />

Bolick, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Herr Lochbaum, ich bin enttäuscht über das, was Sie vorhin<br />

vorgetragen haben. In der eigenen Stadt profitieren Ihre Firmen<br />

davon <strong>und</strong> hier wird gesagt, es gibt noch keine Ergebnisse. Ich<br />

denke, der Minister hat deutlich dargestellt <strong>und</strong> ich habe es auch<br />

versucht, dass schon jede Menge Ergebnisse da sind. Die<br />

Automobilbranche ist nun mal <strong>sehr</strong> kurzlebig. Darum bitte ich auch,


dass wir über den Antrag so abstimmen, dass wir uns in einem<br />

bestimmten Zeitraum über diese Aktivitäten noch einmal berichten<br />

lassen.<br />

Eine Anregung, Herr Lochbaum, würde ich gern aufnehmen. Ich sage<br />

dem Dr. Vogel Bescheid. Beim nächsten Gespräch Putin - Schröder<br />

werden Sie möglicherweise dafür sorgen, dass er oder unser<br />

Wirtschaftsminister mit eingeladen wird. Dann können wir das gern<br />

mit einbinden. Ich weiß nicht, ob Herr Schröder in dem Gespräch an<br />

unsere sächsische Automobilbranche gedacht hat, aber dem können wir<br />

auf die Sprünge helfen.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich möchte darauf verweisen, dass wir allerdings<br />

nur über den Antrag abstimmen können, so wie er vorliegt. Die<br />

Aussicht, dass weiter berichtet wird, ist nicht Gegenstand dieses<br />

Antrages. Ich lasse jetzt abstimmen über den vorliegenden Antrag,<br />

so wie auch die Diskussionen im Plenum gelaufen sind.<br />

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.<br />

- Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es war ja große Einigkeit,<br />

trotz alledem.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 beendet.<br />

Ich rufe auf den<br />

Tagesordnungspunkt 5<br />

Stand der Umsetzung des Landespsychiatriegesetzes<br />

Drucksache 3/1338, Antrag der Fraktion der PDS, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Fraktionen werden dazu Stellung nehmen. Es beginnt die<br />

Einreicherin, die Fraktion der PDS. Danach folgen CDU, SPD, CDU <strong>und</strong><br />

die Staatsregierung. Herr Dürrschmidt für die Fraktion der PDS, Sie<br />

haben das Wort.<br />

Dürrschmidt, PDS: Herr Präsident! Sehr geehrte <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong><br />

Abgeordnete! Stellen Sie sich vor, Sie hören Stimmen, die nur Sie<br />

<strong>und</strong> kein anderer wahrnimmt, Sie sehen Dinge, die kein anderer<br />

sieht. Ihre Lebenspartnerin <strong>und</strong> Ihre Angehörigen glauben Ihnen kein<br />

Wort von dem, was Sie ihnen sagen. Es gibt Nachbarn, die sagen von<br />

Ihnen: <strong>Der</strong> ist ja verrückt! <strong>Der</strong> Arzt gibt Ihnen starke Medikamente,<br />

die Sie widerwillig, aber trotzdem brav schlucken - wegen der<br />

kleinen Männchen.<br />

Seitdem haben Sie einen ausgesprochen trockenen M<strong>und</strong>, der Magen<br />

spielt sowieso verrückt, Sie fühlen sich müde <strong>und</strong> antriebsarm. Das<br />

Zittern im linken Arm hört nicht mehr auf <strong>und</strong> Sie werden es<br />

langfristig wohl kaum wegbekommen. Sie haben eigentlich zu nichts<br />

mehr Lust <strong>und</strong> es klappt auch gar nichts mehr. Das Leben ist totale<br />

Scheiße.<br />

Ihre Angehörigen schleppen Sie irgendwann zum sozialpsychiatrischen<br />

Dienst, weil sie der Meinung sind, so geht es nicht mehr weiter.<br />

So wie ihm geht es vielen anderen Betroffenen. Ihm wird erklärt,<br />

dass er psychisch krank ist, <strong>und</strong> er wird darüber informiert, dass<br />

ihm viele Angebote stationärer, teilstationärer <strong>und</strong> ambulanter Art<br />

zur Verfügung stehen. Davon möchte er aber keines annehmen, denn er<br />

ist ja nicht blöd. Und doch ist er psychisch krank <strong>und</strong> braucht<br />

Hilfe <strong>und</strong> Betreuung, um nicht unterzugehen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir befinden uns im 25. Jahr der<br />

Psychiatrie-Enquete der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> in Sachsen hat sich in<br />

den letzten Jahren eine Menge getan. Sowohl der


Landespsychiatrieplan als auch das Gesetz zur Versorgung psychisch<br />

Kranker regeln gr<strong>und</strong>legend die Versorgungsstrukturen für Betroffene<br />

in Sachsen. Hervorzuheben ist, dass die so genannte sächsische<br />

Enthospitalisierung Unterbringungsmöglichkeiten in Wohnstätten<br />

geschaffen hat, die zentral liegen <strong>und</strong> klein sind. Das hat den<br />

positiven Effekt, dass Voraussetzungen für gemeindenahe Psychiatrie<br />

geschaffen wurden.<br />

Es wurden Millionen Mark dafür eingesetzt, dass Betroffene die<br />

großen Einrichtungen in den Landeskrankenhäusern verlassen konnten<br />

<strong>und</strong> nun in einer anderen - wir denken auch besseren - Form<br />

stationär betreut werden. Wir wissen aber auch, dass es dabei nach<br />

wie vor noch viele Lücken gibt, <strong>und</strong> die Nachfragen können noch<br />

nicht alle gedeckt werden. Wir sind mit der Enthospitalisierung<br />

noch lange nicht am Ende.<br />

Auch das Netz der teilstationären Einrichtungen wurde ausgebaut <strong>und</strong><br />

mit dem erreichten Stand, zum Beispiel fünf Tagesstätten für<br />

psychisch-chronisch Kranke im Freistaat Sachsen, kann man durchaus<br />

zufrieden sein.<br />

Ein weiterer ganz wichtiger Faktor ist, dass die Finanzierung der<br />

stationären <strong>und</strong> teilstationären Angebote geregelt ist. Es liegen<br />

außer der Tatsache, dass die Tagessätze in Sachsen an der untersten<br />

Grenze liegen <strong>und</strong> sich in anderen B<strong>und</strong>esländern deutlich besser<br />

gestalten, eigentlich keine Zahlungsprobleme vor.<br />

Bei den ambulanten Angeboten gestaltet sich der Sachverhalt etwas<br />

komplizierter. Es wurde zwar in gleichem Maße versucht, die<br />

niederschwelligen ambulanten Angebote auszubauen, aber deren<br />

finanzielle Sicherstellung gestaltete sich schon immer als ein<br />

Problem.<br />

1998 wurde mit der Diskussion über das Punktwertsystem begonnen <strong>und</strong><br />

ein neues Finanzierungssystem flächendeckend zur Anwendung<br />

gebracht. Die Einführung wurde den Trägern <strong>und</strong> kommunalen Behörden<br />

mit zukünftig größerer Planungssicherheit, besserer <strong>und</strong> gerechterer<br />

Leistungshonorierung <strong>und</strong> Berücksichtigung der Qualität der Arbeit<br />

schmackhaft gemacht. Nach der Richtlinie Psychiatrie <strong>und</strong> Suchthilfe<br />

sollen die Haushaltspläne von den Ämtern bis zum 30. Oktober für<br />

das Folgejahr eingereicht werden. Entsprechend den anerkannten<br />

Punkten für den geplanten Leistungsumfang wird darauf in den<br />

Regierungspräsidien der gesamte Finanzierungsumfang ermittelt.<br />

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Mitfinanzierung der<br />

Kreise sichergestellt ist, wollte sich der Freistaat mit maximal 45<br />

% an der Gesamtfinanzierung beteiligen. Leistungen, die mit Punkten<br />

honoriert werden, sind zum Beispiel bei Kontakt- <strong>und</strong><br />

Beratungsstellen für psychisch Behinderte: Weiterbildung <strong>und</strong><br />

Supervision, Krisenberatung, Existenz von Selbsthilfegruppen,<br />

Angebote zu ungewöhnlichen Zeiten <strong>und</strong> natürlich der Umfang der<br />

Beratungsangebote <strong>und</strong> Kontaktst<strong>und</strong>en sowie Weiteres. Oder anders<br />

ausgedrückt: Leistung sollte sich bezahlt machen. Unterbreite ich<br />

mehr Angebote mit entsprechender Qualität, so wird sich das in der<br />

dementsprechenden Förderung ausdrücken. Ich werde also eine höhere<br />

Finanzierung erhalten.<br />

Ist es aber wirklich so gekommen? Hat die Einführung der Richtlinie<br />

mehr Planungssicherheit gebracht? Wann werden denn die Ämter über<br />

die Höhe des Punktwertes informiert? Wann erfolgt die Information<br />

über den bestätigten Finanzierungsumfang? Wann erhalte ich als<br />

Träger oder als Kreis die Bewilligungsbescheide? - Ich denke, die


Planungssicherheit <strong>und</strong> die Anerkennung der Leistungen fehlen. Wir<br />

haben mehr Unsicherheit <strong>und</strong> eine höhere Bürokratie.<br />

1999 belief sich der Punktwert in der Sozialpsychiatrie auf 1 675<br />

DM <strong>und</strong> im Bereich Sucht war er etwas geringer. Die Mitteilung<br />

darüber erfolgte aber nicht am Jahresanfang, sondern mit der<br />

Ausreichung der Bewilligungsbescheide im Monat Oktober, also zu<br />

einem Zeitpunkt, als die Ämter <strong>und</strong> die Träger der Einrichtungen<br />

schon aufgefordert waren, die Planungen für das Jahr 2000<br />

einzureichen, oder noch zirka 14 Tage bzw. drei Wochen Zeit hatten<br />

dies vorzunehmen.<br />

Heute stehen wir kurz vor Beendigung des zweiten Quartals 2000. Bis<br />

zum heutigen Zeitpunkt gibt es wiederum noch keine Aussage über die<br />

Höhe des Punktwertes außer aus der Gerüchteküche, dass es sich<br />

vermutlich um eine 7,5prozentige Absenkung handeln wird; man muss<br />

also mit einem geringeren Punktwert rechnen. Die<br />

Bewilligungsbescheide sollen frühestens zum Ende des dritten<br />

Quartals ausgestellt werden. Das ist ein Zustand, den wir<br />

keinesfalls mittragen können.<br />

Die Träger wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, <strong>und</strong> stehen<br />

finanziell auf dem Schlauch. Kommt kein Geld, so bleibt der<br />

Kontakt- <strong>und</strong> Beratungsstelle in Chemnitz für psychisch behinderte<br />

Menschen nichts anderes übrig, als im Juli ihre Türen zu schließen.<br />

In Zittau können keine Gehälter mehr gezahlt werden, wenn nicht<br />

Abschlagszahlungen kommen <strong>und</strong> endlich Planungssicherheit da ist.<br />

Andere Kontakt- <strong>und</strong> Beratungsstellen schreiben rote Zahlen um die<br />

30 000 bis 50 000 DM. Nur die Träger, die auch Wohnheime betreiben,<br />

können sich über Wasser halten. Die kommunalen Behörden befinden<br />

sich in einer komplizierten Lage, da sie wissen, dass sie ihre<br />

Verantwortung wahrnehmen müssen <strong>und</strong> irgendwie den fehlenden<br />

Finanzbedarf auszugleichen haben.<br />

Ihre Planung ist völlig offen, da Sie nicht wissen, wie hoch die<br />

Landesbeteiligung wirklich ist. Eines ist nur sicher für Sie: Sie<br />

wird auf keinen Fall die maximal 45 % betragen, was ja auch schon<br />

im Jahr 1999 der Fall war. In Chemnitz waren es zum Beispiel 30 %<br />

im Bereich Psychiatrie <strong>und</strong> in Zwickau lag dieser Wert etwa im<br />

Bereich Sucht.<br />

Nun komme ich auf dieses Jahr zurück: Abschlagszahlungen sind<br />

erfolgt, aber nur <strong>sehr</strong> zögerlich. Schauen wir in den Mittelabfluss,<br />

so müssen wir feststellen, dass zum I. Quartal dieses Jahres weiß<br />

Gott nicht die 25 %, die das Quartal ausmachen würde, abgeflossen<br />

sind.<br />

Zweite Zahlungen wurden <strong>sehr</strong> zögerlich vorgenommen <strong>und</strong> mussten<br />

angemahnt werden, weil die Zahlungen in der Größe, wie sie<br />

vorgenommen wurden, in etwa Zahlungen für einen Monat waren. Also<br />

für zwei Quartale angewiesen bedeutet, für zwei Monate ausgezahlt.<br />

Damit kann ich etwa finanzieren, was in zwei Monaten an<br />

Finanzbedarf anliegt. - Also wahnsinnige finanzielle Löcher<br />

entstehen.<br />

Unter Berücksichtigung der Aussagen der Staatsregierung, dass<br />

Punktwerte <strong>und</strong> Bewilligungsbescheide erst ermittelt <strong>und</strong> mitgeteilt<br />

werden, wenn alle Kreise ihre Planungen mitteilen, brachte die<br />

Einführung der neuen Richtlinie eigentlich nur eine Deckelung des<br />

Haushaltes entsprechend dem vorhandenen Finanzvolumen.<br />

Es ist also nicht so, dass qualitativ hochwertige Leistungen durch<br />

Punkte vergütet werden, sondern für geplante Leistungen wird


ückwirkend der Finanzwert festgelegt. Und wenn das Finanzvolumen<br />

gering ist, bedeutet eine Erhöhung der Punkte eine inflationäre<br />

Entwicklung des Punktwertes, das heißt, er wird sich rückläufig<br />

entwickeln.<br />

Es erfolgt also keine Erstattung des tatsächlich erbrachten Wertes,<br />

sondern man muss rückwirkend mit Kürzungen rechnen <strong>und</strong> muss seine<br />

Haushaltspläne nachgestalten. Es spart also das Land auf Kosten der<br />

Träger <strong>und</strong> auf Kosten der Kreise <strong>und</strong> Kommunen. Diese sind bei<br />

höherem Leistungsangebot gezwungen, ihre Versorgungsverträge, die<br />

sie mit den jeweiligen Trägern abschließen, nach oben hin<br />

anzupassen.<br />

Hier muss aus unserer Sicht eine Verbesserung erfolgen, weil<br />

wirklich Planungssicherheit angesagt ist <strong>und</strong> weil es nicht sein<br />

kann, dass alle Kosten, die hier erbracht werden, immer mehr <strong>und</strong> in<br />

immer größerem Umfang auf die Kommunen umgelegt werden.<br />

Und ich komme zu unserem Betroffenen zurück, den ich Ihnen am<br />

Anfang vorgestellt habe. Ihn interessieren doch die<br />

Zahlungsschwierigkeiten relativ wenig. Er registriert nur, dass er<br />

plötzlich vor verschlossenen Türen steht. Wenn das eintritt, dann<br />

haben wir als Politik versagt <strong>und</strong> haben nichts gekonnt. - Und er<br />

ist wieder allein. Ihm bleibt das Gefühl nicht mehr leben zu<br />

wollen, weil keiner ihn versteht.<br />

Ich habe meine Ausführungen exemplarisch an dem Problem<br />

psychosoziale Betreuung aufgemacht. Ich hätte das genauso<br />

exemplarisch mit dem Problemkreis Sucht machen können. Dort ist es<br />

ähnlich. Und man könnte es noch erweitern, man könnte es auf viele<br />

andere soziale Bereiche erweitern. Aber es ging ja um diese<br />

speziellen Fragen sozialpsychiatrische <strong>und</strong> Suchtbetreuung.<br />

Das Schlimme ist eigentlich, dass die Träger von sozialen<br />

Leistungen bei dieser Art der Finanzierung <strong>und</strong> bei dieser Art des<br />

Umgangs im Dunkeln stehen gelassen werden.<br />

Was die Träger erwarten, ist Rechtssicherheit. Sie wollen eine<br />

Planbarkeit ihrer Angebote vornehmen können <strong>und</strong> verlangen dafür,<br />

dass die finanzielle Absicherung sichergestellt ist. Deswegen haben<br />

wir auch unseren Punkt 2 in diesen Antrag eingebracht.<br />

Es kann nicht sein, dass ich ein Dreivierteljahr später, im<br />

laufenden Haushaltsjahr, wenn das Haushaltsjahr also fast<br />

abgeschlossen ist, mitgeteilt bekomme, wie viel "wert" denn meine<br />

Leistungen sind. Ich muss aber im Jahr zuvor meine Planung<br />

einreichen. Ich werde dazu aufgefordert <strong>und</strong> werde angemahnt, wenn<br />

ich das nicht tue.<br />

Deswegen wollen wir, wenn die Planung eingereicht ist, dass der<br />

Träger weiß <strong>und</strong> dass die Kommunen, die Landkreise <strong>und</strong> die<br />

kreisfreien Städte wissen, mit welchem Finanzwert sie rechnen<br />

können, um tatsächlich realistische Planungen vornehmen zu können.<br />

Und ich denke, das ist <strong>sehr</strong> wichtig.<br />

Diese realistische Planung ist aus meiner Sicht auch wichtig für<br />

den Landeshaushalt. Ich muss doch davon ausgehen, welche Leistungen<br />

ich vorhalten will, dass ich nicht irgendeinen Finanzbedarf<br />

vorhalte <strong>und</strong> danach sage: "Und nun versuche ich mal, da irgendwie<br />

die Leistungen hineinzupacken." Es muss, glaube ich, umgekehrt<br />

gehen.<br />

Leistungen werden nur erbracht, wenn sie auch finanziert werden.<br />

Wir hatten gerade das Beispiel aus der Industrie. Dort wird das<br />

auch immer gesagt: Es kann nur das finanziert werden, was auch


wirklich gemacht wird. Ich sage, es ist hier genauso: Wenn ich<br />

Leistungen erbringen will, muss ich sie finanzieren, <strong>und</strong> dann kann<br />

ich nicht einen Nulltarif fordern oder kann dahin gehen, dass ich<br />

sage, ich will den Zahlungsumfang, den ich leisten will,<br />

zurückfahren. Wer so handelt <strong>und</strong> so denkt, handelt<br />

verantwortungslos.<br />

Das, was die Träger fordern, das fordern wir auch im Interesse der<br />

Träger. Und es geht darum, dass die Träger Leistungen erbringen<br />

wollen nicht um ihrer selbst willen, sondern Leistungen erbringen<br />

im Interesse der Betroffenen. Dafür müssen wir uns einsetzen, das<br />

heißt Sicherheit geben. Deshalb müssen sie rechtzeitig informiert<br />

werden, mit welchen Größen sie planen können, weil dieses Problem,<br />

psychisch krank zu sein oder von Sucht betroffen zu sein, ein<br />

Problem ist, das unserer Unterstützung, Hilfe <strong>und</strong> Betreuung bedarf.<br />

Und dort dürfen wir uns nicht aus unserer Verantwortung<br />

herausstehlen.<br />

Ich danke Ihnen.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU. Herr<br />

Stempell, bitte.<br />

Stempell, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Wir haben heute ein wahres Kontrastprogramm - neben einem<br />

Wirtschaftsthema heute im ersten Drittel der Tagesordnung auch ein<br />

soziales Thema. Ich denke, das sollte man besonders würdigen, weil<br />

das ja nicht so oft passiert.<br />

Zur Debatte steht der Antrag der PDS-Fraktion: Stand der Umsetzung<br />

des Landespsychiatriegesetzes. - Ich denke, Herr Dürrschmidt, Sie<br />

haben doch ein bisschen verworren in Ihrem Beitrag zu der Situation<br />

gesprochen, denn es gibt die Pflichtaufgaben der Kommunen <strong>und</strong> es<br />

wird keine verschlossenen Türen geben dürfen.<br />

Das Landespsychiatriegesetz wurde vom <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong> am 26.<br />

Mai 1994 als Gesetz über die Hilfen <strong>und</strong> die Unterbringung bei<br />

psychischen Krankheiten beschlossen.<br />

Zu den in dem Antrag von der PDS aufgeworfenen Anfragen an die<br />

Staatsregierung möchte ich kurz <strong>und</strong> bündig aus Sicht der CDU-<br />

Fraktion Position beziehen. Für den Anwendungsbereich dieses<br />

Landespsychiatriegesetzes heißt es: "Das Gesetz regelt Hilfen für<br />

psychisch Kranke, die Anordnung von Maßnahmen für psychisch Kranke,<br />

die Unterbringung von psychisch Kranken, den Vollzug der Maßregeln<br />

nach den §§ 63 <strong>und</strong> 64 des Strafgesetzbuches."<br />

Ausdrücklich wird im § 1 Abs. 2 formuliert: "Psychisch Kranke im<br />

Sinne dieses Gesetzes sind auch Personen, bei denen eine<br />

Suchtkrankheit vorliegt." Da gibt es bekanntlich ein breites<br />

Spektrum von Suchtkrankheiten mit illegalen <strong>und</strong> legalen Mitteln <strong>und</strong><br />

Drogen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Zum besseren Verständnis des<br />

Sachverhaltes dieses Antrages, auch um die sachlichen Zusammenhänge<br />

zu erklären, muss ich auf das am 21. November 1991 vom <strong>Landtag</strong><br />

beschlossene Gesetz über den öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst im<br />

Freistaat Sachsen zurückgreifen. Danach haben die Ges<strong>und</strong>heitsämter,<br />

die Ges<strong>und</strong>heitsämter der Landkreise <strong>und</strong> der kreisfreien Städte u.<br />

a. die Beratung <strong>und</strong> die Betreuung von Menschen wahrzunehmen, die an<br />

einer Sucht- oder an einer psychischen Krankheit leiden, von ihr<br />

bedroht oder dadurch gefährdet sind, sowie von deren Angehörigen.


Die Landkreise <strong>und</strong> die kreisfreien Städte sind im Rahmen ihrer<br />

Leistungsfähigkeit für die Gewährung von Hilfen <strong>und</strong> deren<br />

Koordinierung zuständig. Sie richten psychiatrische Dienste <strong>und</strong><br />

Suchtberatungs- <strong>und</strong> Suchtbehandlungsstellen ein <strong>und</strong> wirken darauf<br />

hin, dass weitere erforderliche komplementäre psychiatrische<br />

Einrichtungen eingerichtet werden. - So weit die gesetzlichen<br />

Vorgaben.<br />

Im Antrag der PDS-Fraktion wird nun nach diesen Beratungsstellen,<br />

nach deren materieller Ausstattung <strong>und</strong> deren finanzieller<br />

Sicherstellung gefragt. Zur gesetzlich geregelten Zuständigkeit für<br />

diese Beratungsstellen habe ich mich eben geäußert.<br />

In der vorliegenden Antwort der Staatsregierung, speziell des<br />

<strong>Sächsische</strong>n Staatsministeriums für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie, wird alles Wesentliche ausgesagt.<br />

Mit dem <strong>Sächsische</strong>n Landespsychiatriegesetz wurden entscheidende<br />

Voraussetzungen natürlich auch im Zusammenwirken mit dem<br />

Landespsychiatrieplan zu zwischenzeitlich wahrnehmbaren<br />

Veränderungen der psychiatrischen Versorgung in unserem Lande<br />

geschaffen.<br />

Wir brauchen den Vergleich mit der Ausgangssituation im Jahre 1990<br />

keineswegs zu scheuen. Und Sie haben das ja auch betont <strong>und</strong><br />

anerkannt.<br />

Ich habe noch erschütternde Eindrücke von Besuchen in<br />

landespsychiatrischen Krankenhäusern durch den Sozialarbeitskreis<br />

der CDU-<strong>Landtag</strong>sfraktion kurz nach der friedlichen Revolution in<br />

Erinnerung. Es waren teilweise schon schockierende Erlebnisse, die<br />

mich auch noch bis heute belasten. Die psychiatrische Versorgung<br />

als Hinterlassenschaft der DDR war eines der dunkelsten Kapitel<br />

aller Hinterlassenschaften.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Hilfsangebote für psychisch kranke, geistig behinderte <strong>und</strong><br />

suchtkranke Menschen rangierten oft am untersten Ende der Rangskala<br />

des insgesamt mehr <strong>und</strong> mehr verarmenden Ges<strong>und</strong>heitswesens.<br />

Ursachen waren für mich keinesfalls mangelnde menschliche Zuwendung<br />

oder mangelndes Bemühen um Hilfen durch Ärzte oder engagiertes<br />

Pflegepersonal, sondern sie waren bedingt durch das<br />

gesellschaftliche System insgesamt, geprägt durch seine politischen<br />

Doktrinen <strong>und</strong> ich meine auch durch das die Gesellschaft immer mehr<br />

beherrschende vom Atheismus bestimmte Menschenbild. Eine deutliche<br />

Wertung der Ausgangssituation kann man in der Antwort der<br />

Staatsregierung auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion in der 2.<br />

Legislatur unter der Drucksachennummer 2/5623 nachlesen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Sachsenweit existiert ein<br />

Netz von 51 Suchtberatungs- <strong>und</strong> -behandlungsstellen mit einem<br />

durchschnittlichen Versorgungsschlüssel mit Suchtfachkräften von<br />

1 : 26 400 Einwohnern; angestrebt wird eine Relation von 1 : zirka<br />

25 000 Einwohnern.<br />

Mit der gegenwärtig gültigen Richtlinie vom 25. Juli 1998 zur<br />

Förderung psychiatrischer Hilfen, der Suchtprävention <strong>und</strong> der<br />

Suchtkrankenhilfe gewährt der Freistaat Sachsen im Rahmen der<br />

verfügbaren Haushaltsmittel finanzielle Unterstützung an die<br />

Landkreise <strong>und</strong> an die kreisfreien Städte, an die Landkreise <strong>und</strong> die<br />

kreisfreien Städte, die zugleich Antragsteller <strong>und</strong><br />

Zuwendungsempfänger sind.


Das heißt, dass Antragsteller nicht mehr die Träger der einzelnen<br />

Hilfsangebote sind. Die Landkreise <strong>und</strong> die kreisfreien Städte<br />

müssen die erhaltenen Fördermittel an die verschiedenen<br />

Einrichtungen für die Hilfsangebote weiterleiten. Gefördert werden<br />

maximal 45 % der förderfähigen Gesamtaufwendungen für den Unterhalt<br />

des gemeindepsychiatrischen Verb<strong>und</strong>es. Die restlichen 55 % sind aus<br />

der kommunalen Finanzierung <strong>und</strong> - soweit möglich - aus den<br />

Eigenmitteln der Träger aufzubringen. Entsprechend dem qualitativen<br />

Umfang <strong>und</strong> der Vernetzung einzelner Versorgungsbausteine des<br />

gemeindepsychiatrischen Verb<strong>und</strong>es jedes Antragstellers wird nach<br />

einem bekannten Punktebewertungssystem noch differenziert. Also<br />

auch dort liegt die Möglichkeit der Beeinflussung des<br />

Punktesystems.<br />

Die Antragstellung für die finanzielle Bezuschussung hat spätestens<br />

bis zum 1. Oktober des laufenden Jahres für das Folgejahr an das<br />

zuständige Regierungspräsidium durch den Zuwendungsempfänger mit<br />

Darstellung der geplanten Kosten des gemeindepsychiatrischen<br />

Verb<strong>und</strong>es zu erfolgen.<br />

Ich habe bei meinen Vorbereitungen für diesen kurzen Beitrag<br />

gehört, dass es auch säumige Antragsteller geben soll, die die<br />

gesamte Fördermittelvergabe verzögern. Denn der für jeden<br />

Antragsteller konkrete Punktewert kann erst ermittelt werden, wenn<br />

alle Anträge vorliegen. Bis zum 30. April des Folgejahres ist dem<br />

zuständigen Regierungspräsidium ein Bericht durch die Landkreise<br />

<strong>und</strong> die kreisfreien Städte mit der Dokumentation der erbrachten<br />

Leistungen des gemeindepsychiatrischen Verb<strong>und</strong>es im vergangenen<br />

Jahr vorzulegen.<br />

Eine sicher wünschenswerte zeitigere Mitteilung an die<br />

Leistungserbringer zur Höhe der finanziellen Förderung des<br />

kommenden Haushaltsjahres ist aus diesen Fristgründen leider nicht<br />

möglich.<br />

(Frau Zschoche, PDS: Das sehe ich nicht ein!)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die CDU-Fraktion schließt<br />

sich der abschließenden Aussage der Staatsregierung in Beantwortung<br />

dieses Antrages an, dass das Anliegen des Antragstellers im<br />

Wesentlichen bereits erfüllt ist.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, ich danke für Ihre<br />

Aufmerksamkeit. Die CDU wird diesem Antrag leider nicht zustimmen<br />

können.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau<br />

Dr. Volkmer, bitte.<br />

Frau Dr. Volkmer, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen von der PDS, wenn Sie über das<br />

Landespsychiatriegesetz sprechen wollen, müssen Sie aber - denke<br />

ich einmal - einen entsprechenden Antrag einbringen, der dieses<br />

Thema dann auch abdecken kann. Denn Ihr Antrag bezieht sich nur auf<br />

einen ganz kleinen Teil des Landespsychiatriegesetzes, nämlich auf<br />

die ambulanten Hilfen <strong>und</strong> Angebote für abhängigkeitskranke<br />

Menschen. Das geht ganz klar aus der Begründung dieses Antrages<br />

hervor. Und dieser Antrag schließt sich dann an die Diskussion an,<br />

die wir erst vor kurzem hier im <strong>Landtag</strong> gehabt haben. Nur zu diesem<br />

Punkt, nur zu diesem Teil möchte ich auch sprechen.<br />

Im Übrigen wird die Nagelprobe zu diesen ganzen Dingen, die von<br />

meinen Vorrednern schon geäußert worden sind, sowieso in den


Haushaltsberatungen erfolgen. Dort werden wir ja sehen, was<br />

einzustellen ist <strong>und</strong> ob auch alle, die sich hier geäußert haben,<br />

dann dazu bereit sind.<br />

Ich denke, es bedarf auch einer umfassenden Beschäftigung mit dem<br />

Thema Sucht <strong>und</strong> eben nicht nur mit den ambulanten Hilfsangeboten,<br />

nämlich von der Primärprävention, die eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe ist, bis hin zu den niederschwelligen Hilfsangeboten für<br />

Suchtkranke.<br />

Auf die Frage, wie die bestehenden Beratungsstellen in der Lage<br />

sind die steigenden Anforderungen von Beratung <strong>und</strong> Betreuung<br />

abzusichern, antwortet die Staatsregierung nur <strong>sehr</strong> ausweichend. Es<br />

ist natürlich auch keine angenehme Aufgabe, hier Defizite <strong>und</strong><br />

Mängel zuzugeben. Aber gerade das verlangt eine objektive <strong>und</strong><br />

fachlich richtige Einschätzung der Lage. Deshalb können wir die<br />

ausweichende Antwort zwar nachvollziehen, aber nicht akzeptieren.<br />

Die Fraktion der SPD jedenfalls vertritt die Ansicht, dass die<br />

bestehenden Beratungsstellen den gewachsenen Anforderungen nicht<br />

mehr voll genügen können <strong>und</strong> an die Grenzen ihrer<br />

Leistungsfähigkeit gelangt sind.<br />

Damit vertreten wir auch keine Minderheitenmeinung, sondern teilen<br />

sie mit allen, die mit dem Bereich der Suchtkrankenhilfe zu tun<br />

haben. So gab die LVA in einer Pressemitteilung vom November 1999<br />

bekannt, dass alle, die für die Suchtkrankenhilfe in Sachsen die<br />

Verantwortung übernommen haben, dieser auch gerecht werden müssen,<br />

<strong>und</strong> gesteht ein, die explosive Entwicklung des Drogenkonsums über<br />

längere Zeit selbst nicht erkannt zu haben.<br />

Und die Landesstelle gegen die Suchtgefahren schrieb in ihrem Brief<br />

vom Februar dieses Jahres an die Mitglieder des Sozialausschusses<br />

im <strong>Landtag</strong> - ich zitiere: "Das ambulante Hilfesystem ist auf die<br />

geänderten <strong>und</strong> gewachsenen Anforderungen in personeller <strong>und</strong><br />

struktureller Hinsicht nicht entsprechend eingestellt."<br />

Vielleicht, Herr Staatsminister, war Ihre Stellungnahme auch<br />

unvollständig <strong>und</strong> Sie erfreuen uns nachher mit neuen Informationen<br />

zur Förderung der Beratungsstellen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Fakten über Drogenkonsum <strong>und</strong><br />

Suchtkrankheiten in Sachsen haben sich seit der letzten Debatte zum<br />

Thema kaum verändert. Deshalb möchte ich nicht noch einmal konkret<br />

darauf eingehen. Steigende Konsumentenzahlen illegaler Drogen<br />

bezeugen jedoch den Trend der Angleichung von Ost <strong>und</strong> West auf<br />

diesem Gebiet. Und die Defizite bei den Behandlungsangeboten für<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche hat auch die Staatsregierung mittlerweile<br />

erkannt. Sie wollte eigentlich eine Konzeption erarbeiten, auf die<br />

wir aber immer noch warten.<br />

Ein weiterer Punkt des Antrages fragt nach der Differenziertheit<br />

<strong>und</strong> der Methodenvielfalt des Angebots. Auch hier wieder die<br />

ausweichende Antwort <strong>und</strong> keine Einschätzung, ob die vorhandenen<br />

Angebote den Anforderungen gerecht werden.<br />

Ein Beispiel für die Auffassung der Staatsregierung von Vielfalt<br />

<strong>und</strong> Differenziertheit ist ihre Weigerung, das geänderte<br />

Betäubungsmittelgesetz für Sachsen zu nutzen <strong>und</strong> den Kommunen die<br />

Möglichkeit zu geben, Fixerstuben einzurichten.<br />

1998 gab es allein in Leipzig 500 Heroinabhängige, die in eine<br />

Einrichtung zur Beratung gekommen sind. Die Dunkelziffer liegt<br />

ungefähr bei 1 000 bis 1 500 allein für den Raum Leipzig. Experten<br />

rechnen damit, dass bereits in zwei Jahren die Gefahr der


Entwicklung einer offenen Drogenszene konkret gegeben ist. Und dann<br />

besteht die Gefahr, dass wir der Entwicklung wieder<br />

hinterherlaufen, wie wir es heute bei den Angeboten zur Behandlung<br />

suchtkranker Jugendlicher in Sachsen tun.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir brauchen im System der<br />

Suchtkrankenhilfe differenzierte Hilfen, die frühzeitig eingreifen<br />

können, die geschlechtsspezifische Unterschiede einbeziehen, die<br />

wirksame Überlebenshilfen für die Schwerstabhängigen leisten <strong>und</strong><br />

begleitend <strong>und</strong> integrierend tätig werden.<br />

Die Behandlungs- <strong>und</strong> Beratungsstellen müssen in der Lage sein,<br />

flexibel verschiedenste Angebote <strong>und</strong> Maßnahmen durchzuführen,<br />

müssen individueller <strong>und</strong> damit auch effektiver arbeiten können.<br />

Dazu benötigen sie jetzt die entsprechende finanzielle, materielle<br />

<strong>und</strong> personelle Ausstattung <strong>und</strong> nicht erst dann, wenn uns die<br />

Statistik bestätigt, dass es "vor zwei Jahren" genau so viele<br />

Drogentote gegeben hat wie in den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />

Vorbeugung <strong>und</strong> vorausschauende Maßnahmen sind gefragt. Und da<br />

verw<strong>und</strong>ert es schon, dass die Staatsregierung nicht vorhat, im<br />

Bereich der ambulanten Suchthilfe zukünftig mehr Mittel zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Wie schon erwähnt, haben wir uns erst kürzlich im Plenum mit dem<br />

Themenbereich Drogen- <strong>und</strong> Suchtberatung beschäftigt. Eindeutig war<br />

die Feststellung aller Fraktionen, dass hier noch viel getan werden<br />

muss <strong>und</strong> Handlungsbedarf beim Ausbau des Hilfesystems besteht. Das<br />

ist das Ergebnis der letzten Sitzung. Ich hoffe, dass wir diese<br />

Einschätzung auch heute treffen <strong>und</strong> sich daraus vor allem<br />

Handlungen in Form von Anträgen in der Haushaltsdebatte ergeben.<br />

Es geht jedoch nicht nur um größere finanzielle Mittel, sondern es<br />

geht um Verlässlichkeit in der Förderung <strong>und</strong> es geht vor allem<br />

darum, wie mit den Geldern effektiver umgegangen werden kann.<br />

Dringlich - ich sage es noch einmal - ist ein durchgängiges Konzept<br />

für die Drogenpolitik von der flächendeckenden kontinuierlichen<br />

Primärprävention bis zu den differenzierten Hilfen für die<br />

Abhängigen. Unsere Fraktion stellt sich dieser Aufgabe. Sie<br />

erwartet aber auch, dass CDU <strong>und</strong> Staatsregierung als die zurzeit<br />

politisch Verantwortlichen in Sachsen sich stärker dieser Aufgabe<br />

zuwenden, dass sie Fakten zur Kenntnis nehmen <strong>und</strong> dass sie endlich<br />

ideologische Scheuklappen ablegen.<br />

(Beifall bei der SPD - Teilweise Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Wird von der Staatsregierung das Wort gewünscht?<br />

- Herr Minister, bitte.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Ihnen liegt meine Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der PDS<br />

vor. Die Punkte 1 <strong>und</strong> 3 dieses Antrages richten sich auf Fragen der<br />

Suchtprävention <strong>und</strong> Suchtkrankenhilfe <strong>und</strong> dabei insbesondere der<br />

personellen <strong>und</strong> finanziellen Absicherung der Arbeit der<br />

Suchtberatungs- <strong>und</strong> -behandlungsstellen.<br />

Punkt 2 des Antrages zielt auf die Umsetzung der Richtlinie meines<br />

Hauses zur Förderung der sozialpsychiatrischen Hilfen, der<br />

Suchtprävention <strong>und</strong> der Suchtkrankenhilfen. Ich möchte mich hier<br />

<strong>sehr</strong> kurz fassen <strong>und</strong> vor allem auf meine Antwort in der Ihnen<br />

vorliegenden schriftlichen Stellungnahme verweisen. Da gebe ich<br />

Ihnen völlig Recht, Frau Dr. Volkmer, dass in dieser Antwort nicht<br />

alles ausgeführt worden ist. Sie haben auch sicher Recht, wenn Sie


sagen, dass das Gesamtthema umfassender ist. Aber es ist<br />

unbenommen, dass man sich aus einem großen Thema auch ein Teilstück<br />

herausnimmt. Aber auf diese Dinge habe ich eben, wie auch in dieser<br />

Antwort vermerkt, durch Stellungnahmen zu anderen Anträgen, die<br />

erst vor vier oder sechs Wochen hier behandelt worden sind, schon<br />

ausführlich geantwortet. Diese ausführlichen Antworten habe ich<br />

jetzt nicht noch einmal wiederholt. Ich denke, das ist auch<br />

sachgerecht. Wenn Sie von der PDS-Fraktion hier auch wieder, denke<br />

ich, etwas zu spät kommen, müssen Sie eben die anderen Antworten<br />

nachlesen, um die entsprechenden Informationen zu bekommen.<br />

Da möchte ich jetzt ganz speziell auf einen gr<strong>und</strong>sätzlichen Fehler<br />

in der Interpretation der neuen Richtlinie für die Förderung der<br />

Beratungsstellen, ob Sucht- oder psychosozialen Dienste, hinweisen:<br />

Die Punktwerte haben nicht vergleichbar die Funktion wie die<br />

Punktwerte bei den Ärzten bei der Verhandlung mit den<br />

Krankenkassen. Alles, was in dieser Richtung jetzt von Ihnen<br />

angedeutet worden ist, Herr Dürrschmidt - ich bezeichne das mit dem<br />

immer wieder einmal benutzten Begriff des "Hamsterradeffektes" -,<br />

ist eine Fehlinterpretation des Zieles dieser neuen Richtlinie. Die<br />

neue Richtlinie will, wie Sie es durchaus richtig erkannt haben,<br />

Qualität verbessern. Aber sie will auch den gleichmäßigen Auf- <strong>und</strong><br />

Ausbau fördern. Die Frage der Qualitätsverbesserung bezieht sich<br />

dabei auf eine gr<strong>und</strong>sätzlich notwendige, unstrittig als Basis<br />

abgesicherte fachliche Ausbildung der Berater. Das steht nicht zur<br />

Debatte. Dass diese fachlich richtig das Handwerk tun, setzen wir<br />

voraus. Das können wir nicht durch eine Nachprüfung oder sonst<br />

etwas noch einmal infrage stellen oder uns absichern lassen. So ist<br />

die fachliche Steigerung, die wir mit diesem System angestrebt<br />

haben, darin zu sehen, dass wir die Vernetzung in der Region, in<br />

einem Landkreis gewährleisten wollen, die bisher mit der bis dato<br />

bestehenden Förderrichtlinie nicht erreichbar war.<br />

Ich will eines im Besonderen darstellen <strong>und</strong> betonen, dabei ist dies<br />

nicht alles: Uns ging es darum, dass bei unbestrittener fachlicher<br />

Kompetenz der Berater wir <strong>sehr</strong> wohl eine Schwäche in deren Handeln<br />

gesehen haben, die darin lag, dass sich die Berater im Wesentlichen<br />

auf die so genannte Komm-Struktur verlassen haben <strong>und</strong> die Geh-<br />

Struktur nicht entsprechend entwickelt wurde. Für Fachleute ist das<br />

klar. Es geht darum, dass man nicht nur in der Beratungsstelle<br />

darauf wartet, dass Leute kommen, sondern es geht darum, dass man<br />

als Berater auch zu den Leuten hingeht. Das sollte unter anderem<br />

mit Hilfe dieser neuen Förderrichtlinie <strong>und</strong> der Punkte erreicht<br />

werden. Nicht die einzelne Beratung <strong>und</strong> damit den<br />

"Hamsterradeffekt" honorieren. Das war nicht das Ziel. So ist auch<br />

nicht die verspätete Abrechnung das Entscheidende, sondern<br />

natürlich sind Abschlagszahlungen notwendig, um die Versorgung<br />

abzusichern. Die Abrechnung ist sozusagen eine Spitzabrechnung, die<br />

für die Gr<strong>und</strong>sicherung der Finanzierung nicht ausschlaggebend ist.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong>, meine <strong>Herren</strong>! Damit wird es deutlich, dass wir<br />

natürlich nicht im Augenblick etwas absichern, was nach dem Bedarf<br />

im vielleicht klassischen Sinne von Ihnen erwartet wird - das habe<br />

ich auch nicht zugesagt -, sondern wir halten uns an der Stelle an<br />

das Maß, wie es sich in Deutschland <strong>und</strong> wie es sich auch in etwas<br />

differenzierter Form in Sachsen entwickelt hat. Das habe ich bei<br />

der letzten Debatte schon <strong>sehr</strong> deutlich gesagt. <strong>Der</strong> Beratungsbedarf<br />

bezüglich illegaler Drogen ist in Sachsen gegenwärtig noch


erheblich, wahrscheinlich unter 50 % dessen, was in den<br />

Altb<strong>und</strong>esländern gegenwärtig notwendig ist. Von daher, Frau Dr.<br />

Volkmer, ich merke ja schon wieder Ihren Widerspruch, - -<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das ist falsch!)<br />

- Nein, das ist nicht falsch. Die Tatsache ist völlig richtig. Es<br />

sind bei uns nicht so viele abhängig. Wenn Sie reden wollen, müssen<br />

Sie ans Mikrofon gehen. Sie können Fragen stellen. Nur sind wir<br />

dann <strong>sehr</strong> schnell bei der Frage, wie Sie <strong>sehr</strong> richtig auf die<br />

Verhandlungen hingewiesen haben, die wir mit dem Haushalt vor uns<br />

haben <strong>und</strong> entscheiden müssen. Wir werden an solchen Stellen immer<br />

wieder auch geprüft von unseren westlichen Kollegen, wieweit wir<br />

uns in dem Rahmen dessen, was in den Altb<strong>und</strong>esländern üblich ist,<br />

bewegen<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Aber eine<br />

andere Situation!)<br />

oder ob wir deutlich über dem sind.<br />

- Von wegen andere Situation! Das können Sie den westlichen<br />

Kollegen nicht verständlich machen.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Wir müssen uns<br />

verständlich machen!)<br />

- Wir müssen uns aber auch denen verständlich machen, damit wir das<br />

Geld bekommen können. Das wissen Sie ganz genau.<br />

(Beifall des Abg. Dr. Münch, CDU)<br />

Es ist nicht verständlich, wenn wir nur halb so viel<br />

Drogenabhängige haben, <strong>und</strong> es stimmt auch nicht, Frau Dr. Volkmer,<br />

dass wir vor zwei Jahren die gleiche Zahl von Drogentoten gehabt<br />

haben.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das habe ich auch<br />

nicht gesagt!)<br />

Wir müssen uns an den wirklichen Zahlen messen lassen, die wir auf<br />

den Tisch legen. Aus dieser Situation heraus ist der Maßstab<br />

natürlich der durchschnittliche Versorgungsgrad auch in den alten<br />

B<strong>und</strong>esländern. Dass wir dann eine spezifische Versorgung anbieten,<br />

die auf die Sozialisierungssituation Ost Rücksicht nimmt, das ist<br />

unbestritten. Aber die Frage der Menge <strong>und</strong> daraus abgeleitet des<br />

Finanzbedarfs können wir nicht ohne diesen Bezugspunkt entscheiden.<br />

Von daher kann ich Ihnen <strong>sehr</strong> deutlich sagen, es besteht eine neue<br />

Situation gegenüber der schriftlichen Antwort. Nach der Auswertung<br />

der Situation Ende 1999 ist das Verhältnis inzwischen nicht mehr<br />

bei einem Berater auf 26 400 Einwohner, sondern wir sind inzwischen<br />

bei eins zu 23 300. Damit liegen wir nicht an der Spitze, das gebe<br />

ich unumstritten zu.<br />

Aber wir können auch nicht in vielen Bereichen - geschweige denn in<br />

allen Bereichen -, wie Sie alle wissen, die zweite, dritte oder<br />

fünfte Stelle in Deutschland einnehmen, sondern wir werden daran<br />

gemessen, dass wir uns an manchen Stellen ganz normal im<br />

Durchschnitt bewegen - an achter oder an zehnter Stelle. Von daher<br />

sind wir beim Aufbau der Suchtberatung durchaus in dem Bereich, der<br />

sachgerecht ist, <strong>und</strong> wir müssen - das sehe ich gar nicht anders -<br />

entsprechend der sich entwickelnden Szene im Bereich der illegalen<br />

Drogen in den nächsten Jahren einen weiteren Aufbau realisieren.<br />

Anders stellt es sich gegenwärtig bei den sozialpsychiatrischen<br />

Diensten dar. Ihr Eingangsbeispiel, Herr Dürrschmidt, bezog sich ja<br />

auf Menschen, die in diesem Bereich der Hilfe bedürfen. Dort ist<br />

der Aufbau noch nicht vollständig wie bei der Suchtberatung,


sondern wir haben - pauschal eingeschätzt - gegenwärtig erst 75 %<br />

dessen erreicht, was wir endgültig erreichen wollen. Ein<br />

schnellerer Aufbau ist im Augenblick vor allem deswegen nicht<br />

möglich, weil wir nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter haben.<br />

Wir haben an manchen Beratungsstellen die Situation, dass durchaus<br />

unsere Bereitschaft bzw. die der Kommunen vorhanden ist, noch<br />

jemanden einzustellen, aber sie bekommen nicht entsprechend<br />

qualifizierte, ausgebildete Mitarbeiter.<br />

Von daher ist der Ausbau des sozialpsychiatrischen Dienstes<br />

durchaus in unserem Blick <strong>und</strong> wird sich nach unseren Vorstellungen<br />

auch in den Haushaltsansätzen - für Sie durchaus sichtbar -<br />

bemerkbar machen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Damit will ich im Gr<strong>und</strong>e<br />

schließen, da alles andere schon gesagt worden ist in den<br />

Stellungnahmen zu den Anträgen sowohl der CDU-Fraktion als auch der<br />

SPD-Fraktion vor vier bzw. acht Wochen.<br />

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU - Beifall bei der Staatsregierung)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Das Schlusswort hat die PDS-<br />

Fraktion; Herr Abg. Dürrschmidt, bitte.<br />

Dürrschmidt, PDS: Danke schön, Frau Präsidentin.<br />

Herr Staatsminister, ich glaube nicht, dass wir zu spät gekommen<br />

sind. An dem Punkt, was die Finanzierung <strong>und</strong> die Auszahlung der<br />

Mittel betrifft, ist die Staatsregierung zu spät gekommen. Das<br />

sollten wir ganz klar festhalten. Wenn ein Kreis bis heute nicht<br />

weiß, wie viel er Geld bekommt, dann ist das aus meiner Sicht nicht<br />

akzeptabel <strong>und</strong> kann auch nicht vertreten werden. Sie haben auch<br />

keine klare Begründung gegeben, warum Sie das so machen.<br />

(Staatsminister Dr. Geisler: Doch, das habe ich!)<br />

Zu dem Punkt, den Herr Stempell genannt hat - muss ich erst warten,<br />

bis alle Kreise kommen? -, sage ich doch wirklich: dann deckeln!<br />

Warum wurde denn das Punktesystem eingeführt? - Sie haben <strong>sehr</strong><br />

deutlich gesagt: Es wurde eingeführt, indem es jedem Kreis<br />

schmackhaft gemacht wurde: "Endlich wird das, was ihr anbietet,<br />

auch so gerecht berücksichtigt: dass wirklich mehr Qualität<br />

hereingebracht wird, dass mehr Angebote gebracht werden, dass<br />

wirklich dieses Netz entwickelt wird." Bietet es aber ein Kreis an,<br />

bekommt er plötzlich vom Ministerium gesagt: Wartet erst einmal ab,<br />

bis wir dann einmal so weit sind <strong>und</strong> ausgerechnet haben, wie viel<br />

wir euch Geld zur Verfügung stellen können! - Das ist doch der<br />

Effekt, der damit herausgekommen ist.<br />

Ich denke, es muss Sicherheit geben. Es geht auch gar nicht, wie<br />

Sie es gesagt haben, dass wir uns nur am Westen orientieren. Wenn<br />

wir uns am Westen orientieren, bedeutet das, wir geben die<br />

Prävention auf, wir machen nur in dem Maße Prävention, wie es uns<br />

der Westen erlaubt Geld auszugeben.<br />

Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich muss doch das Geld<br />

einsetzen für das, was dringend notwendig ist <strong>und</strong> was Sie in Ihrem<br />

Landespsychiatrieplan, in Ihrem Landespsychiatriegesetz<br />

aufgeschrieben haben.<br />

(Zuruf des Staatsministers Dr. Geisler)<br />

- Herr Minister, genauso gilt es für Sie: Sie können auch ans<br />

Mikrofon gehen. Wie Sie das jedem anderen sagen, sage ich Ihnen<br />

das, bitte schön, auch.<br />

(Staatsminister Dr. Geisler: Das Geld


ausgeben, das Sie drucken!)<br />

- Ich drucke kein Geld, Herr Staatsminister, aber Sie müssen Geld<br />

einstellen für die Dinge, die notwendig sind.<br />

(Staatsminister Dr. Geisler: Wir können so<br />

viel Geld einstellen, wie im Verhältnis in<br />

Deutschland sonst eingestellt ist, sonst nichts!)<br />

- Das geht doch nicht auf, Herr Minister! Sie können doch nicht<br />

sagen, weil die Altb<strong>und</strong>esländer sagen, das dürft ihr nicht, - -<br />

(Staatsminister Dr. Geisler: Da sind es<br />

Schulden! Dann sagen Sie, wo Sie es<br />

einsparen wollen!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Dürrschmidt, Sie können bitte<br />

weitersprechen.<br />

Dürrschmidt, PDS: Ich denke, dass wir zur Haushaltsdebatte darüber<br />

sprechen können. Doch ich glaube, es ist nicht der richtige Ansatz.<br />

Denn wenn Sie den Ansatz verfolgen, stellen Sie doch Ihre<br />

Verantwortung, die Sie als Minister bekommen haben, Ihren Auftrag,<br />

sich dafür einzusetzen, dass sich in diesem Freistaat eine<br />

Entwicklung vollzieht, zurück. Dann sagen Sie doch: Das<br />

interessiert mich nicht mehr. Ich warte darauf, was der Westen<br />

sagt. Wenn der Westen sagt, das dürft ihr nicht, dann mache ich es<br />

nicht. Das haben Sie <strong>sehr</strong> deutlich gesagt <strong>und</strong> das ist nicht in<br />

Ordnung.<br />

(Schiemann, CDU: Das hat er nicht gesagt!)<br />

<strong>Der</strong> Westen schaut ganz genau darauf, was wir tun oder nicht, <strong>und</strong> er<br />

kritisiert, wenn wir irgendwo zu viel Geld ausgeben. Das ist <strong>sehr</strong><br />

deutlich gesagt worden, das können wir nachlesen.<br />

(Bandmann, CDU: Sie wohnen doch in unserem<br />

Lande <strong>und</strong> sehen <strong>sehr</strong> genau, was wir mit dem<br />

Geld machen. Da wird ein Schuh draus!)<br />

Ich denke, dass es bei diesem Antrag darum geht. Es ging um ein<br />

ganz spezielles Gebiet in diesem großen Feld, da haben Sie völlig<br />

Recht. Das spezielle Gebiet haben wir aufgegriffen. Wir können<br />

durchaus akzeptieren - obwohl natürlich <strong>sehr</strong> knapp beantwortet -,<br />

dass dieser erste Punkt abgeschlossen ist.<br />

Bei den Punkten 2 <strong>und</strong> 3 ist es aus meiner Sicht nicht so, dass wir<br />

sie für erledigt erklären könnten. Ich brauche wirklich im<br />

Interesse der Menschen, um die es geht, diese Sicherheit <strong>und</strong> auch<br />

diese perspektivische Entwicklung, an der kontinuierlich gearbeitet<br />

werden muss. Es ist immer Ihre Verantwortung dementsprechend<br />

Vorsorge zu treffen, dass weitere Angebote gestaltet werden.<br />

Ich bin nicht auf die Suchtprobleme eingegangen. Frau Volkmer hat<br />

das aber <strong>sehr</strong> deutlich gemacht <strong>und</strong> es gab andere Anträge dazu. Wir<br />

haben hier eine Verantwortung, die wir realisieren müssen, die<br />

können wir nicht damit abtun, dass wir etwas erreicht haben <strong>und</strong><br />

damit zufrieden sein können.<br />

Wir bitten also darum, dass über die Punkte 2 <strong>und</strong> 3 abgestimmt<br />

wird.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: <strong>Der</strong> Staatsminister Dr. Geisler hat<br />

noch einmal um das Wort gebeten, bitte schön.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Herr Dürrschmidt,<br />

Sie können wirklich nachlesen. Ich habe gesagt, das ist ein Punkt,


nicht der einzige Punkt, an dem das gemessen wird. Sie haben es<br />

gerade dargestellt, als sei es der Punkt, der einzige Punkt, <strong>und</strong><br />

das ist falsch.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Von daher muss ich schon <strong>sehr</strong> deutlich sagen, dass wir - Sie haben<br />

es ja diesmal dankenswerterweise auch gesagt - in den letzten zehn<br />

Jahren eine Entwicklung in dem Bereich vollzogen haben, die sich<br />

sehen lassen kann. Auch in den ambulanten Versorgungsstrukturen<br />

haben wir das erreicht.<br />

Von daher ist die Frage, wie wir das Geld, das wir haben,<br />

einsetzen, natürlich entscheidend.<br />

Sie wissen aufgr<strong>und</strong> der Steuerschätzungen alle seit den letzten 14<br />

Tagen: Es werden 230 Millionen DM weniger sein nächstes Jahr <strong>und</strong> es<br />

werden durch die Tarifsteigerungen 270 Millionen DM mehr Ausgaben<br />

sein, die bei solchen Dingen wie denen, über die wir gerade beraten<br />

haben, gegebenenfalls zu Kürzungen führen müssen, weil die 500<br />

Millionen DM nicht mehr da sind bzw. für Tarifsteigerungen<br />

festgelegt sind oder wegen geringerer Steuereinnahmen wirklich<br />

nicht mehr da sind. Das wird sich an vielen Haushaltsstellen<br />

bemerkbar machen, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die<br />

Diskussion ist damit aufgr<strong>und</strong> der Zeit, die durch den Minister<br />

überzogen worden ist, noch einmal eröffnet. Ich möchte den<br />

Oppositionsparteien die Gelegenheit geben, eine Minute zu sprechen.<br />

Möchten Sie die Minute noch für eine Entgegnung nutzen? - Bitte.<br />

Frau Dr. Volkmer, SPD: Es hat sich hier deutlich der völlig andere<br />

Ansatz gezeigt.<br />

Wir sind der Meinung, wir müssen jetzt, solange wir eben noch nicht<br />

diese Zahlen haben wie in den alten B<strong>und</strong>esländern, alles tun <strong>und</strong><br />

vor allen Dingen auch den ganzen präventiven Bereich wesentlich<br />

mehr stärken <strong>und</strong> mehr Geld hineinfließen lassen, damit wir eben<br />

nicht zu diesen Zahlen kommen.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Und wir müssen auf der anderen Seite jetzt die gesetzlichen<br />

Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir dann mit den trotzdem<br />

steigenden Zahlen von Abhängigkeitskranken angemessen umgehen<br />

können, damit uns das nicht passiert wie jetzt, dass wir ständig<br />

hinterherlaufen, dass wir suchtkranke Jugendliche hier aus Sachsen<br />

eben immer noch nicht in Sachsen behandeln können <strong>und</strong> immer noch in<br />

die alten B<strong>und</strong>esländer schicken, wo sie nicht angemessen behandelt<br />

werden können, weil wir eine andere Sozialisation haben <strong>und</strong> weil<br />

bei uns auch die Kontakte, die noch zur Familie bestehen,<br />

wesentlich stärker sind als in den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />

(Beifall des Abg. Jurk, SPD)<br />

Das darf uns nicht passieren. Aus dem Gr<strong>und</strong>e sind wir auch dafür,<br />

das Betäubungsmittelgesetz im Freistaat Sachsen so umzusetzen, wie<br />

es vorgesehen ist.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die PDS-Fraktion bitte, Herr Abg.<br />

Dürrschmidt.<br />

Dürrschmidt, PDS: Herr Staatsminister, wir haben viel erreicht. Da<br />

gebe ich Ihnen Recht. Wir haben auch viel im ambulanten Bereich<br />

erreicht. Da gebe ich Ihnen auch Recht.<br />

(Beifall bei der CDU)


Aber wenn keine Gelder mehr eingestellt werden <strong>und</strong> die ersten KoBS<br />

sagen: "Wir müssen die Türen zumachen" <strong>und</strong> wenn die ersten Träger<br />

sagen: "Es geht nichts mehr" <strong>und</strong> wenn zum Beispiel eine<br />

Suchtberatung in Zwickau geschlossen wurde, weil sie nicht<br />

finanziert werden kann, dann muss das doch Nachdenklichkeit<br />

erzeugen. Dann muss man darüber nachdenken, ob das richtig ist.<br />

Ob Sie nun gesagt haben, dass es ein Punkt war, ist mir egal. Wenn<br />

ich diesen Punkt hier so deutlich benenne, dann deshalb, weil ich<br />

diesen Punkt berücksichtigt haben will. Ich sage: Bitte<br />

berücksichtigen Sie die Entwicklung in Sachsen, die Sozialisation<br />

in Sachsen! Tun Sie das, damit Sachsen nicht die Entwicklung nimmt,<br />

wie sie in den alten B<strong>und</strong>esländern passiert ist.<br />

Das ist Ihre Verantwortung als Minister. Dazu sind Sie gewählt<br />

worden. Dazu sind Sie als Staatsregierung angetreten. Das ist Ihr<br />

verfassungsmäßiger Auftrag. Da können Sie sich nicht hinstellen <strong>und</strong><br />

sagen: Ich warte auf den Westen. Das geht nicht!<br />

(Dr. Münch, CDU: Hat er doch nicht gesagt!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Minister Dr. Geisler, bitte.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Ad 1: Das Letzte, denke ich, hat sich erübrigt. Ich warte<br />

nicht auf den Westen.<br />

(Dr. Hähle, CDU: Den haben wir schon!)<br />

Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass wir unter Berücksichtigung der<br />

sächsischen Verhältnisse nicht darum herumkommen, die<br />

Entscheidungen an dem uns zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zu<br />

messen, alle Entscheidungen, ob Schule, ob Uni, ob KMU-Förderung,<br />

ob Abwasserförderung, ob Krankenhausförderung oder was Sie auch<br />

nehmen.<br />

Insofern werden wir nicht immer sagen können: Weil unsere<br />

sächsischen Verhältnisse so sind, brauchen wir mehr. Am Ende<br />

reichen die 30,5 Milliarden DM nicht aus, sondern wir brauchen 35<br />

Milliarden DM. Und die 5 Milliarden DM nehmen wir lustig - ja,<br />

woher?<br />

Insofern, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, werden wir diese Fragen eben in<br />

eine Gesamtverantwortung einordnen müssen. Diese gesamte<br />

Verantwortung heißt aber nicht unendlich viele Schulden zu machen.<br />

Es geht ja gar nicht darum, dass wir keine Schulden machen. Das<br />

wissen Sie ja alle.<br />

Von daher muss ich Ihnen <strong>sehr</strong> deutlich sagen, dass die Entwicklung,<br />

Frau Dr. Volkmer, zu berücksichtigen ist, wie viele Abhängige heute<br />

zu beraten sind.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Eben nicht!)<br />

Zur Prävention sage ich eindeutig ja. Aber ich kann eben nicht eine<br />

stationäre Einrichtung für 20 oder 30 Leute einrichten.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Dann mache ich<br />

es eben für fünf!)<br />

- Sie ist nicht zu finanzieren, wenn ich sie für 20 oder 30<br />

hinstelle <strong>und</strong> dann ist sie nur mit fünf belegt <strong>und</strong> der Rest ist<br />

nicht belegt. Das ist nicht machbar.<br />

Sie sind inzwischen lange auf dem Holzweg. Es gibt inzwischen in<br />

den alten B<strong>und</strong>esländern bei einem von den Trägern, die jetzt bei<br />

uns auch anfangen eine Einrichtung zu betreiben, eine Erfolgsquote<br />

bei der Behandlung von bis zu 80 % bei aus den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

kommenden Jugendlichen. Es ist also durchaus möglich, die


Sozialisierung zu berücksichtigen. Diese Alternative, die hier<br />

immer als einzige genannt worden ist, ist völlig daneben.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das ist auch wieder falsch!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Mein Angebot geht wieder an die<br />

Oppositionsparteien: Wird noch das Wort gewünscht? - Frau Dr.<br />

Volkmer?<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Nein, danke!)<br />

Herr Dürrschmidt? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir jetzt<br />

zur Abstimmung kommen.<br />

<strong>Der</strong> Punkt 1 der Drucksache ist im Sinne von § 53 Abs. 6 der<br />

Geschäftsordnung für erledigt erklärt worden. Ich rufe deshalb auf<br />

die Drucksache 3/1338, die Punkte 2 <strong>und</strong> 3. Wer möchte die<br />

Zustimmung geben? Den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einer Anzahl von<br />

Stimmen dafür sind dennoch die Punkte 2 <strong>und</strong> 3 der Drucksache<br />

abgelehnt worden.<br />

<strong>Der</strong> Tagesordnungspunkt ist damit beendet.<br />

Wir treten ein in eine Mittagspause bis genau 14.00 Uhr.<br />

(Unterbrechung von 12.54 Uhr bis 13.59 Uhr)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> Abgeordnete! Die Mittagspause<br />

ist beendet. Ich würde gern den nächsten Tagesordnungspunkt<br />

aufrufen:<br />

Tagesordnungspunkt 6<br />

Volksgesetzgebung<br />

Drucksache 3/0861, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Reihenfolge in der ersten R<strong>und</strong>e: SPD, CDU, PDS, CDU <strong>und</strong> die<br />

Staatsregierung, wenn gewünscht.<br />

Ich erteile nun der Fraktion der SPD als Einreicherin das Wort.<br />

Herr Abg. Jurk.<br />

Jurk, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Ich könnte jetzt aufgr<strong>und</strong> der geringen Teilnahme zu Beginn dieser<br />

Debatte fast alle Abgeordneten namentlich begrüßen.<br />

Am 29. Mai haben die Initiatoren der Bürgerinitiative "Pro<br />

kommunale Sparkasse" dem Präsidenten des <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es<br />

485 000 von sächsischen Einwohnermeldeämtern bestätigte<br />

Unterschriften für ein Volksbegehren übergeben. Erstmals haben<br />

somit annähernd eine halbe Million Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger Sachsens<br />

durch ihre Unterschrift zu einem Akt demokratischer Mitgestaltung<br />

beigetragen.<br />

Unsere Mitbürger haben uns damit unmissverständlich deutlich<br />

gemacht, dass sie von ihrem verfassungsmäßig garantierten Recht<br />

politischer Mitgestaltung aktiv Gebrauch machen wollen. Damit ist<br />

gerade im zehnten Jahr nach der Überwindung des totalitären Systems<br />

der DDR ein weiterer wichtiger Schritt in der jungen sächsischen<br />

Demokratie erfolgt.<br />

Die <strong>Sächsische</strong> Staatsregierung verhält sich nun aber so, als sei<br />

überhaupt nichts geschehen. Statt alle Vorbereitungshandlungen für<br />

die Gründung des Sachsen-Finanzverbandes erst einmal einzufrieren,<br />

werden diese ohne mit der Wimper zu zucken sogar noch forciert.<br />

Statt entsprechend demokratischer Fairness das Ergebnis der noch<br />

andauernden Stimmauszählung durch den <strong>Landtag</strong>spräsidenten<br />

abzuwarten, versuchen Sie, vollendete Tatsachen zu schaffen.<br />

Die halbe Million gesammelter Unterschriften ignorieren Sie.<br />

Schlimmer noch - die demokratische Stimmrechtsausübung der


Menschen, die das Volksbegehren unterstützt haben, wird damit<br />

missachtet.<br />

Statt sich jetzt Hals über Kopf in die Gründung des Finanzverbandes<br />

zu stürzen, wären Sie gut beraten, wenn Sie erst einmal Ihre<br />

Hausaufgaben ordentlich machen würden. <strong>Der</strong> Sachsen-Finanzverband<br />

muss nämlich noch bei der EU-Kommission von Ihnen angemeldet<br />

werden. Ein Notifizierungsverfahren, wie es das Europarecht<br />

vorschreibt, hat diese Holding bislang noch nicht durchlaufen. Dann<br />

sähen Sie sicher auch endlich, ob Ihre Holdingträume Bestand haben<br />

können oder ob sie nicht vielmehr wie Seifenblasen zerplatzen.<br />

Aber noch etwas anderes zeigen diese halbe Million Unterschriften.<br />

Die Sächsinnen <strong>und</strong> Sachsen haben es gelernt, mit der Demokratie <strong>und</strong><br />

ihren Mitteln selbstbewusst umzugehen. Dieses Volksbegehren ist<br />

somit zugleich ein Zeichen lebendiger Demokratie <strong>und</strong> straft<br />

letztendlich all die Lügen, die von Politikverdrossenheit reden.<br />

Dem weit verbreiteten Ohnmachtsgefühl vieler, "denen da oben"<br />

ausgeliefert zu sein - "Die machen sowieso, was sie wollen!" -,<br />

kann durch die Volksgesetzgebung ein Akt demokratischer<br />

Mitbestimmung entgegengestellt werden. Die Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger<br />

unseres Landes wollen dies. Sie wollen über die Zukunft unseres<br />

Landes mit entscheiden.<br />

Unserem parlamentarischen System fehlen die attraktiven <strong>und</strong><br />

zeitgemäßen Formen, Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger mit all ihren<br />

unterschiedlichen Vorstellungen <strong>und</strong> Lebensgewohnheiten<br />

einzubeziehen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Als "die da oben", zu denen wohl auch landläufig die Politiker<br />

dieses <strong>Landtag</strong>es gezählt werden, sind wir also gut beraten, dieses<br />

Volksbegehren ganz unabhängig vom konkreten Inhalt als eben diesen<br />

Willen, geradezu als Wunsch der Bevölkerung nach einem Mehr an<br />

direkter Mitbestimmung in unserer Gesellschaft zu begreifen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Die aller vier bzw. fünf Jahre stattfindenden Wahlen zu unseren<br />

Parlamenten reichen in einer heute viel dynamischer gewordenen<br />

Gesellschaft, in der die aktive Mitgestaltung gefragt ist, nicht<br />

mehr aus <strong>und</strong> unsere Bürger empfinden dies auch so.<br />

Was sollte schädlich daran sein, die Volksgesetzgebung zu stärken,<br />

die Menschen aktiv in die Problemlösungen der Gesellschaft<br />

einzubeziehen, Ideen öffentlich <strong>und</strong> breit zu diskutieren? <strong>Der</strong><br />

politische Wettbewerb, der dabei entsteht, führt zu einem Austausch<br />

von Argumenten <strong>und</strong> damit letztlich vielfach zu besseren<br />

Ergebnissen.<br />

Politik, die heute verantwortungsbewusst Demokratie gestalten will,<br />

muss sie weiterentwickeln, wenn Demokratie weiterhin als<br />

Gesellschaftsform Akzeptanz haben soll. Ich denke, das wollen wir<br />

alle.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

Wir müssen daher die Volksgesetzgebung als das begreifen, was sie<br />

ist: Ausdruck des Bürgerwillens des Souveräns. Die<br />

Volksgesetzgebung muss daher einen anderen Stellenwert erhalten.<br />

Sie muss so ausgestaltet werden, dass sie vom Bürger im positiven<br />

Sinne angenommen werden kann. Zu hohe Hürden <strong>und</strong> Hindernisse im<br />

Verfahren der Volksgesetzgebung wirken abschreckend. Wer verlangt,<br />

nicht nur seine Unterschrift, sondern auch noch Vor- <strong>und</strong><br />

Familiennamen, Geburtsdatum, Hauptwohnung sowie Tag <strong>und</strong> Ort der


Unterzeichnung eigenhändig zu leisten, um ein Volksbegehren<br />

unterstützen zu können, dann eine zweifache Überprüfung <strong>und</strong><br />

Bestätigung sowohl durch die Gemeinden als auch durch den<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten vorgibt <strong>und</strong> dazu ein Quorum von 450 000<br />

Unterschriften vorsieht, um eine Volksabstimmung überhaupt in Gang<br />

zu setzen, baut solche Hürden auf, die eine direkte Mitbestimmung<br />

durch den Bürger im Rahmen der Volksgesetzgebung erheblich<br />

erschweren, ja fast unmöglich machen.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall<br />

bei der PDS - Adler, SPD: Skandalös!)<br />

Übrigens sind damit die formalen Voraussetzungen für jeden Bürger<br />

höher als die, die für jeden Kauf auch des teuersten Autos oder<br />

aber die Aufnahme eines Kredites in beliebiger Höhe bestehen. Dabei<br />

wird bei einem Volksbegehren noch nicht einmal in der Sache selbst<br />

entschieden. Mit dem Demokratieprinzip dürfte diese formale<br />

Ausgestaltung kaum vereinbar sein. Dieses verlangt nämlich stets<br />

eine Entscheidung zugunsten der Ausübung des Stimmrechts, also<br />

stets zugunsten des Souveräns. Wir benötigen also Verfahrensregeln<br />

für die Volksgesetzgebung, die den mündigen Bürger unterstützen <strong>und</strong><br />

demokratische Entscheidungsprozesse fördern <strong>und</strong> nicht behindern.<br />

Dass es auch besser geht, beweisen uns andere. Zehn der anderen<br />

B<strong>und</strong>esländer sehen im Volksbegehren ein niedrigeres Quorum vor als<br />

wir in Sachsen. Während in Sachsen mindestens 450 000<br />

Unterschriften erforderlich sind oder, anders ausgedrückt,<br />

annähernd 13 % der Wahlberechtigten dem Volksbegehren ihre<br />

Unterstützung geben müssen, sind in Brandenburg ca. 4 %<br />

erforderlich; Schleswig-Holstein hat eine Hürde von 5 %. Bei<br />

unseren Nachbarn in der Schweiz leben die Menschen mit einem<br />

durchschnittlichen Quorum von ca. 2 % der Wahlberechtigten auch<br />

<strong>sehr</strong> gut, ohne dass die Welt zusammenbrechen würde.<br />

Ich weiß natürlich, dass zur Senkung des Quorums auch eine Änderung<br />

der Landesverfassung nötig wäre. Bei sinkender Einwohnerzahl in<br />

Sachsen wird die Hürde jedoch immer höher. Diese Entwicklung<br />

konnten die Schöpfer der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung so nicht<br />

vorhersehen. Deshalb wäre die Ersetzung der derzeit als absolute<br />

Stimmberechtigtenzahl von 450 000 in der Verfassung<br />

festgeschriebenen Norm durch ein konkretes relatives Quorum von zum<br />

Beispiel 10 % der Stimmberechtigten eine Reaktion auf diese<br />

Bevölkerungsentwicklung.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, wir sollten uns nicht scheuen<br />

bei der Ausgestaltung der sächsischen Volksgesetzgebung weitere<br />

mutige Schritte zu gehen.<br />

Ich danke für die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Für die CDU-Fraktion Herr Abg.<br />

Schiemann, bitte.<br />

Schiemann, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten<br />

<strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! <strong>Der</strong> uns vorliegende Antrag der SPD-Fraktion weist<br />

auf Probleme hin, die im Verfahren der Volksgesetzgebung entstehen<br />

können <strong>und</strong> die mit den Initiativen zu tun haben.<br />

Werter Herr Kollege Jurk, ich muss Ihnen aber sagen, dass gerade<br />

die Formulierung - ich würde sie als Kompromiss bezeichnen - zur<br />

Volksgesetzgebung in der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung <strong>sehr</strong> weitreichend<br />

ist. Dieser Kompromiss ist auch nicht ohne weiteres mit den


Verfassungsnormen in Brandenburg oder in Schleswig-Holstein<br />

vergleichbar, wie Sie es jedoch suggeriert haben.<br />

Lesen Sie die Rede des ehemaligen Kollegen Dr. Kunzmann! Er hat bei<br />

der Verabschiedung der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung am 26. Mai 1992 auf<br />

den Vorwurf von Herrn Kollegen Bartl, die <strong>Sächsische</strong> Verfassung<br />

setze die Quoren zu hoch an <strong>und</strong> die brandenburgische Regelung sei<br />

weitaus besser, erwidert, dass der entscheidende Unterschied beim<br />

abschließenden Verfahren deutlich wird. In Brandenburg ist nämlich<br />

ein weiteres Quorum vorgesehen, was im Freistaat Sachsen nicht der<br />

Fall ist. Deshalb hat Herr Kunzmann das sächsische Verfahren als<br />

das bessere bewertet. Auch in dem damaligen Hohen Haus, das die<br />

Verfassung verabschiedete, war es unstrittig, dass es sich um das<br />

bessere Verfahren handelt.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)<br />

Wir sind uns sicherlich in dem Punkt einig, dass die<br />

Volksgesetzgebung eine Form der Gesetzgebung sein soll. Sie soll<br />

die Möglichkeit schaffen, dass neben dem rein parlamentarischen<br />

Verfahren ein Gesetz aus der Mitte des Volkes, von Initiativen oder<br />

engagierten Bürgern, auf den Weg gebracht wird. Es soll aber in der<br />

Qualität ein Gesetzgebungsverfahren sein, das dem im Hohen Haus<br />

gleichgestellt ist. Sie können es in der Verfassung nachlesen.<br />

Deshalb warne ich davor, dass man jetzt im Zuge von<br />

Volksgesetzgebungsverfahren diesen Anspruch unterschätzt. Das<br />

Volksgesetzgebungsverfahren darf kein Gesetzgebungsverfahren<br />

zweiter Klasse werden. Es kann nicht so sein, dass nur noch einige<br />

wenige ein Gesetz erarbeiten <strong>und</strong> anschließend - sie haben es<br />

gesagt, Herr Kollege Jurk - nur noch Unterschriften gesammelt<br />

werden. Ein Volksgesetzgebungsverfahren ist keine<br />

Unterschriftensammlung. Das ist der entscheidende Punkt. Viele, die<br />

sich auf den Weg des Volksgesetzgebungsverfahrens begaben, haben<br />

einfach vergessen, dass es sich nicht um eine<br />

Unterschriftensammlung handelt. Es ist keine Initiative, die man in<br />

das Parlament trägt, sondern es geht um einen Gesetzentwurf, an den<br />

qualitativ die gleichen Anforderungen wie im Parlament gestellt<br />

werden müssen <strong>und</strong> der vom Volk mitgetragen werden muss.<br />

(Zuruf des Abg. Adler, SPD)<br />

- Herr Adler, Sie werden sich sicherlich an die Diskussion im Mai<br />

1992 erinnern <strong>und</strong> mir insoweit auch Recht geben.<br />

(Staatsminister Heitmann: Er will sich<br />

nicht mehr erinnern!)<br />

- Doch, er erinnert sich, er hat ein gutes Gedächtnis.<br />

Im Protokoll ist nachzulesen, dass Dr. Kunzmann immer wieder auf<br />

den entscheidenden Punkt der Volksgesetzgebung hingewiesen hat.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich glaube, dass die<br />

Organisatoren der Volksgesetzgebung eine enorme Verantwortung<br />

haben. Darin werden Sie mir sicherlich zustimmen. Schließlich sind<br />

es diese Organisatoren, die dem Bürger das Gesetzgebungsverfahren<br />

nahe bringen <strong>und</strong> ihn darauf hinweisen müssen, dass es sich nicht um<br />

eine Unterschriftensammlung im klassischen Sinne handelt.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Wir in diesem Hohen Haus haben die Pflicht, den Menschen, die<br />

engagiert ein Gesetzgebungsverfahren in Gang setzen, zu sagen, dass<br />

sie dafür Verantwortung tragen, nicht zwei verschiedene Qualitäten<br />

von Gesetzgebungsverfahren im Freistaat Sachsen zuzulassen. Das ist<br />

unsere Verantwortung.


Deshalb lautet meine Bitte, auch wenn die Debatte jetzt schon ein<br />

wenig von dem eigentlichen Antrag Ihrer Fraktion abgekommen ist:<br />

Wir haben die Verpflichtung, die Menschen darauf hinzuweisen, dass<br />

das Volksgesetzgebungsverfahren nicht zu einer<br />

Unterschriftensammlung mutieren darf.<br />

(Jurk, SPD: Das haben wir nicht vor!)<br />

Die Organisatoren <strong>und</strong> nicht die Regierung oder irgendjemand anderes<br />

haben die Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu verbessern.<br />

In dem Antrag wird nach Möglichkeiten gefragt, um bessere<br />

Rahmenbedingungen zu erreichen. <strong>Der</strong> entscheidende Faktor, der zu<br />

beachten ist, liegt auf der Seite der Organisatoren. Es kann nicht<br />

eine kleine Elite sein, die mittels der verfassungsrechtlichen<br />

Möglichkeiten Unterschriften sammelt <strong>und</strong> diese dem Gesetzentwurf<br />

einfach beilegt.<br />

Herr Bartl, Sie schütteln den Kopf. Jedoch wissen Sie alle, wie<br />

schwer es für uns in diesem Hohen Haus bei manch einem Thema der<br />

Gesetzgebung ist.<br />

Wir haben uns bei den Klausurberatungen im Kurort Gohrisch darüber<br />

verständigt - das war übrigens auch die ausdrückliche Bitte des<br />

Kollegen Donner von Bündnis 90/Die Grünen -, dass nicht das Rathaus<br />

aufgesucht <strong>und</strong> dort die Unterschrift geleistet werden soll, um dem<br />

Gesetzgebungsverfahren auf diese Weise gewissermaßen das Votum<br />

mitzugeben. Vielmehr sollten die Initiatoren auf die Straße gehen<br />

<strong>und</strong> bei den Menschen dafür werben, den Gesetzentwurf zu<br />

unterstützen.<br />

Das ist doch der Punkt! Ich will damit nur sagen, dass die<br />

Organisatoren auch Verantwortung haben. Wir alle, die wir im Hohen<br />

Hause vertreten sind, sollten darauf hinweisen. Wer ein<br />

Volksgesetzgebungsverfahren in Angriff nimmt, der muss auch die<br />

Verantwortung übernehmen; er kann nicht nur Unterschriften sammeln.<br />

Dort sehe ich die wirklichen Probleme.<br />

Herr Kollege Jurk, ich gehe davon aus, dass ansonsten die Fragen,<br />

die Sie hier gestellt haben, <strong>sehr</strong> berechtigt sind. Ich gehe auch<br />

davon aus, dass es ein Berichtsantrag ist. Wir sind froh, dass die<br />

Regierung die Probleme angesprochen hat. Dennoch glaube ich, dass<br />

das bisher von uns favorisierte Verfahren bzw. das in der<br />

Verfassungsdiskussion festgeschriebene Verfahren das richtige<br />

Verfahren ist. Es ist nur die Frage: Wie komme ich mit dem<br />

Verfahren zurecht?<br />

Über die Quoren haben wir uns in den letzten Jahren immer wieder<br />

einmal gestritten. Lassen Sie uns die Entwicklung der nächsten<br />

Jahre anschauen.<br />

Ich habe die folgende Bitte: Einigen wir uns an dieser Stelle.<br />

Punkt 1. Das Volksgesetzgebungsverfahren braucht die gleiche<br />

Qualität wie das Gesetzgebungsverfahren, das den <strong>Landtag</strong><br />

durchläuft.<br />

Punkt 2. Wir sollten die Initiatoren stets auffordern, alles<br />

daranzusetzen, dass der Bürger, der seine Unterschrift leistet, den<br />

Gesetzentwurf auch liest. Die Hürde ist nicht umso größer. Wir<br />

müssen aber doch auf dem Boden der Realität bleiben. Die Verfassung<br />

hat festgeschrieben, dass das Volksgesetzgebungsverfahren die<br />

Unterschrift erst dann zulässt, wenn jemand den Gesetzentwurf<br />

gelesen hat.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Schiemann, CDU: Ja, bitte, Herr Bartl.


Bartl, PDS: Herr Kollege, ich will Ihnen durchaus folgen. Ich<br />

möchte nur gern erläutert haben, was Sie meinen, wenn Sie sagen, es<br />

müsse dieselbe Qualität haben wie das Gesetzgebungsverfahren im<br />

<strong>Landtag</strong>. Wie meinen Sie denn das?<br />

1. Welche verbindlichen Erkenntnisse gibt es denn darüber, dass<br />

diejenigen, die auf den Listen stehen, das, was sie unterschrieben<br />

haben, nicht auch gelesen haben?<br />

2. Welche verlässlichen Erkenntnisse gibt es darüber, dass -<br />

angenommen der Mann füllt das Schriftstück aus, weil die Frau ihre<br />

Brille nicht mitgenommen hat, <strong>und</strong> die Frau unterschreibt lediglich<br />

- dies in einem solchen Fall unter dem Aspekt des so genannten<br />

Wesentlichkeitsgr<strong>und</strong>satzes eine nicht formelle Unterschrift ist?<br />

Ich möchte einfach einmal erläutert haben, was Sie meinen.<br />

(Rasch, CDU: Wenn Sie die Brille nicht<br />

dabei hat, kann sie es doch gar nicht<br />

gelesen haben! - Unruhe bei der CDU)<br />

Schiemann, CDU: Frau Präsidentin! - -<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Abgeordneter! - Ich bitte um<br />

Ruhe!<br />

Schiemann, CDU: Ich glaube, Herr Bartl, die Frage ist für Sie<br />

relativ einfach zu beantworten. Sie wissen, worüber wir uns in<br />

Gohrisch verständigt haben. Sie haben mit am Tisch gesessen, also<br />

brauche ich Ihnen das nicht zu erläutern. Ich kann Ihnen aber eine<br />

Hilfe geben. Ich kann darauf verweisen, dass letztlich die<br />

verfassungsgebende Versammlung am 26. Mai 1992 im Artikel 70 Abs. 2<br />

festgeschrieben hat: "Die Gesetze werden vom <strong>Landtag</strong> oder<br />

unmittelbar vom Volk durch Volksentscheid beschlossen."<br />

Die Gesetzgebungsfrage der vergleichenden Qualität liegt auf der<br />

Hand, weil es ein vergleichbares Gesetzgebungsverfahren geben muss.<br />

Ich verweise auf den Unterschied, den ich erläutert habe.<br />

(Zuruf des Abg. Adler, SPD)<br />

- Herr Kollege Adler, die Gesetzgebung ist keine<br />

Unterschriftensammlung. Wenn Sie der Meinung sind, dass die<br />

Gesetzgebung eine Unterschriftensammlung sei, dann hätten wir so<br />

etwas nicht in die Verfassung schreiben müssen, denn dann wäre es<br />

nur eine politische Initiative. Diesen Unterschied auch den<br />

Initiatoren zu erläutern, das ist Ihre Pflicht, Herr Kollege Adler,<br />

aber auch Ihre Pflicht, Herr Kollege Bartl.<br />

(Beifall bei der CDU - Adler, SPD: Das<br />

ist doch gar nicht die Frage. Darüber<br />

besteht doch Konsens!)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich gehe davon aus, dass der<br />

Antrag der SPD-Fraktion <strong>sehr</strong> hilfreich war, um die Probleme<br />

anzusprechen. Dennoch möchte ich sagen: Die Volksgesetzgebung als<br />

ein wichtiger Bestandteil der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung wird auch in<br />

Zukunft ein Teil der Gesetzgebung sein. Jeder wahlberechtigte<br />

Bürger, der seine Unterschrift unter einen Volksantrag setzt, muss<br />

sich des Regelungsgehaltes des Gesetzes bewusst sein.<br />

Ich wiederhole es: Ein Volksantrag ist keine Unterschriftensammlung<br />

<strong>und</strong> darf von Initiativen auch nicht dazu degradiert werden.<br />

(Beifall bei der CDU - Jurk, SPD: Das ist<br />

völlig klar. Diesbezüglich gehen wir konform!)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, der Regelungsgehalt des<br />

Volksantrages als eine Möglichkeit der Einbringung eines Gesetzes<br />

in den <strong>Landtag</strong> befasst sich oft auch mit komplizierten


Sachverhalten. Diese müssen im Wege eines Diskussionsprozesses <strong>und</strong><br />

im Wege der Meinungsbildung sowie durch die anderen Möglichkeiten<br />

der Gesetzeseinbringung qualifiziert werden können.<br />

Die Verabschiedung von Gesetzen mit Hilfe der Volksgesetzgebung<br />

wird deshalb auch in Zukunft - ich glaube, dass wir uns<br />

diesbezüglich einig sind - eher die Ausnahme bleiben. Die<br />

Gesetzgebung durch den <strong>Landtag</strong> wird weiterhin geregelt sein.<br />

Gleichwohl kann sich die Volksgesetzgebung im Einzelnen in genau<br />

spezifizierten Fällen als durchaus sinnvoll erweisen.<br />

Ich stehe auf dem Boden der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung. Wir stehen<br />

sicherlich alle auf dem Boden der Volksgesetzgebung.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Das Wort erhält die Fraktion der<br />

PDS. Herr Dr. Hahn, bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Herr Kollege Schiemann, ich denke, eines sollten wir ganz<br />

gewiss nicht tun, <strong>und</strong> zwar die Leute in gewisser Weise entmündigen,<br />

indem wir ihnen hier unterstellen, sie wüssten nicht, was sie<br />

unterschrieben haben.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

Das ist ein Vorwurf, den auch der Ministerpräsident von diesem Pult<br />

aus schon einmal erhoben hat. In dieser Weise kann man mit dem in<br />

der Tat hohen Gut der Volksgesetzgebung nicht umgehen.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

Ich komme auf einzelne Punkte noch zurück, Herr Kollege Schiemann.<br />

Wenn Sie diese Bemerkung noch erlauben, so möchte ich sagen, dass<br />

ich mir auch nicht immer so sicher bin, ob alle Abgeordneten jedes<br />

hier zu beschließende Gesetz von der ersten bis zur letzten Seite<br />

gelesen haben.<br />

(Teilweise Beifall bei der PDS -<br />

Dr. Hähle, CDU: Das ist ja interessant.<br />

Hier können Sie das unterstellen!)<br />

- Ja, Herr Dr. Hähle. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass die<br />

Fraktion der PDS es begrüßt, dass der Antrag der SPD heute auf der<br />

Tagesordnung ist. Das ergibt sich aus der Aktualität <strong>und</strong> dem<br />

derzeit laufenden oder eigentlich von den Initiatoren bereits<br />

beendeten Volksbegehren "Pro kommunale Sparkasse". Kollege Jurk hat<br />

bereits dazu einiges ausgeführt. Ich brauche das nicht zu<br />

wiederholen <strong>und</strong> kann mich dem Gesagten weitgehend anschließen.<br />

Aus unserer Sicht steht fest: 485 000 Unterschriften für die<br />

Durchführung eines Volksbegehrens dürfen nicht einfach vom Tisch<br />

gewischt werden. <strong>Der</strong> Wille einer großen Zahl von Bürgern ist<br />

offenk<strong>und</strong>ig. Sie wollen einen Volksentscheid über die so genannte<br />

sächsische Verb<strong>und</strong>lösung. Sie wollen einen Volksentscheid über die<br />

Zukunft der Sparkassen.<br />

Presseberichten war zu entnehmen, dass eine stichprobenartige<br />

Prüfung ergeben habe, dass 14 % der Unterschriften ungültig seien.<br />

Wenn das zuträfe, wäre das Volksbegehren gescheitert. <strong>Der</strong> erste<br />

Volksentscheid in Sachsen könnte nicht durchgeführt werden.<br />

Paragraph 10 des Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong><br />

Volksentscheid regelt, dass der <strong>Landtag</strong>spräsident über die<br />

Zulässigkeit des Volksbegehrens zu entscheiden hat. Er trifft gemäß<br />

§ 22 auch die Entscheidung darüber, ob ein derartiges Begehren<br />

erfolgreich abgeschlossen wurde, was im Klartext bedeutet, dass ihm


die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unterschriften obliegt. Eine<br />

schwere Bürde, wie nicht nur das aktuelle Volksbegehren zeigt.<br />

Schon in der Vergangenheit gab es diesbezüglich erhebliche<br />

Auseinandersetzungen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an<br />

den Volksantrag zur Gemeindegebietsreform, der schließlich sogar<br />

vor dem Landesverfassungsgerichtshof behandelt wurde, ohne dass<br />

dabei die Problematik der Rechtmäßigkeit der<br />

Unterstützungsunterschriften eindeutig entschieden worden wäre.<br />

Dem <strong>Landtag</strong>spräsidenten obliegt nun die Prüfung der Unterschriften.<br />

Er ist dabei an die geltenden gesetzlichen Bestimmungen geb<strong>und</strong>en,<br />

die dieser <strong>Landtag</strong> mit den Stimmen der CDU erlassen hat. Ich darf<br />

in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die PDS-Fraktion im<br />

März des vergangenen Jahres eine Novelle zum Gesetz über<br />

Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong> Volksentscheid eingereicht hatte, in<br />

der wir uns sowohl für eine Absenkung des für einen Volksentscheid<br />

notwendigen Quorums von derzeit 450 000 auf 250 000 Unterschriften<br />

aussprachen <strong>und</strong> auch veränderte Modalitäten der<br />

Unterschriftensammlung festlegen wollten. Diese Initiative, die zur<br />

Klarstellung hätte beitragen können, ist letztlich an der CDU-<br />

Fraktion gescheitert.<br />

Ich will heute darauf verzichten in Erinnerung zu rufen, was<br />

führende CDU-Politiker im Zusammenhang mit der Verabschiedung der<br />

Verfassung oder des bereits mehrfach erwähnten Gesetzes über die<br />

Notwendigkeit <strong>und</strong> die neuen Chancen der Volksgesetzgebung<br />

ausgeführt haben.<br />

Fakt ist, bis zum heutigen Tage wurden alle eingereichten<br />

Volksanträge von der Parlamentsmehrheit abgeschmettert. Die wenigen<br />

Versuche, per Volksbegehren einen Volksentscheid zu erzwingen,<br />

blieben erfolglos. Wenn doch einmal eine Initiative fast eine halbe<br />

Million Unterschriften bringt, wird alles versucht, das<br />

Bürgerbegehren an Formfragen scheitern zu lassen,<br />

selbstverständlich immer unter Berufung auf das geltende Gesetz. Da<br />

heißt es in § 5 Abs. 1: "Die Unterstützung erfolgt durch die<br />

eigenhändig zu leistende Unterschrift des Stimmberechtigten."<br />

Dadurch erfolgt die Unterstützung.<br />

Insoweit, Kollege Schiemann, ist das auch eine Sammlung von<br />

Unterschriften. Es sind nur noch andere Angaben zusätzlich<br />

erforderlich. Von daher ist wohl festzustellen, dass 485 000<br />

Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger mit ihrer Unterschrift das aktuelle<br />

Volksbegehren unterstützt haben.<br />

In Abs. 2 des genannten Paragraphen werden dann weitere Hürden<br />

aufgebaut. Dort heißt es: "<strong>Der</strong> Stimmberechtigte hat Vor- <strong>und</strong><br />

Zunamen, sein Geburtsdatum, seine Hauptwohnung sowie Tag <strong>und</strong> Ort<br />

der Unterzeichnung eigenhändig <strong>und</strong> leserlich einzutragen."<br />

Genau diese Bestimmung war es, die bei den bisherigen Volksanträgen<br />

bzw. Volksbegehren als Rechtfertigung dafür herhalten musste,<br />

Zehntausende Unterschriften für ungültig zu erklären. Dies ist<br />

ausdrücklich keine Kritik am für die Prüfung zuständigen<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten, sondern eher an der unklaren gesetzlichen<br />

Regelung, aber auch an einer möglicherweise kleinkarierten<br />

Auslegung dieses Gesetzes in der Verwaltung. Ich werde Ihnen gleich<br />

sagen, Herr Justizminister, wie klar die Regelung ist.<br />

(Staatsminister Heitmann: Die ist <strong>sehr</strong> klar!)<br />

Ich will dies an einem konkreten Beispiel aus meinem eigenen<br />

Erleben verdeutlichen. Anlässlich des Stadtfestes in meinem Wohnort


Heidenau vor drei Wochen sammelte die PDS Unterschriften für einen<br />

Volksantrag für sozialverträgliche Müllgebühren. An unseren Stand<br />

kam eine alte Dame, um zu unterschreiben. Aus Altersgründen<br />

zitterten ihre Hände so <strong>sehr</strong>, dass es ihr unmöglich war, leserliche<br />

Eintragungen in die Liste vorzunehmen. Dies tat dann ihre Tochter,<br />

die den Volksantrag zunächst selbst unterstützte <strong>und</strong> danach die<br />

Spalten für ihre Mutter ausfüllte, die dann eigenhändig<br />

unterschrieb.<br />

An unseren Stand kam ein Bauarbeiter, der sich am rechten Arm <strong>und</strong><br />

der Hand eine Verletzung zugezogen hatte.<br />

(Lachen bei der CDU)<br />

Für ihn nahm die Ehefrau die Eintragungen vor <strong>und</strong> der Mann<br />

unterschrieb krakelig mit der linken Hand.<br />

Ein Rollstuhlfahrer, geistig voll auf der Höhe, aber durch<br />

spastische Bewegungen nicht in der Lage die Eintragung vorzunehmen,<br />

kam an den Stand. Ein Standbetreuer schrieb die notwendigen Angaben<br />

in das entsprechende Formular. <strong>Der</strong> Mann unterzeichnete mit einigen<br />

aus Ihrer Sicht vielleicht unleserlichen Strichen. Anders war es<br />

ihm nicht möglich.<br />

(Zuruf des Abg. Dr. Hähle, CDU)<br />

Eine Aussiedlerin - Herr Hähle, hören Sie sich die Beispiele ruhig<br />

an -, der deutschen Sprache einigermaßen mächtig, aber mit<br />

erheblichen Schwierigkeiten bei der Schrift, will den Volksantrag<br />

unterstützen. Auf ihre Bitte hin trägt ein Begleiter nach ihren<br />

mündlichen Angaben die Daten ein <strong>und</strong> sie unterschreibt in der<br />

letzten Spalte des Vordruckes.<br />

Von dem Problem mit der fehlenden Brille war vorhin schon die Rede.<br />

Das ist auch aufgetreten.<br />

Letztes Beispiel: Ein alter Mann, der an den Stand kommt, beginnt<br />

in Druckschrift in Sütterlin zu unterschreiben, fast nicht lesbar<br />

<strong>und</strong> im Übrigen von den Behörden häufig auch nicht anerkannt, wenn<br />

in dieser Schrift geschrieben worden ist. Auch hier hat ein<br />

Standbetreuer die Angaben in Blockschrift eingetragen <strong>und</strong> den Mann<br />

gebeten, dann zu unterschreiben.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Dr. Hahn, PDS: Bitte <strong>sehr</strong>.<br />

Dr. Pellmann, PDS: Herr Dr. Hahn, ich habe an Sie folgende Frage:<br />

Wie beurteilen Sie, dass r<strong>und</strong> 6 000 Menschen in Sachsen, die blind<br />

sind, faktisch von ihrer politischen Willensbildung ausgeschlossen<br />

sind, da sie nie <strong>und</strong> nimmer eine solche Eintragung selbständig<br />

vornehmen können? Wie, meinen Sie, sollte auf diesen Zustand, dem<br />

Abhilfe zu verschaffen wäre, reagiert werden?<br />

Dr. Hahn, PDS: Ich denke, dass sie nicht ausgeschlossen sind. Ich<br />

komme auf den Punkt noch einmal zurück. Aber da muss man natürlich<br />

eine Prüfung vornehmen, wenn Angaben durch andere Personen<br />

eingetragen worden sind, ob hier eine Hilfsbedürftigkeit vorlag.<br />

Genau das passiert aber nicht.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

In all den Fällen, die ich jetzt genannt habe, wäre hier bei der<br />

Prüfung wahrscheinlich die Ungültigkeit der Stimmen festgestellt<br />

worden, obwohl alle diese Personen nicht imstande waren die<br />

entsprechenden Angaben eigenhändig auszufüllen. Gerade bei vielen<br />

älteren Menschen, Herr Kollege Heitmann, ist die geltende Regelung<br />

paradox. Versuchen sie mit zitternden Händen die geforderten<br />

Eintragungen vorzunehmen, laufen sie Gefahr, dass ihre


Unterschriften wegen Unleserlichkeit keine Berücksichtigung finden.<br />

Bedienen sie sich der Hilfe einer anderen Person, womöglich sogar<br />

eines Menschen, der den Antrag auch unterschreiben will oder dies<br />

bereits getan hat, ist davon auszugehen, dass die Unterschrift für<br />

ungültig erklärt wird, weil nicht alle Angaben eigenhändig<br />

eingetragen worden sind. Durch solche Verfahren wird die<br />

Volksgesetzgebung zur Farce.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Ich weiß nicht genau, wie viele Unterschriften am genannten Tag in<br />

Heidenau zusammenkamen. Ich nehme an, es waren etwa 100. In<br />

mindestens zehn Fällen konnten die Eintragungen aus den genannten<br />

Gründen objektiv nicht komplett eigenhändig erfolgen, obwohl die<br />

Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger eindeutig den entsprechenden Antrag<br />

unterstützen. Dies entspricht im Übrigen fast der von der<br />

<strong>Landtag</strong>sverwaltung ermittelten Quote von zweifelhaften<br />

Unterstützungsunterschriften für das Volksbegehren "Pro kommunale<br />

Sparkassen". Dabei spreche ich noch nicht einmal von den so<br />

genannten Gänsefüßchen bei der Eintragung von Ort <strong>und</strong> Datum der<br />

unterstützenden Unterschriftsleistung, ein Problem, das in der<br />

Vergangenheit mehrfach eine Rolle spielte. Da gab es Fälle, dass<br />

auf einer Liste 30 Personen mit Name, Anschrift <strong>und</strong> Unterschrift<br />

einen Volksantrag unterstützten, da sie aber alle am gleichen Tag<br />

unterzeichneten, in der Spalte Ort <strong>und</strong> Datum der Unterzeichnung wie<br />

ihr jeweiliger Vorgänger ein Gänsefüßchen eintrugen. Resultat: Die<br />

Unterschrift der Nummer 1 wurde für gültig, die Nummern 2 bis 30<br />

dagegen für ungültig erklärt.<br />

Das mag auf den ersten Blick den Buchstaben des Gesetzes<br />

entsprechen, dem Geist der Volksgesetzgebung entspricht es jedoch<br />

nicht. <strong>Der</strong> wird dadurch konterkariert.<br />

Alle diese Menschen wollten offenk<strong>und</strong>ig den Volksantrag<br />

unterstützen. Sie sind durch Angaben von Namen <strong>und</strong> Anschrift<br />

eindeutig identifizierbar <strong>und</strong> zuordenbar. Das Datum <strong>und</strong> der Ort der<br />

Unterschrift sind eher nebensächlich, ganz abgesehen von dem<br />

Umstand - das will ich auch noch einmal betonen -, dass die<br />

Gänsefüßchen im Duden, dem Reglement der deutschen Sprache,<br />

ausdrücklich als Zeichen für Wiederholung ausgewiesen sind. Deshalb<br />

können sie auch in einem solchen Volksantrag verwandt werden,<br />

jedenfalls nach unserer festen Überzeugung, denn die entsprechenden<br />

Unterschriften sind orts- <strong>und</strong> datumsmäßig klar zuordenbar.<br />

Lassen Sie mich abschließend noch einmal auf die Frage der<br />

eigenhändigen Ausfüllung der Unterschriftsbögen zurückkommen. Wenn<br />

die Presseberichte zutreffen, dass ein Großteil der beanstandeten<br />

Unterschriften auf vermeintliche Fehler in diesem Bereich<br />

zurückzuführen ist, dann müssten Maßnahmen ergriffen werden, um die<br />

Rechtmäßigkeit der Unterschriften zu prüfen. Ich habe am Infostand<br />

selbst erlebt, welche Probleme auftreten. Es kann nicht sein, dass<br />

am Ende einige Mitarbeiter der <strong>Landtag</strong>sverwaltung in Unkenntnis der<br />

konkreten Umstände eine womöglich ablehnende Entscheidung des<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten vorbereiten.<br />

Die PDS-Fraktion jedenfalls geht davon aus, dass es in jedem<br />

Einzelfall konkrete <strong>und</strong> nachvollziehbare Gründe dafür gegeben hat,<br />

dass sich sächsische Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger einer Hilfsperson<br />

bedient haben. Die Gr<strong>und</strong>lage dafür besteht in § 5 Abs. 3 des<br />

Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong> Volksentscheid, wonach<br />

Stimmberechtigte, die des Lesens unk<strong>und</strong>ig - das ist auch die


Antwort auf die Frage von Herrn Pellmann - oder durch körperliche<br />

Gebrechen gehindert sind, sich entsprechende Hilfe suchen dürfen.<br />

Wir gehen davon aus, dass das erfolgt ist.<br />

Im Klartext bedeutet das für uns, dass keine Unterschrift für<br />

ungültig erklärt werden darf, sofern nicht der Nachweis erbracht<br />

worden ist, dass die betreffende Person nicht hilfsbedürftig war.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Eine Umkehrung dahin gehend, dass alle fragwürdigen Unterschriften<br />

ohne Nachfrage <strong>und</strong> ohne Nachprüfung für ungültig erklärt werden,<br />

dürfte verfassungsrechtlich keinen Bestand haben.<br />

Auf keinen Fall kann hingenommen werden, dass<br />

Unterstützungsunterschriften ohne eine solche entsprechende<br />

Rückfrage einfach für ungültig erklärt werden. Hier appellieren wir<br />

auch an den <strong>Landtag</strong>spräsidenten, der nach geltendem Recht die<br />

letzte Entscheidung zu treffen hat.<br />

Das sächsische Landesparlament hat bei der Verfassungsgebung die<br />

Volksgesetzgebung ausdrücklich gewollt. Jetzt müssen wir auch die<br />

dafür notwendigen Voraussetzungen schaffen, eventuell auch - da<br />

stimme ich mit Herrn Jurk überein - durch eine Änderung des<br />

entsprechenden Gesetzes, die jedoch für das laufende Bürgerbegehren<br />

nicht mehr greifen würde.<br />

Die Antwort der Staatsregierung auf den Antrag der SPD ist<br />

diesbezüglich durchaus aufschlussreich. Dort heißt es:<br />

"Festzustellen ist ..., dass die derzeit geltenden formellen<br />

Regelungen des Verfahrens der Volksgesetzgebung zu einer<br />

erheblichen Zahl ungültiger Stimmen führen können. Dies wird auch<br />

nach Auffassung der Staatsregierung der Bedeutung der in der<br />

Verfassung verankerten Volksgesetzgebung nicht gerecht. Zudem<br />

sollte der Gang der Volksgesetzgebung nicht durch Streitigkeiten<br />

über die formelle Gültigkeit von geleisteten Unterschriften<br />

belastet werden."<br />

Die PDS-Fraktion stimmt dieser Aussage der Staatsregierung<br />

uneingeschränkt zu. Wir bitten den <strong>Landtag</strong>spräsidenten bei seiner<br />

noch ausstehenden Entscheidung zu berücksichtigen, dass die<br />

Intention der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung <strong>und</strong> dass auch die<br />

Volksgesetzgebung nicht ausgehöhlt werden darf.<br />

Mit dieser Hoffnung beende ich meinen Beitrag <strong>und</strong> bedanke mich für<br />

die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die CDU-Fraktion, bitte. Herr Abg.<br />

Schiemann.<br />

Schiemann, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Nur ganz<br />

kurz. Herr Kollege Hahn, Sie haben mir unterschoben, ich hätte<br />

gesagt, diejenigen, die unterschrieben haben, wussten nicht, was<br />

sie tun. Ich muss das zurückweisen. Sie können im Protokoll<br />

nachlesen, dass ich die Initiatoren auf ihre besondere<br />

Verantwortung angesprochen habe. Es werden mir sicherlich alle im<br />

Hohen Haus zugestehen können, dass diejenigen, die etwas initiieren<br />

<strong>und</strong> auf den Weg bringen, eine ganz besondere Verantwortung haben.<br />

Diese Form der Verantwortung gleichzusetzen mit den Bürgerinnen <strong>und</strong><br />

Bürgern, die in Überzeugung diese Initiative unterschrieben haben,<br />

dass sie nicht wussten, was sie tun, finde ich, gelinde gesagt,<br />

nicht ganz fair <strong>und</strong> auch nicht ganz anständig.<br />

(Zustimmung bei der PDS)


- Ich weiß nicht, ob mir jetzt widersprochen wird, dass die<br />

Initiatoren diese besondere Verantwortung nicht haben. Wenn Sie<br />

jetzt widersprechen - oder stimmen Sie mir zu?<br />

(Zustimmung bei der PDS)<br />

- Ich sehe Nicken, also gehe ich davon aus, dass ich gar nichts<br />

Falsches gesagt habe.<br />

<strong>Meine</strong> Fraktion steht schon immer auf dem Standpunkt, dass die<br />

Initiatoren eine besondere Verantwortung tragen.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Schiemann, CDU: Wenn sie kurz ist.<br />

Dr. Hahn, PDS: Ich bemühe mich um Kürze. Herr Kollege Schiemann,<br />

Sie haben soeben mit Recht auf die Verantwortung der Organisatoren<br />

hingewiesen. Ist es nicht richtig, dass Sie vorhin ausgeführt<br />

haben, Sie würden sich wünschen, dass die Organisatoren dafür<br />

sorgen, dass bei künftigen Volksanträgen <strong>und</strong> Volksbegehren<br />

sichergestellt wird, dass die Bürger das Gesetz gelesen haben?<br />

Bedeutet dies nicht, dass es bei den bisherigen nicht so gewesen<br />

ist?<br />

Schiemann, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Welche<br />

Form der Volksgesetzgebung würden Sie sich wünschen? Das wäre die<br />

Frage, die ich Ihnen zurückgeben müsste. Wenn es ein<br />

Gesetzgebungsverfahren gibt, dann muss man davon ausgehen, dass<br />

<strong>sehr</strong>, <strong>sehr</strong> viele, die unterschreiben, sich zumindest durchlesen,<br />

was sie unterschreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie den<br />

Leuten unterjubeln wollen, - -<br />

(Zurufe von der PDS: Wir nicht!)<br />

- Doch, der Herr Kollege Hahn ist jetzt der Meinung, die Bürger<br />

können unterschreiben <strong>und</strong> wissen gar nicht, was für eine Initiative<br />

sie unterschreiben.<br />

(Zuruf von der PDS: Im Gegenteil, er hat Sie zitiert.)<br />

- Doch, das hat er jetzt gesagt.<br />

(Unruhe bei der PDS)<br />

Selbstverständlich ist es wünschenswert, dass sich alle den<br />

Gesetzentwurf anschauen. Ansonsten ist es doch kein<br />

Volksgesetzgebungsverfahren. Unter welchen Vorstellungen wollen Sie<br />

den Leuten klar machen, dass es ein Gesetzgebungsverfahren ist? Was<br />

Sie wollen, ist eine Initiative, <strong>und</strong> das lehnen wir ab <strong>und</strong> das ist<br />

auch nach der Verfassung damals nicht gewollt gewesen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Lassen Sie mich abschließend nur darauf hinweisen: Ich hatte mir<br />

gedacht, meine <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, dass wir uns<br />

überwiegend zum Antrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 3/0861<br />

verständigen. Dieser Antrag hat Verfahrensfragen der<br />

Volksgesetzgebung angesprochen. Ich hatte nicht damit gerechnet,<br />

dass wir uns mit der Sparkasseninitiative zur Volksgesetzgebung<br />

befassen. Deshalb bitte ich Sie um Nachsicht, dass ich mein<br />

Plädoyer für die Volksgesetzgebung gehalten habe <strong>und</strong> nicht für eine<br />

einzelne Initiative.<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von den Fraktionen noch das<br />

Wort gewünscht? - Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die<br />

Staatsregierung. - Herr Staatsminister Heitmann, bitte.


Heitmann, Staatsminister der Justiz: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen! Herr Kollege Jurk, Sie<br />

haben eine Gr<strong>und</strong>satzrede zum Sparkassenvolksbegehren gehalten.<br />

(Jurk, SPD: Als Beispiel für die Volksgesetzgebung.)<br />

Sie haben aber einen Antrag gestellt, der ganz allgemein auf das<br />

Volksgesetzgebungsverfahren Bezug nimmt. Warum eigentlich?<br />

(Jurk, SPD: Um am Beispiel darüber zu diskutieren.)<br />

Sie haben in Ihrer Gr<strong>und</strong>satzrede einen merkwürdigen Satz gehabt.<br />

Sie haben gesagt: Angesichts unserer modernen Verhältnisse würden<br />

"Wahlen nicht mehr ausreichen".<br />

Ich bin dankbar, dass ich seit zehn Jahren wählen darf, wirklich<br />

wählen darf.<br />

(Beifall bei der CDU - Jurk, SPD: Nicht nur Sie!)<br />

Mir ist noch kein System <strong>und</strong> kein Verfahren vor Augen gekommen, das<br />

besser wäre, bei allen Mängeln, die unser System auch hat <strong>und</strong> die<br />

ich natürlich auch sehe.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)<br />

Wir haben damals in unserer Verfassung ganz bewusst das<br />

Volkgesetzgebungsverfahren neben das übliche Verfahren in der<br />

repräsentativen Demokratie gesetzt. So soll es auch bestehen<br />

bleiben. Sie wissen es vielleicht nicht, aber der Herr Kollege<br />

Adler, der Herr Kollege Dr. Kunckel <strong>und</strong> einige andere werden es aus<br />

den harten Verhandlungen um den Verfassungskompromiss, den wir<br />

gef<strong>und</strong>en haben, wissen, dass das Volksgesetzgebungsverfahren einer<br />

der Punkte war, um die es bis zuletzt ging.<br />

(Jurk, SPD: Sie denken, ich weiß das nicht.)<br />

- Sie wissen das auch. Ich wusste das jetzt nicht mehr genau.<br />

(Jurk, SPD: Sie müssen mir nicht<br />

erklären, was ich schon weiß.)<br />

- Na, ist ja gut. Umso besser, wenn Sie es wissen.<br />

Wir haben damals - Sie haben vom Demokratieprinzip gesprochen, Sie<br />

haben vom mündigen Bürger gesprochen - ganz bewusst eine relativ<br />

hohe Hürde von 450 000 gesetzt. Es ist übrigens nicht, wie Sie<br />

sagen, dass bei abnehmender Bevölkerung dies eine zu hohe Hürde<br />

werden würde. Wir haben ganz bewusst hineingeschrieben "... jedoch<br />

nicht mehr als 15 vom H<strong>und</strong>ert der Stimmberechtigten". Das heißt,<br />

450 000 sind nicht zwingend, sondern wenn die Bevölkerung abnimmt,<br />

werden es weniger. Das haben wir damals schon bedacht, insofern<br />

stimmt Ihr Vorwurf gar nicht.<br />

(Jurk, SPD: Ich erkläre es Ihnen anhand der Zahlen.)<br />

Es steht in der Verfassung selbst.<br />

Wir haben damals eine so hohe Hürde bei der Unterschriftssammlung<br />

gestellt, weil wir dahinter - das war ein besonderes Anliegen<br />

unserer "grünen" Kollegen - kein Quorum haben wollten. Das ist der<br />

Unterschied zu anderen Verfassungen <strong>und</strong> ein Unterschied, der immer<br />

hoch gelobt wurde. Nun mag es sein, dass sich das in der Praxis<br />

nicht als so gut erweist, wie wir das damals gehofft haben. Dann<br />

muss man über Änderungen nachdenken. So hatte ich auch Ihren Antrag<br />

verstanden. Ich finde es bloß nicht gut, wenn wir das jetzt mit dem<br />

Sparkassenvolksbegehren vermischen.<br />

(Jurk, SPD: Das ist doch die Praxis!)<br />

Und, Herr Kollege Hahn, was Sie hier vorgetragen haben, ist schon<br />

eine Art Einflussnahme auf das Prüfungsverfahren des<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten. Ich finde, das gehört sich nicht.<br />

(Beifall bei der CDU)


Dann haben Sie noch davon gesprochen, Herr Hahn, wie übel es wäre,<br />

dass man Volksanträge <strong>und</strong> Volksbegehren "an Formvorschriften<br />

scheitern" lasse.<br />

(Zuruf des Abg. Bartl, PDS)<br />

- Ich bitte Sie! Nein, das haben Sie nicht gesagt. Sie haben gesagt<br />

"an Formvorschriften scheitern zu lassen". Diese Unterbewertung der<br />

Formvorschriften innerhalb eines Gesetzgebungsverfahrens kann ich<br />

nun wirklich nicht verstehen. Ein Gesetzgebungsverfahren ist immer<br />

ein streng formgeb<strong>und</strong>enes Verfahren. Nur so kann es zum Ziele<br />

kommen <strong>und</strong> nur so ist es sinnvoll.<br />

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abg. Bartl, PDS)<br />

- Stellen Sie sich ans Mikrofon, stellen Sie eine Zwischenfrage,<br />

Herr Bartl, wenn Sie das wollen. Jetzt allerdings nicht mehr, Sie<br />

haben es ja schon reingerufen.<br />

(Vereinzelt Heiterkeit bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Aber ich gebe Ihnen dann noch eine Chance.<br />

Die erste Frage Ihres Berichtsantrages, Herr Jurk, bezieht sich auf<br />

die Erfahrungen der Staatsregierung mit den formellen Regelungen<br />

des Verfahrens der Volksgesetzgebung. Ich möchte, damit hier kein<br />

unzutreffender Eindruck entsteht, daran erinnern, dass die Prüfung<br />

der Gültigkeit der für einen Volksantrag oder ein Volksbegehren<br />

abgegebenen Unterschriften nach der Stimmrechtsbestätigung durch<br />

die Gemeinden dem <strong>Landtag</strong>spräsidenten obliegt. Dieser hat nach § 22<br />

Abs. 1 des Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong><br />

Volksentscheid festzustellen, ob das Volksbegehren erfolgreich<br />

abgeschlossen ist.<br />

Wenn hier nach den Erfahrungen der Staatsregierung mit den<br />

formellen Regelungen des Verfahrens zur Volksgesetzgebung gefragt<br />

wird, ist das irreführend, zumindest jedoch missverständlich.<br />

Die Überprüfung von Unterschriftenbogen durch den<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten hat in der Vergangenheit gezeigt - <strong>und</strong> darauf<br />

nehmen Sie ja in Ihrem Berichtsantrag Bezug, zu Recht Bezug -, dass<br />

eine Vielzahl von abgegebenen Unterstützungsunterschriften ungültig<br />

war.<br />

Wir haben das damals schon befürchtet, als der Wunsch aufkam,<br />

dieses freie Unterschriftensammlungsverfahren einzuführen. Aber wir<br />

haben es damals - es war auch ein besonderer Wunsch unserer<br />

"grünen" Kollegen damals - so vorgesehen.<br />

Nach dem Bescheid des <strong>Landtag</strong>spräsidenten vom 17. Februar 1998<br />

ergab die Überprüfung von Unterschriftenbogen zum Volksantrag zur<br />

Gemeindegebietsreform - Herr Kollege Hahn hat schon darauf Bezug<br />

genommen -, dass der Anteil ungültiger Unterstützungsunterschriften<br />

mehr als die Hälfte ausmachte - mehr als die Hälfte!<br />

Die Unterschriftenbogen waren danach vielfach nur unvollständig,<br />

teilweise nicht eigenhändig ausgefüllt.<br />

Die Frage mit der Unterstützungsperson betrifft nur wenige. Das<br />

sollten wir nicht hochspielen. In der Wahlkabine kann man sich ja<br />

auch der Unterstützungspersonen bedienen. Das kann man sicher dort<br />

auch, wenn man es nachweist - natürlich!<br />

(Zurufe von der PDS)<br />

Es dürfte Einigkeit darüber bestehen - das hat ja vorhin auch Herr<br />

Kollege Hahn gesagt -, dass ein derartig hoher Anteil von<br />

ungültigen Unterstützungsunterschriften der Bedeutung des<br />

Volksgesetzgebungsverfahrens, das wir in die Verfassung geschrieben<br />

haben, zuwiderläuft.


Um diesen hohen Anteil ungültiger Unterschriften zu senken - danach<br />

war ja auch gefragt -, kann man über verschiedene Möglichkeiten<br />

nachdenken. Zum einen könnten wir überlegen, durch ergänzende,<br />

klarstellende Hinweise auf den Unterschriftenbogen die Einhaltung<br />

der Formalien sicherzustellen.<br />

Ich meine, wenn Sie vorhin auf die "Gänsefüßchen" <strong>und</strong> dergleichen<br />

hinwiesen: Ja, das Verbot steht klar in den Vorschriften. Und die<br />

Initiatoren müssen doch diese Vorschriften gelesen haben. Sie<br />

müssen doch ihre Mitarbeiter darauf hinweisen, dass dies Vorschrift<br />

ist. Wenn sie das nicht tun, gehen sie leichtfertig mit einem<br />

Volksgesetzgebungsverfahren um.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Das muss man einfach sagen.<br />

Und ich will, Herr Hahn, weil Sie vorhin so schöne Beispiele<br />

genannt haben, auch mal ein Beispiel nennen. Wo ich mir<br />

gelegentlich meine Zigarren kaufe, da lag dort, wo man halt dann<br />

bezahlt <strong>und</strong> unmittelbar die Ware entgegennimmt, so ein Bogen aus,<br />

so ein Unterschriftenbogen zum Sparkassenvolksbegehren. Und ich<br />

hörte - ich war nicht allein im Laden; ich musste einen Augenblick<br />

warten -, wie die Verkäuferin einer K<strong>und</strong>in sagte: "Sie sind doch<br />

auch dafür, dass wir unsere Sparkasse unterstützen müssen. Wollen<br />

Sie nicht hier unterschreiben?" - Das hat sie dann auch gemacht.<br />

(Zuruf von der CDU: Genauso wars!)<br />

Da lag kein Gesetzentwurf dabei. Das steht aber ausdrücklich in<br />

unseren Vorschriften, weil es ein Gesetzgebungsverfahren ist.<br />

Das sind auch - -<br />

(Jurk, SPD: Dann hätten Sie doch dagegen<br />

argumentieren können! Sie hätten doch die<br />

Frauen mit Ihren Argumenten aufklären können.)<br />

- Ja, das habe ich gemacht. Aber, Herr Jurk, das habe ich doch<br />

natürlich gemacht. Ich habe die Frau aufgeklärt. Da können Sie doch<br />

ganz sicher sein.<br />

(Widerspruch bei SPD <strong>und</strong> PDS - Beifall bei der CDU)<br />

Herr Jurk, ich kaufe ja nun nicht so viel Zigarren, dass ich alle<br />

Zigarrenhändler aufklären kann.<br />

(Lebhafter Beifall bei der CDU)<br />

Das ist die eine Möglichkeit.<br />

Ein anderer, weitergehender Ansatz wäre es, wie in anderen<br />

B<strong>und</strong>esländern, etwa in Baden-Württemberg, jedenfalls auf der Ebene<br />

des Volksbegehrens eine Eintragung in amtliche Listen vorzusehen.<br />

(Beifall des Abg. Dr. Hähle, CDU)<br />

Da werden wir mit Sicherheit weniger ungültige Unterschriften<br />

finden.<br />

Allerdings bin ich nicht der Auffassung, dass die gesetzlichen<br />

Anforderungen - das will ich noch einmal sagen - an eine gültige<br />

Unterschrift zu streng sind. Es muss gewährleistet sein - darauf<br />

hat Herr Kollege Schiemann schon <strong>sehr</strong> eindrücklich hingewiesen -,<br />

dass sich der Unterstützende der Bedeutung seiner<br />

Unterschriftsleistung als Akt der Volksgesetzgebung wirklich<br />

bewusst wird. Sonst ist es nicht mehr als eine<br />

Unterschriftensammlung, wie es unzählige gibt.<br />

Das ist neben der Nachprüfbarkeit des Stimmrechts <strong>und</strong> der<br />

Authentizität der Unterschriftsleistung ein Anliegen, das durch die<br />

geltenden Formvorschriften erreicht werden soll. Und ich muss noch


einmal sagen: Wer im Rechtsstaat die Formvorschriften unterminiert<br />

oder infrage stellt, der stellt den Rechtsstaat als Ganzen infrage,<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

denn die Formvorschriften im Rechtsstaat sind die Gr<strong>und</strong>lage von<br />

Gerechtigkeit. Mehr an Gerechtigkeit kann der Rechtsstaat nicht<br />

bieten als diese Formvorschrift.<br />

Mir erscheint es freilich - darauf habe ich schon eingangs<br />

hingewiesen - vor dem Hintergr<strong>und</strong> der noch laufenden Überprüfung<br />

der Unterstützungsunterschriften zu dem Sparkassenvolksbegehren<br />

wirklich noch verfrüht, konkrete Vorschläge über Änderungen jetzt<br />

zu machen.<br />

Wir sollten jetzt abwarten, bis das Verfahren abgeschlossen ist,<br />

freilich ohne solche öffentliche Einflussnahme auf die<br />

Entscheidungsfindung des <strong>Landtag</strong>spräsidenten, Herr Hahn!<br />

Für die Entscheidung, welche Änderungen des geltenden Rechts für<br />

künftige Volksanträge <strong>und</strong> Volksbegehren erforderlich sind, sollten<br />

wir die jetzt gewonnenen Erfahrungen einbeziehen. Insbesondere wird<br />

von Bedeutung sein, ob sich die bestehenden Regelungen für das<br />

Volksbegehren bewährt haben oder ob die laufende Überprüfung des<br />

<strong>Landtag</strong>spräsidenten abermals einen hohen Anteil ungültiger<br />

Unterstützungsunterschriften ergibt. Das werden wir abwarten <strong>und</strong><br />

dann werden wir Ihnen zu gegebener Zeit Vorschläge machen.<br />

(Lebhafter Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Das Schlusswort hat die Fraktion<br />

der SPD; Herr Abg. Jurk, bitte.<br />

Jurk, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir haben gerade die Bürgerinitiative "Pro kommunale<br />

Sparkasse" <strong>und</strong> ihr Volksbegehren als praktisches Beispiel für die<br />

Umsetzung der Volksgesetzgebung gesehen. Und deshalb haben wir am<br />

konkreten Beispiel hier über Volksgesetzgebung diskutieren wollen,<br />

ganz eingedenk der Tatsache, wie Ministerpräsident Biedenkopf immer<br />

wieder formuliert: Wir sollten die Gesetze an die Wirklichkeit<br />

anpassen <strong>und</strong> nicht etwa umgekehrt, die Wirklichkeit an die Gesetze.<br />

Das dürfte wohl schief gehen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Und, Herr Heitmann: Wir haben diesen Antrag an die Staatsregierung<br />

gestellt vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass Sie, Herr Heitmann, die<br />

Verordnung des sächsischen Justizministeriums zur Durchführung des<br />

Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong> Volksentscheid vom 18.<br />

Juli 1994 unterschrieben haben.<br />

Sie können also jetzt nicht so tun, als sei das alles nur Sache des<br />

<strong>Landtag</strong>es, sondern Sie haben da schon Ihre Erfahrungen eingebracht.<br />

Und Sie, glaube ich, müssen sich auch dieser Wirklichkeit stellen.<br />

Sie haben Zahlenbeispiele gebracht. Ich will das gerne noch einmal<br />

aufgreifen. Wir hatten, als wir die Verfassung verabschiedet haben,<br />

etwa 4,8 Millionen Einwohner in Sachsen. Wir haben zurzeit etwas<br />

unter 4,5 Millionen. Die Entwicklung ist <strong>sehr</strong> schmerzlich, sie ist<br />

nicht gut. Wir werden in anderen politischen Diskussionen noch<br />

darauf zurückkommen müssen. Und wir haben aktuell 360 000<br />

Wahlberechtigte.<br />

Wenn Sie jetzt mit dem Hinweis kommen - da gibt es ja die Regelung<br />

im Artikel 72 Abs. 2 der <strong>Sächsische</strong>n Verfassung - -<br />

(Schiemann, CDU: Es sind 3,6 Millionen Wahlberechtigte.)<br />

- 3,6 Millionen - danke schön für den Hinweis, Herr Schiemann. Das<br />

ist richtig.


Wenn wir jetzt über die 15 % diskutieren, die in der Verfassung<br />

stehen, dann hieße das natürlich - bei 3,6 Millionen<br />

Wahlberechtigten - sogar 540 000 Unterstützungsunterschriften. Und<br />

wir würden das jetzige Quorum von 450 000 Unterschriften erst<br />

erreichen, wenn die Wahlberechtigtenzahl in Sachsen auf drei<br />

Millionen Menschen gesunken ist, das heißt, nochmals 600 000<br />

Menschen weniger. Also dieses relative Quorum hilft uns nicht<br />

weiter.<br />

Und, Herr Schiemann, ich habe eben nicht behauptet, dass es sich um<br />

Unterschriftensammlungen handelt. Ich gebe Ihnen völlig Recht: Eine<br />

Volksgesetzgebung bedarf bestimmter Kriterien <strong>und</strong> diese Kriterien<br />

sind eben zu hinterfragen gerade eingedenk der Tatsachen, die wir<br />

derzeit zur Kenntnis nehmen müssen.<br />

Ich will nur daran erinnern, dass es wohl eine deutliche Diskrepanz<br />

gibt zwischen der Handlungsweise der Einwohnermeldeämter <strong>und</strong> der<br />

derzeitigen Prüfung durch die <strong>Landtag</strong>sverwaltung, denn die<br />

Unterschriften, die hier abgeliefert wurden, waren bereits<br />

bestätigt durch die Einwohnermeldeämter.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Diesen Unterschied müssen wir zur Kenntnis nehmen <strong>und</strong> auch<br />

aufklären.<br />

Und ich war eigentlich <strong>sehr</strong> zufrieden, Herr Heitmann, mit der<br />

Antwort des Justizministeriums. Ich denke, Sie haben den<br />

Handlungsbedarf erkannt. Insofern brauche ich nicht darauf<br />

zurückzukommen, dass der § 5 Abs. 3 des <strong>Sächsische</strong>n Gesetzes über<br />

Volksantrag, Volksbegehren <strong>und</strong> Volksentscheid natürlich<br />

Gestaltungsspielräume lässt. Natürlich lässt er<br />

Gestaltungsspielräume! Wer definiert denn, was das ist? Ein<br />

Stimmberechtigter, der des Lesens unk<strong>und</strong>ig ist <strong>und</strong> durch<br />

körperliche Gebrechen gehindert ist <strong>und</strong> der nicht allein in der<br />

Lage ist, diesen Antrag zu unterschreiben, der muss dann Hilfe<br />

bekommen.<br />

Wer kann uns konkret sagen, was dort bei der Unterschrift wirklich<br />

gewesen ist? Insofern müssen wir das zur Kenntnis nehmen <strong>und</strong><br />

überlegen, was besser gemacht werden kann. Ich schiebe die<br />

Verantwortung nicht einfach der Bürgerinitiative zu.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Jurk, SPD: Ein Schlusssatz, Frau Präsidentin. Herr Schiemann, wir<br />

sollten nicht mehrere Jahre warten, bis wir an der<br />

Volksgesetzgebung etwas tun. Herr Heitmann, ich gebe Ihnen völlig<br />

Recht. Wir sollten jetzt das Prüfverfahren der <strong>Landtag</strong>sverwaltung<br />

abwarten, daraus unsere Schlüsse ziehen <strong>und</strong> dann werden wir hier<br />

wieder initiativ werden.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Ich möchte die SPD-Fraktion<br />

fragen, ob zum Antrag Abstimmung gewünscht wird, weil es ein<br />

Berichtsantrag war.<br />

(Jurk, SPD: Ist erledigt!)<br />

- Gut. Damit ist die Drucksache im Sinne von § 53 Abs. 6 der<br />

Geschäftsordnung erledigt.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 7<br />

Vorbereitungen zum Solidarpakt II<br />

Drucksache 3/1707, Antrag der Fraktion der CDU, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung


Die Reihenfolge in der ersten R<strong>und</strong>e: CDU, PDS, CDU, SPD <strong>und</strong> die<br />

Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der Fraktion der<br />

CDU als Einreicherin das Wort. Herr Dr. Hähle, bitte.<br />

Dr. Hähle, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten<br />

<strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! "Chefsache Aufbau Ost" oder "500 Milliarden zu<br />

viel" - das waren die Presseschlagzeilen der letzten Wochen, als<br />

die Ministerpräsidenten <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>eskanzler über die künftige<br />

Finanzausstattung unserer ostdeutschen B<strong>und</strong>esländer gesprochen<br />

haben.<br />

Und in der Tat handelt es sich bei den Nachfolgeregelungen zum<br />

Solidarpakt I um ein Kernthema, dessen Inhalte den weiteren Aufbau<br />

Ost, den Aufbau unserer Länder entscheidend beeinflussen werden.<br />

Bei einem Blick zu unseren Nachbarn in Tschechien oder Polen wird<br />

jedem deutlich, wo wir in etwa stehen würden, wenn die gewaltigen<br />

Transferleistungen in den letzten Jahren ausgeblieben wären. <strong>Der</strong><br />

deutschen Einheit, die uns vor zehn Jahren zuteil wurde, <strong>und</strong> der<br />

innerdeutschen Solidarität ist es zu danken, dass sich der<br />

Freistaat Sachsen zu einem aufstrebenden <strong>und</strong> allseits geachteten<br />

Gemeinwesen entwickeln konnte.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Wäre es nach dem Appell "Für unser Land" gegangen, den Ende 1989<br />

einige Unverbesserliche in die Welt gesetzt hatten, wäre also die<br />

DDR ein selbständiger Staat geblieben, dann ginge es uns heute<br />

keinesfalls besser als den Polen oder den Tschechen. Das will ich<br />

zunächst einmal festhalten.<br />

Wir müssen also dankbar sein. Und wir sind auch dankbar. Das ist<br />

schon oft von diesem Pult aus gesagt worden. Es ist in der Tat<br />

nicht selbstverständlich, dass uns bis heute so große Hilfe<br />

widerfahren ist.<br />

(Beifall bei der CDU - Beifall des Abg. Jurk, SPD)<br />

Und nun steht fest: Wir brauchen diese Hilfe weiter, wenn das Gebot<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes - gleichartige Lebensbedingungen oder -<br />

verhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen - erfüllt werden soll.<br />

Automatisch wird das nicht gehen. Es sind erneut politische<br />

Entscheidungen zu treffen, <strong>und</strong> zwar bald.<br />

Dass diese Hilfe fortgesetzt wird, daran hat niemand einen Zweifel.<br />

In welchem Umfang, in welcher Weise <strong>und</strong> wie lange sie noch nach<br />

2004 weiter gewährt wird, das ist noch offen. Und wenn es gelingen<br />

sollte, wenigstens einen Teil der bisherigen Aufbauhilfe weiter zu<br />

erhalten, dann müssen wir wieder dankbar sein. Und wir werden es<br />

wohl auch wieder sein, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>.<br />

Deshalb will ich heute in dieser Debatte zum Solidarpakt II auch<br />

ein paar Gedanken anderer Art äußern. Ich frage mich: Müssen denn<br />

nicht auch die Alt-B<strong>und</strong>esbürger dankbar sein? Denn wenn die<br />

deutsche Einheit ein Geschenk war, dann war es ein Geschenk für<br />

ganz Deutschland.<br />

(Beifall bei der CDU - Ganz vereinzelt Beifall bei der SPD)<br />

Es gab nicht nur Ostdeutsche, die Verwandte im Westen hatten. Es<br />

gab auch Westdeutsche, die Verwandte im Osten hatten. Sie konnten<br />

sie zwar eher besuchen, als das umgekehrt der Fall war.<br />

(Zuruf der Abg. Frau Ludwig, SPD)<br />

Es gab Umtauschsätze, es gab Repressalien an der Grenze. Ich darf<br />

daran erinnern, dass Westdeutschland Transitgebühren aufbringen<br />

musste. Es ging um den Schutz der innerdeutschen Grenze, der jetzt<br />

weggefallen ist. Die Fortschritte, die wir in der europäischen


Einigung erzielt haben, wären ohne die deutsche Einigung<br />

keinesfalls zustande gekommen. Viele Westdeutsche haben ihr<br />

Eigentum zurückbekommen, was ohne die Einigung völlig außerhalb<br />

jeglicher Reichweite gelegen hätte usw.<br />

Nun sage ich aber, die deutsche Einheit war keineswegs nur ein<br />

Geschenk, sondern sie ist zustande gekommen durch den aufrechten<br />

Gang vieler Tausender in der DDR, die endlich ihre Angst überw<strong>und</strong>en<br />

hatten.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)<br />

Natürlich waren die Bedingungen günstiger als Jahre vorher. Aber<br />

die deutsche Einheit ist erkämpft worden von vielen Bürgern der<br />

DDR.<br />

Und genau so war der wirtschaftliche Erfolg der alten<br />

B<strong>und</strong>esrepublik, die Entwicklung des westlichen Teils Deutschlands<br />

zu einer freiheitlichen Demokratie nicht allein das Verdienst der<br />

Bürger dort. Sie hatten die Hilfe der Westalliierten <strong>und</strong> frühzeitig<br />

den notwendigen Freiraum, um ihren Aufbau tatkräftig selbst<br />

gestalten zu können. Sie hatten diese Möglichkeiten nur deshalb,<br />

weil ein anderer Teil Deutschlands sozusagen als Faustpfand in den<br />

Händen der Sowjetunion blieb, die ansonsten niemals den Verbleib<br />

Westdeutschlands in Freiheit zugestanden hätte.<br />

Die Ostdeutschen mussten praktisch die Strafe für ganz Deutschland<br />

absitzen, auch für diejenigen jenseits von Mauer <strong>und</strong> Stacheldraht,<br />

die ihr Land wieder ordentlich aufbauen konnten <strong>und</strong> sich<br />

beachtlichen Wohlstand gebildet haben in diesen Jahren der Teilung.<br />

Nun ist diese Mauer seit elf Jahren gefallen. Vor zehn Jahren ist<br />

Deutschland West <strong>und</strong> Deutschland Ost wieder vereinigt worden. Es<br />

ist das Deutschland aller Deutschen. Alle unterliegen dem gleichen<br />

Recht. Und daraus ließe sich natürlich ein berechtigter Anspruch<br />

für die Entwicklung der neuen Länder ableiten, der ja auch niemals<br />

in Abrede gestellt worden ist.<br />

Nun, wie sind wir hier strukturiert in unserem Denken <strong>und</strong> Fühlen?<br />

Anspruchsvolles Auftreten erzeugt in der Regel keine Gegenliebe bei<br />

denen, die die Ansprüche bedienen müssen. Das wissen wir <strong>sehr</strong> wohl.<br />

Und ich glaube, dass die Bevölkerung der einstigen DDR eher<br />

bescheiden als anspruchsvoll ist.<br />

Allerdings will auch niemand immer nur als Bittsteller auftreten.<br />

Mit unserem Berichtsantrag zu den Vorbereitungen zum Solidarpakt II<br />

wollen wir deshalb bewusst frühzeitig eine Gr<strong>und</strong>satzdebatte über<br />

den weiteren Aufbau unseres Landes anstoßen. Schließlich ist eine<br />

angemessene Finanzausstattung Gr<strong>und</strong>lage dafür, den zweifellos noch<br />

vorhandenen teilungsbedingten Rückstand aufholen zu können. Und<br />

dass das Aufholen in der letzten Zeit etwas ins Stocken gekommen<br />

ist, darüber besteht auch kein Zweifel.<br />

Ich rege deshalb an, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, dass wir uns in diesem<br />

Haus auch außerhalb der Haushaltsberatungen von Zeit zu Zeit über<br />

die mittel- <strong>und</strong> langfristigen Perspektiven <strong>und</strong> notwendigen<br />

Richtungsentscheidungen austauschen sollten. Vielleicht relativiert<br />

sich damit auch der eine oder andere Streit, den wir sonst hier<br />

austragen würden.<br />

Doch zurück zum Solidarpakt II. <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, Sie wissen,<br />

dass im Jahr 2004 der jetzige Solidarpakt ausläuft. Dieser hat uns<br />

neben der Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den<br />

b<strong>und</strong>esstaatlichen Finanzausgleich jedes Jahr r<strong>und</strong> fünfeinhalb<br />

Milliarden DM zusätzlich an Einnahmen aus dem B<strong>und</strong>eshaushalt


gesichert. Gleichzeitig muss aber nach dem Urteil des<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtes der Finanzausgleich zwischen den Ländern<br />

neu geregelt werden.<br />

(Frau Dr. Schwarz, SPD: Ja, ja!)<br />

Vom bisherigen System profitiert der Freistaat Sachsen derzeit in<br />

Höhe von r<strong>und</strong> 6,8 Milliarden DM. Insgesamt stehen dann jährlich<br />

über zwölf Milliarden DM zur Disposition, also mehr als ein Drittel<br />

unseres jährlichen Haushaltsvolumens, wenn erstens im Solidarpakt<br />

nichts mehr fließen <strong>und</strong> zweitens der Länderfinanzausgleich<br />

auslaufen sollte wegen Untätigkeit des Gesetzgebers beispielsweise.<br />

Damit wir wissen, wovon wir reden: Es ist ein Drittel unseres<br />

Landeshaushaltes. Und damit bin ich bei dem entscheidenden Punkt.<br />

Solidarpakt II <strong>und</strong> Neuregelung des Länderfinanzausgleichs sind für<br />

uns zwei Seiten derselben Medaille. Nur wenn wir Klarheit in beiden<br />

Bereichen haben, können wir den weiteren Aufbau des Freistaates<br />

Sachsen zielgerichtet forcieren.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Die CDU-Fraktion unterstützt daher ausdrücklich die Forderungen<br />

aller Ministerpräsidenten auf eine rasche Entscheidung, um eine<br />

frühzeitige Finanzplanungssicherheit zu haben. Von sinnvoll<br />

eingesetzten Finanzhilfen für Ostdeutschland wird am Ende ganz<br />

Deutschland profitieren. Wird uns dagegen kein ausreichender<br />

planerischer Vorlauf zugebilligt, dann muss das zwangsläufig mit<br />

unnötigen Mehrkosten verb<strong>und</strong>en sein. Das ist den Steuerzahlern in<br />

Ost <strong>und</strong> West wohl nicht zumutbar.<br />

Gerade deshalb habe ich mich <strong>sehr</strong> gew<strong>und</strong>ert, als vor einigen Wochen<br />

die Pläne des B<strong>und</strong>es bekannt wurden, die konkreten Neuregelungen<br />

zum Solidarpakt <strong>und</strong> zum Länderfinanzausgleich erst nach der<br />

nächsten B<strong>und</strong>estagswahl auszuhandeln. Wie nun zu hören war, ist<br />

dieser Widersinn jetzt vom Tisch. Es ist zu hoffen, dass es dabei<br />

bleibt. Es wäre schön, wenn auch Sie, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von<br />

der SPD, sich bei Ihrer B<strong>und</strong>esregierung in diesem Sinne für unsere<br />

gemeinsamen Interessen stark machen könnten,<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

aber auch bei den SPD-geführten Ländern, so wie wir das bei den<br />

unionsgeführten tun wollen. Die Gefechtslage ist außerordentlich<br />

unterschiedlich.<br />

Weil es so wichtig ist, möglichst bald zu wissen, woran wir sind,<br />

haben wir die Forderung nach einem Abschluss der Finanzreform noch<br />

in dieser Legislaturperiode des B<strong>und</strong>estages in unseren<br />

Änderungsantrag, den ich dann einbringen werde, aufgenommen. Eine<br />

breite Mehrheit dieses Hauses wird diese Forderung sicherlich mit<br />

entsprechendem Nachdruck versehen.<br />

Was die inhaltliche Vorbereitung angeht, denke ich, sind wir auf<br />

einem guten Weg. Es war zunächst einmal richtig, wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>iert zusammenzutragen, was denn an teilungsbedingtem<br />

Nachholbedarf in Ostdeutschland Ende 2004 noch weiter besteht <strong>und</strong><br />

welche Auswirkungen eventuelle Kürzungen von Finanztransfers für<br />

die Fortsetzung des Aufbaus Ost haben würden.<br />

<strong>Der</strong> Hauptnachholbedarf von r<strong>und</strong> 300 Milliarden DM besteht nach den<br />

übereinstimmenden Gutachten vor allem im Bereich der Infrastruktur,<br />

also vor allem bei den Straßen, aber auch im Schul- <strong>und</strong><br />

Hochschulbau, im Sport, im Wasser- <strong>und</strong> Abwasserbereich. Sachsen<br />

besteht nicht nur aus nagelneuen B<strong>und</strong>esautobahnen, es gibt noch<br />

eine ganze Reihe von Regionen, die in ihrer Entwicklung durch


ungenügende Verkehrsanbindung beträchtlich gehindert sind. Ich<br />

denke da zum Beispiel an Wurzen. Die CDU-Fraktion hat sich in einer<br />

ihrer Vor-Ort-Aktionen vor kurzem erst ein Bild davon machen<br />

können. Ich denke auch an Chemnitz <strong>und</strong> viele andere Städte <strong>und</strong><br />

Gemeinden, die sehnsüchtig auf die weitere Verbesserung der<br />

Verkehrsanbindung warten.<br />

(Schimpff, CDU: Richtig!)<br />

Gleichzeitig haben die Gutachten aber auch deutlich gemacht, dass<br />

in anderen Bereichen wie öffentliche Sicherheit, Kultur, soziale<br />

Sicherung, Krankenhäuser <strong>und</strong> Wohnungswesen der Ausgleichsprozess im<br />

Jahre 2005 abgeschlossen sein wird, ja sogar teilweise ein<br />

Infrastrukturvorsprung im Verhältnis zu den alten Ländern zu<br />

verzeichnen sein wird. Wir sind froh, dass in diesen wichtigen<br />

Politikbereichen für unsere Bürger dieses hohe Niveau der<br />

Lebensverhältnisse erreicht worden ist. Wir haben hier dann<br />

gleichwertige Lebensverhältnisse, wie sie unser Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

fordert, in vielen Bereichen, die uns täglich berühren, bereits<br />

verwirklicht - eine Tatsache, die bisher noch zu wenig gewürdigt<br />

wird.<br />

In 40 Jahren hat es die DDR nicht geschafft, die eigene Bevölkerung<br />

mit ausreichendem Wohnraum zu versorgen. Zehn Jahre nach der<br />

Einheit haben sich viele ihren Traum von den eigenen vier Wänden<br />

verwirklicht. Die Mietpreise sinken <strong>und</strong> wir diskutieren inzwischen<br />

über den Abriss von leer stehenden Wohnungen. Wer hätte so etwas<br />

vor zehn Jahren für möglich gehalten? Unser modernes Telefonnetz<br />

ist schon längst Selbstverständlichkeit <strong>und</strong> wer als Patient oder<br />

als Besucher ein sächsisches Krankenhaus betritt, sieht auf den<br />

ersten Blick, was sich dort alles im Vergleich zu früher getan hat.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Deshalb werden wir unsere Politikschwerpunkte in den nächsten<br />

Jahren insbesondere in den Bereichen der Infrastruktur setzen<br />

müssen, solange uns noch ein Finanzvolumen zur Verfügung steht, das<br />

uns gestattet, den Nachholbedarf aufzuholen, der erwiesenermaßen<br />

noch in anderen Bereichen fortbesteht, die ich genannt habe.<br />

Auch im Bereich der gewerblichen Wirtschaft sind wir von der<br />

Chancengleichheit mit den alten Ländern noch ein ganzes Stück<br />

entfernt. Die Gutachten sprechen hier von einem erforderlichen<br />

Fördervolumen von ca. 100 Milliarden DM für ganz Ostdeutschland.<br />

Zur Stärkung der Wirtschaftskraft unseres Landes gibt es keine<br />

Alternative, wenn wir langfristig das Ziel anstreben auf eigenen<br />

Füßen stehen zu wollen. Ich denke, gerade daran sollten auch die<br />

alten B<strong>und</strong>esländer ein großes Interesse haben. Dieses Interesse<br />

dürfte unsere Verhandlungsposition doch etwas erleichtern.<br />

Große Unterschiede gibt es nach wie vor bei der kommunalen<br />

Steuerkraft. Auch im Jahre 2005, so sagen die Experten, werden<br />

unsere Kommunen nur knapp die Hälfte der Steuereinnahmen westlicher<br />

Kommunen haben. Kreise, Städte <strong>und</strong> Gemeinden werden deshalb auch<br />

langfristig auf hohe Zuweisungen des Freistaates angewiesen sein.<br />

Nur so werden sie ihre Aufgaben erfüllen können. Wenn aber auch der<br />

Freistaat Sachsen wie die anderen neuen B<strong>und</strong>esländer noch weit<br />

geringere eigene Steuereinnahmen hat als die alten Länder, muss<br />

diese Sonderbelastung im Rahmen des Solidarpaktes oder im<br />

Länderfinanzausgleich ebenfalls berücksichtigt werden.<br />

Schließlich bedrücken uns ja alle gemeinsam weiterhin die<br />

bestehende hohe Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> die vielen Einzelschicksale


unserer Menschen, die damit verb<strong>und</strong>en sind. Wir wissen, dass<br />

Arbeitslosigkeit letztlich nur durch einen sich selbst tragenden<br />

wirtschaftlichen Aufschwung überw<strong>und</strong>en werden kann <strong>und</strong> dass wir<br />

hierfür die erforderlichen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen<br />

setzen müssen. Dennoch bleiben die bisherigen<br />

arbeitsmarktpolitischen Instrumente des B<strong>und</strong>es, also die Förderung<br />

von ABM-Stellen, Umschulungsmaßnahmen <strong>und</strong> vieles andere mehr zur<br />

Stützung <strong>und</strong> Entlastung des Arbeitsmarktes, für uns auf absehbare<br />

Zeit unverzichtbar. Auch hierin sehen wir eine teilungsbedingte<br />

Sonderlast. Deshalb mahnen wir die Fortführung der<br />

Arbeitsmarktförderung bei den anstehenden Verhandlungen mit an.<br />

Dass da inzwischen auch einiges vorgesehen ist, nehme ich mit<br />

Befriedigung zur Kenntnis.<br />

<strong>Der</strong> Freistaat, wie Sie wissen, ist für die Vorbereitung der<br />

Verhandlungen zum Solidarpakt II federführend unter den<br />

ostdeutschen Ländern. Er hat die Aufgabe übernommen, die<br />

Datengr<strong>und</strong>lage zu schaffen für die gezielten Verhandlungen, für den<br />

Nachweis des noch vorhandenen teilungsbedingten Bedarfs. Seit<br />

vielen Monaten arbeiten Ministerpräsident Kurt Biedenkopf <strong>und</strong><br />

Staatsminister Thomas de Maizière an dieser Mammutaufgabe. Sie<br />

haben es verstanden, die bisherige Diskussion über Partei- <strong>und</strong><br />

Ländergrenzen hinweg in sachliche Bahnen zu lenken. Auch der B<strong>und</strong><br />

hat sich bei der Entgegennahme der Ergebnisse der vorgelegten<br />

Gutachten positiv sowohl über den Inhalt als auch über die Art <strong>und</strong><br />

Weise dieser Vorbereitungen geäußert.<br />

(Teilweise Beifall bei der CDU)<br />

Ich möchte an dieser Stelle unseren Verhandlungsführern herzlich<br />

für die geleistete Arbeit danken. Ich denke, dass ich dies im Namen<br />

des ganzen Landesparlaments tun darf.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Abweichende Meinungen können ja dann in den entsprechenden<br />

Redebeiträgen der Opposition geäußert werden.<br />

<strong>Der</strong> schwierigere Teil der Verhandlungen, bei denen es dann um die<br />

Einzelheiten geht, um die Höhe der für den weiteren Aufbau<br />

verfügbaren Mittel, steht ja noch bevor. Wie wir hier die<br />

Ausgangsbedingungen sehen <strong>und</strong> auf welche veränderten Bedingungen<br />

wir heute im Vergleich zur Situation 1992 bis 1994, als der erste<br />

Solidarpakt verhandelt wurde, Rücksicht nehmen müssen, darauf wird<br />

mein Kollege Metz in seinem Beitrag noch eingehen. Unser der<br />

Debatte zugr<strong>und</strong>e liegender Antrag, <strong>Landtag</strong>sdrucksache 3/1707, war<br />

ein Berichtsantrag. Aus der Antwort der Staatsregierung wollen wir<br />

nun einige Schlussfolgerungen ziehen, die in unserem<br />

Änderungsantrag Drucksache 3/2075 enthalten sind. Diesen<br />

Änderungsantrag möchte ich hiermit einbringen <strong>und</strong> zur Annahme<br />

empfehlen.<br />

Ich bedanke mich.<br />

(Beifall bei der CDU - Beifall bei der Staatsregierung)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die PDS-Fraktion, bitte. Frau Dr.<br />

Runge.<br />

Frau Dr. Runge, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Herr Hähle, Ihre Moralisierung der finanziellen Hilfen<br />

für Ostdeutschland, indem Sie Dankbarkeitsbek<strong>und</strong>ungen von Ostlern<br />

an Westler <strong>und</strong> umgekehrt verschicken, verfehlt aus meiner Sicht die<br />

politische Problemstellung.<br />

(Beifall bei der PDS)


Erinnern Sie sich doch: Womit wir es gegenwärtig zu tun haben, sind<br />

teilungsbedingte Folgen, die in der Folge des Zweiten Weltkrieges<br />

<strong>und</strong> der Besetzung Deutschlands entstanden sind. Nur vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> wird überhaupt ein politischer Schuh daraus.<br />

(Leroff, CDU: Man kann doch dankbar sein!)<br />

Drei Geberländer - Baden-Württemberg, Bayern <strong>und</strong> Hessen - hatten<br />

gegen den jetzigen Länderfinanzausgleich in Karlsruhe wegen einer<br />

Übernivellierung zugunsten finanzschwächerer Länder geklagt. Das<br />

Verfassungsgericht hat entschieden, dass bis Ende 2002 der<br />

Gesetzgeber allgemeine Maßstäbe festlegen <strong>und</strong> die rein<br />

rechnerische, also praktische Umsetzung dieser Maßstäbe in einem<br />

neuen Länderfinanzausgleich bis Ende 2004 geregelt haben muss.<br />

Für eine Neuregelung des Länderfinanzausgleiches hat das Gericht<br />

Gr<strong>und</strong>linien vorgegeben. Erschwert werden diese Verhandlungen<br />

dadurch, dass ebenfalls bis Ende 2004 der Solidarpakt II<br />

ausgehandelt werden muss. Mit dem Finanzausgleich <strong>und</strong> dem<br />

Solidarpakt kommt die gesamte Finanzverfassung auf den Prüfstand<br />

<strong>und</strong> mit ihr die Zukunftsfähigkeit des Föderalismus.<br />

Die Aufgabe besteht darin, die Zuständigkeiten zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Ländern sowie zwischen den Ländern neu zu regeln. Die Überlagerung<br />

der Verhandlungen von zunächst zwei verschiedenen Finanzpaketen -<br />

Länderfinanzausgleich <strong>und</strong> Solidarpakt II -, die aber in ihren<br />

faktischen Auswirkungen für die Finanzlage der neuen B<strong>und</strong>esländer<br />

untrennbar zusammenhängen, haben die ostdeutschen Länder<br />

veranlasst, zeitlichen Druck auf die B<strong>und</strong>esregierung auszuüben, so<br />

dass beide Finanzkonzepte noch vor den nächsten B<strong>und</strong>estagswahlen<br />

unter Dach <strong>und</strong> Fach sind.<br />

<strong>Der</strong> Hintergr<strong>und</strong> für diesen Zeitdruck besteht darin, dass das vom<br />

Verfassungsgericht vorgegebene, zeitlich versetzte zweistufige<br />

Verfahren insofern problematisch ist, als die Festlegung<br />

allgemeiner, abstrakter Maßstäbe für die künftige Finanzverfassung<br />

ohne Kenntnis der empirischen <strong>und</strong> rechnerischen Tatbestände für die<br />

Länder böse Überraschungen bereithalten könnte. Insofern ist das<br />

vom Verfassungsgericht nahe gelegte deduktive Vorgehen nicht gerade<br />

geeignet, das Maßstäbegesetz <strong>und</strong> die Finanzverfassung zeitnah<br />

auszuhandeln.<br />

Schröder <strong>und</strong> Eichel haben allerdings auf Wunsch der ostdeutschen<br />

Ministerpräsidenten signalisiert, dass die Neuregelung des<br />

Finanzausgleiches <strong>und</strong> des Solidarpaktes dem Maßstäbegesetz in nicht<br />

allzu großem zeitlichem Abstand folgen sollen. Um eine tatsächliche<br />

zeitnahe Verabschiedung beider Finanzpakete zu erreichen, hat die<br />

sächsische SPD die einzigartige Möglichkeit, den politischen Druck<br />

auf den Kanzler zu verstärken, damit das nicht nur versprochen,<br />

sondern auch umgesetzt wird.<br />

Zwei wichtige Säulen im laufenden Solidarpakt I sind die<br />

Sonderbedarfsb<strong>und</strong>esergänzungszuweisungen in Höhe von jährlich 14<br />

Milliarden DM - Sachsen erhielt davon 3,6 Milliarden DM - zum Abbau<br />

teilungsbedingter Sonderbelastungen. Zum Ausgleich der<br />

unterproportionalen kommunalen Finanzkraft fließen<br />

Investitionszuweisungen, um die unterschiedliche Wirtschaftskraft<br />

auszugleichen <strong>und</strong> wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Nach dem<br />

Investitionsfördergesetz Ost fließen jährlich 6,6 Milliarden DM -<br />

hiervon nach Sachsen 1,7 Milliarden DM.<br />

Diese Sonderleistungen ermöglichen den ostdeutschen Ländern -<br />

soweit sie sich in ihren Haushalten niederschlagen - eine im


Vergleich zu den westlichen B<strong>und</strong>esländern überproportionale<br />

Finanzausstattung. In 1999 waren das 111,9 vom H<strong>und</strong>ert. Dennoch<br />

sind bisher die Einnahmen Sachsens aus dem Solidarpakt - wie es in<br />

der Antwort der Staatsregierung heißt - hinter den erwarteten<br />

Einnahmen zurückgeblieben. Statt angenommener 16,1 Milliarden DM<br />

flossen tatsächlich nur 13,1 Milliarden DM im Jahre 1997.<br />

Dass ein zusätzlicher Finanzbedarf für Investitionen in die<br />

Infrastruktur Ostdeutschlands besteht, bestreiten weder der B<strong>und</strong><br />

noch die Länder - auch nicht Bayern, Baden-Württemberg, Hessen <strong>und</strong><br />

Nordrhein-Westfalen. Streit gibt es <strong>und</strong> wird es um die<br />

Größenordnung <strong>und</strong> um den Zeithorizont der Förderung geben.<br />

Für die Verhandlungen zum Solidarpakt II haben die ostdeutschen<br />

Länder deshalb Gutachten bei renommierten Wirtschaftsinstituten in<br />

Auftrag gegeben, um objektivierte Daten zur<br />

Infrastrukturentwicklung in Ostdeutschland zu bekommen. Dabei<br />

kommen diese Wirtschaftsinstitute trotz verschiedener methodischer<br />

Ansätze zu annähernd gleichen Ergebnissen.<br />

Die öffentliche Infrastruktur weist nach aktuellen Untersuchungen<br />

der Wirtschaftsinstitute gegenüber der des Westens zum jetzigen<br />

Zeitpunkt noch einen Rückstand von r<strong>und</strong> 40 % <strong>und</strong> bei Auslaufen des<br />

Solidarpaktes I einen Rückstand von 30 % auf. Diese<br />

Infrastrukturlücke ist als Differenz zwischen der<br />

Infrastrukturausstattung je Einwohner in Ost <strong>und</strong> West definiert<br />

worden, wobei jeweils die Flächenstaaten sowie Berlin mit Bremen<br />

verglichen wurden.<br />

Sämtliche Wirtschaftsinstitute kommen dabei zu annähernd gleichen<br />

Geldsummen, um diese Lücke auszugleichen. Sie beträgt r<strong>und</strong> 300<br />

Milliarden DM - in Preisen von 2005 gerechnet. Den finanziellen<br />

Sonderbedarf für Ostdeutschland - darin eingeschlossen ist die<br />

Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur auch durch den B<strong>und</strong> -<br />

beziffert Reinhard Höppner sogar mit 500 Milliarden DM.<br />

In der Antwort der Staatsregierung wird der Bedarf an Fördermitteln<br />

für die gewerbliche Wirtschaft mit ca. 100 Milliarden DM angegeben<br />

<strong>und</strong> der Bedarf der Kommunen, um deren unterdurchschnittliche<br />

Steuerkraft auszugleichen, auf jährlich 10 Milliarden DM beziffert.<br />

Zudem müssen die arbeitsmarktpolitischen Instrumente des B<strong>und</strong>es zur<br />

Stützung <strong>und</strong> Entlastung des Arbeitsmarktes auf hohem Niveau<br />

fortgeführt werden.<br />

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat sich mit der Frage<br />

befasst, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen für Ost- <strong>und</strong><br />

Westdeutschland zu erwarten sind, wenn die Transferleistungen<br />

gekürzt würden. Es würde in Ost wie West zu temporären Produktions<strong>und</strong><br />

Beschäftigungsverlusten kommen <strong>und</strong> der Aufholprozess Ost würde<br />

sich von der westdeutschen Entwicklung immer weiter abkoppeln.<br />

Das Rheinisch-Westfälische Institut kommt zu dem Ergebnis, dass<br />

sich schon bei den jetzigen Zahlungen die Konvergenz in Bezug auf<br />

die Infrastruktur Ost zu West verlangsamt hat. Ich zitiere:<br />

"Schreibt man letzteren Trend bzw. die Relation zwischen ost- <strong>und</strong><br />

westdeutschen Investitionen fort, so könnte die Infrastrukturlücke<br />

2030 abgebaut sein." - Man höre <strong>und</strong> sehe: 2030! Das aber ist<br />

politisch nicht zu verantworten. Aus Ostdeutschland würden viele<br />

Menschen weiter abwandern <strong>und</strong> der Osten würde langfristig für meine<br />

Begriffe zum Armenhaus <strong>und</strong> zum Altenheim Deutschlands werden. Das<br />

muss verhindert werden.


Es gibt noch einen Gr<strong>und</strong> dafür, in den nächsten zehn Jahren<br />

hinsichtlich der Transferzahlung zu klotzen statt zu kleckern.<br />

Dieser Gr<strong>und</strong> ist sozialpsychischer Natur. Es ist nämlich die<br />

gegenseitige Zumutbarkeit. Die Menschen im Westen wollen nicht<br />

dauerhaft dem Osten gegenüber in solidarische Pflicht genommen<br />

werden. Die Ostdeutschen wollen nicht dauerhaft von Westdeutschland<br />

alimentiert werden.<br />

Zu dem noch zusätzlich eingereichten Änderungsantrag der CDU-<br />

Fraktion möchte ich Folgendes sagen: Sie haben im Wesentlichen die<br />

Forderungen aufgenommen, die in der Antwort der Staatsregierung auf<br />

Ihren Berichtsantrag formuliert worden sind. Diesen Forderungen<br />

können wir uns voll anschließen.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die CDU-Fraktion - Herr Dr. Metz,<br />

bitte.<br />

Dr. Metz, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Herr Dr. Hähle hat bereits klar zum Ausdruck gebracht, dass<br />

meine Fraktion, die CDU-Fraktion, in diesem Punkt voll <strong>und</strong> ganz<br />

hinter der Staatsregierung steht,<br />

(Jurk, SPD: In diesem Punkt?)<br />

wenn es darum geht, Neuregelungen für den Solidarpakt <strong>und</strong> den<br />

Länderfinanzausgleich zu finden, zumal diese Staatsregierung auch<br />

gewisse Erfahrungen bei diesen Verhandlungen zum Solidarpakt I vor<br />

sieben Jahren gesammelt hat <strong>und</strong> auf diesen Erfahrungen aufbauen<br />

kann.<br />

Zwischen den ostdeutschen B<strong>und</strong>esländern - <strong>und</strong> da denke ich, das ist<br />

unabhängig von politischer Couleur - besteht weitestgehend<br />

Einvernehmen, dass teilungsbedingter Nachholbedarf weiterhin vor<br />

allem im Bereich der Infrastruktur existiert, aber auch - <strong>und</strong><br />

darauf möchte ich verweisen - bei der Förderung der gewerblichen<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> der durchschnittlichen kommunalen Finanzkraft <strong>und</strong><br />

natürlich auch im Bereich der Arbeitsmarktförderung.<br />

Ich möchte hier deshalb gar nicht weiter darauf eingehen, sondern<br />

die finanzpolitischen Rahmenbedingungen von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern, unter<br />

denen die derzeitigen Verhandlungen stattfinden, insgesamt einmal<br />

näher beleuchten. Wie ist die Situation? Wie ist das Umfeld bei den<br />

Verhandlungen?<br />

Mir scheint das deshalb wichtig, weil wir unsere Forderungen, die<br />

wir als Freistaat Sachsen natürlich auf diesem Gebiet haben, nicht<br />

ins Blaue hinein erheben können. Schließlich müssen unsere<br />

Anforderungen <strong>und</strong> Wünsche auch bezahlt werden <strong>und</strong> in der Regel von<br />

denen bezahlt werden, die dafür arbeiten <strong>und</strong> Steuern zahlen. Das<br />

ist nur zum Teil hier in diesem Land selbst der Fall.<br />

Bei der Analyse der derzeitigen Situation komme ich jedenfalls zu<br />

dem Schluss, dass sich die Ausgangssituation für uns weitaus<br />

schwieriger darstellt als zum Beispiel vor sieben Jahren, als der<br />

Solidarpakt I verhandelt <strong>und</strong> beschlossen worden ist. Ich will das<br />

anhand von sechs Punkten einmal untermauern.<br />

1. Ich stelle diese These einmal so in den Raum: <strong>Der</strong> B<strong>und</strong> hat sich<br />

im Zuge der Gestaltung der Einheit Deutschlands hoch verschuldet.<br />

Er ist daher heute weit weniger solvent, als dies noch vor Jahren<br />

der Fall war.<br />

Die derzeitigen Meldungen über Eichels Mehreinnahmen wegen des<br />

Verkaufs der Mobilfunklizenzen erzeugen in der Öffentlichkeit ein<br />

völlig unzutreffendes Bild.


(Beifall des Abg. Jurk, SPD)<br />

Es wird nämlich vorgegaukelt, dass die Haushaltskonsolidierung beim<br />

B<strong>und</strong> damit schon fast geschafft sei. <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, das<br />

ist eben nicht so!<br />

Lassen Sie mich deshalb einige Sätze aus der Pressemitteilung des<br />

B<strong>und</strong>esrechnungshofes zur Staatsverschuldung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland anlässlich des letzten Jahresberichtes zitieren. Dort<br />

wird gesagt: "Die jährliche Neuverschuldung des B<strong>und</strong>es bewegt sich<br />

seit dem Jahre 1991 zum Teil deutlich über 50 Milliarden DM. Schon<br />

seit Jahrzehnten nimmt der Schuldenstand des B<strong>und</strong>es, einschließlich<br />

seiner Sondervermögen, zu.<br />

Innerhalb der letzten zehn Jahre", meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, "hat<br />

sich der Schuldenstand verdreifacht <strong>und</strong> wird zum Jahresende 1999" -<br />

<strong>und</strong> das ist inzwischen Realität - "r<strong>und</strong> 1,5 Billionen DM betragen.<br />

Damit trägt der B<strong>und</strong> r<strong>und</strong> zwei Drittel der öffentlichen<br />

Gesamtverschuldung. Das sind immerhin zehn Prozentpunkte mehr als<br />

noch vor zehn Jahren.<br />

Parallel zu dieser Entwicklung hat sich in den letzten Jahren die<br />

Struktur der Ausgaben <strong>und</strong> Einnahmen des B<strong>und</strong>es verschlechtert. Die<br />

Zins- <strong>und</strong> Sozialausgaben beanspruchen einen immer größer werdenden<br />

Anteil an den Gesamtausgaben." Man höre <strong>und</strong> staune: "Fast drei<br />

Viertel der Steuereinnahmen müssen dafür eingesetzt werden.<br />

Auf der Einnahmenseite sind die Steuern weit hinter den Erwartungen<br />

zurückgeblieben. Die wachsenden strukturellen Deckungslücken sind<br />

in erheblichem Umfang durch zunehmende Erlöse aus<br />

Vermögensverwertung ausgeglichen worden. Allein die Einnahmen aus<br />

dem Verkauf von Beteiligungen erreichen in den Jahren 1998 <strong>und</strong> 1999<br />

zusammen fast 50 Milliarden DM. Diese Entwicklung ist bedenklich,"<br />

sagt der B<strong>und</strong>esrechnungshof, "da Vermögensreserven für künftige<br />

Verpflichtungen aufgebraucht werden. Sie kann schon deshalb nicht<br />

unverändert fortgeführt werden, weil die künftig erzielbaren<br />

Privatisierungserlöse begrenzt sind."<br />

Soweit das Zitat aus den Einschätzungen des B<strong>und</strong>esrechnungshofes.<br />

Ich fasse das so zusammen: Verdreifachung der B<strong>und</strong>esschuld<br />

innerhalb der letzten zehn Jahre trotz erheblichem Verkauf von<br />

Tafelsilber.<br />

2. Auch die alten Länder haben ihren Schuldenberg erheblich<br />

vergrößert. Waren es im Jahre 1991 ohne Schattenhaushalte noch 341<br />

Milliarden DM Schuldensumme in den alten Ländern, so betrug die<br />

Gesamtverschuldung der alten Länder im Jahre 1999 bereits 530<br />

Milliarden DM. Das ist immerhin auch eine Steigerung um etwa 55 %.<br />

Die strukturellen Probleme der Landeshaushalte - ich nenne hier nur<br />

die Stichworte drastisch steigende Versorgungslasten <strong>und</strong> sinkende<br />

Investitionsquoten - belasten fast alle Länder.<br />

Ich komme daher leider nicht umhin festzustellen, dass auch die<br />

Solvenz der Geberseite des Solidarpaktes, also von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> den<br />

alten B<strong>und</strong>esländern, in den letzten Jahren erheblich gelitten hat.<br />

3. <strong>Der</strong> emotionale Ausnahmezustand zu Beginn der neunziger Jahre ist<br />

vorbei. Die Normalität, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, hat uns wieder in<br />

Deutschland.<br />

Sicherlich wäre es schön, wenn die durch den Freudentaumel der<br />

Einheit ausgelöste Freigebigkeit auch weiterhin andauern würde. Für<br />

mich ist jedoch gerade auch die einkehrende Sachlichkeit <strong>und</strong> das<br />

harte Ringen um Finanzfragen ein Beweis dafür, dass die innere<br />

Einheit unseres Landes ein weites Stück vorangekommen ist.


Mit den Augen des Westens gesehen ist der weitere Aufbau der neuen<br />

Länder eben nur noch eine Aufgabe unter vielen.<br />

4. Es wurden bereits zehn Jahre lang Finanztransferleistungen von<br />

riesigem Ausmaß erbracht. Diese haben viel Segensreiches bewirkt.<br />

Wir erleben <strong>und</strong> sehen es tagtäglich.<br />

Sie haben auch dazu geführt, dass in einer Reihe von<br />

Aufgabenbereichen - ich nenne politische Führung, zentrale<br />

Verwaltung, Kultur, soziale Sicherung sowie Krankenhäuser,<br />

Pflegeeinrichtungen usw. - Ostdeutschland mittlerweile einen<br />

Ausstattungsvorsprung erreicht hat. Dies hat - da beziehe ich mich<br />

auf meine Vorrednerin - das Deutsche Institut für<br />

Wirtschaftsforschung eindeutig festgestellt.<br />

Wenn wir ehrlich miteinander sind, gibt es dafür eine Reihe von<br />

positiven <strong>und</strong> guten Beispielen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Wir werden uns daher in den Verhandlungen zum Solidarpakt II<br />

anstrengen müssen, um Argumente zu finden, damit uns diese Vorteile<br />

nicht als Abzugsposten bei unserer Aufstellung des<br />

teilungsbedingten Nachholbedarfes angerechnet werden.<br />

5. <strong>Der</strong> Abbau des aufgelaufenen Reformstaus - ich nenne nur die<br />

Stichpunkte Steuerreform <strong>und</strong> Rentenreform - führt zunächst zu einer<br />

finanziellen Durststrecke.<br />

Andere Länder, wie die USA, Großbritannien oder auch die<br />

Niederlande, haben ihre Reformen des Steuersystems oder auch der<br />

sozialen Sicherungssysteme bereits in den achtziger Jahren begonnen<br />

<strong>und</strong> schmerzhafte Einschnitte vorgenommen. Heute ernten sie die<br />

Früchte der damaligen Reformtätigkeit. Haushaltsüberschüsse, meine<br />

<strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, sind seit einigen Jahren in diesen Ländern die<br />

Regel, nicht die Ausnahme.<br />

Bei uns hat wohl die deutsche Einheit auch dazu geführt - <strong>und</strong><br />

diesen Aspekt möchte ich durchaus benennen -, dass man in der alten<br />

B<strong>und</strong>esrepublik unangenehme Reformen über Jahre vor sich her<br />

geschoben oder von sich gewiesen hat. Vielleicht war wenigstens ein<br />

Stück schlechten Gewissens dabei. Das System wurde jedenfalls hier<br />

bei uns im Osten eins zu eins mit dem Reformstau übertragen.<br />

Nach meiner Meinung ist die Zeit des Ausblendens von<br />

Problemstellungen vorbei. Die angekündigte Steuerreform belastet<br />

allein unseren Staatshaushalt im Freistaat Sachsen im kommenden<br />

Jahr mit r<strong>und</strong> einer Milliarde DM.<br />

Auch die Einführung einer zusätzlichen privaten Altersversorgung<br />

als neuem Standbein der Rentenversicherung hat ihren Preis.<br />

6. Wir freuen uns, dass in einigen Jahren unsere Nachbarländer<br />

Polen <strong>und</strong> Tschechien in die Europäische Union aufgenommen werden.<br />

Jedoch können wir uns leicht ausmalen, dass die Förderprogramme der<br />

Europäischen Union, von denen wir in den neuen B<strong>und</strong>esländern als<br />

Ziel-1-Region derzeit überdurchschnittlich profitieren, ab diesem<br />

Zeitpunkt in einem weit geringeren Maße zur Verfügung stehen<br />

werden. <strong>Der</strong>zeit bekommt zum Beispiel der Freistaat Sachsen jährlich<br />

etwa 1,1 Milliarden DM von der Europäischen Union.<br />

Ich fasse kurz zusammen. Die Verschuldung von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern hat<br />

sich drastisch erhöht. Die Zeit des emotionalen Überschwangs ist<br />

vorbei; Normalität hat sich eingestellt. Sehr, <strong>sehr</strong> vieles wurde<br />

erreicht - für mich persönlich unvorstellbar vieles, wenn man mich<br />

vor zehn Jahren danach gefragt hätte. Entscheidende Reformen stehen


jedoch noch aus. Auch die Erweiterung der Europäischen Union wird<br />

ihren Preis haben.<br />

Deswegen vermag ich nicht den Optimismus meines Kollegen Jurk von<br />

der SPD zu teilen, der in Sachsen öffentlich behauptet, ab 2005<br />

könne es mit der Finanzausstattung so weitergehen wie bisher,<br />

jedenfalls der Höhe nach.<br />

(Jurk, SPD: Mit der Förderung!)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, es geht mir nicht um Schwarzmalerei <strong>und</strong> ich<br />

bitte Sie mich nicht falsch zu verstehen. Verantwortungsvolle<br />

Politik heißt für mich jedoch zuallererst Tatsachen zur Kenntnis zu<br />

nehmen, <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob sie mir gefallen oder nicht.<br />

Genau deshalb wollte ich heute auf diese Rahmenbedingungen<br />

hinweisen. Politik muss von Tatsachen ausgehen <strong>und</strong> auf diese<br />

aufbauen; sie darf nicht von Wunschvorstellungen geleitet werden.<br />

Diese Prinzipien haben wir in Sachsen im Bereich Haushalt <strong>und</strong><br />

Finanzen in den vergangenen Jahren auch konsequent angewandt. Wir<br />

haben dafür innerhalb <strong>und</strong> außerhalb unseres Freistaates<br />

Wertschätzung <strong>und</strong> Anerkennung erfahren. Wir sind gut beraten diesen<br />

Weg der Tugend weiterzugehen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Dieses Weitergehen besteht für mich aus<br />

zwei Komponenten. Zum einen ist es selbstverständlich, gemeinsam<br />

mit den anderen neuen Ländern unseren teilungsbedingten<br />

Nachholbedarf aufzuzeigen, zu belegen <strong>und</strong> die weitere Solidarität<br />

von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern für die Vollendung der deutschen Einheit<br />

einzufordern.<br />

Erst vor wenigen Tagen haben dies die CDU-Finanzpolitiker von<br />

Sachsen <strong>und</strong> Thüringen in einer gemeinsamen Erklärung zur Neuordnung<br />

der Länderfinanzbeziehungen getan. Hierin haben wir auf den engen<br />

sachlichen <strong>und</strong> zeitlichen Zusammenhang von Länderfinanzausgleich<br />

<strong>und</strong> Solidarpakt verwiesen <strong>und</strong> eine rasche <strong>und</strong> vor allem<br />

gleichzeitige Verabschiedung beider Gesetze gefordert. Wir freuen<br />

uns, dass der B<strong>und</strong>eskanzler inzwischen wohl doch diesem<br />

berechtigten Wunsch der neuen Länder nachkommen möchte. Zumindest<br />

lässt sich dies der Presse der vergangenen Tage entnehmen.<br />

Weitere Schwerpunkte sind für uns die volle Einbeziehung der<br />

kommunalen Steuereinnahmen in die Bestimmung der Finanzkraft der<br />

Länder. Bei der Einwohnergewichtung fordern wir eine<br />

Gleichbehandlung aller Länder. Beim derzeitigen<br />

Stadtstaatenprivileg mit einer Einwohnergewichtung von 135 % sehen<br />

wir das als nicht gewährleistet an. Auch die<br />

B<strong>und</strong>esergänzungszuweisungen halten wir dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Höhe nach<br />

für die ostdeutschen Länder weiterhin für erforderlich.<br />

Andererseits, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, sehe ich aber auch uns selbst<br />

in der Pflicht, mit unseren Möglichkeiten die langfristige<br />

Solidarität von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern für den weiteren Aufbau Ost<br />

abzusichern. Die Staatsregierung hat dies in ihrer Antwort zu<br />

Ziffer 5 unseres Berichtsantrages knapp <strong>und</strong> präzise ausgedrückt.<br />

Ich kann es nicht besser. Deshalb zitiere ich an dieser Stelle noch<br />

einmal:<br />

"Diese Solidarität muss aber durch einen soliden Umgang mit den uns<br />

zur Verfügung stehenden Finanzmitteln untersetzt werden. Nur eine<br />

solide Haushaltspolitik gewährleistet einen effizienten<br />

Mitteleinsatz <strong>und</strong> eröffnet finanzpolitische Freiräume auch in der<br />

Zukunft.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)


Nur eine solide Finanz- <strong>und</strong> Haushaltspolitik begründet außerdem die<br />

Legitimität, weitere Finanztransfers überhaupt glaubwürdig zu<br />

begründen <strong>und</strong> zu fordern."<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, machen wir uns nichts vor: Ohne<br />

Glaubwürdigkeit werden wir in diesen Verhandlungen keinen Erfolg<br />

haben.<br />

"Maßnahmen für Investitionen haben Vorrang vor konsumtiven<br />

Ausgaben, da der Ausbau der Infrastruktur die wichtigste<br />

Voraussetzung für einen selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung<br />

ist. Nur wenn diese Prioritätensetzung eindeutig ist, wird sich die<br />

Bereitschaft zur weiteren Unterstützung der neuen Länder auch nach<br />

dem Jahr 2004 <strong>und</strong> dem Auslaufen des Solidarpaktes I fortsetzen."<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Diese Aussagen der Staatsregierung kann ich<br />

nur voll unterstreichen. Abschließend möchte ich darauf hinweisen,<br />

dass wir alle, die wir uns in diesem Raum befinden, in wenigen<br />

Monaten bei der Diskussion <strong>und</strong> der Verabschiedung des<br />

Doppelhaushalts 2001/2002 die Gelegenheit haben werden, diese<br />

Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen. Ich freue mich schon auf<br />

die Diskussion.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)<br />

Für mich ist <strong>und</strong> bleibt es oberstes Ziel einer soliden<br />

Finanzpolitik, Geld nicht nur zu verwalten, sondern mit Geld die<br />

Zukunft zu gestalten.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Für die SPD-Fraktion Herr Abg.<br />

Lochbaum, bitte.<br />

Lochbaum, SPD: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich hoffe,<br />

dass alle die Ereignisse der letzten Wochen aufmerksam verfolgt<br />

haben. Ich meine als erstes die Regionalkonferenz der<br />

Regierungschefs der ostdeutschen Länder vom 29. März in Magdeburg.<br />

Inhaltliche Gr<strong>und</strong>lage waren die Gutachten der<br />

Wirtschaftsforschungsinstitute. Darauf wurde schon eingegangen.<br />

Im Ergebnisprotokoll dieser Konferenz ist klar dargestellt, dass<br />

zwar beachtliche Erfolge beim Aufbau Ost zu verzeichnen sind, dass<br />

es aber auch nach dem Jahr 2004 noch erhebliche teilungsbedingte<br />

Sonderlasten geben wird, <strong>und</strong> zwar - auch darauf wurde schon<br />

eingegangen - im Bereich der Infrastruktur, als Sonderbedarf für<br />

Wirtschaftsförderungsmaßnahmen, in der Arbeitsmarktpolitik <strong>und</strong> zum<br />

Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Steuerkraft, soweit<br />

das nicht im neu zu regelnden Finanzausgleich berücksichtigt wird.<br />

Alle vier Punkte waren den meisten von uns prinzipiell auch vorher<br />

klar. Aber interessant für die weiteren Verhandlungen um den<br />

Finanzausgleich <strong>und</strong> den Solidarpakt II ist natürlich die Höhe des<br />

Nachholbedarfs.<br />

Um es ganz grob zu sagen: Aus den Gutachten der<br />

Wirtschaftsforschungsinstitute ergibt sich - auch das steht im<br />

Ergebnisprotokoll -, dass die Forderung der Ostländer lauten muss:<br />

Umfang des Solidarpaktes II etwa gleich dem des Solidarpaktes I.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der SPD -<br />

Beifall des Abg. Schiemann, CDU)<br />

Dabei ist natürlich die anstehende Neuordnung des b<strong>und</strong>esstaatlichen<br />

Finanzausgleichs einzubeziehen.<br />

Es folgte dann am 29. Mai das Treffen des B<strong>und</strong>eskanzlers mit den<br />

Regierungschefs der neuen Länder <strong>und</strong> die zugehörige gemeinsame


Erklärung. Auch hierzu ergibt sich die gleiche Feststellung: Trotz<br />

beachtlicher Erfolge beim Aufbau Ost bestehen noch erheblicher<br />

Nachholbedarf <strong>und</strong> deutliche Finanzkraftunterschiede zwischen den<br />

Gebietskörperschaften in Ost <strong>und</strong> West. Damit lautet die<br />

gesamtstaatliche Aufgabe auch für die Zeit nach 2004, für eine<br />

aufgabengerechte Finanzausstattung der ostdeutschen Länder zu<br />

sorgen.<br />

Schließlich fand am 15. Juni, also in der vorigen Woche, eine<br />

Besprechung statt. Auch bei diesem Treffen bestand Einigkeit über<br />

die Aufgabe <strong>und</strong> die Schritte, mit denen sie zu lösen ist: die<br />

Verabschiedung des Maßstäbegesetzes, das neue<br />

Finanzausgleichsgesetz sowie eine Anschlussregelung für den<br />

Solidarpakt, <strong>und</strong> das alles noch in dieser Legislaturperiode. Das<br />

alles steht im Ergebnisprotokoll von voriger Woche. Auch hierzu ist<br />

Ihr Änderungsantrag eigentlich überflüssig. <strong>Der</strong> Teufel steckt<br />

natürlich im Detail, dort nämlich, wo es um konkrete Geldbeträge<br />

gehen wird.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Es gibt in diesem Punkt überhaupt keinen<br />

Dissens zwischen SPD- <strong>und</strong> CDU-geführten neuen B<strong>und</strong>esländern - alle<br />

sitzen im gleichen Boot. Die Antwort der Staatsregierung macht das<br />

deutlich. Die Fronten verlaufen hier anders. Das Thema ist<br />

demzufolge für einen Streit zwischen den Parteien vollkommen<br />

ungeeignet.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Deshalb ist ein solcher Antrag nach meiner Überzeugung auch wenig<br />

hilfreich. Ich glaube, derartige Verhandlungen laufen am besten<br />

ohne Begleitmusik, <strong>und</strong> das weiß auch die Staatsregierung, zumal man<br />

sich auf beiden Seiten über die Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> das Ziel einig ist.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, eine letzte Bemerkung zu Punkt 5, der<br />

offensichtlich wieder einmal, zumindest unterschwellig, darstellen<br />

soll, wie gut doch Sachsen sei <strong>und</strong> wie schlecht die anderen, vor<br />

allem SPD-geführten neuen Länder dastünden.<br />

Ihre Rede, Herr Dr. Metz, sollte das unterstreichen.<br />

Für Brandenburg trifft das ja nicht mehr so richtig zu, wie der<br />

Blick in die Wirtschaftsstatistik zeigt. Bei Sachsen-Anhalt <strong>und</strong><br />

Mecklenburg-Vorpommern gab es neben den natürlichen <strong>und</strong> nicht<br />

wegzudiskutierenden Strukturproblemen vor Höppner <strong>und</strong> Ringstorff<br />

gleich mehrere Ministerpräsidenten mit CDU-Parteibuch, die die<br />

Gr<strong>und</strong>lagen geschaffen haben, <strong>und</strong> zwar Gr<strong>und</strong>lagen, die eben nicht<br />

besonders glänzend waren.<br />

(Teilweise Beifall bei der SPD)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Aufgabe der Fortführung des Aufbau Ost<br />

ist klar <strong>und</strong> unstrittig. Die Aufgabe ist nach wie vor gewaltig. Sie<br />

wird über Jahre hinweg noch große Anstrengungen von allen<br />

Beteiligten erfordern. Jeder, der im B<strong>und</strong> <strong>und</strong> in den Ländern<br />

Verantwortung trägt, muss dazu seinen Beitrag leisten.<br />

Es ist auch ein sensibles Thema, das von allen Seiten mit viel<br />

Fingerspitzengefühl gestaltet werden muss. Nur so kann die Aufgabe<br />

erfolgreich bewältigt werden. Das wollen wir alle.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der SPD - Teilweise Beifall bei der CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von den Fraktionen das Wort<br />

gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die<br />

Staatsregierung das Wort zu nehmen. Herr Minister de Maizière,<br />

bitte.


Dr. de Maizière, Staatsminister <strong>und</strong> Chef der Staatskanzlei: Frau<br />

Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich möchte mich<br />

zunächst für die Substanz <strong>und</strong> den Stil dieser Debatte bedanken. Ich<br />

möchte mich auch für die Unterstützung der Staatsregierung<br />

bedanken, die mit dem Antrag der CDU-Fraktion zum Ausdruck gekommen<br />

ist. Ich fand das nicht entbehrlich, sondern hilfreich. Es ist ein<br />

Unterschied, ob die Staatsregierung eine Position vertritt oder ob<br />

sie sich von dem gesamten Parlament unterstützt weiß. Das ist der<br />

Fall <strong>und</strong> dafür bin ich dankbar.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Ich möchte die Debatte kurz in folgenden zehn Punkten<br />

zusammenfassen:<br />

Erstens. Das Ziel ist die Herstellung gleichwertiger<br />

Lebensverhältnisse in Deutschland. Das Ziel ist nicht die<br />

Angleichung aller Lebensverhältnisse. Wer eine völlige Angleichung<br />

will, akzeptiert auch in vollem Umfang alles, was es in<br />

Westdeutschland gibt, als etwas für sich Erstrebenswertes. Wir<br />

wollen das nicht. Ich glaube, dass das in Wahrheit auch kaum jemand<br />

in Ost <strong>und</strong> West will. Wir brauchen eigene Ziele <strong>und</strong> eigene<br />

Maßstäbe.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Zweitens. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse setzt<br />

aber voraus, dass die ostdeutschen Länder <strong>und</strong> Gemeinden ausreichend<br />

Mittel bekommen, um den teilungsbedingten Nachholbedarf abzubauen.<br />

Das ist kein westlicher Gnadenakt für ostdeutsche Bittsteller,<br />

sondern eine nationale <strong>und</strong> gesamtstaatliche Aufgabe, die im<br />

Interesse aller Deutschen liegt.<br />

(Beifall bei CDU <strong>und</strong> PDS)<br />

Drittens. Die gewaltigen Transfersummen verdienen Dank <strong>und</strong><br />

Anerkennung.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Frau Abg. Runge, Sie haben unserem Fraktionsvorsitzenden<br />

Moralisierung in diesem Zusammenhang vorgeworfen. Ihr Vorwurf ist<br />

richtig. Es ist moralisierend. Ich halte es für einen guten<br />

Ausdruck von Moral, wenn man sich für etwas, das gut gelaufen ist,<br />

bedanken kann.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

R<strong>und</strong> 4,5 % des westdeutschen Bruttoinlandsproduktes werden Jahr für<br />

Jahr für den Aufbau Ost aufgebracht. Das ist viel, andererseits<br />

aber nicht so viel, dass der Standort Deutschland im Kern dadurch<br />

gefährdet würde. Im Gegenteil: Es ist eine für Gesamtdeutschland<br />

hochrentable Zukunftsinvestition.<br />

Viertens. Bis zum Jahre 2004 - die Vorredner haben die Zahlen im<br />

Einzelnen genannt - wird der Nachholbedarf bei der öffentlichen<br />

Infrastruktur halbiert sein. Auch die gewerbliche Wirtschaft<br />

braucht weiterhin Förderung. Die Gutachten, die schon genannt<br />

worden sind, belegen eindrucksvoll sowohl den Bedarf als auch die<br />

bereits erzielten Erfolge.<br />

Das bedeutet zweierlei. Das Geld ist alles in allem gut angelegt.<br />

Es bedeutet auch, dass noch viel zu tun ist. <strong>Der</strong> Aufbau Ost braucht<br />

mindestens eine Generation. Das müssen wir nach West <strong>und</strong> nach Ost<br />

<strong>und</strong> immer in der gleichen Sprache sagen.<br />

Fünftens. Es wäre schön, wenn der Herr B<strong>und</strong>eskanzler innerhalb<br />

seines Verantwortungsbereiches, also der B<strong>und</strong>esregierung, den<br />

Aufbau Ost zur Chefsache machen würde. Aber in Wirklichkeit ist der


Aufbau Ost nicht die Chefsache eines B<strong>und</strong>eskanzlers oder gar<br />

überhaupt der Politik, sondern es ist die Chefsache aller<br />

Ostdeutschen <strong>und</strong> sollte noch mehr zur Chefsache aller Deutschen<br />

werden.<br />

Sechstens. Die Menschen in Ostdeutschland können deshalb stolz <strong>und</strong><br />

selbstbewusst auf ihre Aufbauleistung der letzten zehn Jahre<br />

zurückblicken. Daraus können sie auch die Zuversicht für die<br />

Zukunft gewinnen. In puncto Leistungs- <strong>und</strong> Reformbereitschaft haben<br />

die Ostdeutschen vielen Westdeutschen viel voraus.<br />

(Beifall bei CDU <strong>und</strong> SPD)<br />

Die Fortsetzung der bisherigen Haushaltspolitik des Freistaates<br />

Sachsen ist die Voraussetzung für die Bereitschaft des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />

der westdeutschen Länder zur Fortsetzung der besonderen Hilfen für<br />

den Osten. Nur wer sich selbst zu helfen weiß, dem wird auch<br />

geholfen. Das bedeutet aber auch, dass unsolide Haushaltspolitik<br />

zumindest in der Zukunft nicht mehr durch Transfers ausgeglichen<br />

werden wird.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Zugleich ist diese Haushaltspolitik die Voraussetzung für die<br />

Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Freistaates Sachsen. Nur wenn<br />

wir uns finanzielle Spielräume für die Zukunft erhalten, werden wir<br />

auch die Zukunft gestalten können.<br />

Achtens. Im Sinne eines auf das Subsidiaritätsprinzip gestützten<br />

Föderalismus müssen die Entscheidungen über Förderschwerpunkte <strong>und</strong><br />

Mittelverwendungen möglichst vor Ort, das heißt in den Ländern,<br />

getroffen werden. Nur so kann eine bedarfsgerechte Verwendung der<br />

Mittel sichergestellt werden. Nur so können wir uns auch innerhalb<br />

der ostdeutschen Länder durch eigene Schwerpunktsetzungen<br />

unterschiedlich entwickeln. Nur so kommen wir aus dem Automatismus<br />

heraus, dass sich manchmal die Wirklichkeit nach den<br />

Förderprogrammen richten muss <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />

Wir sollten daher den Solidarpakt II als Chance zur Modernisierung<br />

unserer b<strong>und</strong>esstaatlichen Ordnung nutzen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Neuntens. Einen guten Solidarpakt II wird es nur geben, wenn die<br />

ostdeutschen Länder zusammenstehen. Sachsen hat dafür gesorgt <strong>und</strong><br />

wird sich weiterhin darum bemühen.<br />

Übrigens kann jeder in diesem Parlament auf seine Weise einen<br />

Beitrag dazu leisten. Heute gab es viele eindrucksvolle Beiträge in<br />

diesem Sinne.<br />

Zehntens. <strong>Der</strong> Solidarpakt II muss noch in dieser Legislaturperiode<br />

des B<strong>und</strong>estages beschlossen werden. Nur so - das ist mehrfach<br />

gesagt worden - kann die erforderliche Planungssicherheit für die<br />

Länderhaushalte <strong>und</strong> für die Menschen <strong>und</strong> Betriebe im Osten erzielt<br />

werden.<br />

(Teilweise Beifall bei CDU, SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Entsprechende Zusagen der B<strong>und</strong>esregierung gibt es bereits. Diese<br />

müssen aber noch in die Tat umgesetzt werden. Wir wollen dieses<br />

Thema gern aus dem B<strong>und</strong>estagswahlkampf <strong>und</strong> überhaupt aus dem<br />

Parteienstreit heraushalten. Nur wenn Ost <strong>und</strong> West zusammenwachsen,<br />

werden auch beide Teile Deutschlands zusammenwachsen.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Das Schlusswort hat die CDU-<br />

Fraktion. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.


Somit kommen wir jetzt zur Abstimmung. Mir liegt ein<br />

Änderungsantrag zu dem ordentlichen Antrag der CDU-Fraktion in der<br />

Drucksache 3/2075 vor. Soll vonseiten der CDU-Fraktion dazu noch<br />

einmal gesprochen werden oder wird Einbringung gewünscht?<br />

Dr. Hähle, CDU: Frau Präsidentin! Ich habe in meinem Redebeitrag<br />

diesen Änderungsantrag bereits eingebracht.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von den anderen Fraktionen<br />

eine Diskussion dazu gewünscht? - Bitte, Herr Abg. Lochbaum.<br />

Lochbaum, SPD: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen!<br />

<strong>Der</strong> Änderungsantrag - ich habe das bereits ausgeführt - ist nach<br />

unser Auffassung eigentlich überflüssig, da die meisten Punkte<br />

unstrittig sind.<br />

Alle im Punkt 1 enthaltenen vier Forderungen sind bereits im<br />

Ergebnisprotokoll vom 29. März 2000 enthalten. Ich erwarte<br />

selbstverständlich von der Staatsregierung, dass sie sich dafür<br />

einsetzt.<br />

Zu den ersten beiden Anstrichen. Die Frage ist, ob man diese 30 %<br />

so eindeutig festschreiben kann.<br />

Zum zweiten Anstrich. Dort heißt es: "... die die Herstellung der<br />

Chancengleichheit im Bereich der gewerblichen Wirtschaft<br />

gewährleisten". Das Wort "gewährleisten" ist meiner Überzeugung<br />

nach das falsche Wort. Die Frage ist, ob Förderpolitik so etwas<br />

überhaupt kann.<br />

Zu Punkt 2. Solidarpakt II sowie Neuregelung des<br />

Länderfinanzausgleiches noch in dieser Legislaturperiode, das ist<br />

das Ziel aller Beteiligten, auch der B<strong>und</strong>esregierung. <strong>Der</strong><br />

B<strong>und</strong>eskanzler hat dies in der Pressekonferenz eindeutig bekräftigt.<br />

Wenn es in der Begründung heißt: "Beim Treffen des B<strong>und</strong>eskanzlers<br />

mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten wurde jedoch deutlich,<br />

dass seitens des B<strong>und</strong>es die Neuregelung bezüglich Solidarpakt <strong>und</strong><br />

Länderfinanzausgleich erst nach dem Jahr 2002" erfolgen solle, so<br />

ist das nach meiner Auffassung falsch. Strittig war, ob dies bis<br />

Ende des Jahres 2001 möglich sei. Diesbezüglich hat Herr Eichel<br />

Bedenken geäußert.<br />

Lesen Sie das Ergebnisprotokoll vom 15. Juni 2000! Dort heißt es in<br />

Punkt 3: "Die Verabschiedung des Maßstäbegesetzes, des neuen<br />

Finanzausgleichsgesetzes sowie einer Anschlussregelung für den<br />

Solidarpakt soll noch in der laufenden Legislaturperiode<br />

abschließend erfolgen."<br />

Die Frage ist für mich, ob auch die unionsgeführten süddeutschen<br />

Länder mitspielen.<br />

<strong>Der</strong> Änderungsantrag ist nicht neu, aber er ist unschädlich. Wir<br />

können ihm zustimmen. Über Begründung wird ja bekanntlich nicht<br />

abgestimmt.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Frau Dr. Runge, bitte.<br />

Frau Dr. Runge, PDS: Ich möchte noch einmal die Unterstützung<br />

dieses Änderungsantrages vonseiten der PDS-Fraktion deutlich<br />

machen. Ich denke schon, wenn ein Parlament so etwas einstimmig<br />

verabschiedet, dass das auch mit einem größeren politischen Gewicht<br />

von den Verhandlungsführern in die Verhandlungen mit eingebracht<br />

werden kann. Insofern verstehe ich Herrn Lochbaum nicht ganz, wie<br />

er in gutem Vertrauen auf Versprechungen setzt.<br />

(Lochbaum, SPD: Das sind keine Versprechungen!)


- Das sind zunächst Versprechungen. Man muss sehen, was am Ende<br />

praktisch dabei herauskommt. Es würde Ihnen gut zu Gesicht stehen,<br />

wenn sich die SPD-Fraktion diesbezüglich in gleicher Weise<br />

öffentlich engagieren würde.<br />

(Jurk, SPD: Das machen wir! Da brauchen<br />

wir nicht die PDS!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Minister de Maizière, bitte.<br />

Dr. de Maizière, Staatsminister <strong>und</strong> Chef der Staatskanzlei: Frau<br />

Präsidentin! Herr Abg. Lochbaum, ich möchte Sie <strong>sehr</strong> herzlich<br />

bitten, Ihre Kritik noch einmal zu überdenken. Was Sie zitieren,<br />

ist in der Tat der einstimmige Beschluss der Regierungschefs der<br />

Länder. Mit dem sind die Ministerpräsidenten in die Beratung mit<br />

dem B<strong>und</strong>eskanzler gegangen. Das Protokoll des Gesprächs mit dem<br />

B<strong>und</strong>eskanzler gibt es noch gar nicht. Es trifft zwar zu, dass der<br />

B<strong>und</strong>eskanzler entsprechende Aussagen gemacht hat, aber zugleich<br />

sagte, das sei ein <strong>sehr</strong> anspruchsvolles Vorhaben. Man muss sehen,<br />

ob das zeitlich klappt. - <strong>Der</strong> eine oder andere hofft vielleicht,<br />

dass sich die Länder nicht einigen, nicht beim Solidarpakt, sondern<br />

auf das System des Finanzausgleichs im Ganzen. - Deswegen wäre es<br />

aus unserer Sicht hilfreich, wenn es hier eine einstimmige<br />

Beschlussfassung gibt <strong>und</strong> von Dresden klar gesagt würde, dass die<br />

Verabschiedung in dieser Legislaturperiode noch erfolgen muss. Die<br />

Sache ist noch nicht ganz in trocknen Tüchern.<br />

(Lochbaum, SPD: Wir stimmen dem doch zu!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Dr. Metz.<br />

Dr. Metz, CDU: <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir alle<br />

wissen - die Vorredner haben es in ihren Ausführungen deutlich<br />

werden lassen -, dass der Solidarpakt die Zukunft dieses<br />

Freistaates Sachsen wesentlich beeinflussen wird. Ich bitte Sie<br />

alle <strong>sehr</strong> herzlich - da wir keinen generellen Fraktionsstreit zu<br />

diesem Thema haben, den ich auch nicht erkennen kann -, diesen<br />

Antrag, so wie er vorliegt, nicht zu verändern <strong>und</strong> - wenn es geht -<br />

Ihr Votum dafür abzugeben.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gibt es noch Redebedarf vonseiten<br />

der Fraktionen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich komme jetzt<br />

zur Abstimmung.<br />

Ich rufe den Änderungsantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache<br />

3/2075 auf. Wer möchte seine Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? -<br />

Wer enthält sich der Stimme? - Ich sehe Einstimmigkeit. Ich bedanke<br />

mich.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Damit ist der andere Antrag hinfällig <strong>und</strong> der Tagesordnungspunkt<br />

beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 8<br />

Aufrechterhaltung eines pluralen<br />

Schwangerschaftskonfliktberatungsangebotes<br />

Drucksache 3/1610, Antrag der Fraktion der PDS, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen, Reihenfolge in der<br />

ersten R<strong>und</strong>e: PDS, CDU, SPD, CDU; die Staatsregierung, wenn<br />

gewünscht.<br />

Die Fraktion der PDS hat als Einreicherin das Wort. Bitte <strong>sehr</strong>.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Es hat einige Verw<strong>und</strong>erung, aber auch Ärgernis ausgelöst, dass sich


nun auch die PDS für katholische Beratungsstellen einsetzt. Deshalb<br />

möchte ich einige Dinge voranstellen.<br />

Zum Ersten: <strong>Der</strong> Staat hat nicht das Recht, sich in die inneren<br />

Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften einzumischen. Auch die<br />

PDS hat dies nicht vor, wenngleich eine Ursache des heutigen<br />

Problems genau in dieser doch vorhandenen Wechselbeziehung liegt.<br />

Zum Zweiten: Wir betonen, dass wir die Arbeit der Caritas,<br />

besonders im Bereich der Schwangerenberatung, ausdrücklich loben<br />

möchten. Die qualifizierte <strong>und</strong> engagierte Arbeit der Beraterinnen<br />

wird immer wieder betont.<br />

Zum Dritten - das sage ich ganz persönlich, damit begebe ich mich<br />

nämlich schon auf ein schwieriges Gebiet - begrüße ich die<br />

Bewegungen von unten, die sich gegen hierarchische <strong>und</strong><br />

<strong>und</strong>emokratische Verkrustungen richten, insbesondere wenn sie mit<br />

der Emanzipation von Frauen in religiösen Organisationen<br />

einhergehen.<br />

Zum Vierten geht es uns heute auf keinen Fall um die Parteinahme<br />

von Katholikinnen <strong>und</strong> Katholiken, von Protestantinnen <strong>und</strong><br />

Protestanten für oder gegen den § 218 oder um Diskussionen von<br />

christlichem Gehorsam <strong>und</strong> Eigenverantwortung oder darum, inwiefern<br />

der Staat Rahmenbedingungen für die freie Religionsausübung aller<br />

gewährleisten müsste, unabhängig von ihrer Papsttreue. Darum geht<br />

es also nicht.<br />

Anliegen unseres Antrages ist allein die Sicherung der<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung plural für alle Frauen gleich<br />

welcher religiösen oder weltanschaulichen Orientierung. Die PDS<br />

fordert eine flächendeckende Schwangerschaftskonfliktberatung auch<br />

für die Frauen, die eine Beratung ausschließlich von Frauen<br />

katholischer Konfession in Anspruch nehmen wollen, entsprechend den<br />

gesetzlichen Bestimmungen, so streitbar sie auch aus unserer Sicht<br />

sein mögen.<br />

Das ist die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen für die Beratung<br />

im Kontext der gesetzlichen Normen zu schaffen. Hier erwarten wir<br />

von der Staatsregierung, ihre Vorstellungen auch im Interesse aller<br />

Betroffenen, der Rat suchen Müssenden <strong>und</strong> der engagierten<br />

Beraterinnen, zur Kenntnis zu bekommen. Ihre bisherigen Antworten,<br />

Herr Minister Geisler, waren für unsere Fraktion nicht zufrieden<br />

stellend. In Ihrer <strong>sehr</strong> kurzen <strong>und</strong> auch ausweichenden Antwort<br />

erwähnen Sie, dass für Rat Suchende die Konfessionszugehörigkeit in<br />

der Regel nicht erkennbar ist. Natürlich, deshalb suchten doch<br />

bisher diese Frauen die exponierten Beratungsstellen, also die der<br />

Caritas, auf. Besonders möchte ich hier auf Asylsuchende <strong>und</strong><br />

Ausländerinnen hinweisen, die bisher vor allem auch bei der Caritas<br />

Hilfe <strong>und</strong> Konfliktberatung fanden.<br />

Sie gehen kurz auf den von uns angesprochenen Verein Donum Vitae<br />

ein <strong>und</strong> sprechen von Bedingungen für die Anerkennung als<br />

Konfliktberatungsstelle. Da könnte es Probleme geben, denn es ist<br />

nur ein kleiner Verein. Dazu haben Sie aber sicher schon<br />

weitergehende Überlegungen als aus Ihrer Antwort ersichtlich<br />

getätigt, die uns <strong>sehr</strong> interessieren würden.<br />

Wir, die Fraktion der PDS, fordern Sie auf, Möglichkeiten zu<br />

schaffen, die auch kleinere Träger als Beratungsstellen zulassen,<br />

um die geforderte Pluralität der Beratung zu gewährleisten.<br />

In der Hoffnung, keinen im Plenarsaal auf den Schlips oder die<br />

Soutane getreten zu haben, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich erteile der Fraktion der CDU<br />

das Wort <strong>und</strong> bitte Frau Abg. Strempel.<br />

Frau Strempel, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong><br />

<strong>verehrten</strong> Abgeordneten! Frau Werner, ich bedaure es eigentlich ein<br />

bisschen, dass Sie jetzt in die Bütt gegangen sind. Ich habe mehr<br />

oder weniger Frau Dr. Ernst erwartet.<br />

(Frau Werner, Heike, PDS: Sie kommt noch!)<br />

Sie hätten sich erk<strong>und</strong>igen müssen, wie die Situation auch vor einem<br />

Jahr in Ihrer Fraktion diskutiert wurde.<br />

Sie haben selbst gesagt, der Staat hat kein Recht auf Einmischung<br />

in den Bereich der Kirche. Selbstverständlich hat der Staat<br />

Möglichkeiten, mit der Kirche zu diskutieren. Das nehmen unsere<br />

Staatsregierung <strong>und</strong> unsere Fraktion auch wahr. <strong>Der</strong> Staat hat auch<br />

die Rahmenbedingungen geschaffen, die Sie einfordern. Die<br />

Rahmenbedingungen sind gegeben. Die Träger haben nach Einhaltung<br />

gesetzlicher Regeln <strong>und</strong> Vorschriften die Möglichkeit auf<br />

Anerkennung <strong>und</strong> damit Ausführung dieser<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung. Das SMS kann fördern, sobald die<br />

vorgeschriebenen Vorschriften eingehalten werden. Ich kann hoffen<br />

<strong>und</strong> wünschen, dass sich die katholische Kirche in ihrem<br />

Findungsprozess einig wird. In diesen Findungsprozess einzugreifen<br />

halte ich schlichtweg für falsch <strong>und</strong> sogar von außerhalb für nicht<br />

machbar.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Ich möchte etwas zitieren: "Die PDS ist der Auffassung, dass eine<br />

Scheinlösung, wie sie von den Bischöfen beabsichtigt wird, für<br />

keine Seite akzeptabel ist. Zudem würde damit dem gesetzlichen<br />

Auftrag nicht entsprochen <strong>und</strong> für Extrawürste besteht kein Gr<strong>und</strong>.<br />

Andere Träger werden sich <strong>sehr</strong> schnell für diesen gesetzlichen<br />

Auftrag finden <strong>und</strong> das weiß die katholische Kirche natürlich gut.<br />

Die PDS-Fraktion erneuert <strong>und</strong> erhärtet ihre Auffassung, dass eine<br />

finanzielle Förderung des Freistaates für<br />

Schwangerschaftsberatungsstellen nur dann erfolgen darf, wenn durch<br />

diese Stellen die gesetzlichen Bestimmungen voll <strong>und</strong> ganz<br />

eingehalten werden.<br />

Einen anderen Weg gibt es da nicht. Wenn die katholische Kirche bei<br />

ihrem fadenscheinigen Kompromiss, der vor allem die Frauen in eine<br />

Sackgasse führt" - <strong>und</strong> hier fehlt etwas - "...fordert die PDS-<br />

Fraktion, dass im Freistaat Sachsen keine staatlichen Zuschüsse<br />

mehr an jene Beratungsstellen gezahlt werden, die von der<br />

katholischen Kirche getragen werden." Das war fast identisch vor<br />

einem Jahr eine Pressemitteilung der PDS-Fraktion, namentlich von<br />

Frau Dr. Ernst.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Frau Strempel, CDU: Ja, bitte.<br />

Frau Dr. Ernst, PDS: Was, Frau Strempel, ist jetzt eigentlich<br />

anders? Wir haben in unserem Antrag auch gesagt, dass wir diese<br />

Angebote möchten. Das möchten wir in der Tat. Natürlich müssen sie<br />

auf gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage passieren. Was ist da anders verglichen<br />

mit der Pressemeldung? Das würde ich schon gern wissen.<br />

Es ist klar, dass derjenige, der gesetzlichen Bestimmungen nicht<br />

einhält, nicht gefördert werden kann. Das ist klar.<br />

Frau Strempel, CDU: Es ist das Scheinmäntelchen, Frau Dr. Ernst.<br />

Sie greifen mit dieser Pressemitteilung die Bischöfe an, Sie


greifen hier regelrecht die katholische Kirche an <strong>und</strong> verweigern<br />

ihr im Gr<strong>und</strong>e genommen die Unterstützung. Daraufhin ist damals die<br />

Arbeitskreisvorsitzende Frau Weber reingegangen <strong>und</strong> hat für die CDU<br />

gesprochen, dass wir keinesfalls die Förderung der Beratungsstellen<br />

streichen wollen, sondern sie jederzeit die Förderung bekommen. Es<br />

ist schlichtweg Ihre Formulierung in der Pressemeldung, die - ich<br />

sage das einmal so - ein Feigenblatt zu dem war, was Sie heute in<br />

Ihrer Form als Bekenntnis zur katholischen Kirche ausführen.<br />

Ich möchte zum Abschluss meiner Ausführungen eine Bitte der<br />

katholischen Kirche selber äußern, <strong>und</strong> zwar vom Bischof Dr. Karl<br />

Lehmann, der auf der Deutschen Bischofskonferenz geäußert hat: "Wir<br />

sind auch bei schwierigen Konflikten, die uns beschäftigt haben,<br />

wie zum Beispiel der Schwangerenberatung, bei allen Problemen, die<br />

noch auf uns lasten, weiter, als dass wir uns mit den alten<br />

Vorhaltungen die Köpfe einschlagen dürften. Wir brauchen einen<br />

neuen, kräftigen, gemeinsamen Anlauf zum Schutz des Lebens. Wir<br />

brauchen keine Brandsätze, die ständig polarisieren, nach innen<br />

Missmut <strong>und</strong> nach außen den Hohn unserer Gegner hervorrufen."<br />

Ich denke, nichts ist der katholischen Kirche dienlicher, als wenn<br />

wir sie mit Ruhe <strong>und</strong> gutem Rat begleiten, anstatt hier Anträge zu<br />

debattieren, die ich in diesem Hause für überflüssig halte.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich bitte nun die SPD-Fraktion.<br />

Frau Abg. Dr. Schwarz, bitte.<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Das Anliegen des Antrages wird von uns getragen; denn es ist<br />

äußerst bedauerlich, dass die katholischen Beratungsstellen keine<br />

Beratungsbescheinigungen nach §§ 7 <strong>und</strong> 8 Schwangerenkonfliktgesetz<br />

mehr ausstellen wollen <strong>und</strong> unserer Ansicht nach betroffene Frauen,<br />

die ganz spezielle Fragen beantwortet haben möchten oder einfach<br />

nur Beistand von Gleichgesinnten im Glauben brauchen, im Stich<br />

gelassen werden.<br />

Aber Beratungsstellen, die keinen Beratungsschein entsprechend<br />

dieser gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage ausstellen, können auch nicht in<br />

diesem Sinne gefördert werden. Da sehe ich auch keinen Dissens zur<br />

Staatsregierung. Die Förderung im Rahmen der Familienberatung, wenn<br />

diese Anträge dann gestellt werden, kann in diesem Sinne nicht<br />

verweigert werden. Da wird aus meiner Sicht bei Ihnen etwas<br />

vermischt.<br />

Andererseits kann das Angebot an Beratungsstellen freier Träger<br />

nicht herbeigezwungen werden. Dies, meine Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

von der PDS-Fraktion, ist der falsche Zungenschlag in Ihrem Antrag.<br />

Die Staatsregierung vermag dies nicht sicherzustellen. Diese<br />

Schwierigkeiten anerkennend gibt es die Formulierung im § 8<br />

Schwangerenkonfliktgesetz: "...ein ausreichend plurales Angebot".<br />

Dies ist eben etwas weicher formuliert. Im Rahmen des<br />

Subsidiaritätsprinzips kann niemand gezwungen werden öffentliche<br />

Aufgaben zu übernehmen.<br />

Erfreulich ist natürlich die Tatsache, <strong>und</strong> dies geht aus Ihrer<br />

Antwort hervor, dass Donum Vitae e.V. in Aussicht hat gefördert zu<br />

werden, wenn er die Voraussetzungen erfüllt. Ich denke aber, so<br />

einfach kann es sich die Staatsregierung vielleicht doch nicht<br />

machen. Das von ihr vorgehaltene <strong>und</strong> geschätzte Prinzip der<br />

Subsidiarität steht nicht völlig außerhalb ihres Einflussbereiches.


(Beifall des Abg. Jurk, SPD)<br />

Hilfe zur Selbsthilfe, die Befähigung, öffentliche Aufgaben zu<br />

übernehmen <strong>und</strong> Anreize dafür zu setzen, sind durchaus auch im<br />

Rahmen des Subsidiaritätsprinzips möglich. Sie sind sogar<br />

erforderlich, wenn, wie hier der Fall, ein bestimmtes Ergebnis<br />

nicht anders erreicht werden kann. Es wäre vielleicht durchaus<br />

hilfreich <strong>und</strong> vielleicht auch ein schöner Zug, wenn die<br />

Staatsregierung ihrerseits auf den sich in Gründung befindenden<br />

Verein Donum Vitae der katholischen Laien zugehen könnte <strong>und</strong> hier<br />

Starthilfe geben oder einfach nur Informations- <strong>und</strong><br />

Beratungsangebote schaffen könnte. Ich denke, vielleicht ist sie<br />

schon auf diesem Weg <strong>und</strong> wird uns darüber berichten.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Die CDU-Fraktion hat die<br />

Möglichkeit noch einmal zu sprechen. - Davon möchte sie keinen<br />

Gebrauch machen. Ich frage die Staatsregierung. - Herr<br />

Staatsminister Dr. Geisler, bitte.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Für die<br />

Staatsregierung ist es selbstverständlich, entsprechend § 8<br />

Schwangerschaftskonfliktgesetz ein ausreichendes plurales Angebot<br />

wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen. Allerdings kann die<br />

Staatsregierung keinen Träger verpflichten,<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung nach den §§ 5 <strong>und</strong> 6 des<br />

Schwangerschaftskonfliktgesetzes anzubieten <strong>und</strong> darüber eine<br />

Bescheinigung auszustellen.<br />

Da treffen wir uns <strong>sehr</strong> wohl, Frau Schwarz. Das Sicherstellen in<br />

Ihrem Antrag ist nicht realistisch.<br />

(Frau Dr. Schwarz, SPD: Ich nicht.)<br />

- Ich meine die PDS-Fraktion. Ich bin mit Ihnen einig.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Staatsminister, gestatten<br />

Sie eine Zwischenfrage?<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Aber erst, wenn ich wenigstens Sätze beendet habe.<br />

Wenn die Staatsregierung "sicherstellen" sollte, hieße das, dass<br />

sie Konfliktberatung selber organisiert mit Beraterinnen, die<br />

nachgewiesen katholisch sind. Es gibt im Augenblick keine<br />

staatliche Regelung, die bei der Einstellung von Mitarbeitern<br />

danach fragt, welche Konfession der Mitarbeiter hat. Von daher ist<br />

diese von Ihnen aufgestellte Forderung überhaupt nicht umsetzbar. -<br />

Bitte <strong>sehr</strong>.<br />

Frau Dr. Ernst, PDS: - Vielen Dank. - Wenn Sie sich an dem<br />

"Sicherstellen" stoßen - <strong>und</strong> ich merke, Sie schießen sich hier ein,<br />

ich habe auch kein Problem damit, denn irgendwie muss man sich hier<br />

wahrscheinlich einschießen - sage ich Ihnen, es geht nicht darum,<br />

dass Sie irgendwelche Stellen verpflichten, irgendwelche Beratungen<br />

zu machen. Darum ging es uns nie. Aber es geht zum Beispiel darum,<br />

Donum Vitae, wen auch immer, zu gegebenen Konditionen <strong>und</strong><br />

Voraussetzungen als eine solche Beratungsstelle anzuerkennen. Darum<br />

geht es. Das ist doch unser Anliegen gewesen. Uns hat auch<br />

interessiert, wie der Stand dazu ist. Mich würde auch<br />

interessieren, wie weit die Dinge hier gediehen sind.<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong><br />

Familie: Das erste war keine Frage.


<strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Antwort haben Sie<br />

schriftlich <strong>und</strong> der Stand ist heute nicht anders. Es gibt keinen<br />

Antrag von Donum Vitae e.V. Ich sage Ihnen auch heute wieder, ich<br />

hoffe darauf. Wenn er kommen wird, denke ich, wird es ohne<br />

Schwierigkeiten sein, falls alles in dem Antrag schon in dem Maße<br />

so formuliert ist, dass es anerkannt werden kann <strong>und</strong> dass wir uns<br />

darüber verständigen können, dass eine Anerkennung ausgesprochen<br />

werden kann.<br />

Es hat Gespräche mit den Vertretern von Caritas <strong>und</strong> Vertretern der<br />

katholischen Schwangerschaftsberatung gegeben. Wir haben uns <strong>sehr</strong><br />

wohl darüber verständigt, dass eine Förderung im Rahmen der Ehe-,<br />

Familien- <strong>und</strong> Lebensberatung unstrittig entsprechend finanziert<br />

wird, wo auch katholische Frauen oder, wie Kollegin Werner gesagt<br />

hat, Aussiedlerinnen, die zu Caritas besonderes Vertrauen haben,<br />

ohne dass die Konfession eine besondere Rolle spielt, die<br />

Möglichkeit haben, dort weiterhin beratende Hilfe zu erhalten.<br />

Insofern gibt es da überhaupt keinen Abbruch. Es geht darum, dass<br />

bei den Schwangerschaftskonfliktberatungen der Schein ausgestellt<br />

werden muss. Und dazu sind die Stellen, die bisher diese Beratungen<br />

durchgeführt haben, ab - so ist es uns bekannt - 1.1.2001 nicht<br />

mehr bereit.<br />

Wenn danach gefragt wird, dass wir einem Verein behilflich sein<br />

mögen in das Leben zu treten, sich zu gründen, die Hand gereicht zu<br />

bekommen, um die ersten Schritte zu gehen, dann wollen wir das gern<br />

tun. Und Sie wissen auch, dass mein Kollege Prof. Meyer mit zu den<br />

Gründern dieser Initiative gehört. Und von daher ist es unstrittig,<br />

dass die Staatsregierung schon in Person eines ihrer Mitglieder da<br />

<strong>sehr</strong> aktiv dabei ist.<br />

Insofern erübrigt sich dort weitere Hilfestellung. Wenn sie<br />

erwartet wird, wenn Prof. Meyer von mir Rat braucht, wird er sich<br />

melden. Damit habe ich überhaupt kein Problem <strong>und</strong> da bekommt er<br />

auch die Antworten. Ich denke, dass das eigentlich<br />

Selbstverständlichkeiten sind.<br />

Ich will aber gerne noch auf einen Nebensatz von Ihnen, Frau<br />

Werner, mit dem Stichwort "Kleine Beratungsstellen" eingehen. Wenn<br />

Sie darunter verstehen, auch Beratungsstellen anzuerkennen, die<br />

vielleicht mit einer halben Mitarbeiterin besetzt sind, dann müssen<br />

Sie selber überlegen, wieweit das eine sinnvolle, praktikable<br />

Lösung sein könnte.<br />

Wenn Sie damit meinten, dass wir von dem Gr<strong>und</strong>organisationsprinzip<br />

für die Konfliktberatungsstellen, dass wenigstens drei<br />

Mitarbeiterinnen da sein sollen, nach unten abweichen, dann muss<br />

ich Ihnen entgegenhalten, dass dahinter die Verfügbarkeit über das<br />

ganze Jahr, ohne die Überbeanspruchung der einzelnen<br />

Mitarbeiterinnen auszulösen, liegt. Ansonsten haben Sie immer<br />

wieder dann Situationen, wo die Beratungsstelle geschlossen ist<br />

<strong>und</strong>, wenn Menschen kommen, sie keinen Ansprechpartner finden, wenn<br />

Sie eben nur zwei oder gar eine oder, wie ich es sicher im Extrem<br />

gesagt habe, nur eine halbe Stelle haben.<br />

Also es ist nicht die Frage - <strong>und</strong> das hat auch bei den bisherigen<br />

Beratungsstellen mit der Caritas keine Rolle gespielt -, dass sie<br />

kleiner sein müssten, sondern die Struktur wurde von allen<br />

Beratungsstellen als sinnvoll anerkannt, auch wenn es in der<br />

personellen Besetzung nicht immer drei volle Stellen sind, aber


doch gewährleistet ist, in einer anderen Splittung ein regelmäßiges<br />

Angebot verfügbar zu haben.<br />

Von daher hoffe ich, dass der Verein Donum Vitae sich bald bei uns<br />

meldet, den Antrag stellt <strong>und</strong> von daher diese Frage bis Ende des<br />

Jahres zufrieden stellend auch für Frauen, die eine gezielte<br />

Beratung mit Beraterinnen katholischen Glaubens anstreben, geklärt<br />

werden kann.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich sehe keine Wortmeldungen<br />

mehr. Die PDS-Fraktion hat das Schlusswort. Frau Dr. Ernst, bitte.<br />

Frau Dr. Ernst, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Sie<br />

werden auch uns zugestehen, dass wir uns <strong>sehr</strong> lange <strong>und</strong> intensiv<br />

mit den Problemen beschäftigt haben, auch nachgedacht haben, wie<br />

wir verfahren, wie wir uns als PDS-Fraktion verhalten. Und wir<br />

haben auch mit <strong>sehr</strong> vielen Schwangerschaftsberatungsstellen Kontakt<br />

aufgenommen, wir haben mit der Caritas gesprochen, unseren Antrag<br />

auch mit der Caritas besprochen, ob wir ihn so bringen oder nicht.<br />

Also das ist alles nicht so aus der hohlen Hand gekommen <strong>und</strong> hatte<br />

seine Überlegung.<br />

Was ich eigentlich gewollt hätte, wäre, Auskunft zu erhalten, wie<br />

es denn konkret aussehen sollte. Das ist unabhängig davon, ob ein<br />

Antrag schon gestellt wurde.<br />

Beispielsweise ist es problematisch, wie man Förderungen überhaupt<br />

möglich machen kann, ohne die allgemeine Schwangerenberatung damit<br />

zu beschädigen. Das ist zum Beispiel ein großes Problem, das<br />

momentan auch diskutiert wird.<br />

Und ich denke auch, insofern ist das nicht ganz unwesentlich. Es<br />

müssen ja Mittel dafür eingeplant werden, auch in einem Haushalt,<br />

für diese Beratungsstellen. Insofern ist die Debatte darüber nicht<br />

einfach so mal wegzuwischen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich will den Anlass hier noch einmal<br />

nutzen, um ganz knapp zu sagen, was in dieser Frage unser<br />

Standpunkt war <strong>und</strong> ist <strong>und</strong> dass er sich eben nicht geändert hat,<br />

wie man versucht hat uns zu verdeutlichen oder - sagen wir mal -<br />

auch ein bisschen zu unterstellen.<br />

Sie wissen, dass die PDS von Anfang an ein Problem hatte mit der<br />

gesamten Problematik Pflichtberatungen <strong>und</strong> Beratungsschein-<br />

Ausstellen, weil wir gesagt haben: Frauen müssen in letzter Instanz<br />

gemeinsam mit ihren Lebenspartnern dies selbst überlegen, es ist<br />

ihre Angelegenheit.<br />

Dieses allgemein geltende Prinzip, dass Beratungsangebote<br />

freiwilliger Natur sein müssen, muss auch hier gelten. Das ist<br />

eigentlich ein ganz normales Prinzip, es muss auch hier gelten. Und<br />

in dieser Frage hat sich bei uns in der Tat nichts geändert.<br />

Was sich logischerweise nach 1993, nach dem<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsspruch, geändert hat, war die<br />

Gesetzeslage: Wir haben die Beratungspflicht, wir müssen mit ihr<br />

leben. Und da ist unser Standpunkt: Wenn für den Fall, dass eine<br />

Frau sich nicht für ein Kind entscheidet, aus welchen Gründen auch<br />

immer, was für sie immer ein persönlicher, weil das ganze Leben<br />

betreffender Schritt ist, <strong>und</strong> wenn es darüber hinaus notwendig ist,<br />

einen Schein auszustellen, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, dann ist es im<br />

Gr<strong>und</strong>e nichts weiter als fair, dieser Frau gewissermaßen die


Gelegenheit zu gewähren, die Beratungsstelle ihrer Wahl wahrnehmen<br />

zu können.<br />

Und Sie können mir glauben, es ist keine unwesentliche Frage für<br />

die Frauen: Wo gehe ich jetzt hin? - Es ist eine ganz wesentliche.<br />

Ich will es auf den Punkt bringen: Ohne katholische Beratungen, wie<br />

auch immer die Entscheidung im Konkreten sein wird, ist das<br />

Schwangerschaftskonfliktangebot in Sachsen eben kein plurales. Das<br />

sehen wir so, das sehen Fachkreise so <strong>und</strong> das sieht sogar die<br />

Konkurrenz von Caritas so.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die Schwangerschaftsberatungsstellen, die<br />

Konfliktberatungsstellen haben einen <strong>sehr</strong> guten Ruf in Sachsen.<br />

Ihre Mitarbeiterinnen haben einen <strong>sehr</strong> guten Ruf. Worauf es<br />

eigentlich ankommt, wenn es um die Anerkennungsfrage geht, ist so<br />

eine Art sibyllinischer Spruch: mit Augenmaß, mit Vernunft <strong>und</strong> mit<br />

Respekt, auch <strong>und</strong> insbesondere vor den Frauen.<br />

Wenn Sie nun unseren Antrag ablehnen, was ich <strong>sehr</strong> bedauere, muss<br />

ich sagen, ist das <strong>sehr</strong> engstirnig <strong>und</strong> kleingeistig, weil Sie <strong>sehr</strong><br />

wohl unsere Intention kennen <strong>und</strong> auch akzeptieren, dass nicht nur<br />

Sie in dieser Frage ein Recht haben darüber zu sprechen.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir<br />

kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den PDS-Antrag<br />

"Aufrechterhaltung eines pluralen<br />

Schwangerschaftskonfliktberatungsangebotes", Drucksache 3/1610. Wer<br />

diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei Zustimmungen <strong>und</strong><br />

Stimmenthaltungen hat der <strong>Sächsische</strong> <strong>Landtag</strong> diesen Antrag<br />

mehrheitlich abgelehnt.<br />

<strong>Der</strong> Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.<br />

Wir treten ein in den<br />

Tagesordnungspunkt 9<br />

- Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler Kompetenzen sächsischer<br />

Schüler<br />

Drucksache 3/0782, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

- Stärkung der erzieherischen Kompetenz sächsischer Lehrer<br />

Drucksache 3/0783, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

- Auswirkungen der Kopfnoten<br />

Drucksache 3/1283, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Fraktionen können sich an der Aussprache zu den Anträgen<br />

beteiligen. Die Reihenfolge in der ersten R<strong>und</strong>e: Wir beginnen mit<br />

der SPD, die diese Anträge eingebracht hat. Es schließen sich an<br />

CDU, PDS, CDU <strong>und</strong>, wenn sie es wünscht, die Staatsregierung.<br />

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort <strong>und</strong> bitte dazu Herrn Abg.<br />

Hatzsch das Wort zu nehmen.<br />

Hatzsch, SPD: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Die beiden Anträge "Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler<br />

Kompetenzen sächsischer Schüler" <strong>und</strong> "Stärkung der erzieherischen<br />

Kompetenz sächsischer Lehrer" korrespondieren logischerweise<br />

miteinander.<br />

Die bessere Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler Kompetenz in der<br />

Schule ist dabei das übergreifende <strong>und</strong> politisch bedeutsame Ziel.


Denn wie immer dieser Teil des Bildungsauftrages in der<br />

Öffentlichkeit auch bezeichnet wird, ob von Gr<strong>und</strong>tugenden,<br />

Schlüsselqualifikationen, vom Erziehungsauftrag der Schule oder von<br />

Persönlichkeitsbildung gesprochen wird, eines ist immer gleich: Es<br />

werden Defizite festgestellt <strong>und</strong> es wird ein Anspruch an die Schule<br />

gestellt, den diese oft nur schwer erfüllt.<br />

Es gibt ein Unbehagen <strong>und</strong> es gibt Befürchtungen, die sich zunehmend<br />

auch in Forderungen niederschlagen. Nicht zuletzt die vielen<br />

Veranstaltungen zum Aktionstag des Landeselternrates <strong>und</strong> des<br />

Landesschülerrates haben dies wieder thematisiert.<br />

Ich gehe davon aus, dass sich die Fraktionen hier im Haus<br />

parteiübergreifend einig sind, dass das Problem als solches erkannt<br />

<strong>und</strong> ernst zu nehmen ist. <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, allerdings haben<br />

wir schon in der Problemsicht <strong>und</strong> damit auch in den Möglichkeiten,<br />

die Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler Kompetenzen zu verbessern,<br />

unterschiedliche Ansichten.<br />

So verschieden wie die Sicht auf die Dinge ist, ist auch die Sicht<br />

auf die Handlungsbedürfnisse. Wir sehen dies auch ganz deutlich in<br />

den Stellungnahmen, die wir aus dem Kultusministerium zu unseren<br />

beiden Anträgen erhalten haben.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, wir sind definitiv nicht der Meinung, dass<br />

in den Lehrplänen für alle Schularten <strong>und</strong> alle Unterrichtsfächer<br />

genügend Freiräume zur Ausbildung der entsprechenden Kompetenzen<br />

vorhanden sind. So steht es in der Stellungnahme zu unserem Antrag.<br />

Aber selbst bei Veranstaltungen mit Eltern <strong>und</strong> Schülern am<br />

vergangenen Montag wurde immer wieder betont, dass die Lehrpläne in<br />

Überarbeitung seien, dass man sie stofflich entlastet, damit neben<br />

der Wissensvermittlung Raum für Bildung, also für<br />

Kompetenzentwicklung bleibt.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, aber es sind nicht nur die Lehrpläne, es<br />

ist nach wie vor die Auffassung darüber, was Schule überhaupt<br />

leisten soll, die uns unterscheidet. In der Stellungnahme des<br />

Kultusministers werden soziale <strong>und</strong> personale Kompetenzen in einer<br />

Art behandelt, welche sie wiederum nur auf die Wissenskomponenten<br />

beschränkt oder auf einzelne Nachmittagsangebote delegiert.<br />

Ich muss Ihnen einfach ein Stück aus dieser Stellungnahme vorlesen,<br />

damit Sie nicht glauben, ich söge mir das alles aus meinen Fingern<br />

<strong>und</strong> wolle mir so einen Gegner aufbauen, den ich dann einfach<br />

erledigen kann. Zitat: "Für Gymnasien übliche Formen der Stärkung<br />

personaler <strong>und</strong> sozialer Kompetenzen wie Schullandaufenthalte,<br />

Exkursionen, Schüleraustausch, Schülerfirmen, Zusammenarbeit mit<br />

außerschulischen Bildungsträgern gehören auch in Sachsen zu den<br />

Bestandteilen <strong>und</strong> seien deshalb ebenso wie die<br />

verantwortungsbewusste Arbeit gezielt fortgebildeter<br />

Beratungslehrer erwähnt." Zitatende.<br />

In den Köpfen zumindest der Kultusspitze scheint ein eigenartiges<br />

Verständnis darüber zu bestehen, wie soziale <strong>und</strong> personale<br />

Kompetenzen ausgebildet werden. Es scheint, als wenn man dort<br />

glaubt, man könne diesen ganzheitlichen Prozess stückeln <strong>und</strong> ab <strong>und</strong><br />

zu dazwischenschieben - etwa in der Art, dass man die Fähigkeit,<br />

Konflikte gewaltfrei zu bewältigen, mal in der St<strong>und</strong>e im Unterricht<br />

erlernt <strong>und</strong> dann eventuell als Hausaufgabe übt.<br />

Aber Spaß beiseite, Herr Minister. Wenn nicht durch eine enge<br />

Bindung von Lehrern <strong>und</strong> Schülern, also so, dass man sich wirklich<br />

kennt <strong>und</strong> viel Zeit miteinander verbringt, wenn nicht durch


vielfältige Möglichkeiten der anlassbezogenen Kommunikation<br />

alltäglich praktiziert wird, wie man mit Konflikten umgeht, dann<br />

wird am Ende der Erfolg nicht da sein. Wenn Schüler nicht im<br />

Schulalltag lernen <strong>und</strong> erleben <strong>und</strong> alltäglich demokratische<br />

Entscheidungsfindungen praktizieren, dann werden sie die Fähigkeit<br />

zur machtfreien <strong>und</strong> ergebnisorientierten Kommunikation, dann werden<br />

sie Toleranz <strong>und</strong> Meinungsfreiheit, aber auch<br />

Verantwortungsbewusstsein <strong>und</strong> Selbständigkeit eben in der Schule<br />

nicht oder nur <strong>sehr</strong> schwer ausbilden können.<br />

Wenn heute bei Einstellungsgesprächen Schulabsolventen auf die<br />

Frage "Was erwarten Sie vom Leben?" mit der Antwort aufwarten<br />

"Spaß", dann ist das sicherlich wenig <strong>und</strong> eine unbefriedigende<br />

Antwort. Aber man hat es eventuell so erwartet. Wenn aber viele<br />

junge Menschen auf diese Frage mit der Gegenfrage "Wie meinen Sie<br />

denn das?" antworten, dann verweist dies auf ein weiteres Defizit<br />

unserer Schulen. Scheinbar haben sie keinen Raum dafür, dass junge<br />

Menschen über den Sinn des Lebens reflektieren <strong>und</strong> einen<br />

Sinngebungsprozess durchlaufen können.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, wenn Sie das im Hinterkopf haben, dann wird<br />

Ihnen aufgehen, dass Schule ganz andere Freiräume braucht, als wir<br />

sie heute haben. Dann wird Ihnen klar werden, wozu die Lehrpläne<br />

ganz deutlich stofflich entlastet werden müssen. Dann werden Sie<br />

auch verstehen, warum eine Unterrichtsversorgung, die um den Preis<br />

des häufigen Lehrerwechsels <strong>und</strong> voller Klassen erkauft wird, gerade<br />

bei der Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler Kompetenzen<br />

kontraproduktiv wird.<br />

Die Schulen müssen die Möglichkeit erhalten, tatsächlich die<br />

Verantwortung für den pädagogischen Prozess in seiner Gesamtheit zu<br />

übernehmen. Dazu brauchen sie Gestaltungsfreiräume <strong>und</strong> viel mehr<br />

Zeit.<br />

Wem klar ist, dass die Vermittlung von Wissen nur die Gr<strong>und</strong>lage für<br />

die Ausbildung von Kompetenzen ist, der weiß, dass die Schulen<br />

deutlich mehr Zeit benötigen. Wer vor diesem Hintergr<strong>und</strong> aber allen<br />

Ernstes behauptet, dass dieses Zusammenpressen der von der KMK<br />

vorgeschriebenen, auf neun Jahre bezogenen Mindestwochenst<strong>und</strong>en auf<br />

acht Jahre - wieder Zitat - "ein Beitrag zur Befähigung zu einem<br />

selbstbestimmten Leben" sind, der ist entweder pädagogisch blind<br />

oder zynisch. Das war kein Plädoyer, Herr Minister, für 13 Jahre.<br />

Wer meint, dass die "Selektion in relativ homogenen Lerngruppen" -<br />

wieder in Anführungsstrichen <strong>und</strong> noch einmal Zitat - "ein Beitrag<br />

zur Entwicklung <strong>und</strong> Stärkung von Ist-Stärke <strong>und</strong> Selbstkompetenz<br />

ist" - immer noch Zitat -, der sieht nur die positiv Selektierten<br />

<strong>und</strong> macht sich mit seinem Verweis auf Sankt Afra geradezu<br />

lächerlich. Wo sind denn dann die negativ Ausgelesenen, meine <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>? Und um die geht es ganz entscheidend.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wer Ausbildung nichtfachlicher Kompetenz so<br />

missversteht, der wird auch kein Verständnis für die nötigen<br />

Gestaltungsräume <strong>und</strong> Kompetenzen der Schulen <strong>und</strong> Lehrer haben. Wer<br />

damit also die Schulen im fachlichen Bereich überlastet <strong>und</strong><br />

organisatorisch knebelt, der muss sich nicht w<strong>und</strong>ern, wenn Weiter<strong>und</strong><br />

Fortbildungsangebote schlecht genutzt werden, zumal wenn diese<br />

Angebote natürlich nicht in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden<br />

sollen.<br />

Nun wird versucht, die im System Schule im Alltag nicht entstehende<br />

Motivation für pädagogische Weiterbildung über die Schulleiter in


die Schulen zu tragen. Das Vorhaben ist löblich <strong>und</strong> natürlich ist<br />

es besser als nichts. Aber glaubt man im Kultusministerium<br />

ernsthaft, dass eine solche partielle Maßnahme die Schulleiter in<br />

die Lage versetzt, eine f<strong>und</strong>ierte Weiterbildung zum aktuellen Stand<br />

der Erziehungswissenschaften an die Lehrer weiterzugeben? Nein, das<br />

glaubt man mit Sicherheit im Kultusministerium nicht.<br />

Wer sich ein wenig mit unserer Schule auskennt, der weiß, dass<br />

unsere Lehrer seit 1990 viel gelernt haben, dass sie aber auch auf<br />

viele Dinge in ihrer Ausbildung nicht vorbereitet waren. Wer sich<br />

heute darüber beschwert, dass Lehrer <strong>und</strong> Schüler Freiräume nicht<br />

genügend nutzen <strong>und</strong> ausfüllen, der vergisst nicht nur den<br />

obrigkeitsstaatlichen Stil der Kultusbehörde vor der Meißner Wende<br />

unseres Ministers <strong>und</strong> übersieht auch, dass unsere Lehrer eine recht<br />

einseitige pädagogische Ausbildung hätten.<br />

Wer also tatsächlich erkannt hat, dass die Ausbildung sozialer <strong>und</strong><br />

personaler Kompetenzen eine Aufgabe der Schule ist, <strong>und</strong> wer erkannt<br />

hat, dass diese Ausbildung nur in einem ganzheitlichen<br />

kommunikativen Prozess stattfinden kann, der muss die Konsequenzen<br />

tragen <strong>und</strong> unseren beiden Anträgen zustimmen.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: An der Debatte beteiligt sich nun<br />

die CDU-Fraktion. Herr Abg. Colditz, bitte.<br />

Colditz, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich denke,<br />

die vorliegenden Anträge lassen sich durchaus einordnen in die <strong>sehr</strong><br />

breit gefächerte öffentliche Debatte um die weitere inhaltliche<br />

Qualifizierung unseres Schulsystems. Und tatsächlich <strong>und</strong> in der Tat<br />

ist diese Debatte, wie sie zurzeit in der Öffentlichkeit geschieht,<br />

nicht auf eine reine Ressourcendebatte zu verengen, sondern hat<br />

natürlich <strong>und</strong> insbesondere auch die inhaltliche<br />

Qualitätsentwicklung schulischer Angebote im Blick zu behalten.<br />

Ich denke, diesem Gr<strong>und</strong>anliegen folgen die vorliegenden Anträge.<br />

Und das ist zunächst begrüßenswert. Ich denke aber auch, die<br />

Stellungnahmen zu den Anträgen haben Gelegenheit gegeben, bereits<br />

vorhandene konzeptionelle <strong>und</strong> inhaltliche Angebote, mit denen<br />

diesem Anliegen zukünftig Rechnung getragen werden soll <strong>und</strong> auch<br />

aktuell schon Rechnung getragen wird, darzustellen.<br />

Insofern kann man die Debatte zu diesen vorliegenden Anträgen<br />

sicherlich auch weniger mit politischen Schlagworten führen,<br />

sondern ist mehr zu einem inhaltlich fachlichen Disput angeregt.<br />

Herr Kollege Hatzsch, ich denke, wir hätten den zielführender <strong>und</strong><br />

tiefgreifender im Ausschuss führen können. Dies bleibt uns leider<br />

bei der Behandlung in der vorliegenden Form ein Stück weit<br />

verwehrt.<br />

So bleibt aus Sicht unserer Fraktion zunächst festzustellen, dass<br />

wir das Gr<strong>und</strong>anliegen der Anträge zur Kompetenzentwicklung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich teilen, die praktische Ausgestaltung aber mit etwas<br />

anderen Intentionen <strong>und</strong> einer anderen Ausgangsbasis vornehmen<br />

wollen, als sie in den vorliegenden Anträgen beschrieben ist. Ich<br />

werde hierauf noch punktuell zu sprechen kommen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, ich denke, man kann davon ausgehen, dass<br />

wir bei der Kompetenzentwicklung sächsischer Schüler ebenso wie bei<br />

der Ausgestaltung der erzieherischen Kompetenz unserer Lehrerschaft<br />

durchaus bereits auf dem Weg sind. Und ich sage bewusst: Wir sind<br />

auf dem Weg <strong>und</strong> nicht schon am Ziel - wobei gerade in dieser Frage


wohl ein endgültiges Ziel nicht erreichbar <strong>und</strong> auch nicht<br />

erstrebenswert ist.<br />

Diese Anforderungen an die inhaltliche Weiterentwicklung haben<br />

natürlich Prozesscharakter <strong>und</strong> lassen sich auch nicht allein durch<br />

zentrale staatliche Vorgaben regeln.<br />

Sie bedürfen vielmehr <strong>und</strong> besonders auch des individuellen<br />

Engagements vor Ort. Dieser örtliche Bezug ist ja auch der Garant<br />

dafür, dass soziale Einflüsse von Schule viel zielführender in die<br />

Gestaltung des Schulalltags einbezogen werden können. Damit ist<br />

letztlich ja auch in Folge der Erziehungsauftrag wesentlich<br />

lebensnaher gestaltbar. Gleichzeitig muss aber dieser Prozess auch<br />

transparent, bewertbar <strong>und</strong> damit auch im Sinne von<br />

Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung vergleichbar sein.<br />

Es geht gr<strong>und</strong>sätzlich darum, dass die einzelne Schule befähigt<br />

wird, die Balance zwischen Leistungsanforderung,<br />

Persönlichkeitsentwicklung der Schüler <strong>und</strong> Orientierung auf das<br />

Gemeinwohl ausgewogen zu gestalten. Die sich daraus ergebenden<br />

Qualitätsanforderungen an Schule <strong>und</strong> deren inhaltliche<br />

Ausgestaltung muss sich aber dann auch - auch das muss<br />

vorausgesetzt werden - über die Grenzen Sachsens hinaus an<br />

nationalen <strong>und</strong> internationalen Maßstäben der Entwicklung messen<br />

lassen.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich habe bewusst zunächst den Bogen der<br />

Betrachtung so weit <strong>und</strong> so allgemein gespannt. Die vorliegenden<br />

Anträge leiten nämlich meines Erachtens trotz ihrer<br />

nachvollziehbaren Themenstellung - ich habe das eingangs so<br />

dargestellt - hinsichtlich der Kompetenzentwicklung durch Schule<br />

ihr Anliegen wiederum aus sozialen Problemlagen ab <strong>und</strong><br />

verallgemeinern diese Probleme.<br />

Natürlich muss sich erzieherisches Wirken der Schule <strong>und</strong><br />

Schulentwicklung auch gewaltfreiem Verhalten, Sucht- <strong>und</strong><br />

Drogenprävention <strong>und</strong> individueller Krisenbewältigung stellen.<br />

Schulentwicklung <strong>und</strong> Kompetenzentwicklung dürfen sich aber darauf<br />

nicht allein beschränken <strong>und</strong> daraus begründen. Dies geschieht aber<br />

in den vorliegenden Anträgen, zumindest wenn man die Begründung<br />

nachliest.<br />

Demgegenüber werden in Sachsen bereits Entwicklungskonzepte erprobt<br />

<strong>und</strong> analysiert, die die Stärkung des Erziehungsauftrages ebenso wie<br />

die Qualitätsverbesserung des Unterrichts im Blick haben, sei es im<br />

Rahmen der aktuellen <strong>und</strong> weiter auszugestaltenden<br />

Lehrplanüberarbeitung, sei es durch die Qualifizierung von<br />

Schulleitern mit dem Ziel, Schulentwicklungsprozesse auf der<br />

örtlichen Ebene zu befördern <strong>und</strong> zu gestalten, oder auch sei es<br />

durch die Erprobung <strong>und</strong> Verallgemeinerung von Modellvorhaben wie<br />

dem Profil Q, das inhaltliche Anforderungen an die<br />

Unterrichtsgestaltung zur Entwicklung von Schlüsselqualifikationen,<br />

fächerübergreifender Kompetenzentwicklung <strong>und</strong> innovativem<br />

Arbeitsverhalten analysiert <strong>und</strong> verallgemeinern soll. Es sprengte<br />

sicherlich den Rahmen dieser Debatte, diese Maßnahmen <strong>und</strong><br />

Vorstellungen inhaltlich tiefer auszuleuchten. Trotzdem sind sie<br />

vorhanden <strong>und</strong> werden gestaltet. Zweifellos gibt es auch Anlass, im<br />

Rahmen der Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung von<br />

schulischen Angeboten diese Maßnahmen zu intensivieren.<br />

Ich will in diesem Zusammenhang nur auf wenige Aspekte inhaltlicher<br />

Art zu sprechen kommen.


1. Die Kompetenzentwicklung kann sich wirkungsvoll nur im damit im<br />

Zusammenhang stehenden Bildungsprozess vollziehen. Aus der Einheit<br />

von Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsauftrag ergibt sich notwendig die<br />

Vermittlung soliden Gr<strong>und</strong>lagenwissens zusammen mit entsprechenden<br />

Fähigkeiten. Insofern kann eine Vereinseitigung pädagogischer<br />

Prozesse im Sinne einer allgemeinen <strong>und</strong> eher <strong>und</strong>efinierten<br />

Kompetenzentwicklung <strong>sehr</strong> schnell die Qualität schulischer Angebote<br />

eher infrage stellen als verbessern.<br />

2. Die lehrplanorientierte Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler<br />

Kompetenzen sichert, dass nicht nur der Klassenleiter, sondern alle<br />

Lehrer der Schule diese auch als Ort der Sozialisation begreifen<br />

<strong>und</strong> mitgestalten. Insofern besteht unseres Erachtens auch die<br />

Chance der aktuellen Lehrplanüberarbeitung darin, dass diese<br />

Rahmenvorgaben für einen guten Unterricht entsprechend<br />

bildungspolitischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Erfordernissen<br />

vorgegeben werden. Konkret werden deshalb neben der Beschreibung<br />

von Zielen <strong>und</strong> Inhalten Freiräume zur kreativen Ausgestaltung des<br />

Unterrichts genauso zu beschreiben sein wie vergleichbare Standards<br />

<strong>und</strong> erreichbare Niveaustufen im Sinne auch von Vergleichbarkeit von<br />

Bildungsangeboten. Die Lehrplanreform wird aber auch die<br />

erzieherische Komponente der einzelnen Unterrichtsst<strong>und</strong>e<br />

einschließlich der damit verb<strong>und</strong>enen sozialen Einflussnahme im<br />

Blick behalten müssen. Wenn davon auszugehen ist, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>, dass der Prozess der Lehrplanüberarbeitung, der<br />

Lehrplangestaltung von Schulverwaltung ebenso begleitet wird wie<br />

von Wissenschaftlern <strong>und</strong> Schulpraktikern, dann ist mit der<br />

Gestaltung dieses Prozesses eine Qualitätsverbesserung schulischer<br />

Angebote schon jetzt absehbar - dies im Sinne der<br />

bildungspolitischen Herausforderungen der Zukunft, aber auch im<br />

Sinne der Intentionen der vorliegenden Anträge.<br />

3. Zweifellos ergibt sich weiter natürlich Handlungsbedarf bei der<br />

Qualifizierung unserer Lehrkräfte in pädagogischer <strong>und</strong><br />

psychologischer Hinsicht. Ich denke, gerade diesem Aspekt muss bei<br />

der Qualitätsdebatte schulischer Ausbildung in Zukunft sicherlich<br />

noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, als dies bislang<br />

geschehen ist.<br />

Wir sind dabei, zwei konkrete Handlungsebenen weiter<br />

auszugestalten, wobei auch hierbei auf durchaus Vorhandenem<br />

aufgebaut werden kann. Zum einen müssen diese Fortbildungsangebote,<br />

die vorhanden sind, stärker mit pädagogisch-psychologischen<br />

Inhalten gekoppelt werden. So wie aber das Lehramtsstudium, also<br />

die Erstausbildung, fachwissenschaftliche <strong>und</strong> fachdidaktische<br />

Ausbildung mit erziehungswissenschaftlicher Ausbildung koppelt <strong>und</strong><br />

praxisnah ausgestaltet, macht diese Systematik auch bei<br />

Fortbildungsangeboten Sinn.<br />

Die Vertiefung <strong>und</strong> die Neuaneignung pädagogisch-psychologischen<br />

Wissens sollte in enger Anlehnung an die fachlichen<br />

Qualifizierungsangebote, so wie sie bereits existieren, erfolgen.<br />

Dies erhöht nicht nur die Motivation der Teilnahme an diesen<br />

Angeboten, sondern stellt einen viel plastischeren Praxisbezug her<br />

als ein künstlich aufgesetztes erziehungswissenschaftliches<br />

Fortbildungsprogramm, das die Komplexität des Bildungs- <strong>und</strong><br />

Erziehungsprozesses eher einseitig beleuchtet.<br />

Zum anderen wird es in Zukunft darum gehen, eine stärker regional<br />

bezogene Schulentwicklung zu befördern. Initiatoren dieses


Prozesses sind dann auch die regionalen Akteure, also die<br />

jeweiligen Lehrerkollegien, denn es macht durchaus Sinn - ich hatte<br />

es schon angedeutet -, zunächst die Schulleiter fit zu machen,<br />

diesen Prozess anzuregen <strong>und</strong> zu befördern. Dies geschieht<br />

gegenwärtig durch ganz konkrete Qualifizierungsangebote an der<br />

<strong>Sächsische</strong>n Akademie für Lehrerfortbildung. Darauf aufbauend kann<br />

dann an den Schulen gemeinsam mit weiteren Multiplikatoren der<br />

Prozess der Schulentwicklung einschließlich der dazu notwendigen<br />

pädagogischen Anforderungen vertieft <strong>und</strong> ausgestaltet werden. Ein<br />

solcher Stufenprozess des Vorgehens ist meines Erachtens wesentlich<br />

zielführender <strong>und</strong> praxiswirksamer als ein im vorliegenden Antrag<br />

gefordertes Programm zur erziehungswissenschaftlichen<br />

Qualifizierung von zentraler Stelle aus.<br />

Die Entwicklung von Schulprogrammen <strong>und</strong> die wirksame Umsetzung des<br />

Erziehungsauftrages von Schule ist damit auch weniger - bei genauem<br />

Hinsehen - ein Problem des Regelungsbedarfes von zentralen<br />

Verordnungen <strong>und</strong> von zentralen staatlichen Konzepten als vielmehr<br />

eine Frage des Engagements vor Ort bei der Gestaltung des<br />

Lebensraumes Schule <strong>und</strong> der dazu notwendigen Außenbeziehungen.<br />

(Teilweise Beifall bei der CDU)<br />

Dies erfordert natürlich - dessen sind wir uns durchaus bewusst <strong>und</strong><br />

dies werden wir auch durchaus konstruktiv <strong>und</strong> selbstkritisch<br />

begleiten - auch ein neues <strong>und</strong> verändertes Verständnis, ein neues<br />

Rollen- <strong>und</strong> Funktionsverständnis der Schulaufsicht ebenso wie eine<br />

zunehmend wachsende Eigenverantwortlichkeit der Schule in eben<br />

genanntem Sinne.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich will es mit diesen drei inhaltlichen<br />

Aspekten genug sein lassen. Sie allein schon charakterisieren den<br />

Entwicklungsstand, aber auch in besonderer Weise die<br />

Entwicklungsrichtungen bei der Qualitätsverbesserung unseres<br />

Schulsystems allgemein <strong>und</strong> bei der Erfüllung des sozialen Auftrages<br />

von Schule.<br />

Herr Hatzsch, Sie sind auf Ihren dritten Antrag noch nicht zu<br />

sprechen gekommen. Ich denke, Sie werden das noch tun. Insofern<br />

will ich an dieser Stelle auch erst einmal unterbrechen, ehe wir<br />

dann zu den Kopfnoten kommen.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Hubrig: Es spricht nun die PDS-Fraktion.<br />

Frau Abg. Heike Werner, bitte.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

Nach manchen Gesprächen mit Besuchergruppen oder in Podien, an<br />

denen Vertreter der CDU teilgenommen haben, komme ich <strong>sehr</strong> ins<br />

Grübeln. Mir vorher noch sicher gewesen zu sein, ein <strong>und</strong> derselben<br />

Anhörung z. B. zur Schulentwicklung beigewohnt zu haben, frage ich<br />

mich dann, ob es vielleicht zwei Anhörungen gab oder in der einen<br />

Hälfte z. B. der Herr Seidel gerade nicht anwesend war.<br />

Das würde einiges entschuldigen. Da wird dann plötzlich erzählt:<br />

Schulklima hängt vor allem davon ab, wie Lehrer mit den Schülern<br />

umgehen, <strong>und</strong> um dies zu verbessern, will man den Schülerrückgang<br />

nutzen <strong>und</strong> nicht fifty-fifty Stellen kürzen. So lobenswert die<br />

Absicht, so gering wahrscheinlich die Auswirkungen, was eine<br />

wirklich bessere Schulqualität angeht.<br />

Dass die Ursachen etwas tiefer liegen, die Unzufriedenheit bei den<br />

von Schule betroffenen Menschen ungleich größer ist <strong>und</strong> die


Forderungen derer, die es wissen müssen, weitreichender sind,<br />

hätten Sie am Montag zum "Aktionstag Schule" erfahren können.<br />

Leider konnte das Desinteresse von <strong>Landtag</strong>sabgeordneten der CDU-<br />

Fraktion oft nur bedauernd zur Kenntnis genommen werden. Einige<br />

Diskussionen fielen gar aus oder der Frustration zum Opfer, da die<br />

Menschen, die in diesem Parlament die Mehrheit haben, sich dem<br />

Gespräch nicht stellten oder nur ein Positionspapier schickten.<br />

Nun verstehe ich ja, dass der <strong>Sächsische</strong> Städte- <strong>und</strong> Gemeindetag<br />

eine <strong>sehr</strong> wichtige Angelegenheit ist, <strong>und</strong> auch ich hätte Lust<br />

gehabt, mich beim parlamentarischen Abend zu vergnügen. In unserer<br />

Fraktion aber haben wir abgewogen <strong>und</strong> die Einladungen zum<br />

Aktionstag weitestgehend wahrgenommen. Das hätte auch Ihnen, werte<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in der CDU, gut zu Gesicht gestanden.<br />

Warum Sie sich der Diskussion nicht stellten, kann ich nur<br />

vermuten. Sind Ihnen die Schulen nicht so wichtig? Wollten Sie das<br />

Abendbrot sparen? Hatten Sie am Ende Angst vor dem Volk?<br />

(Frau Henke, CDU: Das ist wohl eine Frechheit!)<br />

Vom Herrn Minister Rößler weiß ich es: Sie haben es einfach<br />

vergessen.<br />

Im MDR konnten wir von Ihnen hören, dass auf Anregung <strong>und</strong><br />

Initiative der CDU-Fraktion nun die Schüler-Lehrer-Relation besser<br />

würde.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Frau Abgeordnete, gestatten Sie<br />

eine Zwischenfrage?<br />

Frau Werner, Heike, PDS: - Ja, bitte.<br />

Frau Strempel, CDU: Frau Werner, woher nehmen Sie die Weisheit,<br />

dass sich Abgeordnete unserer Fraktion der Diskussion am Montag<br />

entzogen haben? - Herr Dr. Rößler <strong>und</strong> ich waren beispielsweise in<br />

Meißen.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Ich kann es nur sagen von einigen<br />

Veranstaltungen, an denen wir teilgenommen haben, - -<br />

(Unruhe <strong>und</strong> Zurufe von der CDU)<br />

- Wir sind ungleich weniger als Sie, deshalb hätten Sie erst recht<br />

die Möglichkeit gehabt, jede Veranstaltung auch wahrzunehmen. Die<br />

Enttäuschung der Leute vor Ort war <strong>sehr</strong>, <strong>sehr</strong> groß.<br />

(Frau Henke, CDU: Da können Sie mal<br />

sehen, wie wichtig wir sind!)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Gestatten Sie eine weitere<br />

Zwischenfrage, Frau Werner?<br />

Frau Werner, Heike, PDS: - Ja.<br />

Nitzsche, CDU: Frau Werner, ich war ebenfalls am Montag Zeuge <strong>und</strong><br />

Diskutant einer solchen Aktion in einem voll besetzten Dorfsaal mit<br />

300 Leuten. Wer gefehlt hat, das waren Genossen Ihrer Fraktion,<br />

muss ich sagen.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Da hatten wir wahrscheinlich keine<br />

Einladung.<br />

Nitzsche, CDU: Sie hatten eine Einladung.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Das glaube ich nicht.<br />

Nitzsche, CDU: Das muss ich mal so sagen.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Nein, das kann ich nicht glauben.<br />

Nitzsche, CDU: Doch, Oberlichtenau, Landkreis Kamenz. - Wir nehmen<br />

das noch einmal so zu Protokoll.<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Okay, dann werden wir das einfach<br />

hinterher klären <strong>und</strong> können das regeln.


Nitzsche, CDU: So viel über die Wert- <strong>und</strong> Stichhaltigkeit Ihrer<br />

Beiträge.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Frau Werner, Heike, PDS: Okay, damit kann ich leben.<br />

(Zurufe von der CDU: Wo waren Sie<br />

denn nun, Frau Werner?)<br />

- Ich war in Borna.<br />

Wir haben jedenfalls die Einladungen zum Aktionstag gesammelt,<br />

haben abgewogen <strong>und</strong> sie weitestgehend wahrgenommen, was ich von<br />

Ihrer Fraktion so nicht gehört habe.<br />

(Unruhe <strong>und</strong> Zurufe von der CDU -<br />

Götzel, CDU: Wir haben auch abgewogen!)<br />

- Darf ich einmal weitergehen?<br />

Ich hatte also gerade davon gesprochen, dass Herr Minister Rößler<br />

im MDR zur Kenntnis gegeben hat, dass nun auf Anregung <strong>und</strong><br />

Initiative der CDU-Fraktion die Schüler-Lehrer-Relation besser<br />

würde.<br />

Bei aller Bew<strong>und</strong>erung für die verbissene Verhandlungsr<strong>und</strong>e mit dem<br />

Finanzminister oder dem Ministerpräsidenten - die Kompetenzen sind<br />

mir hier nicht mehr klar - kamen doch die Forderungen von den<br />

Betroffenen. Und immer wieder auf die Tagesordnung des <strong>Landtag</strong>es<br />

kam es auf Initiative der Oppositionsparteien.<br />

Auch Ihre Antworten zu den Anträgen der SPD-Fraktion legen nahe,<br />

dass einiges schon wieder in Vergessenheit geraten ist. Nach dem<br />

Mord an einer Lehrerin im vergangenen Jahr setzte endlich eine<br />

breite, öffentlich geführte Diskussion zur Bildung ein. Manchmal<br />

hatte man das Gefühl großer Spannungen, aber auch des Entladens. Da<br />

meine ich nicht nur das Herausplatzen lang angestauter<br />

Frustrationen <strong>und</strong> Ängste, sondern auch eine positive Umkehrung. Es<br />

wurde zugehört, diskutiert, ernst genommen, es gab Resultate. Da<br />

gab es die ganze Spannbreite von wieder erwachendem Engagement, die<br />

Formierung von Schulgemeinschaften bis hin zum Beifall der<br />

Opposition für den Bildungsminister - für Sie, Herr Minister<br />

Rößler.<br />

Aber die Diskussion ist noch nicht zu Ende, die Unzufriedenheit ist<br />

noch da. Natürlich war eine Hauptforderung, bessere<br />

Kontaktmöglichkeiten für Lehrer <strong>und</strong> Schüler zu schaffen. Ihre<br />

Aktion wird allerdings nur dazu führen, dass der St<strong>und</strong>enausfall<br />

reduziert wird, dass der Förderunterricht <strong>und</strong> im besten Fall auch<br />

der Ergänzungsbereich für alle Schulen wieder steht. Aber das ist<br />

nur notwendig zur Sicherung des derzeitigen Standards, hat nichts<br />

mit Reform zu tun, entspricht allerdings Ihrem Anspruch an Schule.<br />

Aber es stand auch noch ein bisschen mehr zur Diskussion. Herr<br />

Minister Rößler, Sie werden sich sicher noch an die Anhörung zur<br />

Schulentwicklung <strong>und</strong> Gewaltprävention erinnern. Bedeutenden<br />

Einfluss auf ein ausgeglichenes Klima in der Schule hat die<br />

Schulqualität der konkreten Schule selbst.<br />

Das ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Als wesentlich wurden<br />

für das innerschulische Bedingungsgefüge folgende Punkte genannt:<br />

- die sozialen Beziehungen zwischen Schülern sowie zwischen<br />

Schülern <strong>und</strong> Lehrern,<br />

- die Professionalität des Lehrerhandelns,<br />

(Zuruf des Abg. Seidel, CDU)<br />

- Es geht ja noch weiter, es waren ein paar Punkte mehr als das,<br />

was Sie, Herr Seidel, in Erinnerung behalten haben.


- die schulischen Belastungen <strong>und</strong> Problemlagen aus der subjektiven<br />

Sicht des Schülers <strong>und</strong> als weiterer Punkt<br />

- der Führungsstil der Schulleitung.<br />

Hinzugezogen werden müssten natürlich auch andere<br />

Sozialisationsinstanzen, was aber für die vorliegenden Anträge<br />

nicht relevant ist. <strong>Der</strong> beste Lehrplan - so es einer wäre - würde<br />

nichtig, die edelsten Vorstellungen zur Ausbildung sozialer <strong>und</strong><br />

personaler Kompetenzen wären sinnlos, wenn das Umfeld nicht stimmt.<br />

Darauf beziehen sich die Anträge der SPD, denn Schule braucht<br />

Freiräume, zum Beispiel Freiräume in Lehrplänen. An diesen wird ja<br />

wohl jetzt gearbeitet. Zum Zeitpunkt, wann die Schulen damit<br />

arbeiten können, gibt es höchst unterschiedliche Aussagen, auch<br />

welches die Zielstellung der Umarbeitung ist, liegt im<br />

Geheimnisvollen <strong>und</strong> wer überhaupt daran mitarbeiten darf, ist auch<br />

unklar.<br />

Ich hörte von der Einbeziehung der Fachlehrer <strong>und</strong> einiger<br />

Lehrerverbände. Wir als PDS meinen: Dazu gehören auch die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler, die Eltern <strong>und</strong> externer Sachverstand.<br />

Unsere Schulen benötigen aber außerdem Freiräume in der<br />

Unterrichtsorganisation <strong>und</strong> in der Gestaltung ihrer Schule.<br />

Vorschläge unserer Fraktion gibt es dazu. Den wichtigsten können<br />

Sie in der heute von der PDS-Fraktion eingebrachten<br />

Schulgesetznovelle unter "Zusammensetzung <strong>und</strong> Aufgaben der<br />

Schulkonferenz" nachlesen. Wirkliche Demokratie in den Schulen<br />

zuzulassen heißt den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, über<br />

ihre Dinge zu entscheiden. Einfluss zu nehmen - nehmen zu müssen -<br />

ist die beste Gewaltprävention <strong>und</strong> höchste Motivation, verdrängt<br />

Hilflosigkeit <strong>und</strong> Frustration.<br />

Ich möchte einen Lehrer zitieren, der da meinte: "Es arbeitet sich<br />

wesentlich besser mit Schülern, die mitentscheiden dürfen, müssen.<br />

Zu Wendezeiten haben wir die Schulleiter gewählt <strong>und</strong> mit den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern über den Inhalt des Unterrichts<br />

diskutiert. Das waren Zeiten!"<br />

Sie, Herr Minister Rößler, bevorzugen eine andere Art der<br />

Motivation: die Kopfnoten. In einer von der Landeszentrale für<br />

politische Bildung veröffentlichten Broschüre ist nachzulesen: "Die<br />

Institution Schule weist selbst Gewalt fördernde Strukturen <strong>und</strong><br />

Wirkungen auf. Diese resultieren vor allem aus der<br />

Selektionsfunktion von Schule <strong>und</strong> der Dominanz der<br />

Leistungsorientierung, einem überzogenen Leistungsdruck."<br />

Sie kennen sicherlich auch die Untersuchung zu Mogeleien an<br />

Sachsens Schulen, das kommt sicher nicht von ungefähr.<br />

Eltern überfordern aus Sorge um die Zukunft ihre Kinder. Maßstab<br />

für Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg sind die Zensuren <strong>und</strong> diese orientieren<br />

sich am Endergebnis von Lernleistungen. <strong>Der</strong> Weg dorthin spielt kaum<br />

eine Rolle; der pädagogische Wert geht für mich gegen Null.<br />

Wie sich ein Kind bemüht hat, kommt in Fachnoten natürlich nicht<br />

zum Ausdruck. Aber lässt sich dies dann wirklich an Kopfnoten<br />

ablesen? Und vor allem: Welches pädagogische Ziel verbindet sich<br />

mit ihnen? Ein Mehr an Kompetenzen ist durch sie nicht zu erwarten.<br />

Zum Nächsten ist die Bewertungspraxis höchst unseriös. Haben Sie<br />

sich einmal die Ausführungsbestimmungen zu Gemüte geführt? - Eine<br />

Unzahl schöner Kompetenzen wird aufgezählt, diese wiederum in vier<br />

Noten gepresst. Das widerspricht nicht nur jeglicher Individualität<br />

- es ist einfach nicht nachvollziehbar <strong>und</strong> damit nichts sagend.


Die Kopfnoten Gebenden wiederum fühlen sich überfordert - nicht nur<br />

weil der Klassenkonferenz die Zeit fehlt, tatsächlich jede einzelne<br />

Note durchzusprechen, sondern weil sie gar nicht die Gelegenheit<br />

haben ihre Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler so genau kennen zu lernen. Dank<br />

zu sagen ist hier all den Pädagoginnen <strong>und</strong> Pädagogen, die versuchen<br />

diese Unmenschlichkeiten auszugleichen. Die Zeit, die hierfür<br />

aufgebracht wird, wäre für das gemeinsame zeitoffene Gespräch<br />

zwischen LehrerInnen <strong>und</strong> SchülerInnen zu Erfolgen <strong>und</strong> Misserfolgen,<br />

zu Kritik <strong>und</strong> Lob von beiden Seiten besser angebracht.<br />

Zur Lehrerfortbildung nur wenige Worte. Zu einem ähnlichen Antrag<br />

wird es eine Anhörung im Ausschuss geben.<br />

Herr Minister Rößler, Sie beklagen in Ihrer Antwort, dass die<br />

Lehrerschaft vorrangig solche Fortbildungsveranstaltungen besucht,<br />

die fachliche Inhalte vermitteln. Sie unterstellen, dass die<br />

pädagogisch-psychologischen Veranstaltungen weniger interessieren.<br />

Das ist doch nur logisch, wenn Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer einen<br />

Lehrplan bewältigen müssen, der ständig wächst <strong>und</strong> in immer<br />

kürzerer Zeit abgehandelt werden muss, koste es, was es wolle. Bei<br />

27 Wochenst<strong>und</strong>en, vollen Klassen <strong>und</strong> Ausfallst<strong>und</strong>en kann man sich<br />

nur auf eines konzentrieren.<br />

Und dann noch die ganzen Erwartungshaltungen zum Beispiel vonseiten<br />

der Eltern. Ich möchte aus einer repräsentativen Untersuchung<br />

zitieren, die sächsische Eltern schulpflichtiger Kinder nach<br />

Bildungsinhalten <strong>und</strong> deren Stellenwert befragte. 63 % aller<br />

Befragten beurteilten Schule als weniger gute Vorbereitung auf das<br />

Leben. Aufwerten würden sie den Unterricht in Mathe, Deutsch <strong>und</strong><br />

Naturwissenschaften. Kürzen würden sie in den Fächern Religion,<br />

Ethik <strong>und</strong> Gemeinschaftsk<strong>und</strong>e. Gesellschaftliche Umgangsformen<br />

wiederum halten sie für wichtig. Aber sie sehen eben auch ganz<br />

klar, dass das am Ende für die Zukunft ihrer Kinder nicht<br />

ausschlaggebend ist.<br />

Das korrespondiert auch mit der Aussage, dass nur 13 % der Eltern<br />

meinen, dass das heutige Bildungssystem Chancengleichheit beim<br />

Erhalt einer Berufsausbildung gewährleistet. Das erhöht natürlich<br />

den Leistungs- <strong>und</strong> Erfolgsdruck. Blitzableiter dafür sind dann auch<br />

die Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer.<br />

Dies <strong>und</strong> andere Fakten sind auch Ursache für zunehmende<br />

Langzeiterkrankungen <strong>und</strong> Dienstunfähigkeit bei Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrern.<br />

Herr Seidel, aufgr<strong>und</strong> Ihrer Ungläubigkeit in der letzten Diskussion<br />

habe ich für Sie noch einmal nachgeschlagen in einem nicht so<br />

langen Artikel in der Zeitschrift "Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft" der<br />

GEW Sachsen. In der Nummer 4/2000 ist das genauer nachzulesen.<br />

Da einige von Ihnen an den Gesprächen zum Aktionstag nicht<br />

teilnehmen konnten, möchte ich aus einem Brief zitieren, der vor<br />

einiger Zeit in der Presse war <strong>und</strong> vielleicht schon ein wenig in<br />

Vergessenheit geraten ist, an Aktualität aber nichts verloren hat:<br />

"Massenhaft blanke Theorie wird in uns hineingeschüttet. Friss<br />

Vogel oder stirb. 31 Unterrichtsst<strong>und</strong>en in der Woche, Hausaufgaben,<br />

Vorträge ausarbeiten. Weil Lehrer sich untereinander nicht<br />

abstimmen oder nur ihr Fach <strong>und</strong> ihren Job sehen, büffelst du nicht<br />

selten für vier bis fünf Klassenarbeiten in der Woche.<br />

Unangekündigte Tests kommen dazu.<br />

Welcher Erwachsene muss eigentlich so oft seine Leistungen<br />

nachweisen?


Wenn du etwas verhauen hast: Bei bis zu 30 Schülern in der Klasse<br />

kannst du lange darauf warten, die Vier, die Fünf, die Sechs<br />

auszubügeln.<br />

Mit wem kannst du darüber reden? Mit Fre<strong>und</strong>en? Denen fällt das<br />

Lernen leichter. Die verstehen dich nicht. Oder geht es ihnen<br />

genauso? Dann wollen sie dein Gejammere gar nicht hören <strong>und</strong><br />

versuchen sich abzulenken, Spaß zu haben, gut drauf zu sein. Du<br />

musst immer nur gut drauf sein. Die Lehrer, die sind gehetzt <strong>und</strong><br />

gestresst. Die haben selber Frust.<br />

Das Kultusministerium verlangt volle Klassen, viele<br />

Unterrichtsst<strong>und</strong>en.<br />

Manche Lehrer bemühen sich ja um die Schüler. Aber zwei<br />

Lehrersprechtage reichen nun mal nicht. Schüler <strong>und</strong> Lehrer<br />

verbringen so viel Zeit miteinander. Aber was wissen sie<br />

voneinander?"<br />

Am Ende seines Briefes äußert Marco, ein sechzehnjähriger<br />

Gymnasiast aus Dresden: "Möge auch Herr Rößler meinen Brief gelesen<br />

<strong>und</strong> Mut zur Veränderung bekommen haben."<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich frage die CDU-Fraktion, ob<br />

sie dabei bleibt, der SPD-Fraktion den Vorrang zu gewähren, um dann<br />

darauf zu erwidern? - Das ist so. Ich bitte jetzt die Vertreterin<br />

der SPD-Fraktion, Frau Abg. Ludwig.<br />

Frau Ludwig, SPD: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Weil<br />

ich ja wusste, dass ich heute zum Antrag zur Einführung von<br />

Kopfnoten sprechen werde, habe ich mir heute den ganzen Tag<br />

überlegt: Wie wäre das eigentlich, wenn die Parlamentarier<br />

Kopfnoten bekommen würden?<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)<br />

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Das Ergebnis, zu dem ich<br />

gekommen bin, behalte ich lieber für mich.<br />

Die Vergabe von so genannten Kopfnoten - Sie können ja jetzt<br />

diszipliniert, aufmerksam <strong>und</strong> ordentlich sein - ist b<strong>und</strong>esweit<br />

unter Lehrern, Schülern, Eltern <strong>und</strong> der Fachöffentlichkeit<br />

umstritten.<br />

Mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit wurden die Kopfnoten in<br />

Sachsen vor einem Jahr eingeführt.<br />

(Staatsminister Dr. Rößler: Mit großer Zustimmung!)<br />

Um die Debatte um die Kopfnoten, Herr Minister, <strong>und</strong> ihre Wirkungen<br />

auf Schüler <strong>und</strong> Lehrer zu versachlichen, hat die SPD-Fraktion den<br />

Antrag gestellt, der eigentlich hätte von den vorbehaltlosen<br />

Befürwortern der Kopfnoten kommen müssen, nämlich die Folgen der<br />

Einführung der Kopfnoten in Sachsens Schulen mit dem Ziel<br />

wissenschaftlich zu begleiten, Erkenntnisse darüber zu gewinnen,<br />

welche Auswirkungen diese Noten auf die Ausbildung sozialer <strong>und</strong><br />

personaler Kompetenzen bei Schülern haben, wie der Prozess der<br />

Notenfindung an den Schulen verläuft <strong>und</strong> welche Aussagefähigkeit<br />

diese Noten haben.<br />

Die Antwort, Herr Minister, ist enttäuschend <strong>und</strong> paradox zugleich.<br />

Zum einen behaupten Sie, die Ausweitung der Kopfnoten sei ein<br />

Ergebnis interner, also offensichtlich nur Ihnen bekannter<br />

schulinterner Evaluation. Diese sei weit besser geeignet als<br />

wissenschaftliche Begleitungen. Wenig später hingegen, in Ihrer<br />

Antwort auf unseren Antrag, gestehen Sie ein, dass die Auswirkungen


dieser Noten auch erst nach der Schulzeit auftreten können <strong>und</strong> dass<br />

das eigentlich überhaupt ein ganz komplexer Prozess sei.<br />

Wenn das so ist - <strong>und</strong> Ihrer letzten Vermutung stimme ich zu -, dann<br />

ist eben gerade empirische Feldforschung mit einem entwickelten<br />

Methodeninstrumentarium notwendig.<br />

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)<br />

Herr Minister, vor vier Monaten haben Sie hier an dieser Stelle<br />

eingeräumt, dass unsere Lehrer durch ihre hohe St<strong>und</strong>enbelastung am<br />

Rande ihrer Belastbarkeit angekommen sind. Ich frage Sie: Wie<br />

sollen unsere Lehrer so ganz nebenbei noch Evaluationsprozesse zu<br />

Kopfnoten bei den einzelnen Schülern durchführen?<br />

Die Lehrer haben im Moment keine Zeit sich um einzelne Probleme<br />

ihrer Schüler zu kümmern. Wie soll ein Lehrer, der 200 Schüler als<br />

Fachlehrer unterrichtet<br />

(Dr. Jahr, CDU: Aber doch nicht gleichzeitig!)<br />

<strong>und</strong> mit den Kopfnoten ohnehin überfordert ist, noch Untersuchungen<br />

darüber anstellen, wie sich die einzelnen Kopfnoten auf die Schüler<br />

auswirken?<br />

(Jurk, SPD: Sehr richtig!)<br />

Fachnoten werden durch einen Notendurchschnitt ermittelt. Kopfnoten<br />

werden in einer Sitzung erteilt. Wie gut ist die Erinnerung der<br />

Lehrer an jeden einzelnen Schüler? Wie nachvollziehbar ist die<br />

Bewertung, wenn kein Maßstab existiert? Wie werden die einzelnen<br />

Merkmale der Kopfnoten an den einzelnen Schulen gewichtet? Was<br />

versteht der einzelne Lehrer darunter, wann Kreativität, ein<br />

Merkmal für Mitarbeit, durchschnittlich ausgeprägt ist?<br />

Bleiben wir einmal bei der alten Kopfnote "Mitarbeit", weil Sie<br />

alle im Moment so gut mitarbeiten. Wie misst man - <strong>und</strong> das ist ein<br />

Zitat aus den Merkmalen für Mitarbeit, die jetzt beurteilt,<br />

bewertet, benotet werden - "Initiative, Selbstständigkeit,<br />

Kreativität <strong>und</strong> Verantwortungsbereitschaft"?<br />

(Götzel, CDU: Eine Formel dafür wird es nicht geben!)<br />

Wie werden diese einzelnen Merkmale gegeneinander gewichtet? Wie<br />

sind Schulen untereinander vergleichbar? Wie kommt man am Ende zu<br />

einer Note?<br />

(Zuruf des Abg. Dr. Jahr, CDU)<br />

Herr Minister, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, Herr Jahr, Sie betrifft das<br />

auch, ich rate Ihnen eines: Reden Sie einmal mit den Lehrern in der<br />

Schule, wie sie im Moment Kopfnoten verteilen!<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Die SPD-Fraktion hält eine<br />

wissenschaftliche Begleitung bei der Vergabe von Kopfnoten für<br />

unbedingt erforderlich, weil wir uns unsicher sind über die<br />

Wirkungen <strong>und</strong> Auswirkungen dieser Noten, übrigens ebenso wie viele<br />

Lehrer, die sich ernsthaft dazu Gedanken machen, <strong>und</strong> weil wir<br />

wollen, dass an unseren Schulen wirklich Tugenden wie<br />

Hilfsbereitschaft, Gemeinsinn, Zuverlässigkeit, Selbsteinschätzung<br />

gefördert werden.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Frau Abgeordnete, gestatten Sie<br />

eine Zwischenfrage.<br />

Frau Ludwig, SPD: Aber gerne, Herr Götzel.<br />

Götzel, CDU: Frau Ludwig, Sie waren doch früher auch Lehrerin.<br />

Haben Sie sich da auch darüber beschwert, dass die Kopfnoten<br />

unsinnig seien, oder hatten Sie Schwierigkeiten in der Bewertung<br />

dieser Kopfnoten?


Frau Ludwig, SPD: - Ja, Herr Götzel, ich hatte erhebliche<br />

Schwierigkeiten. Deshalb habe ich auch eine Schule gegründet, in<br />

der es keine Kopfnoten gab.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Ich habe persönlich sogar häufig darunter gelitten, dass ich die<br />

vielen Schüler, die ich hatte, nicht wirklich ehrlich beurteilen<br />

konnte, weil ich wusste, welche Bedeutung eine solche Note hat. Sie<br />

hatte damals eine noch viel größere Bedeutung, wie Sie sicherlich<br />

wissen. Sie hatten ja einen disziplinarischen Aspekt <strong>und</strong> der hat<br />

mir besondere Sorge gemacht.<br />

(Vereinzelt Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Was mir heute Sorge macht, Herr Götzel, ist, dass ich befürchte,<br />

dass der eine oder andere Lehrer, der Probleme hat, aus ganz<br />

anderen Gründen heute wieder so handelt wie damals, dass er nämlich<br />

Kopfnoten benutzt, um Schüler zu disziplinieren. Aber genau das ist<br />

ja nicht Sinn <strong>und</strong> Zweck der Sache.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS - Jurk, SPD: Richtig!)<br />

Wir wollen ja bei unseren Schülern - <strong>und</strong> ich hoffe, darin sind wir<br />

uns einig, denn ansonsten reden wir über zwei ganz verschiedene<br />

Schulen - Tugenden wie Selbsteinschätzung, wie Zivilcourage<br />

entwickeln. Das müssen wir anregen; dazu müssen wir Mut machen. Das<br />

kann man auch nicht mit einer Note bewerten, von der man sich<br />

erhofft, dass sich ein Schüler von ihr wirklich angeregt fühlt<br />

diese Kompetenzen zu entwickeln.<br />

(Unruhe bei der CDU)<br />

Wenn Sie mir zuhören, werden Sie auch erfahren, dass in den anderen<br />

B<strong>und</strong>esländern andere Wege gegangen werden. An dieser Stelle kehre<br />

ich zu meiner Rede zurück.<br />

Herr Minister, wenn Sie eine gründliche wissenschaftliche<br />

Betrachtung <strong>und</strong> Beratung zu diesem Thema ablehnen, dann schaden Sie<br />

Ihrem Projekt Kopfnoten am meisten. Sollten Sie dies ablehnen, so<br />

würden Sie sich unter Ihren Ministerkollegen, auch <strong>und</strong> gerade unter<br />

denen, die im Moment planen oder schon auf dem Weg sind Kopfnoten<br />

einzuführen, unglaubwürdig machen, weil diese Minister genau den<br />

Weg gehen, natürlich mit einer wissenschaftlichen Begleitung<br />

Kopfnoten einzuführen. Wenn Sie sich in Sachsen nicht auf diesen<br />

Weg einlassen, dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen,<br />

dass es Ihnen um Effekthascherei geht <strong>und</strong> nicht um den wirklichen<br />

Effekt von Kopfnoten.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Herr Minister, Ihre Probanden, die Schüler<br />

<strong>und</strong> die Lehrer, sind dabei Ihre Opfer.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Für die CDU-Fraktion Herr Abg.<br />

Colditz.<br />

Colditz, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Frau<br />

Werner, zunächst noch einmal zu Ihnen. Ich hatte die Möglichkeit an<br />

zwei Veranstaltungen der Aktionstage teilzunehmen. Ich will vor<br />

allem auf die Veranstaltung im Dresdner Rathaus eingehen, an der<br />

ich am Montag Abend teilgenommen habe. Bei dieser Veranstaltung<br />

waren auch Mitglieder dieses Hauses vertreten. Die PDS-Fraktion war<br />

jedoch nicht anwesend.<br />

(Hört, hört! bei der CDU)<br />

Bevor man so austeilt, wie Sie es getan haben, sollte man in den<br />

eigenen Reihen nachfragen, wie man die Veranstaltungen tatsächlich<br />

wahrgenommen hat.


(Beifall bei der CDU - Prof. Dr.<br />

Porsch, PDS: Darüber reden wir noch!)<br />

Ich habe bereits in meinen Ausführungen vorab gesagt, dass Sie,<br />

Frau Werner, meines Erachtens auch im Blick auf die vorliegenden<br />

Anträge die Diskussion wiederum <strong>sehr</strong> verengt haben. Im Gr<strong>und</strong>e<br />

wollten Sie wieder eine Ressourcendebatte führen. Wenn wir die<br />

gegenwärtige öffentliche Debatte nur vor dem Hintergr<strong>und</strong> von<br />

Ressourcen führen, dann werden wir dem Anliegen dieser Debatte<br />

nicht gerecht.<br />

Sicherlich ist die verbesserte Ressourcenausstattung eine wichtige<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die weitere Entwicklung dieses Schulsystems, aber es<br />

handelt sich dabei nur um einen Aspekt, der zu diskutieren ist.<br />

Natürlich lässt er sich medien- <strong>und</strong> öffentlichkeitswirksam<br />

verkaufen <strong>und</strong> <strong>sehr</strong> einseitig darstellen. Auch bei den Aktionstagen<br />

haben wir <strong>sehr</strong> eindrucksvoll erlebt, wie einseitig die Argumente<br />

vorgetragen werden. Die Ressourcenverbesserung ist aber, wie<br />

gesagt, nur ein Bereich. Ich kann Ihnen jedoch versichern - ich<br />

denke, das ist mittlerweile schon konkret untersetzt -, dass sich<br />

die CDU-Fraktion auch dieser Frage in der Haushaltsgestaltung<br />

stellen <strong>und</strong> für eine Ressourcenverbesserung sorgen wird.<br />

Was die Lehrplangestaltung anbelangt, so kann ich Ihnen versichern,<br />

dass dieser Lehrplan nicht hinter verschlossenen Türen <strong>und</strong> unter<br />

verschlossenem Siegel diskutiert wird. Er wird auch unter<br />

Einbeziehung der Praktiker gestaltet. Es gibt die Stellungnahme des<br />

Philologenverbandes, der sich insbesondere in die Erarbeitung der<br />

Gymnasiallehrpläne einbringen wird.<br />

Damit komme ich zum eigentlichen zweiten Teil, nämlich zu dem<br />

Antrag auf wissenschaftliche Begleitung <strong>und</strong> Bewertung der<br />

Kopfnoten. Die Diskussion wurde bereits aus Anlass der Einführung<br />

der Kopfnoten geführt; jetzt handelt es sich eigentlich nur um eine<br />

Fortführung.<br />

Die Wiedereinführung der Kopfnoten wurde durch die Opposition von<br />

Anfang an infrage gestellt. Jedoch muss auch die andere Wahrheit<br />

ausgesprochen werden, an der sich im Übrigen nichts geändert hat:<br />

Eine breite Öffentlichkeit, Lehrer <strong>und</strong> vor allem auch Eltern, hat<br />

die Wiedereinführung der Kopfnoten in Sachsen begrüßt. Daran hat<br />

sich auch in den letzten Tagen <strong>und</strong> Wochen nichts geändert.<br />

(Beifall bei der CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

Die Hilflosigkeit ist weit verbreitet!)<br />

Obwohl sie <strong>sehr</strong> nahe liegt, will ich mich nicht zu der Behauptung<br />

hinreißen lassen, dass es weniger darum geht, tatsächlich eine<br />

wissenschaftliche Bewertung dieser Kopfnoten vorzunehmen, sondern<br />

vielmehr darum, einen Auftrag an die Erziehungswissenschaftliche<br />

Fakultät der TU Dresden zu vermitteln. Diese Annahme ist zumindest<br />

<strong>sehr</strong> nahe liegend.<br />

Frau Ludwig, wenn Sie tatsächlich von der<br />

erziehungswissenschaftlichen Bewertung die Sinnfälligkeit der<br />

Wiedereinführung der Kopfnoten in Sachsen abhängig machen, so ist<br />

das für mich nicht nachvollziehbar, zumal die<br />

erziehungswissenschaftliche Bewertung, insbesondere wie sie hier in<br />

Sachsen auch durch Wissenschaftler der TU Dresden vorgenommen wird,<br />

an Objektivität <strong>sehr</strong> oft zu wünschen übrig lässt.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, damit komme ich zum eigentlichen Problem<br />

zurück. Ich will an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen,


was aus unserer Sicht die Wiedereinführung dieser Art der Bewertung<br />

rechtfertigt. Es muss mit allem Nachdruck darauf hingewiesen<br />

werden, dass es nicht um die leichtfertige Bewertung von<br />

Verhaltensnormen <strong>und</strong> Lerneinstellungen geht; es geht auch nicht um<br />

die Erziehung zum Strebertum, so wie dies bei der Wiedereinführung<br />

der Kopfnoten <strong>und</strong> auch heute wieder unterstellt worden ist. Ziel<br />

ist es schlicht <strong>und</strong> ergreifend, die Transparenz des<br />

Erziehungsauftrages stärker herauszustellen <strong>und</strong> die Aufmerksamkeit<br />

auf den Erziehungsauftrag in seiner ganzen Komplexität zu lenken.<br />

Es geht auch um die Motivation aller an Schule Beteiligten, also<br />

der Lehrer, der Eltern <strong>und</strong> der Schüler gleichermaßen, sich diesen<br />

Anforderungen zu stellen, aber nicht unverbindlich, sondern nach<br />

bestimmten festgesetzten Normen <strong>und</strong> in einem bestimmten<br />

Bewertungssystem. Wenn mittlerweile in einer Verordnung auch<br />

Vorgaben enthalten sind, die in die Bewertung einfließen, dann wird<br />

damit die Aufmerksamkeit auch auf die Vielfalt der möglichen<br />

Erziehungs- <strong>und</strong> Entwicklungskompetenzen gelenkt, die es zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> wechselseitig zu bewerten gilt.<br />

Frau Ludwig, ich sehe kein Problem darin, sondern eine Chance, dass<br />

es sich auch um einen Prozess des Sammelns von Erfahrungen <strong>und</strong> der<br />

Verständigung in den Kollegien in diesem Erziehungsprozess handelt.<br />

Jetzt trage ich Ihnen eine Aussage vor, die nicht von mir stammt,<br />

sondern die ich auf einer Veranstaltung zum Aktionstag von einer<br />

Praktikerin, einer Lehrerin, hörte. Erstens wurde mir gesagt, dass<br />

Lehrer <strong>sehr</strong> wohl in der Lage sind mit den Kopfnoten sachgerecht<br />

umzugehen, <strong>und</strong> dass es überhaupt nicht darum geht, die Bewertung<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage der Verordnung nach Schema F abzuarbeiten.<br />

Vielmehr ist es in der Schulkonferenz <strong>und</strong> im Rahmen der<br />

Verständigung im Lehrerkollegium durchaus möglich, eine gemeinsame<br />

Gr<strong>und</strong>lage zu finden, um sich zu der Frage der Bewertung zu<br />

verständigen <strong>und</strong>, darauf aufbauend, auch den pädagogischen Prozess<br />

an der Schule rückwirkend zu beeinflussen. Das sind die Erfahrungen<br />

aus der Praxis, die man nicht leichtfertig diskreditieren sollte.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Abgeordneter, Sie gestatten<br />

jetzt eine Zwischenfrage?<br />

Colditz, CDU: - Bitte.<br />

Frau Ludwig, SPD: Herr Kollege Colditz, haben Sie schon einmal mit<br />

den vielen Fachlehrern, die 200 Schüler betreuen, darüber<br />

gesprochen, wie sie mit Kopfnoten umgehen müssen <strong>und</strong> welche<br />

Bedenken sie haben?<br />

Colditz, CDU: Frau Ludwig, ich habe eben gesagt, dass es sich<br />

weniger um ein Problem handelt, das zentral diskutiert werden kann;<br />

es muss an der einzelnen Schule diskutiert werden. Ich habe einen<br />

Erfahrungsbericht aus der Praxis wiedergegeben. Am Montag war ich<br />

an einer etwas größeren Dresdner Schule, wo die Situation durch den<br />

Schulleiter ähnlich dargestellt worden ist. Wenn das Engagement vor<br />

Ort vorhanden ist, sind Kopfnoten keine Einzelentscheidungen,<br />

sondern sie werden durch die Lehrerkollegien gemeinsam erarbeitet<br />

<strong>und</strong> festgelegt werden können. Die eigentliche Chance liegt darin,<br />

dass damit auch der Erziehungsprozess an den Kollegien in den<br />

Schulen viel intensiver ausgestaltet werden kann, als dies bislang<br />

womöglich der Fall ist. In der Verbindung mit dem Worturteil haben<br />

Sie zudem auch mehr Transparenz <strong>und</strong> ein höheres Maß an<br />

Aussagefähigkeit zur Persönlichkeitsentwicklung insgesamt.


Wir wollen, dass der Umgang <strong>und</strong> die Erfahrung mit der Erteilung der<br />

Kopfnoten vor allem auf der Ebene der Schulpraxis <strong>und</strong> in<br />

Rückkoppelung mit der Schulverwaltung weiter umgesetzt <strong>und</strong><br />

qualifiziert wird. Dies ist in der Schulpraxis wesentlich besser<br />

gestaltbar als durch wissenschaftlich vorgegebene Positionen, die<br />

in die Öffentlichkeit gebracht werden <strong>und</strong> mit denen womöglich<br />

dieses Vorhaben auf <strong>sehr</strong> einseitige Weise diskreditiert wird.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, damit schließt sich der Kreis zu meinen<br />

eingangs gemachten gr<strong>und</strong>sätzlichen Bemerkungen. Die<br />

bildungspolitischen Schwerpunkte der Weiterentwicklung des<br />

sächsischen Schulwesens richten sich aktuell <strong>und</strong> auch in Zukunft<br />

auf Konzepte <strong>und</strong> Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung von Unterricht<br />

<strong>und</strong> Erziehung. Wir wollen durch die Schaffung von vernünftigen<br />

Rahmenbedingungen unser Schulsystem zukunftsfähig machen <strong>und</strong> dabei<br />

bewusst auf vorhandene inhaltliche Angebote <strong>und</strong> Strukturen<br />

aufbauen, statt sie so generell infrage zu stellen, wie es<br />

gegenwärtig zum Teil geschieht. Insofern haben wir auch die<br />

Berichte zu den vorliegenden Anträgen ein Stück weit zum Anlass<br />

nehmen können, um den aktuellen Entwicklungsstand transparent zu<br />

machen.<br />

Wir gehen davon aus, dass es keiner weiteren gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Anstöße seitens der Opposition bedarf, um solche Prozesse in Gang<br />

zu bringen. Sie sind im Gange, sie werden gestaltet. Wir werden<br />

diese Prozesse inhaltlich begleiten <strong>und</strong> durch konkrete Konzepte <strong>und</strong><br />

Ressourcen weiter untersetzen.<br />

Insofern gehen wir davon aus, dass die beiden Anträge zur<br />

Kompetenzentwicklung erledigt sind. Den Antrag zur<br />

wissenschaftlichen Begleitung der Kopfnoten lehnen wir aus den<br />

genannten Gründen ab.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Es gibt noch Redebedarf vonseiten<br />

der PDS-Fraktion. Herr Dr. Hahn, bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Ich kann es kurz machen. Herr Kollege Colditz, natürlich<br />

wollen auch wir die Zukunftsfähigkeit der sächsischen Schulen. Ich<br />

denke jedoch, dass der Ansatz, den Sie insbesondere bezüglich der<br />

Kopfnoten vertreten, falsch ist.<br />

Wir halten Kopfnoten nicht für ein geeignetes pädagogisches Mittel,<br />

um das, was Sie eigentlich postulieren <strong>und</strong> was wir in Bezug auf die<br />

Kompetenzverbesserung an den Schulen sowie in Bezug auf<br />

Kommunikation <strong>und</strong> Sozialverhalten wollen, zu befördern. Das ist der<br />

Gr<strong>und</strong> dafür, dass ich mich noch einmal gemeldet habe. Es geht um<br />

den Antrag der SPD zu den Auswirkungen der Kopfnoten.<br />

Wir haben insofern etwas Schwierigkeiten mit diesem Antrag, weil<br />

wir die Kopfnoten gr<strong>und</strong>sätzlich ablehnen. Abgesehen davon, dass wir<br />

Kopfnoten ablehnen, wollen wir nicht noch Geld für eine<br />

wissenschaftliche Untersuchung ausgeben. Allerdings kann es auch<br />

Gründe für diese wissenschaftliche Untersuchung geben. Wenn sie<br />

nämlich so ausgeht, wie wir es annehmen,<br />

(Lachen bei der CDU)<br />

<strong>und</strong> zwar, dass die Kopfnoten nicht das geeignete Mittel sind, dann<br />

könnte das vielleicht dem Kultusminister doch noch auf die Sprünge<br />

helfen.<br />

(Lachen bei der CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

Die Wissenschaft lebt von Hypothesen! Davon


habt Ihr wahrscheinlich keine Ahnung!)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich frage die Staatsregierung, ob<br />

sie zu sprechen wünscht. - Herr Dr. Rößler, bitte.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Sehr geehrte Frau<br />

Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> geehrten <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> Abgeordnete!<br />

Thomas Colditz hat heute eigentlich den entscheidenden Satz<br />

geprägt: <strong>Der</strong> Ressourcendebatte, die für die Schule gut auszugehen<br />

scheint, muss eine inhaltliche Debatte folgen. Wir können nicht<br />

immer bei der Ressourcendebatte stehen bleiben. Das haben die<br />

Aktionstage gezeigt.<br />

Ich war mit Frau Kollegin Strempel in Meißen. Außer einer kleinen<br />

Pressure-Group von der PDS war dort kein Abgeordneter, Frau<br />

Kollegin Werner. Insofern muss ich sagen, für den organisierten<br />

Protest fehlten die Abgeordneten. Wir müssen einfach zu einer<br />

sachlichen inhaltlichen Debatte darüber kommen, was Schule leisten<br />

kann <strong>und</strong> was Schule leisten soll.<br />

Herr Kollege Hatzsch, mir hat diesbezüglich Ihr Redebeitrag<br />

gefallen. Dazu haben Ihre beiden ersten Anträge bereits einen<br />

Beitrag geleistet. Denn es geht um Folgendes: Es geht um<br />

Kompetenzen, die sowohl Schüler als auch Lehrer betreffen. Bei den<br />

Schülern geht es um die Förderung sozialer <strong>und</strong> personaler<br />

Kompetenzen. Bei den Lehrern geht es selbstverständlich um die<br />

Förderung der erzieherischen Kompetenzen. Es geht auch um eine<br />

Bewertung dieser Kompetenzen, um die Kopfnoten. Darüber sollte man<br />

im Zusammenhang diskutieren <strong>und</strong> das tun wir.<br />

Ihre ersten beiden Anträge, Herr Hatzsch, sind doch eigentlich<br />

selbstverständlicher Bestandteil des Erziehungs- <strong>und</strong><br />

Bildungsauftrages sächsischer Schulen.<br />

Dieser Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsauftrag sowie die Stoßrichtung Ihres<br />

Antrages sind auch in die Formen, Inhalte <strong>und</strong> Ziele der Lehrpläne<br />

integriert. Mit diesen Lehrplänen ist dem Lehrer ein Rahmen für<br />

seine Tätigkeit vorgegeben. Er muss natürlich Freiräume, die ihm<br />

der Rahmen gibt, ausnutzen, <strong>und</strong> zwar durch moderne<br />

Unterrichtsmethoden, Werkstattarbeit, Projekte <strong>und</strong> vieles andere<br />

mehr. Dazu braucht er Sicherheit <strong>und</strong> Zeit.<br />

Frau Kollegin Werner, Sie sprachen die Lehrplanarbeit an. Ich will<br />

wirklich deutlich machen, worin wir die beiden Phasen unserer<br />

Lehrplanarbeit sehen. Die Klagen über überfüllte Lehrpläne kommen<br />

fast ausschließlich aus den Gymnasien.<br />

Pragmatisch, wie wir in Sachsen sind, habe ich bei einer<br />

Schulleitertagung der Gymnasien gesagt: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>,<br />

machen Sie mir doch einen Vorschlag, welche Teile des bestehenden<br />

Lehrplanes - es geht darum, kurzfristig zu handeln; wir wollen zum<br />

Schuljahresbeginn 2001 schon mit einem modifizierten Lehrplan<br />

antreten - Ihrer Meinung nach entscheidend sind. Was ist das<br />

Pflichtprogramm? Welcher Teil ist vielleicht das Kürprogramm, aus<br />

dem man auswählen kann? <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Machen Sie mir doch<br />

einen Vorschlag, aber bitte einigen Sie sich. Sie wissen, dass<br />

Hochschullehrer oder ganz allgemein Lehrer immer etwas haben, was<br />

sie für ganz besonders wichtig halten. Ich bin gespannt auf den<br />

Pflichtteil. Ich bin auch gespannt auf den Kürteil.<br />

Ich denke, wir werden mit unseren Schulleitern, engagierten<br />

Fachberatern <strong>und</strong> anderen zum Schuljahresbeginn 2001 eine deutliche<br />

Gliederung in Pflicht <strong>und</strong> Kür vorlegen können. Daran werden sich<br />

die Prüfungen orientieren.


Frau Kollegin Werner, wir sind stolz auf unsere zwölf Jahre bis zum<br />

Abitur. Ich war kürzlich im Saarland. Mein dortiger Kollege, Herr<br />

Jürgen Schreyer, wird den sächsischen Weg übernehmen. Wir haben<br />

auch über die Anzahl der St<strong>und</strong>en diskutiert. Es stimmt, dass wir am<br />

Nachmittag Unterricht haben. Wir haben aber an den Gymnasien auch<br />

Schulessen, was in vielen alten B<strong>und</strong>esländern gefordert wird. Wir<br />

haben auch Elemente der Ganztagsschule. Wir haben das sicherlich<br />

nicht ganz so angesteuert, aber diese Elemente stellen sich wie<br />

selbstverständlich ein.<br />

Es geht nicht um die St<strong>und</strong>enzahl pro Woche. Es geht darum, was in<br />

den St<strong>und</strong>en geschieht. Warum soll nicht auch Unterricht am<br />

Nachmittag stattfinden? Warum soll es nicht auch Elemente von<br />

Ganztagsschule geben? Das funktioniert in anderen Ländern,<br />

beispielsweise in Frankreich, gar nicht so schlecht.<br />

So groß kann der Leistungsdruck an sächsischen Gymnasien nicht<br />

sein, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>. In unserem Land machen 30 % eines<br />

Altersjahrganges Abitur. Als Vergleich möchte ich darauf hinweisen,<br />

dass es in Bayern fast 10 % weniger sind. Wenn das eine so<br />

wahnsinnige Überforderung wäre, dürfte der Anteil der Abiturienten,<br />

den ich in Sachsen für genau richtig halte, nicht so relativ hoch<br />

sein, verglichen mit anderen B<strong>und</strong>esländern.<br />

Trotzdem sage ich, dass wir auf dem Wege sind Freiräume zu<br />

schaffen. Wir müssen den Lehrern Sicherheit geben, damit sie diese<br />

Freiräume füllen können.<br />

Wir sind bereits bei der Lehrerfortbildung. Zur Lehrerfortbildung<br />

habe ich Ihnen in meiner schriftlichen Stellungnahme in einem<br />

Querschnitt angeboten - -<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Minister, gestatten Sie eine<br />

Zwischenfrage?<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: - Ja, gnädige Frau.<br />

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Gnädiger Herr Minister!<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Sie haben einen<br />

ausgesprochenen Charme, Frau Kollegin. Darum ist mir das so<br />

herausgerutscht.<br />

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Aha, ich dachte schon, weil ich so<br />

alt bin.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Sie sind doch nicht alt.<br />

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Sie werden von meiner Frage nicht<br />

begeistert sein. Ich habe aber keine andere Chance <strong>und</strong> muss Sie<br />

fragen.<br />

Sie sind <strong>sehr</strong> schnell vorangegangen. Sie haben von den Ressourcen<br />

der Schulen gesprochen <strong>und</strong> gesagt, dass man diesbezüglich auf gutem<br />

Wege sei. Ich möchte wissen - Sie sind für die Musikschulen noch<br />

verantwortlich -, ob Sie nach der gestrigen Pressemitteilung diese<br />

Frage immer noch so positiv im Hinblick auf die Musikschulen<br />

beantworten können.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Ich bin sicher, dass die<br />

Musikschulen die Ressourcen erhalten werden, die sie für ihre<br />

Arbeit benötigen. In welcher Form die Ressourcenverteilung dort<br />

organisiert wird, das müssen Sie unserer Phantasie <strong>und</strong> Vorstellung<br />

überlassen.<br />

Zurück zur Lehrerfortbildung. Ich denke, wir können nicht alles auf<br />

einmal tun. Lehrerfortbildung lässt sich nicht in einzelne<br />

detaillierte Segmente aufteilen.


Wir können sagen, dass allein im Zeitraum September 1999 bis<br />

Februar 2000 etwa 30 000 Lehrkräfte Fortbildungsveranstaltungen<br />

besucht haben. <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, das zeugt vom hohen<br />

Engagement der sächsischen Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer.<br />

Nun gibt es wirklich die Erscheinung, dass man lieber - ich sage es<br />

einmal auf diese Weise - die fachlichen Angebote als die Angebote<br />

mit ausgesprochen pädagogisch-psychologischen Inhalten annimmt. Wir<br />

müssen uns bemühen, diese Angebote zu verzahnen <strong>und</strong> dies in einer<br />

komplexeren Form anzubieten. Es geht darum, dass der Bedarf an<br />

fachlicher Fortbildung in solch einem Angebot zum einen Teil<br />

gestillt wird, <strong>und</strong> darum, dass die Notwendigkeit, pädagogischpsychologische<br />

Inhalte zu vermitteln, ebenfalls bedient wird.<br />

Diesbezüglich sind wir gefordert, bei der Lehrerfortbildung neue<br />

Angebote zu entwickeln.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir können dabei nicht nur auf die<br />

Schulleiter setzen. Wir werden im nächsten Jahr ein Netzwerk von<br />

Prozessmoderatoren <strong>und</strong> Supervisoren zur Unterstützung der Schulen<br />

installieren. Diese haben die Aufgabe zu beraten, fortzubilden <strong>und</strong><br />

zusammen mit H<strong>und</strong>erten von Fachberatern unsere Schulen vor Ort<br />

voranzubringen.<br />

Wir wollen also den Prozess der Schulentwicklung zielgerichtet<br />

begleiten.<br />

Frau Kollegin Werner, ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Sie dürfen<br />

unsere sächsischen Lehrer nicht unterschätzen. Selbstverständlich<br />

werden wir die Hilfe der genannten Personengruppen in Anspruch<br />

nehmen, aber die allermeisten sind versierte Fachleute, die diesen<br />

Prozess auch selbst zum großen Teil vorantreiben.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Jetzt komme ich zu den Kopfnoten. Wissen Sie, was ich an Ihrer<br />

Stelle nie gemacht hätte: mich gegen eine Sache zu stellen, die von<br />

der Masse der Bevölkerung eingefordert <strong>und</strong> gewollt ist,<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

<strong>und</strong> zwar nicht nur in den neuen B<strong>und</strong>esländern.<br />

Ich sage Ihnen ganz offen, ich war eigentlich mit den bisherigen<br />

Bewertungen - man ist vielleicht auch nicht ehrgeizig genug - in<br />

Verhalten <strong>und</strong> Mitarbeit zufrieden. Sie haben sich zehn Jahre nicht<br />

über die Bewertung in Mitarbeit aufgeregt, Frau Kollegin Ludwig.<br />

(Frau Ludwig, SPD: Wieso zehn Jahre?)<br />

Wir hatten immer die beiden Vermerke "Verhalten" <strong>und</strong> "Mitarbeit"<br />

auf unserem Zeugnis. Dann haben, wenn Sie so wollen, in einer<br />

Evaluierung von Tausenden Lehrern immer wieder Lehrerinnen <strong>und</strong><br />

Lehrer, aber auch Eltern gefordert, führen Sie doch bitte die<br />

traditionellen Kopfnoten "Betragen", "Fleiß", "Mitarbeit" <strong>und</strong><br />

"Ordnung" ein! Es gab große Widerstände in meinem Ministerium. Da<br />

wurde von DDR-Nostalgie geredet.<br />

(Jurk, SPD: Ist es auch!)<br />

Das Interessante jetzt ist, Herr Kollege Jurk, dieselben Kopfnoten<br />

will eine Mehrheit in den alten B<strong>und</strong>esländern auch. Nach der<br />

letzten Emnid-Umfrage wollen von Ihren SPD-Anhängern in Sachsen -<br />

es gibt ja nicht viele bei den lumpigen 10 %, ich sage es einmal so<br />

direkt - 91 % die Einführung der Kopfnoten <strong>und</strong> nur 90 % bei den<br />

CDU-Anhängern. Ihre Wähler, Herr Porsch, wollen es zu 90 %. So<br />

falsch können wir also nicht liegen.<br />

(Beifall bei der CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

Wir wären tapferer als Sie!)


<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Es war eigentlich eine Forderung der<br />

Betroffenen. Wir haben es getan, weil sie gesagt haben, uns sind<br />

die beiden Klassifizierungen "Mitarbeit" <strong>und</strong> "Verhalten" mit einem<br />

Worturteil nicht detailliert genug. Bitte schön, wir wollen diese<br />

Differenzierung in diese vier Kopfnoten.<br />

Sozialdemokratische Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in den<br />

Kultusministerien haben mir auch eifrig nachgeeifert. Das wissen<br />

Sie ja, Frau Ludwig. Wir haben im Leitantrag der CDU noch einmal zu<br />

den Kopfnoten Stellung genommen, die wir überall in Deutschland<br />

einführen wollen. Das wird Sie vielleicht etwas beruhigen. Wir<br />

haben sinngemäß formuliert: Kopfnoten sind nicht Ziel einer<br />

Diskussion um Erziehung, sondern ein Ausgangspunkt einer Diskussion<br />

um Erziehung. Kopfnoten senden Signale aus, über die anschließend<br />

Schüler, Eltern <strong>und</strong> Lehrer auch diskutieren müssen, um Betroffene<br />

in diesen Dingen voranzubringen.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Minister, gestatten Sie eine<br />

Zwischenfrage?<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Für Sie immer, Frau Ludwig,<br />

aber ich war gerade so in Fahrt.<br />

Frau Ludwig, SPD: Ich will Sie natürlich auch nicht bremsen, wenn<br />

Sie in Fahrt sind, Herr Minister. <strong>Meine</strong> Frage: Wo besteht aus Ihrer<br />

Sicht der Widerspruch zwischen Umfrageergebnissen, Zustimmungen von<br />

Bevölkerung zu einem Projekt, zu einer Sache <strong>und</strong> dem Ansatz, eine<br />

Sache, wenn man sie dann einführt, wissenschaftlich begleiten zu<br />

lassen?<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Wissen Sie, Frau Ludwig, es<br />

muss ja nicht immer ein Drittmittelprojekt für Ihre Klientel an der<br />

Technischen Universität Dresden sein.<br />

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abg. Prof.<br />

Dr. Porsch, PDS)<br />

- Herr Porsch will nach Leipzig. Wir wissen ja, an wen Sie bei der<br />

Begleitung der Projekte denken. Kollege Hahn weiß ja auch schon,<br />

was aus der Untersuchung herauskommt.<br />

(Beifall <strong>und</strong> Lachen bei der CDU)<br />

Das weiß er schon vorher. Ich weiß es auch.<br />

(Frau Ludwig, SPD: Dann machen Sie<br />

es doch zusammen!)<br />

Verlassen wir uns doch auf eines: Die Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer haben<br />

weniger Probleme mit den Kopfnoten, der Zensur. Wir wollten<br />

eigentlich, dass sie diese Kopfnoten im Halbjahr <strong>und</strong> im vollen Jahr<br />

mit einer verbalen Einschätzung begleiten. Damit gibt es viel<br />

größere Probleme. Ich komme den Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern auch<br />

entgegen <strong>und</strong> sage, wenn ihr auf dem Halbjahreszeugnis diese verbale<br />

Einschätzung zusätzlich zu den Kopfnoten als für zu viel empfindet,<br />

machen wir es folgendermaßen: Wir konzentrieren uns dann auf die<br />

verbale Beurteilung auf dem jeweiligen Jahreszeugnis. Zu den<br />

Kopfnoten selbst hat es in der Masse der Lehrerschaft wenig<br />

Widerstand <strong>und</strong> Kritik gegeben. Viel größere Probleme macht die<br />

verbale Beurteilung.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Minister, lassen Sie noch<br />

eine Zwischenfrage zu? Ich habe immer gewartet, dass Sie einmal<br />

eine Redepause einlegen.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Ich weiß schon, Sie wollen<br />

mich in meinem Redefluss bremsen, aber das ist dann die letzte. Ich


muss nämlich dann zum Schluss kommen, damit wir noch die anderen<br />

Anträge behandeln können. Die Zeit ist schon fortgeschritten.<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Sie<br />

zum Schluss kommen, Herr Staatsminister.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Dann unterbrechen Sie mich<br />

doch nicht dauernd!<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Es interessiert mich trotzdem brennend.<br />

Sie haben Herrn Hahn vorgeworfen, dass er eine Hypothese über den<br />

möglichen Ausgang einer wissenschaftlichen Untersuchung aufgestellt<br />

hat. Die Hypothese ist ein ganz wichtiges Element im Prozess<br />

wissenschaftlicher Untersuchungen. Können Sie mir dann sagen, wenn<br />

Sie Herrn Hahn vorwerfen, er hätte das Ergebnis vorweggenommen,<br />

warum Sie die Kopfnoten einführen, bevor Sie überhaupt wissen, wie<br />

eine wissenschaftliche Untersuchung dazu ausgehen könnte?<br />

(Zuruf von der CDU: Das sagt der<br />

ges<strong>und</strong>e Menschenverstand!)<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus: Wir haben die Kopfnoten auf<br />

das Drängen der Betroffenen, der Eltern <strong>und</strong> der Lehrer <strong>und</strong> auch<br />

einer wenn auch kleineren Mehrheit der Schüler eingeführt.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

In dem Land bilden sich ja Wissenschaftler <strong>und</strong> andere ein, sie<br />

wüssten viel besser, was für die Leute gut oder schlecht ist.<br />

Lassen Sie doch die Betroffenen entscheiden. Wir werden diesen<br />

Prozess begleiten. Wir werden sehen, ob man mit den Kopfnoten in<br />

Sachsen zufrieden ist oder nicht. Ich verspreche Ihnen, wir werden<br />

Ihnen in regelmäßigen Abständen darüber berichten <strong>und</strong> unser<br />

Comenius-Institut <strong>und</strong> andere Institutionen diesen Prozess begleiten<br />

lassen. Lassen Sie doch endlich die Leute einmal in diesem Land,<br />

Frau Ludwig, Herr Porsch, nach ihrer Fasson glücklich werden <strong>und</strong><br />

lassen Sie doch ihnen ihre Kopfnoten, wenn sie damit zufrieden<br />

sind.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU - Jurk, SPD: Wenn<br />

die Mehrheit Kopfnüsse will, werden Sie<br />

die auch noch verteilen!)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich frage zunächst die Abg. Frau<br />

Ludwig, Sie hatten vorhin eine Wortmeldung, die ich leider zu spät<br />

entdeckt habe: Wollen Sie noch etwas dazu sagen? Das ist möglich.<br />

Wir haben die Aussprache noch nicht abgeschlossen.<br />

Frau Ludwig, SPD: Frau Kollegin, ich erteile das meinem Kollegen<br />

nachher noch.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Danke schön. Ich bitte nun die<br />

SPD-Fraktion um das Schlusswort. Herr Abg. Hatzsch.<br />

Hatzsch, SPD: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte<br />

Kollegin, <strong>sehr</strong> geehrter Herr Staatsminister Dr. Rößler! Ihr<br />

wichtigster Satz, Herr Colditz <strong>und</strong> Herr Staatsminister, findet<br />

meine Zustimmung: Es muss der Ressourcendebatte, deren Ergebnisse<br />

wir noch nicht kennen - wir hören nur einiges <strong>und</strong> freuen uns<br />

darüber, misstrauen vielem, das liegt an den Erlebnissen mit Ihnen<br />

-, eine inhaltliche Debatte folgen. Das war der wichtigste Satz des<br />

Tages.<br />

Herr Kollege Colditz, Sie mussten sich ja geradezu verbiegen, als<br />

Sie begründen wollten, dass Sie unseren Anträgen nicht folgen<br />

können.<br />

(Beifall bei der SPD)


Sie haben sich ja inzwischen revidiert, weil Sie dem Minister immer<br />

<strong>sehr</strong> aufmerksam zuhören, <strong>und</strong> stimmen unseren Anträgen zu. Herr<br />

Minister hat ja ausdrücklich gesagt, diese Anträge sind eine<br />

Selbstverständlichkeit an sächsischen Schulen. Sie sind gut. Sie<br />

befördern etwas. Demzufolge kann man nicht dagegen stimmen.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Sich zumindest der Stimme zu enthalten, Herr Colditz, ist für Ihre<br />

Fraktion ein dringendes Gebot, wenn Sie nicht gegen die<br />

Redebeiträge Ihres eigenen Ministers verstoßen wollen. Es sind<br />

Dinge, die wir hier anmahnen.<br />

Ich habe auch mit Freuden wahrgenommen, Herr Kollege Rößler, dass<br />

Elemente der Ganztagsschule in Sachsen an Gymnasien ein durchaus<br />

befördernswertes Instrument sein könnten. Auch das ist ein ganz<br />

wichtiger Schritt. Wir werden nachfragen. Ein entsprechender Antrag<br />

ist ja seit wenigen Tagen schon im Geschäftsgang.<br />

Nun will ich den anderen Teil bringen. Herr Kollege Rößler, Herr<br />

Kollege Colditz! Die Debatte zu den Kopfnoten war von Ihrer Seite<br />

gespenstig. Wenn Sie schon nicht unserem Antrag zustimmen können -<br />

dafür habe ich ja wegen der wissenschaftlichen Begleitung in<br />

gewisser Weise Verständnis,<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Die fällt aus!)<br />

weil Sie ja befürchten müssten, es kommt nicht das heraus, was Sie<br />

gern hätten;<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

ich kann verstehen, dass Sie nicht zustimmen - fordere ich Sie auf,<br />

Herr Colditz <strong>und</strong> Frau Henke, bringen Sie uns einige<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse aus dieser Zeit <strong>und</strong> ernst zu<br />

nehmende Beiträge von Leuten, die die Einführung von Kopfnoten -<br />

ich will gar nicht von Sachsen reden - als eine gute<br />

Erziehungsmethode betrachten.<br />

Über das Ziel sind wir uns wieder einig. Es müssen Kompetenzen an<br />

unseren Schulen ausgebildet werden, dass dies ein richtiger Weg<br />

dorthin sei. Bringen Sie mir bitte den Beweis durch irgendwelche<br />

Literatur - ich kann selbst lesen -<br />

(Leroff, CDU: Oh! - Beifall bei der CDU)<br />

<strong>und</strong> vielleicht können Sie mich auf diese Weise überzeugen.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Hatzsch, gestatten Sie eine<br />

Zwischenfrage?<br />

Hatzsch, SPD: - Aber selbstverständlich.<br />

Colditz, CDU: Herr Kollege Hatzsch, ehe wir die Sachlichkeit dieser<br />

Debatte endgültig verlassen, will ich noch einmal nachfragen zu<br />

dem, was Sie eben gesagt haben. Ich habe Ihre Initiativen immer so<br />

verstanden, dass Sie <strong>sehr</strong> viel Wert darauf legen, die Erfahrungen,<br />

die an den örtlichen Schulen gesammelt werden, aufzugreifen, zu<br />

verallgemeinern <strong>und</strong> in letzter Instanz zu befördern, auch staatlich<br />

zu befördern. Sie haben <strong>sehr</strong> viel Wert darauf gelegt, den<br />

Elternwillen besonders mit einfließen zu lassen, auch was die<br />

Gestaltung pädagogischer Prozesse anbelangt.<br />

Ich habe versucht, in meinen so "gespenstischen" Ausführungen, - -<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Die Frage bitte.<br />

Colditz, CDU: - Ich muss diesen Vorspann ganz einfach bringen.<br />

Ich habe in meinen so "gespenstischen" Aussagen dargestellt, dass<br />

es eine breite Bevölkerungsmehrheit gibt, die der Einführung von<br />

Kopfnoten zugestimmt hat, darunter natürlich besonders die Eltern,<br />

aber auch die Wirtschaft hat dem zugestimmt. Und es gibt


mittlerweile auch aus der Praxis heraus gute Erfahrungen in der<br />

Umsetzung <strong>und</strong> im Umgang mit den Kopfnoten, wenn sie nicht unbedingt<br />

gewerkschaftlich einseitig formiert sind.<br />

Wie bringen Sie dies in Einklang mit Ihren Vorstellungen? Warum<br />

wollen Sie darauf jetzt noch ein wissenschaftliches Gutachten<br />

setzen, wo das doch eigentlich schon klar ist <strong>und</strong> wo die<br />

Erfahrungswerte überzeugend vorhanden sind? Warum brauchen wir da<br />

noch einmal eine wissenschaftliche Bewertung?<br />

(Unruhe bei der SPD)<br />

Hatzsch, SPD: Herr Kollege Colditz, die Antwort von meiner Seite<br />

ist eigentlich ganz klar <strong>und</strong> deutlich. Wir können es uns nicht<br />

leisten, wenn wir es uns schon "leisten", dass 10 % unserer<br />

sächsischen Kinder jedes Jahr die Schule verlassen, ohne dass sie<br />

einen Schulabschluss haben. Das ist eine Schande für das gesamte<br />

Bildungssystem.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Was wird mit diesen Kindern, die natürlich nicht in jedem Falle<br />

schlecht veranlagt sind, die also nicht von der Anlage her - sagen<br />

wir mal - förderschulmäßig betreut werden müssen, diesen Kindern,<br />

die der Erziehungshilfe bedürfen, diesen Kindern, denen geholfen<br />

werden muss, die Lernschwierigkeiten haben? Ich weiß doch genau,<br />

was los ist! Natürlich nimmt es kein Elternteil übel, wenn sein<br />

Kind mit einer Eins in Betragen nach Hause kommt, da wird doch das<br />

Elternhaus nur bestätigt. Und was machen wir mit denen, die mit<br />

einer Fünf nach Hause kommen? - Die werden ausselektiert.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Da sind mir diese zehn <strong>und</strong> mehr Prozent sächsischer Kinder für<br />

einen groß angelegten Feldversuch zu viel, an dessen Ende unter<br />

Umständen ein Ergebnis steht, dass sie daraufhin noch mehr zum<br />

Schulversager gestempelt werden, wenn es schon so schlimm ist. Und<br />

Sie wollen mir doch nicht einreden, wenn wir hier über<br />

Gewaltprävention an sächsischen Schulen reden, dass die Einführung<br />

von Betragensnoten ein Weg dorthin ist, um der ausgeübten Gewalt<br />

entgegenzuwirken. Was wir machen, ist doch genau das Gegenteil!<br />

Bringen Sie mir deswegen endlich die Beweise,<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

wenn Sie schon keine Begleitung durchführen! Wenn Sie schon nicht<br />

das Geld ausgeben wollen, dann bringen Sie mir doch bitte die<br />

wissenschaftlichen Belege dafür, dass irgendwann im vergangenen<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert oder - sagen wir mal - nach DDR-Zeiten, ab 1990<br />

irgendwo in der B<strong>und</strong>esrepublik mit Kopfnoten irgendetwas positiv<br />

bewegt worden wäre.<br />

Herr Kollege Rößler, wenn wir eine Emnid-Umfrage starten würden, ob<br />

die Eltern, die Schüler, die Leute in Sachsen damit einverstanden<br />

sind, dass das Urteil über den Jugendlichen in Meißen ausreichend<br />

hoch ist, dann würden Ihnen 80 oder 90 % der Sachsen antworten: Das<br />

reicht nicht! Weil sie nicht verstehen, dass der Resozialisierung -<br />

- Mein Gott!<br />

(Unruhe im Saal)<br />

Wenn Sie eine Emnid-Umfrage in Sachsen starten wollten, ob<br />

Sexualtäter in Zukunft kastriert werden müssen, dann würde die<br />

Bevölkerung dafür sein. Und wenn Sie die Einführung der Todesstrafe<br />

wieder fordern, dann würden Sie auch über 50 % Zustimmung bekommen!<br />

(Lebhafter Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)


2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir<br />

kommen zur Abstimmung. - Herr Abg. Dr. Hahn?<br />

Dr. Hahn, PDS: Frau Präsidentin! Nach der Geschäftsordnung habe ich<br />

die Möglichkeit, vor der Abstimmung noch eine sachliche<br />

Richtigstellung vorzunehmen.<br />

1. <strong>Der</strong> Staatsminister hat hier erklärt, in der Veranstaltung zum<br />

Aktionstag in Meißen sei kein Abgeordneter der PDS anwesend<br />

gewesen. Dies ist falsch. Vielleicht hat es der Minister nicht<br />

mitbekommen, weil er einigermaßen verspätet zu der Veranstaltung<br />

erschienen ist.<br />

(Vereinzelt Gelächter bei der PDS -<br />

Zurufe von der CDU: Namen!)<br />

Richtig ist also, dass die Einladung - - Hören Sie doch erst einmal<br />

zu!<br />

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)<br />

Da die PDS in Meißen keinen <strong>Landtag</strong>sabgeordneten hat <strong>und</strong> auch keine<br />

Einladung an die <strong>Landtag</strong>sfraktion gegangen ist, sondern die<br />

Organisatoren den Kreisvorstand der PDS <strong>und</strong> die Kreistagsfraktion<br />

eingeladen haben, waren die Vorsitzende des Kreisvorstandes <strong>und</strong> die<br />

Fraktionsvorsitzende im Kreistag, beide auch Abgeordnete, anwesend<br />

<strong>und</strong> haben sich an der Diskussion beteiligt.<br />

(Widerspruch bei der CDU)<br />

Es stimmt also nicht, dass die PDS nicht vertreten war.<br />

2. <strong>Der</strong> Minister hat im Zusammenhang mit der Einführung der<br />

Kopfnoten mehrfach darauf hingewiesen, dass dies von der<br />

Bevölkerung gewollt sei. Sie seien auf Drängen der Betroffenen<br />

eingeführt worden. Dazu stelle ich fest: Die Bevölkerung wünscht<br />

auch eine Klassenleiterst<strong>und</strong>e, kleinere Klassen <strong>und</strong> den Erhalt<br />

kleiner Schulen.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Hier wird das nicht getan.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Abgeordneter, der letzte<br />

Punkt war keine sachliche Richtigstellung.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Falsch war es auch nicht.)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir kommen jetzt zu der angekündigten<br />

Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 3/0782, Antrag der SPD-<br />

Fraktion, "Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler Kompetenzen<br />

sächsischer Schüler", zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmt,<br />

den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer<br />

enthält sich der Stimme? - Bei einer großen Anzahl von Zustimmungen<br />

ist dem Antrag mehrheitlich nicht entsprochen worden <strong>und</strong> diese<br />

Drucksache demzufolge nicht beschlossen.<br />

Bevor wir zur Abstimmung über die nächste Drucksache kommen, frage<br />

ich die Antragstellerin, die Fraktion der SPD, ob sie gemäß § 53<br />

Abs. 6 der Geschäftsordnung den Punkt 1 des vorliegenden Antrages<br />

für erledigt erklären will. Hier sollte die Staatsregierung<br />

berichten. - Das möchten Sie so. Insofern erkläre ich den Punkt 1<br />

des Antrages für erledigt.<br />

Ich stelle nun die Drucksache 3/0783, Antrag der Fraktion der SPD,<br />

"Stärkung der erzieherischen Kompetenz sächsischer Lehrer", in den<br />

Punkten 2 <strong>und</strong> 3 zur Abstimmung. Wer diesen Punkten 2 <strong>und</strong> 3 des<br />

genannten Antrages der SPD-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Ich danke. Wer stimmt dagegen? - Ich erkenne<br />

gleiches Stimmverhalten wie vorhin. Es gibt eine große Zahl von<br />

Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.


<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir kommen zur Abstimmung über die<br />

Drucksache 3/1283, Antrag der Fraktion der SPD, "Auswirkungen der<br />

Kopfnoten". Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung <strong>und</strong> bitte bei<br />

Zustimmung um Ihr Handzeichen. - Ich danke. Wer stimmt dagegen? -<br />

Wer enthält sich der Stimme? - Es gibt Stimmen dafür <strong>und</strong> einige<br />

Stimmenthaltungen. Mehrheitlich ist diesem Antrag nicht entsprochen<br />

worden.<br />

Herr Abg. Colditz, wollen Sie Ihr Abstimmungsverhalten erklären? -<br />

Ich bitte.<br />

Colditz, CDU: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Im Blick<br />

auf die doch etwas <strong>sehr</strong> unsachlichen Ausführungen am Schluss der<br />

Debatte möchte ich mein Abstimmungsverhalten oder unser<br />

Abstimmungsverhalten noch einmal zu diesen beiden Anträgen, die<br />

sich mit der Kompetenzentwicklung befassen, darstellen.<br />

Herr Hatzsch, wenn Sie in Ihrem eigenen Antrag nachlesen, dann<br />

steht dort: "Die Staatsregierung wird ersucht zu sichern ..." <strong>und</strong><br />

dann kommt das, was inhaltlich dargestellt wird. Ich denke, ich<br />

habe mit meinem Redebeitrag deutlich gemacht - <strong>und</strong> das war der<br />

Inhalt, der war überhaupt nicht zu verdrehen -, dass es nicht darum<br />

gehen muss, diese Prozesse erst in Gang zu setzen, sondern dass sie<br />

sich bereits in Gang befinden - sie sind sicherlich inhaltlich<br />

weiter zu qualifizieren, das hat auch der Staatsminister deutlich<br />

gesagt, aber dass es nicht darum geht, diese Prozesse erst in Gang<br />

zu setzen. Insofern sind wir davon ausgegangen, <strong>und</strong> damit habe ich<br />

meinen Redebeitrag geschlossen, dass diese Anträge bereits auf den<br />

Weg gebracht sind <strong>und</strong> dass es keiner weiteren Beschlussfassung in<br />

diesem Sinne bedarf.<br />

Deshalb haben wir es abgelehnt. Insofern sollten wir das so stehen<br />

lassen, ehe wir im Nachgang wieder etwas Falsches interpretieren.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Colditz, danke, dass Sie<br />

noch den letzten Satz gesprochen haben. Ansonsten war schwer zu<br />

erkennen, weshalb Sie so abgestimmt haben.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! <strong>Der</strong> Tagesordnungspunkt ist beendet.<br />

Ich möchte Ihnen folgende Informationen geben: Die Fraktionen haben<br />

sich darauf verständigt, einige Punkte von der Tagesordnung zu<br />

nehmen. Es sind der Tagesordnungspunkt 10, Antrag der Fraktion der<br />

CDU, Kurortegesetz; der Tagesordnungspunkt 12, Anträge der Fraktion<br />

der SPD zu Kulturbauten <strong>und</strong> der Antrag der Fraktion der CDU zu<br />

Kulturstrukturen; der Tagesordnungspunkt 13, Antrag der Fraktion<br />

der PDS, Sanierung von kommunalen Brücken, <strong>und</strong> der Antrag der<br />

Fraktion der PDS im Tagesordnungspunkt 14 - IT-Zeitalter.<br />

Die Punkte 10, 12, 13 <strong>und</strong> 14 sind also nach Verständigung in den<br />

Fraktionen heute von der Tagesordnung abgesetzt.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir treten jetzt in den Tagesordnungspunkt<br />

10 ein. Das ist der ursprünglich bei Ihnen auf der Tagesordnung<br />

ausgewiesene Tagesordnungspunkt 11.<br />

Tagesordnungspunkt 10<br />

Absicherung der Graduiertenförderung an den sächsischen Hochschulen<br />

Drucksache 3/1378, Antrag der Fraktion der PDS, mit Stellungnahme<br />

der Staatsregierung<br />

Die Fraktionen können hierzu sprechen. Die Reihenfolge in der<br />

ersten R<strong>und</strong>e: PDS, CDU, SPD, CDU <strong>und</strong>, wenn die Staatsregierung es<br />

wünscht, sodann die Staatsregierung.


Ich erteile der Fraktion der PDS als antragstellender Fraktion das<br />

Wort. Herr Prof. Bramke, bitte.<br />

Prof. Dr. Bramke, PDS: Frau Präsidentin! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

<strong>Der</strong> Antrag der PDS zielt auf ein ernstes Problem, auf die<br />

langfristige Sicherstellung von wissenschaftlichem Nachwuchs.<br />

Und das ist meine, ich nehme an, einzige unernste Bemerkung: Die<br />

Debatte jetzt eben, wie ein wichtiges Element in die Bildung<br />

eingeführt werden soll <strong>und</strong> welche Rolle dabei wissenschaftliche<br />

Untersuchungen spielen können, hat gezeigt, wir können gar nicht<br />

genügend Wissenschaftler haben, um mit größerem Ernst solche Dinge<br />

zu behandeln.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Ich möchte aber der Fairness halber sagen: Das war eine Idee, die<br />

mir Kollege Porsch gerade vermittelt hat.<br />

(Unruhe bei der PDS)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir haben diesen Antrag sorgfältig<br />

vorbereitet. Wir haben zunächst eine Kleine Anfrage an die<br />

Staatsregierung gestellt. Diese Anfrage wurde sorgfältig <strong>und</strong> nach<br />

Möglichkeit der Situation beantwortet.<br />

Wir haben eine ganze Reihe von Gesprächen geführt <strong>und</strong> wir sind auch<br />

dankbar, dass es eine Diskussion am R<strong>und</strong>en Tisch am 13. Juni, also<br />

vor wenigen Tagen erst, gegeben hat, initiiert vom Arbeitskreis<br />

<strong>Sächsische</strong> Graduiertenförderung der Technischen Universität<br />

Dresden, in der es zwar schwerpunktmäßig um Probleme der<br />

Graduierten der TU Dresden gegangen ist. Sie war aber<br />

dankbarerweise ausgeweitet worden zu einer Beratung der Graduierten<br />

der vier sächsischen Universitäten mit Hinzuziehung der Vertreter<br />

der Politik <strong>und</strong> der Staatsregierung.<br />

Das Wissenschafts- <strong>und</strong> Kunstministerium war durch seinen Minister<br />

<strong>und</strong> einen weiteren Mitarbeiter vertreten. Bedauerlicherweise fehlte<br />

das gleichfalls eingeladene Finanzministerium. Kann man auch<br />

verstehen, dass der Finanzminister selbst nicht erschienen ist, um<br />

sich im Vorfeld der Haushaltsdebatte nicht festlegen zu müssen, so<br />

wäre es doch ganz bestimmt eine gute Geste gewesen, wenn wenigstens<br />

ein Vertreter des Finanzministeriums da gewesen wäre. So war es<br />

auch eine Geste, aber eine <strong>sehr</strong> negative, wenn man von vornherein<br />

nicht hören will, was möglicherweise Kritik an der Finanzpolitik<br />

sein könnte.<br />

Die Lage in der Graduiertenförderung wurde in dieser Beratung als<br />

ernst bezeichnet.<br />

Und hier möchte ich doch noch eine Bemerkung machen, die sich auf<br />

die Debatte knapp vier Wochen zuvor zur Lage der Hochschulen<br />

bezieht. Ich meine die Aktuelle Debatte.<br />

Da gab es eine Rangelei zwischen dem Ministerpräsidenten <strong>und</strong> mir.<br />

Er ist im Augenblick nicht da, aber es sind ja mehrere<br />

Kabinettskollegen da, die ihm vielleicht meine mögliche Demut<br />

überbringen.<br />

Er hatte hier einen gottvollen Stoßseufzer ausgebracht <strong>und</strong> meine<br />

harsche Zurückweisung dann mit der sachlich gemeinten Begründung<br />

angereichert, ich sei nicht objektiv gewesen. Möglicherweise hatte<br />

er Recht. Und deshalb werde ich mich auch möglicherweise<br />

entschuldigen.<br />

Er hat wahrscheinlich gemeint, ich habe die Lage beschönigend<br />

dargestellt.<br />

(Teilweise Heiterkeit)


Er kann es eigentlich gar nicht anders gemeint haben, denn in den<br />

Veranstaltungen, die ich danach besucht habe <strong>und</strong> die viele mit mir<br />

zusammen besucht haben, ist wesentlich härter geurteilt worden, ist<br />

wesentlich deutlicher die Unruhe, die Sorge über den Gang des<br />

sächsischen Hochschulwesens dargestellt worden, als ich das getan<br />

habe.<br />

Ich verweise wieder - ich könnte mehrere Veranstaltungen, wo auch<br />

Landespolitiker da waren, hier anführen - auf diese Beratung zur<br />

Graduiertenförderung, wo die Worte - durchaus nicht von PDS-nahen<br />

Vertretern - "Katastrophe", "katastrophal" gefallen sind. Ich habe<br />

solche Worte nicht gebraucht.<br />

Wenn das also so ist, wenn der Ministerpräsident gemeint hat, ich<br />

habe deshalb den Vorwurf der Inobjektivität verdient, weil ich die<br />

Lage beschönigt habe, dann werde ich mich entschuldigen. Aber nur<br />

dann.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Wenn ich sagte, die Lage ist als <strong>sehr</strong> ernst benannt worden, so muss<br />

man hinzufügen: Aber sie ist nicht hoffnungslos. Und es ist gut,<br />

dass wir jetzt noch darüber diskutieren werden <strong>und</strong> können, damit<br />

wir nicht nur im Sinne etwa der k. u. k.- oder kakanischen Deutung<br />

dann schließlich noch einschätzen können oder müssen: "Die Lage ist<br />

hoffnungslos, wenn auch nicht ernst."<br />

Wir haben ein gutes Graduiertengesetz. Ich möchte hier Prof. Butz,<br />

Prorektor der Universität Leipzig, zitieren, der sagte: "Es ist ein<br />

vorbildliches Gesetz in Deutschland." Und ich denke, dieses Urteil<br />

können wir teilen.<br />

Aber es ist faktisch außer Kraft gesetzt. Ich sage "faktisch", denn<br />

es wirkt durchaus noch weiter, indem nämlich die Stipendiaten, die<br />

ihre Förderung aufgenommen hatten <strong>und</strong> sich jetzt im zweiten <strong>und</strong><br />

dritten Jahr befinden, weiter gefördert werden. An der Universität<br />

Leipzig - <strong>und</strong> ich nehme an, das ist einigermaßen repräsentativ auch<br />

für die anderen Universitäten - machen diese durch die<br />

Landesförderung unterstützten Stipendiaten 7,5 % aus. Das ist doch<br />

schon immerhin eine Größe. Und es handelt sich dabei um besonders<br />

motivierte, hoch motivierte Graduierte. Hier lohnt es schon<br />

fortzusetzen <strong>und</strong> aufzustocken.<br />

Die Antwort der Staatsregierung auf unseren Antrag macht deutlich,<br />

dass es ihr erklärter Wille ist, dieses Gesetz fortzusetzen, <strong>und</strong><br />

zwar 2001, <strong>und</strong> gleichzeitig auch - das wurde auch in dieser<br />

Beratung durch Herrn Kollegen Meyer noch einmal nachdrücklich<br />

hervorgehoben - die Stipendien zu erhöhen. Das betrifft, zumindest<br />

zu einem Teil, die Intention des Antrages <strong>und</strong> die Interessen auch<br />

der Universitäten.<br />

Aber - <strong>und</strong> das ist mein erster Kritikpunkt - wir sollten nicht erst<br />

wieder 2001 mit der Graduiertenförderung, das heißt mit der<br />

Aufnahme neuer Stipendiaten, beginnen, sondern bereits in diesem<br />

Jahr, auch wenn es nicht möglich sein sollte, das Gesetz wieder<br />

sofort voll herzustellen, so doch immerhin ein Zeichen zu setzen<br />

<strong>und</strong> eine Reihe neuer Stipendiaten aufzunehmen.<br />

Ich habe mir in Vorbereitung auf unsere heutige Beratung die im<br />

Verlauf des letzten Jahres an der Universität Leipzig Berufenen vor<br />

Augen geführt. Es sind 26, davon sind zwei aus Ostdeutschland. Nun<br />

kann man natürlich sagen: <strong>Der</strong> Umbruch hat viel Verzögerung<br />

gebracht. Immerhin sind unter den aus den westlichen Ländern


kommenden Berufenen auch mehrere, die im Zeitraum der letzten zehn<br />

Jahre promoviert <strong>und</strong> sich habilitiert haben.<br />

Und gerade weil hier ein solcher Rückstand eingetreten ist, sollte<br />

alles getan werden, diesen Rückstand so schnell wie möglich zu<br />

verkürzen. Hier geht es eben auch um Identitäten. Ich rede damit<br />

überhaupt nicht einer Kritik der Berufenen das Wort. Im Gegenteil,<br />

ich habe es in den letzten Wochen mehrfach kennen gelernt, wie<br />

junge Professoren aus den westlichen Ländern, nach Leipzig berufen,<br />

mit einer ganz bemerkenswerten Engagiertheit arbeiten.<br />

Aber es geht darum, dass auch Ostdeutsche wieder die Chance haben<br />

müssen, in solchen Berufungen erfolgreich bestehen zu können.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Zweitens. Die Universitäten wünschen sich eine Garantie für drei<br />

Jahre, das heißt also, keine Unterbrechung des Gesetzes - natürlich<br />

unter der Voraussetzung, dass nach dem ersten Jahr eine positive<br />

Evaluierung erfolgt.<br />

Sie wünschen drittens die Gewährung von Sachleistungen, von<br />

Sachbeihilfen, entweder monatlich oder in einer Pauschale.<br />

Und viertens unterstützen sie nachdrücklich die Intentionen der<br />

Staatsregierung, die Stipendien zu erhöhen. Jetzt klafft zwischen<br />

den Stipendien, die das Land gewährt - 1 300 DM -, <strong>und</strong> den<br />

Stipendien, die andere Institutionen - Stiftungen, DFG - gewähren,<br />

eine Lücke zwischen 300 <strong>und</strong> 500 DM.<br />

Das ist natürlich kein Ausweis für den Freistaat. Es würde auf<br />

jeden Fall eine Sogwirkung für andere Institutionen wie Stiftungen<br />

haben, wenn der Freistaat seine Leistungen erhöhen könnte. Dies<br />

würde auch andere zum Nachziehen <strong>und</strong> zum Respekt veranlassen.<br />

Um zum Schluss zu kommen: Es wäre gut, wenn hier - wie bei der<br />

Zustimmung zum Gesetz - wieder eine Einheit der drei Fraktionen da<br />

ist. Das würde ein Zeichen setzen für die seit 1995 sukzessiv<br />

gesunkenen Leistungen für Graduierte, dass dieser Trend gestoppt<br />

wird, dass wir wieder eine wachsende Zahl der Förderungen haben,<br />

dass das Gesetz so schnell wie möglich wieder hergestellt werden<br />

kann, dass insgesamt die sächsische Graduiertenförderung als ganz<br />

wichtiges Moment in der Entwicklung der Wissenschaftslandschaft <strong>und</strong><br />

in der Entwicklung der Gesellschaft von Sachsen überhaupt<br />

akzeptiert wird.<br />

Ich danke für die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr<br />

Dr. Grüning, bitte.<br />

Dr. Grüning, CDU: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Herr<br />

Prof. Bramke, was der Ministerpräsident mit seiner Bemerkung<br />

gemeint hat, hat er von diesem Pult aus eindeutig erklärt. Sie<br />

hatten gesagt, Sie verstünden sich als Moderator zwischen den<br />

Hochschulen <strong>und</strong> der Staatsregierung bzw. dem <strong>Landtag</strong>.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: <strong>Der</strong> Politik, hat er gesagt!)<br />

- <strong>Der</strong> Politik. Ja, Herr Porsch, <strong>und</strong> das kann in einer so<br />

allgemeinen Formulierung eben nicht sein, weil er zugleich der<br />

Sprecher Ihrer Fraktion ist <strong>und</strong> als Sprecher Ihrer Fraktion<br />

natürlich auch Ihre Fraktionsmeinung vertritt.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Die ist doch objektiv!)<br />

- Das ist nicht objektiv, sondern das ist parteilich, mein lieber<br />

Herr Porsch.<br />

(Beifall des Abg. Dr. Münch, CDU)


Wenn wir über Wahrheit in der DDR diskutiert haben, kam dann<br />

irgendein Genosse <strong>und</strong> sagte: Wir reden nicht über die Wahrheit an<br />

sich, sondern über die Wahrheit vom Klassenstandpunkt aus. Die<br />

Wahrheit ist nämlich parteilich. Insofern haben Sie eine ganz<br />

falsche marxistisch-leninistische Auffassung von Objektivität.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Nee!)<br />

Aber Herr Porsch, ich weiß natürlich, Sie denken, Sie haben die<br />

Wahrheit mit Löffeln gefressen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Nee! - Für den<br />

Kultusminister ist Wahrheit, was die<br />

Mehrheit sagt.)<br />

Präsident Iltgen: Herr Professor!<br />

Dr. Grüning, CDU: - Ich verstehe ja, dass Sie Herr Bramke so <strong>sehr</strong><br />

lobt für Ihren Einfall. Ich fand ihn nicht so gut, nebenbei<br />

bemerkt. Die Geschmäcker sind verschieden.<br />

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Gut, wir sind uns klar. Herr Bramke, der Herr Ministerpräsident hat<br />

nur Ihre Moderatorenrolle bezweifelt, weil wir ja schließlich drei<br />

Parteien in diesem Hohen Hause haben. Und da kann wahrscheinlich<br />

nicht eine Partei allein der Moderator sein.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Das merken wir uns!)<br />

- Das ist selbstverständlich so, Herr Porsch. Wir sind Demokraten<br />

im Gegensatz zu Ihnen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Was?)<br />

Aber ich will vielleicht auf das Thema zurückkommen. Das Thema<br />

verdient natürlich eine ernsthafte Besprechung.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Allerdings!)<br />

Herr Prof. Bramke, Ihr Antrag hat das Gute, dass er den <strong>Landtag</strong> zum<br />

wiederholten Male auf ein Problem aufmerksam macht, das für dieses<br />

Land wichtig ist <strong>und</strong> das wir auch in irgendeiner Weise lösen<br />

müssen.<br />

Es ist völlig klar, dass Graduiertenstipendien eine große Bedeutung<br />

für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Sachsen<br />

haben. Auch ich fände es wünschenswert, wenn wir bereits 2001 neue<br />

Stipendien vergeben könnten. Dass 2000 keine Stipendien vergeben<br />

worden sind, liegt an einer Entscheidung der Hochschulen. Sie<br />

hätten vergeben werden können, wenn auch nur in geringem Maße. Das,<br />

was wir im <strong>Landtag</strong> beschlossen hatten, ließ diese Möglichkeit zu.<br />

Wir reden immer von der Autonomie der Hochschulen. Wir müssen das<br />

akzeptieren, auch wenn mir diese Diskontinuität nicht gefällt.<br />

Was allerdings an Ihrem Antrag nicht falsch, aber unzureichend ist,<br />

ist, dass er nur eine Möglichkeit der Nachwuchsförderung betont.<br />

Wir haben deswegen in den Geschäftsgang einen Antrag eingebracht,<br />

der das gesamte Problem beleuchten soll. Das gesamte Problem ist<br />

natürlich die Frage: Wie kommen wir zu einem wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs? Wie kommen wir zu einem wissenschaftlichen Nachwuchs,<br />

der sowohl den quantitativen als auch den qualitativen<br />

Anforderungen genügt?<br />

Dazu sind natürlich die sächsischen Graduiertenstipendien nur ein<br />

Weg. Es gibt andere Wege. Es gibt das, was die DFG tut, über die<br />

Graduiertenkollegs, über andere Stipendien, über<br />

Drittmittelprojekte. Und vor allem ist auch ein Kernproblem das<br />

Problem der befristeten Stellen. Durch die Einsparungen an den<br />

Hochschulen <strong>und</strong> durch unsere Festlegung auf einen starken Mittelbau<br />

haben wir befristete Stellen blockiert. Es ist ein Zeichen, dass


wir von dieser Praxis nach <strong>und</strong> nach wieder abkommen müssen. Wir<br />

brauchen natürlich befristete Stellen zur Heranbildung des<br />

Nachwuchses.<br />

Das andere sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen.<br />

Auch hier werden Doktoranden herangebildet, entweder auch über<br />

Stipendienprogramme oder durch eine direkte Anstellung.<br />

All das müssen wir einmal analysieren lassen. Hier bin ich durchaus<br />

für eine wissenschaftliche Analyse. Bei der Debatte hat mich ein<br />

wenig belustigt: In der Schule gilt anscheinend die<br />

Mehrheitsmeinung, die Sie in den Hochschulen immer einfordern,<br />

nicht.<br />

(Beifall des Abg. Hatzsch, SPD)<br />

Es sind also doch verschiedene Bereiche, die Hochschulpolitik <strong>und</strong><br />

die Schulpolitik. - Herr Hatzsch, Sie klatschen so, aber Sie<br />

wollten ja gerade in den Schulen die Mehrheitsmeinung nicht gelten<br />

lassen, während Ihre Fraktion bei den Hochschulen immer die<br />

Mehrheitsmeinung der Studenten <strong>und</strong> des Lehrkörpers eingeklagt hat.<br />

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Diese Hochachtung der Hochschulen gefällt mir natürlich, die<br />

Missachtung der Schulen gefällt mir weniger.<br />

(Beifall der Abg. Frau Henke, CDU)<br />

Unsere Fraktion hat also einen solchen Antrag gestellt. Wir sehen<br />

damit den Antrag der PDS mit der heutigen Debatte als erledigt an,<br />

weil wir die Debatte natürlich nach der Antwort der Staatsregierung<br />

auf unseren Antrag fortsetzen werden.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr<br />

Prof. Weiss, bitte.<br />

Prof. Dr. Weiss, SPD: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong> Abgeordnete! Als im Jahre 1994 dieses Hohe Haus das<br />

<strong>Sächsische</strong> Graduiertengesetz verabschiedete <strong>und</strong> damit die<br />

Einrichtung spezieller Landesstipendien zur Graduiertenförderung<br />

beschlossen hatte, wurde das an den Hochschulen selbstverständlich<br />

mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, wurde doch damit das bewährte<br />

System der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft betreuten <strong>und</strong><br />

durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder finanzierten Graduiertenkollegs in <strong>sehr</strong><br />

sinnvoller <strong>und</strong> für Sachsen <strong>sehr</strong> günstiger Weise ergänzt.<br />

Darüber hinaus übrigens wurde die Einführung eines sächsischen<br />

Landesgraduiertenstipendiums in der gesamtdeutschen<br />

Wissenschaftsszene <strong>sehr</strong> respektvoll als mutiges Signal für die<br />

Zukunft gedeutet; ein Signal, dass Sachsen nicht resigniert; das<br />

Signal, dass sich Sachsen nicht mit den zugegebenermaßen<br />

schwierigen Gegebenheiten abfindet; das Signal, dass sich Sachsen<br />

vielmehr anschickt, trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten <strong>und</strong><br />

Nöte an die großen Wissenschaftstraditionen anzuknüpfen, an die<br />

großen Traditionen Sachsens als Technologiestandort.<br />

Ich meine, die bisherigen Ergebnisse - sicher noch nicht ganz<br />

repräsentativ - lassen sich durchaus sehen. <strong>Der</strong> eigentliche Erfolg<br />

eines solchen anspruchsvollen Programms wird allerdings nur mittel<strong>und</strong><br />

langfristig sichtbar werden <strong>und</strong> auch nur bei Beachtung einer<br />

Conditio sine qua non, nämlich Kontinuität <strong>und</strong> Kurstreue.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Nicht nur die Hochschulen brauchen nämlich die oft zitierte<br />

Planungssicherheit, auch die Betroffenen, diejenigen, die ein<br />

Graduiertenstudium aufnehmen. Das ist schon an sich ein Abenteuer,


wie immer in der Wissenschaft. Diese Leute brauchen aber<br />

Planungssicherheit, was die Finanzen betrifft.<br />

Gerade auf dem Gebiet der Kontinuität aber mangelt es im Lande.<br />

Vielmehr fährt die Regierung doch einen Schlingerkurs gerade auf<br />

dem Gebiet der Graduiertenstipendien. 1998 wurde der Vergabestopp<br />

verfügt, die Mittel wurden laufend heruntergefahren. Bis heute gibt<br />

es keine Klarheit über die Finanzierung der Graduiertenstipendien<br />

ab Ende 2000.<br />

Das führt zu Unsicherheit <strong>und</strong> Unruhe an den Hochschulen <strong>und</strong><br />

besonders bei den Landesstipendiaten. Wie wir alle wissen, ist das<br />

Gift für eine erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit.<br />

Zudem läuft Sachsen noch Gefahr, des Aufbaus potemkinscher Dörfer<br />

bezichtigt zu werden. Die Stellungnahme der Landesregierung in<br />

ihrer salomonischen Kürze, man könnte auch sagen Inhaltsleere,<br />

liefert solchen Spekulationen weitere Nahrung. Allerdings möchte<br />

ich konzedieren, dass der zuständige Minister, Herr Prof. Meyer,<br />

sich auf der bereits erwähnten Veranstaltung an der TU Dresden am<br />

13. Juni deutlich konkreter über die Zukunft der<br />

Graduiertenförderung in Sachsen geäußert hat. Teilnehmer waren ja,<br />

das erwähnte schon Herr Prof. Bramke, viele besorgte<br />

Graduiertenstudenten, aber auch die Prorektoren der Universitäten<br />

Dresden, Chemnitz <strong>und</strong> Leipzig sowie mehrere <strong>Landtag</strong>sabgeordnete.<br />

Ich darf Sie zitieren, Herr Minister. Sie sagten: "Kein<br />

förderungswürdiger Student muss sein Graduiertenstudium aus<br />

finanziellen Gründen abbrechen." Und: "Das Programm der<br />

Graduiertenförderung für das Land Sachsen wird weitergeführt." Herr<br />

Minister, wir haben die Botschaft gerne gehört. Aber Sie werden<br />

Verständnis dafür haben, dass wir Sie an Ihren Taten messen werden.<br />

Versprechungen allein reichen nicht.<br />

(Beifall bei der SPD - Teilweise Beifall bei der PDS)<br />

Wir werden darüber hinaus in den anstehenden Haushaltsberatungen<br />

auf eine angemessene Finanzierung drängen. Unserer Meinung nach<br />

sind hier doch mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, als Sie es,<br />

Herr Minister, andeuteten. Sie sprachen von einer Weiterführung des<br />

Landesgraduiertenprogramms in der Höhe von etwas unter 50 % -<br />

jedenfalls der bisherigen Förderung, ich meine, bezogen auf die<br />

Summe der zur Verfügung gestellten Mittel.<br />

Wir, meine Fraktion, sind der Meinung, dass für Sachsen notwendig<br />

ist mindestens fünf Millionen DM pro Jahr in den Haushalt<br />

einzustellen. Bei entsprechendem politischem Willen müsste das auch<br />

machbar sein. Es muss sogar machbar sein, denn die anderen<br />

Instrumente zur Graduiertenförderung sind doch, Herr Dr. Grüning,<br />

weitgehend ausgereizt. Die Graduiertenkollegs sind fachbezogen <strong>und</strong><br />

nicht für alle Fächer geeignet. Die Qualifikationsstellen, also<br />

Assistentenstellen, sind nach den Kürzungen der letzten Jahre nicht<br />

mehr in ausreichender Menge vorhanden. Das Stellensplitting bis hin<br />

zu Drittel-, ja sogar Viertelstellen haben die Hochschulen längst<br />

vollzogen <strong>und</strong> der Landesgraduiertenfonds, auf den wir alle große<br />

Hoffnungen setzten, kann ja bisher mangels Sponsoren keine müde<br />

Mark verwalten. Graduiertenförderung, meine <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, ist für unser Land kein Luxus. Darüber sind wir uns<br />

alle einig.<br />

Was den vorliegenden Antrag Drucksache 3/1378 betrifft, so werden<br />

wir ihm trotz gewisser kleinerer Ungereimtheiten im Punkt 2


zustimmen. Ich bitte Sie, meine <strong>sehr</strong> <strong>verehrten</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong> von<br />

der Mehrheitsfraktion, um der Sache willen dies auch zu tun.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort<br />

gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? - Herr<br />

Staatsminister Meyer, bitte.<br />

Prof. Dr. Meyer, Staatsminister für Wissenschaft <strong>und</strong> Kunst: Herr<br />

Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich bin dankbar dafür, dass von<br />

allen Seiten des Hohen Hauses die Notwendigkeit der Weiterführung<br />

der Graduiertenförderung unterstrichen worden ist. In der Tat ist<br />

die sächsische Graduiertenförderung eine wesentliche Voraussetzung<br />

dafür, dass Sachsen in angemessener Weise in den gesamtdeutschen<br />

Eliten repräsentiert sein wird. Freilich - darüber werden wir uns<br />

auch einig sein - kann es nicht allein auf Sachsen bezogen werden.<br />

Lassen Sie mich das mit einem Erlebnis illustrieren, das ich als<br />

Präsident der Kultusministerkonferenz im Jahr 1999 hatte, als ich<br />

die Ehre hatte den Leibniz-Preisträgern der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft zu gratulieren. Das KMK-Sekretariat hatte<br />

mir aufgeschrieben, ich sollte kritisch bemerken, dass in diesem<br />

Jahr 1999 keine ostdeutschen Wissenschaftler geehrt wurden. Nachdem<br />

ich dies dann auch pflichtschuldig getan hatte <strong>und</strong> auch aus<br />

innerster Überzeugung, wurde ich dann von zwei Preisträgern darauf<br />

hingewiesen, dies sei eine etwas unrichtige Feststellung gewesen.<br />

<strong>Der</strong> erste war ein Kollege aus Magdeburg, der fragte: "Bin ich denn<br />

nun nicht aus Ostdeutschland, wenn ich nun schon mehrere Jahre in<br />

Magdeburg Professor bin?" Und es kam ein zweiter Kollege, ich<br />

denke, es war aus Freiburg im Breisgau, der sagte: "Ich weiß nicht,<br />

was Sie wollen. Ich komme aus Ostdeutschland, aber ich bin hierher<br />

berufen worden."<br />

Wir werden es sicherlich nicht alleine messen können an dem<br />

Prozentsatz von "Originalsachsen" unter den Professorenberufungen,<br />

sondern es muss unser Ziel <strong>und</strong> unser Interesse sein, dass<br />

sächsische Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler in ganz<br />

Deutschland <strong>und</strong> darüber hinaus zu Professoren berufen werden.<br />

Gleichwohl haben wir hier ein Problem, weil es durch die<br />

Notwendigkeiten der Hochschulerneuerungen in den Jahren 1990 bis<br />

1993 auch zu einer gewissen Unterbrechung oder Verringerung der<br />

Zahl von Promotionen <strong>und</strong> Habilitationen gekommen ist.<br />

Sie werden sich dabei daran erinnern, meine <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, dass<br />

ich hier in diesem Hohen Hause auf Anfrage schon vor einiger Zeit<br />

berichten konnte - wir haben das dann auch noch einmal im<br />

Wissenschaftsausschuss erörtert -, dass wir erfreulicherweise<br />

wieder einen Anstieg in den Promotionen <strong>und</strong> in den Habilitationen<br />

haben, so dass auf diesem Wege Voraussetzungen dafür geschaffen<br />

werden, dass Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler, die an<br />

sächsischen Universitäten studieren oder sich qualifizieren, auch<br />

zu Professoren berufen werden können.<br />

In der Tat hat Sachsen mit seinem Graduiertengesetz einen<br />

vorbildlichen Schritt getan. Wir haben die Anregung des<br />

Wissenschaftsrates damals aufgegriffen <strong>und</strong> wir waren uns zugleich<br />

darüber im Klaren, dass allein die rechtliche Voraussetzung, allein<br />

die Strukturen für die Graduiertenförderung nicht ausreichen,<br />

sondern dass es dann auch sinnvoll <strong>und</strong> notwendig ist,<br />

Landesstipendien zu stiften <strong>und</strong> zu hoffen, dass durch die Gründung


eines Fonds auch Zustiftungen erfolgen <strong>und</strong> einen besonderen Beitrag<br />

des Landes - neben der üblichen wissenschaftlichen<br />

Nachwuchsförderung an den Hochschulen - zur Herausbildung einer<br />

wissenschaftlichen Elite leisten. Das ist nach wie vor unser Ziel.<br />

Gleichwohl kann ich nicht bestreiten, dass wir durch die wachsenden<br />

Schwierigkeiten im Haushalt auch in Schwierigkeiten bei dieser<br />

Graduiertenförderung geraten sind. Es ist ja so, wie durch eine<br />

Analyse des Etats des Ministeriums für Wissenschaft <strong>und</strong> Kunst<br />

unschwer festgestellt werden kann, dass es bei gleichbleibendem, ja<br />

sogar bei wachsendem Volumen neue oder sich ausweitende gesetzliche<br />

Verpflichtungen gibt, die uns nun wiederum in die Notwendigkeit<br />

versetzen, gesetzliche Verpflichtungen, die wir selbst begründet<br />

haben, zu überprüfen oder jedenfalls in dem Umfang der daraus<br />

erwachsenen finanziellen Konsequenzen zu überprüfen. Eine solche<br />

Situation haben wir auch bei der Graduiertenförderung.<br />

Wenn man in einem solchen Programm die Anzahl der Förderfälle<br />

reduzieren muss, gerät man gleichsam aus dem Rhythmus der<br />

Förderschritte, denn es ist ja eine Förderung, die sich über drei<br />

Jahre erstreckt. Wir hatten auch die aus meiner Sicht<br />

wissenschaftspolitisch vernünftige Festlegung, dass bei einer<br />

solchen dreijährigen Förderung nach einem Jahr eine Überprüfung<br />

erfolgt, ob aufgr<strong>und</strong> der bisherigen wissenschaftlichen Leistung des<br />

Stipendiaten oder der Stipendiatin eine weitere Förderung<br />

gerechtfertigt ist. Auch dies schuf, wenn man so will, ein<br />

haushaltsrechtliches Problem, denn dann gibt es keinen<br />

haushaltsrechtlichen Ansatz. Gleichwohl habe ich von Anfang an <strong>und</strong><br />

wiederholt hier in diesem Hohen Hause wie auch gegenüber den<br />

Universitäten erklärt:<br />

Erstens, dass alle diejenigen, die bereits im zweiten <strong>und</strong> dritten<br />

Jahr sind, ungeachtet der Höhe des Förderfonds für die Graduierten<br />

im Haushalt einen Rechtsanspruch gegenüber dem Freistaat Sachsen<br />

haben <strong>und</strong> natürlich ihre Promotionsarbeit <strong>und</strong> ihre Promotion<br />

ordnungsgemäß zu Ende führen können.<br />

Ich habe zweitens darüber hinaus erklärt, dass nach meiner<br />

Überzeugung all jene jungen Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftler, die nach Auffassung der Hochschule durch die<br />

Leistungen im ersten Jahr ihre Förderungswürdigkeit nachgewiesen<br />

haben, einen moralischen Anspruch haben <strong>und</strong> dass wir alles tun<br />

werden, um im Rahmen unserer Haushaltsmöglichkeiten eine<br />

Weiterführung dieser Arbeiten zu sichern.<br />

Insofern, Herr Kollege Weiss, kann ich nicht ganz nachvollziehen,<br />

dass Sie eine solche mangelnde Planungssicherheit in Bezug auf die<br />

einzelnen jungen Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler hier<br />

kritisch eingeklagt haben. Richtig ist, dass wir eine solche<br />

Planungssicherheit nicht für die Hochschulen herstellen konnten <strong>und</strong><br />

auch nach wie vor vor diesem Problem stehen. Wir sind entschlossen,<br />

das Landesstipendienprogramm, die Landesgraduiertenförderung<br />

fortzuführen. Wir können sie nicht auf dem gleichen Niveau<br />

weiterführen, wie wir sie einmal begonnen hatten; wir müssen auf<br />

ein niedriges Niveau umstellen. Ich muss auch hinzufügen, dass wir<br />

uns im Interesse der Konkurrenzfähigkeit mit anderen<br />

Förderstiftungen auf die gleiche Stipendienhöhe begeben müssen.<br />

Wir haben lange Zeit den Standpunkt vertreten, dass es, wenn junge<br />

Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler eine solche Chance<br />

erhalten, eine Promotion zu schreiben mit einem staatlichen


Stipendium, auf die Höhe des Stipendiums nicht ankommt. Aber die<br />

Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dann doch gute<br />

Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler, wenn ihnen nach dem<br />

Landesstipendium ein Stipendium aus der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft, aus der Studienstiftung des deutschen<br />

Volkes oder aus irgendeiner anderen Förderstiftung angeboten wird,<br />

diese nicht der Versuchung widerstehen können, die Förderung zu<br />

wechseln. Das schafft in der Tat Unruhe <strong>und</strong> dient auch nicht dazu,<br />

das Ansehen des Landesstipendiums zu stabilisieren.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e haben wir uns, obwohl wir nur über eine geringere<br />

Fördersumme verfügen, dazu entschließen müssen in der Höhe der<br />

künftigen Stipendien gleichzuziehen.<br />

Ich freue mich über die große Unterstützung hier im Hohen Hause in<br />

Bezug auf die Absicht der Regierung, dies fortzuführen. Natürlich<br />

freue ich mich auch, wenn wir Wege finden, dies in einer<br />

angemessenen Höhe weiterzuführen. Aber auch hier muss ich<br />

hinzufügen: Es muss dies abgewogen werden gegenüber den anderen<br />

Aufgaben, die für Wissenschaft <strong>und</strong> Hochschulen zu leisten sind, wie<br />

gegenüber den Aufgaben, die insgesamt durch den Staatshaushalt zu<br />

finanzieren sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir jedenfalls in<br />

einer vorzeigbaren Anzahl von Förderfällen künftig auch ein<br />

Landesstipendium im Programm haben werden.<br />

Lassen Sie mich noch auf einen Aspekt des Antrages der PDS-Fraktion<br />

hinweisen, der möglicherweise zu Missverständnissen Veranlassung<br />

geben könnte. Sie schreiben in Ihrer Begründung: "<strong>Der</strong> B<strong>und</strong>esetat<br />

für Wissenschaft <strong>und</strong> Bildung steigt seit 1999, erreicht im<br />

laufenden Jahr 14,5 Milliarden DM <strong>und</strong> soll 2001 auf den Betrag von<br />

15 Milliarden DM anwachsen. Diese Tendenz sollte sich auch in der<br />

Graduiertenförderung niederschlagen." Und dann wird gefordert, dass<br />

die Länder gegenüber dem B<strong>und</strong> entsprechende Forderungen erheben.<br />

Hier will ich doch - auch in Fairness gegenüber einer<br />

"andersfarbigen" B<strong>und</strong>esregierung - sagen, dass ich eine solche<br />

Forderung der Länder nicht für richtig hielte. Worauf wir uns<br />

nämlich gemeinsam zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern verständigt haben, ist<br />

- ungeachtet der Haushaltsprobleme, die der B<strong>und</strong> hat wie alle<br />

Länder -, auch in den kommenden Jahren an der Erhöhung des Etats<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft um 5 % festzuhalten. Ich finde<br />

in der Tat, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft die<br />

angemessene Institution ist, um Fördermaßnahmen auf der<br />

gesamtdeutschen Ebene durchzuführen. Auch hier ist Sachsen<br />

erfolgreich.<br />

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang sagen: Wir haben 23<br />

Graduiertenkollegs - sie sind in der Tat jeweils fachthematisch<br />

geb<strong>und</strong>en -, aber es ist dennoch eine erhebliche Breite, die dadurch<br />

im gutachtergesteuerten Wettbewerb durch die sächsischen<br />

Hochschulen nach Sachsen geholt wurde. 23 Graduiertenkollegs, das<br />

sind etwa 250 Möglichkeiten für junge Leute, als Graduierte im<br />

Rahmen eines solchen Kollegs gefördert zu werden.<br />

Es ist im Allgemeinen ja so, dass sich auch im Rahmen der<br />

Sonderforschungsbereiche jeweils zwei bis drei Doktorandenstellen<br />

finden können, so dass wir hier im Blick auf die zwölf<br />

Sonderforschungsbereiche, die derzeit sächsische Hochschulen haben,<br />

auch noch eine weitere Zahl haben.<br />

Ich erwähne das nicht, um die Notwendigkeit eines besonderen<br />

Landesgraduiertenprogrammes in Abrede zu stellen, sondern um auf


die Leistungsfähigkeit unserer sächsischen Hochschulen hinzuweisen,<br />

die im Wettbewerb erfolgreich waren <strong>und</strong> dadurch zusätzliche<br />

Qualifikationsmöglichkeiten für junge Leute geschaffen haben.<br />

In diesem Sinne gehe ich davon aus, dass wir auch in Zukunft das,<br />

was uns möglich ist, tun werden, um jungen Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftlern an sächsischen Hochschulen die Möglichkeit zu<br />

einer weiteren Qualifikation zu bieten <strong>und</strong> ihnen damit eine<br />

wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche akademische<br />

Laufbahn zu eröffnen.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei der CDU - Beifall<br />

bei der Staatsregierung)<br />

Präsident Iltgen: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deswegen<br />

hat die Fraktion der PDS jetzt das Schlusswort. Herr Prof. Bramke,<br />

bitte.<br />

Prof. Dr. Bramke, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Zunächst möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen,<br />

dass Ministerpräsident Biedenkopf den Schlussteil unserer Debatte<br />

noch miterleben kann <strong>und</strong> sich vielleicht auch entschließt, dem<br />

zweiten Punkt unseres Antrages zuzustimmen - zumal er vielleicht<br />

erfahren hat, dass ich unter Umständen geneigt bin, seiner Kritik,<br />

den Vorwurf der Inobjektivität betreffend, zu folgen.<br />

(Zuruf des Staatsministers Prof. Dr. Meyer)<br />

- Ja, das werden wir sehen.<br />

Zu Ihrer Bemerkung, Herr Staatsminister, was den Zusammenhang von<br />

B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Land oder vielmehr die Eigenständigkeit der Länder<br />

gegenüber dem B<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Fairness der Länder gegenüber dem B<strong>und</strong><br />

betrifft. Wir sprechen hier auch nicht von einer notwendigen<br />

Verkopplung, sondern von der Herstellung eines Zusammenhangs. Wenn<br />

sich die B<strong>und</strong>esregierung entschlossen hat, den Etat von<br />

Wissenschaft kontinuierlich wachsen zu lassen, dann sind schon auch<br />

die Länder im Zugzwang <strong>und</strong> so kann es dann durchaus auch zu<br />

koordinierten Maßnahmen kommen.<br />

Was nun Ihre Bemerkung, Herr Grüning, betrifft, wir hätten uns nur<br />

auf einen Punkt konzentriert - Sie haben völlig Recht. Aber uns<br />

ging es darum, einmal die Besonderheit dieses Gesetzes<br />

herauszustellen <strong>und</strong> vor allem auch die Möglichkeiten, die in der<br />

Landesverordnung liegen.<br />

Wenn Sie nun einen Antrag in den Geschäftsgang gebracht haben oder<br />

bringen werden, der die ganze Breite der<br />

Graduiertenförderungsmöglichkeiten <strong>und</strong> der Resultate zum Ziel hat,<br />

ist das nur eine Unterstützung unseres Anliegens <strong>und</strong> sicher aller<br />

Abgeordneten im Hohen Hause, die wir nur begrüßen können. Auch die<br />

Ergebnisse dieses Antrages nach der Beantwortung sollten den<br />

Bemühungen Auftrieb geben.<br />

<strong>Der</strong> erste Punkt unseres Antrages ist ja erledigt. Wir bitten um<br />

Abstimmung über den zweiten Punkt. Nun sehe ich natürlich auch,<br />

dass wir uns immer noch im Vorfeld der Haushaltsberatungen befinden<br />

<strong>und</strong> dass unter anderem ja auch noch nicht die Empfehlungen der<br />

Hochschulentwicklungskommission da sind.<br />

(Zuruf des Abg. Lehmann, CDU)<br />

Nur, so unterschiedlich auch hier die Meinungen der Kommission, die<br />

unterschiedlichen Felder der Wissenschaftsentwicklung in Sachsen<br />

betreffend, sein können oder zu sein scheinen - in diesem Punkt<br />

haben die Vertreter der Hochschulentwicklungskommission, die wir im


Ausschuss gehört haben, alle völlige Einmütigkeit gezeigt. Wir<br />

wollen eine unbedingte Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses.<br />

Kollege Weiss, wenn Sie sagten, es gehe etwa um 5 Millionen DM -<br />

das wäre in der Tat in etwa die Summe, die die Wiederherstellung<br />

des Zustandes von 1998 mit sich bringt. Wenn wir berücksichtigen,<br />

dass es dabei auch eine Erhöhung der Stipendien gibt, dann würden<br />

wir wahrscheinlich auf fast genau die 5 Millionen DM kommen.<br />

Ich bitte also um Zustimmung zu diesem Antrag.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Es ist gewünscht worden,<br />

dass die Drucksache, Punkt 2, zur Abstimmung gebracht wird. Ich<br />

stelle deshalb die Abstimmungsfrage. Wer dem Antrag der Fraktion<br />

der PDS, Drucksache 3/1378, Punkt 2, seine Zustimmung geben möchte,<br />

den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer<br />

enthält sich der Stimme? - Bei einer großen Anzahl von Stimmen<br />

dafür ist die Drucksache mehrheitlich abgelehnt.<br />

Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 beendet.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir kommen zum<br />

Tagesordnungspunkt 11<br />

Entlastung des Präsidenten des <strong>Sächsische</strong>n Rechnungshofs<br />

hinsichtlich der Haushaltsrechnung 1998<br />

Drucksache 3/0896, Rechnung des <strong>Sächsische</strong>n Rechnungshofs für das<br />

Haushaltsjahr 1998<br />

Drucksache 3/1799, Beschlussempfehlung des Haushalts- <strong>und</strong><br />

Finanzausschusses<br />

Es ist keine Aussprache zu dieser Drucksache vorgesehen. Ich frage<br />

trotzdem, ob ein Abgeordneter das Wort wünscht. - Das ist nicht der<br />

Fall. Wünscht der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Hahn, das<br />

Wort? - Das ist auch nicht der Fall.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wir stimmen nun über die<br />

Beschlussempfehlung des Haushalts- <strong>und</strong> Finanzausschusses in der<br />

Drucksache 3/1799 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen.<br />

- Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit<br />

ist das einstimmig so beschlossen <strong>und</strong> der Beschlussempfehlung<br />

zugestimmt worden.<br />

(Vereinzelt Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

<strong>Der</strong> Tagesordnungspunkt ist damit beendet.<br />

Ich rufe auf den<br />

Tagesordnungspunkt 12<br />

Beschlussempfehlungen <strong>und</strong> Berichte der Ausschüsse<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/1891<br />

Wird dazu das Wort gewünscht? - Ja, das ist der Fall. Bitte schön,<br />

Herr Weckesser.<br />

Weckesser, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Herren</strong>! Ich würde darum bitten, zum Punkt 6, Antrag der Fraktion<br />

der PDS, Eckpunkte für die geplante Novelle des<br />

Altschuldenhilfegesetzes, Drucksache 3/0772, Einzelabstimmung<br />

durchzuführen. Die Begründung liefere ich Ihnen morgen in der<br />

Behandlung des entsprechenden CDU-Antrages nach. - Danke.<br />

Präsident Iltgen: Einen Augenblick, bitte, Herr Kosel.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Es ist Einzelabstimmung begehrt zu dem<br />

Punkt 6 der Beschlussempfehlungen <strong>und</strong> Berichte der Ausschüsse:<br />

Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/0772. Ich lasse deshalb


abstimmen über den Antrag der Fraktion der PDS. Wer dem Anliegen<br />

zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die<br />

Beschlussempfehlung des Ausschusses zum Antrag der Fraktion der PDS<br />

"Eckpunkte für die geplante Novelle des Altschuldenhilfegesetzes".<br />

- Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei<br />

einer großen Anzahl von Stimmen dafür <strong>und</strong> Stimmenthaltungen ist der<br />

Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt worden.<br />

(Jurk, SPD: Es hat sich also nichts geändert.)<br />

Bitte, Herr Kosel.<br />

Kosel, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>!<br />

<strong>Der</strong> Tagesordnungspunkt Sammeldrucksache steht wahrlich nicht in dem<br />

Ruf, Gegenstand heißer oder langer Debatten zu sein. So mancher<br />

Kollege scharrt sicher auch schon böse mit den Füßen <strong>und</strong> möchte<br />

nach Hause gehen. Rechts außen bei der CDU haben das schon ganze<br />

Bankreihen getan.<br />

(Proteste bei der CDU)<br />

Dennoch sehe ich mich veranlasst, zum Punkt 8 der Sammeldrucksache<br />

Stellung nehmen zu müssen. Es handelt sich dabei um den Antrag der<br />

CDU "Beziehungen der EU-Mitgliedstaaten zur Republik Österreich".<br />

Es hat im Europaauschuss dazu einen PDS-Änderungsantrag gegeben,<br />

der das Ziel hatte, den Widerstand der Bevölkerung gegen<br />

Rechtsradikalismus in allen Staaten der EU zu stärken. Die CDU-<br />

Mehrheit im Europaausschuss lehnte dies ab. <strong>Der</strong> Kampf gegen<br />

rechtsradikale politische Parteien ist jedoch ein<br />

gesamtgesellschaftlicher Auftrag <strong>und</strong> er ist auch eine<br />

gesamteuropäische Aufgabe.<br />

Solche Parteien gibt es in allen EU-Ländern <strong>und</strong> sie gewinnen an<br />

Einfluss. Es ist jedoch fraglich, ob mit Sanktionen, die ein ganzes<br />

Land in Kollektivschuld stellen, Entwicklungen in diese Richtungen<br />

gedrosselt werden können. An die Stelle der inhaltlichen<br />

Auseinandersetzung sollte nie vorschnell eine sanktionistische<br />

Politik treten, denn das wäre ein politischer Offenbarungseid, der<br />

das politische Gestaltungsvermögen stark einschränkte.<br />

Die Sanktionen sind dann <strong>und</strong> dort <strong>und</strong> auch dies nur unter Vorbehalt<br />

angebracht, wo andere politische Handlungen nicht mehr möglich<br />

sind. Das aber ist eine brisante Ermessensfrage.<br />

Manche EU-Länder, wie die skandinavischen, sehen die moralische <strong>und</strong><br />

politische Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen EU-<br />

Landes als besonders unpopulär an. Die Bevölkerung kleinerer Länder<br />

sieht darin <strong>sehr</strong> schnell eine Gängelei durch die großen. So muss<br />

sich die dänische Regierung ernsthaft Sorgen machen um das<br />

Referendum am 28. September für den Euro-Beitritt.<br />

Versuche zu vermitteln erscheinen vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

anfänglichen Geschlossenheit der EU-Staaten kaum glaubwürdig <strong>und</strong><br />

als Aufweichen der Positionen. Die EU hat sich in eine Zwangslage<br />

gebracht, die kaum Gestaltungsraum zulässt.<br />

Wollte Deutschland vermitteln, so käme es wegen seiner eigenen NS-<br />

Vergangenheit frühestens dann infrage, wenn vergessen ist, weshalb<br />

diese Sanktionen gegen Österreich verhängt wurden. Doch gerade das<br />

sollte nie geschehen.<br />

Die Teilhabe einer rechtspopulistischen Partei an der Regierung wie<br />

die FPÖ Haiders in Österreich muss zu einem Diskurs über die<br />

politische Kultur in der EU <strong>und</strong> den Umgang mit rechtsradikalen<br />

Parteien führen. Diesem Diskurs haben sich bereits leider die CDU-<br />

Mitglieder des Europaausschusses verweigert.


Nun soll dieses in der CDU augenscheinlich kontrovers diskutierte<br />

Thema der Bekämpfung des Rechtsradikalismus in einer<br />

Sammeldrucksache versteckt werden. Um dies zu verhindern, sah ich<br />

mich veranlasst, heute noch das Wort zu ergreifen. Ich denke, damit<br />

auch der Rolle des Hohen Hauses gerecht werden zu können. Ich bitte<br />

deshalb bezüglich des Punktes 8 um Einzelabstimmung.<br />

(Beifall bei der PDS)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Wird dazu das Wort<br />

gewünscht? - Bitte.<br />

Schimpff, CDU: Herr Präsident! <strong>Der</strong> Gegenstand des Antrages der CDU-<br />

Fraktion, dessen Einzelabstimmung eben beantragt worden ist, ist<br />

es, über die Staatsregierung auf die B<strong>und</strong>esregierung einzuwirken,<br />

den Österreichboykott aufzuheben, zur in den Europäischen Verträgen<br />

vorgesehenen Normalität in den Beziehungen zur Republik Österreich<br />

zurückzukehren <strong>und</strong> dazu auch die anderen Regierungen der EU-<br />

Mitgliedstaaten aufzufordern.<br />

<strong>Der</strong> Österreichboykott, wie er vom derzeitigen Präsidenten des<br />

Europäischen Rates, Guterres, gleichzeitig Vorsitzender der<br />

Sozialistischen Internationale, in diesem Jahr verkündet worden<br />

ist, ist rechtswidrig. Er ist europafeindlich. Er ist<br />

antidemokratisch.<br />

Gerade wir, die erst seit zehn Jahren die Möglichkeiten der freien<br />

Wahlen haben, sind - glaube ich - gehalten darauf hinzuwirken, dass<br />

nicht das Ergebnis freier Wahlen aufgr<strong>und</strong> unbewiesener <strong>und</strong><br />

unbeweisbarer Behauptungen einfach <strong>und</strong> ohne ein rechtsförmliches<br />

Verfahren angegriffen wird mit dem Versuch, es außer Kraft zu<br />

setzen.<br />

Es handelt sich bei diesem Vorgehen gegen Österreich in erster<br />

Linie um eine Kampagne der Sozialistischen Internationale, die zum<br />

ersten Mal den Europäischen Rat für parteipolitische Zwecke<br />

missbraucht. Das sollte künftig im Interesse Europas, im Interesse<br />

der Demokratie unterbleiben. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu<br />

unserem Antrag <strong>und</strong> damit zur Beschlussempfehlung.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Herr Dr. Jähnichen, bitte.<br />

Dr. Jähnichen, CDU: Herr Präsident! Ich möchte eine sachliche<br />

Richtigstellung vornehmen.<br />

<strong>Der</strong> Abgeordnete hat gesagt, die CDU-Abgeordneten im Europaausschuss<br />

hätten sich einem Diskurs über Rechtsradikalismus verweigert. Das<br />

entspricht nicht den Tatsachen. Sie haben zurückgewiesen, dass<br />

alles das, was nicht sozialistisch ist, automatisch rechtsradikal<br />

ist, aber sie haben sich nicht einer Diskussion verweigert. Das<br />

möchte ich richtig stellen.<br />

(Beifall bei der CDU)<br />

Präsident Iltgen: Herr Adler, bitte.<br />

Adler, SPD: Kollege Schimpff, ich möchte in aller Klarheit dieser<br />

Aussage von Ihnen widersprechen, dass es sich hier um eine Kampagne<br />

der sozialistischen Fraktion handelt, denn Sie wissen genauso wie<br />

ich, dass all diese Beschlüsse auch mit Stimmen der Europäischen<br />

Volkspartei gefasst wurden.<br />

Das ist die erste Aussage.<br />

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt<br />

Beifall bei der PDS)<br />

Die zweite Aussage: Ich habe durchaus Verständnis für die<br />

Auffassung, dass man hinsichtlich dieser Reaktion gegen Österreich,


für die ich viel Verständnis habe, auf den Boden der Normalität<br />

zurückkehren muss.<br />

Aber Ihr Antrag ist nicht geeignet, <strong>und</strong> zwar überhaupt nicht<br />

geeignet, auf diesen Boden der Normalität zurückzukehren. Aus dem<br />

Gr<strong>und</strong> werden wir den Antrag ablehnen.<br />

(Beifall bei SPD <strong>und</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Herr Prof. Porsch, bitte.<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Herr Präsident! <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich<br />

will nur ganz kurz etwas zu dem Beitrag von Herrn Schimpff<br />

bemerken, obwohl es sich eigentlich kaum lohnt, sich mit solchen<br />

Positionen auseinander zu setzen, die sich im Gr<strong>und</strong>e selbst<br />

richten.<br />

Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe für die Maßnahmen, die die EU<br />

gegen Österreich eingeleitet hat. Es gibt wesentlich bessere Gründe<br />

<strong>und</strong> wichtige Argumente dafür, dass das falsche Maßnahmen sind, die<br />

das Ziel nicht erreichen lassen, das damit verb<strong>und</strong>en ist.<br />

Wer aber hier behauptet, dass die Vorwürfe, die vor allem Richtung<br />

FPÖ gehen, nicht beweisbar sind, nicht nachweisbar sind, der ist<br />

nicht mehr bloß wirklichkeitsfremd <strong>und</strong> hat nicht mehr bloß<br />

Wahrnehmungsstörungen. Hier kann nur Vorsätzlichkeit die Begründung<br />

sein, Vorsätzlichkeit, ausländerfeindliche <strong>und</strong> auch ins<br />

Rechtsextreme <strong>und</strong> ins Rechtspopulistische gehende Politikansätze,<br />

die diese Partei vertritt <strong>und</strong> die für Europa insgesamt höchst<br />

gefährlich sind, zu vertuschen, zu verschleiern <strong>und</strong> zu<br />

verharmlosen.<br />

(Beifall bei PDS <strong>und</strong> SPD)<br />

Präsident Iltgen: <strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich lasse jetzt auf<br />

Antrag abstimmen über die Beschlussempfehlung des Europaausschusses<br />

Punkt 8, Antrag der Fraktion der CDU, "Beziehungen der EU-<br />

Mitgliedstaaten zur Republik Österreich", Drucksache 3/1607. Wer<br />

der Beschlussempfehlung bzw. dem Antrag zustimmen möchte, den bitte<br />

ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält<br />

sich? - Damit ist dieser Antrag mehrheitlich bei einer ganzen Reihe<br />

von Gegenstimmen angenommen worden.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Ich stelle hiermit fest, dass alle anderen<br />

Beschlussempfehlungen vom Plenum bestätigt worden sind.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.<br />

Ich möchte jetzt noch eine Bemerkung anfügen, bevor wir zu dem<br />

nächsten Tagesordnungspunkt kommen. Ich bitte darum, im Plenum<br />

nicht mehr in der Weise wie soeben zu diskutieren, wenn die<br />

Abwesenheit von Mitgliedern anderer Fraktionen festgestellt wird.<br />

Es gibt gute Gründe dafür, dass Abgeordnete nicht anwesend sind.<br />

Viele haben sich bei mir entschuldigt, weil sie dringende andere<br />

Termine wahrzunehmen haben; sie sind auch von ihren Fraktionen<br />

entschuldigt worden. Deshalb bitte ich, dass sich solche<br />

Äußerungen, wie sie soeben gefallen sind, nach Möglichkeit nicht<br />

wiederholen.<br />

(Beifall bei der CDU - Vereinzelt<br />

Beifall bei der SPD)<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 13<br />

Beschlussempfehlungen <strong>und</strong> Berichte zu Petitionen<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/1921


Ich frage zunächst, ob einer der Berichterstatter zur mündlichen<br />

Ergänzung der Berichte das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall.<br />

Da kein Verlangen nach Aussprache vorliegt, kommen wir sogleich zur<br />

Abstimmung.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, nehmen Sie bitte die Berichtigungen zur<br />

Beschlussempfehlung zur Kenntnis. Diese sind in der Ihnen<br />

vorliegenden Zusammenstellung zur Drucksache 3/1921 aufgenommen.<br />

Gleiches betrifft die Beschlussempfehlungen, zu denen die Fraktion<br />

der PDS <strong>und</strong> die Fraktion der SPD ihre abweichenden Meinungen<br />

bek<strong>und</strong>et haben. Die Zusammenstellung dazu ist der<br />

Beschlussempfehlung Drucksache 3/1921 zugeordnet.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Gemäß § 98 Abs. 7 der Geschäftsordnung<br />

stelle ich hiermit zu den Beschlussempfehlungen die Zustimmung des<br />

Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es<br />

sei denn, es wird ein anderes Stimmverhalten angekündigt. - Das ist<br />

nicht der Fall. Damit ist der Drucksache im Sinne von § 98 Abs. 7<br />

der Geschäftsordnung durch den <strong>Landtag</strong> zugestimmt worden. <strong>Der</strong><br />

Tagesordnungspunkt 13 ist beendet.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>! Aufgr<strong>und</strong> der Absetzung verschiedener<br />

Tagesordnungspunkte ist damit die Tagesordnung der 16. Sitzung des<br />

3. <strong>Sächsische</strong>n <strong>Landtag</strong>es abgearbeitet. Das Präsidium hat den Termin<br />

für die 17. Sitzung auf morgen, Freitag, den 23. Juni, 10 Uhr<br />

festgelegt. Die Einladung <strong>und</strong> die Tagesordnung dazu liegen Ihnen<br />

vor.<br />

<strong>Meine</strong> <strong>Damen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herren</strong>, die 16. Sitzung des 3. <strong>Sächsische</strong>n<br />

<strong>Landtag</strong>es ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen guten<br />

Nachhauseweg.<br />

(Schluss der Sitzung: 18.38 Uhr)<br />

Berichtigung<br />

Herr Abg. Rohwer, CDU, bittet, im Plenarprotokoll der 15. Sitzung<br />

auf Seite 1011, Mitte der linken Spalte, zu ändern: "Klasse statt<br />

Masse".


132<br />

<strong>Sächsische</strong>r <strong>Landtag</strong> Plenarprotokoll 3/16<br />

Stenografischer Dienst PD 4/1066<br />

Stenografischer Bericht der 16. Sitzung der 3. Wahlperiode<br />

==========================================================<br />

(Redigierter <strong>und</strong> autorisierter Text; Paginierung<br />

jedoch nicht wie im gedruckten Exemplar.)<br />

am Donnerstag, dem 22. Juni 2000, Dresden, Plenarsaal<br />

Beginn: 10.01 Uhr Schluss: 18.38 Uhr<br />

Inhaltsverzeichnis (vorläufig) Seite<br />

0 Eröffnung 1<br />

Änderung der Tagesordnung 1<br />

Frau Ludwig, SPD 1,5<br />

Leroff, CDU 3,6<br />

Dr. Hahn, PDS 4<br />

Jurk, SPD 7<br />

1 2. <strong>und</strong> 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur 8<br />

Änderung des Landesjugendhilfegesetzes<br />

Drucksache 3/0026, Gesetzentwurf der Fraktion<br />

der PDS<br />

Drucksache 3/1956, Beschlussempfehlung des Ausschusses<br />

für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit, Familie, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />

Neubert, PDS 8,34<br />

Rohwer, CDU 12<br />

Frau Ludwig, SPD 20,37<br />

Frau Nicolaus, CDU 23<br />

Tischendorf, PDS 25<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, 32,34,37<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Familie<br />

Dr. Hahn, PDS 42<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung 42<br />

2 1. Lesung zur Änderung aufwandsentschädigungs- <strong>und</strong> 43<br />

besoldungsrechtlicher Vorschriften<br />

Drucksache 3/1876, Gesetzentwurf der Fraktion der CDU.<br />

Bandmann, CDU 43<br />

Dr. Hahn, PDS 46


133<br />

Überweisung an die Ausschüsse 46<br />

3 1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung 46<br />

des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen<br />

Drucksache 3/1927, Gesetzentwurf der PDS .<br />

Dr. Hahn, PDS 47<br />

Überweisung an den Ausschuss 51<br />

4 Verb<strong>und</strong>initiative Automobilzulieferer Sachsen 2005 52<br />

Drucksache 3/0974, Antrag der Fraktion der<br />

CDU, mit Stellungnahme der Staatsregierung .<br />

Bolick, CDU 53,74<br />

Frau Schulz, PDS 57<br />

Pietzsch, CDU 61<br />

Lochbaum, SPD 67<br />

Dr. Schommer, Staatsminister für Wirtschaft 69<br />

<strong>und</strong> Arbeit<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung 74<br />

5 Stand der Umsetzung des Landespsychiatriegesetzes 75<br />

Drucksache 3/1338, Antrag der Fraktion der<br />

PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung .<br />

Dürrschmidt, PDS 76,98,103<br />

Stempell, CDU 83<br />

Frau Dr. Volkmer, SPD 88,102<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, 92,101,104<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Familie<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung 105<br />

6 Volksgesetzgebung 106<br />

Drucksache 3/0861, Antrag der Fraktion der<br />

SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Jurk, SPD 106,138<br />

Schiemann, CDU 111,116,128,130<br />

Bartl, PDS 115<br />

Dr. Hahn, PDS 118,124,129<br />

Heitmann, Staatsminister der Justiz 132<br />

7 Vorbereitungen zum Solidarpakt II 141<br />

Drucksache 3/1707, Antrag der Fraktion der<br />

CDU, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Dr. Hähle, CDU 142<br />

Frau Dr. Runge, PDS 152


134<br />

Dr. Metz, CDU 157<br />

Lochbaum, SPD 165<br />

Dr. de Maizière, Staatsminister <strong>und</strong> Chef 168<br />

der Staatskanzlei<br />

Änderungsantrag der Fraktion der CDU, 171<br />

Drucksache 3/2075<br />

Dr. Hähle, CDU 172<br />

Lochbaum, SPD 173<br />

Frau Dr. Runge, PDS 175<br />

Dr. de Maizière, Staatsminister <strong>und</strong> Chef 176<br />

der Staatskanzlei<br />

Dr. Metz, CDU 177<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung Drucksache 3/2075 177<br />

8 Aufrechterhaltung eines pluralen Schwanger- 177<br />

schaftskonfliktberatungsangebotes<br />

Drucksache 3/1610, Antrag der Fraktion der<br />

CDU, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Frau Werner, Heike, PDS 177<br />

Frau Strempel, CDU 180,183<br />

Frau Dr. Ernst, PDS 182,187,190<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD 184<br />

Dr. Geisler, Staatsminister für Soziales, 186,188<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Familie<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung 192<br />

9 - Ausbildung sozialer <strong>und</strong> personaler 192<br />

Kompetenzen sächsischer Schüler<br />

Drucksache 3/0782, Antrag der Fraktion der<br />

SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

- Stärkung der erzieherischen Kompetenz<br />

sächsischer Lehrer<br />

Drucksache 3/0783, Antrag der Fraktion der<br />

SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

- Auswirkungen der Kopfnoten<br />

Drucksache 3/1282, Antrag der Fraktion der<br />

SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Hatzsch, SPD 194,242,246<br />

Colditz, CDU 199,223,226,245<br />

Frau Werner, Heike, PDS 205,208,209<br />

Frau Einsle, CDU 207<br />

Nitzsche, CDU 209<br />

Frau Ludwig, SPD 217,221,226,237,241<br />

Götzel, CDU 220<br />

Dr. Hahn, PDS 228,248<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus 229,232,234,238,240<br />

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS 232,233


135<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS 239<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung Drucksache 3/0782 249<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung Drucksache 3/0783 249<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung Drucksache 3/1283 249<br />

Colditz, CDU 250<br />

10 Absicherung der Graduiertenförderung an den 251<br />

sächsischen Hochschulen<br />

Drucksache 3/1378, Antrag der Fraktion der<br />

PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Prof. Dr. Bramke, PDS 251,270<br />

Dr. Grüning, CDU 252<br />

Prof. Dr. Weiss, SPD 261<br />

Prof. Dr. Meyer, Staatsminister für Wissenschaft 265<br />

<strong>und</strong> Kunst<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Ablehnung 271<br />

11 Entlastung des Präsidenten des <strong>Sächsische</strong>n 272<br />

Rechnungshofs hinsichtlich der Haushaltsrechnung<br />

1998<br />

Drucksache 3/0896, Rechnung des <strong>Sächsische</strong>n<br />

Rechnungshofs für das Haushaltsjahr 1998<br />

Drucksache 3/1799, Beschlussempfehlung des<br />

Haushalts- <strong>und</strong> Finanzausschusses .<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung 272<br />

12 Beschlussempfehlungen <strong>und</strong> Berichte der Ausschüsse 272<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/1891 .<br />

Weckesser, PDS 273<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung Drucksache 3/0772, 274<br />

Antrag der Fraktion der PDS<br />

Kosel, PDS 275<br />

Schimpff, CDU 277<br />

Dr. Jähnichen, CDU 278<br />

Bartl, PDS 279<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS 280<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung Drucksache 3/1607, 280<br />

Antrag der Fraktion der CDU<br />

13 Beschlussempfehlungen <strong>und</strong> Berichte zu Petitionen 281<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/1921 .


136<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Zustimmung 282<br />

Nächste <strong>Landtag</strong>ssitzung 282

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