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Plenarprotokoll der 24. Sitzung des Plenums vom 16.11

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Eröffnung<br />

(Beginn <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong>: 10.01 Uhr)<br />

Präsident Iltgen: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich<br />

eröffne die <strong>24.</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> 3. Sächsischen Landtages.<br />

Ich möchte das Hohe Haus davon unterrichten, dass in <strong>der</strong> Nacht zum<br />

27. Oktober 2000 unser ehemaliges Mitglied <strong>des</strong> 1. und <strong>des</strong> 2.<br />

Sächsischen Landtages Herr Joachim Richter im Alter von 59 Jahren<br />

verstorben ist. Er gehörte <strong>der</strong> SPD-Fraktion an.<br />

Herr Joachim Richter wurde 1941 in Dohna, im jetzigen Kreis<br />

Sächsische Schweiz, geboren. Er erlernte nach <strong>der</strong> mittleren Reife<br />

den Beruf <strong>des</strong> Zimmerers. Nach <strong>der</strong> Absolvierung <strong>des</strong><br />

Theologiestudiums im Theologischen Seminar Bad Klosterlausnitz war<br />

er als Pastor in Dittersdorf, Breitenbrunn und Zwickau tätig.<br />

Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte er sich auch im<br />

politischen Bereich. Er war Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> SPD Zwickau-Stadt und<br />

-Land. Nach <strong>der</strong> Wende war er Mitglied <strong>der</strong> letzten Volkskammer <strong>der</strong><br />

ehemaligen DDR und arbeitete auch in leitenden Gremien <strong>der</strong> SPD mit.<br />

Uns ist <strong>der</strong> Verstorbene als engagierter Abgeordneter <strong>des</strong><br />

Sächsischen Landtages von 1991 bis 1999 noch in lebhafter<br />

Erinnerung. Als stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>des</strong> Innenausschusses<br />

und als Mitglied <strong>des</strong> Verfassungs- und Rechtsausschusses hat er<br />

große Verdienste am Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Demokratie und <strong>des</strong><br />

Parlamentarismus im Freistaat Sachsen.<br />

Mit <strong>der</strong> Mitwirkung bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Sächsischen Verfassung<br />

und bei <strong>der</strong> Schaffung innen- und kommunalpolitischer Fundamente im<br />

Freistaat Sachsen hat sich Herr Joachim Richter bleibende<br />

Anerkennung erworben.<br />

Wir werden Herrn Joachim Richter ein ehren<strong>des</strong> Andenken bewahren.<br />

Ich bitte die Abgeordneten <strong>des</strong> Sächsischen Landtages sich zum<br />

ehrenden Gedenken an unseren ehemaligen Kollegen von den Plätzen zu<br />

erheben.<br />

(Die Anwesenden erheben sich von den Plätzen.)<br />

Ich danke Ihnen.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von<br />

denen Entschuldigungen zu unserer heutigen <strong>Sitzung</strong> vorliegen, sind<br />

beurlaubt: Herr Dr. Geisler, Frau Meyer, Herr Rasch, Herr Prof.<br />

Milbradt und Frau Dr. Bretschnei<strong>der</strong>.<br />

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen <strong>Sitzung</strong><br />

liegt Ihnen vor. Außer für die Tagesordnungspunkte 5 bis 9 - das<br />

sind die 1. Lesungen - hat das Präsidium folgende Redezeiten<br />

festgelegt: CDU-Fraktion 225 Minuten, PDS-Fraktion 150 Minuten,<br />

SPD-Fraktion 75 Minuten, Staatsregierung 150 Minuten. Die<br />

Redezeiten können die Fraktionen und die Staatsregierung<br />

selbstverständlich entsprechend ihren Bedürfnissen auf die<br />

Tagesordnungspunkte verteilen.<br />

Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung liegen mir<br />

folgende Än<strong>der</strong>ungsanträge vor:<br />

Im Tagesordnungspunkt 18 behandeln wir die folgenden Kleinen<br />

Anfragen: Die Anfrage <strong>der</strong> Abg. Frau Altmann, PDS-Fraktion, trägt<br />

die Drucksachennummer 3/2622 und hat den Titel "Gewährung von


Notstandsbeihilfen in <strong>der</strong> Landwirtschaft, RL 6799". Der Termin zur<br />

Beantwortung durch die Staatsregierung war <strong>der</strong> 1. November 2000.<br />

Zudem behandeln wir die beiden Kleinen Anfragen <strong>der</strong> Abg. Frau<br />

Klein, SPD-Fraktion, in den Drucksachen 3/2653 und 3/2654. Beide<br />

Anfragen tragen den Titel "Privatisierung in <strong>der</strong> sächsischen<br />

Forstverwaltung". Die eine Drucksache ist unter I eingeordnet und<br />

die an<strong>der</strong>e unter II.<br />

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Än<strong>der</strong>ungsanträge zu <strong>der</strong><br />

Ihnen vorliegenden Tagesordnung? - Herr Jurk, bitte.<br />

Jurk, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und<br />

Kollegen! Namens <strong>der</strong> SPD-Fraktion bitte ich um die Aufnahme <strong>des</strong><br />

Antrags "Für Menschlichkeit und Toleranz - gegen Hass und Gewalt".<br />

Wir bitten darum, dass dieser Antrag unter Tagesordnungspunkt 12<br />

eingeordnet wird.<br />

Um die Behandlung dieses Antrages heute überhaupt zu ermöglichen,<br />

bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu einer Abweichung nach §<br />

110 unserer Geschäftsordnung.<br />

Ich weise auch darauf hin, dass wir uns bereits im Präsidium auf<br />

die Möglichkeit verständigt hatten, unter Tagesordnungspunkt 12<br />

weitere Anträge aufzunehmen.<br />

Sollte dies so beschlossen werden, erbitte ich gleichzeitig die<br />

Verlängerung <strong>der</strong> Redezeiten um 5 Minuten.<br />

Danke.<br />

Präsident Iltgen: Wird dazu das Wort gewünscht? - Wenn das nicht<br />

<strong>der</strong> Fall ist, lasse ich über diesen Antrag auf Zulassung nach § 110<br />

unserer Geschäftsordnung abstimmen. Wer dem Antrag zustimmt, den<br />

bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich<br />

<strong>der</strong> Stimme? - Damit ist dieser Antrag angenommen worden. Er ist<br />

unter Tagesordnungspunkt 12 einzuordnen.<br />

Gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? - Herr Dr. Hahn, bitte.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion<br />

<strong>der</strong> PDS beantragt vor Eintritt in die Tagesordnung gemäß § 6 Abs. 5<br />

<strong>der</strong> Geschäftsordnung eine Son<strong>der</strong>sitzung <strong>des</strong> Präsidiums <strong>des</strong><br />

Landtages. Ich möchte dies begründen.<br />

Das Präsidium hat in seiner Beratung am 9. November die<br />

Tagesordnung für die heutige Plenarsitzung festgelegt und darin,<br />

einer Bitte <strong>der</strong> Staatsregierung folgend, auch eine<br />

Regierungserklärung zum Thema "Chancen und Perspektiven für die<br />

junge Generation" aufgenommen.<br />

Am gestrigen Nachmittag haben wir durch die Übersendung <strong>der</strong><br />

Rededisposition <strong>des</strong> Ministerpräsidenten erfahren, dass dieser<br />

nunmehr beabsichtigt, zu einer gänzlich an<strong>der</strong>en Thematik zu<br />

sprechen. Dieser überfallartige Wechsel <strong>des</strong> Themas<br />

(Unruhe bei <strong>der</strong> CDU)<br />

- hören Sie doch erst einmal zu, meine Damen und Herren von <strong>der</strong><br />

CDU! - ist dabei nicht unser vorrangiges Problem; denn wir haben<br />

keine Not, dem Regierungschef zu erwi<strong>der</strong>n, zumal seine Rede ohnehin<br />

nichts Neues enthält.<br />

Uns geht es um etwas an<strong>der</strong>es. Es dürfte wohl ein parlamentarisches<br />

Novum sein, dass ein Ministerpräsident die gewählten Abgeordneten


über eine Woche lang zum Narren hält und dann am Abend vor <strong>der</strong><br />

Debatte ein neues Thema festlegt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Dies zeugt nicht nur von einer chaotischen Arbeit innerhalb <strong>der</strong><br />

Staatsregierung - denn schließlich hatte kein Geringerer als <strong>der</strong><br />

Chef <strong>der</strong> Staatskanzlei das Jugend-Thema im Präsidium angemeldet -,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem von einem unerträglich arroganten Umgang <strong>des</strong><br />

Ministerpräsidenten mit dem Landtag.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Dies ist aus unserer Sicht eine grobe Missachtung <strong>des</strong> Parlaments.<br />

Die PDS-Fraktion ist nicht bereit diesen Vorgang einfach<br />

hinzunehmen. Deshalb for<strong>der</strong>n wir eine Son<strong>der</strong>sitzung <strong>des</strong> Präsidiums,<br />

wie es die Geschäftsordnung auf Verlangen einer Fraktion vorsieht.<br />

Präsident Iltgen: Zur Information: § 6 Abs. 5 <strong>der</strong> Geschäftsordnung<br />

hat folgenden Wortlaut:<br />

"Das Präsidium muss einberufen werden, wenn min<strong>des</strong>tens ein Fünftel<br />

seiner Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> eine Fraktion es verlangt. Das Präsidium<br />

kann beraten und entscheiden, wenn die Hälfte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

anwesend ist."<br />

Dieser Antrag ist gestellt worden. Ich bitte das Präsidium, sich<br />

jetzt zur Beratung im Rahmen einer Son<strong>der</strong>sitzung in den<br />

<strong>Sitzung</strong>ssaal 3 zurückzuziehen.<br />

Wir treten damit noch nicht in die Tagesordnung ein.<br />

(Unterbrechung von 10.09 Uhr bis 10.35 Uhr)<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir waren noch in <strong>der</strong><br />

Vorberatung bezüglich <strong>der</strong> Bestätigung <strong>der</strong> Ihnen vorliegenden<br />

Tagesordnung. Seitens <strong>der</strong> PDS-Fraktion war eine Son<strong>der</strong>sitzung <strong>des</strong><br />

Präsidiums zu Tagesordnungspunkt 1, <strong>der</strong> Regierungserklärung zum<br />

Thema "Chancen und Perspektiven für die junge Generation",<br />

beantragt worden.<br />

Das Präsidium hat sich dahin gehend verständigt, dass <strong>der</strong> Präsident<br />

einen Antrag gemäß § 81 Abs. 4 <strong>der</strong> Geschäftsordnung stellt und<br />

Ihnen vorschlägt, diesen Titel zu streichen.<br />

(Lachen <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Es würde dann eine Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten<br />

abgegeben werden. Die entsprechenden Unterlagen sind Ihnen<br />

zugegangen und das ist auch von den Fraktionsvorsitzenden<br />

mitgeteilt worden.<br />

(Zurufe von <strong>der</strong> SPD: Bravo!)<br />

Ich darf darum bitten, dass Sie erst einmal das Ergebnis <strong>der</strong><br />

Präsidiumssitzung zur Kenntnis nehmen.<br />

Wir hatten uns darauf verständigt, dass die Fraktionsvorsitzenden<br />

dazu eine kurze Erklärung abgeben können. Anschließend werde ich<br />

eine Abstimmung über die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Überschrift durchführen. -<br />

Herr Prof. Porsch, bitte schön.<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich<br />

möchte mich hier in aller Öffentlichkeit und mit aller<br />

Ausdrücklichkeit beim Präsidenten dafür bedanken, dass er mit<br />

seinem Antrag einen Zustand, eine Situation korrigieren wird, die<br />

durch eine unglaubliche Missachtung <strong>des</strong> Parlamentes und seines<br />

Präsidiums durch die Staatsregierung eingetreten ist.


Es geht nicht darum, die Ausführungen <strong>des</strong> Ministerpräsidenten von<br />

vornherein festzulegen. Es ist aber ein Thema, auf Informationen<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung begründet, Bestandteil <strong>der</strong> Tagesordnung<br />

geworden und dieses Thema sollte nun ohne entsprechenden Antrag im<br />

Hohen Hause kurzfristig geän<strong>der</strong>t werden. Ich glaube, das ist <strong>der</strong><br />

Würde <strong>des</strong> Hohen Hauses nicht angemessen. Aus diesem Grunde muss<br />

dieser Versuch nachdrücklich zurückgewiesen werden.<br />

Ich bedanke mich noch einmal beim Herrn Präsidenten. Sie werden<br />

sicherlich Verständnis dafür haben, dass wir uns zwar nicht gegen<br />

Ihren Antrag stellen werden, dass wir ihm aber auch nicht zustimmen<br />

werden.<br />

Präsident Iltgen: Herr Jurk, bitte.<br />

Jurk, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen<br />

und Herren! Die logische Konsequenz aus <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>samen Mutation<br />

<strong>des</strong> Titels wäre gewesen, jetzt den Titel einzusetzen, <strong>der</strong> im<br />

Manuskript <strong>des</strong> Ministerpräsidenten, das den Fraktionsvorsitzenden<br />

gestern übergeben wurde, enthalten war. Dies ist im Präsidium von<br />

den Verursachern nicht beantragt worden.<br />

Wir können <strong>der</strong> Themalosigkeit <strong>der</strong> heutigen Regierungserklärung<br />

allerdings nicht folgen. Wir sind gleichwohl vorbereitet, auf<br />

jegliche Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten zu reagieren.<br />

Insofern können wir Ihrem Antrag allerdings nicht zustimmen, Herr<br />

Präsident.<br />

Präsident Iltgen: Herr Dr. Hähle, bitte.<br />

Dr. Hähle, CDU: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und<br />

Herren! Es steht heute unter Tagesordnungspunkt 1<br />

"Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten".<br />

(Zurufe von <strong>der</strong> SPD: Zum Thema ...! Nein! Wo steht das?)<br />

- Es steht so in <strong>der</strong> Tagesordnung, darunter ein Titel.<br />

Die Fraktionsvorsitzenden <strong>der</strong> im Landtag vertretenen Parteien haben<br />

gestern das Redemanuskript erhalten. Darauf steht: "Es gilt das<br />

gesprochene Wort." Wir können dem Ministerpräsidenten zutrauen,<br />

dass er jetzt in <strong>der</strong> Lage ist, auf das, was Sie wollen, einzugehen.<br />

- Vielen Dank.<br />

(Unruhe bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt keine<br />

Debatte zu. Wir hatten uns im Präsidium darauf verständigt, dass<br />

die Fraktionsvorsitzenden aus ihrer Sicht dazu Stellung nehmen.<br />

Ich lasse jetzt über den Antrag abstimmen, den Tagesordnungspunkt<br />

"Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten <strong>des</strong> Freistaates<br />

Sachsen, Prof. Dr. Biedenkopf" zu benennen. Wer mit dieser Än<strong>der</strong>ung<br />

einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer<br />

ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Stimmenthaltungen und<br />

Stimmen dagegen ist das mehrheitlich so beschlossen.<br />

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? -<br />

Wenn das nicht <strong>der</strong> Fall ist, dann gilt die Ihnen vorliegende<br />

Tagesordnung mit <strong>der</strong> beschlossenen Än<strong>der</strong>ung als verbindlich und wir<br />

können damit in die Tagesordnung <strong>des</strong> heutigen Tages eintreten.<br />

Meine Damen und Herren! Es ist aufgerufen <strong>der</strong><br />

Tagesordnungspunkt 1


Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten <strong>des</strong> Freistaates<br />

Sachsen, Prof. Dr. Biedenkopf<br />

Ich übergebe das Wort an den Ministerpräsidenten. Herr Prof.<br />

Biedenkopf, Sie haben das Wort. - Bitte schön.<br />

Prof. Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident: Herr Präsident! Meine sehr<br />

verehrten Damen und Herren! Ehe ich mich dem Gegenstand <strong>der</strong><br />

Regierungserklärung zuwende, glaube ich, habe ich auch das Recht -<br />

-<br />

(Nolle, SPD: Welcher Gegenstand ist denn das?)<br />

- Das werden Sie gleich hören und ich hoffe, dass Sie es dann auch<br />

verstehen, Herr Nolle.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ehe ich mich dem zuwende, möchte ich doch zwei Bemerkungen machen.<br />

Die eine Bemerkung ist, dass im Präsidium am letzten Donnerstag von<br />

Herrn Minister de Maizière darauf hingewiesen worden ist, dass es<br />

sich bei dem angegebenen Titel um einen Arbeitstitel handele<br />

(Wi<strong>der</strong>spruch bei SPD und PDS)<br />

- Augenblick! - und dass <strong>der</strong> Ministerpräsident die Absicht habe,<br />

den Gegenstand wesentlich weiter zu fassen. Also, eine völlige<br />

Überraschung kann es nicht gewesen sein.<br />

Zum Zweiten. Wenn jetzt auch in <strong>der</strong> Tagesordnung kein Titel mehr<br />

steht - ich nehme an, dass das in Zukunft die Praxis sein soll -,<br />

(Wi<strong>der</strong>spruch bei PDS und SPD)<br />

werde ich dennoch reden über Sachsens Aufgaben in einer Welt <strong>des</strong><br />

Wandels. Und die wichtigste Aufgabe <strong>des</strong> Freistaates Sachsen ist die<br />

Sicherung <strong>der</strong> Zukunftschancen <strong>der</strong> Jugend.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Deshalb habe ich den Furor, den <strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong> PDS-Fraktion<br />

über die Verän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Titels ausgelöst hat - zumal ihm <strong>der</strong> Text<br />

seit gestern Nachmittag bekannt ist -, nicht verstanden. Und ich<br />

kann es auch nicht nachvollziehen.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Ich möchte aber mit aller Klarheit sagen, Herr Kollege Porsch: Was<br />

Sie an Formulierungen gebraucht haben über Brüskierung <strong>des</strong><br />

Parlaments und Ähnliches, ist durchaus vergleichbar mit dem Titel,<br />

den Sie kürzlich für eine Aktuelle Stunde gewählt haben: Bei<strong>des</strong> ist<br />

völlig neben <strong>der</strong> Sache.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Das glauben Sie!)<br />

Der Ministerpräsident gibt eine Regierungserklärung ab. Das ist<br />

sein Recht.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Richtig!)<br />

Das ist niemals eine Missachtung <strong>des</strong> Parlaments, son<strong>der</strong>n im<br />

Gegenteil: Das ist eine Achtung vor dem Parlament.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS: Aber zum Thema!)<br />

Vor kurzem, Herr Porsch, haben Sie noch beanstandet, dass ich keine<br />

Regierungserklärung abgebe. Jetzt gebe ich eine ab, da passt Ihnen<br />

<strong>der</strong> Titel nicht. Daraus machen Sie eine "arrogante Behandlung" <strong>des</strong><br />

Parlaments.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Herr Ministerpräsident,<br />

Sie bleiben unter Ihrem Niveau!)<br />

Ich kann das nicht fassen.


(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

So schlecht waren Sie noch nie! - Allgemeine Unruhe)<br />

Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren, bitte!<br />

Prof. Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident: Ich kann nur sagen, wer in<br />

dem Titel "Sachsens Aufgaben in einer Welt <strong>des</strong> Wandels" nicht das<br />

Mitdenken <strong>der</strong> Jugend mit sieht, dem kann ich auch nicht helfen.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe um die Möglichkeit<br />

einer Regierungserklärung gebeten, weil wir schon am 27.10. in<br />

diesem Hohen Hause <strong>der</strong> zehnjährigen Wie<strong>der</strong>kehr <strong>des</strong> Tages gedacht<br />

haben, an dem sich das Parlament <strong>des</strong> Freistaates Sachsen<br />

konstituiert hat und <strong>der</strong> Ministerpräsident gewählt wurde. Mir<br />

schien das für die darauf folgende Plenarsitzung ein guter Anlass,<br />

einen Rückblick und einen Ausblick zu geben und dabei insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Zukunftsaufgaben zu beschreiben und zu definieren, die uns im<br />

zweiten Jahrzehnt unseres Lan<strong>des</strong> und seiner Entwicklung<br />

beschäftigen werden. Und dass dieses zweite Jahrzehnt vor allem <strong>der</strong><br />

Jugend gewidmet sein wird, war für mich eigentlich eine<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

Zehn Jahre Freistaat Sachsen und zehn Jahre deutsche Einheit -<br />

beide Jubiläen sind Anlass für Dankbarkeit und zur Zuversicht. Aber<br />

sie for<strong>der</strong>n von uns auch, uns mit den Fragen zu beschäftigen, die<br />

über den politischen Alltag hinausweisen:<br />

Mit welchen Zielen und mit welchen Erwartungen sind wir vor zehn<br />

Jahren angetreten? Haben sie sich erfüllt? Was wurde nicht erreicht<br />

und was können wir in Zukunft erreichen? Welche Entwicklungen haben<br />

unser Land in dieser Zeit verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> werden es in Zukunft<br />

beeinflussen? Welche Aufgaben sind dem Freistaat Sachsen als Land<br />

in Deutschland und in Europa in den kommenden Jahren gestellt? Was<br />

lehrt uns <strong>der</strong> Blick auf die erste Dekade freiheitlicher Entwicklung<br />

in Sachsen für die Gegenwart und die Zukunft unseres Lan<strong>des</strong>?<br />

Am 8. November 1990 hat die Staatsregierung mit <strong>der</strong> ersten<br />

Regierungserklärung die Ausgangslage für ihre politische Arbeit im<br />

wie<strong>der</strong>erstandenen Freistaat Sachsen dargelegt und die Ziele<br />

beschrieben, an denen sie sich orientieren will. "Drei Aufgaben<br />

sind es vor allem", heißt es dort, "auf die wir unsere Kräfte<br />

konzentrieren müssen und bei denen zügiges Handeln geboten ist.<br />

Erstens <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Regierung und <strong>der</strong> Verwaltung sowie die<br />

Beratung und Verabschiedung unserer Lan<strong>des</strong>verfassung. Zweitens die<br />

Überwindung <strong>der</strong> Altlasten, die uns das zusammengebrochene SED-<br />

Regime hinterlassen hat und damit zugleich drittens <strong>der</strong> Aufbau und<br />

die Erneuerung unseres Lan<strong>des</strong>."<br />

Was im Einzelnen getan werden musste, bestimmten die Umstände <strong>des</strong><br />

Neubeginns:<br />

- Aufbau <strong>der</strong> Verwaltung;<br />

- Wie<strong>der</strong>aufbau unserer Wirtschaft;<br />

- Schaffung neuer Arbeitsplätze;<br />

- Bewältigung <strong>der</strong> sozialen Fragen;<br />

- Überwindung <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit;<br />

- Erwerb <strong>des</strong> Wissens und Könnens für den Aufbau<br />

einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung;<br />

- Verwirklichung <strong>des</strong> sozialen Auftrags und Sicherung


<strong>der</strong> sozialen Ordnung;<br />

- Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger vor Armut;<br />

- Erneuerung unserer Schulen und Hochschulen;<br />

- Aufbau <strong>der</strong> Gerichtsbarkeit;<br />

- Erhaltung unserer Kulturlandschaft.<br />

Die tatsächlichen Dimensionen dieser Aufgaben waren damals kaum<br />

einzuschätzen. Hätten wir sie von Anfang an gewusst, hätte mancher<br />

vor <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Aufgaben und vor ihren Lasten kapituliert.<br />

Der Zusammenbruch <strong>der</strong> zentralen Planwirtschaft und ihrer Bürokratie<br />

führte zu Arbeitslosigkeit in bisher unbekanntem Ausmaß. Ihre<br />

Folgen und die Notwendigkeit, sie zu überwinden, beherrschen bis<br />

heute unser politisches Handeln und werden es auch in Zukunft<br />

beherrschen.<br />

Sieben von zehn Personen in Sachsen mussten in den letzten Jahren<br />

ihren Arbeitsplatz wechseln o<strong>der</strong> aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.<br />

Heute gibt es praktisch keine Erwerbstätigen in Sachsen mehr, <strong>der</strong>en<br />

Arbeitsplatz sich nicht grundlegend verän<strong>der</strong>t hat. Das ganze Volk<br />

musste umlernen. Eine Leistung wurde vollbracht, die ohne<br />

historisches Vorbild ist.<br />

Ein <strong>der</strong>artig tiefgreifen<strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> gesamten Wirtschaft und<br />

ihrer Strukturen konnte mit marktwirtschaftlichen Mitteln allein<br />

nicht bewältigt werden. Die Einmaligkeit <strong>der</strong> Aufgabe verlangte nach<br />

einmaligen Wegen und Methoden. Nur so konnten und können wir dem<br />

vitalen Interesse <strong>der</strong> Menschen in Sachsen und im Osten<br />

Deutschlands, den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>des</strong> sozialen Friedens und dem Ziel<br />

gerecht werden, dass zusammenwachsen möge, was zusammengehört.<br />

Schon 1990 ging es darum, Brücken zu bauen über das Tal <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit, die bis zu 40 % betrug. Die Solidarität <strong>der</strong><br />

Westdeutschen musste mobilisiert, <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau unseres Lan<strong>des</strong><br />

und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ostdeutschen Län<strong>der</strong> als gesamtdeutsche Aufgabe<br />

begriffen werden. Wissen und Können vieler Menschen aus<br />

Westdeutschland war für unser Land zu gewinnen. Kurz gesagt: Die<br />

Kräfte <strong>des</strong> wie<strong>der</strong>geeinten Deutschlands mussten für die bisher<br />

größte nationale Aufgabe <strong>der</strong> Deutschen gewonnen werden, die Einheit<br />

ihres Lan<strong>des</strong> in Freiheit zu vollenden.<br />

Umfassende Maßnahmen im so genannten zweiten Arbeitsmarkt waren<br />

dafür ebenso unverzichtbar wie die massiven Investitionen in die<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Infrastruktur. Mit finanziellen Leistungen <strong>des</strong><br />

Westens mussten die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> sozialen Systeme<br />

gewährleistet und die wirtschaftliche und materielle Unterstützung<br />

<strong>der</strong> staatlichen und zahlreichen gesellschaftlichen Aufgaben<br />

gesichert werden.<br />

Offensichtlich war aber auch, dass diese später in einem<br />

Solidarpakt zusammengefassten Leistungen und Hilfen nicht auf Dauer<br />

gewährt werden konnten. Unser Ziel war es <strong>des</strong>halb, dafür zu sorgen,<br />

dass das Land so bald wie möglich in <strong>der</strong> Lage sein würde, wie<strong>der</strong><br />

auf eigenen Füßen zu stehen. Die überwältigende Mehrheit <strong>der</strong><br />

Sachsen sah und sieht dies genauso. Sie will nicht durch einen<br />

vormundschaftlichen Staat in eine neue, dauerhafte Abhängigkeit<br />

wechseln.


Mit <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> drei Fundamente sächsischer Eigenständigkeit<br />

- Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur - mit Hilfe einer<br />

leistungsfähigen Infrastruktur und einer wettbewerbsfähigen<br />

Verwaltung schuf sich Sachsen eine dauerhafte Basis für ein<br />

lebenswertes Land und für seine Selbständigkeit im Reigen <strong>der</strong><br />

deutschen Län<strong>der</strong> und gegenüber dem Bund. Und es schuf damit eine<br />

solide Basis für die Zukunft unserer Jugend.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Nach zehn Jahren können wir feststellen: Wir haben gute<br />

Fortschritte gemacht, beson<strong>der</strong>s in den traditionellen<br />

Wirtschaftszentren Sachsens.<br />

(Nolle, SPD: Die Jugend schreitet fort!)<br />

- Das ist genau das, was sie von Ihnen unterscheidet, Herr Nolle!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ebenso unbestreitbar wie die Fortschritte sind die großen Probleme,<br />

mit denen die strukturschwachen Räume unseres Lan<strong>des</strong> noch immer zu<br />

kämpfen haben <strong>der</strong> Südraum Leipzig, die Landkreise Torgau-Oschatz<br />

und Döbeln, Teile <strong>des</strong> Vogtlan<strong>des</strong> und die Region Oberlausitz-<br />

Nie<strong>der</strong>schlesien. Beson<strong>der</strong>s Ostsachsen hat unter <strong>der</strong> Randlage in<br />

Deutschland zu leiden. Die jüngsten Arbeitslosenzahlen belegen es<br />

aufs Neue.<br />

Die weitere För<strong>der</strong>ung dieser Regionen ist <strong>des</strong>halb auch in Zukunft<br />

unverzichtbar. Sie darf nicht gefährdet werden, auch nicht durch<br />

eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungsprioritäten innerhalb Europas, die mit<br />

<strong>der</strong> Osterweiterung <strong>der</strong> Europäischen Union einhergehen könnte.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Sachsen wird auch in Zukunft auf europäische För<strong>der</strong>ung angewiesen<br />

sein. Man würde dem europäischen Gedanken in unserem Lande einen<br />

Bärendienst erweisen, wenn die Erweiterung Hand in Hand mit einer<br />

Verschlechterung unserer Chancen ginge, die Nachteile <strong>der</strong> Teilung<br />

endgültig zu überwinden und damit die Zukunftschancen zu stärken.<br />

Wir erwarten <strong>des</strong>halb, dass wir im Rahmen <strong>der</strong> europäischen Verträge<br />

auch weiterhin die Überwindung <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong> Teilung durch<br />

geeignete Maßnahmen unterstützen können. Fälle wie Gröditz müssen<br />

schnell geklärt werden. Europa muss uns Hilfe zur Selbsthilfe<br />

gewähren, darf nicht Selbsthilfe verhin<strong>der</strong>n.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Dabei geht es um zweierlei: bei den klassischen Wirtschaftszweigen<br />

jahrzehntelang Versäumtes durch Erneuerung nachholen und durch<br />

Neuansiedlung von Spitzentechnologien mitwirken, um bei den<br />

Zukunftsentwicklungen als Erste dabei zu sein.<br />

Maschinenbau und Automobilbau haben technologisch und<br />

wettbewerbsmäßig den Anschluss an die Konkurrenz gefunden, auch<br />

wenn sie dabei nicht an die Größenordnungen <strong>der</strong> Vorkriegszeit<br />

anknüpfen konnten. Unsere Anstrengungen, Entwicklungen im<br />

Informations-, Kommunikations- und Medienbereich zu för<strong>der</strong>n, haben<br />

schon heute zu Ergebnissen geführt, die Sachsen weit über die<br />

Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht haben. Gerade in dieser<br />

Entwicklung sind Chancen für Ingenieure, Naturwissenschaftler und<br />

alle diejenigen eingeschlossen, die in den kommenden Jahren und


Jahrzehnten auf dem jetzt gebildeten Fundament weiter aufbauen<br />

wollen und können.<br />

Der Freistaat wird <strong>des</strong>halb auch weiterhin bestrebt sein, ein hohes<br />

wissenschaftliches und technologisches Niveau zu för<strong>der</strong>n und zu<br />

sichern. Er kann sich dabei auf ein beachtliches Forschungs- und<br />

Technologiepotenzial stützen, insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong><br />

Industrieforschung. Dieses Potenzial baut auf <strong>der</strong> breiten Basis<br />

auf, die schon vor <strong>der</strong> Wende geschaffen wurde. In den<br />

zurückliegenden Jahren hat es sich eindrucksvoll weiter entwickelt.<br />

Heute gehört es zu den tragenden Bausteinen sächsischer Zukunft und<br />

bietet den jungen Menschen neue Chancen.<br />

Unser wichtigstes Ziel, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, haben<br />

wir noch nicht erreicht. Noch immer ist in Sachsen und in ganz<br />

Ostdeutschland die Arbeitslosigkeit nicht nur viel zu hoch, son<strong>der</strong>n<br />

auch beson<strong>der</strong>s hartnäckig. Zahlreiche Versuche, ihrer Herr zu<br />

werden, waren bisher weniger erfolgreich, als nicht nur wir,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Partner hofften, die sich mit uns zu gemeinsamen<br />

Anstrengungen verbunden haben.<br />

Auf allen Ebenen muss <strong>des</strong>halb auch weiterhin nach neuen Wegen<br />

gesucht werden, unternehmerische Initiativen auszulösen und zu<br />

för<strong>der</strong>n, im zunehmenden Wettbewerb <strong>der</strong> Regionen Investoren zu<br />

gewinnen, Talente für unser Land zu interessieren, die Abwan<strong>der</strong>ung<br />

von Jungen und von Fachleuten durch attraktive Perspektiven im<br />

eigenen Land zu verhin<strong>der</strong>n und noch nicht ausgeschöpfte Potenziale<br />

zu aktivieren.<br />

In diesem Zusammenhang ist für mich von beson<strong>der</strong>er Bedeutung, was<br />

<strong>der</strong> Sachverständigenrat in seinem gerade vorgelegten Gutachten über<br />

die weitere Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitsmärkte mitteilt. Ich unterstütze<br />

ausdrücklich die Auffassung <strong>des</strong> Sachverständigenrates, dass im<br />

Arbeitsmarkt mehr Beweglichkeit, mehr Gestaltungsspielräume und<br />

mehr Innovationschanchen gewährt werden müssen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir brauchen uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, über die<br />

Zukunftschancen <strong>der</strong> Jugend in unserem Land nicht zu unterhalten.<br />

Wenn es dahin kommt, dass wir immer mehr Reglementierungen in den<br />

Arbeitsmärkten haben, immer weniger Beweglichkeit bei <strong>der</strong><br />

Gestaltung neuer Formen <strong>der</strong> Beschäftigung, beim Wechsel von<br />

Selbständigkeit in abhängige Arbeit und wie<strong>der</strong> zurück, bei dem<br />

Ausprobieren neuer Wege, unternehmerisch tätig zu sein, schaffen<br />

wir eine Situation, in <strong>der</strong> diejenigen in <strong>der</strong> jüngeren Generation,<br />

die unternehmerische Fähigkeiten und Potenziale mitbringen, an<strong>der</strong>e<br />

Plätze in Deutschland und in Europa - vor allen Dingen auch in<br />

Europa - suchen, um diese Fähigkeiten zu entfalten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wenn es einen Bereich gibt, <strong>der</strong> Chancen für die Jugend bietet, dann<br />

ist das die Öffnung von Möglichkeiten <strong>des</strong> Experimentieren-Könnens.<br />

Dabei geht es um den Abbau <strong>der</strong> jetzt in <strong>der</strong> Reglementierung<br />

enthaltenen Vorstellung, <strong>der</strong> Arbeitsmarkt habe es mit unmündigen<br />

Bürgern zu tun, die an die Leine staatlicher Bürokratie gelegt<br />

werden müssten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)


Wir werden auch in Zukunft den zweiten Arbeitsmarkt brauchen. Viele<br />

werden in ihm auch in Zukunft eine Chance finden, aus <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln. Wir dürfen<br />

aber auch nicht nachlassen in unseren Bemühungen, arbeitslose<br />

Menschen zu motivieren, auch einfachere Arbeiten zu übernehmen und<br />

sich nicht allein auf die sozialen Sicherungen zu verlassen. Die<br />

soziale Hilfe aller sollten sie erst in Anspruch nehmen, wenn sich<br />

kein an<strong>der</strong>er Weg mehr bietet für den eigenen Lebensunterhalt zu<br />

sorgen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe dürfen nicht zur Barriere für<br />

einfachere Formen <strong>der</strong> Beschäftigung werden. Genau diesem Ziel<br />

dienen auch die Anstrengungen unserer großen Städte, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Leipzig und Chemnitz, zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen<br />

und damit den Verweis auf Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zu<br />

verringern.<br />

Dies ist nicht nur ein Appell an diejenigen, die vor dieser<br />

Alternative stehen; es ist auch ein Appell an den Gesetzgeber,<br />

unsere Bürger nicht durch angeblich soziale Wohltaten in Versuchung<br />

zu führen. Was kurzfristig wahlwirksam erscheinen mag,<br />

diskreditiert langfristig das soziale System und schwächt die<br />

Bereitschaft <strong>der</strong> starken Mehrheit <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger zu<br />

Solidarität mit den wirklich Schwachen. Wir werden <strong>des</strong>halb nicht<br />

nachlassen mit unseren Bemühungen, Arbeitslosen- und Sozialhilfe<br />

zusammenzuführen und weiter zu entwickeln.<br />

Trotz dieser Defizite im Arbeitsmarkt sind wir in den vergangenen<br />

Jahren nicht erfolglos geblieben. In Sachsen haben wir wie<strong>der</strong> eine<br />

Beschäftigungshöhe erreicht, die mit 410 Beschäftigten pro 1 000<br />

Einwohner etwa dem deutschen Durchschnitt entspricht. Dabei<br />

arbeiten die Beschäftigten in Sachsen länger, ihr<br />

Durchschnittseinkommen ist geringer, die Spanne zwischen höheren<br />

und geringeren Löhnen und Einkommen ist größer, ein größerer Teil<br />

von ihnen als in Westdeutschland übt eine Vollzeittätigkeit aus.<br />

Insgesamt haben wir eine völlige Umwälzung <strong>der</strong><br />

Beschäftigungsverhältnisse hinter uns. Die Menschen in Sachsen wie<br />

in ganz Ostdeutschland haben diesen Umbruch bewältigt und in einer<br />

Weise selbst gestaltet, wie es den Menschen im Westen nicht<br />

abverlangt wurde. Schon <strong>des</strong>halb ist es unzutreffend und mit ihrer<br />

Leistung unvereinbar, die Menschen im Osten als weniger<br />

qualifiziert zu bezeichnen, was immer wie<strong>der</strong> vorkommt und zunehmend<br />

in meinen Augen auch Ausdruck eines regionalen Wettbewerbs um<br />

Arbeitskräfte und Investoren ist.<br />

Das Gegenteil ist richtig. Mir ist keine Industrieansiedlung in<br />

Sachsen bekannt, bei <strong>der</strong> die beson<strong>der</strong>e Qualifikation <strong>der</strong> Sächsinnen<br />

und Sachsen, ihre Leistungsbereitschaft und Motivation nicht eine<br />

beson<strong>der</strong>e Rolle gespielt hätten.<br />

Häufig hat sie den Ausschlag für die Entscheidung gegeben bei uns<br />

zu investieren<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

und das, davon bin ich überzeugt, wird auch so bleiben.


Mit <strong>der</strong> Übertragung <strong>der</strong> marktwirtschaftlichen Ordnung auf den<br />

östlichen Teil Deutschlands wurde deutlich, wie anspruchsvoll die<br />

kulturelle Leistung ist, die sich hinter einer<br />

marktwirtschaftlichen Ordnung verbirgt. Inzwischen haben die<br />

Menschen auch hier die Fähigkeit entwickelt, eigenverantwortlich in<br />

einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu bestehen. Dafür stehen nicht<br />

zuletzt die 180 000 Selbständigen, auch wenn die Quote noch hinter<br />

<strong>der</strong> in Westdeutschland zurückbleibt. Gerade die Selbständigkeit<br />

muss aber in Zukunft geför<strong>der</strong>t werden. Sie ist eine ganz<br />

wesentliche und zunehmend bedeutsame Alternative zur Beschäftigung<br />

als Arbeitnehmer in einem Unternehmen.<br />

Mit <strong>der</strong> deutschen Einheit wurde auch die westdeutsche Rechtsordnung<br />

auf ganz Deutschland übertragen. Ihre gesetzlichen Regelungen<br />

spiegeln die vierzigjährige Erfahrung mit einem freiheitlichen<br />

demokratischen Rechtsstaat und seiner Wirtschaftsverfassung wi<strong>der</strong>.<br />

Den Menschen im Osten waren diese Normen und Regelungen fremd. Sie<br />

wollten die neue Rechtsordnung und Wirtschaftsverfassung und die<br />

damit verbundene Freiheit. Aber sie mussten mit <strong>der</strong>en Gesetzen und<br />

Verfahren erst Erfahrungen sammeln und diese Erfahrungen<br />

entsprachen oft nicht ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit. Dies<br />

führte zu Spannungen und zu Schwierigkeiten beim Verständnis <strong>des</strong><br />

neuen Rechts, zumal es mit komplizierten Verfahren verbunden ist,<br />

und zu enttäuschten Erwartungen. Bärbel Bohley hat sie in dem Satz<br />

zusammengefasst, man habe Gerechtigkeit gewollt und<br />

Rechtsstaatlichkeit erhalten.<br />

Dass Gerechtigkeit ohne Rechtsstaatlichkeit nicht zu haben ist -<br />

diese Einsicht musste erst erworben werden. Nicht immer war dabei<br />

die Beratung durch westdeutsche Juristen hilfreich. Dennoch ist es<br />

in den letzten zehn Jahren im Großen und Ganzen gelungen, dem neuen<br />

Recht die Anerkennung zu sichern, ohne die es seine<br />

friedensstiftende Wirkung nicht entfalten kann. Dazu haben die<br />

überragenden Leistungen unserer Landräte, Bürgermeister und <strong>der</strong>en<br />

Mitarbeiter, die staatlichen Behörden und die Richterinnen und<br />

Richter in unseren Gerichten entscheidend beigetragen. Ihnen allen<br />

gebührt Dank für diesen so wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> deutschen Rechtseinheit. Diese Basis wie<strong>der</strong>um ist eine<br />

entscheidende Voraussetzung für unsere weitere, in die Zukunft<br />

gerichtete Tätigkeit.<br />

Die sächsische Bevölkerung konnte die enormen Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />

auch <strong>des</strong>halb in relativ kurzer Zeit verkraften, weil sie sich mit<br />

ihrem Land und seinen Regionen identifiziert. Dies verlieh ihr<br />

Kraft und den Willen zum Erfolg.<br />

Es gibt wohl kaum eine Region in Deutschland, die eine so weit<br />

zurückreichende und intensive historische und kulturelle Identität<br />

aufweist wie Sachsen. Diese Identität stützt sich auf eine<br />

kulturelle Substanz und auf bürgerliche Eigenständigkeit, auf<br />

handwerkliche Tradition, auf Jahrhun<strong>der</strong>te an Erfahrungen mit<br />

Wissenschaft und Kunst, wie sie in kaum einer an<strong>der</strong>en Region<br />

Deutschlands anzutreffen sind. Die Sachsen sind stolz auf ihr Land<br />

und seine Kultur, seine Geschichte und seine Tradition. Sie wan<strong>der</strong>n<br />

gern, aber sie kommen ebenso gern zurück.


(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Gerade in <strong>der</strong> Unsicherheit <strong>des</strong> Umbruchs und <strong>des</strong> Übergangs<br />

begründeten diese beson<strong>der</strong>en Bindungen eine Verbundenheit mit dem<br />

Land, wie sie durch materiellen Wohlstand allein niemals zu<br />

begründen gewesen wäre. Dieser Verbundenheit mit dem Land ist es<br />

nicht zuletzt geschuldet, dass die radikalen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Lebensgewohnheiten und <strong>des</strong> gesellschaftlichen und beruflichen<br />

Umfelds nicht zu sozialen Brüchen und Unruhen führten, son<strong>der</strong>n von<br />

unseren Bürgerinnen und Bürgern mit Mut und Ausdauer bewältigt<br />

wurden. Wir anerkennen die herausragende, auch die<br />

identitätsstiftende Bedeutung unserer gemeinsamen Kultur. Sie<br />

verpflichtet uns zur Pflege und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sprache, <strong>des</strong><br />

kulturellen Erbes, <strong>des</strong> künstlerischen Schaffens in unserem Land und<br />

zur Sicherung einer lebendigen Präsenz von Kultur und Kunst in<br />

allen Regionen Sachsens.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Aber die historisch gewachsene Kulturlandschaft Sachsens<br />

rechtfertigt auch unseren Anspruch, die Kultureinheit unseres<br />

Lan<strong>des</strong> und aller Län<strong>der</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> zu achten.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Trotz seiner begrenzten finanziellen Mittel hat <strong>der</strong> Freistaat<br />

Sachsen das weithin anerkannte Niveau seiner kulturellen<br />

Lan<strong>des</strong>einrichtungen, seiner Musikhochschulen, Musikschulen,<br />

Lan<strong>des</strong>bühnen, Staatlichen Kunstsammlungen und Museen gefestigt und<br />

weiter entwickelt. Das Kulturraumgesetz, ein Beispiel sächsischer<br />

Kulturpolitik, wird inzwischen in ganz Deutschland beachtet. In<br />

dieser Legislaturperiode muss es unser Ziel sein, dieses Gesetz mit<br />

seiner gemeinsamen Solidarität von staatlicher und kommunaler Ebene<br />

zu verstetigen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

So bleibt es ein gemeinsames Ziel <strong>des</strong> Freistaates und seiner<br />

Kulturstiftung, <strong>der</strong> Kommunen und Landkreise und freier bürgerlicher<br />

Initiativen, neue künstlerische Projekte in privater und<br />

öffentlicher Partnerschaft zu unterstützen. All dies ist Ausdruck<br />

auch <strong>der</strong> Kulturhoheit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Deshalb erteilt die<br />

Staatsregierung allen Bestrebungen eine Absage, den kulturellen<br />

Reichtum unseres Freistaates und <strong>des</strong> geeinten Deutschlands durch<br />

bun<strong>des</strong>staatliche Kulturzentralisierung zu reglementieren und damit<br />

seiner kulturellen Vielfalt berauben zu wollen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Die in <strong>der</strong> bun<strong>des</strong>staatlichen Ordnung gelebte kulturelle Vielfalt<br />

bereichert nicht nur die Bun<strong>des</strong>republik. Sie ist zugleich Quelle<br />

kultureller Kreativität und eine <strong>der</strong> wichtigsten Voraussetzungen<br />

für die gemeinsame Bewältigung zukünftiger Herausfor<strong>der</strong>ungen. Es<br />

wäre verantwortungslos, sie zugunsten <strong>der</strong> missratenen Konstruktion<br />

einer Art Bun<strong>des</strong>kulturbeauftragten zu gefährden. Das bedeutet<br />

nicht, dass es keine deutsche Kultur gäbe, von <strong>der</strong> eine<br />

identitätsstiftende Wirkung ausgehen kann.<br />

In den zurückliegenden Wochen, meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren, hat sich in ganz Deutschland eine Debatte entzündet über<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> deutschen Kultur als Ausdruck <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong>


Nation und <strong>der</strong> Erwartungen, die wir an die Menschen richten, die<br />

nach Deutschland kommen, um hier dauerhaft zu leben. Der<br />

Vorsitzende <strong>der</strong> CDU/CSU-Bun<strong>des</strong>tagsfraktion, Friedrich Merz, hat sie<br />

mit <strong>der</strong> Verwendung <strong>des</strong> Begriffes "Leitkultur" ausgelöst. Die<br />

Heftigkeit, aber auch die Verworrenheit <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen,<br />

die er damit in Gang setzte, ist verständlich, denn jahrzehntelang<br />

haben wir die Frage nach <strong>der</strong> deutschen Nation unterdrückt. Jetzt<br />

macht sie sich mit Macht bemerkbar. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten gibt es eine<br />

deutsche Nation. Ähnlich wie die polnische o<strong>der</strong> die schottische<br />

definiert sie sich nicht durch den Staat, son<strong>der</strong>n durch die<br />

Sprache, die historischen Gemeinsamkeiten und eben durch die Kultur<br />

<strong>der</strong> Deutschen.<br />

Die heutige Debatte ignoriert diese historischen Bezüge weitgehend.<br />

Sie sieht sich vor allem mit <strong>der</strong> Tatsache konfrontiert, dass die<br />

deutsche Nation durch die Nazibarbarei auf schreckliche Weise<br />

vergewaltigt wurde. Aber die Nation hat <strong>des</strong>halb ihre Würde nicht<br />

verloren. Kein Geringerer als Willy Brandt berief sich in seiner<br />

Zeit als Bun<strong>des</strong>kanzler auf die deutsche Kulturnation als das<br />

einigende Band <strong>des</strong> geteilten Deutschland. Die DDR-Verfassung von<br />

1968 definierte die DDR noch als "sozialistischer Staat deutscher<br />

Nation". Erst seit Mitte <strong>der</strong> siebziger Jahre lehnt man es ab, in<br />

Kategorien <strong>der</strong> Nation und <strong>der</strong> nationalen Interessen zu denken. Von<br />

<strong>der</strong> europäischen Integration erhoffte man sich die Möglichkeit,<br />

Fragen nach <strong>der</strong> Nation auszuweichen und sie durch Verweis auf eine<br />

europäische Identität zu beantworten.<br />

Nun zwingen uns drei Entwicklungen dazu, uns erneut mit <strong>der</strong> Frage<br />

nach <strong>der</strong> deutschen Kultur auseinan<strong>der</strong> zu setzen: die deutsche<br />

Einheit, die europäische Integration und die Einwan<strong>der</strong>ungsfrage.<br />

Alle drei verlangen von uns, uns darüber zu verständigen, was das<br />

Deutschland eigentlich ist, in dem wir leben und dem sich die große<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Deutschen verbunden fühlt. Wir müssen klären, was wir<br />

im Zusammenhang mit Zuwan<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Integration ausländischer<br />

Mitbürger unter deutscher Kultur verstehen. Es geht um den Inhalt<br />

<strong>der</strong> Kulturnation, von <strong>der</strong> Willy Brandt sprach.<br />

Schon Anfang November habe ich gesagt, dass ich den Begriff<br />

"Leitkultur" dafür nicht für beson<strong>der</strong>s geeignet halte, und<br />

vorgeschlagen, lieber von deutscher Kultur zu sprechen. Ich freue<br />

mich, dass sich <strong>der</strong> Präsident <strong>des</strong> Zentralrates <strong>der</strong> Juden in<br />

Deutschland diesem Vorschlag angeschlossen hat.<br />

Friedrich Merz bleibt das Verdienst, die Debatte ausgelöst und<br />

damit ein Tabu gebrochen zu haben. Es hat uns jahrelang daran<br />

gehin<strong>der</strong>t, über Deutschland, die deutsche Nation und die deutsche<br />

Kultur in ähnlich unbefangener Weise zu sprechen wie unsere<br />

Nachbarn über ihre Nation - ohne <strong>des</strong>halb die Last zu ignorieren,<br />

mit <strong>der</strong> die deutsche Nation seit <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Nazibarbarei immer<br />

verbunden bleiben wird.<br />

Ernsthaft und vor allem ehrlich geführt, wird diese Debatte<br />

rechtsextreme Splittergruppen, unter denen wir auch in Sachsen<br />

leiden, nicht ermutigen. Sie wird sie vielmehr <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

berauben, Schweigen und Verdrängung auszubeuten und in den trüben


Gewässern zu fischen, die sich bilden, wenn für die Menschen<br />

wichtige Fragen tabuisiert bleiben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall bei <strong>der</strong> Staatsregierung)<br />

Diese Debatte - das möchte ich hinzufügen - ist vor allen Dingen<br />

auch <strong>des</strong>halb so bedeutsam, weil die jüngeren Menschen in unserem<br />

Land in ganz an<strong>der</strong>er Weise nach <strong>der</strong> deutschen Geschichte, <strong>der</strong><br />

deutschen Nation und dem, was Deutschland ausmacht, fragen, als es<br />

vielleicht in meiner Generation geschieht, die sich immer noch<br />

scheuen sich diesen Fragen anzunehmen, weil sie wissen, welch<br />

schreckliches Unrecht und welch schreckliche Verbrechen auch unter<br />

dem Begriff Deutschland begangen wurden.<br />

Von herausragen<strong>der</strong> Bedeutung für den Erfolg unserer bisherigen<br />

Arbeit und für die Zukunft unseres Lan<strong>des</strong> ist die nationale<br />

Solidarität. Während vor zehn Jahren noch darüber diskutiert wurde,<br />

ob und inwieweit die Menschen in Westdeutschland zu den<br />

Aufbauleistungen herangezogen werden können, wird <strong>der</strong> Solidarpakt<br />

heute von niemandem mehr als eine ausschließliche For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

ostdeutschen Län<strong>der</strong> begriffen. Wir alle sehen in ihm die<br />

Fortsetzung einer gesamtstaatlichen Aufgabe. Man mag dabei über<br />

einzelne Ziele und Maßnahmen diskutieren - die ostdeutschen Län<strong>der</strong><br />

können einer solchen Diskussion gelassen und offen entgegensehen.<br />

Die von Sachsen initiierten Gutachten namhafter<br />

Wirtschaftsforschungsinstitute haben eine fundierte Datenbasis zur<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Gespräche über die Fortführung <strong>des</strong> Solidarpaktes<br />

erbracht. Damit stehen anerkannte Grundlagen für die weitere<br />

Verhandlung zur Verfügung. Niemand stellt heute mehr infrage, dass<br />

Bund und Län<strong>der</strong> den Aufbau Ost nach dem Jahre 2004 als zentrales<br />

Element <strong>der</strong> solidarischen bun<strong>des</strong>staatlichen Finanzpolitik weiterhin<br />

anerkennen.<br />

Die Regierungschefs <strong>der</strong> ostdeutschen Län<strong>der</strong> haben in ihrer<br />

gestrigen Konferenz in Magdeburg diese wichtigen Anliegen erneut<br />

bestätigt. Wir gehen davon aus, dass die Entscheidungen über die<br />

Zukunft nach 2004 noch bis zum Februar 2002 fallen werden. Wir<br />

haben die uneingeschränkte Zustimmung aller Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> und auch<br />

<strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung zu diesem Vorhaben. Wir wissen, dass ohne die<br />

Klärung langfristiger Perspektiven die zukünftige Entwicklung im<br />

Freistaat Sachsen wesentlich beschwert wäre.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Und wir wissen vor allem, meine Damen und Herren, dass es uns allen<br />

ohne Klarheit über die langfristigen Perspektiven viel schwerer<br />

fallen würde, als es ohnehin sein wird, diejenigen jüngeren Frauen<br />

und Männer in diesem Land und für dieses Land zu engagieren, ohne<br />

die <strong>der</strong> weitere Aufbau, die weitere Entwicklung und die weitere<br />

Wohlfahrt <strong>des</strong> Freistaates Sachsen nicht gewährleistet werden<br />

können.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Unsere Erfahrungen, die wir mit dem Transformationsprozess gemacht<br />

haben, sind aber nicht nur für uns und die Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland bedeutsam; sie können auch in den Prozess <strong>der</strong><br />

Erweiterung <strong>der</strong> Europäischen Union eingebracht werden und diesen<br />

erleichtern. Sachsen wird durch diesen Erweiterungsprozess <strong>vom</strong> Rand


<strong>der</strong> Europäischen Union in die europäische Mitte rücken. Um dies<br />

vorzubereiten und den Gedanken einer Euroregion fortzuführen, haben<br />

wir ein enges Geflecht partnerschaftlicher Beziehungen zu den<br />

Nachbarstaaten aufgebaut. Die jungen Leute beteiligen sich an<br />

diesem Geflecht immer intensiver.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Europäischen Union bemühen wir uns, das Verständnis<br />

für die Belange unserer östlichen Nachbarn zu schärfen und Anwälte<br />

guter Nachbarschaft zu sein. Als einziges Bun<strong>des</strong>land, meine sehr<br />

verehrten Damen und Herren, ist Sachsen Nachbar von zwei<br />

Beitrittskandidaten. Mit Polen hat es eine 112 Kilometer und mit<br />

Tschechien eine 454 Kilometer lange Grenze. Von Beginn an hat unser<br />

Land intensive Kontakte und Möglichkeiten <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit<br />

beiden Nachbarn gesucht. Viele Probleme sind ohnehin nur<br />

grenzüberschreitend zu lösen.<br />

Darüber hinaus verbindet uns mit beiden Staaten eine lange<br />

historische, kulturelle, aber auch ökonomische Entwicklung. Sie<br />

wurde in den letzten Jahrzehnten zwar beschädigt - vor allem im<br />

letzten Jahrhun<strong>der</strong>t, <strong>vom</strong> Beginn <strong>des</strong> letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts bis zur<br />

Jahrhun<strong>der</strong>tmitte -, aber sie wurde nie ganz zerstört. Böhmen,<br />

Sachsen und Schlesien werden eines Tages auf ähnliche Weise eine<br />

Euroregion bilden, wie dies an <strong>der</strong> deutschen Westgrenze seit langem<br />

zur Tradition geworden ist.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall bei <strong>der</strong> Staats-<br />

regierung - Nolle, SPD: Das ist vorwärts weisend!)<br />

Immer ging es uns bei den Beziehungen mit unseren Nachbarn nicht<br />

nur um die wirtschaftlichen und ökologischen Probleme, son<strong>der</strong>n auch<br />

um die kulturellen und menschlichen Beziehungen über die Grenze<br />

hinweg. Beispiele sind die Kulturveranstaltungen <strong>der</strong> Euroregion<br />

Egrensis, das deutsch-tschechische Gymnasium in Pirna und die auf<br />

eine gemeinsame Initiative deutscher und tschechischer Eltern<br />

zurückgehende deutsch-tschechische freie Schule in Hartau.<br />

Mit Tschechien und Polen kooperieren wir am internationalen<br />

Hochschulinstitut Zittau. Etwa ein Viertel <strong>der</strong> Studenten kommt aus<br />

unseren beiden Nachbarlän<strong>der</strong>n. 62 Partnerschaften zwischen<br />

sächsischen, tschechischen und polnischen Hochschulen stellen die<br />

Kooperation auf eine breite Basis. Polnische Studenten bilden das<br />

größte ausländische Kontingent an unseren Hochschulen. Wie man <strong>der</strong><br />

Meinung sein kann, dass das mit <strong>der</strong> Zukunft <strong>der</strong> Jugend nichts zu<br />

tun hat, wird mir immer unbegreiflich bleiben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Auch wenn in Sachsen <strong>der</strong> Transformationsprozess noch nicht<br />

abgeschlossen ist, stehen wir in den kommenden Jahren vor neuen und<br />

in ihren Auswirkungen nicht geringeren Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />

(Nolle, SPD: Bla, bla!)<br />

Sie betreffen nicht nur Sachsen, son<strong>der</strong>n ganz Deutschland und<br />

zunehmend auch ganz Europa. Zu ihrer Bewältigung müssen wir schon<br />

aus Gründen <strong>der</strong> Sicherung unserer eigenen Zukunft unseren Beitrag<br />

leisten. Es geht dabei - wie wir schon vielfach erörtert haben,<br />

aber was meine Erfahrung aus den letzten Jahren auch gerade<br />

bun<strong>des</strong>politisch ist und worüber wir nie genug sprechen können - um<br />

die demografische Entwicklung, die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeitswelt, die


Folgen <strong>der</strong> Informations- und Kommunikationsrevolution und eben die<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Europäischen Union. Diese vier Aufgaben werden die<br />

Agenda im zweiten Jahrzehnt <strong>des</strong> Freistaates Sachsen entscheidend<br />

bestimmen.<br />

Die demografische Entwicklung tritt in zunehmendem Maße in ganz<br />

Europa in Erscheinung. Für Sachsen hat sie das Statistische<br />

Lan<strong>des</strong>amt im Bericht zur Bevölkerungsentwicklung in den Jahren 1990<br />

bis 1998 ausführlich beschrieben: Die Bevölkerung wird altern wie<br />

in ganz Deutschland, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Jüngeren wird weiter<br />

schrumpfen. In den jetzt 15 EU-Mitgliedsstaaten wird die<br />

Bevölkerung ohne Einwan<strong>der</strong>ung bis zum Jahre 2050 um 15 % abnehmen.<br />

In Deutschland wird die Bevölkerung ohne Zuwan<strong>der</strong>ung von etwa 82<br />

Millionen heute auf 50 bis 60 Millionen um die Mitte <strong>des</strong> jetzt<br />

begonnenen Jahrhun<strong>der</strong>ts zurückgehen. Als Folge wird in 50 Jahren<br />

etwa ein Drittel <strong>der</strong> Bevölkerung aus über 60-Jährigen und ein<br />

Sechstel aus unter 20-Jährigen bestehen.<br />

Das ist eine <strong>der</strong> gravierendsten Feststellungen, die die Entwicklung<br />

in <strong>der</strong> Zukunft und damit natürlich auch die Zukunftschancen unserer<br />

Jugend betreffen. Es bedeutet nämlich eine Umkehr <strong>der</strong> Verhältnisse<br />

zwischen Jung und Alt, die 1950 in Deutschland bestanden. Die<br />

Auswirkung dieser Entwicklung - längere Lebenserwartung als<br />

positive und geringe Geburtenrate als negative Dimension - auf die<br />

gesamten sozialen Systeme ist offensichtlich.<br />

Aber die Entwicklung erfasst alle wesentlichen Politikbereiche. Je<br />

früher wir uns darauf vorbereiten, umso geringer werden die<br />

Anpassungsschwierigkeiten sein.<br />

Wir haben schon, meine Damen und Herren, sehr viel Zeit verloren<br />

und damit auch sehr viele Chancen <strong>der</strong> Jugend aufs Spiel gesetzt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund stehen die Folgen für die sozialen Systeme,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Reform <strong>der</strong> gesetzlichen Alterssicherung. Hier<br />

zeigen die jüngsten Diskussionen in Berlin, dass die Konfusion mit<br />

dem Ende <strong>der</strong> Konsensgespräche nicht abgenommen hat, wie <strong>der</strong> Kanzler<br />

meinte. Sie hat sich nachhaltig verstärkt.<br />

Was jetzt beschlossen werden soll, wird den Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht<br />

gerecht.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Zwar begrüßen wir, dass die Bedeutung <strong>der</strong> privaten Altersvorsorge<br />

inzwischen verstanden wird, die Vorschläge im Einzelnen verfehlen<br />

jedoch die Lage <strong>der</strong> Menschen in Ostdeutschland.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Dr. Münch, CDU: Ja!)<br />

Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. Die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung will, was richtig ist, die private Altersvorsorge<br />

stärken; denn nur so lassen sich die Lasten auf <strong>der</strong> arbeitenden<br />

Bevölkerung, die in den nächsten 20, 30, 40 Jahren entstehen<br />

werden, min<strong>der</strong>n. Die Bun<strong>des</strong>regierung will die Bildung privater<br />

Altersvorsorge för<strong>der</strong>n. Aber die Vorstellungen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung sind<br />

nur für Westdeutschland brauchbar, nicht für Ostdeutschland.<br />

(Dr. Jahr, CDU: Richtig!)<br />

In unserem Teil <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> fangen die Menschen jetzt das an, was in<br />

Westdeutschland vor 35 Jahren begonnen wurde, nämlich


Eigentumswohnungen zu erwerben o<strong>der</strong> Häuser zu kaufen, Hypotheken<br />

aufzunehmen, einen nicht unwesentlichen Teil - und zwar mehr, als<br />

normalerweise für Miete aufgewendet wird - <strong>des</strong> Haushaltseinkommens<br />

aufzuwenden, um diese Eigentumsbildung voranzutreiben. Auch sie<br />

wollen, wie viele in Westdeutschland schon seit 35, 40 Jahren, im<br />

eigenen Haus o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> eigenen Wohnung leben. Aber je<strong>der</strong><br />

Haushalt, <strong>der</strong> jetzt auf diese Weise Vermögen bildet, kann die<br />

Vermögensbildungswege nicht beschreiten, die von <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>regierung subventioniert werden sollen,<br />

(Starker Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

während umgekehrt die Anstrengungen, Immobilieneigentum zu bilden<br />

und damit sehr verlässliche Altersvorsorge zu betreiben, gerade<br />

nicht unter die Subventionstatbestände fallen, die im gestern <strong>vom</strong><br />

Kabinett verabschiedeten Entwurf enthalten sind.<br />

(Dr. Hahn, PDS: Das war richtig!)<br />

Das heißt: Die Sache passt nicht auf Ostdeutschland.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Zuruf von <strong>der</strong> CDU: So ist das!)<br />

Wir können eine so einseitige Ausrichtung <strong>der</strong> Unterstützung<br />

privater Altersvorsorge für die ostdeutsche Bevölkerung nicht<br />

akzeptieren.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Das, kann ich nur sagen, müsste eigentlich die allgemeine Meinung<br />

dieses Hohen Hauses sein.<br />

Zweitens. Alles, was in den Vorlagen <strong>der</strong> Regierung zum zukünftigen<br />

Rentenniveau gesagt wird, bezieht sich auf die Figur eines<br />

Arbeitnehmers, die es zunehmend weniger gibt, nämlich auf den<br />

"Eckrentner".<br />

Die gegenwärtigen Vorschläge enthalten keine Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

tief greifenden Verän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Arbeitsmarktes.<br />

Damit sind wir bei <strong>der</strong> zweiten großen Verän<strong>der</strong>ung. Sie findet seit<br />

Jahren in <strong>der</strong> Arbeitswelt statt. Man kann sie zusammenfassend<br />

charakterisieren als eine Abnahme <strong>der</strong> Vollzeittätigkeit, die auf<br />

Dauer angelegt ist, und eine Zunahme <strong>der</strong> Fragmentierung <strong>des</strong><br />

Arbeitsmarktes.<br />

Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich ziemlich unsinnig,<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das stimmt!)<br />

wenn ein und dieselbe Regierung auf <strong>der</strong> einen Seite den Unternehmen<br />

eine gesetzliche Verpflichtung zum Angebot von Teilzeitarbeit<br />

auferlegen will, um auf diese Weise den Anteil <strong>der</strong> Teilzeitarbeit<br />

an <strong>der</strong> Beschäftigung wesentlich zu erhöhen, in den gleichzeitig<br />

vorgelegten und verabschiedeten Überlegungen zur gesetzlichen<br />

Alterssicherung aber keinerlei Rücksicht darauf nimmt, dass mit<br />

einer Teilzeitbeschäftigung auch nur eine Teilzeitrente erarbeitet<br />

werden kann<br />

(Starker Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

und dass eine Teilzeitrente immer unter <strong>der</strong> Armutslinie liegt.<br />

Diese Diskrepanzen müssen in den kommenden Debatten ausgeglichen<br />

werden. Der Freistaat ist entschlossen, daran teilzunehmen. Wir<br />

haben mit <strong>der</strong> bayerisch-sächsischen Zukunftskommission eine<br />

Initiative ergriffen, um die Entwicklungen im Arbeitsmarkt<br />

aufzuklären. Diese Aufklärung ist inzwischen unbestritten.


Eine Rückkehr zu den früheren Verhältnissen, auf denen die<br />

"Eckrentner"-Vorstellungen beruhen, ist unmöglich. Wir müssen<br />

<strong>des</strong>halb neue Wege finden, neue Wege, wie die Alterssicherung auf<br />

eine breitere Grundlage gestellt werden kann. Das ist eine<br />

For<strong>der</strong>ung, die interessanterweise auch die ÖTV bei ihrem<br />

Gewerkschaftstag in Leipzig erhoben hat.<br />

Ich komme noch einmal auf das zurück, was ich vorhin gesagt habe.<br />

Es ist unverzichtbar, dass wir in <strong>der</strong> zukünftigen Gestaltung <strong>des</strong><br />

Arbeitsmarktes Raum zum Experimentieren geben. Wenn wir unserer<br />

Jugend eine Chance geben wollen, müssen wir ihr auch die<br />

Möglichkeit geben, neue Formen <strong>der</strong> Arbeit zu entwickeln. Es ist<br />

abwegig anzunehmen, dass man sie in ein Korsett sperren kann, das<br />

entstanden ist zu einer Zeit <strong>der</strong> Industrialisierung und bei<br />

Industriestrukturen, die längst überholt sind. Wir können nicht auf<br />

<strong>der</strong> einen Seite von mo<strong>der</strong>nen wissenschaftlichen Neuentwicklungen,<br />

von Wissensgesellschaft und neuer Technologie reden und auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite die Jugend in ein Korsett von Regeln einspannen, die<br />

aus <strong>der</strong> Vergangenheit stammen und mit dieser neuen Zeit nichts mehr<br />

gemeinsam haben.<br />

(Starker Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Für Sachsen wird es <strong>des</strong>halb in den kommenden Jahren vorrangig<br />

darauf ankommen mitzuhelfen, Wege und Institutionen zu entwickeln,<br />

die für den Übergang von <strong>der</strong> Arbeits- zur Wissensgesellschaft<br />

geeignet sind. Dieser Übergang ist die wichtigste Brücke für die<br />

jüngeren Generationen im Paradigmenwechsel, <strong>der</strong> sich in Europa und<br />

in <strong>der</strong> Welt ereignet.<br />

Für Sachsen gehört es <strong>des</strong>halb zu den wichtigsten politischen<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Zukunft, sich auf diesen Wechsel und damit auf eine<br />

neue Form <strong>des</strong> Wettbewerbs vorzubereiten. Ob es uns gelingt, unsere<br />

Gesellschaft, unsere Bevölkerung, unser Land Sachsen wirklich und<br />

mit Erfolg vorzubereiten, ist eine offene Frage, ob es uns gelingt<br />

trotz einer alternden Bevölkerung, trotz knapper Ressourcen - das<br />

heißt geringer finanzieller Möglichkeiten -, trotz <strong>der</strong><br />

Versuchungen, die für viele von den wohlhabenden westdeutschen<br />

Regionen ausgehen werden - vor allem wenn die Zahl <strong>der</strong> Jungen<br />

weiter abnimmt -, trotz <strong>der</strong> Aufgaben, die uns aus <strong>der</strong><br />

Osterweiterung erwachsen.<br />

Diese Herausfor<strong>der</strong>ungen, die hier in Frageform formuliert sind,<br />

müssen uns beschäftigen. Wir müssen lernen, wie wir unser Land<br />

organisieren müssen, damit wir in <strong>der</strong> Wissensgesellschaft<br />

erfolgreich sind. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass dies eine<br />

große und umfassende Aufgabe für die Schulen und die Hochschulen<br />

werden wird.<br />

Junge Menschen in den Schulen müssen frühzeitig auf die Teilhabe an<br />

<strong>der</strong> Wissensgesellschaft vorbereitet werden. Neben <strong>der</strong> Ausstattung<br />

<strong>der</strong> Schulen gehört dazu auch ein mo<strong>der</strong>nes Lehrangebot, das sowohl<br />

die berufsbegleitende Fortbildung <strong>der</strong> Lehrer erfor<strong>der</strong>t als auch die<br />

Anpassung <strong>der</strong> Lehrpläne an die neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Die Ausbildung zur Selbständigkeit, die Ausbildung zur<br />

Risikobereitschaft, die Ausbildung zur Bereitschaft, selbst


Verantwortung zu übernehmen, gehört damit in die Mitte <strong>des</strong><br />

Lehrkanons <strong>der</strong> Zukunft,<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

vor allem dann, wenn sich konkretes Wissen immer schneller<br />

überholt.<br />

(Frau Schnei<strong>der</strong>, PDS: Warum machen Sie es dann nicht?)<br />

- Ich freue mich ja, dass ich Sie so begeistern kann.<br />

Die Hochschulen werden neben ihrer traditionellen Aufgabe in<br />

Forschung und Lehre zugleich Angebote zur Weiterbildung <strong>der</strong><br />

Älteren, <strong>der</strong> Vierzig- bis Fünfzigjährigen entwickeln müssen.<br />

Weiterbildung wird, wie es das neue Sächsische Hochschulgesetz<br />

vorsieht, als gleichrangige Aufgabe <strong>der</strong> Hochschulen neben<br />

Forschung, Lehre und Studium treten.<br />

Die sächsischen Universitäten, Kunsthochschulen, Fachhochschulen,<br />

Studienakademien und eine Vielzahl sächsischer<br />

Forschungseinrichtungen sind seit Jahren über das hoch<br />

leistungsfähige Wissenschaftsnetz miteinan<strong>der</strong> verbunden.<br />

Dies kommt auch den Schulen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> durch Weiterbildungs- und<br />

Informationsangebote zugute. Die digitale Bibliothek wird in<br />

wenigen Jahren eine unverzichtbare Voraussetzung für effektives<br />

wissenschaftliches Arbeiten sein. Die Hochschulen haben schon heute<br />

weltweiten Zugang zum System wissenschaftlicher Kommunikation.<br />

Durch ihre Vernetzung untereinan<strong>der</strong> werden Synergieeffekte<br />

freigesetzt, die den Hochschulen als gesteigerte Leistungsfähigkeit<br />

zugute kommen. Wege zur Zusammenarbeit in Forschung und Lehre<br />

werden geschaffen, die die Strukturen unserer zukünftigen<br />

Hochschullandschaft nicht unverän<strong>der</strong>t lassen werden.<br />

Die Staatsregierung hat die Sächsische<br />

Hochschulentwicklungskommission beauftragt, Vorschläge für<br />

strukturelle Än<strong>der</strong>ungen zu unterbreiten. Die Kommission wird diese<br />

Vorschläge voraussichtlich im Laufe <strong>des</strong> Monats Dezember vorlegen.<br />

Wir werden dann eine solide Grundlage für eine intensive Diskussion<br />

über die zukünftige Aufgabenstellung, die Entwicklung und die<br />

Organisation unseres Hochschulbereichs zur Verfügung haben.<br />

Die Informations- und Kommunikationstechnik ist zur elementaren<br />

Voraussetzung für revolutionäre Entwicklungen in zahlreichen<br />

Wissensgebieten geworden. Die wachsende Bedeutung <strong>der</strong><br />

Molekularbiologie und neue Möglichkeiten <strong>der</strong> Nanotechnologie sind<br />

Ausdruck <strong>der</strong> Erweiterung unserer Möglichkeiten. Der Freistaat ist<br />

entschlossen an diesen Möglichkeiten zu partizipieren und auf diese<br />

Weise neue Chancen zu eröffnen.<br />

Aber diese Verän<strong>der</strong>ungen erfassen auch die öffentliche Verwaltung.<br />

Es geht auch hier um die Verbesserung <strong>der</strong> Kommunikationsstrukturen,<br />

um die Vernetzung <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>behörden und die Nutzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Medien innerhalb <strong>der</strong> Verwaltung. Das Gleiche gilt für Außenkontakte<br />

zu Kommunen, Unternehmern und Bürgern. Dafür wird <strong>der</strong> Infohighway<br />

Lan<strong>des</strong>verwaltung aufgebaut. Parallel dazu werden intern die<br />

Verwaltungsprozesse und die sie unterstützenden Verfahren so<br />

gestaltet, dass in einem nächsten Schritt Bürger o<strong>der</strong> Unternehmer<br />

über das Internet Informationen abrufen und früher o<strong>der</strong> später auch<br />

interaktiv mit den Verwaltungen kommunizieren können.


Meine Damen und Herren! Ich habe in den letzten Jahren gelernt,<br />

dass es zu den wichtigsten Bereichen <strong>der</strong> Zukunftssicherung, für die<br />

die Lan<strong>des</strong>regierungen, also die Län<strong>der</strong>ebene, verantwortlich sind,<br />

gehört, die Verwaltungen zu mo<strong>der</strong>nisieren. Wir haben in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit viele Chancen nutzen können, weil wir eine mo<strong>der</strong>ne,<br />

schnell handlungsfähige Verwaltung haben und weil wir uns weiter<br />

dahin entwickeln. Große Investitionen sind in Fristen von sechs<br />

Wochen bis sechs Monaten genehmigt worden.<br />

Am Sonntag besuchte ich in Leipzig die Fabrikationsanlage von<br />

Siemens für drahtlose Telefone. Dabei hat <strong>der</strong> Oberbürgermeister<br />

noch einmal daran erinnert, dass nur sechs Wochen notwendig waren,<br />

um eine Investition von 150 Millionen DM vollständig zu genehmigen.<br />

Wenn wir diese Fähigkeit weiter entwickeln, werden wir einen<br />

Wettbewerbsvorsprung vor trägeren, langsameren, in Besitzständen<br />

gefangenen und an alte Regeln gebundenen Verwaltungen haben. Mit<br />

dieser Fähigkeit können wir viele noch immer bestehende Defizite in<br />

Ostdeutschland ausgleichen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Vor allem <strong>des</strong>halb ist <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung und<br />

ihre Fortentwicklung unter Nutzung <strong>der</strong> Möglichkeiten, die uns die<br />

mo<strong>der</strong>ne Technik zur Verfügung stellt, unverzichtbar.<br />

Das bedeutet auch eine Mo<strong>der</strong>nisierung und Weiterentwicklung unserer<br />

För<strong>der</strong>politik. Dafür bauen wir eine För<strong>der</strong>mitteldatenbank auf, die<br />

uns nach ihrer Fertigstellung in die Lage versetzen wird, <strong>der</strong><br />

Verwaltung je<strong>der</strong>zeit, und zwar tagesaktuell, einen Überblick<br />

darüber zu geben, wann wie viele För<strong>der</strong>mittel durch welche<br />

Dienststellen aus welcher Haushaltsstelle zu welchem Zweck wohin<br />

gegeben worden sind. Es ist genau dieses Steuerungsinstrument, von<br />

dem wir uns eine noch deutlichere Steigerung <strong>des</strong> effizienten<br />

Mitteleinsatzes erhoffen.<br />

Niemand kann die Frage beantworten, wie eine Gesellschaft, die all<br />

diese neuen Entwicklungen beherrschen muss und gleichzeitig immer<br />

älter wird, ihre Innovationsfähigkeit erhalten kann. Die Erhaltung<br />

<strong>der</strong> Innovationsfähigkeit bildet aber die Voraussetzung für die<br />

Entwicklung und damit für die Zukunftsfähigkeit unseres Lan<strong>des</strong>;<br />

denn es ist diese Entwicklung, die den Menschen neue Möglichkeiten<br />

eröffnet, Überholtes durch Besseres zu ersetzen.<br />

Dabei wird Europa mit Län<strong>der</strong>n konkurrieren, <strong>der</strong>en Bevölkerung ein<br />

Durchschnittsalter von 20 bis 25 Jahren hat. Dagegen wird die<br />

deutsche Bevölkerung in rund 50 Jahren ein Durchschnittsalter von<br />

50 Jahren erreichen. Wir müssen <strong>des</strong>halb Wege suchen und Systeme und<br />

Strukturen entwickeln, die es uns erlauben, unter unseren<br />

Bedingungen wettbewerbsfähig zu bleiben.<br />

Auch dies setzt Wettbewerb voraus. Er darf nicht als Bedrohung<br />

empfunden, son<strong>der</strong>n muss als Chance begriffen werden. Innovation und<br />

Erneuerung sind das Ergebnis von Kreativität im Wettbewerb. Wir<br />

brauchen einen Wettbewerb <strong>der</strong> Ideen und <strong>der</strong> Strukturen, denn nur<br />

auf diese Weise werden wir tragfähige und nachhaltige Antworten auf<br />

die neuen Fragen finden.<br />

In diesem Zusammenhang steht die Debatte, die wir <strong>der</strong>zeit in<br />

Deutschland über den Wettbewerbsfö<strong>der</strong>alismus führen. Die Frage


lautet: Soll es unter den Län<strong>der</strong>n mehr Wettbewerb o<strong>der</strong> mehr Konsens<br />

geben?<br />

Ich halte diese Alternative, so wie sie gestellt ist, nicht für<br />

beson<strong>der</strong>s fruchtbar. Entscheidend ist, dass wir dort Konsens üben,<br />

wo das unbedingt erfor<strong>der</strong>lich ist, um eine einheitliche Lösung von<br />

Problemen zu finden. Aber nicht alles muss einheitlich sein,<br />

son<strong>der</strong>n vieles, vor allem das, worauf wir noch keine Antwort haben,<br />

kann nicht vereinheitlicht werden, es sei denn im Wege <strong>des</strong><br />

Rückschritts, also durch Festhalten an dem, was man schon hat.<br />

Obwohl wir zu den finanziell schwächeren Län<strong>der</strong>n gehören, haben wir<br />

uns <strong>des</strong>halb für mehr Wettbewerb unter den Län<strong>der</strong>n ausgesprochen.<br />

Wir versprechen uns von ihm wichtige Entwicklungsimpulse und damit<br />

gesellschaftlichen und politischen Fortschritt. Wettbewerb in<br />

diesem Sinn erfor<strong>der</strong>t allerdings gleiche o<strong>der</strong> zumin<strong>des</strong>t<br />

vergleichbare Startbedingungen. Exemplarisch hierfür sind die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen über die Neuordnung <strong>des</strong><br />

Län<strong>der</strong>finanzausgleichs.<br />

Ich komme zu dem zurück, was ich vorhin schon gesagt habe: Ohne<br />

eine dauerhaft solide, wenn auch bescheidene Zukunftsfinanzierung,<br />

ohne Sicherheit über die langfristige Finanzierung unseres Lan<strong>des</strong><br />

und damit auch <strong>des</strong> Ostens Deutschlands wird es in diesem Teil<br />

Deutschlands keine wirklichen Chancen geben, we<strong>der</strong> für diejenigen,<br />

die jetzt schon aktiv sind, noch für die nachkommenden<br />

Generationen. Deshalb hat die Neuordnung <strong>des</strong> Finanzausgleichs und<br />

<strong>der</strong> Finanzbeziehungen zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n ebenso wie die<br />

Fortsetzung <strong>des</strong> Solidarpaktes eine weit über die finanzielle<br />

Dimension <strong>der</strong> Probleme hinausreichende Bedeutung. Mit diesen drei<br />

großen Vorhaben wird de facto in entscheiden<strong>der</strong>er Weise über die<br />

Zukunftschancen unseres Lan<strong>des</strong> entschieden als durch fast alle<br />

an<strong>der</strong>en Reformvorhaben.<br />

Sachsen strebt <strong>des</strong>halb eine Lösung an, die auch den Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> finanzschwachen Län<strong>der</strong> gerecht wird. Wir wollen<br />

Anreizmechanismen im zukünftigen System <strong>der</strong> Bund-Län<strong>der</strong>-<br />

Finanzierung und <strong>des</strong> Finanzausgleichs. Aber diese Anreizmechanismen<br />

dürfen nicht zu einer dauerhaften Schwächung <strong>der</strong> ohnehin Schwachen<br />

führen.<br />

Sachsen strebt ein Ausgleichssystem an, das <strong>der</strong> Finanzschwäche<br />

Rechnung trägt. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist die<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> tatsächlichen Finanzkraft <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Das<br />

schließt die volle Einbeziehung <strong>der</strong> Gemein<strong>des</strong>teuereinnahmen in den<br />

Finanzausgleich ein. Ohne diese Einbeziehung <strong>der</strong> vollen<br />

Steuereinnahmen <strong>der</strong> Gemeinden bekommen wir eine immer höhere<br />

Ungleichheit zwischen den Län<strong>der</strong>n.<br />

In diesen Zusammenhang gehört auch die Neuordnung <strong>der</strong><br />

Zuständigkeitsabgrenzung und <strong>der</strong> Finanzierungszuständigkeiten<br />

zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n.<br />

Das Bedürfnis und <strong>der</strong> Wunsch danach, das jetzige Wirrwarr <strong>der</strong><br />

Finanzbeziehungen zu entwirren und zu klareren Strukturen zu<br />

kommen, besteht auf allen Seiten. Wie immer wohnt <strong>der</strong> Teufel im<br />

Detail.


Sachsen hält an seiner bisherigen Auffassung fest. Wir wollen eine<br />

Neuordnung auch <strong>der</strong> Zuständigkeiten von Bund und Län<strong>der</strong>n. Wann<br />

an<strong>der</strong>s sollen wir diese Neuordnung anstreben und damit auch ein<br />

Stück Fö<strong>der</strong>alismusreform erreichen, wenn nicht jetzt, im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Neuordnung <strong>der</strong> Finanzverfassung und damit <strong>der</strong><br />

Steuerverteilung?<br />

Wettbewerb zwischen den Län<strong>der</strong>n ist wie je<strong>der</strong> Wettbewerb um<br />

Neuordnung mit Spannung verbunden. In einer Gesellschaft mit<br />

klassischen Strukturen haben sich Besitzstände entwickelt. Gerade<br />

das Beispiel <strong>des</strong> 12-jährigen Gymnasialabschlusses hat dies gezeigt.<br />

Die westdeutschen Län<strong>der</strong> haben nichts unversucht gelassen, uns zu<br />

einer Übernahme <strong>des</strong> dortigen Standards von 13 Jahren zu bewegen.<br />

Inzwischen hat man gelernt, dass 12 Jahre auch vor dem Hintergrund<br />

<strong>der</strong> demografischen Entwicklung ein Gebot <strong>der</strong> Zukunft sein werden.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wenn wir mit dem Wettbewerb erfolgreich sein wollen - das möchte<br />

ich hier zusammenfassend feststellen -, dann müssen wir aber auch<br />

mehr Gestaltungsspielräume bei den Län<strong>der</strong>n vorsehen.<br />

Der Freistaat Sachsen hat eine Reform <strong>des</strong> Hochschulrahmengesetzes<br />

praktisch dadurch erzwungen, dass er selbst ein<br />

Hochschulrahmengesetz eingebracht hat und damit den Bund zu einer<br />

Reform veranlasste. Wir sind aber keineswegs am Ende <strong>der</strong><br />

Entwicklung. Wir brauchen Spielräume für Experimente gerade auch<br />

bei <strong>der</strong> Finanzierung und <strong>der</strong> Organisation <strong>der</strong> Hochschulen.<br />

Wenn es richtig ist, dass die Schulen und Hochschulen <strong>der</strong><br />

wichtigste Ort für die Produktion von Wissenskapital sind -<br />

jedenfalls am Anfang <strong>der</strong> beruflichen Laufbahn -, dann müssen diese<br />

Institutionen die Chance haben, unterschiedliche Formen <strong>der</strong><br />

Organisation und <strong>der</strong> Arbeit auszuprobieren. Es kann nicht angehen,<br />

dass sie daran durch Gesetze gehin<strong>der</strong>t werden, in denen die<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> siebziger und achtziger Jahre dauerhaft<br />

festgeschrieben sind. Wir müssen überall dort, wo <strong>der</strong> Übergang von<br />

den bisherigen Strukturen zu neuen Strukturen <strong>der</strong><br />

Wissensgesellschaft ansteht, die Räume öffnen, um diese neuen<br />

Strukturen im Wettbewerb zu entwickeln.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir müssen begreifen, dass diese neuen Strukturen weniger<br />

hierarchisch sind und stärker durch Netzwerke bestimmt sein werden.<br />

Meine Damen und Herren! Die Zukunft <strong>des</strong> Freistaates Sachsen wird<br />

nicht nur durch die deutsche, son<strong>der</strong>n auch durch die europäische<br />

Entwicklung bestimmt werden. Die Zustimmung <strong>der</strong> Bevölkerung in<br />

Ostdeutschland zur Aufnahme unserer Nachbarstaaten in die<br />

Europäische Union ist nach einer im letzten Monat veröffentlichten<br />

Umfrage signifikant höher als die <strong>der</strong> westdeutschen Bevölkerung.<br />

Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz <strong>der</strong><br />

Osterweiterung und für den Erfolg aller Bemühungen zur Vorbereitung<br />

und Begleitung <strong>des</strong> Erweiterungsprozesses auch in Sachsen.<br />

Dabei müssen wir daran denken, dass die Grenzgebiete zu den künftig<br />

neuen Mitgliedsstaaten möglicherweise durch negative<br />

Begleiterscheinungen <strong>der</strong> Erweiterung betroffen sein könnten. Dies<br />

gilt insbeson<strong>der</strong>e dann, wenn die Gebiete, wie das bei uns zum Teil


<strong>der</strong> Fall ist, selbst noch strukturelle Mängel und Defizite und eine<br />

überhöhte Arbeitslosigkeit aufweisen. Risiken ergeben sich dabei<br />

insbeson<strong>der</strong>e für die regionale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt aus<br />

dem zunehmenden Konkurrenzdruck auf einheimische kleine und<br />

mittelständische Unternehmen o<strong>der</strong> durch mögliche Verlagerung von<br />

Produktionsstandorten in Niedriglohngebiete.<br />

Gleichwohl, nach unserer Überzeugung überwiegen die Chancen<br />

mittelfristig, die Chancen durch die Überwindung <strong>der</strong> peripheren<br />

Lage <strong>der</strong> ostdeutschen Län<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Erweiterung und durch das<br />

große Potenzial für den sächsischen Außenhandel aufgrund <strong>der</strong> Nähe<br />

zu den Beitrittslän<strong>der</strong>n.<br />

Trotz unserer Arbeitslosigkeit bieten sich in einigen Jahren nach<br />

unserer Überzeugung neue Möglichkeiten für den Arbeitsmarkt durch<br />

eine sich ständig erweiternde und vertiefende wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit. Aber es ergibt sich auch aus dieser Situation ein<br />

Anpassungsbedarf, auf den die Staatsregierung mit gezielten<br />

Vorbereitungsmaßnahmen reagiert. Vor allem müssen Rahmenbedingungen<br />

für Investitionen und Innovationen verbessert werden und dies<br />

wie<strong>der</strong>um beson<strong>der</strong>s in den Regionen, von denen eben die Rede war.<br />

Dazu gehört beispielsweise die Forcierung <strong>des</strong> Strukturwandels in<br />

den Grenzregionen durch die abgestimmte Anwendung verschiedener<br />

För<strong>der</strong>instrumente mit beson<strong>der</strong>em Schwerpunkt zugunsten kleiner und<br />

mittelständischer Unternehmen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Die Bildung grenzüberschreiten<strong>der</strong> Kooperationsnetze, die Schaffung<br />

grenzüberschreiten<strong>der</strong> Gewerbegebiete wie in Neugersdorf und<br />

Technologiezentren helfen, die Transformationsprobleme gemeinsam zu<br />

lösen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Das von <strong>der</strong> Europäischen Kommission in Aussicht gestellte<br />

Son<strong>der</strong>programm zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Grenzregionen muss sich auf den<br />

Ausgleich erweiterungsbedingter Nachteile <strong>der</strong> Grenzregionen<br />

konzentrieren. Ein solches Programm hat allerdings nur dann einen<br />

Sinn, wenn es mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet wird.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Die Umverteilung vorhandener Mittel jedenfalls in unserem Bereich<br />

würde keinen Sinn haben.<br />

Auf europäischer Ebene wird die Staatsregierung die<br />

Erweiterungsverhandlungen wie bisher kritisch begleiten und in<br />

Abstimmung mit den an<strong>der</strong>en deutschen Län<strong>der</strong>n sächsische Interessen<br />

über den Bun<strong>des</strong>rat und die Bun<strong>des</strong>regierung in die Verhandlungen<br />

einbringen. Nicht nur im Zusammenhang mit dem Beitrittsprozess<br />

erfor<strong>der</strong>t die Entwicklung <strong>der</strong> Europäischen Union unsere<br />

Beteiligung.<br />

Kennzeichnend für die vergangenen Jahrzehnte war, dass sich in<br />

Europa ein umfangreiches Regelwerk entwickelt hat, das in seiner<br />

Umsetzung zentralistische Tendenzen enthält. Die Institutionen und<br />

Verfahren <strong>der</strong> Europäischen Union sind nicht immer für je<strong>der</strong>mann<br />

verständlich, um es sehr höflich auszudrücken. Vor allem die<br />

Zuordnung von Entscheidungsverantwortung wird immer komplizierter.


Zusammen mit meinem nordrhein-westfälischen Kollegen<br />

Ministerpräsident Clement habe ich bereits Ende 1999 eine<br />

Stellungnahme erarbeitet, die die Wahrung fö<strong>der</strong>aler Zuständigkeiten<br />

in <strong>der</strong> Europäischen Union zum Gegenstand hat. Es ging uns vor allem<br />

darum, den zentralistischen Tendenzen zu begegnen und die Vielfalt<br />

in <strong>der</strong> Europäischen Union hervorzuheben. Sie ist geradezu das<br />

Wesensmerkmal <strong>der</strong> Gemeinschaft und für die deutschen Län<strong>der</strong> von<br />

herausragen<strong>der</strong> Bedeutung, um nicht zu sagen unverzichtbar. Die<br />

Ministerpräsidentenkonferenz hat sich unsere Stellungnahme zu Eigen<br />

gemacht. Auf dieser Grundlage for<strong>der</strong>n wir eine präzise und<br />

nachvollziehbare Aufteilung <strong>der</strong> Zuständigkeiten zwischen <strong>der</strong> EU und<br />

den Mitgliedsstaaten.<br />

Die erweiterte Europäische Union wird ihre Akzeptanz bei <strong>der</strong><br />

Bevölkerung auch aus <strong>der</strong> Anerkennung von regionalen Unterschieden<br />

schöpfen. Das verlangt auch die Selbstbeschränkung <strong>der</strong> europäischen<br />

Institutionen. Die Sächsische Staatsregierung strebt <strong>des</strong>halb mit<br />

den an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n eine Überarbeitung <strong>des</strong> europäischen<br />

Vertragswerkes an, um die Europäische Union auf ihre<br />

Kernzuständigkeiten zu konzentrieren. Die Bürger und Wähler wollen<br />

zukünftig klarer als bisher erkennen können, welche Ebene für<br />

welche Entscheidung die Verantwortung trägt. Nur so kann auch die<br />

fö<strong>der</strong>ale Ordnung Deutschlands und die Eigenständigkeit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

auf Dauer gesichert werden. Deutschland als Land in <strong>der</strong> Mitte<br />

Europas ist nur als gelebter Bun<strong>des</strong>staat mit Europa vereinbar.<br />

Eingebettet in eine bun<strong>des</strong>staatliche Ordnung wäre die Diskussion um<br />

zukünftige Herausfor<strong>der</strong>ungen unvollständig, wenn man den Blick<br />

nicht auch auf die Bun<strong>des</strong>politik richtete. Die Staatsregierung hat<br />

nicht nur im Bun<strong>des</strong>rat, son<strong>der</strong>n auch auf vielen Ebenen die<br />

Interessen Sachsens vertreten und wird das gerade mit Blick auf die<br />

anstehenden Gegenstände auch in Zukunft tun. Wir müssen aber<br />

feststellen, dass Initiativen, wie zum Beispiel die Ausarbeitung<br />

<strong>des</strong> Arbeitsvertragsgesetzes, dann in den Gremien <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates<br />

und auch <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>tages hängen bleiben, wenn die Besitzstände in<br />

Westdeutschland die Erörterung solcher Reformen nicht wünschen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Deshalb werden wir immer wie<strong>der</strong> auch die Bearbeitung und die<br />

Diskussion, wennschon nicht die endgültige Entscheidung in unserem<br />

Sinn, solcher Initiativen und Innovationen einfor<strong>der</strong>n müssen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Im Übrigen werden wir uns wie schon in <strong>der</strong> Vergangenheit auch in<br />

<strong>der</strong> Zukunft an den bun<strong>des</strong>politischen Themen und ihrer Beratung<br />

aktiv beteiligen, die die unmittelbaren Interessen auch unseres<br />

Lan<strong>des</strong> betreffen.<br />

Das sind die von mir schon erwähnte Rentenreform ebenso wie die<br />

Gesundheitsreform, die Neuordnung <strong>des</strong> horizontalen Finanzausgleichs<br />

einschließlich <strong>des</strong> Maßstäbegesetzes, die Ordnung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />

zwischen <strong>der</strong> Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten und, wie<br />

gesagt, die Vorbereitung auf die Osterweiterung.<br />

Der Freistaat Sachsen unterstützt alle bun<strong>des</strong>politischen<br />

Bemühungen, dem politischen Extremismus zu begegnen. Die<br />

historischen Erfahrungen <strong>des</strong> letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts haben uns


gelehrt, dass wir schon den Anfängen wehren müssen. Deshalb hat<br />

Sachsen nach reiflicher Überlegung am vergangenen Freitag im<br />

Bun<strong>des</strong>rat auch dem Antrag auf ein Verbot <strong>der</strong> SPD zugestimmt -<br />

(Erregung bei allen Fraktionen)<br />

- Verbot <strong>der</strong> NPD zugestimmt. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.<br />

(Unruhe und Heiterkeit bei SPD und PDS)<br />

- Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich mich versprochen<br />

habe.<br />

- dem Antrag auf ein Verbot <strong>der</strong> NPD zugestimmt. Wer die<br />

Werteordnung <strong>der</strong> freiheitlich-demokratischen Grundordnung negiert<br />

und in aggressiver Weise bekämpft - -<br />

(Unruhe im Saal - Glocke <strong>des</strong> Präsidenten)<br />

- Ich glaube, ich habe mich für den Versprecher entschuldigt und<br />

man sollte es dann dabei belassen.<br />

Deshalb hat Sachsen nach reiflicher Abwägung dem Antrag auf ein<br />

Verbot <strong>der</strong> NPD zugestimmt. Wer die Werteordnung <strong>der</strong> freiheitlichdemokratischen<br />

Grundordnung negiert und in aggressiver Weise<br />

bekämpft, dem müssen wir mit dem Instrument <strong>der</strong> wehrhaften<br />

Demokratie, wie sie das Grundgesetz aus <strong>der</strong> leidvollen Erfahrung<br />

nationalsozialistischer Verbrechen vorsieht, entgegentreten.<br />

Die Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaates haben zusammen mit<br />

vielen an<strong>der</strong>en im Herbst 1989 die SED-Diktatur überwunden, um die<br />

Freiheit zu gewinnen und nicht, um wenige Jahre später wie<strong>der</strong> Hass<br />

und Gewalt im eigenen Lande zu erleben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Schon in <strong>der</strong> Regierungserklärung von 1990 habe ich auf die<br />

Sensibilität unserer Bürgerinnen und Bürger gegen Gewalt und<br />

Rechtlosigkeit hingewiesen. Auch zehn Jahre danach treten die<br />

Menschen in unserem Land für Frieden, Toleranz und<br />

Rechtsstaatlichkeit ein. Die Demonstrationen am 9. November haben<br />

ihre Entschlossenheit nachdrücklich und überzeugend manifestiert.<br />

Sachsen hat auf die rechtsextreme Gewalt stets unnachgiebig<br />

reagiert und sowohl juristische als auch polizeiliche Schritte<br />

eingeleitet.<br />

Die lan<strong>des</strong>weit sehr erfolgreich operierende Son<strong>der</strong>kommission gegen<br />

Rechtsextremismus - Soko Rex - findet allgemeine Beachtung. Mit <strong>der</strong><br />

Novelle unseres Polizeigesetzes betraten wir Neuland und wurden,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aus Westdeutschland, zunächst als illiberal getadelt.<br />

Heute bietet uns dieses neue Gesetz im Kampf gegen den Extremismus<br />

die richtigen Instrumente.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Aber die wirklichen Erfolgsrezepte sind Zivilcourage und eine<br />

intensive geistige Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> rechtsextremistischen<br />

Ideologie auf allen Gebieten <strong>des</strong> gesellschaftlichen Lebens. Je<strong>der</strong><br />

muss dabei mithelfen, wie er kann. Keiner darf sich heraushalten.<br />

Deshalb ist es für mich immer wie<strong>der</strong> eine beson<strong>der</strong>e Genugtuung,<br />

aber auch ein großes Stück Hoffnung zu sehen, wie immer mehr junge<br />

Leute sich an dieser Auseinan<strong>der</strong>setzung beteiligen durch<br />

Arbeitsgruppen an Schulen, durch Aktivitäten in den Vereinen, durch<br />

internationale Kontakte. So wurde <strong>der</strong> Westfälische Friedenspreis<br />

vor wenigen Wochen einer Schule in Breslau und einer Schule in


Soest verliehen, unter an<strong>der</strong>em <strong>des</strong>halb, weil die Schülerinnen und<br />

Schüler in beiden Schulen grenzüberschreitend mit polnischer, mit<br />

deutscher, mit nie<strong>der</strong>ländischer und an<strong>der</strong>er Beteiligung die<br />

Vergangenheit, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>des</strong> letzten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, gemeinsam erforscht und gemeinsam die Frage gestellt<br />

haben, wie das alles möglich war, und gemeinsam überlegt haben, wie<br />

man auf Dauer verhin<strong>der</strong>n kann, dass sich das je wie<strong>der</strong>holt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Zehn Jahre nach <strong>der</strong> ersten Regierungserklärung, meine sehr<br />

verehrten Damen und Herren, können wir feststellen: Welche Erfolge<br />

wir auf dem weiteren Weg <strong>der</strong> Einheit und <strong>des</strong> Wie<strong>der</strong>aufbaus in den<br />

kommenden Jahren erzielen werden, wird wesentlich davon abhängen,<br />

wie Deutschland seine Zukunftsprobleme als Ganzes löst.<br />

Es geht für uns in Sachsen nicht darum, den Westen einzuholen.<br />

Unsere Anstrengungen müssen sich darauf richten, unser Land auf das<br />

vorzubereiten, was in zehn bis zwanzig Jahren innerhalb<br />

Deutschlands und Europas geschehen und unser Leben bestimmen wird.<br />

Neben unseren Bemühungen, die Defizite zu überwinden, die uns die<br />

Teilung Deutschlands hinterlassen hat, werden wir uns, <strong>der</strong> Landtag,<br />

die Staatsregierung, die Bürgerinnen und Bürger Sachsens, auf einen<br />

gesellschaftlichen Wandel einstellen müssen, <strong>der</strong> vieles von dem<br />

erneut verän<strong>der</strong>n wird, was wir in den letzten Jahren aufgebaut und<br />

entwickelt haben.<br />

Diesen Entwicklungen werden sich erneut Besitzstände und<br />

gesellschaftliche Kräfte entgegenstellen, um sie zu verlangsamen<br />

o<strong>der</strong> zu verhin<strong>der</strong>n. Doch unsere Erfahrungen mit <strong>der</strong> Wende und ihren<br />

Umbrüchen lehren uns, dass wir die Verän<strong>der</strong>ungen nicht aufhalten<br />

können, ohne uns selbst zu schaden und ohne unserer Jugend ihre<br />

eigenen Chancen zu nehmen.<br />

Sachsen kann mit seiner Energie, mit dem Gestaltungswillen seiner<br />

Menschen, mit dem hier beheimateten Wissen und Können bei sich<br />

selbst beginnen. Es kann in ganz Deutschland und Europa daran<br />

mitwirken, dass unser Freistaat Sachsen in einer Welt <strong>des</strong> Wandels<br />

bestehen wird. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen, die<br />

Aufgaben sind beschrieben, <strong>der</strong> Wille ist vorhanden. Lassen Sie uns<br />

gemeinsam das zweite Jahrzehnt beginnen!<br />

Ich danke Ihnen.<br />

(Lebhafter, anhalten<strong>der</strong> Beifall bei <strong>der</strong> CDU -<br />

Beifall bei <strong>der</strong> Staatsregierung)<br />

Präsident Iltgen: Ich danke dem Ministerpräsidenten für seine<br />

Regierungserklärung.<br />

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aussprache. Die Fraktion<br />

<strong>der</strong> PDS beginnt; danach CDU, SPD, CDU. Wenn die Staatsregierung<br />

wünscht, kann sie natürlich je<strong>der</strong>zeit in die Debatte eingreifen.<br />

Die Aussprache ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion <strong>der</strong> PDS das<br />

Wort zu nehmen. Herr Neubert, bitte.<br />

Neubert, PDS: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!<br />

Ich bin einer <strong>der</strong>jenigen, über die Sie eigentlich nicht gesprochen<br />

haben, Herr Biedenkopf.<br />

(Beifall bei PDS und SPD)


Allenfalls kam Jugend als angehängte Plattitüde in Ihrem fest<br />

gefügten Gedankengebäude vor. Die Botschaft ist klar: Sie haben <strong>der</strong><br />

jungen Generation dieses Lan<strong>des</strong> fast nichts zu sagen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei PDS und SPD)<br />

Sie haben aber wenigstens indirekt die Frage beantwortet, warum<br />

mehr als 80 % <strong>der</strong> Jugendlichen mit <strong>der</strong> Jugendpolitik <strong>der</strong><br />

Staatsregierung unzufrieden sind.<br />

Die Fraktion <strong>der</strong> PDS ist <strong>der</strong> Auffassung, dass man Sachsens Aufgaben<br />

in einer Welt <strong>des</strong> Wandels nur dann behandeln kann, wenn die Chancen<br />

und Perspektiven <strong>der</strong> jungen Generation eine Grundlage <strong>der</strong> Analyse<br />

sind. Schließlich ist es vor allem diese Generation, die den Wandel<br />

tragen wird.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie erwarten von mir sicherlich<br />

keine großväterliche Rede. Ich werde <strong>des</strong>halb jetzt als junger<br />

Mensch über die Zukunft Sachsens reden.<br />

Ich lebe gern hier und ich möchte, dass dies in zehn, fünfzehn<br />

Jahren immer noch so ist. Dass dies so kommen wird, ist heute nicht<br />

sicher. Es gibt Entwicklungen, die viele Wünsche <strong>der</strong> jungen<br />

Generation für die Zukunft in Zweifel stellen, und es gibt Chancen,<br />

die genutzt werden könnten, wenn mit politischem Augenmaß gehandelt<br />

würde. Es ist <strong>des</strong>halb geradezu notwendig, jetzt in die politische<br />

Zukunftsoffensive zu gehen.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Da ich konsequent und logisch über<br />

die Perspektiven in Sachsen sprechen will, beginne ich mit den<br />

Kin<strong>der</strong>tagesstätten. Die Kin<strong>der</strong>tagesstätte ist für Kin<strong>der</strong> die erste<br />

Station institutioneller Bildung. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aufmerksam<br />

beobachtet, weiß, dass gerade kleine Kin<strong>der</strong> in hohem Maße bereit<br />

und in <strong>der</strong> Lage sind zu lernen. Sie haben gelernt, Menschen und<br />

Dinge zu unterscheiden, zu laufen, zu sprechen und viele Dinge<br />

mehr. Kitas sollen die Voraussetzung dafür schaffen, dass Kin<strong>der</strong><br />

weiter lernen. Sie müssen Kin<strong>der</strong>n Freiräume geben für Entdeckungen<br />

und Experimente, zur Entfaltung kreativer Potenziale. Dafür<br />

brauchen sie kleine Kin<strong>der</strong>gruppen und gut ausgebildetes Personal,<br />

das auch Zeit für eine ausreichende Vor- und Nachbereitung seiner<br />

Arbeit hat.<br />

Die Staatsregierung sieht das offensichtlich an<strong>der</strong>s. Sie schlug<br />

Kürzungen in dem Bereich vor, in dem eine Gesellschaft das<br />

Fundament je<strong>der</strong> neuen Generation legen muss. Sie geht mit<br />

veralteten Begriffen wie "Regelbetreuungszeit" den Weg rückwärts in<br />

die Zukunft.<br />

Eine Kita hat einen staatlichen Bildungsauftrag und diesen gilt es<br />

auf hohem qualitativem Niveau zu erfüllen. 21 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> kommen<br />

heute mit Sprachstörungen in die Schule - Tendenz steigend. Wer wie<br />

im Trickfilm spricht und danach durch materiell ruinierte Schulen<br />

geht, wird nicht durch ein Wun<strong>der</strong> zum international o<strong>der</strong> auch nur<br />

national gefragten Informatiker. Stellen Sie sich vor: Mehr als<br />

je<strong>des</strong> fünfte Kind in Ihrer schönen neuen Wissenswelt hat<br />

Sprachstörungen!<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Einrichtungen, die Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche in ihrem Entwicklungsprozess begleiten, haben teil an


Bildungsprozessen. Freizeiteinrichtungen können sehr viel mehr als<br />

die Schule an die Lebenssituation <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

anknüpfen. Das setzt allerdings eine gute Ausstattung und fachliche<br />

Begleitung voraus.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Doch was hinterlassen Sie im Freizeitbereich, Herr Biedenkopf? Auch<br />

dieser Bereich unterliegt in den nächsten Jahren einer erheblichen<br />

Kürzung. Vereine und Jugendliche kämpfen um öffentliche Mittel für<br />

ihre Aufgabenerfüllung und scheitern allzu oft mit ihren Vorhaben.<br />

Jugendarbeit kann nicht allein auf ehrenamtlicher Basis erfolgen;<br />

Jugendarbeit braucht Kontinuität und Qualität, das heißt<br />

Fachkräfte. Es sind Ansätze mit interkultureller, mit<br />

geschlechtsbezogener Jugendarbeit, eine stärkere Ausrichtung auf<br />

Konfliktverarbeitung und neue, attraktivere Formen <strong>der</strong><br />

jugendpolitischen Bildung gefragt. Diese sind nicht durch Ehrenamt<br />

o<strong>der</strong> auf ABM-Basis zu erreichen.<br />

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich in den letzten Jahren vor<br />

allem in den ländlichen Regionen rechtsextreme Hegemonien in <strong>der</strong><br />

Jugendkultur entwickelt haben. Es nützt uns nichts, dies zu<br />

verschweigen o<strong>der</strong> öffentlich zu negieren. Wir müssen offensiv mit<br />

diesem Problem umgehen und Projekte unterstützen, die diesen<br />

Entwicklungen humanistische Werte entgegensetzen. Wir brauchen<br />

Zentren für Demokratie, Kultur und Bildung, die alternative<br />

Angebote unterbreiten.<br />

Dies ist Aufgabe <strong>der</strong> Jugendarbeiter und nicht <strong>der</strong> Polizei.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Aber schon hier wird die Disproportion deutlich: Der Freistaat<br />

beteiligt sich an <strong>der</strong> Finanzierung von etwa 300 Jugendarbeiterinnen<br />

und Jugendarbeitern, während er mehr als 400 Polizeibeamte im so<br />

genannten präventiven Bereich voll bezahlt.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Allzu oft beklagt sich die Politik<br />

über das Desinteresse <strong>der</strong> Jugendlichen und über die angebliche<br />

Politikverdrossenheit. Ich kann Ihnen versichern: Das beruht auf<br />

Gegenseitigkeit. Nur 4 % <strong>der</strong> ostdeutschen Jugendlichen glauben,<br />

dass Politiker an ihrer Meinung interessiert sind. Hinsichtlich <strong>des</strong><br />

Vertrauens gegenüber politischen Institutionen liegen die Parteien<br />

auf dem letzten Platz.<br />

Die aktuelle Shell-Jugendstudie belegt, dass <strong>der</strong> Frust über die<br />

Politik <strong>der</strong> alten Männer noch nie so groß war wie heute.<br />

Jugendliche wollen etwas bewegen können, sie wollen Ergebnisse<br />

sehen und auch an <strong>der</strong> politischen Arbeit Spaß haben - alles Dinge,<br />

die nur wenig mit den herkömmlichen Formen <strong>der</strong> Politik zu tun<br />

haben.<br />

Ich werde nie die Jahre 1989 und 1990 vergessen, in denen wir<br />

Schüler uns einbringen konnten und an einem öffentlichen Dialog<br />

beteiligt waren, <strong>der</strong> von Akzeptanz <strong>des</strong> jeweils An<strong>der</strong>sdenkenden<br />

geprägt war. Doch davon war schon bald nichts mehr zu spüren.<br />

Heute stoßen Jugendliche mit ihrem Engagement an immer neue<br />

Barrieren und resignieren. Eine für Jugendliche attraktive<br />

Gesellschaft muss von Teilhabe und darf nicht von Bevormundung<br />

leben. Es geht darum, jugendliche Interessen zu berücksichtigen und


einzubeziehen - auf allen Ebenen und zumin<strong>des</strong>t bei allen sie<br />

betreffenden Fragen. Das beginnt bei <strong>der</strong> Herabsetzung <strong>des</strong><br />

Wahlalters für alle Wahlen. Jugendparlamente, Kin<strong>der</strong> und Jugendräte<br />

müssen gehört werden. Eine Schulkonferenz braucht eine paritätische<br />

Besetzung. Das sind Möglichkeiten für direkte Demokratie.<br />

Wir als Politikerinnen und Politiker müssen eine an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong><br />

Politik vorleben und auch bereit sein Verantwortung abzugeben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Wir müssen Freiräume zur politischen Gestaltung schaffen und<br />

Ressourcen für engagierte Jugendliche zur Verfügung stellen.<br />

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! In Ihrer Welt <strong>des</strong> Wandels<br />

sind über 60 000 Kin<strong>der</strong> und Jugendliche bis 27 Jahre auf<br />

Sozialhilfe angewiesen. Die Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger ist in<br />

den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen. Beson<strong>der</strong>s<br />

betroffen sind weibliche Haushaltsvorstände mit Kin<strong>der</strong>n. Kin<strong>der</strong><br />

sind zum Armutsrisiko geworden.<br />

Zurzeit sind in Sachsen über 42 000 junge Menschen unter 25 Jahren<br />

arbeitslos. Die Langzeitarbeitslosigkeit von jungen Menschen - und<br />

hier wie<strong>der</strong> vor allem von jungen Frauen - ist erschreckend hoch.<br />

Wer über Zukunft spricht, muss auch den Rahmen betrachten, in dem<br />

diese Perspektiven gedeihen können. Die Bevölkerungsprognose bis<br />

2015 zeichnet da für weite Teile Sachsens ein beunruhigen<strong>des</strong> Bild:<br />

In Sachsen werden nur etwa 12 % <strong>der</strong> Einwohner unter 15 Jahren alt<br />

sein. In Chemnitz, Plauen, Zwickau, Hoyerswerda, im Landkreis<br />

Annaberg und im Vogtlandkreis wird 2015 je<strong>der</strong> zweite Einwohner<br />

älter als 49 Jahre sein, aber nicht einmal je<strong>der</strong> fünfte jünger als<br />

25 Jahre. Es muss befürchtet werden, dass aus verschiedenen<br />

Gebieten - nach dem Motto "Den Letzten beißen die Hunde" - noch<br />

viel mehr junge Menschen und Familien wegziehen.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Dreh- und Angelpunkt <strong>der</strong><br />

Lebensentwürfe <strong>der</strong> Menschen in Sachsen ist die Partizipation am<br />

Erwerbsleben. Es geht ihnen dabei nicht nur um Einkommen und<br />

soziale Absicherung, son<strong>der</strong>n auch um die Möglichkeit, die eigenen<br />

Fähigkeiten und Qualifikationen auszuprobieren und sich zu<br />

bestätigen.<br />

Die Lebensperspektiven für die junge Generation in Sachsen werden<br />

in erheblichem Maße durch die Wirtschaft bestimmt. Gestatten Sie<br />

mir <strong>des</strong>halb einige Bemerkungen zur Wirtschafts- und<br />

Arbeitsmarktpolitik.<br />

In den vergangenen Jahren sind in Sachsen neue, mo<strong>der</strong>ne<br />

Produktionsstätten entstanden. Die Infrastruktur wurde vor allem in<br />

den Bereichen <strong>der</strong> Telekommunikation, <strong>des</strong> Handels und <strong>des</strong><br />

Straßennetzes erheblich verbessert. Zahlreiche Umweltschäden wurden<br />

in erstaunlich kurzer Zeit beseitigt. Viele Menschen wohnen heute<br />

besser als zu DDR-Zeiten.<br />

Diese Ergebnisse werden von den meisten Menschen positiv bewertet.<br />

Sie sind auch für die PDS ein Ausgangspunkt ihrer Politik. Ich bin<br />

mir sicher, dass am Ende <strong>des</strong> Transformationsprozesses, <strong>des</strong>sen<br />

Zeitpunkt heute niemand genau benennen kann, eine wettbewerbsfähige<br />

Unternehmenslandschaft existieren wird. Offen ist aber, wie vielen<br />

Menschen dieser Sektor überhaupt Perspektiven bieten kann.


Von diesem Standpunkt aus denken wir als PDS zur<br />

Wirtschaftspolitik: Die Wirtschaft ist für den Menschen da und<br />

nicht umgekehrt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Lebenschancen sind Chancen auf eine selbstbestimmte Entwicklung.<br />

Sie hängen nicht zuletzt von einer eigenständigen Existenzsicherung<br />

je<strong>der</strong> Einzelnen und je<strong>des</strong> Einzelnen ab. Schauen wir uns <strong>des</strong>halb an,<br />

welche Chancen Frauen und Männer haben, in Sachsen zu arbeiten.<br />

Das Wirtschaftswachstum im Osten stagniert seit spätestens 1997.<br />

Die gegenwärtige Massenarbeitslosigkeit ist <strong>der</strong> größte soziale<br />

Skandal. Die Löhne liegen <strong>der</strong>zeit bei zirka 74 % <strong>des</strong> Westniveaus.<br />

Obwohl das Grundgesetz in Artikel 72 die Herstellung gleichwertiger<br />

Lebensverhältnisse in allen Lan<strong>des</strong>teilen vorsieht, haben sich<br />

inzwischen nahezu unüberbrückbare Disparitäten zwischen den<br />

einzelnen sächsischen Regionen herausgebildet.<br />

Man muss feststellen, dass <strong>der</strong> oft beschworene Wirtschafts- und<br />

Wissenschaftsstandort Sachsen bisher we<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Steuersenkungs-<br />

noch von <strong>der</strong> Sparpolitik, ob sie nun von <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>- o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>regierung kam, profitiert hat. Wenn sich nämlich trotz dieser<br />

Politik die Massenarbeitslosigkeit nicht entscheidend verringert<br />

und Armut ein immer massiver werden<strong>des</strong> gesellschaftliches Problem<br />

wird, dann muss man sich doch fragen, wem diese Politik nützt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Die aktuelle Shell-Jugendstudie weist aus, dass ein großer Teil<br />

junger Menschen den Wunsch hat, im Leben Kin<strong>der</strong> zu haben. Doch<br />

viele Frauen streichen diesen Wunsch später aus ihrem Lebensplan.<br />

Sie haben einfach zu geringe Möglichkeiten, Kin<strong>der</strong> und Karriere zu<br />

verbinden. Die gesellschaftlichen Normen zwingen vor allem Frauen<br />

sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden. Sie selbst, Herr<br />

Ministerpräsident, haben auch schon die angeblich zu hohe<br />

Erwerbsneigung <strong>der</strong> Frauen beklagt. Beinahe je<strong>der</strong> dritten Frau, die<br />

aus dem Erziehungsurlaub in den Job zurückkehrt, wird bald darauf<br />

gekündigt.<br />

Herr Ministerpräsident, Ihre Politik verhin<strong>der</strong>t Schwangerschaften<br />

zuverlässiger als je<strong>des</strong> an<strong>der</strong>e Mittel<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

und sie macht auch nicht dick!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Es hat sich gezeigt, dass die Menge <strong>des</strong> <strong>vom</strong> Staat verbrauchten<br />

Gel<strong>des</strong> nicht ausschlaggebend dafür ist, die entscheidenden sozialen<br />

und wirtschaftlichen Probleme <strong>der</strong> Gegenwart zu lösen.<br />

För<strong>der</strong>politik, meine Damen und Herren, muss auch im Rahmen <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Entwicklung <strong>des</strong> Freistaates die Eigeninitiative<br />

vor Ort in den Unternehmen und im Dienstleistungsbereich<br />

herausfor<strong>der</strong>n.<br />

Damit komme ich zum einzigen Punkt Ihrer Regierungserklärung, Herr<br />

Biedenkopf, den ich nicht verstanden habe. Sie haben unsere<br />

För<strong>der</strong>mitteldatenbank gelobt, obwohl Sie diese noch gar nicht<br />

kennen.<br />

Inzwischen haben sich - auch aufgrund <strong>der</strong> Marktwirtschaft - die<br />

individuellen Lebensverhältnisse in unserem Land stark


ausdifferenziert. Man kann hier richtig viel arbeiten und gut<br />

verdienen. Man kann hier aber auch in einen dauerhaften Zustand<br />

versetzt werden, bei dem man nicht mehr von Sozialhilfe, Wohngeld<br />

und an<strong>der</strong>en Alimentierungen loskommt.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Reihe von namhaften<br />

Untersuchungen zeigt, dass von <strong>der</strong> großen Mehrheit <strong>der</strong> Befragten in<br />

Sachsen für die ins Stocken geratene wirtschaftliche Entwicklung<br />

und die hohe Arbeitslosigkeit weniger die Unternehmen und die<br />

Wirtschaft insgesamt verantwortlich gemacht werden, son<strong>der</strong>n die<br />

Politik. Diese Einschätzung haben Sie, Herr Ministerpräsident, in<br />

Ihrer Regierungserklärung bestätigt. Sie haben festgestellt, dass<br />

die Staatsregierung ihr wichtigstes Ziel, nämlich die Überwindung<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit, nach zehn Jahren nicht erreicht hat. Was soll<br />

eigentlich eine Regierung, die ihr wichtigstes Ziel nicht erreichen<br />

kann?!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Sie lassen bisher keine neuen Ideen erkennen. Statt<strong>des</strong>sen<br />

verkleckern Sie För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> für Projekte von vorgestern. Zukunft<br />

besteht nämlich nicht aus einem Projekt wie Tauris. Wir werden es<br />

Ihnen immer wie<strong>der</strong> deutlich sagen: Für 150 DM aus Tauris wird es<br />

kein selbstbestimmtes Leben in Menschenwürde und Freiheit geben<br />

können.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Dr. Volkmer, SPD)<br />

Zukunftsträchtige Arbeitsplätze für die Wissensgesellschaft<br />

entstehen ganz gewiss nicht in einem Niedriglohnsektor. Sie<br />

entstehen lei<strong>der</strong> auch nicht durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die<br />

aber wenigstens ein existenzsichern<strong>des</strong> Einkommen bieten.<br />

Immer wie<strong>der</strong> wird berechtigt hervorgehoben, dass die meisten neu<br />

geschaffenen Arbeitsplätze in Sachsen in den kleinen und<br />

mittelständischen Unternehmen entstanden sind. Das war auch eine<br />

herausragende Leistung, die niemand kleinreden will. Trotzdem wird<br />

dabei häufig übersehen, dass sich spätestens seit 1997 <strong>der</strong><br />

Mittelstand im Wandel befindet. Im Handwerk, im produzierenden<br />

Gewerbe und im Handel nehmen seit dem Wachstumsstopp im Jahr 1997<br />

die Beschäftigtenzahlen wie<strong>der</strong> ab.<br />

Neue Betätigungsfel<strong>der</strong> bieten seither vor allem die neuen<br />

Technologien und die wirtschaftsnahen Dienstleistungen. Der<br />

Mittelstand profitiert insbeson<strong>der</strong>e <strong>vom</strong> Outsourcing <strong>der</strong> großen<br />

Unternehmen und <strong>der</strong> öffentlichen Hand. Ein KMU-Segment neuen Typs<br />

entsteht im Bereich <strong>des</strong> Internets, <strong>der</strong> Telearbeit, <strong>der</strong> Call-Center,<br />

<strong>der</strong> Mikroelektronik und in <strong>der</strong> Bio- und Gentechnologie.<br />

Der Mittelstand ist durch den sich verstärkenden Wettbewerb zu<br />

einer ständigen Rationalisierung <strong>der</strong> Geschäftsprozesse gezwungen.<br />

Daraus resultieren zwar Wirtschaftszuwächse, aber eben auch immer<br />

unsicherer werdende Beschäftigungsverhältnisse, geringfügige<br />

Beschäftigungen und schlechte Bezahlungen.<br />

Die Hauptprobleme aller kleinen und mittelständischen Unternehmen<br />

haben sich hingegen verstärkt: Nach wie vor leiden sie an einer zu<br />

geringen eigenen Kapitaldecke, an fehlenden<br />

Stabilisierungsprogrammen und an <strong>der</strong> miserablen Zahlungsmoral.<br />

Obwohl wir Hun<strong>der</strong>te von För<strong>der</strong>programmen zur Mittelstandsför<strong>der</strong>ung


haben, erhalten die KMU lediglich 3 % aller ausbezahlten<br />

Subventionen. Der Rest wird offensichtlich für das Polieren <strong>der</strong><br />

einsamen "Leuchttürme" ausgegeben.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Die För<strong>der</strong>ung von KMU basiert in <strong>der</strong> Hauptsache auf rückzahlbaren<br />

Krediten und auf Bürgschaften. Da sie damit keine Rücklagen für<br />

auftragsarme Zeiten bilden können, bleibt für solche Momente meist<br />

nur die zweifelhafte Reserve <strong>der</strong> Kündigung von Mitarbeitern.<br />

Die Staatsregierung hat keine Konzepte zur Zukunft <strong>der</strong> Arbeit. Die<br />

Potenziale für neue Arbeitsplätze in den KMU sind - das habe ich<br />

dargelegt - weitgehend ausgeschöpft. Niemand glaubt, dass sich<br />

überhaupt noch einmal Arbeitsplätze wie im jetzt endgültig<br />

abgeschlossenen Industriezeitalter entwickeln werden. Wie wird also<br />

die Zukunft <strong>der</strong> Arbeit aussehen?<br />

Einen ersten Schritt dazu sehen wir in <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Lebens-<br />

und Jahresarbeitszeit. Kaum jemand bestreitet, dass die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit zu einer Zunahme an Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

führt. Die französischen Erfahrungen mit dem Gesetz über die 35-<br />

Stunden-Woche zeigen dies recht deutlich. Dort wird mit einem<br />

System von Belohnungen und Sanktionen gearbeitet. Unternehmen, die<br />

das neue Arbeitszeitmodell anwenden, erhalten staatliche Zuschüsse.<br />

Diese fallen höher aus, wenn es zu Neueinstellungen kommt. Mit dem<br />

Geld werden vor allem die Verdienstausfälle <strong>der</strong> verkürzt<br />

arbeitenden Personen ausgeglichen. Verdienstausfälle liegen nicht<br />

im Interesse <strong>des</strong> französischen Staates, da sie die Kaufkraft und<br />

damit die Nachfrage senken würden. Die französischen Unternehmen<br />

sind daran nicht zugrunde gegangen. Sie mussten ganz neue<br />

Überlegungen zur Rationalisierung ihrer Geschäftsabläufe anstellen.<br />

Als dies funktionierte, stellten sich ein erhöhtes Auftragsvolumen<br />

und Zugewinne ein. Es geht also. Was wir aber dafür brauchen, ist<br />

ein neuer Generalauftrag für die Wirtschaftspolitik in diesem Land.<br />

Das Bemuttern und Betutteln von imaginären Investoren muss<br />

aufhören.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Die Arbeitszeitverkürzung ist aber nicht nur eine Voraussetzung für<br />

die gerechtere Verteilung <strong>der</strong> Arbeit zwischen Erwerbstätigen,<br />

zwischen den Generationen und zwischen Frauen und Männern.<br />

Wenn ich hier über Perspektiven <strong>der</strong> Jugend rede, dann sollten wir<br />

uns auch folgende Frage stellen: Träumen die Menschen von einer<br />

Zukunft, in <strong>der</strong> die Arbeit alleiniges Ziel <strong>der</strong> Existenz ist?<br />

Schon <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> Arbeiterbewegung um die 40-Stunden-Woche war<br />

immer auch ein Kampf um selbstbestimmte Zeit, um Freiheit. Und<br />

diese Sehnsucht ist heute, wo ein Teil <strong>der</strong> Menschen immer länger<br />

und flexibler zu arbeiten hat und ein immer größer werden<strong>der</strong> Teil<br />

außerhalb von existenzsichern<strong>der</strong> Arbeit steht, noch genauso real<br />

wie damals.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Diese Vision von Zukunft, hinter <strong>der</strong> ich ein politisches Konzept<br />

für die freie Entwicklung aller erkennen möchte, verbindet<br />

ökologischen Umbau mit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Arbeitswelt und <strong>der</strong><br />

Individualität je<strong>des</strong> und je<strong>der</strong> Einzelnen.


Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstbestimmtes Leben setzt nicht<br />

nur eine funktionierende Wirtschafts- und Arbeitswelt voraus,<br />

son<strong>der</strong>n auch, dass man angemessen auf sie vorbereitet wird. Das<br />

Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht hat festgestellt, dass das<br />

verfassungsmäßige Recht einer freien Berufswahl dann garantiert<br />

ist, wenn mehr als ein Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen zur<br />

Verfügung steht. In Sachsen gibt es nicht einmal für jeden<br />

Jugendlichen einen Ausbildungsplatz. Derzeit suchen noch immer über<br />

2 000 Jugendliche eine Lehrstelle. Und da sind noch nicht die<br />

Jugendlichen gerechnet, die Warteschleifen absolvieren.<br />

Viele Jugendliche müssen in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n ihre Ausbildung<br />

antreten. Und das geschieht nicht immer ganz freiwillig. Ich selbst<br />

habe meinen Beruf im Schwarzwald erlernt. Das war für mich eine<br />

wichtige Erfahrung. Aber aus <strong>der</strong> Not wird häufig eine Tugend. Der<br />

Lebensmittelpunkt wird neu definiert und verschiebt sich weg von<br />

Sachsen. Viele dieser jungen Menschen haben wir dann ein für<br />

allemal verloren.<br />

Mädchen verfügen zwar über höhere Bildungsabschlüsse als Jungen.<br />

Aber ihre schulischen Erfolge sind keine Garantie für eine gute<br />

Startposition in einen qualifizierten Ausbildungsplatz. We<strong>der</strong> im<br />

dualen Ausbildungssystem noch an Fach- und Hochschulen sind Mädchen<br />

ihren Schulabschlüssen und ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend<br />

vertreten. Dafür finden wir sie überproportional in <strong>der</strong> schulischen<br />

Berufsausbildung und in den Lehrgängen bzw. Kursen <strong>vom</strong> Arbeitsamt<br />

wie<strong>der</strong>. Die Ausbildungsangebote in den Berufsfachschulen verstärken<br />

die traditionellen Rollenbil<strong>der</strong>, weil Mädchen vorwiegend im<br />

sozialpflegerischen und kaufmännischen Bereich ausgebildet werden.<br />

Die Ausbildung an Berufsfachschulen ist häufig mit hohen privaten<br />

Kosten verbunden. Das heißt, es muss Schulgeld gezahlt werden. Die<br />

Schülerinnen erhalten keine tariflichen Ausbildungsvergütungen.<br />

Ihre betriebliche Sozialisation ist geringer. Und auch die<br />

Übergangschancen auf den ersten Arbeitsmarkt sind geringer als im<br />

dualen Ausbildungssystem.<br />

Der Anteil von Mädchen in gewerblich-technischen Berufen ist<br />

verschwindend gering. Statt<strong>des</strong>sen werden in Sachsen in Vorbereitung<br />

auf die Wissensgesellschaft so viele Floristinnen ausgebildet, als<br />

befänden wir uns im Wettbewerb mit Holland.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Für die blühenden Landschaften! -<br />

Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Das Lehrstellenangebot bildet die Wirtschaftslage <strong>des</strong> Freistaates<br />

ab: Es gibt nicht nur viel zu wenig Lehrstellen, auch die Struktur<br />

<strong>des</strong> Angebotes ist nicht an Zukunftstechnologien orientiert und<br />

bereitet die Jugendlichen nicht angemessen auf den technologischen<br />

Wandel vor. Durch ihre Untätigkeit auf diesem Gebiet gefährdet die<br />

Staatsregierung nicht nur das verfassungsmäßige Recht <strong>der</strong><br />

Jugendlichen auf freie Berufswahl, son<strong>der</strong>n verletzt auch ihre<br />

Fürsorgepflicht.<br />

Das ausbildungspolitische Programm <strong>der</strong> PDS zielt darauf ab, die<br />

Ausbildung in Zukunftsberufen mit dem Einstieg in das Arbeitsleben<br />

in diesen Fel<strong>der</strong>n zu verbinden. Gleichzeitig möchten wir das duale


Berufsbildungssystem in klassischen Berufen erhalten und an die<br />

neuen Bedingungen anpassen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Wichtig ist, dass eine differenzierte Berufsberatung nicht erst<br />

dann einsetzt, wenn die persönliche Entscheidung schon gefallen<br />

ist, son<strong>der</strong>n eine wirkliche Entscheidungshilfe bietet. Die<br />

Verengung auf die jeweils zehn geschlechtsspezifischen Berufe muss<br />

überwunden werden.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Der Freistaat darf die Ausbildung nicht nur begleiten und zusehen,<br />

wie sich die Enkel mühen, son<strong>der</strong>n er muss agieren und Hilfe zur<br />

Selbsthilfe bieten. Dass die Wirtschaft allein das<br />

Ausbildungsproblem nicht löst, müsste sich inzwischen auch bis zur<br />

Sächsischen Staatsregierung herumgesprochen haben.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Perspektivlosigkeit und das<br />

Defizit an Demokratie beginnen oft schon in <strong>der</strong> Schule. Nicht nur<br />

aus <strong>der</strong> großväterlichen Perspektive <strong>der</strong> Staatsregierung erscheint<br />

die Schule vor allem als Haushaltsfaktor. Auch die durch den<br />

Ministerpräsidenten heute verkündete neue Religion, die<br />

Marktideologie, wird <strong>der</strong> Komplexität von Schule nicht gerecht. Alle<br />

und alles sollen sich rechnen. Wenn aber Bildung, Lernen und<br />

sozialer Zusammenhang einzig und allein am Maßstab <strong>der</strong> Effizienz<br />

gemessen werden, wird diese Gesellschaft, wird diese Schule keine<br />

Zukunft haben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Weil diese Zukunft aber unsere Zukunft ist, die <strong>der</strong> jungen<br />

Generation in diesem Land, werden wir nicht tatenlos zuschauen.<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche verbringen einen wichtigen Teil ihrer<br />

Lebenszeit in <strong>der</strong> Schule. Schule ist <strong>des</strong>halb ein Ort <strong>des</strong> Lebens und<br />

darf nicht auf reine Wissensvermittlung reduziert werden.<br />

Schülerinnen und Schüler brauchen Freiräume. Sie müssen soziale<br />

Kompetenz erwerben können und die Möglichkeit haben, sich ein<br />

eigenes Bild zu machen. Lehrer müssen zu Partnern werden. Fehler<br />

müssen erlaubt sein. Gerade <strong>der</strong> individuelle Weg <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

muss auf Selbstdefinition beruhen und darf nicht durch äußere<br />

Verwertungskriterien bestimmt sein. Dies beför<strong>der</strong>t eine stressfreie<br />

Schule auch für Lehrerinnen und Lehrer. Motivierte Lehrer<br />

motivieren Schüler.<br />

Fächerübergreifende Projekt- und Teamarbeit ist <strong>der</strong> richtige Ansatz<br />

dafür, sich später auch in Berufen, die wir heute die Berufe <strong>der</strong><br />

Zukunft nennen, zurechtzufinden. Sie kommt dem jugendlichen<br />

Bedürfnis nach einer selbstgestalteten Schule ebenso entgegen wie<br />

dem Bedarf an Teamfähigkeit, sozialer Kompetenz und<br />

netzorientiertem Denken in <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

Was stellen wir aber fest, wenn wir uns die Schulen ansehen? Da<br />

fehlt es an Foliensätzen, an Büchern, da sind Fachsprachenkabinette<br />

nicht vorhanden, da stehen nur veraltete Computer für den<br />

Informatikunterricht zur Verfügung. Kulturelle Veranstaltungen<br />

werden oft von Schulför<strong>der</strong>vereinen privat finanziert.<br />

Wenn ich einem Schüler, <strong>der</strong> unter diesen Bedingungen und ständigem<br />

Unterrichtsausfall zu leiden hat, Ihren Satz von <strong>der</strong> Teilhabe an


<strong>der</strong> Wissensgesellschaft vorlese, wird er mich wahrscheinlich ganz<br />

interessiert fragen, von welchem Land ich rede. Sein Lehrer wird es<br />

etwas sarkastischer ausdrücken, aber inhaltlich dasselbe meinen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Ihrem inhaltlichen Konzept in <strong>der</strong> Bildungsdiskussion entspricht die<br />

materielle Situation an den Schulen. Was man vornehm als "klassisch<br />

deutsche Bahnen" bezeichnen könnte, ist aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Wissensgesellschaft veraltet: Leistungsvergleiche sind das<br />

Nonplusultra. Sächsische Schule heißt Leistungsdruck,<br />

Versagensängste und verstärkte soziale Auslese, also das Gegenteil<br />

von Kreativitätsför<strong>der</strong>ung. Es gibt häufiger Rückstufungen am<br />

Schulbeginn und 5 000 bis 6 000 Schülerinnen und Schüler verlassen<br />

die Schule je<strong>des</strong> Jahr ohne Abschluss. Der prozentuale Anteil <strong>der</strong><br />

Schüler in För<strong>der</strong>schulen stieg in den letzten Jahren<br />

kontinuierlich. Schulschließungen führen zur kulturellen Verarmung<br />

von Gemeinden. Auch stundenlange Fahrwege zur Schule för<strong>der</strong>n mit<br />

Sicherheit nicht die Kreativität. Das bereitet bestenfalls auf ein<br />

Leben im Stau vor.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Wer einen privaten Ausweg aus dieser staatlich organisierten Misere<br />

sucht, wird in Sachsen kaum Erfolg haben. Die Hürden zur Eröffnung<br />

freier Schulen werden erhöht. Damit haben Elterninitativen keine<br />

Chance, alternative Schulkonzepte anzubieten.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen zu erwerben, an Kultur<br />

teilzuhaben ist nicht nur eine Voraussetzung für die<br />

Wissensgesellschaft, son<strong>der</strong>n ein Grundrecht <strong>des</strong> Menschen. Sie<br />

höhlen dieses Grundrecht und übrigens auch die Grundlagen <strong>der</strong><br />

Wissensgesellschaft auf zwei Wegen aus:<br />

Erstens errichten Sie immer neue soziale Schranken, die den Zugang<br />

zum Wissen <strong>vom</strong> Geldvermögen abhängig machen. In den letzten Jahren<br />

studieren immer weniger Jugendliche aus sozial schwächeren Familien<br />

an sächsischen Hochschulen. Ein Studium ist für sie nicht<br />

finanzierbar und das BAföG nicht ausreichend.<br />

Zweitens lassen Sie auch den Wissenserwerb durch Ihre<br />

Marktideologie regieren. Da gibt es neuerdings Funktionswissen -<br />

das ist brauchbar - und Speicherwissen, das angeblich am Leben<br />

vorbeigeht. Was gutes und was schlechtes Wissen ist, entscheidet<br />

die Wirtschaft.<br />

Die Geistes- und Sozialwissenschaften an <strong>der</strong> Dresdner Universität<br />

halten Sie offensichtlich für unnütz. Wir erleben völlig überfüllte<br />

Seminare und Hörsäle, zu wenig Geld für Bibliotheken und<br />

Einsparungen beim Hochschulpersonal. In Dresden hat <strong>der</strong><br />

Fachschaftsrat <strong>der</strong> Philosophischen Fakultät in einem Aktionsmonat<br />

Lehraufträge vergeben, um auf diese Situation aufmerksam zu machen.<br />

Wer soll bei diesem Erbe <strong>der</strong> Nachlassverwalter sein?<br />

Aus dieser Perspektive waren Ihre heutigen Ausführungen zu den<br />

Hochschulen interessant: so viel Begeisterung über zusätzliche<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Hochschulen auf <strong>der</strong> einen Seite und ein Stellenabbau<br />

von 1 700 Stellen in den nächsten Jahren auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Mir<br />

ist klar geworden, warum diese Schwerpunktverschiebung innerhalb<br />

<strong>der</strong> Regierungserklärung stattgefunden hat: Sie mussten uns diese


Sachen heute erzählen, weil sie im Kontext Ihres Haushaltsansatzes<br />

einfach absurd geklungen hätten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Die Wissensgesellschaft, meine Damen und Herren, braucht nicht nur<br />

neue Institutionen, son<strong>der</strong>n auch eine neue gesellschaftliche<br />

Kultur. Eine spießige und bornierte Wissensgesellschaft gibt es<br />

nicht.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Das weltoffene und tolerante Sachsen muss die Selbstbestimmung von<br />

Lebensläufen und kulturellen Formen ermöglichen. Das schafft man<br />

nicht, indem man das Leben in ideologische Schablonen presst, egal<br />

ob sie die Art und Weise <strong>des</strong> Lernens, das Deutschsein o<strong>der</strong><br />

bestimmte Familienformen betreffen. Die CDU hat nostalgische<br />

Gefühle und trauert einem Bild von Ehe und Familie hinterher,<br />

welches de facto <strong>der</strong> Vergangenheit angehört und nicht geeignet ist<br />

für den Schritt ins neue Jahrtausend. Sie sollten endlich zur<br />

Kenntnis nehmen, dass das Leben vielfältiger geworden ist.<br />

Man muss sich ja auch einmal fragen, warum <strong>der</strong> künftige<br />

Ministerpräsident nur ein Sachse werden darf. Warum nicht ein<br />

Brandenburger o<strong>der</strong> eine Österreicherin?<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Ein weltoffenes und tolerantes Sachsen ist die Voraussetzung dafür,<br />

dass Menschen darin leben wollen und dass sich Menschen hierher<br />

gezogen fühlen. Genauso wie die Sachsen nicht auf ihre Rolle als<br />

Wirtschaftsfaktor reduziert werden dürfen, sollen auch Auslän<strong>der</strong><br />

nicht nur aus Verwertungs- und Wirtschaftsinteressen willkommen<br />

geheißen werden. Einen Menschen auf seine Nützlichkeit zu<br />

reduzieren, statt ihn um seiner selbst willen zu achten, ist ein<br />

erster Schritt zur Intoleranz.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich daran denke, welches<br />

Ausmaß ausgrenzen<strong>des</strong> Denken gerade in <strong>der</strong> gegenwärtigen Zeit<br />

angenommen hat - und dies droht unsere kulturelle Vielfalt<br />

einzuengen, wenn nicht gar zu zerstören -, dann wünsche ich mir,<br />

dass uns die Auslän<strong>der</strong>innen und Auslän<strong>der</strong> in Sachsen nicht allein<br />

lassen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>der</strong> Abgeordneten<br />

Jurk, SPD, und Frau Ludwig, SPD)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie dem Ministerpräsidenten<br />

genau zugehört haben, werden Sie bemerkt haben, dass er uns die<br />

Rationalisierung von Verwaltungsabläufen als Demokratie verkauft<br />

hat. Das ist schlichtweg Etikettenschwindel. Dezentralisierung hat<br />

nur dann etwas mit Demokratie zu tun, wenn mit <strong>der</strong> Verantwortung<br />

auch die Mittel übertragen werden, mit denen man dieser<br />

Verantwortung gerecht werden kann. Wenn Dezentralisierung zum<br />

Beispiel bedeutet, dass die Kita-Träger in Zukunft ihre Armut<br />

selbst verwalten dürfen, dann hat das mit Demokratie nichts zu tun.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Demokratie setzt Selbstbestimmung ebenso voraus wie die Möglichkeit<br />

sich einzumischen. Die neuen Medien haben ein großes demokratisches<br />

Potenzial, das wir heute nutzen können, um die Partizipation zu


erhöhen und Transparenz zu erzeugen. Voraussetzung dafür ist<br />

jedoch, dass die Menschen in <strong>der</strong> Lage sind diesen Bereich selbst<br />

mitzugestalten.<br />

An diesem Punkt muss <strong>der</strong> öffentliche Bildungs- und Kulturauftrag<br />

neu definiert werden. Das betrifft sowohl den Auftrag <strong>der</strong><br />

öffentlich-rechtlichen Medien als auch die Verantwortung <strong>des</strong><br />

Staates dafür, dass Bürgerinnen und Bürger die notwendige<br />

Medienkompetenz erwerben, um hier verantwortungsbewusst eingreifen<br />

und entscheiden zu können. Das reine Profitinteresse in diesem<br />

Bereich verdrängt jedoch diesen Auftrag. Informationen erhalten<br />

zunehmend einen reinen Warencharakter; die Nutzer werden zu<br />

passiven Konsumenten gemacht.<br />

Das ständige Reden von <strong>der</strong> Wissensgesellschaft kann nicht<br />

verstecken, dass die Staatsregierung selbst keine Konzeption für<br />

das Informations- und Kommunikationszeitalter in die<br />

gesellschaftliche Debatte eingebracht hat. Wie<strong>der</strong> soll alles <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und <strong>der</strong> Marktideologie überlassen werden. Deshalb steht<br />

uns eine Spaltung <strong>der</strong> Gesellschaft in Menschen mit und in Menschen<br />

ohne Zugang zu den neuen Medien bevor. Wir dürfen diese Entwicklung<br />

nicht tatenlos hinnehmen.<br />

(Beifall <strong>der</strong> Abgeordneten Prof. Dr. Porsch,<br />

PDS, und Jurk, SPD)<br />

Wir werden die Zukunft verpassen, wenn ein Teil <strong>der</strong> Bevölkerung von<br />

den Möglichkeiten und Chancen ausgeschlossen ist, die den neuen<br />

Medien innewohnen. Gleichzeitig denken wir, dass alle<br />

Zensurversuche im Bereich <strong>der</strong> neuen Medien <strong>vom</strong> technischen<br />

Unverstand ihrer Befürworter zeugen. Nicht Zensur, son<strong>der</strong>n die<br />

handlungsorientierte Vermittlung von Medienkompetenz entspricht <strong>der</strong><br />

neuen medialen Zeit.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren! Alles Reden über Zukunft ist nichts<br />

wert ohne das Nachdenken darüber, wie im Zeitalter <strong>der</strong><br />

Globalisierung dem Souverän, also den Bürgerinnen und Bürgern, jene<br />

Spielräume garantiert werden, in denen sie sich frei entfalten<br />

können. Unsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen für diese<br />

Entfaltung zu schaffen und zu sichern. Kein Talent darf wegen <strong>des</strong><br />

Fehlens dieser Voraussetzungen verkümmern.<br />

In <strong>der</strong> gegenwärtigen Zeit bedeutet das vor allem, sich dem<br />

technologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel zu<br />

stellen. Jede Bürgerin, je<strong>der</strong> Bürger muss selbstbestimmt und<br />

kompetent über ihren, seinen Platz in <strong>der</strong> sich wandelnden<br />

Gesellschaft entscheiden können.<br />

Die heutige Politik entscheidet darüber, wie die junge Generation<br />

auf diesen Wandel vorbereitet wird, wie sie befähigt und motiviert<br />

wird sich in diesen Wandel einzubringen. "Das Ziel von Politik ist<br />

Freiheit", schrieb Hannah Arendt. Nur eine so wirklichkeitsferne<br />

Regierungserklärung wie die heutige konnte überhaupt den Anschein<br />

erwecken, die Staatsregierung nehme diese Aufgaben ernst.<br />

Misst man die Staatsregierung nicht an dem angelernten neuen<br />

Vokabular, son<strong>der</strong>n an ihren Entscheidungen und an <strong>der</strong> dadurch<br />

geschaffenen Situation für junge Menschen im Lande, dann versteht


man die Politikerverdrossenheit <strong>der</strong> Jugend. Die Jugend mit ihren<br />

vielfältigen Interessen, Bedürfnissen und Lebenslagen kommt in<br />

ihrem Denken nur in zwei Formen vor: als asoziale Schmarotzer und<br />

als angepasste Hightech-Elite.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Sie wollen Jugend vor allem zurichten. Herr Biedenkopf, Sie sind<br />

wie Bill Gates: Sie haben einen guten Namen, aber ein schlechtes<br />

Programm.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Prof. Porsch, möchten Sie die<br />

Rede jetzt gleich fortsetzen o<strong>der</strong> dann in <strong>der</strong> zweiten Runde<br />

sprechen? -<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Ich spreche in <strong>der</strong> zweiten Runde.)<br />

Dann bitte ich jetzt die CDU-Fraktion. Herr Dr. Hähle, bitte.<br />

Dr. Hähle, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Nicht einmal mein Vorredner konnte ganz darauf verzichten,<br />

wenigstens einige Gebiete zu nennen, auf denen in Sachsen Erfolge<br />

erzielt worden sind. Das war aber auch das einzig Neue in seinen<br />

Ausführungen. Dass ein Redner <strong>der</strong> PDS natürlich ein trübes Bild<br />

malt, wenn es um die Zukunft <strong>der</strong> Jugend geht, das war nicht an<strong>der</strong>s<br />

zu erwarten.<br />

(Frau Schulz, PDS: Im Gegensatz zu Ihnen<br />

weiß er, wovon er spricht.)<br />

Es zeigt sich wie<strong>der</strong> einmal mehr, dass die PDS <strong>der</strong> organisierte<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen den Erfolg <strong>der</strong> deutschen Einheit ist;<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

denn <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> sächsischen Bevölkerung sieht die<br />

Wirklichkeit an<strong>der</strong>s als Herr Neubert, nämlich so: Der Freistaat<br />

Sachsen hat sich in den vergangenen zehn Jahren im Vergleich zu<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n mit etwa gleicher Ausgangsposition und auch nach<br />

dem Urteil von Beobachtern außerhalb Sachsens außergewöhnlich<br />

erfolgreich entwickelt. Wir haben gute Chancen diesen Weg<br />

fortzusetzen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Der Grund für den Erfolg liegt, an<strong>der</strong>s, als das Herr Neubert hier<br />

vorgemalt hat, in <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Menschen, nach Jahrzehnten<br />

politischer und gesellschaftlicher Reglementierung an <strong>der</strong><br />

Neugestaltung <strong>des</strong> eigenen Lan<strong>des</strong> mitzuwirken.<br />

(Frau Mattern, PDS: Das hat er genau gesagt, Herr Hähle!)<br />

Die Sachsen standen schon immer im Ruf, beson<strong>der</strong>s fleißig und<br />

innovativ zu sein. Sie haben ihrem Ruf in den vergangenen zehn<br />

Jahren alle Ehre gemacht. Damit haben sie die Chancen und<br />

Perspektiven für die junge Generation nicht nur gesichert, son<strong>der</strong>n<br />

nachhaltig verbessert. Für die junge Generation, die im Gebiet <strong>der</strong><br />

ehemaligen DDR geboren wurde, steht heute die ganze Welt offen. Sie<br />

hat die Chance, ihr Leben in partnerschaftlichem Zusammenwirken mit<br />

<strong>der</strong> jungen Generation und allen Menschen unserer europäischen<br />

Nachbarn in Frieden und Freiheit selbstbestimmt zu gestalten. Die<br />

politischen Rahmenbedingungen sind nicht mehr durch Einengung,<br />

Unterdrückung, Mauer und Stacheldraht gekennzeichnet. Das wollen<br />

wir doch einmal festhalten.


(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

In den vergangenen zehn Jahren hat in Sachsen die CDU die<br />

Regierungsverantwortung getragen. Wir haben das, was uns zur<br />

Verfügung gestellt wurde, das Geld, nicht nach dem<br />

Gießkannenprinzip verteilt, son<strong>der</strong>n von Anfang an keinen Zweifel an<br />

<strong>der</strong> Tatsache gelassen, dass die vor uns liegenden Aufgaben<br />

schwierig sind. Wir haben das den Bürgern immer gesagt: Was uns an<br />

Hilfe gewährt wird, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Sie ist keinesfalls<br />

auf Dauer angelegt. Wir müssen selbst etwas auf die Beine stellen.<br />

Diesen Grundsatz haben Staatsregierung und CDU-Fraktion von Anfang<br />

an gemeinsam vertreten.<br />

Gewiss waren und sind wir dankbar für alle Hilfen aus dem Westen.<br />

Wir haben diese Hilfen gebraucht und wir brauchen sie weiterhin.<br />

Aber gleichzeitig wissen wir, dass wir unsere Geschicke vor allem<br />

selbst in die Hand nehmen müssen und uns nicht auf unbegrenzte Zeit<br />

auf fremde Hilfe verlassen dürfen.<br />

Viele, die jetzt ein kleines Unternehmen führen, sagen<br />

rückblickend, sie hätten, als sie arbeitslos wurden, gar keine<br />

an<strong>der</strong>e Chance gesehen, als sich selbständig zu machen. Man mag<br />

diesen in einer Notlage geborenen Anreiz zunächst als unmenschlich<br />

empfinden. Ist jedoch, wie bei vielen, <strong>der</strong> Sprung ins Ungewisse<br />

geglückt, überwiegt <strong>der</strong> Stolz auf die erbrachte Leistung.<br />

Wir haben in Sachsen ungewöhnlich viele technisch gut ausgebildete<br />

Fachleute. Wer etwas auf sich hielt in <strong>der</strong> DDR, <strong>der</strong> studierte nicht<br />

Journalismus, Politik- o<strong>der</strong> Rechtswissenschaften, son<strong>der</strong>n Natur-<br />

o<strong>der</strong> Ingenieurwissenschaften,<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

weil diese <strong>vom</strong> Staat weniger ideologisch beeinflusst wurden. Das<br />

zahlt sich jetzt aus, denn hier liegt einer <strong>der</strong> Gründe für eine<br />

beachtliche Kultur <strong>der</strong> Selbständigkeit in Sachsen. Hinzu kommt,<br />

dass die im Westen weit verbreitete, ideologisch bedingte<br />

Technikfeindlichkeit hier keinen Nährboden finden konnte.<br />

Uns ist es gelungen, unser Hochschulwesen zu erneuern und dabei die<br />

grundsätzliche Orientierung auf Ingenieur- und Naturwissenschaften<br />

beizubehalten. Wie schwer es war, diese Orientierung beizubehalten,<br />

wissen vor allem die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> Sächsischen Landtages, die von<br />

1990 an dabei waren, denn die Masse <strong>der</strong> Studierenden wollte<br />

zunächst von technischen Fächern nichts mehr wissen. Jura,<br />

Betriebswirtschaft und Geisteswissenschaften waren gefragt.<br />

(Frau Mattern, PDS: Woran liegt es denn?)<br />

Unter<strong>des</strong>sen hat sich jedoch die Gilde <strong>der</strong> zu DDR-Zeiten<br />

ausgebildeten Techniker und Ingenieure verdient gemacht um den<br />

Aufbau einer auf privater Initiative beruhenden klein- und<br />

mittelständischen Wirtschaft.<br />

Darüber hinaus hat eine Anzahl von Handwerksbetrieben aus <strong>der</strong> DDR<br />

den wirtschaftlichen Umbruch überlebt und neue kamen hinzu. Wir<br />

haben in Sachsen mit 11,7 Betrieben pro 1 000 Einwohner eine höhere<br />

Handwerkerdichte als in den meisten an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n.<br />

Inzwischen sind viele sächsische Handwerksbetriebe auf höchstem<br />

technischem Niveau. Das ist auch ein Ergebnis <strong>der</strong> vorhandenen<br />

Potenziale, die in jenen Technikern und Ingenieuren stecken, <strong>der</strong>en


Dominanz im Sächsischen Landtag von Herrn Nolle zum Beispiel so<br />

sehr beklagt wird. Wenn er seine Scheuklappen einmal ablegen<br />

könnte, würde er die Vorteile sehen können.<br />

Immer wie<strong>der</strong> hört man, dass Söhne und Töchter von Handwerkern und<br />

Unternehmern in den alten Län<strong>der</strong>n mitunter wenig Neigung zeigen die<br />

Firmen ihrer Eltern weiterzuführen. Das kann, wie ich meine, keine<br />

gute Entwicklung für ein Land sein, das am Weltmarkt bestehen<br />

möchte. Die Entwicklungspotenziale in den neuen Län<strong>der</strong>n liegen<br />

<strong>des</strong>halb dort, wo sich jemand um die Zukunft müht und es als<br />

Wettbewerbsvorteil ansieht, sich von einem niedrigen Niveau aus<br />

nach oben arbeiten zu müssen. Das ist ein großer Anreiz.<br />

Wir haben also eine gute Ausgangsposition auch für die nächsten<br />

Jahre. Die Motivation <strong>der</strong> Sachsen wird nicht nachlassen, davon bin<br />

ich überzeugt, selbst wenn sich die Bedingungen än<strong>der</strong>n sollten und<br />

die Hilfsmöglichkeiten <strong>des</strong> Staates abnehmen. Wir setzen weiterhin<br />

auf Wirtschaft und Arbeit. Deshalb haben wir auch - das ist wohl<br />

einzigartig in Deutschland - für beide Bereiche ein gemeinsames<br />

Ministerium, denn wir betrachten Arbeit nicht als soziales Problem,<br />

son<strong>der</strong>n als eine Aufgabe <strong>der</strong> Wirtschaft. Dabei bleiben wir, auch<br />

wenn junge, dynamische PDS-Abgeordnete uns hier etwas an<strong>der</strong>es<br />

einreden wollen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir werden uns weiterhin darum bemühen, Unternehmen anzusiedeln,<br />

vorhandene zu stabilisieren und die Menschen zu ermuntern, den Weg<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit zu beschreiten. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es<br />

in Sachsen bereits Arbeitsplätze, die nicht besetzt werden können,<br />

weil es nicht genügend qualifizierte Fachleute gibt. Es fehlen<br />

Systemprogrammierer, Fachleute für Mikroelektronik und<br />

Informationstechnologie, Ingenieure überhaupt. Das liegt auch<br />

daran, dass nach 1990 viele Schulabsolventen den Zusammenbruch <strong>der</strong><br />

veralteten und nicht mehr wettbewerbsfähigen Betriebe erlebten und<br />

auch die damit einhergehende Entlassung ihrer Eltern.<br />

Deshalb studierten sie eben zunächst lieber Philosophie o<strong>der</strong> Jura<br />

und nicht Maschinenbau, Elektrotechnik o<strong>der</strong> Informationstechnik.<br />

Das Studierverhalten hat sich aber erfreulicherweise wie<strong>der</strong><br />

geän<strong>der</strong>t. Die Absolventen unserer Technischen Universitäten und<br />

Fachhochschulen müssen nicht mehr fürchten, keinen Arbeitsplatz zu<br />

bekommen, son<strong>der</strong>n ganz im Gegenteil, sie werden oft schon<br />

abgeworben, bevor sie ihren Abschluss überhaupt erhalten haben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dürfen wir natürlich das Heer <strong>der</strong> nicht o<strong>der</strong><br />

nur schlecht qualifizierten und weniger leistungsfähigen Menschen<br />

nicht übersehen, für die es in <strong>der</strong> Tat immer weniger Arbeit gibt.<br />

Weil <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>te Preis für diese Arbeit zu hoch ist, wird sie<br />

nicht nachgefragt. So gedeiht die Schattenwirtschaft und etliche<br />

scheinen mit Schwarzarbeit und den Sozialleistungen, die <strong>der</strong> Staat<br />

gewährt, ganz gut zurechtzukommen. Das kann aber nicht die Lösung<br />

sein.<br />

Gegenwärtig sind ein Drittel <strong>der</strong> Arbeitslosen Langzeitarbeitslose -<br />

davon ist schon öfter gesprochen worden; das sind die, die länger<br />

als ein Jahr, oft schon mehrere Jahre, ohne Arbeit sind. Dieses


Problem stellt sich aber europaweit, und zwar mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Tendenz.<br />

Ich will im Folgenden insbeson<strong>der</strong>e etwas zur Entwicklung in den<br />

zurückliegenden zwei Jahren sagen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Zweieinhalb!)<br />

Die gehören auch zu den zehn Jahren deutscher Einheit und zehn<br />

Jahren Freistaat Sachsen in einer Welt <strong>des</strong> Wandels. Gewandelt hat<br />

sich - das ist allgemein bekannt - vor zwei Jahren die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung von schwarz-gelb in rot-grün.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Pink!)<br />

Ein neuerlicher Wandel ist keinesfalls auszuschließen, denn die<br />

Halbzeitbilanz <strong>der</strong> Schrö<strong>der</strong>-Regierung sieht nicht sehr ermutigend<br />

aus.<br />

(Jurk, SPD: Spitze!)<br />

Es gehört nicht viel dazu, das zu erkennen. Die unseligen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>des</strong> 630-DM-Gesetzes, <strong>des</strong> Gesetzes gegen die<br />

angebliche Scheinselbständigkeit, die Rücknahme <strong>der</strong> Verringerung<br />

<strong>des</strong> Kündigungsschutzes bei Betrieben bis zu zehn Beschäftigten, die<br />

Rücknahme <strong>der</strong> Möglichkeit einer etwas verringerten Lohnfortzahlung<br />

im Krankheitsfall durch die rot-grüne Bun<strong>des</strong>regierung<br />

(Jurk, SPD: Höheres Kin<strong>der</strong>geld, stabilisierte<br />

Rentenversicherungsbeiträge ...)<br />

sind unmittelbar gegen die Menschen gerichtet, <strong>der</strong>en<br />

Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt dadurch wesentlich<br />

erschwert wird.<br />

Festzustellen, meine Damen und Herren, ist überhaupt: Die Schrö<strong>der</strong>-<br />

Regierung nimmt wenig Rücksicht auf die soziale Lage und die<br />

Belastungsfähigkeit <strong>der</strong> weniger Bemittelten. Ihre von ideologischer<br />

Verblendung geprägte Politik bevorzugt diejenigen, die Arbeit<br />

haben, und vor allem die besser Verdienenden. Die jetzt vorgesehene<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Entfernungspauschale kommt nur denjenigen zugute, die<br />

sie von <strong>der</strong> Steuer absetzen können. Wer wenig o<strong>der</strong> keine Steuern<br />

zahlt, weil er wenig verdient, hat nichts davon.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Das habe ich gesagt! -<br />

Zuruf <strong>des</strong> Abg. Jurk, SPD)<br />

Die Erhöhung <strong>der</strong> Kfz-Steuer für Fahrzeuge, die den neuesten<br />

Umweltstandards nicht genügen, trifft vor allem jene, die sich kein<br />

neues Auto leisten können.<br />

(Jurk, SPD: Die Steuern kassieren wir, Kollege Hähle!)<br />

Die eigenartigerweise ausgerechnet von den Sozialdemokraten<br />

betriebene Politik <strong>der</strong> sozialen Unausgewogenheit zeigt sich<br />

beson<strong>der</strong>s drastisch auch an <strong>der</strong> ersten Stufe <strong>der</strong> Neuordnung <strong>des</strong><br />

Familienlastenausgleiches bzw. - wie es jetzt heißt - <strong>des</strong><br />

Familienleistungsausgleiches. Auch hier sind die Familien auf ein<br />

Steuersparmodell angewiesen, von dem wie<strong>der</strong>um vor allem nur die<br />

besser Verdienenden profitieren, nicht aber diejenigen, die wegen<br />

geringen Einkommens wenig o<strong>der</strong> gar keine Steuern zahlen. Da nützt<br />

das erhöhte Kin<strong>der</strong>geld wenig.<br />

(Jurk, SPD: Dann tun Sie etwas!)


Hinzu kommt ja nun auch die drastische Steigerung <strong>der</strong><br />

Energiepreise. An<strong>der</strong>s, als Rot-Grün behauptet, ist das überwiegend<br />

hausgemacht.<br />

(Jurk, SPD: Nein!)<br />

Ich habe dazu schon einiges gesagt o<strong>der</strong> geschrieben. Es gab - das<br />

will ich zugeben - etliche Debatten dazu hier im Landtag. Trotzdem<br />

werde ich immer wie<strong>der</strong> gefragt: Warum tragt ihr das nicht mehr in<br />

die Öffentlichkeit? Es genügt also nicht, einmal etwas zu sagen<br />

o<strong>der</strong> es in einer meist kurzen Pressenotiz erwähnt zu sehen.<br />

(Jurk, SPD: Wir müssen euch noch viel erklären!)<br />

Die Tatsachen müssen immer wie<strong>der</strong> genannt werden. Deshalb werde ich<br />

- selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich wie<strong>der</strong>hole - von dem<br />

sprechen, was unsere Entwicklung hemmt und was den Leuten Sorge<br />

bereitet; denn die Schrö<strong>der</strong>-Regierung brüstet sich ja, dass sie -<br />

an<strong>der</strong>s als die unionsgeführte Bun<strong>des</strong>regierung - eine Steuerreform<br />

durchgesetzt hat.<br />

(Jurk, SPD: Richtig!)<br />

Sie verschweigt aber, dass diese Reform keinesfalls besser,<br />

sozialer o<strong>der</strong> mittelstandsfreundlicher ist als die Reform, die im<br />

Bun<strong>des</strong>tag vor drei Jahren schon beschlossen war, die aber an <strong>der</strong><br />

Einheitsfront <strong>der</strong> SPD-Län<strong>der</strong> im Bun<strong>des</strong>rat gescheitert ist.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Lehmann, CDU: So war das! -<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Dann hätten Sie etwas machen<br />

müssen!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Dr. Hähle, CDU: Ich gestatte eine Zwischenfrage.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Prof. Porsch.<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Herr Hähle, können Sie mir sagen, ob es hier<br />

um die Regierungserklärung <strong>des</strong> sächsischen Ministerpräsidenten geht<br />

o<strong>der</strong> um die <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>kanzlers?<br />

Dr. Hähle, CDU: Es geht um das Thema, das Sie hier nicht zur<br />

Kenntnis nehmen wollten: die Aufgaben für Sachsen in einer Welt <strong>des</strong><br />

Wandels.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Und da beschreibe ich den Wandel, <strong>der</strong> uns in den letzten zwei<br />

Jahren getroffen hat, und was uns daran nicht gefällt.<br />

(Zurufe <strong>der</strong> Abgeordneten Prof. Dr. Porsch,<br />

PDS, und Jurk, SPD)<br />

Ich will, wenn Sie gestatten, in meinen Ausführungen fortfahren.<br />

Die Bun<strong>des</strong>regierung setzt ja nun auf den wirtschaftlichen Effekt,<br />

<strong>der</strong> durch die Steuerreform zu erwarten ist. Diese finanziere sich<br />

dadurch letztlich selbst, so heißt es. Wenn die Bun<strong>des</strong>regierung<br />

aber damit Recht hat, meine Damen und Herren, dann liegt es doch<br />

auf <strong>der</strong> Hand, dass durch die Steuerreform <strong>der</strong> Union ein<br />

wirtschaftlicher Aufschwung sehr viel früher zu erreichen gewesen<br />

wäre. Dieser Aufschwung - das möchte ich festhalten - hätte<br />

verhin<strong>der</strong>t, dass unsere Wirtschaft so sehr ins Hintertreffen<br />

geraten wäre gegenüber den USA. Die Euroschwäche gegenüber dem<br />

Dollar wäre also weitgehend vermeidbar gewesen und die<br />

Energiepreise, vor allem die Öl-, Diesel- und Benzinpreise, hätten<br />

sich in Grenzen gehalten.


(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Jurk, SPD: Nein!)<br />

Jetzt werden die angekündigten Steuerentlastungen selbst bei denen,<br />

die damit rechnen können, von den höheren Energiepreisen und<br />

weiteren Teuerungen mehr als aufgefressen.<br />

Die so genannte Ökosteuer tut noch ein Übriges: Deren Konstruktion<br />

ist ein Wi<strong>der</strong>spruch in sich. Wenn es wirklich zu geringerem<br />

Energieverbrauch käme, fehlte das Geld bei <strong>der</strong> Rente.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie noch eine<br />

Zwischenfrage, Herr Dr. Hähle?<br />

Dr. Hähle, CDU: Ich gestatte.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Jurk.<br />

Jurk, SPD: Kollege Hähle, ich habe gestern eine interessante dpa-<br />

Meldung gelesen - weil Sie hier auch nicht so sehr über Sachsen<br />

sprechen: In Spanien hat die Teuerungsrate momentan 4 % erreicht,<br />

und dies unter einem konservativen Ministerpräsidenten. Können Sie<br />

mir erklären, ob das nun an <strong>der</strong> deutschen Ökosteuer o<strong>der</strong> am Euro<br />

gelegen hat?<br />

Dr. Hähle, CDU: Ja, zumin<strong>des</strong>t in Teilen Spaniens, die ich vor<br />

kurzem kennen gelernt habe, kostete <strong>der</strong> Liter Sprit eine Mark.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Sie wollen ja nur ablenken von dem groß angelegten Betrugsmanöver,<br />

von dem ich spreche, denn die Entlastung <strong>der</strong> Arbeitnehmer beim<br />

Beitrag zur Rentenversicherung bezahlt je<strong>der</strong> selbst an <strong>der</strong><br />

Tankstelle und bei den Heizölkosten.<br />

(Bandmann, CDU: So ist das!)<br />

Hinzu kommt ja nun - das wissen Sie auch -, dass alle die, die<br />

keine Rentenversicherungsbeiträge zahlen, also gar nicht von <strong>der</strong><br />

Entlastung profitieren können, trotzdem über die so genannte<br />

Ökosteuer zur Kasse gebeten werden. Betroffen sind also<br />

insbeson<strong>der</strong>e Rentner, Arbeitslose, Schüler, Studenten und geringer<br />

Verdienende, für die Sie sich angeblich so sehr einsetzen.<br />

(Jurk, SPD: Richtig!)<br />

Festzustellen ist: Das alles hat nicht zu einer Entlastung, son<strong>der</strong>n<br />

zu einer zusätzlichen Belastung insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sozial Schwächeren<br />

geführt. Darüber wird man wohl im Rahmen <strong>der</strong> Debatte über eine<br />

Regierungserklärung einmal sprechen dürfen.<br />

Mit <strong>der</strong> einseitigen, nicht mit den europäischen Nachbarn<br />

abgestimmten Einführung dieser Steuer ist eine Preisspirale in Gang<br />

gesetzt worden, <strong>der</strong>en Ende nicht absehbar ist.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wenn wir über die Entwicklungschancen im Freistaat Sachsen<br />

sprechen, dann muss auch gesagt werden, dass sich die<br />

Wettbewerbssituation <strong>des</strong> Handwerks, <strong>des</strong> Mittelstan<strong>des</strong> und <strong>der</strong><br />

gesamten Wirtschaft verschlechtert hat. Ganze Erwerbszweige wie das<br />

Speditionsgewerbe o<strong>der</strong> die Gärtnereibetriebe stehen vor dem Ruin.<br />

Hun<strong>der</strong>ttausende Arbeitsplätze sind gefährdet und das kann uns nicht<br />

kalt lassen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Jurk, SPD: Richtig,<br />

dann muss man etwas tun!)<br />

Die höheren Energiepreise schlagen nun einmal auf alle Leistungen<br />

und Produkte durch; selbst bei Bahn und Bus sind höhere Fahrpreise


unvermeidlich. Diese Steuer erreicht das glatte Gegenteil von dem,<br />

was dem Volk vorgegaukelt wird.<br />

Nun, meine Damen und Herren, selbst das Argument, die CDU habe 1998<br />

erklärt, sie strebe ebenfalls eine Erhöhung <strong>der</strong> Steuern auf Energie<br />

und die Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten an, ist fadenscheinig; denn<br />

immerhin haben die heutigen Regierungsparteien damals die Politik<br />

<strong>der</strong> CDU so vehement bekämpft, dass sie diese heute nicht als Alibi<br />

für ihre eigenen Fehler heranziehen können. Abgesehen davon, dass<br />

die Union in <strong>der</strong> Regel vor solch schwer wiegenden Entscheidungen<br />

immer erst gründlich nachgedacht und nicht einfach "Basta, so<br />

machen wir es!" gesagt hätte.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Zuruf <strong>des</strong><br />

Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

In Sachsen lässt sich studieren, dass es möglich ist, vor wichtigen<br />

Entscheidungen gründlich auszuloten, was unter Beachtung <strong>der</strong><br />

aktuellen Situation und <strong>der</strong> sich langfristig abzeichnenden<br />

Entwicklung richtig und geboten ist. Das zeigen unsere Beschlüsse<br />

zur weiteren Unterstützung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung in Sachsen.<br />

Nun hat die SPD in ihrer Verzweiflung darüber, dass es nun doch<br />

nicht so gekommen ist, wie sie es vorher in aller Welt verkündet<br />

hat, für morgen eine Aktuelle Debatte mit dem Titel "Wortbruch <strong>der</strong><br />

CDU-Fraktion bei den Kita-Gebühren" beantragt.<br />

(Jurk, SPD: Sehen Sie, Sie sprechen es noch mal aus.)<br />

- Kollege Jurk, diese Debatte müssen wir nicht fürchten. Schon<br />

heute könnte man einige Fragen zum Demokratieverständnis stellen,<br />

das hinter einem solchen Debattenthema steht. Denn eigentlich<br />

müsste sich auch bei Ihnen herumgesprochen haben, dass<br />

demokratische Willensbildung ohne die Fähigkeit zum Kompromiss<br />

überhaupt nicht möglich ist.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Jurk, SPD: Aber<br />

kritisieren dürfen wir doch noch?)<br />

- Aber mit "Basta!" lässt sich ganz selten etwas Vernünftiges<br />

erreichen, schon gar nicht, wenn man einen Tag danach alles wie<strong>der</strong><br />

total über den Haufen schmeißt.<br />

(Heiterkeit bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Da können wir doch einmal vergleichen, wie die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong><br />

Aussagen hochrangiger Politiker einzuordnen ist.<br />

(Jurk, SPD: Lassen Sie doch mal die Zahnpasta weg!)<br />

Wir haben in Sachsen unter Politik immer bedachtes, zielstrebiges,<br />

planmäßiges Handeln verstanden. So ist <strong>der</strong> Begriff in <strong>der</strong> Tat im<br />

Lexikon beschrieben. Das Ergebnis dieses bedachten, zielstrebigen,<br />

planmäßigen Handelns ist in den vergangenen zehn Jahren unter<br />

an<strong>der</strong>em Folgen<strong>des</strong>:<br />

Wir haben die höchste Arbeitsplatzdichte <strong>der</strong> ostdeutschen<br />

Flächenlän<strong>der</strong>. Wir liegen mit 422 Arbeitsplätzen pro 1 000<br />

Einwohnern an sechster Stelle aller deutschen Flächenlän<strong>der</strong>, aber<br />

an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> neuen Län<strong>der</strong>. Dass uns das noch nicht befriedigen<br />

kann, ist völlig normal. Es ist klar, dass wegen <strong>des</strong> geringeren<br />

Durchschnittseinkommens und <strong>der</strong> im Allgemeinen wesentlich<br />

geringeren Vermögenslage hier mehr Menschen arbeiten wollen o<strong>der</strong>


müssen, als das in den alten Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fall ist. Davon hat <strong>der</strong><br />

Ministerpräsident auch gesprochen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> Vermögenssituation ist es völlig unverständlich,<br />

wenn die Bun<strong>des</strong>regierung eine Halbierung <strong>der</strong> Eigenheimzulage in den<br />

neuen Län<strong>der</strong>n in Erwägung zieht, während sie in den alten Län<strong>der</strong>n<br />

in alter Höhe beibehalten werden soll. Wie verträgt sich das mit<br />

dem, was Sie zu wollen vorgeben?<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wenn <strong>der</strong> Aufbau Ost wirklich Chefsache wäre, dann müsste auf die<br />

Situation in den neuen Län<strong>der</strong>n wesentlich mehr Rücksicht genommen<br />

werden. Das Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall <strong>des</strong> Abg.<br />

Nolle, SPD - Dr. Münch, CDU: Ja!)<br />

Deshalb kann man nach zwei Jahren Rot-Grün sagen: Schrö<strong>der</strong>s<br />

Halbzeitbilanz ist mehr als ungenügend. Die Politik von Rot-Grün<br />

steht im krassen Gegensatz zu den Wahlversprechen <strong>der</strong> Genossen in<br />

Berlin. So wird die Bun<strong>des</strong>regierung ihren Aufgaben in einer Welt<br />

<strong>des</strong> Wandels nicht gerecht.<br />

Auch was <strong>der</strong> rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck vorschlägt<br />

- Schluss mit <strong>der</strong> Bevorzugung <strong>des</strong> Ostens beim Infrastrukturausbau!<br />

-, ist völlig weltfremd.<br />

(Jurk, SPD: So hat er es nun wie<strong>der</strong> nicht gesagt!)<br />

Denn von den Belastungen durch Preisauftrieb und Inflation sind<br />

nach wie vor die Menschen in den neuen Län<strong>der</strong>n am meisten<br />

betroffen. Hier machen sich die höhere Arbeitslosigkeit, geringeres<br />

Einkommen und die schlechte Verkehrsinfrastruktur wesentlich<br />

stärker bemerkbar. Neue Existenzgründungen im Handwerk sind<br />

gefährdet, weil die Kalkulationsgrundlagen in den vergangenen zwei<br />

Jahren weggebrochen sind. Auch <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur kommt<br />

nicht schnell genug voran. Die Bahn verringert zum Beispiel in den<br />

neuen Län<strong>der</strong>n permanent das Angebot im Fernverkehr. Ganze Regionen<br />

wie das dicht besiedelte Gebiet zwischen Chemnitz und Zwickau haben<br />

kaum Aussicht, an das deutsche und internationale Schnellbahnnetz<br />

angeschlossen zu werden.<br />

Das hat auch etwas mit den Chancen und Perspektiven <strong>der</strong> jungen<br />

Generation zu tun. Junge Leute verlassen wie<strong>der</strong> vermehrt ihre<br />

Heimat in Richtung Westen, weil sie dort bessere Bedingungen<br />

vorfinden.<br />

Wir sind zwar beim Ausbau <strong>des</strong> Straßennetzes einigermaßen gut<br />

vorangekommen: Die A 72 Chemnitz-Hof ist weitgehend fertig<br />

gestellt, ebenso die A 4 bis Görlitz, die A 17 Dresden-Prag ist in<br />

Angriff genommen,<br />

(Jurk, SPD: Von <strong>der</strong> neuen Bun<strong>des</strong>regierung finanziert!)<br />

auch die A 72 von Chemnitz nach Leipzig, wobei bei beiden Projekten<br />

eine Beschleunigung nicht nur wünschenswert, son<strong>der</strong>n dringend<br />

geboten wäre -; die PDS scheint das allerdings an<strong>der</strong>s zu sehen. Sie<br />

stellt in einer Großen Anfrage zu den Wirkungen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>autobahn<br />

zwischen Dresden und Görlitz, wie wir sie heute noch unter TOP 9<br />

behandeln, die Notwendigkeit dieser entscheidenden Lebensa<strong>der</strong> für<br />

Ostsachsen und die Lausitz infrage.


Meine Damen und Herren! Wie viele Stunden Zirkus sind in diesem<br />

Landtag nicht schon von <strong>der</strong> Opposition wegen <strong>der</strong> strukturschwachen<br />

Gebiete in Sachsen veranstaltet worden?<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Jurk, SPD: Kein Zirkus,<br />

bitte machen Sie Ernst, Kollege Hähle!)<br />

Da wurde so lange getrommelt, bis es den Betroffenen schließlich<br />

auf die Nerven ging und sie sich dagegen verwahrt haben, ihr Gebiet<br />

permanent als strukturschwach hinzustellen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Frau Dr. Volkmer, SPD: Wo denn?)<br />

Sicher ist es richtig, die Probleme beim Namen zu nennen. Aber<br />

wichtig ist es auch, die Ursachen dafür zur Kenntnis zu nehmen und<br />

<strong>der</strong>en Bekämpfung dort zu verlangen, wo Abhilfe auch wirklich<br />

geleistet werden könnte.<br />

Liebe Kollegen von <strong>der</strong> SPD-Fraktion! In acht Jahren deutscher<br />

Einheit haben Sie die Adresse <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung immer genau<br />

gekannt. Seit zwei Jahren scheint sie vergessen zu sein.<br />

(Götzel, CDU: Richtig!)<br />

Das kann doch wohl nicht daran liegen, dass die Bun<strong>des</strong>regierung von<br />

Bonn nach Berlin umgezogen ist. Die neue Adresse können wir Ihnen<br />

mitteilen.<br />

Ich kann mir vorstellen, dass das, was ich hier zur Bilanz <strong>der</strong><br />

vergangenen zwei Jahre für Rot-Grün ansprechen musste, zum Teil<br />

auch für Sie unangenehm ist. Deshalb ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />

wenn man davon ablenken möchte und lieber an<strong>der</strong>e Dinge diskutiert.<br />

(Jurk, SPD: Lan<strong>des</strong>politik zum Beispiel!)<br />

Man versucht es auch mit Diffamierungskampagnen, wenn etwas<br />

unangenehm ist, wie zum Beispiel das Nachdenken über die deutsche<br />

Kultur. Auch davon hat <strong>der</strong> Ministerpräsident gesprochen. Ich<br />

pflichte ihm bei. Nichts ist notwendiger als eine Debatte über<br />

unsere eigene Kultur, die zum Beispiel im Wort <strong>der</strong> Kirchen zur<br />

wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland von 1997 immerhin<br />

ganz eindeutig als unerlässliche Voraussetzung für die<br />

Lebensfähigkeit <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft bezeichnet wird.<br />

In These 92 dieses Kirchenpapiers heißt es: "Die Besinnung auf das<br />

Menschenbild und die Grundwerte, auf denen die soziale<br />

Marktwirtschaft gründet, ist die unerlässliche Voraussetzung für<br />

eine nachhaltige Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen und sozialen<br />

Lage. Hier liegt <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> Kirchen, denn das Menschenbild <strong>des</strong><br />

Christentums gehört zu den grundlegenden geistigen Prägekräften <strong>der</strong><br />

gemeinsamen europäischen Kultur und <strong>der</strong> aus ihr erwachsenden<br />

wirtschaftlichen und sozialen Ordnung."<br />

Nichts an<strong>der</strong>es hat Friedrich Merz gesagt. Nichts an<strong>der</strong>es hat er<br />

gemeint. Nichts an<strong>der</strong>es wird von <strong>der</strong> CDU vertreten.<br />

Anzuführen wäre hier auch die sehr einseitige Behandlung <strong>des</strong> Themas<br />

Rechtsextremismus. Wenn andauernd nur von rechtsextremer Gewalt<br />

gesprochen wird, kann sehr leicht <strong>der</strong> Eindruck entstehen, als sei<br />

an<strong>der</strong>e Gewalt weniger schlimm.<br />

Ich meine: Gewalt ist Gewalt, ob politisch motiviert o<strong>der</strong> nicht, ob<br />

gegen Auslän<strong>der</strong> gerichtet o<strong>der</strong> gegen Einheimische, ob gegen<br />

Schwache o<strong>der</strong> Starke.<br />

(Starker Beifall bei <strong>der</strong> CDU)


Dass eine nicht zu unterschätzende Anzahl beson<strong>der</strong>s junger Leute<br />

<strong>der</strong> Meinung ist, es gäbe irgendwelche übergeordneten Gründe, das<br />

grundlegende Gebot <strong>der</strong> Unantastbarkeit <strong>der</strong> Würde <strong>des</strong> Menschen außer<br />

Kraft zu setzen und die freiheitliche demokratische Ordnung zu<br />

missachten, ist allerdings Anlass genug sich ernsthaft Sorgen zu<br />

machen. Vor allem ist die Frage zu beantworten: Was kann man<br />

dagegen hier in Sachsen und an<strong>der</strong>swo tun?<br />

Natürlich muss man hart und konsequent dagegen vorgehen. Ich meine<br />

aber, dass man viel früher ansetzen muss. Denn für die<br />

Gewissensbildung eines Menschen sind die ersten Lebensjahre von<br />

beson<strong>der</strong>er Bedeutung.<br />

Die Erziehung im Elternhaus in den ersten sechs Lebensjahren ist<br />

grundlegend für das spätere Wertebewusstsein. Hier können Krippen<br />

und Kin<strong>der</strong>gärten helfen; sie können das, was in <strong>der</strong> Familie<br />

notwendig ist, aber keineswegs ersetzen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Es steht außer Zweifel, dass darüber hinaus die Schule einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Erziehung - zur Bildung ohnehin -<br />

erbringen muss. Ich bin <strong>der</strong> Meinung, dass die zehn Gebote als die<br />

Leitvorstellungen in unserem Land wie<strong>der</strong> stärker in das Bewusstsein<br />

gerückt werden müssen. Das betrachte ich als eine wesentliche<br />

Aufgabe in einer Welt <strong>des</strong> Wandels.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage,<br />

Herr Dr. Hähle?<br />

Dr. Hähle, CDU: Ja, bitte.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Schowtka.<br />

Schowtka, CDU: Herr Dr. Hähle, glauben Sie auch, dass die<br />

gegenwärtig erkennbaren Tendenzen <strong>der</strong> Jugendkriminalität und <strong>des</strong><br />

Extremismus unter den Jugendlichen eine Folge davon sind, dass die<br />

Familien, die Herr Neubert als überkommenes bzw. unmo<strong>der</strong>nes System<br />

gekennzeichnet hat, teilweise nicht mehr ihrer Aufgabe <strong>der</strong><br />

Erziehung nachkommen?<br />

Dr. Hähle, CDU: Das ist mir auch aufgefallen. Er hat gesagt, die<br />

herkömmliche Familie sei quasi ein auslaufen<strong>des</strong> Modell.<br />

(Unruhe bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Jedoch wünschen sich 70 % o<strong>der</strong> mehr <strong>der</strong> jungen Leute eine intakte<br />

Familie. Sie wollen heiraten, lebenslang füreinan<strong>der</strong> Verantwortung<br />

übernehmen und Kin<strong>der</strong> aufziehen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Charakterliche Stabilität ist nämlich <strong>der</strong> beste Schutz gegen<br />

schädliche Einflüsse und Gefahren, die sich in einer freiheitlichen<br />

Ordnung nie ganz ausschließen lassen, auch wenn die Demokratie<br />

natürlich wehrhaft ist und <strong>der</strong> Staat in <strong>der</strong> Lage sein muss, das<br />

Gewaltmonopol zum Schutz <strong>der</strong> Bürger und ihrer Freiheitsrechte<br />

einzusetzen.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Union hat die<br />

entscheidenden politischen Voraussetzungen für das Zustandekommen<br />

<strong>der</strong> deutschen Einheit geschaffen.<br />

(Jurk, SPD: Das waren die Bürger in <strong>der</strong> ehemaligen DDR!)


Sie hat die Ergebnisse <strong>der</strong> friedlichen Revolution in <strong>der</strong> DDR<br />

aufgegriffen und mit dem Auftrag <strong>des</strong> Grundgesetzes nach<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Einheit in Frieden und Freiheit verbunden.<br />

Diesen Prozess haben auch Demokraten in an<strong>der</strong>en Parteien<br />

unterstützt. Das will ich selbstverständlich ausdrücklich<br />

anerkennen. Wer dagegen war und wer in <strong>der</strong> historischen Stunde<br />

versagt hat, muss in <strong>der</strong> Tat nicht anhand <strong>der</strong> Regierungserklärung<br />

<strong>des</strong> Ministerpräsidenten <strong>des</strong> Freistaates Sachsen erörtert werden.<br />

Wir haben es uns ohnehin angewöhnt, nicht gegen etwas, son<strong>der</strong>n für<br />

etwas zu sein. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.<br />

Im Übrigen entscheidet die Mehrheit in diesem Landtag, wer<br />

Ministerpräsident in Sachsen wird. Wer die Mehrheit in diesem<br />

Landtag bildet, wird wie<strong>der</strong>um von den Wählern entschieden. Jetzt<br />

reden wir über die vergangenen zehn Jahre und da sind unsere<br />

Erfahrungen gut. Dies gilt offensichtlich auch für die Erfahrungen<br />

<strong>der</strong> Wähler mit uns.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Denn unsere Wahlaussagen waren von Anfang an auf dieses "Für"<br />

ausgerichtet. 1990 hieß unser Motto "Für ein blühen<strong>des</strong> Sachsen",<br />

1994 "Für Sachsen" und jüngst "Das Beste für Sachsen". Dabei soll<br />

es auch bleiben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Die Union hatte in den vergangenen zehn Jahren deutscher Einheit in<br />

Sachsen die Regierungsverantwortung; in Deutschland insgesamt waren<br />

es acht von zehn Jahren.<br />

(Nolle, SPD: Lei<strong>der</strong>!)<br />

Was die Menschen in Sachsen und in ganz Deutschland gemeinsam<br />

erreicht haben, kann sich sehen lassen. Es ist <strong>der</strong> Wille <strong>des</strong><br />

Wählers gewesen, dass es seit zwei Jahren eine rot-grüne<br />

Bun<strong>des</strong>regierung gibt. Diesen Willen akzeptieren wir mit großer<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

Wir wollen mit dieser Bun<strong>des</strong>regierung so gut es geht<br />

zusammenarbeiten, um das Beste für Sachsen zu erreichen. Das<br />

schließt nicht aus, son<strong>der</strong>n verpflichtet uns geradezu dazu, auch<br />

das anzusprechen, was aus unserer Sicht falsch ist und einer guten<br />

Entwicklung entgegensteht.<br />

(Jurk, SPD: Sie haben noch kein positives<br />

Wort über die Bun<strong>des</strong>regierung gesagt!)<br />

Wir werden jedoch auf gar keinen Fall Versuche akzeptieren, die<br />

darauf gerichtet sind, uns von <strong>der</strong> Mitte an den rechten Rand zu<br />

drängen, damit diejenigen <strong>vom</strong> äußersten linken Rand stärker in die<br />

Mitte rücken können. Wir werden uns dagegen wehren, wenn versucht<br />

wird, die geistesgeschichtlichen Grundlagen unserer Gesellschaft,<br />

die Rahmenkultur <strong>des</strong> christlichen Humanismus aus den Angeln zu<br />

heben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Bewährtes wollen wir bewahren. Die Werte, die immer gelten, sind<br />

<strong>der</strong> Orientierungsrahmen, um sich in einer Welt <strong>des</strong> Wandels<br />

zurechtfinden zu können.<br />

Meine Damen und Herren! Trotz allem können wir keine heile Welt<br />

versprechen, so wie das an<strong>der</strong>e vor uns getan haben. Es wird


weiterhin Licht und Schatten geben. Unser Bemühen wird jedoch<br />

darauf gerichtet sein, dass die Schatten abnehmen und das Licht<br />

zunimmt.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Wo viel Licht ist,<br />

ist viel Schatten, Herr Hähle!)<br />

Unser Weg, den wir in den vergangenen zehn Jahren gehen durften,<br />

bestärkt uns darin, dass es mit Gottes Hilfe weiterhin gelingen<br />

kann. Deshalb ist mir um die Zukunft unseres vereinten Vaterlan<strong>des</strong><br />

und unseres Freistaates Sachsen nicht bange, auch wenn einige nach<br />

zehn Jahren deutscher Einheit von Einigkeit und Recht und Freiheit<br />

immer noch nichts wissen wollen und das gelegentlich offen<br />

demonstrieren.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Prof. Dr. Porsch, PDS:<br />

Wer ist denn das?)<br />

Das wird den Lauf <strong>der</strong> Welt ebenso wenig aufhalten wie eine<br />

kleinkarierte Geschäftsordnungsdebatte über den Arbeitstitel einer<br />

Regierungserklärung.<br />

Ich bedanke mich.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Für die SPD-Fraktion Frau Abg.<br />

Ludwig, bitte.<br />

Frau Ludwig, SPD: Meine Damen und Herren! Als ich vorhin die Rede<br />

<strong>des</strong> Ministerpräsidenten und soeben die Ausführungen meines Kollegen<br />

Dr. Hähle hörte, fiel mir eine alte Pfarrersgeschichte wie<strong>der</strong> ein:<br />

Am Samstag kommt im Pfarrhaus ein Eintopf auf den Tisch. Der<br />

Pfarrer setzt sich hin und fängt sofort zu löffeln an. Die<br />

Pfarrersfrau ist völlig erschrocken und fragt, ob er nicht wie<br />

üblich sein Tischgebet sprechen wolle. Der Pfarrer, ohne von seiner<br />

Suppe aufzuschauen, antwortet: In diesem Eintopf ist nichts, wofür<br />

ich nicht schon siebenmal gedankt hätte.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Warum fiel mir diese Geschichte ein, Herr Ministerpräsident? Weil<br />

in Ihrer Regierungserklärung nichts enthalten war, worüber Sie von<br />

dieser Stelle aus nicht schon min<strong>des</strong>tens siebenmal gesprochen<br />

hätten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall<br />

bei <strong>der</strong> PDS - Ministerpräsident Prof. Dr.<br />

Biedenkopf: Es hat offensichtlich immer<br />

noch nicht ausgereicht!)<br />

Dabei hatten wir uns wirklich sehr gefreut: Der Ministerpräsident<br />

will in einer Regierungserklärung über die Zukunftschancen und<br />

Perspektiven <strong>der</strong> jungen Generation sprechen.<br />

Wir hofften darauf, dass <strong>der</strong> Ministerpräsident eindeutig zu dem<br />

Thema, das er schließlich selbst gestellt hat, Aussagen machen<br />

würde, nämlich zum Thema Jugend und zum Thema Zukunft.<br />

Wir waren jedoch nicht nur erfreut, wir fanden dies sogar mutig,<br />

weil Sie, Herr Ministerpräsident, klare Leitlinien, die die Zukunft<br />

<strong>der</strong> jungen Generation zum Ausgangspunkt und zum Ziel konkreter<br />

Maßnahmen hatten, in den letzten Jahren we<strong>der</strong> entwickelt noch<br />

umgesetzt haben. Gerade unter dem Aspekt <strong>der</strong> Zukunftschancen <strong>der</strong>


jungen Generation lassen sich exemplarisch die Versäumnisse <strong>der</strong><br />

letzten zehn Jahre darstellen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Offensichtlich erkannten Sie dies selbst am Wochenende und so haben<br />

Sie ganz schnell den Titel für Ihre Regierungserklärung verän<strong>der</strong>t.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Der Staatsmann blickt auf seine Amtszeit zurück. Das klappt immer.<br />

Er lobt hier, würdigt da, verklärt dort.<br />

Herr Ministerpräsident, sollen wir uns nun Ihrem Blick zurück<br />

anschließen o<strong>der</strong> als Opposition, wie das vielleicht unsere Rolle<br />

wäre, den Blick zurück im Zorn schweifen lassen? Herr<br />

Ministerpräsident, diesen Gefallen können wir Ihnen nicht tun,<br />

nicht schon wie<strong>der</strong>! Sie haben die Chance, uns mit Neuem zu<br />

überraschen, selbst vertan. Vor einem Jahr bilanzierten Sie von<br />

gleicher Stelle den Aufbau <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Sachsen. Vor wenigen Wochen<br />

bilanzierten Sie zehn Jahre Freistaat Sachsen.<br />

Sicher, die mo<strong>der</strong>ne I- und K-Technik macht es möglich, aus alten<br />

Textbausteinen immer wie<strong>der</strong> neue Reden zusammenzusetzen, aber sie<br />

sagen <strong>des</strong>halb noch lange nichts Neues aus.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Was aber Großeltern, Eltern, Schüler und Lehrlinge interessiert,<br />

ist Sachsens Zukunft. Die Zukunft, Herr Ministerpräsident, sind<br />

unsere Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion verkennt keineswegs - das<br />

möchte ich voranstellend sagen - die schwierige wirtschaftliche<br />

Situation <strong>der</strong> letzten zehn Jahre, die Aufbauleistung <strong>der</strong> Sachsen<br />

und auch aller an<strong>der</strong>er, die daran mitgearbeitet haben, ebenso wenig<br />

wie die begrenzten finanziellen Spielräume <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> in Gegenwart<br />

und Zukunft.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Rückwärts gewandte Überlegungen helfen aber niemandem weiter.<br />

Verzeihen Sie also, Herr Ministerpräsident, wenn ich nicht weiter<br />

auf Ihre Ausführungen eingehe, son<strong>der</strong>n das eigentlich von Ihnen<br />

richtig gesetzte Thema für eine Regierungserklärung aufnehme,<br />

nämlich Chancen und Perspektiven für die junge Generation.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Zuruf von <strong>der</strong> CDU)<br />

Meine Damen und Herren! Die zentrale Frage lautet: Wie muss Sachsen<br />

aussehen, was muss Sachsen bieten, damit junge Menschen gern hier<br />

leben wollen? Diese Frage wird vor dem Hintergrund <strong>der</strong><br />

Bevölkerungsentwicklung - Sachsen hat in den letzten Jahren 500 000<br />

Menschen verloren, vor allem junge, leistungsfähige Menschen - zur<br />

Zunkunftsfrage für dieses Land überhaupt. Schaut man sich die<br />

Lebenseinstellung junger Menschen, die Leistungsfähigkeit und<br />

Mobilität auf <strong>der</strong> einen Seite und unsere Bevölkerungsentwicklung<br />

mit Abwan<strong>der</strong>ung und Geburtenknick auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite an, so muss<br />

man feststellen, dass die jungen Menschen für ihre persönliche<br />

Zukunft nicht unbedingt das Land Sachsen brauchen, aber das Land<br />

Sachsen braucht für seine Zukunft junge Menschen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Jurk, SPD: Sehr gut!)


Wenn Sie selbst richtig feststellen, Herr Ministerpräsident, dass<br />

sich das Verhältnis von Wissen und Kapital verän<strong>der</strong>t, dass Wissen<br />

in Zukunft die Ressource mit <strong>der</strong> höchsten Knappheit sein wird, aber<br />

auch die Ressource mit <strong>der</strong> höchsten zu erwartenden Kreditrate, dann<br />

wissen Sie auch, dass <strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> Regionen um diese<br />

potenziellen Träger <strong>des</strong> Wissens und vor allem junge Menschen längst<br />

begonnen hat, dann wissen Sie, dass dies zur Chance für Sachsen<br />

o<strong>der</strong> zur Schicksalsfrage für dieses Land in den nächsten 30 Jahren<br />

wird. Genau <strong>des</strong>halb muss die Situation und Perspektive <strong>der</strong> jungen<br />

Menschen im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Zuruf <strong>des</strong> Abg. Dr. Münch, CDU)<br />

Meine Damen und Herren! Wie muss Sachsen aussehen, was muss Sachsen<br />

bieten, damit junge Menschen gern hier leben? Was wollen, was<br />

brauchen, was erwarten junge Menschen von dem Ort, an dem sie leben<br />

o<strong>der</strong> zukünftig leben wollen? Von <strong>der</strong> Antwort auf diese Frage hängt<br />

ab, was wir in Sachsen mit unseren knappen finanziellen Ressourcen<br />

anfangen. Von <strong>der</strong> Antwort auf diese Frage hängt ab, was wir als<br />

Investitionen bezeichnen müssen. Beson<strong>der</strong>s die junge Generation<br />

geht dorthin, wo sie Chancen hat. Das ist we<strong>der</strong> neu noch falsch.<br />

Aber was heißt heute Chancen? Chancen heißt natürlich zuerst eine<br />

Lehrstelle, einen Arbeitsplatz, einen Studienplatz und dann ein<br />

gutes Einkommen. Aber das ist noch lange nicht alles.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Frau Ludwig, SPD: Ja, bitte schön.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Wöller, bitte.<br />

Wöller, CDU: Frau Kollegin Ludwig, Sie haben von den Chancen <strong>der</strong><br />

jungen Generation gesprochen. Ihre Auffassung teile ich, aber ich<br />

frage Sie: Warum geben Sie den jungen Leuten in Ihrer Partei und in<br />

Ihrer Fraktion keine Chancen?<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Ist Frau Ludwig denn alt?)<br />

Frau Ludwig, SPD: Vielleicht kann ich Ihnen dazu etwas exemplarisch<br />

erläutern. Dort, wo ich herkomme, aus <strong>der</strong> Stadt Chemnitz, ist zum<br />

Beispiel, wenn Sie meine Partei ansprechen, unser<br />

Unterbezirksvorsitzen<strong>der</strong> 28 Jahre alt. Im Vorstand sind eine Reihe<br />

von jungen Leuten, die noch nicht einmal das 30. Lebensjahr<br />

überschritten haben. Wir bedauern es sehr, dass sich nicht mehr<br />

Wählerinnen und Wähler in Sachsen zur Landtagswahl für uns<br />

entschieden haben. Ich bin sicher, dass sich das än<strong>der</strong>n wird. Ich<br />

bin auch sicher, dass damit wie<strong>der</strong> mehr junge Leute in meiner<br />

Fraktion Mitglied sein werden.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Zuruf von <strong>der</strong> CDU:<br />

Unter 10 % o<strong>der</strong> wie?)<br />

Meine Damen und Herren! Chancen heißt auch: das Leben in einem<br />

Land, das sich spürbar in einer positiven Verän<strong>der</strong>ung befindet, ein<br />

Land, in dem Neues versucht werden kann, ein reformfreudiges Land,<br />

ein quirliges und lebendiges Land, ein Land, in dem die jungen<br />

Menschen die Chance haben, etwas zu verän<strong>der</strong>n, zu gestalten, zu<br />

formen, ein Land, das jungen Menschen wirklich Verantwortung<br />

zumutet. Herr Ministerpräsident, Sie nannten das<br />

Experimentierfreude. Haben Sie in den letzten zehn Jahren Ihrer<br />

politischen Verantwortung wirklich ein solches Land gestaltet?


Wollten Sie das überhaupt? Was meinen Sie, was würden junge<br />

Menschen auf die gleiche Frage antworten?<br />

Ich habe es zu Beginn als vertane Chance für unser Land und auch<br />

für die junge Generation bezeichnet, dass Sie die zentrale Frage<br />

<strong>der</strong> Zukunft dieses Lan<strong>des</strong> ausblenden. Die Tragik an Ihrer<br />

Regierungsarbeit ist, dass Sie als Denker und Analytiker, <strong>der</strong><br />

einige Entwicklungen richtig vorausgesehen hat, nicht in <strong>der</strong> Lage<br />

waren, Theorie und politische Praxis im produktiven Sinn<br />

zusammenzubringen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Ich behaupte, Herr Ministerpräsident, kein Land wäre geeigneter<br />

dafür gewesen als dieses Bun<strong>des</strong>land Sachsen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben zu den<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Wissensgesellschaft eine<br />

Vielzahl von Reden gehalten. Das hat Ihnen auf diesem Gebiet nicht<br />

nur den Ruf <strong>des</strong> Quer-, son<strong>der</strong>n auch <strong>des</strong> Vordenkers eingebracht. Die<br />

Wirtschaftsprüfgesellschaft Price Waterhouse bezeichnet Deutschland<br />

als die inzwischen führende Internetnation Europas. Von den 150<br />

größten börsennotierten Internetunternehmen haben 56 ihren Sitz in<br />

Deutschland. Enorme Arbeitsplatzeffekte werden bei richtigen<br />

Weichenstellungen vorausgesagt.<br />

Die Informations- und Kommunikationstechnik bietet die Chance, so<br />

lautet die Prognose, dass in den nächsten Jahren in Deutschland 750<br />

000 neue Arbeitsplätze entstehen. Wichtig ist dabei die<br />

Orientierung hin zu diesen Wachstumsfel<strong>der</strong>n, um davon letztlich<br />

profitieren zu können.<br />

Wie viele neue Arbeitsplätze werden davon hier in Sachsen<br />

entstehen? Voraussetzung dafür sind neben einer entsprechenden<br />

Infrastruktur, die in diesem Bereich den alten Län<strong>der</strong>n in nichts<br />

nachsteht, entsprechend ausgebildete und motivierte Menschen. Darin<br />

liegen die Chancen und Potenziale für unser Land und damit für die<br />

junge Generation. Diese Chancen müssen - das war und ist Ihre<br />

Verantwortung, Herr Ministerpräsident - genutzt werden!<br />

Damit sind wir beim Thema Bildung, einem Lieblingskapitel <strong>des</strong><br />

Ministerpräsidenten als Vordenker und <strong>des</strong>halb vielleicht dem<br />

traurigsten Kapitel seiner Regierungstätigkeit, weil <strong>der</strong><br />

akademische Vordenker und die reale sächsische Schule wie Feuer und<br />

Wasser nebeneinan<strong>der</strong> stehen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Anfang Oktober fand in Dresden ein Symposium unter dem Titel<br />

"Welche Bildung für morgen?" statt. Sie, Herr Ministerpräsident,<br />

haben daran teilgenommen und ein Referat gehalten. Das Ergebnis<br />

dieser wie vieler an<strong>der</strong>er Konferenzen zu diesem Thema lässt sich<br />

wie folgt kurz zusammenfassen:<br />

Erstens, Ihre Kernthese: Wissen wird in Zukunft die Ressource mit<br />

<strong>der</strong> höchsten Knappheit sein.<br />

Zweitens. Bloßes Fachwissen reflektiert nur einen Teil <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit, ermuntert und befähigt zur Tätigkeit, aber es<br />

orientiert nicht.


Drittens. Wenn Schule den kreativen, selbständigen und kompetenten<br />

Menschen bilden soll, dann muss Schule selbst kreativ, kompetent<br />

und selbständig sein.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Viertens. Das Internet wirkt als Basisinnovation in fast allen<br />

Lebensbereichen revolutionär. Das setzt aber voraus, dass<br />

Wissensmanagement und Medienkompetenz zu den erwarteten<br />

Grundfertigkeiten werden.<br />

Fünftens. Bildungschancen werden zur zentralen Frage für junge<br />

Menschen, wenn es um Zugangschancen und Beteiligungsgerechtigkeit<br />

geht.<br />

Der Ministerpräsident äußert sich auch gern zur Frage <strong>des</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Staatsverständnisses im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Wissensgesellschaft.<br />

Bildungspolitik ist tatsächlich ein zentrales Instrument für den<br />

Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen demokratischen Gesellschaft.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Sehr richtig!)<br />

Der Sozialstaat alter Prägung setzt bei <strong>der</strong> Ungleichheit <strong>der</strong><br />

Gesellschaft an und versucht im Nachhinein durch Umverteilung<br />

Gerechtigkeit zu schaffen. Der mo<strong>der</strong>ne aktivierende Staat kehrt<br />

dies beson<strong>der</strong>s dort um, wo durch Investition in Bildung und<br />

Ausbildung eine Befähigungsgerechtigkeit entsteht.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Dieser aktiv investierende Staat ermöglicht Teilhabe und Teilnahme.<br />

Er garantiert nicht Beschäftigung, son<strong>der</strong>n kümmert sich um die<br />

Steigerung <strong>der</strong> individuellen Zugangschancen.<br />

Meine Damen und Herren! Aber wie findet nun Schule in Sachsen<br />

tatsächlich statt? O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gefragt: Sollen, dürfen Sachsens<br />

Schulen innovativ sein?<br />

An dieser Stelle möchte ich aus <strong>der</strong> Schule plau<strong>der</strong>n: Sachsens<br />

Schulen, Lehrer und Schüler sind eingemauert zwischen<br />

obrigkeitszentrierten Verwaltungsrichtlinien und einer Tradition,<br />

wie Schule eben immer war und bisher auch noch niemandem geschadet<br />

hat.<br />

Demokratisierung, mehr Verantwortung für Lehrer, Schüler und Eltern<br />

ist ebenso kein Thema wie mo<strong>der</strong>ne Unterrichtsmethoden und mo<strong>der</strong>ne<br />

Unterrichtsorganisation. Schule gar als lernen<strong>des</strong> System - absolute<br />

Fehlanzeige.<br />

Alle Experten for<strong>der</strong>n seit Jahren, dass vernetztes Denken durch<br />

Aufbrechen <strong>des</strong> Fächerkanons entwickelt werden muss. In Sachsen<br />

lernen die Schüler wie ihre Eltern und Großeltern im 45-Minuten-<br />

Takt. Projektarbeit ist die Ausnahme, frontale Belehrung die Regel.<br />

Die Nutzung von Computern als selbstverständliches Lernmittel<br />

findet nur auf Eigeninitiative interessierter Lehrer statt. Die<br />

meisten Unterrichtsräume sehen aus, als sei <strong>der</strong> Computer überhaupt<br />

noch nicht erfunden. Das Dreieck hängt ordentlich neben <strong>der</strong><br />

Wandtafel. Polylux und alte Lehrpläne machen es möglich,<br />

Unterrichtsvorbereitungen von vor zehn Jahren immer wie<strong>der</strong> zu<br />

verwenden.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Genauso wie in den Klassenräumen hat sich auch sonst in <strong>der</strong> Schule<br />

zu wenig verän<strong>der</strong>t. Wenn <strong>der</strong> sächsische Ministerpräsident


gelegentlich von einer Zivilgesellschaft mit bürgerschaftlichem<br />

Engagement und mehr Verantwortungsbewusstsein spricht, dann kann er<br />

mit Sicherheit nicht die sächsische Schulkonferenz gemeint haben,<br />

(Beifall und vereinzelt Gelächter bei <strong>der</strong> SPD)<br />

denn eine gleichberechtigt zusammengesetzte Schulkonferenz, die es<br />

sogar in Bayern gibt, wird in Sachsen abgelehnt.<br />

Das Wahlalter 16 wenigstens in den Kommunen, wo die praktischen<br />

Lebensbezüge <strong>der</strong> jungen Menschen sind, wo sie ganz genau wissen und<br />

täglich erleben, worüber sie entscheiden sollen, ist für den<br />

Ministerpräsidenten fast schon ein Fall von Anarchie. Wie und wo<br />

aber sollen junge Menschen lernen und vor allem Lust dazu<br />

entwickeln, Verantwortung in <strong>der</strong> Gesellschaft zu übernehmen, wenn<br />

nicht in ihrer Schule, wenn nicht in ihrer Kommune? Ab wann bitte<br />

schön wollen wir ihnen endlich diese Verantwortung zumuten? Wenn<br />

sie 18 sind und in Bayern o<strong>der</strong> Baden-Württemberg leben?<br />

Meine Damen und Herren! Die Freiheit gerade <strong>des</strong> Einzelnen und damit<br />

seine Verantwortung für sich selbst und an<strong>der</strong>e war nie größer als<br />

heute. Es ist eine Freiheit in jede Richtung. Wenn ich mit Eltern<br />

und Großeltern zum Beispiel nach Jugendweiheveranstaltungen ins<br />

Gespräch komme, dann ist es gerade diese Freiheit, die ihnen auch<br />

Sorge macht, denn sie selbst sind in dieser Freiheit nicht groß<br />

geworden. Sie fragen sich: Ist das Umfeld so, dass ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

und Enkeln vermittelt wird, wie sie mit dieser Freiheit umgehen<br />

können?<br />

Sachsen reagiert auf diese Ängste wenig originell, nämlich mit <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>einführung von Kopfnoten. Eine Innovation <strong>des</strong><br />

Ministerpräsidenten? Man kann das Rad <strong>der</strong> Geschichte nicht<br />

zurückdrehen. Der Lehrer ist heute nicht mehr <strong>der</strong> Hirte, <strong>der</strong> eine<br />

Herde hütet. Mit einfachen populistischen Scheinmaßnahmen, meine<br />

Damen und Herren, soll ein tiefes strukturelles Problem <strong>der</strong><br />

sächsischen Schulen aus <strong>der</strong> Welt geschafft werden. Eine solche<br />

Schule kann nicht erfolgreich sein und eine solche Schule ist auch<br />

nicht attraktiv.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Meine Damen und Herren! Wie sieht denn nun eine gute Schule, die<br />

unsere jungen Menschen wirklich auf eine neue Arbeits- und<br />

Lebenswelt mit all ihren Chancen, Gefahren und Möglichkeiten<br />

vorbereitet, auf die Wissensgesellschaft vorbereitet, aus? Dazu<br />

gibt es eine Reihe von schaurig-schönen, hoffnungsvollen Visionen<br />

und auch im internationalen Vergleich erfolgreich praktizierte<br />

Modelle.<br />

Die Visionäre sind sich vor dem Hintergrund <strong>der</strong> zukünftig<br />

uneingeschränkt zur Verfügung stehenden Informationen, <strong>der</strong><br />

Möglichkeit, zu je<strong>der</strong> Tages- und Nachtzeit auf das Wissen <strong>der</strong><br />

gesamten Welt zurückzugreifen, uneins über die Zukunft von Bildung<br />

und Ausbildung. Die einen sagen, aufgrund dieser neuen, nie<br />

dagewesenen Bedingungen wird die Schule ganz verschwinden. Die<br />

an<strong>der</strong>en sagen, es werden "Lernklöster" entstehen, in denen in<br />

Abgeschiedenheit gelernt wird, die eigentlich je<strong>des</strong> menschliche<br />

Fassungsvermögen überschreitende Fülle von Informationen richtig zu<br />

sortieren und als Wissen für sich nutzbar zu machen. Die dritte


Gruppe meint, <strong>der</strong> Auftrag und Inhalt von Schule, die als<br />

Institution erhalten bleibt, wird sich verän<strong>der</strong>n. Die<br />

Wissensverarbeitung wird ein Teil sein, aber <strong>der</strong> wesentlichere Teil<br />

wird das Erlernen <strong>des</strong> Miteinan<strong>der</strong>-Lebens in sozialen Bezügen sein,<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

die man trotz aller Technisierung, aller Individualisierung weiter<br />

brauchen wird.<br />

Das sind, wie gesagt, Visionen. Was sich heute mit Sicherheit schon<br />

erkennen und auch trotz Kultusministerkonferenz durchsetzen lässt,<br />

ist zum Beispiel bei den weitaus erfolgreicheren Modellen in<br />

Holland, Dänemark und Schweden abzuschauen.<br />

Das Bildungssystem <strong>der</strong> alten Bun<strong>des</strong>republik, egal welcher<br />

Lan<strong>des</strong>regierung, war vor zehn Jahren nur mittelklassig. Ich<br />

unterstelle Ihnen, Herr Ministerpräsident, dass Sie dies genau<br />

wussten. Die Lehrer, Eltern und Schüler waren hier offen für neue<br />

Wege. Ich habe in einer Bürgerinitiative in Chemnitz, die sich im<br />

Oktober 1989 gegründet hat, miterlebt, wie später Hun<strong>der</strong>te von<br />

Lehrern und Eltern zu uns gekommen sind mit fast genauso vielen<br />

Ideen. Diese Ideenfreude hätten Sie aufgreifen sollen. Mit diesen<br />

Ideen hätten Sie eine neue Schule schaffen sollen.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Aber Sie waren nicht offen für neue Ansätze, son<strong>der</strong>n Sie haben<br />

lediglich den ideologischen Schulsystemstreit aus Nordrhein-<br />

Westfalen nach Sachsen getragen.<br />

(Frau Henke, CDU: Mit welcher Lehrerschaft<br />

hätten Sie das machen wollen?)<br />

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie gern noch einmal an das Bild<br />

<strong>des</strong> Korsetts erinnern, das <strong>der</strong> Ministerpräsident in seiner<br />

Regierungserklärung erwähnt hat. Er sagte, man dürfe junge Menschen<br />

nicht in ein Korsett einsperren. Herr Ministerpräsident, gehen Sie<br />

nicht nur auf große Fachkongresse, son<strong>der</strong>n besuchen Sie<br />

unangemeldet sächsische Schulen!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Wenn Sie die Ergebnisse von Fachkongressen und Ihr eigenes Korsett<br />

im Blick haben - da bin ich mir recht sicher -, dann wissen Sie<br />

auch, warum sächsische Schulen im internationalen Vergleich nur<br />

mittelklassig abschneiden, dann kennen Sie auch den Unterschied<br />

zwischen Theorie und Praxis.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Meine Damen und Herren! Die junge Generation will Familien gründen.<br />

Es gibt Untersuchungen, die sprechen sogar euphorisch von einer<br />

Renaissance <strong>der</strong> Familie.<br />

(Jurk, SPD: Schön!)<br />

Von den erfolgreichen Regionen Europas wissen wir, dass eine<br />

mo<strong>der</strong>ne Familienpolitik eine wichtige Voraussetzung für eine<br />

erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung ist. Dazu gehört ein<br />

qualitativ hochwertiges und flexibles, bezahlbares<br />

Kin<strong>der</strong>betreuungssystem. Dazu gehört auch die<br />

Selbstverständlichkeit, dass Frauen wie Männer berufstätig sind.<br />

Dort hat sich schon lange gezeigt, dass die Vereinbarkeit von


Familie und Beruf nicht nur die Chancen <strong>der</strong> individuell<br />

Betroffenen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gesellschaft insgesamt erhöht.<br />

Von einem Ministerpräsidenten, <strong>der</strong> seit Jahren auf die<br />

bevorstehenden Probleme in <strong>der</strong> Finanzierbarkeit <strong>der</strong> Solidarsysteme<br />

hinweist, wäre zu erwarten gewesen, dass er konsequent zu Ende<br />

denkt und in <strong>der</strong> Familienpolitik für mo<strong>der</strong>ne Ansätze offen ist.<br />

Statt<strong>des</strong>sen lässt er seine CDU-Fraktion von Kin<strong>der</strong> und Kochtöpfe<br />

betreuenden Frauen träumen. Damit verspielen Sie wertvolle<br />

Potenziale, Vorteile in <strong>der</strong> Tradition gegenüber den alten Län<strong>der</strong>n<br />

und das Vertrauen junger Familien. In <strong>der</strong> Flucht nach hinten, Herr<br />

Ministerpräsident, liegt die Kraft. Genau <strong>der</strong> umgekehrte Ansatz<br />

wäre <strong>der</strong> richtige gewesen.<br />

Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob nicht vor dem Hintergrund<br />

einer Wissensgesellschaft vorschulische Bildung wie bereits in<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n als erste eigene Stufe unseres Bildungssystems<br />

entwickelt und anerkannt werden muss.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Sollten wir nicht in diesem Haus statt über Deregulierung und<br />

höhere Elternbeiträge über die Weiterbildung <strong>des</strong> Fachpersonals in<br />

unseren Kin<strong>der</strong>tagesstätten sprechen?<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Dies umzusetzen erfor<strong>der</strong>t übrigens weniger finanzielle Ressourcen<br />

als ein Umdenken über die Aufgaben mo<strong>der</strong>ner<br />

Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtungen. Wenn Kin<strong>der</strong> und Jugendliche zu Recht<br />

Zukunft for<strong>der</strong>n, dann brauchen sie För<strong>der</strong>ung von Anfang an. Deshalb<br />

müssen wir Familien stärken, was die Bun<strong>des</strong>regierung mit<br />

Steuererleichterungen, <strong>der</strong> Erhöhung <strong>des</strong> Kin<strong>der</strong>gel<strong>des</strong> und den<br />

vorgesehenen Verbesserungen bei Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub<br />

trotz Haushaltskonsolidierung massiv tut.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu einem weiteren Punkt, zur<br />

Jugendarbeit. Da habe ich übrigens in Ihren alten<br />

Regierungserklärungen, die ich alle gelesen habe, nichts gefunden.<br />

Das erst zehn Jahre alte Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz bildet die<br />

Grundlage für eine Reihe von Chancen für die junge Generation.<br />

Mittelpunkt und Ziel von Jugendarbeit, so will es das Gesetz, ist<br />

<strong>der</strong> aktiv handelnde mitbestimmende Jugendliche. Im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

Jugendarbeit in Sachsen steht allerdings nicht <strong>der</strong> aktiv handelnde<br />

Jugendliche, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> För<strong>der</strong>topf, an dem die Träger <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe zappeln.<br />

(Jurk, SPD: Sehr richtig!)<br />

Der Jugendarbeiter in Sachsen muss als Erstes lernen, dass nichts<br />

so unsicher ist wie sein Arbeitsplatz. Als Zweites muss er lernen,<br />

mit wem er sich in Sachsens Jugendhilfeszene gut stellen muss,<br />

damit sein Projekt und seine persönliche Perspektive gesichert ist.<br />

Als Drittes muss er lernen, wie man För<strong>der</strong>anträge so ausfüllt, dass<br />

sie dem zuständigen Mitarbeiter im örtlichen Jugendamt und im<br />

Lan<strong>des</strong>jugendamt gefallen. Dies wird auch dem letzten Jugendarbeiter<br />

spätestens dann klar, wenn er im Oktober min<strong>des</strong>tens 30 Seiten<br />

För<strong>der</strong>anträge für Projektför<strong>der</strong>ung, institutionelle För<strong>der</strong>ung,<br />

Fachkraftför<strong>der</strong>ung - ich könnte dies fortsetzen, wir haben


insgesamt 13 För<strong>der</strong>richtlinien allein in diesem Bereich - beim<br />

örtlichen Jugendamt zur Weiterbearbeitung für das Lan<strong>des</strong>jugendamt<br />

eingereicht hat und dann wochenlang gar nichts hört.<br />

Keine För<strong>der</strong>zusage - kein Geld. Bewilligt das Lan<strong>des</strong>jugendamt erst<br />

ein halbes Jahr später, also Monate später, im April, wie mehrfach<br />

geschehen, heißt das für die Jugendarbeiter: kein Geld für Projekte<br />

mit Jugendlichen und natürlich auch kein Geld für den eigenen Lohn.<br />

Das demotiviert den Jugendarbeiter, meine Damen und Herren, und die<br />

Jugendlichen, die als ehrenamtliche Vereinsvorstände arbeiten,<br />

machen ihre Schlüsselerfahrungen mit Demokratie o<strong>der</strong> vielmehr eben<br />

mit Bürokratie. Der innovative Geist <strong>des</strong> Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendhilfegesetzes wird in den Mühlen sächsischer Bürokratie bis<br />

zur Unkenntlichkeit zermahlen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Der neue Bericht <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>rechnungshofes greift nun endlich diese<br />

unglaublichen Zustände auf. Am Beispiel <strong>der</strong> För<strong>der</strong>praxis im Bereich<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe lässt sich exemplarisch darstellen, was <strong>der</strong><br />

Geburtsfehler sächsischer Verwaltung ist. Sie haben, Herr<br />

Ministerpräsident, wi<strong>der</strong> besseres Reden von einer mo<strong>der</strong>nen<br />

Verwaltung hier in Sachsen eine Verwaltung aufgebaut, die das Ziel<br />

hat, ausschließlich problemlos zu verwalten, die nicht ihrer<br />

eigentlichen Aufgabe gerecht wird, nämlich Entwicklungschancen zu<br />

för<strong>der</strong>n.<br />

Meine Damen und Herren! Wenn es um Zukunftschancen in Sachsen geht,<br />

dann ist die Frage, wo Investitionen gut platziert, gut für die<br />

Zukunft angelegt sind. Auch hier gehen Ihre Worte, Herr<br />

Ministerpräsident, an den Taten Ihrer Regierung vorbei. Weil Sie<br />

die Richtlinienkompetenz schon lange an den Finanzminister<br />

abgegeben haben, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Interessen verfolgt, kann Sachsen seine<br />

beson<strong>der</strong>en Potenzen nicht nutzen.<br />

Seit dem Umbau <strong>der</strong> Hochschulen leiden diese unter <strong>der</strong> ständigen<br />

Bedrohung, Personal abbauen zu müssen. Was eigentlich ein Reichtum<br />

und eine gute Ausgangsbedingung war, nämlich die Konzentration von<br />

Forschung und Wissenschaft im Süden <strong>der</strong> alten DDR, das empfindet<br />

<strong>der</strong> Finanzminister nur als unerträglichen konsumtiven Kostenfaktor.<br />

Diese Politik ist auch noch nicht beendet und es hat den Anschein,<br />

als würden Sie gerade wie<strong>der</strong> auf Kosten dieser Potenziale sparen.<br />

An dieser Stelle eine Bemerkung zur<br />

Hochschulentwicklungskommission, auf <strong>der</strong>en Abschlussbericht wir<br />

schon sehr gespannt sind. Auch die Arbeit dieser Kommission war von<br />

vornherein eingeschränkt durch die Beschlüsse Ihres Kabinetts, dass<br />

Stellen gestrichen werden sollen o<strong>der</strong> müssen.<br />

Aber gerade die Erfahrungen <strong>der</strong> Umgestaltung <strong>des</strong> Ruhrgebietes haben<br />

gezeigt, welch wichtige Rolle Hochschulen für die Entwicklung von<br />

Regionen spielen. Diese Tatsachen sind unbestritten und werden auch<br />

von Ihnen selbst immer wie<strong>der</strong> angeführt.<br />

Sie müssten aus dem Erleben <strong>der</strong> siebziger Jahre, als es auch eine<br />

demografische Entwicklung in den alten Län<strong>der</strong>n mit einem großen<br />

Geburtenrückgang gab - sicherlich nicht vergleichbar mit unserem,<br />

aber auch mit einem bemerkenswerten Geburtenrückgang - auch wissen,<br />

dass am Ende Geburtenjahrgänge nicht ungebrochen in den Hochschulen


ankommen und dass sich in den siebziger Jahren am Ende dieser<br />

demografische Einbruch überhaupt nicht mehr bemerkbar gemacht hat.<br />

Aber nicht nur die Unterschätzung <strong>der</strong> Hochschulfinanzierung als<br />

nachhaltige Zukunftsinvestition charakterisiert Ihre überholte<br />

Politik. Sie haben auch nicht verstanden, dass Hochschulen Freiraum<br />

und Verantwortung brauchen, um ihr Potenzial zur Entfaltung zu<br />

bringen. Sie aber führen sie am kameralistischen Gängelband und<br />

kritisieren sie dann noch, wenn sie nicht flexibel genug reagieren.<br />

So praktizieren Sie gerade gegenüber den Hochschulen eine Politik,<br />

die viele Reden über die Rolle <strong>des</strong> Staates als Sonntagsreden<br />

abqualifiziert, und Sie zeigen, wie wenig Sie sich im eigenen Land<br />

an das halten, was Sie an<strong>der</strong>enorts verkünden.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Meine Damen und Herren! Das Land Sachsen hat in den letzten zehn<br />

Jahren 500 000 Menschen - meist jüngere Menschen, junge Familien -<br />

verloren, die an<strong>der</strong>swo für sich eine bessere Zukunft gesehen haben.<br />

Der anfängliche Trend, dass junge Menschen aus den alten Län<strong>der</strong>n zu<br />

uns kamen, weil sie hier eine Chance für Verän<strong>der</strong>ungen sahen, eine<br />

Chance, an Neuem mitzuwirken, ist längst vorbei. Eine<br />

Aufbruchstimmung in Sachsen gibt es nicht mehr.<br />

Vielmehr droht Sachsen zu einem im unproduktiven Sinne<br />

konservativen, kleingeistigen und provinziellen Land zu werden.<br />

Heute haben wir eine Situation, die nicht nur <strong>des</strong>halb so bedrückend<br />

ist, weil so viele gehen, son<strong>der</strong>n auch <strong>des</strong>halb, weil so wenige zu<br />

uns kommen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Die Staatsregierung und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Finanzminister rechnen<br />

damit, dass in Sachsen im Jahr 2010 weniger als vier Millionen<br />

Einwohner leben - mit einer Alterspyramide, die beispiellos<br />

zuungunsten <strong>der</strong> jungen Generation ausfällt.<br />

Sachsen hat jetzt zwei Optionen. Option eins: Alle Strukturen und<br />

Institutionen, die <strong>vom</strong> Land finanziert und getragen werden, werden<br />

an diese Bevölkerungsentwicklung angepasst. Option zwei: Das Land<br />

entwickelt trotz schwieriger Ausgangslage eine Gegenstrategie für<br />

die nächsten Jahre, so dass junge Menschen, egal ob sie in<br />

Hoyerswerda, Lodz, Usti, Krefeld o<strong>der</strong> München wohnen, hier die<br />

Grundlage für die Entfaltung ihrer Talente finden.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Option Nummer eins ist mit Sicherheit für Parlament, Regierung und<br />

Verwaltung <strong>der</strong> sicherere Weg, möglicherweise auch <strong>der</strong> Weg,<br />

scheinbar wenig falsch zu machen. Auch so kann man erklären, wie<br />

man Verantwortung für die Zukunft übernimmt.<br />

Option Nummer zwei ist ohne Frage <strong>der</strong> mutigere, <strong>der</strong> riskantere Weg<br />

ohne Erfolgsgarantie. Weil dies jedoch die einzige Chance ist, dass<br />

Sachsen den Anschluss im Wettbewerb <strong>der</strong> Regionen nicht verliert,<br />

for<strong>der</strong>n wir die Staatsregierung auf, diese Option aufzunehmen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Herr Ministerpräsident, ein Land, das sich dem Thema<br />

"Zukunftsperspektive für die junge Generation" nicht stellt, ein<br />

Land, das die Jugend verliert, verliert seine Kraft zur Erneuerung.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)


1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von <strong>der</strong> CDU-Fraktion noch<br />

einmal das Wort gewünscht? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann bitte<br />

Herr Prof. Porsch, PDS-Fraktion.<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu<br />

<strong>der</strong> unverantwortlichen Weise, wie Sie, Herr Ministerpräsident,<br />

offensichtlich zu Regierungserklärungen kommen und wie Sie mit dem<br />

Parlament umgehen, ist bereits in deutlicher und angemessener Weise<br />

gesprochen worden.<br />

Aber Sie haben das Problem noch immer nicht begriffen o<strong>der</strong> Sie<br />

wollen es nicht begreifen, wenn Sie meinen, wir wollten Ihnen den<br />

Inhalt Ihrer Erklärung vorschreiben. Meinetwegen können Sie reden,<br />

worüber Sie wollen, und meinetwegen können Sie auch das Thema<br />

verfehlen. Wenn das Thema aber zur Tagesordnung gehört, dann liegt<br />

seine Än<strong>der</strong>ung einzig beim Parlament und nicht bei Ihnen. Da haben<br />

Sie eine Stimme, nicht die einzige.<br />

(Beifall bei PDS und SPD)<br />

Der Tagesordnungspunkt lautete: Regierungserklärung zum Thema:<br />

"Chancen und Perspektiven für die junge Generation".<br />

(Dr. Hähle, CDU: Wozu er ja auch gesprochen hat!)<br />

Herr Ministerpräsident, auch das Urteil über die Qualität <strong>der</strong><br />

Erklärungen und ihren Neuheitswert scheint mittlerweile eindeutig.<br />

Da habe ich dem, was Frau Ludwig gesagt hat, eigentlich nichts<br />

hinzuzufügen. Wer Regierungserklärungen per Zufallsgenerator aus<br />

alten Texten zaubert, <strong>der</strong> sollte tatsächlich schnellstens die<br />

Nachfolgefrage regeln.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Im Übrigen sollten Sie sich, Herr Ministerpräsident, wenn Sie über<br />

Aufgaben in einer Welt <strong>des</strong> Wandels reden, also über Zukunft, auch<br />

einmal Ihre eigene Fraktion ansehen. Gerade einmal 6,8 % <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> CDU-Fraktion sind 35 Jahre alt o<strong>der</strong> jünger und auch<br />

das hilft nicht viel. Herr Wöller, Sie sind zwar jünger als Frau<br />

Ludwig, aber Sie kommen mir sehr viel älter vor.<br />

(Heiterkeit und Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

In meiner Fraktion ist immerhin ein Fünftel - o<strong>der</strong> 20 % - <strong>der</strong><br />

Abgeordneten jünger als 35 Jahre und dies gibt eine hübsche Antwort<br />

auf die Frage, welche politische Kraft in diesem Lande am stärksten<br />

zukunftsfähig ist.<br />

(Lachen <strong>der</strong> Abg. Frau Henke, CDU)<br />

Der Beitrag meines Kollegen Falk Neubert, 26, hat dies auch<br />

deutlich gemacht. Allerdings, Frau Henke, viele aus <strong>der</strong> CDU-<br />

Fraktion haben diese Lehrstunde nicht mitgekriegt, die Falk Neubert<br />

hier erteilt hat -<br />

(Frau Henke, CDU: Da habe ich nichts versäumt!)<br />

sie haben nämlich den Saal bei seinem Beitrag verlassen. Das<br />

wie<strong>der</strong>um lässt miterleben, wie das kalte Herz für die Jugend in <strong>der</strong><br />

CDU-Fraktion schlägt.<br />

Wenn Sie in Ihrer Fraktion immer von Werten sprechen, die zu<br />

verteidigen seien: Der simple Wert <strong>der</strong> Höflichkeit und <strong>des</strong> Zuhörens<br />

sollte sich in Ihrer Fraktion durchsetzen.<br />

(Dr. Hähle, CDU: Darüber sollten Sie sich bei<br />

Ihren Zwischenrufen Sorgen machen!)


- Meine Zwischenrufe resultieren ja aus dem Zuhören, Herr Hähle.<br />

Und Sie haben ja im Übrigen auch gerade einen gemacht.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Überlegungen zu Sachsens Aufgaben in einer Welt <strong>des</strong> Wandels sind<br />

also bei <strong>der</strong> PDS in guten Händen. Bei uns überlegen, planen und<br />

reden jene Akteurinnen und Akteure heute schon mit, die diesen<br />

Wandel weitgehend gestalten und mitleben müssen, die sicher auch<br />

noch die Früchte ernten können, die ihre Mitgestaltung versprechen.<br />

Ich will dann auch nicht verheimlichen: Beim Gespräch <strong>der</strong><br />

Generationen kennen wir übrigens auch die Konflikte schon besser<br />

als die Staatsregierung.<br />

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch<br />

einige Gedanken zu dem, was hier bisher gesagt wurde, hinzufügen.<br />

Obwohl die einzige Innovation <strong>der</strong> Regierungserklärung eigentlich im<br />

Selbstplagiat bestand, stimme ich mit einem Tenor <strong>der</strong> Erklärung<br />

dennoch überein, nämlich mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung, mit Stereotypen zu<br />

brechen, die weitgehend aus dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t stammen und im<br />

günstigsten Fall noch <strong>der</strong> Wirklichkeit in den ersten beiden<br />

Dritteln <strong>des</strong> 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts adäquat waren.<br />

Es ist dies zum Beispiel das Stereotyp von Arbeit als einem<br />

Vorgang, <strong>der</strong> das Durchschreiten eines Betriebstores, das Betätigen<br />

einer Stechuhr und das Ankommen in einer Fertigungshalle o<strong>der</strong> einem<br />

Kontor voraussetzt, um nach einer festgelegten Arbeitszeit bei<br />

weitgehend eingeübter und gleichförmiger Tätigkeit durch das<br />

abermalige Stechen einer Uhr und das Durchschreiten eines<br />

Betriebstores nun in entgegengesetzter Richtung beendet zu werden.<br />

Solche Arbeit wird es in Masse nicht mehr geben.<br />

Es ist dies zum Beispiel auch das Stereotyp von Bildung als einer<br />

begrenzten Lebensphase, hauptsächlich in <strong>der</strong> Schule zugebracht, bei<br />

Frontalunterricht und Dominanz <strong>des</strong> Leistungsdrucks und <strong>der</strong><br />

Leistungsbewertung als sozialem Selektionsmechanismus. Aber<br />

schreiben Sie Ihrem Finanzminister und Ihrem Kultusminister endlich<br />

ins Stammbuch, dass dieses Stereotyp aufgelöst werden muss!<br />

Auflösen müssen wir natürlich auch das Stereotyp von <strong>der</strong> Rente als<br />

Ergebnis <strong>der</strong> individuellen Vorsorge, angelegt in einer weitgehend<br />

ununterbrochenen Erwerbsbiografie.<br />

Sie haben also überkommene Stereotype angegriffen, Herr<br />

Ministerpräsident, weil sie in einer Welt <strong>des</strong> Wandels nicht nur<br />

nicht mehr von Bestand sein können, son<strong>der</strong>n bei Aufrechterhaltung<br />

die Bewältigung <strong>des</strong> Wandels behin<strong>der</strong>n und verhin<strong>der</strong>n.<br />

An einem Punkt scheuen Sie aber merkwürdigerweise, nämlich bei <strong>der</strong><br />

Frage <strong>der</strong> Zukunft unserer Demokratie. Demokratie wird ein ganz<br />

wesentliches Element zur Bewältigung <strong>der</strong> Aufgaben in einer Welt <strong>des</strong><br />

Wandels sein. Die Frage, die Sie gestellt haben, wie wir sichern,<br />

dass diejenigen, die die Dimensionen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungsprozesse nicht<br />

erkennen, dennoch nicht davon ausgeschlossen werden, werden Sie im<br />

Wesentlichen mit einem Ausbau <strong>der</strong> Demokratie, <strong>der</strong> Mitgestaltung und<br />

<strong>der</strong> Teilhabe und <strong>der</strong> Chancengleichheit beantworten müssen;<br />

insbeson<strong>der</strong>e eine Ausweitung <strong>der</strong> demokratischen Mitgestaltung und<br />

Teilhabe bei Entscheidungen über den Anteil <strong>der</strong> Menschen an


verän<strong>der</strong>ter Wertschöpfung und <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Ergebnisse von<br />

Wertschöpfung.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Mehr unmittelbare Demokratie drängt sich also nicht nur auf bei<br />

ausgeweiteter Kommunikation, sie wird vielmehr sogar als Mittel und<br />

als Ziel zum entscheidenden Element unserer Zukunft, zum<br />

entscheidenden Element eines verantwortungsvollen und bereichernden<br />

Umgangs mit Information und Kommunikation. Dies muss<br />

institutionelle Konsequenzen haben. Dabei geht es nicht um eine<br />

Aufweichung <strong>des</strong> Parlamentarismus, wohl aber um eine zeitgemäße und<br />

<strong>der</strong> wachsenden Mündigkeit <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger adäquate<br />

Organisation <strong>der</strong> Volkssouveränität.<br />

Wie dies gehen könnte, hat meine Fraktion mit mehreren<br />

Gesetzesinitiativen gezeigt. Und sie wird es auch im Verlaufe <strong>des</strong><br />

heutigen Tages zeigen. Wie es nicht mehr gehen kann, haben die<br />

Mehrheit in diesem Haus und die Staatsregierung selbst in ihrem<br />

Umgang mit Volksanträgen und Volksbegehren gezeigt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Beifall <strong>des</strong> Abg. Nolle, SPD)<br />

Was Sie lei<strong>der</strong> auch nicht aufgelöst haben, Herr Ministerpräsident,<br />

ist das allerdings wesentlich jüngere Stereotyp <strong>vom</strong> angeblichen<br />

Sozialschmarotzer, <strong>der</strong> die Solidarität mit den wirklich Schwachen<br />

schwächt. Dieses Stereotyp brauchen Sie allerdings für Ihre brutale<br />

Version von einer Zukunft horren<strong>der</strong> Einkommensunterschiede und<br />

Unterschiede am Anteil <strong>des</strong> gesamtgesellschaftlichen Reichtums.<br />

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Menschen, das wurde<br />

schon deutlich, realisieren ihre Chancen und gestalten ihre<br />

Perspektive - kurzum: machen Geschichte - auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

vorgefundener Bedingungen. Dass diese Bedingungen möglichst optimal<br />

sind und selbst Chancen und Perspektiven versprechen, dafür sind<br />

wir alle hier verantwortlich, Jung und Alt.<br />

Demnächst, so hoffe ich, steht uns eine große Verän<strong>der</strong>ung ins Haus,<br />

die als Bedingung für Zukunft verantwortungsvolle Gestaltung<br />

beanspruchen wird. Ich meine die Erweiterung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union.<br />

Herr Ministerpräsident, Sie haben dazu gesprochen und dies war<br />

übrigens aus meiner Sicht <strong>der</strong> inhaltsreichste Teil Ihrer<br />

Ausführungen. Vieles, was Sie an Aufgaben und Möglichkeiten für<br />

diesen Prozess in Sachsen formuliert haben, könnte ich mit<br />

unterschreiben.<br />

Zunächst ist festzustellen, dass diese Erweiterung sicher gut<br />

vorbereitet sein muss und ängstliche Zögerlichkeit jedoch, wie sie<br />

zuletzt aus <strong>der</strong> Staatskanzlei drang und so gar nicht zu vielem<br />

passt, was ich heute gehört habe, nicht mehr verträgt. Viele<br />

Probleme gerade unseres Freistaates, aber auch unserer Nachbarn im<br />

Osten und Süden drängen im Interesse ihrer Lösung nach einem<br />

zügigen Zustandekommen <strong>der</strong> Erweiterung.<br />

(Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Zschoche, PDS)<br />

Uns allen ist doch klar, dass nicht schon <strong>der</strong> Akt <strong>der</strong> Erweiterung<br />

endgültig und ein für allemal dafür entscheidend sein wird, ob aus<br />

dem Ganzen eine Chance o<strong>der</strong> ein großes Problem wird. Der<br />

unmittelbare Akt <strong>der</strong> Erweiterung wird vielmehr erst einen Weg


eröffnen, einen Weg, <strong>der</strong> nach vorn offen ist, sowohl für immense<br />

Chancen als freilich auch für die Last neuer Probleme. Wohin <strong>der</strong><br />

Weg geht, liegt an uns. Aber wir müssen schnellstens beginnen ihn<br />

zu gehen.<br />

Damit die Erweiterung <strong>der</strong> EU eine Chance wird, darf sie von Anfang<br />

an nicht als ein Ende <strong>der</strong> Ausweitungsfähigkeit europäischer<br />

Gemeinsamkeit, ja nicht einmal als ein vorläufiges Ende gedacht<br />

werden, son<strong>der</strong>n nur als ein neuer Anfang zu Gemeinsamkeit und<br />

Gemeinschaft in Europa und darüber hinaus in <strong>der</strong> einen Welt.<br />

Nicht die Erweiterung eines Revieres, das ansonsten gegen außen zu<br />

verteidigen ist, steht auf <strong>der</strong> Tagesordnung, son<strong>der</strong>n ein<br />

bedeutsamer Schritt hin zu neuer Freizügigkeit, vor allem <strong>der</strong><br />

Menschen, ihrer Ideen und Gedanken sowie ihrer Kulturen. Ein neuer<br />

bedeutsamer Schritt steht auf <strong>der</strong> Tagesordnung zur Bereicherung<br />

unseres Lebens, für neue Möglichkeiten in <strong>der</strong> Arbeit, im<br />

Zusammenwirken von Menschen, im Sammeln von Erfahrungen und im<br />

Einbringen eigener Möglichkeiten und Identitäten. Angesichts<br />

europäischer und Weltgeschichte eine wahrhaft beneidenswerte<br />

Perspektive für jene Generationen - und insbeson<strong>der</strong>e die junge -,<br />

die sagen können, dabei gewesen zu sein.<br />

Umso mehr stört dann aber überholtes Revierdenken. Umso mehr stören<br />

Leitansprüche gegenüber an<strong>der</strong>en. Und umso verabscheuungswürdiger<br />

werden rassistische, fremdenfeindliche und kulturlose<br />

Ambitionierungen nicht zuletzt unter Jugendlichen - geduldet,<br />

geteilt und zum Teil auch geför<strong>der</strong>t von Älteren, die es aus eigenem<br />

Erleben eigentlich besser wissen müssten.<br />

Es ist gut, dass wir in den letzten Wochen dagegen aufgestanden und<br />

auf die Straße gegangen sind. Es ist schlecht, dass wir dabei<br />

weitgehend praktizierte Gemeinsamkeit noch ängstlich und manchmal<br />

zerstörerisch verheimlichen und leugnen.<br />

(Frau Henke, CDU: Wir schämen uns nicht!)<br />

- Ich glaube, Frau Henke, Sie schämen sich in dem Fall jetzt nicht.<br />

Rechtsextremismus, Neofaschismus und Gewalt sind ein<br />

gesellschaftliches Problem. - Ich habe Sie auf <strong>der</strong> Prager Straße<br />

nicht gesehen, Frau Henke, ich war dort. - Es lässt sich nicht mehr<br />

kommunalisieren o<strong>der</strong> gar in Jugendklubs verstecken. Wir stehen also<br />

in Verantwortung und Pflicht zu Wi<strong>der</strong>stand und Zurückdrängung<br />

überall im Land.<br />

Wer "Deutschland den Deutschen" propagiert, nimmt den Deutschen den<br />

Rest <strong>der</strong> Welt und macht uns zu gefährlichen provinziellen Idioten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Und wer Deutschland über alles stellt, trägt diese provinzielle<br />

Idiotie zerstörerisch in die Welt. Die schlimmen Folgen hätte<br />

Deutschland selbst zu tragen und hier vornehmlich seine junge<br />

Generation. Die Begegnung und <strong>der</strong> Austausch mit vielen Kulturen<br />

sind die Chance zur Entfaltung <strong>des</strong> Zukunftsfähigen in <strong>der</strong> eigenen<br />

Kultur und <strong>des</strong> Entstehens neuer Kulturen als notwendige und<br />

angemessene Formen zukünftigen Lebens.<br />

Der Herr Ministerpräsident spricht oft und fast schon inflationär<br />

von Dankbarkeit. Wissen Sie was, meine Damen und Herren von <strong>der</strong><br />

Abteilung Leitkultur, lesen Sie noch einmal die Geschichte <strong>vom</strong>


Turmbau zu Babel - 1. Buch Moses, Kapitel 11 - und geben Sie sich<br />

dann <strong>der</strong> Dankbarkeit hin.<br />

Es ist doch ein Zeichen göttlich-gütigen Umganges mit den Menschen,<br />

dass ihre zunächst eine Sprache in Babel verwirrt wurde, um<br />

infolge<strong>des</strong>sen die Menschen über die ganze Erde zu zerstreuen. Sie<br />

wären doch sonst - so steht es dort geschrieben - in Babel<br />

geblieben, stolz auf ihren einen Namen, und hätten nur ihre Stadt<br />

und hätten nur ihren Turm bewun<strong>der</strong>t. Stolz, ein Babelonier zu sein,<br />

wären sie in babelonischer Einheitssoße als Spießer verkommen,<br />

anstatt weltläufig zu werden.<br />

Und dass den Menschen, wie auch geschrieben steht, seit sie über<br />

die Erde zerstreut sind, nicht mehr alles erreichbar ist, ist<br />

ebenfalls gut. Wozu sie dennoch noch fähig waren, hat Auschwitz<br />

gezeigt.<br />

"Kultur ist, wie man lebt", sagte einmal Christa Wolf. Wer<br />

Leitkulturen predigt, sollte wissen, dass er damit Gefahr läuft,<br />

an<strong>der</strong>e Kulturen, also an<strong>der</strong>e Weisen <strong>des</strong> Lebens, abzuwerten o<strong>der</strong> gar<br />

zu zerstören, und damit auch seiner Kultur die Legitimation<br />

entzieht.<br />

Es ist gerade eine heftige Debatte um das Problem <strong>der</strong> so genannten<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung entbrannt. Verantwortungslos und zynisch sind jene,<br />

<strong>der</strong>en Hauptfrage dabei darin besteht, ob dieses Thema<br />

wahlkampfgeeignet ist o<strong>der</strong> nicht. Zu kurz greifen jene, die da<br />

meinen, dieses Thema sei einzig und allein zum Zwecke <strong>der</strong> Sicherung<br />

ausreichend gebildeter Arbeitskräfte in wichtigen Teilen <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und <strong>der</strong> Ausarbeitung entsprechen<strong>der</strong> Rechtsvorschriften<br />

zu behandeln. Resigniert haben solche, die uns erklären,<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung diene <strong>der</strong> Alterssicherung einer weniger werdenden<br />

einheimischen Bevölkerung.<br />

Alles zusammen ist krähwinkelige Blickrichtung. Es kann doch nicht<br />

angehen, Menschen außerhalb Deutschlands, wenn sie nicht gerade<br />

zahlungskräftige Touristen sind, vorrangig danach zu beurteilen,<br />

welche Zwecke sie für die Entwicklung Deutschlands und seine<br />

Zukunft spielen können, und entsprechend anzulocken o<strong>der</strong><br />

abzublocken. Wir müssen Zuwan<strong>der</strong>ung und EU-Erweiterung<br />

gleichermaßen als Schritte hin zu einer Freizügigkeit in einer Welt<br />

begreifen und <strong>des</strong>halb politisch wollen und gestalten, wenn wir die<br />

Chancen, die darin gerade für die junge Generation liegen,<br />

erschließen wollen. Es geht um Austausch in <strong>der</strong> Welt und mit <strong>der</strong><br />

Welt, nicht um Einverleibung eines Teiles nach Deutschland und<br />

Ausgrenzung an<strong>der</strong>er.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Sachsen trägt dabei eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung und besitzt<br />

beson<strong>der</strong>e Gestaltungsmöglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Da<br />

stimme ich - das habe ich schon gesagt - am meisten mit dem<br />

Ministerpräsidenten überein.<br />

Die zielgerichtete Nutzung und <strong>der</strong> zielgerichtete Ausbau dieser<br />

Möglichkeiten sichert uns allen im Freistaat Prosperität,<br />

Lebenserfüllung und Arbeit. Das gibt jungen Menschen eine<br />

Perspektive. Nicht Standortegoismus, son<strong>der</strong>n Einbringen <strong>der</strong><br />

Standortspezifik in überregionale, europäische und globale


Zusammenhänge und Interaktionen ist die Aufgabe Sachsens in einer<br />

Welt <strong>des</strong> Wandels, wenn er ein Wandel zum Guten für die junge und<br />

für künftige Generationen sein soll.<br />

Insofern ist mir die Differenzierung von Wettbewerb und Konsens<br />

überhaupt unverständlich. Es geht um Einbringen in diese Welt und<br />

ihre Zusammenhänge.<br />

Lassen Sie mich bitte, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,<br />

noch kurz ein drittes Problem ansprechen. Gerade die letzten Tage<br />

waren geprägt von einer unwürdigen Diskussion um eine Sache, die<br />

für viele Menschen von existenzieller Bedeutung ist. Ich meine die<br />

Diskussion um die Sicherung <strong>der</strong> Rente, die heute nun endlich auch<br />

den Bun<strong>des</strong>tag in 1. Lesung beschäftigt.<br />

Oberflächlich gesehen ist dies eine Diskussion um Prozente,<br />

Anpassungsformeln, Säulen, Kapitalstock und Ähnliches. In<br />

Wirklichkeit sprechen wir über die Bedingungen, die wir heute<br />

schaffen müssen für ein menschenwürdiges Leben <strong>der</strong> heutigen jungen<br />

Generation im Alter und einen menschenwürdigen Weg dahin.<br />

(Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Zschoche, PDS)<br />

Sicherlich sind die Probleme groß, allein schon durch die<br />

<strong>der</strong>zeitige demografische Entwicklung und die zu erwartenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Arbeitswelt. Gelöst werden können diese<br />

Probleme jedoch nur, wenn zwei Prinzipien unerschütterlich<br />

aufrechterhalten bleiben, nämlich die solidarische Finanzierung<br />

einer gesetzlichen Altersvorsorge und die Übereinstimmung darin,<br />

dass Rente Altersarmut verhin<strong>der</strong>n muss.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Dazu passt zunächst keine Absenkung <strong>des</strong> Rentenniveaus, wie sie von<br />

Herrn Riester geplant ist. Dazu passt kein Abschlagsfaktor, <strong>der</strong> vor<br />

allem die junge Generation betrifft. Und dazu passt kein Schweigen<br />

zu solchen wichtigen Zukunftsfragen wie <strong>der</strong> eigenständigen<br />

Alterssicherung für Frauen o<strong>der</strong> den Gefahren für die<br />

Alterssicherung, die aus <strong>der</strong> absehbaren Zunahme unsteter<br />

Erwerbsbiografien entstehen werden.<br />

Natürlich ist die demografische Entwicklung ein Problem; ihm aber<br />

durch die faktische Auflösung <strong>der</strong> bisherigen paritätischen<br />

Finanzierung <strong>der</strong> Rente mit einseitiger Entlastung <strong>der</strong> Unternehmen<br />

und die Einführung <strong>der</strong> zwangsweisen privaten Vorsorge durch<br />

Kapitalbildung beikommen zu wollen führt nicht nur hinter Bismarck<br />

zurück, son<strong>der</strong>n wird das Problem auch nicht wirklich lösen.<br />

Die zwangsweise private Vorsorge ist insgesamt ein Irrweg. Es<br />

sollte vielmehr die umlagefinanzierte sozialstaatliche Rente<br />

erhalten bleiben. Dies braucht dann freilich unter den gegebenen<br />

Bedingungen eine Einnahmen- und Leistungsreform.<br />

Die Einnahmenreform müsste mehrere Elemente enthalten. Erstens die<br />

sozial gerechte und volkswirtschaftlich, insbeson<strong>der</strong>e aber<br />

arbeitsmarktpolitisch vernünftige Beteiligung von Kapital und<br />

Arbeit an <strong>der</strong> Rentenfinanzierung über eine Wertschöpfungsabgabe.<br />

Die Wertschöpfung ist doch die eigentliche Maßzahl über den Anteil<br />

von Kapital, Arbeit und Wissen an <strong>der</strong> Gesamtwertschöpfung und an<br />

ihr kann ich messen, welchen Anteil jede Seite zu bringen hat.


Gewerkschaftliche Konzepte haben sich dieses Konzept mittlerweile<br />

zu Eigen gemacht.<br />

Zweitens müssen wir uns auf den Weg zur schrittweisen Ausweitung<br />

<strong>des</strong> Kreises <strong>der</strong> beitragspflichtigen Personen machen mit dem Ziel<br />

<strong>der</strong> Beitragspflicht für alle Einwohnerinnen und Einwohner mit<br />

eigenen Einkünften.<br />

Und drittens müsste es bei unterbrochenen Erwerbsbiografien<br />

durchaus möglich sein, dass Dritte, zum Beispiel auch <strong>der</strong> Staat,<br />

die Beitragsleistung übernehmen.<br />

Der Herr Ministerpräsident wird jetzt möglicherweise sagen, dass<br />

sich das alles im Grunde doch nicht von <strong>der</strong> Idee einer<br />

steuerfinanzierten Altersvorsorge unterscheide, wie er sie ja<br />

vertritt. Da hat er im Grunde vielleicht auch Recht. Ich sehe von<br />

<strong>der</strong> Tatsache ab, dass Sie, Herr Ministerpräsident, bloß an eine<br />

steuerfinanzierte Grundsicherung denken; es gibt aber auch noch<br />

einen an<strong>der</strong>en, nicht zu übersehenden Unterschied: Generell kann<br />

eine steuerfinanzierte Altersvorsorge doch wohl nicht ohne<br />

Steuererhöhungen o<strong>der</strong> Einführung neuer Steuern funktionieren. Aus<br />

dem <strong>der</strong>zeitigen Steueraufkommen ist sie mit Sicherheit nicht<br />

finanzierbar.<br />

Da wäre es doch im Sinne von Offenheit und Klarheit angebracht,<br />

diese Abgabenerhöhung offen zweckgebunden zu erheben. Im Übrigen<br />

gäbe es auch nur dann die Garantie, dass die Mittel nicht nach<br />

politischem Gutdünken eines Tages an<strong>der</strong>weitig eingesetzt würden.<br />

Die Kontrolle über die Rentenkasse und, davon abgeleitet, die<br />

Entscheidungen von Menschen über weiterführende private<br />

Vorsorgeakte wären ja nur so immer und je<strong>der</strong>zeit möglich.<br />

Die notwendige Leistungsreform könnte unter an<strong>der</strong>em in einer<br />

schrittweisen Anhebung <strong>der</strong> Beitragsbemessungsgrenze bei geringer<br />

steigenden zusätzlichen Ansprüchen bestehen.<br />

Freilich verän<strong>der</strong>t dies das bisher gültige Versicherungsprinzip. Es<br />

verstärkt aber unter dem Druck <strong>der</strong> Notwendigkeiten das<br />

Solidarprinzip, das ja in an<strong>der</strong>en Leistungsbereichen schon lange so<br />

gilt.<br />

Der Erhalt <strong>des</strong> Solidarprinzips statt eines Aussteigermodells für<br />

die Börsengesellschaft - dies ist <strong>der</strong> Sinn <strong>der</strong> Vorschläge <strong>der</strong> PDS,<br />

von denen ich jetzt nur den Kern vortragen konnte. Die reformierte,<br />

aber unbeschädigte Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Solidarprinzips bei <strong>der</strong><br />

Alterssicherung würde, Herr Ministerpräsident und Herr Hähle, sehr<br />

viel eindrucksvoller, wirkungsvoller und nachhaltiger die<br />

Gemeinsamkeit und Verbundenheit <strong>der</strong> Deutschen, ihre Einigkeit, ihr<br />

Recht und ihre Freiheit zum Ausdruck bringen, als das Singen einer<br />

Hymne mit einer zwar schönen, historisch aber lei<strong>der</strong> verbrauchten<br />

Melodie.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Meine Damen und Herren! Mir liegen<br />

keine Wortmeldungen mehr vor. Gibt es dennoch einen Abgeordneten<br />

o<strong>der</strong> eine Abgeordnete, <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die sprechen möchte? - Das ist<br />

nicht <strong>der</strong> Fall. Damit ist die Aussprache zur Regierungserklärung<br />

beendet.<br />

Wir gehen jetzt in eine Mittagspause bis 15.00 Uhr.


(Unterbrechung von 13.59 Uhr bis 15.00 Uhr)<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 2<br />

2. und 3. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz über die Justiz im Freistaat<br />

Sachsen (Sächsisches Justizgesetz - SächsJG)<br />

Drucksache 3/2192, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2842, Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Verfassungs- und<br />

Rechtsausschusses<br />

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt.<br />

Die Reihenfolge in <strong>der</strong> ersten Runde: CDU, PDS, CDU, SPD;<br />

Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich frage zuerst den<br />

Berichterstatter <strong>des</strong> Ausschusses, ob er das Wort wünscht. - Das ist<br />

nicht <strong>der</strong> Fall. Dann rufe ich die CDU-Fraktion auf. Bitte, Herr<br />

Abg. Schiemann.<br />

Schiemann, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren! Ich hatte erst scherzhaft gesagt, alle, die jetzt<br />

nicht anwesend sind, sollten dann mit dem Gesetz so leben, wie wir<br />

es hier verabschieden. Vielleicht könnte man sich noch darauf<br />

einigen, dass man die Amtsgerichte in den Orten <strong>der</strong> Kolleginnen und<br />

Kollegen streicht, die heute wenig Interesse für das Justizgesetz<br />

zeigen. - Aber Scherz beiseite!<br />

Die Justiz wird oft nur dann angesprochen, wenn es Probleme gibt.<br />

Ich glaube, es ist unangemessen, über Justiz zu sprechen, nur wenn<br />

es Probleme gibt. Es ist angemessen, auch über Justiz zu sprechen,<br />

wenn es um den Aufbau <strong>der</strong> Justiz geht. Die Angemessenheit dieses<br />

Themas - oft Arbeit im Stillen, harte Arbeit im Stillen, schwierige<br />

Arbeit - sollte auch von diesem Hohen Haus entsprechend gewertet<br />

werden.<br />

Dieser Gesetzentwurf, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleibt<br />

eng verbunden mit den zehn Jahren <strong>des</strong> Neuaufbaus <strong>der</strong> sächsischen<br />

Justiz. Dabei haben wir Schritt für Schritt an die demokratische<br />

Rechtstradition Sachsens anknüpfen gelernt, sind somit gleichsam in<br />

das Rechtssystem <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik hineingewachsen. Das Ergebnis<br />

<strong>des</strong> Neuaufbaues bleibt die Leistung vieler Frauen und Männer aus<br />

Sachsen, aus den beiden Partnerlän<strong>der</strong>n Bayern und Baden-Württemberg<br />

und selbstverständlich aus vielen an<strong>der</strong>en deutschen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n,<br />

ob aus dem Norden o<strong>der</strong> aus dem Westen o<strong>der</strong> aus östlichen Län<strong>der</strong>n.<br />

Ich glaube, dass diese Frauen und Männer für diesen Aufbau einen<br />

ganz beson<strong>der</strong>en Dank verdienen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei CDU, SPD und PDS)<br />

Ich hatte es bewusst vorangestellt, weil diese zehn Jahre sehr<br />

schnell vergangen sind. Viele Generationen haben dabei mitgewirkt.<br />

Wenn ich mich an die Debatte zur Regierungserklärung erinnere, so<br />

wurde in ihr sehr viel von junger Generation gesprochen. Wer sich<br />

erinnern kann, so hat 1990/91 beson<strong>der</strong>s die ältere Generation sehr<br />

viel für den Neuaufbau <strong>der</strong> Justiz geleistet. Es waren oft Frauen<br />

und Männer, die 65 Jahre, 66 Jahre und älter waren, die sich hier<br />

zur Verfügung gestellt haben, um eine leistungsfähige Justiz im<br />

Freistaat Sachsen aufzubauen. Deshalb glaube ich, dass man auch<br />

diese Generation nicht vergessen kann. Jugend ist immer nur ein<br />

Privileg, das man einmal im Leben erhält. Das trifft für jeden zu.


Herr Kollege Hatzsch, die Zeit unserer Jugend ist schon eine Weile<br />

vergangen. Aber ich möchte daran erinnern, dass man gerade bei<br />

diesem Punkt nicht vergessen darf, dass man alt von selbst wird.<br />

Der Aufbau <strong>der</strong> Justiz hat auch entscheidende Impulse für die<br />

Wirtschaftsentwicklung - um das noch einmal festzustellen - unseres<br />

Lan<strong>des</strong>, <strong>des</strong> Freistaates Sachsen, geleistet. Die uns hier zur<br />

Diskussion stehende Drucksache ist ein Beleg dafür, stets nach<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Verbesserung zu suchen.<br />

Diesen Weg haben Sie, Herr Kollege Steffen Heitmann, in Ihrer<br />

Amtszeit als Justizminister konsequent beschritten; denn <strong>der</strong><br />

Gesetzentwurf ist das Ergebnis auch <strong>der</strong> Arbeit <strong>des</strong> Vorgängers,<br />

werter Herr Justizminister Kolbe, <strong>der</strong> den Gesetzentwurf ja<br />

vorbereitet, die Diskussion dazu erarbeitet und in den Landtag<br />

eingebracht hat. Deshalb möchte ich ausdrücklich sagen, dass ich<br />

auch Steffen Heitmann für diese Leistung ganz herzlich danken<br />

möchte.<br />

(Teilweise Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Der Gesetzentwurf hat uns im Laufe <strong>der</strong> Diskussion die Möglichkeit<br />

eröffnet, über weitere Verbesserungen im Bereich <strong>der</strong> Justiz<br />

nachzudenken. Wir haben eine sehr umfangreiche Anhörung<br />

durchgeführt, wir haben Diskussionen mit den Verbänden geführt -<br />

ausdrücklich möchte ich mich da auch bei den Verbänden bedanken -<br />

und wir haben so die Suche nach Formulierungen in <strong>der</strong> Diskussion<br />

als Gegenstand gehabt.<br />

Verschweigen möchte ich nicht und es freut mich dort ganz<br />

beson<strong>der</strong>s, dass <strong>der</strong> Haushalts- und Finanzausschuss diesem<br />

Gesetzentwurf ein positives Votum bescheinigt hat; denn dieser<br />

Gesetzentwurf ist ja nicht kostenneutral, son<strong>der</strong>n für die<br />

entsprechenden Umzugskosten, für das Trennungsgeld, für die neuen<br />

Investitionen, die notwendig sind, für die vorübergehende Anmietung<br />

werden vielleicht mehr als ca. 40 Millionen DM notwendig sein.<br />

Deshalb möchte ich nochmals anmerken, dass auch <strong>der</strong> Haushalts- und<br />

Finanzausschuss dem Gesetzentwurf positiv gegenübergestanden hat.<br />

Klar möchte ich sagen, dass <strong>der</strong> Gesetzentwurf ein einmaliges<br />

Reformvorhaben ist. Es schafft mehr Transparenz, Übersichtlichkeit<br />

und gibt dem Recht Suchenden, aber auch dem Rechtanwen<strong>der</strong> eine gute<br />

Arbeitsgrundlage.<br />

Erstmalig wird eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen in einem<br />

Justizgesetz zusammengefasst. Die Gerichtsorganisation wird<br />

weitestgehend dem Grundsatz <strong>der</strong> Einräumigkeit <strong>der</strong> Verwaltung<br />

angepasst. Dabei werden die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> durchgeführten Kreis-<br />

und Gemeindegebietsreform durch Neuordnung <strong>der</strong> Gerichtsbezirke<br />

beachtet. Der Schwerpunkt dieser Anpassung befindet sich im Umfeld<br />

<strong>der</strong> beiden großen kreisfreien Städte Dresden und Leipzig. Die klare<br />

Zuordnung <strong>der</strong> Gemeinden, Städte und Landkreise zu den jeweiligen<br />

Amtsgerichten ist in <strong>der</strong> Beschlussempfehlung normiert. Dennoch wird<br />

auch künftig mit 30 Amtsgerichten im Freistaat Sachsen die Nähe zum<br />

Bürger gewahrt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass dieser<br />

Gesetzentwurf auch klar die Bürgernähe eröffnet.<br />

Zentralität, Ortsnähe und Transparenz sind somit auch<br />

gewährleistet. In geringem Umfang än<strong>der</strong>n sich die Grenzen <strong>der</strong>


Landgerichtsbezirke. Sachsen wird auch künftig sechs Landgerichte<br />

mit Sitz in Bautzen, Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig und<br />

Zwickau haben. Der Sitz <strong>des</strong> Oberlan<strong>des</strong>gerichtes verbleibt in <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>hauptstadt Dresden. Die Verwaltungsgerichte verbleiben in<br />

Chemnitz, Leipzig und Dresden und das Sächsische<br />

Oberverwaltungsgericht - da freue ich mich ganz beson<strong>der</strong>s - wird<br />

sicherlich bald, bis spätestens im Jahr 2002, in ein neues Domizil<br />

umziehen, nämlich in die Ortenburg in Bautzen, die bis dahin<br />

hoffentlich auch saniert ist. Die weiteren Standorte <strong>der</strong> Arbeits-<br />

und Sozialgerichtsbarkeit sowie <strong>des</strong> Sächsischen Finanzgerichtes<br />

sind ja wie<strong>der</strong>holt auch in dem Gesetzentwurf, in <strong>der</strong><br />

Beschlussempfehlung festgeschrieben.<br />

Die Staatsanwaltschaften möchte ich an <strong>der</strong> Stelle nicht vergessen.<br />

Wir haben neben diesen Regelungen <strong>der</strong> Gerichtszuordnung an die<br />

einzelnen Orte natürlich auch Regelungen in dem Gesetzentwurf<br />

beachtet, die durch geän<strong>der</strong>tes Bun<strong>des</strong>recht zustande gekommen sind.<br />

Ich bin - das muss ich ausdrücklich sagen und das ist auch kein<br />

Geheimnis - dem Justizministerium dankbar, dass wir noch einmal<br />

aufgrund <strong>der</strong> aktuellen Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rechts im Laufe <strong>des</strong><br />

Verfahrens alle Normierungen, die das Bun<strong>des</strong>recht mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

geän<strong>der</strong>t haben, auch in diesen Gesetzentwurf einfließen lassen<br />

konnten. Für den Rechtanwen<strong>der</strong> wird beson<strong>der</strong>s das zu<br />

Übersichtlichkeit und Transparenz - sprich: Lesbarkeit - beitragen.<br />

Die Zuständigkeit <strong>des</strong> Gesetzes ist ja nicht nur für die<br />

Organisation notwendig, son<strong>der</strong>n auch für den Bürger eine<br />

nachvollziehbare Zuordnung und ein klarer Hinweis darauf, an<br />

welchen Ort bzw. an welches Gericht er sich wenden kann.<br />

Der wohl strittigste Punkt in <strong>der</strong> Anhörungszeit war die Frage <strong>der</strong><br />

Dienstaufsicht. Dienstaufsicht wird jeweils von demjenigen, <strong>der</strong> die<br />

Dienstaufsicht ausüben muss, an<strong>der</strong>s beurteilt werden als von dem,<br />

über den Dienstaufsicht ausgeübt wird. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> schon einmal in<br />

einer solchen Position war - auf <strong>der</strong> einen Seite zu sitzen o<strong>der</strong> auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zu sitzen -, wird die beson<strong>der</strong>e Schwierigkeit<br />

dieser Frage bewerten können.<br />

Die Frage <strong>der</strong> Dienstaufsicht ist <strong>des</strong>halb im Bereich <strong>der</strong> Justiz eine<br />

ganz beson<strong>der</strong>s sensible Materie, weil es sich hier natürlich auch<br />

um die Gewaltenteilung handelt.<br />

Zur Frage <strong>der</strong> Berührungspunkte <strong>der</strong> Exekutive und Judikative: Diese<br />

Schnittstelle ist - das zeigen auch die Diskussionen in an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n - häufig ein Gegenstand von Auseinan<strong>der</strong>setzungen. In<br />

Brandenburg - konnte man dem Vernehmen nach auch in <strong>der</strong> Zeitung<br />

lesen - gibt es eine ähnliche Auseinan<strong>der</strong>setzung. Wenn man dann<br />

beide Seiten bewertet, kann man sich ein entsprechen<strong>des</strong> eigenes<br />

Bild machen.<br />

Wir haben - wie ich meine, in einer sehr fairen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

- die Dienstaufsicht im Gesetz ein wenig umgestellt; ich glaube,<br />

dem Grundsatz auch in <strong>der</strong> Diskussion im Ausschuss folgend, alle<br />

Gerichtszweige gleich zu behandeln, nicht nur die Diskussion aus<br />

<strong>der</strong> Anhörung umzusetzen, eine beson<strong>der</strong>e Regelung für die Finanz-<br />

und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu normieren, son<strong>der</strong>n alle


Gerichtszweige sind in <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Dienstaufsicht im Freistaat<br />

Sachsen künftig gleich zu behandeln.<br />

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es einen strittigen<br />

Diskussionspunkt in <strong>der</strong> Ausschussbehandlung gab; das war die Frage,<br />

inwieweit <strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong> Befugnisse <strong>der</strong> Justizwachtmeister<br />

ausgestaltet werden soll. In <strong>der</strong> Diskussion stand die Frage, ob den<br />

Justizwachtmeistern bei Herstellung <strong>der</strong> Sicherheit und Ordnung im<br />

Rahmen von Gerichtsverhandlungen nur bestimmte, einzeln aufgeführte<br />

polizeiliche Befugnisse durch Gesetz verliehen werden sollen o<strong>der</strong><br />

grundsätzlich sämtliche polizeiliche Befugnisse mit entsprechenden<br />

Ausnahmetatbeständen. Wir haben an dieser Stelle eine sehr<br />

intensive Diskussion geführt. Die Anhörung hat uns dort wenig<br />

Möglichkeiten an die Hand gegeben, Argumente für das eine o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e zu finden.<br />

Wir haben letztendlich mehrheitlich eine Entscheidung<br />

herbeigeführt: die Regelung, die im Entwurf durch die<br />

Staatsregierung vorgeschlagen war, im § 42 als solche<br />

festzuschreiben, wie sie jetzt auch in <strong>der</strong> Beschlussempfehlung<br />

enthalten ist. Ich wollte es ansprechen, weil durchaus auch von<br />

unserer Seite, von <strong>der</strong> CDU-Fraktion, <strong>der</strong> Wunsch bestand, das zu<br />

prüfen. Wir haben aber nach Abwägung feststellen müssen: Es gibt<br />

zwei Varianten. Beide Varianten - die Positivliste o<strong>der</strong> die<br />

Negativliste - haben letztendlich auch gewisse Schwierigkeiten. Wir<br />

haben uns für den Weg entschieden, <strong>der</strong> in dem Entwurf vorgeschlagen<br />

war.<br />

Abschließend bleibt aus Sicht <strong>der</strong> CDU-Fraktion festzustellen, dass<br />

die Beschlussempfehlung im Verfassungs- und Rechtsausschuss ohne<br />

Gegenstimme erarbeitet worden ist. Ich glaube, es ist ein Ergebnis<br />

eines Diskussionsprozesses, das man hoch bewerten sollte, zumal es<br />

den rechtlichen Rahmen für die sächsische Justiz für die Zukunft<br />

absichert.<br />

Ich freue mich, dass jetzt auch viele Kolleginnen und Kollegen<br />

anwesend sind und ich meinen eingangs gemachten Vorschlag, die<br />

Amtsgerichtsstruktur nochmals zu überdenken, jetzt fallen lassen<br />

kann. Abschließend bitte ich Sie, diesem wichtigen Reformvorhaben<br />

für die sächsische Justiz Ihre Zustimmung zu geben.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall bei <strong>der</strong> Staatsregierung)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die PDS-Fraktion; Herr Abg. Bartl,<br />

bitte.<br />

Bartl, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Nach dem vorangegangenen Beitrag <strong>des</strong> Kollegen Schiemann<br />

kann ich mir ausschweifende Erörterungen zum grundsätzlichen<br />

Anliegen <strong>des</strong> vorliegenden Gesetzentwurfes ersparen und gleich zur<br />

Sache kommen.<br />

Die Krux <strong>des</strong> vorliegenden Gesetzentwurfes - <strong>der</strong> Regelungsgehalt, an<br />

dem sich die Gemüter im Zuge seiner Behandlung im Verfassungs- und<br />

Rechtsausschuss und in <strong>der</strong> Expertenanhörung erhitzten - liegt in<br />

<strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Dienstaufsicht, bezogen auf die einzelnen<br />

Zweige <strong>der</strong> ordentlichen Gerichtsbarkeit, <strong>der</strong> Arbeits-, Verwaltungs-<br />

, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit.


Die Debatte darüber, wie im Gesetz die Dienstaufsicht über die<br />

Richter und Staatsanwälte und über die Beamten, Angestellten und<br />

Arbeiter an den Gerichten und Staatsanwaltschaften ausgestaltet<br />

sein soll, fand ja auch nicht in einem unbelasteten Raum statt.<br />

Dieser Landtag hatte in <strong>der</strong> letzten Zeit wie<strong>der</strong>holt Veranlassung,<br />

sich mit unzulässigen Eingriffen in die Justizverwaltung, in die<br />

Unabhängigkeit <strong>der</strong> Gerichte, in laufende Verfahren mit dem Vorwurf<br />

<strong>der</strong> rechtsstaatswidrigen Einflussnahme <strong>der</strong> Exekutive auf die<br />

Rechtspflege, mit dem Funktionieren <strong>der</strong> Gewaltenteilung im<br />

Freistaat zu befassen.<br />

In <strong>der</strong> Reflexion <strong>des</strong>sen musste von vornherein auf die Kritik <strong>der</strong><br />

Opposition stoßen, dass sämtliche Regelungen im Gesetzentwurf, die<br />

sich mit <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Dienstaufsicht in den einzelnen<br />

Gerichtszweigen befassten - die §§ 15, 23, 29, 32 und 35 also -,<br />

unisono mit <strong>der</strong> Feststellung begannen, ich zitiere: "Die<br />

Dienstaufsicht üben aus: 1. das Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz über<br />

die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter <strong>der</strong> Gerichte" bzw.<br />

"über die Staatsanwälte, Beamten, Angestellten und Arbeiter <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaften." Erst dann folgte die Zuweisung für die<br />

Dienstaufsichtsverantwortung an die Präsidenten <strong>der</strong><br />

Oberlan<strong>des</strong>gerichte, <strong>der</strong> Landgerichte, die Präsidenten und<br />

Direktoren <strong>der</strong> Amtsgerichte, an den Generalstaatsanwalt bzw. die<br />

Leiter <strong>der</strong> Staatsanwaltschaften.<br />

So entstand von vornherein <strong>der</strong> böse Anschein, dass dieses Gesetz<br />

die so genannte Durchgriffsaufsicht <strong>des</strong> SMJ auf die Richterschaft<br />

und die Staatsanwaltschaften quasi auch für je<strong>der</strong>mann vor<strong>der</strong>gründig<br />

sichtbar fixieren sollte. Herausgehoben unsensibel erschien dabei<br />

noch, dass sich diese Hierarchie auch bei den Ausregelungen zur<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit und <strong>der</strong> Finanzgerichtsbarkeit fand, den<br />

beiden Gerichtsbarkeiten also, die nach <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Aufgabenzuweisung im Beson<strong>der</strong>en Kontrollfunktionen über die Wahrung<br />

<strong>der</strong> Gesetzlichkeiten in <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Exekutive auszuüben haben<br />

und <strong>des</strong>halb eine "beson<strong>der</strong>e Ferne" von <strong>der</strong> Exekutive haben müssen.<br />

Dass sich jedenfalls <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> Gutachter in <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Opposition beantragten und am 9. Oktober durchgeführten<br />

öffentlichen Anhörung <strong>des</strong> Verfassungs- und Rechtsausschusses den<br />

dieserhalb geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken <strong>der</strong><br />

Opposition anschloss, ließ selbst die CDU-Fraktion nicht<br />

unbeeindruckt. Sie suchte sich <strong>der</strong>gestalt zu behelfen, dass sie<br />

quasi die Optik entschärfte, indem sie in <strong>der</strong> jetzt vorliegenden<br />

und soeben von Kollegen Schiemann so warmherzig zur Annahme<br />

anempfohlenen Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Ausschusses die Reihenfolge<br />

<strong>der</strong> Aufsichtsebene umgedreht hat - wie Herr Schiemann sagte: ein<br />

wenig umstellte.<br />

Jetzt erscheint als Letztes in <strong>der</strong> Aufzählung <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Dienstaufsichtsebenen <strong>der</strong> Staatsminister <strong>der</strong> Justiz als oberste<br />

Dienstaufsichtsbehörde - allerdings mit dem unverän<strong>der</strong>ten Anspruch,<br />

"die Dienstaufsicht über die" - also alle - "Richter, Beamten,<br />

Angestellten und Arbeiter <strong>der</strong> Gerichte <strong>der</strong> ordentlichen<br />

Gerichtsbarkeit bzw. über die Staatsanwälte, Beamten, Angestellten


und Arbeiter <strong>der</strong> Generalstaatsanwaltschaften und <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaften" auszuüben.<br />

Nach unserer Überzeugung ist auch mit diesem Wortlaut we<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

böse Anschein aus <strong>der</strong> Welt, dass über den Einzelfall hinaus die<br />

flächendeckende Durchgriffsaufsicht möglich sein soll, noch sind<br />

jedenfalls unzulässige Regelungsinhalte in den Normen, die die<br />

Dienstaufsicht in <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtsbarkeit und <strong>der</strong><br />

Finanzgerichtsbarkeit betreffen, beseitigt.<br />

Um nicht missverstanden zu werden: Auch für uns ist die<br />

Zulässigkeit und die Notwendigkeit <strong>der</strong> Dienstaufsicht unbestritten,<br />

da die Justizgewährleistungspflicht <strong>des</strong> Staates garantiert sein<br />

muss. Das ist ohne Streit.<br />

Dem <strong>vom</strong> Ausschuss gehörten Gutachter Prof. Dr. Rozek <strong>vom</strong> Lehrstuhl<br />

für Öffentliches Recht <strong>der</strong> TU Dresden ist darin beizupflichten,<br />

dass diese Dienstaufsicht eben nicht im Interesse <strong>des</strong> einzelnen<br />

Richters, son<strong>der</strong>n - nicht an<strong>der</strong>s als gerichtliche Unabhängigkeit<br />

auch - im Interesse <strong>der</strong> staatlichen Justizgewährleistungspflicht<br />

stehen muss.<br />

Das verfassungsrechtlich normierte Ewigkeitsprinzip <strong>der</strong><br />

Gewaltenteilung gebietet es aber nach unserer Überzeugung bei aller<br />

Anerkennung <strong>der</strong> gegenseitigen Verschränkung <strong>der</strong> Gewalten in den<br />

Normen, die die richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht als<br />

Korrelationspaar im Rahmen <strong>der</strong> Justizgewährleistungspflicht <strong>des</strong><br />

Staates ausgestalten, stets erkennen zu lassen, dass im sensiblen<br />

Bereich <strong>der</strong> unabhängigen Rechtspflege die richterliche<br />

Dienstaufsicht im Wesentlichen nicht einem Beamten, son<strong>der</strong>n einer<br />

Gerichtsbehörde, dem Gerichtspräsidenten, dem General- bzw.<br />

Oberstaatsanwalt selbst übertragen sein soll. Dies geschieht<br />

<strong>des</strong>wegen, weil die Dienstaufsicht über die Richter die richterliche<br />

Unabhängigkeit tatsächlich tangieren kann und somit in einem engen<br />

Konnex zur Rechtsprechungstätigkeit steht und nicht auszuschließen<br />

ist, dass auch im Rahmen <strong>der</strong> Dienstaufsicht über gerichtliche<br />

Beamte, über Angestellte und Arbeiter die Gefahr besteht, dass <strong>der</strong><br />

Dienstvorgesetzte mittelbar auf die Rechtsprechung einwirkt.<br />

Prof. Rozek wies hier zu Recht auf die in Band 11 <strong>der</strong><br />

Entscheidungssammlung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verwaltungsgerichtes beinhaltete<br />

Entscheidung hin, in <strong>der</strong> es heißt: "Die Dienstaufsicht über<br />

Gerichte und insbeson<strong>der</strong>e über Richter ist aber eine beson<strong>der</strong>s<br />

heikle Aufgabe. Sie ist mit <strong>der</strong> Gefahr behaftet, dass die<br />

richterliche Unabhängigkeit berührt wird." So das<br />

Bun<strong>des</strong>verwaltungsgericht.<br />

Wir erkennen an, dass we<strong>der</strong> die Verfassungslage noch vorgreifende<br />

bun<strong>des</strong>rechtliche Bestimmungen es verbieten, in lan<strong>des</strong>rechtlichen<br />

Regelungen vorzusehen, dass dem jeweiligen Justizministerium die<br />

Kompetenz und Verantwortung als oberste Dienstaufsichtsbehörde über<br />

die Gerichtsbarkeiten zukommt.<br />

Gemeinsam mit Prof. Huber von <strong>der</strong> Juristischen Fakultät in Jena,<br />

den die CDU-Fraktion benannt hatte, gehen wir auch davon aus, dass<br />

das Demokratieprinzip, welches letzten En<strong>des</strong> die Lan<strong>des</strong>regierung<br />

verpflichtet, gegenüber Parlament und Öffentlichkeit dafür<br />

verantwortlich zu sein, dass die Justiz funktioniert, es sogar


gebietet, dass es eine Dienstaufsicht durch das Ministerium <strong>der</strong><br />

Justiz o<strong>der</strong> durch eine oberste Dienstbehörde, die im Lan<strong>des</strong>recht<br />

festgesetzt ist, gibt. Wir opponieren demzufolge nicht gegen die<br />

Frage <strong>der</strong> Aufnahme in das Gesetz.<br />

Aber das Gesetz muss erstens erkennen lassen, dass es we<strong>der</strong> gewollt<br />

ist noch als zugelassen gilt, dass die oberste<br />

Dienstaufsichtsbehörde je<strong>der</strong>zeit anstelle <strong>der</strong> übergeordneten o<strong>der</strong><br />

unteren Dienstaufsichtsbehörde tätig werden kann. Sie soll und darf<br />

es nur dann, wenn die nachgeordneten Aufsichtsebenen ihrer<br />

Verantwortung und Verpflichtung im Einzelfall nicht gerecht werden.<br />

Deshalb schlagen wir vor, die einschlägigen Normen im Bereich <strong>der</strong><br />

ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie <strong>der</strong> Arbeits- und<br />

Sozialgerichtsbarkeit bezogen auf die Stellung <strong>des</strong><br />

Staatsministeriums <strong>der</strong> Justiz unmissverständlich so zu formulieren,<br />

dass das Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz gegenüber dem Präsidenten <strong>des</strong><br />

Oberlan<strong>des</strong>gerichtes bzw. <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>arbeits- o<strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>sozialgerichtes die Dienstaufsicht ausübt bzw. immer dann,<br />

wenn es die Justizgewährung erfor<strong>der</strong>t tätig zu werden, weil<br />

vorgeordnete Aufsichtsebenen versagt haben, dies exakt über den<br />

Präsidenten <strong>des</strong> jeweiligen Obergerichtes rügt. Deshalb haben wir in<br />

den Än<strong>der</strong>ungsanträgen vorgeschlagen, dass die entsprechende<br />

Bestimmung bezogen auf das Justizministerium lauten möge: "Die<br />

Dienstaufsicht üben aus das Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz über den<br />

Präsidenten <strong>des</strong> Oberlan<strong>des</strong>gerichts sowie über den<br />

Generalstaatsanwalt bzw. über die Präsidenten <strong>des</strong> Sozialgerichts<br />

und <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>arbeitsgerichts."<br />

Zweitens hat das Lan<strong>des</strong>recht unabweislich bei <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong><br />

Dienstaufsicht den kompetenzrechtlichen Vorgriff <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>gesetzgebers zu beachten. Demgemäß haben im Bereich <strong>der</strong><br />

konkurrierenden Gesetzgebung die Län<strong>der</strong> nur die Befugnis zur<br />

Gesetzgebung, solange und soweit <strong>der</strong> Bund von seiner<br />

Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.<br />

Hier verweisen wir auf Artikel 72 Abs. 1 Grundgesetz.<br />

In § 38 <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtsordnung hat aber <strong>der</strong> Bund in<br />

Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz bestimmt, dass die<br />

Gerichtspräsidenten im Bereich ihres Gerichts als untere<br />

Dienstaufsichtsbehörde fungieren und dass <strong>der</strong> Präsident <strong>des</strong><br />

Oberverwaltungsgerichtes die übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde<br />

für die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter <strong>der</strong><br />

Verwaltungsgerichte ist. Das ist <strong>der</strong> Abs. 2 <strong>des</strong> § 38.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Hört, hört!)<br />

Diese Regelung ist, so weit sie reicht, abschließend und löst damit<br />

die Sperrwirkung <strong>des</strong> Artikels 72 Grundgesetz aus. Damit ist aber<br />

von vornherein für die modifizierende Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Aussagen <strong>des</strong><br />

§ 38 <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtsordnung im jetzigen Wortlaut <strong>des</strong> § 23<br />

Abs. 1 Nr. 1 und 2 <strong>des</strong> Sächsischen Justizgesetzes in <strong>der</strong> Fassung<br />

<strong>der</strong> Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Verfassungs- und Rechtsausschusses<br />

eindeutig kein Raum. Hier ist die Harmonie doch nicht so groß, Herr<br />

Schiemann, wie Sie annahmen. Auch wir haben weiter geprüft. Am Ende<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebungsverfahrens muss die Weisheit stehen.


Es ist unzulässig, in einer lan<strong>des</strong>rechtlichen Vorschrift, wenn sie<br />

nicht konstitutionell ist, wie unsere Verfassung, bun<strong>des</strong>rechtliche<br />

Regelungen lediglich zu wie<strong>der</strong>holen. Noch unzulässiger ist es aber,<br />

den Regelungsgehalt <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rechts mit an<strong>der</strong>en Worten<br />

wie<strong>der</strong>zugeben. Genau das geschieht aber mit <strong>der</strong> Regelung in § 23<br />

Abs. 1 Nr. 1 und 2. Zumin<strong>des</strong>t bezüglich dieser Bestimmung bleibt<br />

eindeutig <strong>der</strong> Vorwurf <strong>der</strong> verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit im<br />

Raum.<br />

Prof. Huber hat in <strong>der</strong> Anhörung eindeutig gesagt: "Eigenständige<br />

Regelungen, auch inhaltsgleicher Natur, darf <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>gesetzgeber<br />

nicht treffen, wenn <strong>der</strong> Bund abschließend tätig geworden ist."<br />

Auf die gleiche Kritik aus <strong>der</strong> gleichen Begründung heraus muss die<br />

vorgeschlagene Regelung in <strong>der</strong> zur Annahme empfohlenen Norm <strong>des</strong> §<br />

35 Abs. 1 Nr. 1 stoßen. Hier hat nämlich § 31 <strong>der</strong><br />

Finanzgerichtsordnung für die Finanzgerichtsbarkeit eine eindeutige<br />

Zuständigkeitsregelung für die richterliche Dienstaufsicht<br />

getroffen, für die nicht nur eine konkurrierende, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />

Reichweite <strong>des</strong> Artikels 108 Abs. 6 Grundgesetz sogar eine<br />

ausschließliche Bun<strong>des</strong>zuständigkeit besteht. Im Bereich einer<br />

ausschließlichen Zuständigkeit ist <strong>der</strong> Bund nach Artikel 71<br />

Grundgesetz für die Gesetzgebung zuständig, ohne kompetenzmäßig an<br />

weitere Voraussetzungen gebunden zu sein. Die Län<strong>der</strong> sind von<br />

vornherein davon ausgeschlossen, dort Gesetzgebung zu machen. Es<br />

kommt nicht einmal darauf an, dass <strong>der</strong> Bund bereits tätig geworden<br />

ist. Gleichwohl sind erlassene Lan<strong>des</strong>gesetze - hier jedenfalls die<br />

Norm <strong>des</strong> § 35 Abs. 1 Nr. 1 in <strong>der</strong> Beschlussfassung - nichtig.<br />

Wenn wir das so annehmen, beschließen wir eine nichtige Norm.<br />

Lassen Sie die Regelung so im Gesetz, das heißt, folgen Sie unseren<br />

Än<strong>der</strong>ungsvorschlägen zu den Paragraphen 23 und 35 nicht, zwingen<br />

Sie uns in die Überlegung einer Normenkontrollklage.<br />

Wenn Sie nur einen Moment nachdenken: Sollte die Wie<strong>der</strong>holung<br />

bun<strong>des</strong>rechtlicher Normen im Lan<strong>des</strong>gesetz schon möglich sein, so ist<br />

eine im Wortlaut an<strong>der</strong>e Wie<strong>der</strong>gabe einer bun<strong>des</strong>rechtlichen<br />

Vorschrift im Lan<strong>des</strong>recht auf jeden Fall verfassungsrechtlich<br />

unzulässig.<br />

Wir sehen außerhalb <strong>der</strong> Dienstaufsichtsproblematik - dazu noch<br />

einige wenige Worte - noch weiteren Normenkorrekturbedarf - Kollege<br />

Schiemann nahm darauf ausgangs seiner Rede kurz Bezug - im § 42<br />

Abs. 1 Nr. 2 <strong>des</strong> Entwurfs, betreffend die sicherheits- und<br />

ordnungsrechtlichen Befugnisse <strong>der</strong> Justizwachtmeister.<br />

Hier regelt das Gesetz, nachdem wir mit unseren Än<strong>der</strong>ungsanträgen<br />

im Verfassungs- und Rechtsausschuss nicht durchdringen konnten,<br />

dass den Bediensteten <strong>des</strong> Justizwachtmeisterdienstes zur Erfüllung<br />

ihrer Aufgaben im <strong>Sitzung</strong>s- und Vorführdienst, bei <strong>der</strong> Bewachung<br />

<strong>der</strong> Gefangenen, bei <strong>der</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Sicherheit und<br />

Ordnung in Amtsgebäuden o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Vollziehung richterlicher o<strong>der</strong><br />

staatsanwaltlicher Anordnungen - jetzt zitiere ich - "die<br />

Befugnisse <strong>der</strong> Polizeibeamten nach dem Polizeigesetz <strong>des</strong><br />

Freistaates Sachsen gegen sonstige Personen einschließlich <strong>der</strong> dort<br />

vorgesehenen Befugnisse zur Anwendung unmittelbaren Zwangs mit<br />

Ausnahme <strong>des</strong> Schusswaffengebrauchs zukommen" sollen.


Ich wage zu behaupten und will damit keiner Kollegin und keinem<br />

Kollegen dieses Hohen Hauses zu nahe treten, dass, gegebenenfalls<br />

mit Ausnahme <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> Verfassungs- und Rechtsausschusses,<br />

die an <strong>der</strong> Expertenanhörung teilgenommen haben, und vielleicht<br />

einiger Damen und Herren auf <strong>der</strong> Ministerbank, die Volljuristen<br />

sind, niemand in <strong>der</strong> Lage ist jetzt zu bewerten, welche <strong>der</strong> Rechte<br />

und Pflichten in Bezug auf Zwangsmittel aus dem Bereich <strong>des</strong><br />

Polizeigesetzes den Justizwachtmeistern zukommen und welche nicht.<br />

Das darf sich dann sowohl <strong>der</strong> betreffende Justizwachtmeister als<br />

auch <strong>der</strong> jeweils Betroffene aussuchen.<br />

Den Justizwachtmeistern steht lediglich eindeutig nicht <strong>der</strong><br />

Gebrauch von Schusswaffen zu. Diese Regelung ist entbehrlich, weil<br />

sie keine Schusswaffen haben, jedenfalls nicht auf legale Art.<br />

Justizwachtmeister haben keine Schusswaffen.<br />

Alle weiteren Befugnisse aus dem umfänglichen Eingriffkompendium<br />

<strong>des</strong> Polizeigesetzes sind hier mehr o<strong>der</strong> weniger nach Ermessen im<br />

Zugriffsbereich von Justizwachtmeistern. Beim unmittelbaren Zwang -<br />

dazu sage ich später noch etwas - ist zum Beispiel im Polizeigesetz<br />

die Anwendung von Diensthunden, von Wasserwerfern und <strong>der</strong>gleichen<br />

mehr angeführt. Wer entscheidet das?<br />

Wir haben für das Anliegen <strong>des</strong> Justizgesetzes, das im Vorspruch<br />

dahin gehend beschrieben wird, dass selbiges Gesetz neben <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Einräumigkeit <strong>der</strong> Gerichtszuständigkeit mit<br />

den politischen Grenzen die formelle und materielle Deregulierung<br />

<strong>der</strong> Regelungen im Bereich <strong>der</strong> sächsischen Justitz bezweckt, und wir<br />

haben für die Vielzahl versprengter Regelungen, die zusammengefasst<br />

werden, durchaus eine gewisse Sympathie. Dafür sind auch wir in<br />

bestimmten Grenzen, wenngleich wir nicht verhehlen, dass wir nicht<br />

mit dem Standpunkt übereinstimmen, den <strong>der</strong> Vertreter <strong>des</strong><br />

Sächsischen Richtervereins in <strong>der</strong> Expertenanhörung in Entgegnung<br />

auf die Kritik äußerte, dass dieses Gesetz wegen <strong>der</strong> vielfältigen<br />

Verweise auf an<strong>der</strong>e Paragraphen und Normen in an<strong>der</strong>en<br />

Rechtsvorschriften für den Anwen<strong>der</strong> nicht mehr überschaubar ist; er<br />

antwortete - Zitat -, "dass sowieso nur Fachleute mit den Gesetzen<br />

umgehen".<br />

Dies ist ein merkwürdiges Verständnis davon, wie ein Gesetz<br />

angelegt sein soll. Wir nehmen das aber zunächst einmal so zur<br />

Kenntnis. Aber an den Stellen, an denen dieses Organisationsgesetz<br />

grundrechtsrelevante Eingriffe vorsieht, nämlich die Anwendung von<br />

Zwangsmitteln gegen Dritte - nicht einmal gegen den vorgeführten<br />

Beschuldigten, son<strong>der</strong>n gegen Dritte! -, muss jedenfalls für<br />

Anwen<strong>der</strong> und Betroffene ganz klar geregelt sein, welche<br />

Möglichkeiten bzw. Rechte aus dem Polizeigesetzkompendium infrage<br />

kommen und welche nicht.<br />

Weitere kritische Bemerkungen zu diesem Paragraphen werden wir im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Begründung unseres Än<strong>der</strong>ungsantrages vortragen.<br />

Abschließend möchte ich Folgen<strong>des</strong> feststellen: Es gibt auch für uns<br />

keinen Grund, das Anliegen dieses Gesetzentwurfs nicht zu teilen.<br />

In seiner grundsätzlichen Bewertung stimmen wir mit Kollegen<br />

Schiemann und <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU insgesamt überein.


Gerade <strong>des</strong>halb ist es für uns aber nicht nachvollziehbar, weshalb<br />

in das Gesetz Regelungen aufgenommen werden sollen, die das Moment<br />

<strong>der</strong> verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit schon in sich tragen. In<br />

ein Gesetz über die Justiz nehmen wir Regelungen auf, zu denen mit<br />

uns mehrere Gutachter <strong>der</strong> Auffassung sind, dass sie<br />

verfassungsrechtlich nicht haltbar seien.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Für die CDU-Fraktion Herr Abg.<br />

Schiemann, bitte.<br />

Schiemann, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren! Herr Kollege Bartl, Ihre Äußerung zum<br />

"Wasserwerfer im Gerichtssaal" habe ich nicht verstanden.<br />

(Heiterkeit)<br />

Im Rechtsausschuss sprachen Sie nicht von Wasserwerfern. Ich<br />

glaube, nach einigem Nachdenken wird <strong>der</strong> gesunde Menschenverstand<br />

auch den Justizwachtmeister zu <strong>der</strong> Erkenntnis führen, dass das so<br />

nicht funktioniert.<br />

Meine Damen und Herren in diesem Hohen Haus, Sie werden es mir<br />

nachsehen, dass ich im Hinblick auf Wasserwerfer und die<br />

diesbezüglichen Befugnisse <strong>der</strong> Justizwachtmeister ein wenig<br />

überfragt bin, aber <strong>der</strong> gesunde Menschenverstand schließt das aus.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege, zu Beginn Ihrer<br />

Rede sprachen Sie von Eingriffen in laufende Verhandlungen. Noch<br />

vor an<strong>der</strong>thalb Monaten hieß es, <strong>der</strong> Rechtsstaat sei in Sachsen in<br />

Gefahr. Jetzt spricht niemand mehr davon. Es kann nicht sein, dass<br />

eine einzelne Person dafür verantwortlich ist, dass <strong>der</strong> Rechtsstaat<br />

in Gefahr gerät. Ich frage Sie: Warum wie<strong>der</strong>holen Sie das hier? Von<br />

dem, was Sie hier wie<strong>der</strong> als Vermutung vorgetragen haben, ist<br />

nichts bewiesen. Ich habe mich in meiner Rede sehr mo<strong>der</strong>at<br />

verhalten. Von Ihren Äußerungen kann man das lei<strong>der</strong> nicht<br />

behaupten. Sie haben hier weiterhin Vermutungen gestreut.<br />

Der Rechtsstaat war in Gefahr in einer Zeit, die viele von Ihnen<br />

miterlebt haben. Damals wurde in Gerichtsverfahren von politischer<br />

Seite und nicht über die Dienstaufsicht eingegriffen. Politisch<br />

sind Entscheidungen vorgegeben worden. Diese Zeit wollen wir nicht<br />

zurückhaben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall <strong>des</strong> Abg. Tippach, PDS)<br />

Ich komme zu einem zweiten Punkt. Es ist immer so getan worden, als<br />

ob die Frage <strong>der</strong> Dienstaufsicht direkt mit dem Ausgang einer<br />

Entscheidung zusammenhänge. Sie sind gerichtserfahren, auch in <strong>der</strong><br />

neuen Zeit haben Sie Erfahrungen gesammelt. Sie wissen, dass ein<br />

Richter im Freistaat Sachsen auch durch die Verfassung ein solches<br />

Maß an Selbstbewusstsein erhält, das ihm unabhängige Entscheidungen<br />

ermöglicht. Das wird auch künftig so bleiben. Das musste ich vorab<br />

sagen, denn ich halte es für unfair, wenn man unbewiesene<br />

Behauptungen vor dem Hohen Haus erneut vorträgt, obwohl eine<br />

Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingestellt hat.<br />

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das ist manchmal so!)<br />

- Werte Frau Kollegin, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen<br />

eingestellt. Das ist kein Quatsch, son<strong>der</strong>n eine Äußerung <strong>der</strong>


Staatsanwaltschaft. Ich habe lediglich die Ausführungen <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft zu ihren eigenen Ermittlungen wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

Vorhin bin ich aus <strong>der</strong> Anhörung zitiert worden. Den korrekten<br />

Wortlaut möchte ich gern wie<strong>der</strong>geben. Zum Schluss <strong>der</strong> Anhörung im<br />

Verfassungs- und Rechtsausschuss stellte ich die Frage, ob die<br />

Dienstaufsicht in <strong>der</strong> Form durchgeführt werden kann, wenn das<br />

Justizministerium beteiligt ist. Stellvertretend für die Experten<br />

hat Prof. Huber geantwortet - ich zitiere aus Seite 35 <strong>des</strong><br />

Anhörungsprotokolls: "Wenn ich vielleicht antworten darf: Die<br />

Dienstaufsicht führt <strong>der</strong> Minister, wenn <strong>der</strong> Minister nicht kann,<br />

sein Vertreter o<strong>der</strong> ein von ihm benannter Vertreter, aber nicht das<br />

Ministerium als Behörde."<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu den<br />

Än<strong>der</strong>ungsanträgen. Wir sind <strong>der</strong> Meinung, dass <strong>der</strong> Weg, den wir in<br />

<strong>der</strong> Beschlussempfehlung festgeschrieben haben, auch durch die<br />

Anhörung verfassungsrechtlich in keiner Weise beanstandet worden<br />

ist.<br />

Ich bedanke mich auch noch einmal bei Ihnen, dass Sie auf Prof.<br />

Huber verwiesen haben. Im gleichen Atemzug ist ihm nämlich Prof.<br />

Rozek beigesprungen. Ich zitiere noch einmal aus Seite 35 <strong>des</strong><br />

Protokolls, weil mich Frau Kollegin Schwarz ein wenig ungläubig<br />

anschaut. Prof. Dr. Rozek sagte: "Das kann ich nur bestätigen."<br />

Dies bezieht sich auf die Äußerung Prof. Hubers. Damit haben zwei<br />

Experten gesagt: Das ist <strong>der</strong> Weg, den wir gehen können.<br />

Der Rechtsausschuss hat Ihnen jetzt eine Normierung als<br />

Beschlussempfehlung vorgeschlagen.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie sich nicht weiter<br />

verwirren, son<strong>der</strong>n folgen Sie <strong>der</strong> Beschlussempfehlung!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Für die SPD-Fraktion Frau Abg. Dr.<br />

Schwarz, bitte.<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!<br />

Herr Kollege Schiemann, was die Betrachtung <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

angeht, so bin ich nicht <strong>der</strong> Meinung, dass <strong>der</strong> Rechtsstaat durch<br />

die politische Einflussnahme gefährdet war; nach meiner Auffassung<br />

war es kein Rechtsstaat.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wie Sie und auch Kollege Bartl halte ich eine Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

in verschiedenen Gesetzen verteilten Vorschriften durchaus für<br />

sinnvoll. Auch die im Zuge <strong>der</strong> Gemeindegebietsreform notwendige<br />

Neustrukturierung <strong>der</strong> Zuständigkeiten <strong>der</strong> einzelnen Gerichtszweige<br />

war zwingend erfor<strong>der</strong>lich, obwohl nicht auszuschließen ist, dass es<br />

auch in Zukunft Än<strong>der</strong>ungsbedarf geben könnte. Gerade <strong>der</strong> Bezug auf<br />

die Gemeindegebietsreform erklärt auch, dass sich dieses Haus recht<br />

schnell mit diesem Gesetzentwurf befasst hat, denn in <strong>der</strong><br />

Justizverwaltung sind bis zum In-Kraft-Treten am 1.1.2001 noch<br />

erhebliche Aufgaben zu bewältigen.<br />

Dennoch kam <strong>der</strong> Zusammenfassung dieser Gesetzesmaterialien eine<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Dabei ging es insbeson<strong>der</strong>e - auch ich<br />

möchte mich darauf beziehen - um die Dienstaufsicht <strong>des</strong><br />

Justizministers, vor allem im Bereich <strong>der</strong> Finanz- und


Verwaltungsgerichtsbarkeit. Schließlich hatte <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzgeber<br />

für diesen Bereich <strong>der</strong> Justiz mit guten Gründen bereits eine an<strong>der</strong>e<br />

Regelung getroffen. Auch ich möchte noch einmal § 38 Abs. 1<br />

Verwaltungsgerichtsordnung - ein Bun<strong>des</strong>gesetz - zitieren:<br />

"Der Präsident <strong>des</strong> Gerichts übt die Dienstaufsicht über die<br />

Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus."<br />

Absatz 2 <strong>der</strong> Vorschrift behandelt weiterhin die Frage <strong>der</strong><br />

übergeordneten Dienstaufsicht und weist diese dem Präsidenten <strong>des</strong><br />

Oberverwaltungsgerichts zu.<br />

Man erkennt zweifelsohne, dass <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Dienstaufsicht durch<br />

den Bun<strong>des</strong>gesetzgeber insoweit bereits geregelt ist. Dieser ähnlich<br />

für die Finanzgerichtsbarkeit getroffenen Lösung kann man im<br />

Vergleich mit den an<strong>der</strong>en Gerichtszweigen einen Ausnahmecharakter<br />

bescheinigen; denn <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzgeber hat dort, wo ein<br />

Gerichtszweig die Rechtskontrolle <strong>der</strong> Verwaltungsakte <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>regierungen und ihrer nachgeordneten Behörden vornimmt, eine<br />

Ausnahme geschaffen: Man hat diejenigen, die als unabhängige<br />

Richter die Exekutive zu kontrollieren haben, nicht einer direkten<br />

Kontrolle seitens dieser Exekutive unterstellen wollen.<br />

Im Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung sollte alles beim Alten<br />

bleiben. Im Zuge <strong>der</strong> Anhörung zu diesem Komplex haben wir alle nur<br />

zu deutlich gehört, dass diese Regelung nicht verfassungskonform<br />

war, denn sie ermöglichte <strong>vom</strong> Wortlaut her eine flächendeckende<br />

Dienstaufsicht <strong>des</strong> Ministeriums bis hinab zum einzelnen<br />

Verwaltungsrichter. Dies wurde schon von meinem Kollegen Bartl als<br />

direkte Durchgriffsaufsicht bezeichnet.<br />

Zur notwendigen Distanz <strong>der</strong> Exekutive gegenüber <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

hat dies unserer Ansicht nach nicht geführt. Darüber ist in den<br />

letzten Monaten viel geschrieben und geredet worden. Aber wir<br />

sollten jetzt auch den Blick nach vorn richten. So erfolgte im Zuge<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebungsverfahrens eine Korrektur durch die CDU-Fraktion.<br />

Man will, so wie diese Vorlage heute zur Abstimmung gelangen soll,<br />

die oberste Dienstaufsicht für das Ministerium festschreiben. Bei<br />

Annahme unserer Än<strong>der</strong>ungsanträge im Verfassungs- und<br />

Rechtsausschuss wäre eine ganz klare und deutlich bessere Regelung<br />

möglich gewesen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Mit <strong>der</strong> jetzigen Fassung wird <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Stellung <strong>der</strong><br />

Finanzgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit eben nicht<br />

ausreichend Rechnung getragen. Ein Verweis auf die<br />

Finanzgerichtsordnung und die Verwaltungsgerichtsordnung wäre hier<br />

sinnvoller gewesen, weil es unsere Auffassung ist, dass uns für<br />

diesen Bereich <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzgeber nicht überlassen hat, dies<br />

noch extra zu regeln. Es wäre besser gewesen, nur die Verbindung<br />

zwischen Ministerium und Oberverwaltungsgerichtspräsidenten bzw.<br />

Finanzgerichtspräsidenten zu normieren.<br />

So allerdings wird auch in Zukunft nach Ansicht meiner Fraktion<br />

nicht deutlich genug, dass ein Durchgriff durch das Ministerium nur<br />

für den absoluten Ausnahmefall gegeben sein kann.<br />

Abschließend - ich denke, da treffen wir uns wie<strong>der</strong> - sollte uns<br />

daran gelegen sein, we<strong>der</strong> aus Sicht <strong>der</strong> einen noch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en


Seite das Instrument <strong>der</strong> Dienstaufsicht zu benötigen. Ich hoffe,<br />

dass dieses Thema nicht zu einem Dauerbrenner hier im Parlament<br />

wird.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von den Abgeordneten noch das<br />

Wort gewünscht? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann bitte ich Herrn<br />

Minister Kolbe.<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz: Sehr geehrte Frau Präsidentin!<br />

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor kurzem haben wir<br />

hier im Plenarsaal <strong>des</strong> Sächsischen Landtages zehn Jahre<br />

Wie<strong>der</strong>entstehung <strong>des</strong> Freistaates Sachsen gefeiert. Die friedliche<br />

Revolution von 1989/90 hat es ermöglicht, dass auch in Sachsen<br />

wie<strong>der</strong> ein Rechtsstaat aufgebaut werden konnte. Seitdem haben wir<br />

über 3 500 Gesetze und Verordnungen in Kraft gesetzt, ganze<br />

Gerichtszweige neu aufgebaut, wie etwa die<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit, zahlreiche Justizvollzugsanstalten mit<br />

einem Kostenaufwand von einer knappen halben Milliarde D-Mark<br />

mo<strong>der</strong>nisiert. Heute arbeiten im Geschäftsbereich <strong>des</strong><br />

Justizministeriums etwas über 8 000 Richter, Rechtspfleger, Beamte,<br />

Angestellte und Arbeiter.<br />

Dieser Aufbau <strong>des</strong> Rechtsstaates im Freistaat Sachsen findet mit <strong>der</strong><br />

heute bevorstehenden Verabschiedung <strong>des</strong> Sächsischen Justizgesetzes<br />

einen gewissen Abschluss. Allen Beteiligten, ob aus Ost o<strong>der</strong> West,<br />

die daran in den vergangenen zehn Jahren mitgewirkt haben, möchte<br />

ich hiermit namens <strong>der</strong> Sächsischen Staatsregierung auch noch einmal<br />

ganz herzlich danken.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Sie haben während <strong>der</strong> letzten zehn Jahre ein gutes Stück innere<br />

Einheit in Deutschland geschaffen. Diese Aufbauleistung <strong>der</strong> letzten<br />

zehn Jahre bleibt auch für immer mit dem Namen meines Vorgängers<br />

Steffen Heitmann verbunden, <strong>der</strong> in seiner Person exemplarisch den<br />

Übergang von <strong>der</strong> friedlichen Revolution über die Verfassung <strong>des</strong><br />

Freistaates Sachsen hin zum Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz<br />

verkörpert.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ihre Unterstellungen, Herr Bartl, was die Rechtsstaatlichkeit <strong>der</strong><br />

sächsischen Justiz betrifft, möchte ich daher ganz entschieden<br />

zurückweisen.<br />

Nun zum Sächsischen Justizgesetz: Das Sächsische Justizgesetz<br />

verfolgt zwei Ziele: Zum einen - das hat mein Vorredner Marko<br />

Schiemann schon ausführlich erläutert - erfolgt eine Anpassung <strong>der</strong><br />

Gerichtszuständigkeiten an die Kreis- und Gemeindegebietsreform.<br />

Zum an<strong>der</strong>en werden alle die Justiz betreffenden lan<strong>des</strong>rechtlichen<br />

Regelungen in einem Gesetz zusammengefasst, also die<br />

Gerichtsorganisation, die Dienstaufsicht bei Richtern und<br />

Staatsanwälten, verfahrensrechtliche Bestimmungen und das<br />

Justizkostenrecht. Mit dieser Gesamtkodifikation aller<br />

lan<strong>des</strong>rechtlichen Justizvorschriften in einem Gesetz hat <strong>der</strong><br />

Freistaat Sachsen bun<strong>des</strong>weit eine Vorreiterrolle übernommen.<br />

Sachsens Justiz ist also innovativ <strong>vom</strong> elektronischen Grundbuch bis


zum heute dem Parlament vorliegenden Entwurf eines Sächsischen<br />

Justizgesetz.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Gegenstand intensiver Diskussionen - das haben ja auch schon meine<br />

Vorredner dargetan - war während <strong>des</strong> Gesetzgebungsverfahrens die in<br />

den §§ 15, 23,29, 32 und 35 zu treffende Regelung <strong>der</strong><br />

Zuständigkeiten für die Dienstaufsicht bei den sächsischen Richtern<br />

und Staatsanwälten. Die künftige Regelung <strong>der</strong> Dienstaufsicht war<br />

auch eines <strong>der</strong> zentralen Themen <strong>der</strong> justizpolitischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung dieses Sommers, war das beherrschende Thema <strong>der</strong><br />

Anhörung am 9. Oktober und ist - wie Sie vielleicht alle aus <strong>der</strong><br />

Debatte <strong>der</strong> letzten Stunde bemerkt haben - kein einfaches<br />

juristisches Thema.<br />

Die Dienstaufsicht über Richter und Staatsanwälte liegt nämlich im<br />

Schnittpunkt zwischen vollziehen<strong>der</strong> und rechtsprechen<strong>der</strong> Gewalt und<br />

hat <strong>des</strong>halb schon immer - nicht nur in Sachsen und nicht nur in<br />

diesem Jahr - Anlass zu schwierigen Abgrenzungsfragen gegeben.<br />

Einerseits darf nämlich die Dienstaufsicht nicht in die<br />

verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit <strong>der</strong> Richter<br />

eingreifen, an<strong>der</strong>erseits erfor<strong>der</strong>t die Justizgewährungspflicht <strong>des</strong><br />

Staates ein pflichtgemäßes Handeln <strong>der</strong> Gerichte. § 26 Deutsches<br />

Richtergesetz unterstellt daher Richter einer Dienstaufsicht, aber<br />

nur insoweit, wie ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt ist. Die<br />

Notwendigkeit einer solchen Dienstaufsicht ist in Deutschland<br />

unbestritten. Lediglich die Richter <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichtes<br />

unterliegen keiner Dienstaufsicht.<br />

Die CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag hat nun während <strong>des</strong><br />

Gesetzgebungsverfahrens Än<strong>der</strong>ungseinträge eingebracht und die<br />

bisherige Gesetzesformulierung präzisiert. Die Dienstaufsicht<br />

obliegt grundsätzlich den Präsidenten und Direktoren <strong>der</strong> Instanz-<br />

und Obergerichte sowie dem Generalstaatsanwalt und Leitern <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaften. Das Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz hat im<br />

Regelfall nur die Aufsicht über die Präsidenten <strong>der</strong> Obergerichte<br />

und den Generalstaatsanwalt, kann aber auch in Zukunft in<br />

begründeten Einzelfällen zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen<br />

gegenüber einzelnen Richtern und Staatsanwälten befugt sein. Ein<br />

solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn Gefahr im Verzug<br />

gegeben ist o<strong>der</strong> wenn einer Anordnung zum dienstaufsichtlichen<br />

Einschreiten nicht nachgekommen wird.<br />

Damit wird das in <strong>der</strong> Diskussion schon oft erwähnte weitestgehend<br />

geltende Subsidiaritätsprinzip in Bezug auf die Dienstaufsicht für<br />

Gerichte und Staatsanwaltschaften auch ausdrücklich gesetzlich<br />

verankert. Zur weiteren Unterstreichung dieser Subsidiarität <strong>der</strong><br />

Dienstaufsicht durch den Staatsminister <strong>der</strong> Justiz wurde auch die<br />

Reihenfolge <strong>der</strong> Zuständigkeiten umgekehrt. Das Staatsministerium<br />

steht nunmehr auch numerisch am Ende <strong>der</strong> Kette <strong>der</strong><br />

dienstaufsichtsführenden Stellen.<br />

Diese sächsische Regelung, die Sie wohl in Kürze verabschieden<br />

werden, entspricht auch <strong>der</strong> Regelung, Herr Bartl, in allen an<strong>der</strong>en<br />

deutschen Län<strong>der</strong>n, in denen wir ein Justizministerium als<br />

Rechtspflegeministerium haben. Sie entspricht auch <strong>der</strong> Regelung in


Mecklenburg-Vorpommern, wo Ihre Partei mitregiert; und sie ist<br />

sogar eingeschränkter als etwa in Sachsen-Anhalt, wo Sie auch<br />

faktisch mitregieren, wo wir keine Beschränkung als oberste<br />

Dienstaufsichtsbehörde haben. Sie müssen also schleunigst dorthin<br />

gehen und auf die angebliche Verfassungswidrigkeit aufmerksam<br />

machen.<br />

Lediglich Bayern und Baden-Württemberg haben eine etwas an<strong>der</strong>e<br />

Regelung, die aber historisch zu erklären ist, weil dort die<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit einmal beim Innenministerium<br />

ressortierte bzw. noch ressortiert und <strong>des</strong>halb die Dienstaufsicht<br />

an<strong>der</strong>s geregelt ist. Ansonsten stimmt die sächsische Regelung mit<br />

<strong>der</strong> in allen an<strong>der</strong>en 14 Län<strong>der</strong>n überein. Das muss einmal<br />

festgehalten werden, weil hier vielfach von <strong>der</strong> sächsischen<br />

Son<strong>der</strong>situation o<strong>der</strong> von einer Beson<strong>der</strong>heit in Sachsen die Rede<br />

war. Das ist schlicht und ergreifend falsch.<br />

Diese sächsische Regelung ist mit § 38 VwGO vereinbar. Das hat auch<br />

die Anhörung ergeben, Herr Bartl.<br />

Die Präzisierung dieser Dienstaufsicht ist auch im zuständigen<br />

Ausschuss ohne Gegenstimmen erfolgt. Auch dies spricht dafür, dass<br />

sie verfassungsgemäß ist, und nach meiner festen Überzeugung wird<br />

diese Präzisierung <strong>der</strong> Dienstaufsicht dazu beitragen, dass sich die<br />

Justizdiskussion <strong>der</strong> letzten Monate in Sachsen weiter versachlichen<br />

wird.<br />

Lassen Sie mich ganz zum Schluss auch noch auf die Regelung in §<br />

42, betreffend die Befugnisse <strong>der</strong> Justizwachtmeister, eingehen.<br />

Auch diese Regelung ist in <strong>der</strong> Anhörung intensiv von den<br />

Parlamentariern hinterfragt worden und alle Sachverständigen waren<br />

übereinstimmend <strong>der</strong> Auffassung, dass die Regelung im § 42<br />

verfassungs- und rechtmäßig ist.<br />

Die Sächsische Staatsregierung begrüßt also dieses Sächsische<br />

Justizgesetz. Es ist mo<strong>der</strong>n und innovativ und es wird Sachsens<br />

Justiz weiter nach vorn bringen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 <strong>der</strong> Geschäftsordnung<br />

schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzesentwurf in Teilen in <strong>der</strong><br />

Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu<br />

beraten und abzustimmen. Gibt es dagegen Wi<strong>der</strong>spruch? - Das ist<br />

nicht <strong>der</strong> Fall.<br />

Ich rufe auf das Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen,<br />

Beschlussempfehlung und Bericht <strong>des</strong> Verfassungs- und<br />

Rechtsausschusses in <strong>der</strong> Drucksache 3/2842, Teil 1, Örtliche<br />

Zuständigkeiten und Sitz <strong>der</strong> Gerichte und Staatsanwaltschaften. Das<br />

sind die §§ 1 bis 8. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Ich sehe Einstimmigkeit.<br />

Ich rufe auf Teil 2, Organisations- und Verfahrensrecht. Das sind<br />

die §§ 9 bis 41. Dazu gibt es eine Reihe von Än<strong>der</strong>ungsanträgen. Ich<br />

rufe auf die Drucksache 3/3026, Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

PDS zu § 15 Abs. 1 Nr. 6. Möchte dazu gesprochen werden? - Bitte,<br />

Herr Abg. Bartl.


Bartl,PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!<br />

Zwei Vorbemerkungen zur Begründung <strong>des</strong> Antrages.<br />

1. Wir sind völlig in Übereinstimmung mit dem Herrn Staatsminister,<br />

dass die Regelung, wonach im Gesetz definiert wird, dass das<br />

Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz die oberste Dienstaufsichtsbehörde<br />

über die Richter, Staatsanwälte und <strong>der</strong>gleichen mehr ist, korrekt<br />

ist. Wir sind dankbar, dass sie aufgenommen wurde, und waren<br />

insofern auch in völliger Übereinstimmung mit <strong>der</strong> CDU-Fraktion. Das<br />

ist ein Stück wichtig. Aus dem Rechtsverständnis heraus ist klar,<br />

dass das Subsidiaritätsprinzip besteht.<br />

2. Wir haben eine differenzierte Konstellation, die auch den<br />

Bun<strong>des</strong>gesetzgeber veranlasst hat zu differenzieren. Er hat zur<br />

ordentlichen Gerichtsbarkeit, zur Sozialgerichtsbarkeit und zur<br />

Arbeitsgerichtsbarkeit bun<strong>des</strong>rechtlich keine Regelung über die<br />

Dienstaufsicht getroffen, wenn ich das Deutsche Richtergesetz<br />

einmal herausnehme, aber keine expressis verbis getroffenen<br />

Regelungen, die dem § 38 Verwaltungsgerichtsordnung o<strong>der</strong> dem § 31<br />

Finanzgerichtsordnung entsprechen. Zu Verwaltungsgerichten und<br />

Finanzgerichten hat er Regelungen getroffen, und zwar aus gutem<br />

Grund. Hier wollte <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzgeber im Bereich <strong>der</strong><br />

konkurrierenden bzw. ausschließlichen Zuständigkeit klarstellen,<br />

was er bun<strong>des</strong>gesetzlich wie formuliert haben will. Definitiv! Daran<br />

ist <strong>der</strong> Freistaat gebunden. Das darf er we<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>holen noch<br />

selber mit an<strong>der</strong>en Worten wie<strong>der</strong>geben.<br />

3. Herr Staatsminister, ich bin mit Ihnen nicht einverstanden und<br />

es ist auch nicht korrekt, dass die an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> denselben<br />

Wortlaut haben. Sie haben ja vorhin gesagt, wir haben ein ganz<br />

originäres Gesetz mit ganz originärem Wortlaut zur Dienstaufsicht.<br />

Unser Beschwer, betreffend die ordentliche Gerichtsbarkeit, die<br />

Arbeitsgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit, ist zunächst,<br />

dass wir wollen, dass <strong>der</strong> böse Anschein aus dem Gesetz rauskommt,<br />

<strong>der</strong> durch die Formulierung entsteht: "Die oberste<br />

Dienstaufsichtsbehörde über die Richter, die Staatsanwälte, die<br />

Beamten, die Arbeiter, die Angestellten <strong>der</strong> Gerichte und<br />

Staatsanwaltschaften ist das Ministerium <strong>der</strong> Justiz", weil das<br />

wie<strong>der</strong> nach Durchgriffsaufsicht und Missverständnis riecht.<br />

Was verbietet es uns denn, analog wie wir es mit dem Antrag zu § 15<br />

begehren, und <strong>des</strong>wegen kann ich es gleich vorwegnehmen, in § 29<br />

Abs. 1 und in § 32 Abs. 1, eben betreffend die ordentliche<br />

Gerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit und die<br />

Sozialgerichtsbarkeit, hineinzuschreiben, dass das<br />

Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz als oberste Dienstaufsichtsbehörde<br />

ihre Dienstaufsicht über die Präsidenten ausübt und durchsetzt und<br />

dort, wo jemand versagt, wo Gefahr im Verzug besteht und<br />

<strong>der</strong>gleichen mehr, dann tatsächlich über die Präsidenten tätig wird,<br />

damit <strong>der</strong> Richter unten wegen <strong>der</strong> Sensibilität <strong>der</strong> richterlichen<br />

Unabhängigkeit - jetzt sage ich einmal - den Dienstaufsichtsdruck<br />

von seinem Präsidenten bekommt, <strong>vom</strong> Präsidenten <strong>des</strong> Obergerichts<br />

und nicht aus <strong>der</strong> exekutiven Behörde heraus?<br />

Das ist das Anliegen dieses Antrags. Es än<strong>der</strong>t sich damit überhaupt<br />

nichts am Anliegen <strong>des</strong> Gesetzes. Es ist auch keine Glaubensfrage,


son<strong>der</strong>n eine Formulierungsfrage. Es vermeidet aber den bösen<br />

Anschein und <strong>des</strong>halb bitten wir, diesen Antrag zunächst und dann<br />

analog die Anträge, die für die Sozialgerichtsbarkeit und die<br />

Arbeitsgerichtsbarkeit das gleiche Anliegen verfolgen, auch den<br />

gleichen Wortlaut in <strong>der</strong> Begründung haben, so anzunehmen.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wer möchte zum Antrag sprechen? -<br />

Bitte, Herr Abg. Schiemann.<br />

Schiemann, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren! In <strong>der</strong> Tat ist es so, dass wir das Thema als<br />

zentrales Thema auch in <strong>der</strong> Diskussion im Rechtsausschuss hatten.<br />

Wir haben natürlich dort auch eine Abwägung gesucht.<br />

Wir haben auch im Nachgang in <strong>der</strong> CDU-Fraktion nochmals geprüft, ob<br />

wir uns auf <strong>der</strong> sicheren Seite befinden, haben dann auch für uns<br />

abgewogen, ob die Entscheidung im Rechtsausschuss die richtige war.<br />

Ich sage: Das ist geschehen auch mit Hinzunahme <strong>der</strong> Äußerungen, die<br />

in <strong>der</strong> Anhörung getätigt worden sind, und ich bediene mich an <strong>der</strong><br />

Stelle noch einmal einer Äußerung von Herrn Prof. Dr. Rozek. Ich<br />

hatte ihm ebenfalls genau diese Frage im Zusammenhang mit § 38<br />

Verwaltungsgerichtsordnung und § 31 Finanzgerichtsordnung gestellt<br />

und er hat die Frage insoweit beantwortet - ich zitiere Seite 35<br />

<strong>des</strong> Anhörungsprotokolls: "Ich hatte die Frage schon mehrfach<br />

beantwortet. Die Regelung <strong>der</strong> obersten Dienstaufsicht auf<br />

ministerieller Ebene fällt in die Lan<strong>des</strong>gesetzgebungskompetenz."<br />

Damit wäre Ihr in <strong>der</strong> Rede erst vorgebrachter Einwand entkräftet.<br />

Es wäre Lan<strong>des</strong>gesetzgebungskompetenz. Ich zitiere weiter den<br />

genannten Prof. Dr. Rozek auf Seite 35 <strong>des</strong> Anhörungsprotokolls:<br />

"Sie wird we<strong>der</strong> durch § 38 Verwaltungsgerichtsordnung noch für die<br />

Finanzgerichtsbarkeit durch § 31 Finanzgerichtsordnung<br />

ausgeschlossen." Das heißt mit an<strong>der</strong>en Worten: Ihrem Antrag bitte<br />

ich nicht zu folgen.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Zum Antrag bitte noch Frau Dr.<br />

Schwarz.<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD: Wir werden den Än<strong>der</strong>ungsanträgen <strong>der</strong> PDS-<br />

Fraktion zur Dienstaufsicht zustimmen,<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

weil wir <strong>der</strong> Meinung sind, dass diese Form die Dienstaufsicht<br />

klarer im Wortlaut regelt.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gibt es weiteren<br />

Diskussionsbedarf? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann lasse ich jetzt<br />

abstimmen über die Drucksache 3/3026. Wer möchte die Zustimmung<br />

geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei<br />

einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist <strong>der</strong> Antrag dennoch<br />

mehrheitlich abgelehnt worden.<br />

Ich rufe jetzt die Drucksache 3/3029 auf. Gibt es dazu noch<br />

Redebedarf? - Bitte, Herr Abg. Bartl.<br />

Bartl, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Während es vorhin bei <strong>der</strong> Begründung <strong>des</strong> Antrages, <strong>der</strong><br />

analog zur Sozialgerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit gilt,<br />

eine Frage <strong>des</strong> Stils, <strong>der</strong> Formulierung, <strong>der</strong> Vermeidung <strong>des</strong> bösen


Anscheins im Wortlaut war, geht es im Antrag 3/2842 und bei dem,<br />

<strong>der</strong> die Finanzgerichtsbarkeit betrifft, um eine rechtliche Frage,<br />

um eine verfassungsrechtlich relevante Problematik, nämlich um die<br />

Frage, ob <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>gesetzgeber in einem Lan<strong>des</strong>gesetz den Wortlaut<br />

einer artgleichen Bestimmung, die im Bun<strong>des</strong>gesetz enthalten ist,<br />

ins Lan<strong>des</strong>gesetz an<strong>der</strong>s aufnehmen darf.<br />

Das heißt, dass man nicht den Wortlaut <strong>des</strong> § 38<br />

Verwaltungsgerichtsordnung hier hineinschreiben darf - schon das<br />

wäre bedenklich, jedenfalls wäre es ein Nullum, entbehrlich, wie<br />

ein Gutachter sagte -, aber eine modifizierte Form <strong>der</strong><br />

bun<strong>des</strong>rechtlichen Regelung aufzunehmen ist nach unserer Überzeugung<br />

verfassungsrechtlich unzulässig. Richtig: unzulässig. Das würde<br />

bedeuten, wenn <strong>der</strong> § 23, wie er jetzt drin ist, so aufgenommen wird<br />

und unserem Antrag nicht gefolgt wird, zu schreiben, das<br />

Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz übt die Dienstaufsicht über den<br />

Präsidenten <strong>des</strong> Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes aus, und alles<br />

an<strong>der</strong>e, was im § 23 drin ist, wegzulassen, weil es im § 38<br />

Verwaltungsgerichtsordnung steht, minimal, aber wesentlich den<br />

Wortlaut aus dem § 38 zu übernehmen. Minimal; das müssten wir<br />

wenigstens machen. Wenn das nicht geschieht, ist das<br />

verfassungsrechtlich unzulässig.<br />

Damit nimmt das Hohe Haus nach unserer Überzeugung eine<br />

verfassungsrechtlich unzulässige Vorschrift in § 23 betreffend die<br />

Dienstaufsicht über die Verwaltungsgerichte auf, die den Teil <strong>der</strong><br />

Richterschaft, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Debatte, die ich vorhin in Bezug nahm -<br />

sehr wohl berechtigt, denn sie hat über Monate tatsächlich<br />

stattgefunden, von den Verwaltungsrichtern ausgehend, einem Teil<br />

davon -, die exakt diesen Kreis betrifft, wenn wir diesen Bedenken<br />

Vorschub leisten. Das möge je<strong>der</strong> bedenken, <strong>der</strong> abstimmt und dabei<br />

nicht überdenkt, was wir damit an positiven Anliegen verfolgen<br />

wollen: einfach eine rechtsförmige Regelung schaffen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Frau Dr. Schwarz.<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD: Was die Än<strong>der</strong>ungsanträge zur Dienstaufsicht<br />

<strong>der</strong> Verwaltungsgerichte und Finanzgerichte betrifft, habe ich mich<br />

dazu schon in meiner Rede geäußert. In diesem Sinne haben wir<br />

unsere Än<strong>der</strong>ungsanträge auch im Ausschuss gestellt und werden dem<br />

auch zustimmen.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Schiemann.<br />

Schiemann, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren! Wir haben uns über die Verfassungsmäßigkeit im<br />

Ausschuss unterhalten, Herr Kollege Bartl. Wir haben diese beiden<br />

Wege - die zwei Wege sind möglich - als verfassungsgemäß angesehen.<br />

Der Vorwurf bezüglich <strong>des</strong> Weges, den Sie jetzt als nicht<br />

verfassungsgemäß kritisieren, ist haltlos.<br />

Ich sage Ihnen Folgen<strong>des</strong>: Wir sind nach Abwägung <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

durchaus <strong>der</strong> Meinung, dass man diesen Vorschlag, den <strong>der</strong> Ausschuss<br />

erarbeitet hat, als verfassungsgemäß ansehen kann. Die Anhörung<br />

gibt uns den entsprechenden Rückhalt dafür. Wir haben die Frage<br />

auch noch einmal im Nachgang zu <strong>der</strong> Ausschusssitzung abgewogen und


sind <strong>der</strong> Meinung, dass das Parlament Ihrem Vorschlag nicht folgen<br />

sollte.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Bartl.<br />

Bartl, PDS: Ich möchte noch einmal von meinem Erwi<strong>der</strong>ungsrecht<br />

Gebrauch machen. Denn sich hier damit zu befassen macht ein<br />

Hun<strong>der</strong>tstel <strong>des</strong> Zeitaufwan<strong>des</strong> aus, <strong>der</strong> entstehen würde, wenn ein<br />

Normenkontrollverfahren käme.<br />

Herr Schiemann, um die entscheidende Frage drücken Sie sich in <strong>der</strong><br />

Stellungnahme permanent. Wir wollten bloß die Antwort auf die<br />

Berechtigung unseres folgenden Vorwurfs haben: Darf <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>gesetzgeber in eine lan<strong>des</strong>rechtliche Vorschrift im Bereich<br />

<strong>der</strong> konkurrierenden Gesetzgebung, in dem <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzgeber in<br />

Wahrnahme seiner Kompetenzen in dieser konkurrierenden Gesetzgebung<br />

- in § 38 <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtsordnung - einen klaren Wortlaut<br />

geschaffen hat, den Sinngehalt dieser bun<strong>des</strong>rechtlichen Vorschrift<br />

mit an<strong>der</strong>en Worten in <strong>der</strong> lan<strong>des</strong>rechtlichen Vorschrift wie<strong>der</strong>geben<br />

und damit zwei verschiedene Rechtslagen schaffen?<br />

Der Verwaltungsrichter hat einmal die Reichweite <strong>des</strong> § 38 <strong>der</strong><br />

Verwaltungsgerichtsordnung und einmal die Reichweite <strong>des</strong> § 23 <strong>des</strong><br />

Sächsischen Justizgesetzes. Es muss doch jedem Laien eingehen, dass<br />

das nicht geht, und <strong>des</strong>halb fechten wir für diese Regelung. Es ist<br />

doch nachgerade logisch, dass es so nicht verfassungskonform, nicht<br />

korrekt ist und bedenklich sein muss.<br />

Über diese Problematik muss man doch genauso reden können, wie man<br />

in <strong>der</strong> Bauordnung darüber reden kann, dass man keine tragenden<br />

Mauern abreißt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gibt es weiteren Redebedarf? -<br />

Herr Minister Kolbe.<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz: Herr Bartl, das ist in <strong>der</strong><br />

Anhörung lang und breit diskutiert worden, das war zentraler<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Anhörung. Wir haben es dann auch noch einmal im<br />

Ausschuss diskutiert und alle Sachverständigen - auch <strong>der</strong> von Ihnen<br />

geladene - waren <strong>der</strong> Ansicht, dass das, wenn <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

einfügt "als übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde", dann in jedem<br />

Fall mit § 38 VwGO vereinbar ist. Das können wir alle in den<br />

Anhörungsprotokollen nachlesen.<br />

Deshalb ist das Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz <strong>der</strong> Meinung, dass<br />

diese Regelung verfassungsgemäß ist. Sie kann heute so<br />

verabschiedet werden.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Darf ich jetzt um Abstimmung<br />

bitten. - Dann rufe ich die Drucksache 3/3029 auf, den<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS zu § 23 Abs. 1. Wer möchte die<br />

Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme?<br />

- Gleiches Stimmverhalten: Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist<br />

dieser Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.<br />

Ich rufe die Drucksache 3/3027, Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

PDS zu § 29 Abs. 1 Nr. 3, auf. Herr Bartl, möchten Sie noch einmal<br />

dazu sprechen? - Wer möchte sonst noch dazu sprechen? - Niemand.<br />

Dann rufe ich jetzt zur Abstimmung auf. Wer möchte die Zustimmung<br />

geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Auch


hier wie<strong>der</strong> gleiches Abstimmungsverhalten: eine große Anzahl von<br />

Stimmen dafür, dennoch mehrheitlich abgelehnt.<br />

Ich rufe die Drucksache 3/3028 auf, auch ein Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong><br />

Fraktion <strong>der</strong> PDS zu § 32 Abs. 1 Nr. 3. Gibt es dazu Redebedarf? -<br />

Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann lasse ich jetzt über die Drucksache<br />

3/3028 abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Auch hier wie<strong>der</strong> eine<br />

Reihe von Stimmen dafür, dennoch mehrheitlich abgelehnt.<br />

Ich rufe die Drucksache 3/3030 auf, Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion<br />

<strong>der</strong> PDS zu § 35 Abs. 1. Gibt es dazu noch Diskussionsbedarf? - Das<br />

ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann lasse ich jetzt über die Drucksache 3/3030<br />

abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? -<br />

Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Auch hier wie<strong>der</strong> eine große Anzahl<br />

von Stimmen dafür. Dennoch ist <strong>der</strong> Antrag mehrheitlich abgelehnt<br />

worden.<br />

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über den Teil 2 abstimmen,<br />

Organisations- und Verfahrensrecht - §§ 9 bis 41 -, in <strong>der</strong> Fassung,<br />

wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde. Wer möchte die<br />

Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme?<br />

- Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist <strong>der</strong> Teil 2<br />

mehrheitlich angenommen worden.<br />

Ich rufe Teil 3, Sicherheits- und ordnungsrechtliche Befugnisse <strong>des</strong><br />

Justizwachtmeisterdienstes - § 42 -, auf. Hierzu liegt mir ein<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS vor. Ich bitte um Einbringung.<br />

Herr Abg. Bartl, bitte.<br />

Bartl, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Mit dieser Regelung begehren wir in § 42, <strong>der</strong> die<br />

Ausgestaltung <strong>der</strong> Befugnisse, konkret <strong>der</strong> Zwangsmittel <strong>der</strong><br />

Justizwachtmeister beinhaltet, eine Regelung dahin gehend, dass die<br />

jetzige Formulierung, wonach die Bediensteten, die<br />

Justizwachtmeister, zur Erfüllung ihrer Aufgaben im <strong>Sitzung</strong>s- und<br />

Vorführdienst, bei <strong>der</strong> Überwachung von Gefangenen, bei <strong>der</strong><br />

Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Sicherheit und Ordnung in Amtsgebäuden und<br />

bei <strong>der</strong> Vollziehung <strong>der</strong> richterlichen und staatsanwaltlichen<br />

Anordnung die Befugnisse <strong>der</strong> Polizeibeamten nach dem Polizeigesetz<br />

<strong>des</strong> Freistaates Sachsen gegen sonstige Personen einschließlich <strong>der</strong><br />

dort vorgesehenen Befugnisse zur Anwendung unmittelbaren Zwanges<br />

mit Ausnahme <strong>des</strong> Schusswaffengebrauchs haben sollen, in einem<br />

Positivkatalog <strong>der</strong>art zu än<strong>der</strong>n, dass wir in § 42 exakt aufführen,<br />

welche Befugnisse aus dem Sächsischen Polizeigesetz zur Anwendung<br />

unmittelbaren Zwanges den Justizwachtmeistern zustehen sollen.<br />

Zu dem Hintergrund drei allgemeine Anmerkungen:<br />

Erstens. Die Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister sind<br />

erst seit wenigen Jahren in diese Tätigkeit <strong>der</strong>art eingeführt, dass<br />

<strong>der</strong> Strafvollzug selbst die Untersuchungshäftlinge und sonstige<br />

vorzuführende festgenommene Personen bis zum Gericht bringt, in die<br />

Gerichtszelle bringt.<br />

Dort übernimmt zur Vorführung zum <strong>Sitzung</strong>stermin eine Frau/ein<br />

Mann, die/<strong>der</strong> nie in irgendeiner Form in sicherheitsrelevanten<br />

Gebieten tätig gewesen ist. Von nun an übernimmt <strong>der</strong> Betreffende<br />

den/die betreffenden Gefangenen. Da gibt es von Gericht zu Gericht


unterschiedliche Regelungen, in Chemnitz zum Beispiel <strong>der</strong>gestalt:<br />

Wenn <strong>der</strong> Gefangene mit Turnschuhen vorgeführt wird, führt ihn <strong>der</strong><br />

Justizwachtmeister mit Fußfesseln vor, weil die mit Turnschuhen<br />

vermeintlich schnell rennen können.<br />

Die betreffenden Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister<br />

sind in keiner Form bewaffnet. Sie haben also we<strong>der</strong> eine Waffe,<br />

noch haben sie einen Schlagstock, noch haben sie einen an<strong>der</strong>en<br />

Gegenstand. Deshalb die Frage: Weshalb enthält nun das Gesetz die<br />

Regelung, bezogen auf das gesamte Kompendium <strong>der</strong> Zwangsmittel mit<br />

Ausnahme <strong>des</strong> Schusswaffengebrauchs? Sie haben doch gar keine<br />

Schusswaffen.<br />

Weiter, ich mache es Ihnen nur an einer Norm deutlich: §§ 18 bis 31<br />

<strong>des</strong> Polizeigesetzes beinhalten Normen <strong>des</strong> unmittelbaren Zwangs, die<br />

angewandt werden können. In § 31 <strong>des</strong> Polizeigesetzes ist definiert<br />

- da muss man einfach einen Blick hineinwerfen -, welche<br />

Möglichkeiten <strong>des</strong> unmittelbaren Zwangs die Polizisten haben. Dort<br />

heißt es, betreffend Mittel <strong>des</strong> unmittelbaren Zwangs:<br />

"Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen o<strong>der</strong> Sachen<br />

durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel <strong>der</strong> körperlichen<br />

Gewalt o<strong>der</strong> Waffengebrauch."<br />

Absatz 2: "Hilfsmittel <strong>der</strong> körperlichen Gewalt sind insbeson<strong>der</strong>e<br />

Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde,<br />

Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe sowie zum Sprengen von<br />

Sachen bestimmte explosive Stoffe, Sprengmittel. Das<br />

Staatsministerium <strong>des</strong> Innern kann weitere Hilfsmittel <strong>der</strong><br />

körperlichen Gewalt zulassen. Als Waffen sind Schlagstock, Pistole,<br />

Revolver, Gewehr und automatische Handfeuerwaffen zugelassen."<br />

Jetzt sagen wir in diesem Gesetz: Das gesamte Kompendium trifft für<br />

die Wachtmeister in Abhängigkeit von ihrer konkreten Tätigkeit zu -<br />

mit Ausnahme <strong>der</strong> Schusswaffen. Das heißt aber zunächst einmal, das<br />

sonstige Kompendium liegt im Grundsätzlichen, im Zulassungsbereich,<br />

also theoretisch Hunde, also theoretisch Reizstoffe,<br />

(Zuruf von <strong>der</strong> PDS: Pferde!)<br />

also theoretisch Pferde, also theoretisch technische Hin<strong>der</strong>nisse.<br />

(Zuruf von <strong>der</strong> SPD: Sprengstoffe!)<br />

Das ist doch in dem Bereich Grundrechte. Jetzt sagen wir noch<br />

einmal: Es ist ein Justizorganisationsgesetz. Es passt politische<br />

Territorialgrenzen mit den Gerichtsgrenzen, mit den<br />

Gerichtszuständigkeiten an. Alles okay. Es fasst Normen zusammen.<br />

Alles okay, ein Organisationsgesetz. Diese Bestimmung aber greift<br />

in Grundrechte ein.<br />

Hier geht es nämlich um das Kompendium <strong>der</strong> Mittel <strong>des</strong> unmittelbaren<br />

Zwangs gegenüber Dritten, nicht einmal gegenüber dem Täter, son<strong>der</strong>n<br />

gegenüber Dritten. Da verweisen wir auf das Polizeigesetz in <strong>der</strong><br />

Allgemeinheit und überlassen gewissermaßen die Erwägung <strong>der</strong><br />

Angemessenheit dem Justizwachtmeister bzw. dem Gerichtspräsidenten<br />

bzw. dem betroffenen Dritten, was zulässig ist und was nicht.<br />

Und da sage ich einfach: Wenn das jetzt in <strong>der</strong><br />

Grundrechtsreichweite <strong>des</strong> Artikels 1 und 2 geht und hält, dann habe<br />

ich bisher die Verfassungsrechtsprechung nicht verstanden. Deshalb<br />

bitten wir, auch im Interesse <strong>des</strong> Hohen Hauses, unserem


Än<strong>der</strong>ungsantrag zu folgen und exakt die positiven Zwangsmittel, die<br />

entsprechend <strong>der</strong> Spezifik <strong>des</strong> Justizwachtmeisterdienstes relevant<br />

sind und zur Anwendung kommen sollen bis hin zur Anwendung<br />

körperlicher Gewalt, hier aufzunehmen und nicht das Risiko<br />

einzugehen, dass diese Bestimmung letzten En<strong>des</strong><br />

verfassungsrechtlich mit erheblicher Bedenklichkeit versehen ist.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wer möchte zu diesem Antrag<br />

sprechen? - Bitte, Herr Abg. Schiemann.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Keine Chance, Herr<br />

Schiemann, das Pferd kommt ins Gericht!)<br />

Schiemann, CDU: Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren!<br />

- Mit dem Dienstpferd wird das ähnlich sein wie mit dem<br />

Wasserwerfer, Herr Kollege.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Bartl, PDS)<br />

Ich glaube, es wäre auch ein kleines bisschen Sachlichkeit den<br />

Justizwachtmeistern, sage ich einmal, zusprechbar, um jetzt nicht<br />

die Randthemen anzusprechen, die abwegig sind. Das Dienstpferd und<br />

<strong>der</strong> Wasserwerfer - ich glaube, da würden Sie mir auch zustimmen,<br />

dass das abwegig ist.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Entscheidend ist doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass<br />

wir ausdrücklich nicht wollen, dass in einem Gerichtsgebäude -<br />

sprich in einem Saal, wo die Verhandlung stattfindet - Schusswaffen<br />

gebraucht werden. Und Sie wissen auch warum: weil Unschuldige<br />

gefährdet werden können. Ich glaube, das ist doch die wichtigste<br />

Botschaft, die in dem § 42 normiert ist: dass ausdrücklich keine<br />

Schusswaffen im Prinzip gebraucht werden.<br />

Herr Bartl, Sie sind doch oft in den Verhandlungen. Würden Sie mir<br />

Recht geben, dass ein Schusswaffengebrauch in einem geschlossenen<br />

Raum während einer Verhandlung auch Unschuldige treffen kann?<br />

(Bartl, PDS: Ja, uneingeschränkt!)<br />

- Uneingeschränkt. Und diese Normierung würden Sie doch auch<br />

unterstützen. Die ist ausdrücklich aus dem Katalog herausgenommen.<br />

Ich hatte Ihnen erst gesagt: Wir haben geprüft, ob man einen<br />

solchen Positiv- o<strong>der</strong> Negativ-, sprich Ausschlusskatalog, machen<br />

kann. Wir sind nicht <strong>der</strong> Meinung. Auch Ihr Antrag zeigt es zum<br />

Beispiel. Sie haben we<strong>der</strong> eine klare Vorschrift zu § 31 noch zu §<br />

32. Sie haben zwar in dem abschließenden letzten Halbsatz die Frage<br />

<strong>des</strong> unmittelbaren Zwangs angesprochen. Aber es fehlt die Normierung<br />

zu § 31 und § 32. Ich möchte nur darauf hinweisen.<br />

Wenn Sie einzelne Polizeirechte hier normieren, dann werden Sie<br />

immer das Problem haben, dass Sie eine Möglichkeit vergessen o<strong>der</strong> -<br />

sage ich einmal - feststellen, dass es Normen gibt, die Sie<br />

überhaupt nicht anwenden können. Die, die Sie nicht anwenden<br />

können, haben Sie angesprochen: Polizeipferde und Wasserwerfer<br />

gehören nicht in Gerichtssäle.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Schiemann, CDU: Ja, bitte.


1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Bitte, Herr Bartl.<br />

Bartl, PDS: Herr Kollege, geben Sie mir Recht, dass unsere<br />

Bestimmung beinhaltet und in den Buchstaben a) bis e) definiert,<br />

welchen Positivkatalog wir haben wollen? Dann schließt sich ein<br />

Halbsatz an: "...einschließlich <strong>der</strong> Befugnis zur Anwendung<br />

einfacher körperlicher Gewalt als Mittel <strong>des</strong> unmittelbaren Zwangs".<br />

Damit ist ganz klar definiert, was wir im § 31 meinen: eben keine<br />

Hilfsmittel; we<strong>der</strong> Pferde noch Reizstoffe, noch Waffen, noch etwas<br />

an<strong>der</strong>es.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Bartl, bitte nur die Frage.<br />

Sie können dann zum Antrag noch einmal sprechen.<br />

Bartl, PDS: Geben Sie mir Recht, dass es drinsteht und damit<br />

definiert ist?<br />

Schiemann, CDU: Sie haben eins gemacht: dass Sie sich insgesamt in<br />

dem Antrag auf das Polizeigesetz und die Normen <strong>des</strong> Polizeigesetzes<br />

beziehen. Das haben Sie gemacht und haben dort einen Positivkatalog<br />

für diese Normen erstellt, die ein Justizwachtmeister nutzen kann.<br />

Was Sie in dem letzten Halbsatz machen, ist, dass Sie eine Teilnorm<br />

aus dem § 31 herausnehmen, ohne dass Sie - sage ich einmal - den<br />

Bezug zum Polizeigesetz in <strong>der</strong> Norm <strong>des</strong> § 31 wahren.<br />

Deshalb möchte ich Ihnen noch einmal sagen: Wir haben die<br />

Positivliste und die Negativliste geprüft. Wir haben bei<strong>des</strong><br />

abgewogen. Herr Kollege Bartl, ich kann Ihnen nur sagen, wie wir es<br />

auch im Ausschuss gemacht haben.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, nicht diesem<br />

Vorschlag zu folgen. Die Rechtsnormen, die hier normiert sind,<br />

geben den Gerichten die Möglichkeit, auch für ihre Sicherheit zu<br />

sorgen. Entscheiden<strong>der</strong> Punkt für die CDU-Fraktion bleibt: Kein<br />

Schusswaffengebrauch in geschlossenen Räumen, sprich bei<br />

Gerichtsverhandlungen!<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Bartl, noch einmal zum<br />

Antrag.<br />

Bartl, PDS: Heißt das, aus dem Sinnverständnis <strong>des</strong>sen, was Herr<br />

Schiemann jetzt gesagt hat - und so ist es ja im Protokoll drin -,<br />

dass <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>gesetzgeber <strong>der</strong> Auffassung ist, mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

Anwendung von Schusswaffen, dass grundsätzlich das ganze Kompendium<br />

aus dem § 31 (2) <strong>der</strong> technischen Hilfsmittel für Justizwachtmeister<br />

anwendbar ist? - Das wollen wir festhalten.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Herr Minister Kolbe.<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz: Herr Bartl, die Aufgaben, die die<br />

Justizwachtmeister im Gerichtsaal haben, ergeben sich doch klar aus<br />

dem Entwurf <strong>des</strong> § 42: "Bedienstete <strong>des</strong> Justizwachtmeisterdienstes<br />

haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben im <strong>Sitzung</strong>s- o<strong>der</strong><br />

Vorführdienst," - und da befinden wir uns - "bei <strong>der</strong> Bewachung<br />

Gefangener, bei <strong>der</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Sicherheit o<strong>der</strong> Ordnung<br />

in Amtsgebäuden und bei <strong>der</strong> Vollziehung richterlicher o<strong>der</strong><br />

staatsanwaltschaftlicher Anordnungen" - wir haben also eine klare<br />

und präzise Aufgabeneingrenzung - gewisse Befugnisse, wobei wir<br />

insoweit dann auf die StPO und auf das Polizeigesetz verweisen. Das<br />

ist eine ganz übliche Regelungsweise. Die haben auch alle


Sachverständigen in <strong>der</strong> Anhörung bestätigt. Das darf ich auch noch<br />

einmal sagen.<br />

Wenn Sie jetzt hier die Polizeipferde und die Wasserwerfer<br />

ausschließen wollen, dann können wir auch noch die Schützenpanzer<br />

ausschließen, die Schnellboote<br />

(Heiterkeit bei <strong>der</strong> CDU)<br />

und was sonst vielleicht noch alles im polizeilichen Repertoire<br />

ist.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz: Dann machen wir uns als<br />

Gesetzgeber lächerlich. Also bleiben wir doch vernünftig!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Tut mir leid. - Herr Bartl, noch<br />

einmal zum Antrag selbst.<br />

Bartl, PDS: Ich will nicht, dass die Dinge jetzt einfach zerredet<br />

werden. Ich hätte die Frage gestellt und stelle die auch ins<br />

Plenum; das Plenum muss entscheiden und nicht die CDU-Fraktion:<br />

Heißt das für den Justizminister, dass die Justizwachtmeister<br />

Reizstoffe anwenden dürfen? Heißt es das? Denn die stehen im § 31<br />

(2) drin als Hilfsmittel.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Richtig!)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Ich schlage vor, dass wir jetzt<br />

zur Abstimmung kommen. Ich denke, wir haben uns jetzt genug<br />

ausgetauscht.<br />

Ich rufe auf die Drucksache 3/3031, Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion<br />

<strong>der</strong> PDS zu § 42. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer ist<br />

dagegen? - Und wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei Stimmenthaltungen<br />

und einer Reihe von Stimmen dafür ist <strong>der</strong> Antrag dennoch<br />

mehrheitlich abgelehnt worden.<br />

Ich rufe jetzt noch einmal auf den Teil 3 in <strong>der</strong> Fassung, wie er<br />

<strong>vom</strong> Ausschuss vorgeschlagen worden ist. Wer möchte die Zustimmung<br />

geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei<br />

Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dagegen ist Teil 3<br />

mehrheitlich angenommen worden.<br />

Mir liegen keine Än<strong>der</strong>ungsanträge mehr vor. Kann ich die übrigen<br />

Teile jetzt zusammenfassen? - Dann verlese ich sie schnell:<br />

Teil 4: Ausführung <strong>der</strong> Grundbuchordnung und <strong>des</strong><br />

Grundstücksverkehrsgesetzes, §§ 43 bis 54;<br />

(Unruhe im Saal)<br />

Teil 5: Ausführung <strong>des</strong> Vereinsrechts <strong>des</strong> Bürgerlichen Gesetzbuches,<br />

§§ 55 bis 57<br />

(Glocke <strong>des</strong> Präsidenten)<br />

Teil 6: Vertretung <strong>des</strong> Freistaates Sachsen in gerichtlichen<br />

Verfahren, §§ 58 bis 60;<br />

Teil 7: Justizkosten, §§ 61 bis 70 und<br />

Teil 8: Schlussvorschriften; §§ 71 bis 74.<br />

Wer möchte diesen Teilen die Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? -<br />

Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Ich sehe hier Einstimmigkeit. Damit<br />

ist von Teil 4 bis Teil 8 allen Teilen die Zustimmung gegeben<br />

worden.


Da es keine Verän<strong>der</strong>ungen gegeben hat, rufe ich jetzt die 3. Lesung<br />

auf. Es liegt kein Wunsch zur Aussprache vor.<br />

Ich stelle nun den Entwurf Gesetz über die Justiz im Freistaat<br />

Sachsen in <strong>der</strong> in <strong>der</strong> 2. Lesung beschlossenen Fassung zur<br />

Abstimmung. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? -<br />

Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei Stimmenthaltungen und Stimmen<br />

dagegen ist dem Gesetz mehrheitlich zugestimmt worden. Damit ist<br />

dieser Tagesordnungspunkt beendet.<br />

Meine Damen und Herren, ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 3<br />

2. und 3. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz über die Anerkennung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und die Führung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeitsaufsicht<br />

Drucksache 3/2451, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2914, Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Ausschusses für<br />

Landwirtschaft, Ernährung und Forsten<br />

Die Reihenfolge in <strong>der</strong> allgemeinen Aussprache ist wie folgt: PDS,<br />

CDU, SPD, CDU und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich frage<br />

zuerst den Berichterstatter, ob das Wort gewünscht wird. - Ich<br />

sehe, dass das nicht <strong>der</strong> Fall ist. Dann rufe ich jetzt die PDS-<br />

Fraktion auf. Herr Abg. Bartl, bitte.<br />

Bartl, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Uns liegt heute ein Gesetzentwurf vor, <strong>der</strong>, einen<br />

gesellschaftspolitisch sehr bedeutsamen Bereich betreffend, nämlich<br />

das sächsische Kleingartenwesen, an sich nur eine seit langem<br />

praktizierte Rechtslage nachvollzieht.<br />

Das Gesetz überträgt die Aufgabe <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong><br />

kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit gemäß § 2 <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>kleingartengesetzes sowie die Führung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit<br />

als Pflichtaufgabe den Landkreisen und kreisfreien Städten als<br />

Anerkennungsbehörden. Gleichzeitig wird die Fachaufsicht dem<br />

Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft als oberste und den<br />

Regierungspräsidien als untere Fachaufsichtsbehörde zugeordnet.<br />

Bislang funktionierte das, was jetzt gesetzlich geregelt wird, auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> seinerzeit <strong>vom</strong> damaligen Sächsischen<br />

Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten<br />

erlassenen "Richtlinie über die Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit<br />

von Kleingartenvereinen und Führung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeitsaufsicht"<br />

<strong>vom</strong> 25. Mai 1994, veröffentlicht im "Sächsischen Amtsblatt" <strong>des</strong><br />

Jahrgangs 1994, Seite 804.<br />

Auf dieser Basis wurde zwischenzeitlich, wie die Staatsregierung in<br />

<strong>der</strong> Begründung <strong>des</strong> Entwurfs selbst ausführt, allein bis Ende<br />

November 1998 3 400 Kleingartenvereinen sowie 14 Regionalverbänden<br />

die Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit erteilt - in <strong>der</strong> Sache löblich<br />

und dem Kleingartenwesen gewiss zum Nutzen, rechtlich aber, vornehm<br />

ausgedrückt, eine Fragwürdigkeit. Dies <strong>des</strong>halb, weil Artikel 85<br />

Abs. 1 Satz 1 <strong>der</strong> Sächsischen Verfassung bestimmt, dass kommunalen<br />

Aufgabenträgern <strong>der</strong> Selbstverwaltung die Erledigung bestimmter<br />

Aufgaben nur durch Gesetz übertragen werden darf. Es ist also ein<br />

typisches Heilungsgesetz, mit dem wir es hier zu tun haben, weil<br />

das bis dato auf <strong>der</strong> Grundlage einer Richtlinie geschehen ist, wie


wir es zum Beispiel bei <strong>der</strong> Beamtenernennung und im vermittelten<br />

Sinne bei den Abwasserzweckverbänden schon hatten, <strong>der</strong>en<br />

Gründungsmängel damit beseitigt sein sollten.<br />

Seis drum! Das, was mit dem Gesetz geregelt wird, ist zunächst<br />

nicht zu beanstanden und wird von uns begrüßt. Was uns fehlt, ist<br />

das, was das Gesetz nicht regelt, auch nicht regeln kann. Das<br />

eigentliche Problem ist nämlich die bun<strong>des</strong>gesetzliche Rechtslage,<br />

wonach immer noch zwischen kleingärtnerischer Gemeinnützigkeit -<br />

Gegenstand hier - und steuerlicher Gemeinnützigkeit <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

von Kleingartenvereinen unterschieden wird. Die Anerkennung <strong>der</strong><br />

kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit findet nämlich keine<br />

unmittelbare Berücksichtigung bzw. Entsprechung bei <strong>der</strong><br />

Feststellung <strong>der</strong> steuerlichen Gemeinnützigkeit, obwohl die<br />

inhaltlichen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>des</strong> § 2 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>kleingartengesetzes<br />

für die Anerkennung kleingärtnerischer Gemeinnützigkeit, nämlich<br />

selbstlose För<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Vereins, Verfolgung<br />

nichteigenwirtschaftlicher Ziele und Zwecke, Verwendung <strong>des</strong><br />

Vereinsvermögens bei Auflösung für kleingärtnerische Zwecke, nahezu<br />

den Voraussetzungen entsprechen, die für die Anerkennung eines<br />

Vereins als gemeinnützig in <strong>der</strong> Abgabenordnung geregelt sind. Also<br />

dort gibt es gewissermaßen die Identität zwischen Gemeinnützigkeit<br />

und Steuergemeinnützigkeit, Vereinsgemeinnutz und Steuergemeinnutz.<br />

Ungeachtet <strong>des</strong>sen wird im Einzelfall eines jeden Kleingartenvereins<br />

von <strong>der</strong> für die steuerliche Gemeinnützigkeit zuständigen Behörde<br />

geprüft, ob die Voraussetzungen <strong>der</strong> entsprechenden Bestimmungen <strong>der</strong><br />

Abgabenordnung erfüllt werden. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Was <strong>der</strong><br />

Kleingärtner in Nutzung <strong>der</strong> von ihm gepachteten Bodenflächen tut,<br />

gilt als offensichtlich kleingärtnerisch gemeinnützig, besteuert<br />

wird aber die von ihm genutzte Bodenfläche, jedenfalls zu Teilen,<br />

als Bauland.<br />

Diesen Anachronismus einer quasi geteilten Gemeinnützigkeit durch<br />

entsprechende Initativen gegenüber dem Bun<strong>des</strong>gesetzgeber heilen zu<br />

helfen liegt in <strong>der</strong> Verantwortung dieses Landtages und <strong>der</strong><br />

Staatsregierung. Letztere, also unsere Staatsregierung, ermutigen<br />

wir daher bei Gelegenheit <strong>der</strong> Annahme dieses Gesetzes umso mehr,<br />

nicht nur ihre bisherigen Bemühungen zur Anpassung <strong>des</strong><br />

Bewertungsgesetzes fortzusetzen, son<strong>der</strong>n auf<br />

kleingärtnerfreundliche Än<strong>der</strong>ungen durch entsprechende Bestimmungen<br />

<strong>der</strong> Abgabenordnung durch den Bun<strong>des</strong>gesetzgeber hinzuarbeiten bis<br />

hin zur Gleichstellung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Funktionäre <strong>des</strong><br />

Kleingartenwesens etwa mit Sportübungsleitern in <strong>der</strong> Frage<br />

steuerfreier Aufwandsentschädigung.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Die Wirkungen, die von <strong>der</strong>art geän<strong>der</strong>ten Bun<strong>des</strong>gesetzen ausgehen<br />

würden, würden den Kleingärtnern in <strong>der</strong> Sache noch mehr nützen als<br />

dieses Gesetz, das nunmehr auf <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Ebene die<br />

Zuständigkeit <strong>der</strong> Anerkennungs- und Gemeinnützigkeitsaufsicht<br />

bestimmt.<br />

Am Ende eine kurze Frage: Die Richtlinie, die bis dato gegolten<br />

hat, hatte weitergehende Regelungen getroffen als das Gesetz. Das<br />

ist auch korrekt. Es gibt bestimmte Bestimmungen und Richtlinien,


die nicht in dieses Gesetz gehören. Die Frage für uns ist: Wer<br />

regelt den jetzt entstehenden freien Raum? Gibt es eine neue<br />

Richtlinie? Wird das durch eine Verordnung <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

getan? Wird es durch eine Verwaltungsvorschrift getan werden? Zu<br />

Recht fragen die Kleingärtner, was zum Beispiel bezüglich <strong>der</strong> Frage<br />

<strong>der</strong> Aberkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit geschehen wird und wie sie<br />

sich speziell hinsichtlich dieser Regelung künftig orientieren<br />

müssen.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die CDU-Fraktion. Herr Abg. Heinz,<br />

bitte.<br />

Heinz, CDU: Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Auf den<br />

ersten Blick hat das Gesetz wenig politische Brisanz. Wenn man aber<br />

weiß, dass vor rund 170 Jahren <strong>der</strong> Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />

Kleingartenbewegung Leipzig war - erinnert sei hier an Dr. Schreber<br />

-, wenn man weiß, dass bereits 1833 auf dem Gelände einer Sandgrube<br />

die erste Gartenanlage mit 96 Parzellen zur Hebung <strong>der</strong> Moral sowie<br />

zur Selbstversorgung <strong>der</strong> Armen entstand, wenn man weiß, dass 1919<br />

<strong>der</strong> erste Erlass zur Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung<br />

erschienen ist, und wenn man weiß, dass die meisten Menschen in<br />

Deutschland mit dem Begriff "Schrebergarten" Assoziationen wie<br />

Bil<strong>der</strong> von Naturidylle, Volksgärtchen und Grillabend im Grünen<br />

verbinden, dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Haben wir es<br />

hier mit einem Stück deutscher Leitkultur zu tun o<strong>der</strong> etwa nicht?<br />

(Heiterkeit bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Und wenn man schon auf den Gedanken kommt, das Kleingartenwesen mit<br />

deutscher Leitkultur zu verbinden, dann stellen sich die nächsten<br />

Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden müssen: Muss<br />

dann im deutschen Kleingarten eine bestimmte Anzahl Gartenzwerge<br />

stehen o<strong>der</strong> muss im deutschen Kleingarten auch das Anbauverhältnis<br />

von deutschen Kulturen zu fremdländischen Gemüsearten in einem<br />

bestimmten Prozentsatz eingehalten werden?<br />

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Wenn das eingehalten werden muss, wer kontrolliert dann den Anbau<br />

<strong>der</strong> deutschen Leitkultur im Verhältnis zu Pflanzen aus an<strong>der</strong>en<br />

Ursprungsgebieten, welche sich übrigens hervorragend an hiesige<br />

Klimaverhältnisse angepasst haben?<br />

Die nächste Frage: Was geschieht mit den gesammelten Daten?<br />

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Ein weites Feld bzw. ein großes Beet für unsere Datenschützer, die<br />

sich hier bun<strong>des</strong>weite Verdienste erringen können.<br />

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Kann man aus dem Anbauverhältnis etwa gar auf die politische<br />

Gesinnung o<strong>der</strong> das Wahlverhalten schließen? Hat etwa <strong>der</strong> typische<br />

PDS-Wähler vermehrt Rote Bete in <strong>der</strong> Fruchtfolge? O<strong>der</strong> steht bei<br />

dem Grünen mehr Unkraut, getarnt als Biotop, im Garten? Beim<br />

F.D.P.-Wähler etwa eine Apfelsorte namens "Gelber Köstlicher" o<strong>der</strong><br />

eine Rose namens "Mildred Scheel"? Erkennt man den typischen SPD-<br />

Wähler an Rosensorten namens "Helmut Schmidt", <strong>der</strong>en Farbe übrigens


zitronengelb ist, während die Sorte "Mildred Scheel" karminblutrot<br />

blüht?<br />

(Fortgesetzte Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

CDU-Wähler müssten dann ein Herz mehr für Schwarzwurzel haben.<br />

(Beifall und Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Die Bunte Julibirne wäre eher etwas für unentschlossene Wähler,<br />

während sich Feministen und Feministinnen sicherlich mehr<br />

Birnensorten wie "Jeanne d'Arc" widmen und die Anhänger <strong>der</strong><br />

Republikaner sicherlich einen Kopfsalat namens "Brauner Trotzkopf"<br />

bevorzugen würden.<br />

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Macht sich <strong>der</strong> deutsche Kleingärtner schon verdächtig, wenn er<br />

seine Kaninchen <strong>der</strong> Rasse "Deutsche Riesen" mit Chinakohl o<strong>der</strong><br />

türkischem Honig füttert? Fragen über Fragen, die gestellt werden<br />

können, aber nicht unbedingt beantwortet werden müssen.<br />

Dem Kleingartenwesen kam ja in früherer Zeit auch eine wichtige<br />

Erziehungs- und Bildungsfunktion zu. So können wir in einer Rede<br />

anlässlich <strong>des</strong> Johannistages von 1834 lesen, dass die Freude im<br />

Kleingarten, in <strong>der</strong> Natur die schönste, reinste und edelste sei,<br />

weil sie erstens den Körper stärke, zweitens den Geist erheitere<br />

und das Gefühl hebe, Gefühle und Willen veredele sowie das<br />

Gottvertrauen erhöhe und befestige. So sprach Oberlehrer Kunath<br />

1834.<br />

(Beifall bei CDU und PDS)<br />

Lei<strong>der</strong> müssen wir feststellen, dass unsere Bun<strong>des</strong>regierung nicht<br />

nur für die Landwirte nichts übrig hat, son<strong>der</strong>n sich in zunehmendem<br />

Maße auch <strong>vom</strong> Grundgedanken <strong>des</strong> Kleingärtnerwesens verabschiedet.<br />

Wie kann man sonst die Abkehr von Gottvertrauen und<br />

Gottesfürchtigkeit in Einklang bringen mit dem Gesetz zu<br />

eingetragenen Lebenspartnerschaften?<br />

(Heiterkeit und Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ich möchte Sie also von hier aus auffor<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> zurück zu den<br />

Wurzeln, sprich zu den Grundwerten <strong>des</strong> Abendlan<strong>des</strong> zu kommen, denn<br />

auch in Kleingärten ist Fremdbestäubung ein wichtiges Element für<br />

die Entwicklung einer ordentlichen Kultur.<br />

(Allgemeine Heiterkeit)<br />

All diese Äußerungen zeigen, dass dem Kleingartenwesen eine große<br />

Bedeutung zukommt. Dies wurde durch den Staat auch schon frühzeitig<br />

erkannt und in Form <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit honoriert.<br />

Bevor man allerdings die Gemeinnützigkeit erhält, muss man sich mit<br />

einem weiteren Stück deutscher Leitkultur herumschlagen, und zwar<br />

<strong>der</strong> Bürokratie. Das soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hier<br />

auch geregelt werden, <strong>der</strong> die Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit von<br />

Kleingartenvereinen und die Führung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeitsaufsicht<br />

durch die Landkreise und kreisfreien Städte regelt. Es handelt sich<br />

in dem Fall um keine Aufgabenmehrung, da die Aufgaben bereits durch<br />

die Landkreise und kreisfreien Städte wahrgenommen wurden. Es geht<br />

nur darum, eine Verwaltungspraxis formell und rechtstechnisch auf<br />

die tatsächlich vorhandene Praxis abzustimmen. Der Sächsische<br />

Kleingartenverband hat dem auch so zugestimmt. Ich denke, wir<br />

sollten das ebenfalls so tun.


Ich habe zum Schluss meiner Ausführungen noch vier Bemerkungen. Es<br />

wird zu gegebener Zeit noch ein Än<strong>der</strong>ungsantrag von uns eingebracht<br />

werden. Ich beantrage dann, dass im Anschluss an diesen<br />

Tagesordnungspunkt gleich die 3. Lesung erfolgen wird. Des Weiteren<br />

hoffe und wünsche ich, dass die Mühen <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Kleingärtner<br />

nicht durch Schädlinge, wie zum Beispiel Rote Spinnmilbe o<strong>der</strong> grüne<br />

Blattläuse, gemin<strong>der</strong>t werden, und möchte ganz beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> SPD ins<br />

Stammbuch schreiben, dass dieses Gesetz notwendig ist. Wir machen<br />

es jetzt und damit basta!<br />

(Allgemeine Heiterkeit und anhalten<strong>der</strong> Beifall bei allen<br />

Fraktionen)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Ich sehe, Sie sind wie<strong>der</strong> alle<br />

motiviert und aufgebaut von <strong>der</strong> Rede. Ich darf jetzt die SPD-<br />

Fraktion bitten. Frau Abg. Klein.<br />

(Jurk, SPD: Vogtländische Leitkultur! - Prof. Dr.<br />

Porsch, PDS: Jetzt fällt es schwer, Frau Klein!)<br />

Frau Klein, SPD: - Es fällt schwer.<br />

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben<br />

gehört, dass Gesetzgebungsverfahren auch Spaß machen können.<br />

Dennoch glaube ich, dass ein Spaßbeitrag bei diesem Thema<br />

ausreicht.<br />

Der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf vollzieht auf den<br />

ersten Blick nur eine Formalie und für völlig am Kleingartenwesen<br />

Desinteressierte drängt sich die Frage auf, warum lan<strong>des</strong>gesetzlich<br />

die Anerkennung und Überprüfung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit ausschließlich<br />

für Kleingartenvereine zu regeln ist. Ein Blick in die Gesetzgebung<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> aber belegt, dass bis auf zwei<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> alle an<strong>der</strong>en eine Regelung zur Anerkennung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeitsaufsicht getroffen haben. Die Praxis unserer<br />

Kleingartenvereine in Sachsen gibt auch Aufklärung darüber, warum<br />

doch eine Extrawurst für unsere Kleingärtner gebraten werden muss.<br />

Erinnern wir uns. Am 14. Mai 1998 fand zum Antrag meiner Fraktion<br />

"Finanzielle Belastung für Kleingärtner und Besitzer von<br />

Freizeitgrundstücken in Sachsen" eine Anhörung im Sächsischen<br />

Landtag statt. Kurze Zeit später debattierten wir im Plenum zur<br />

Situation <strong>der</strong> Kleingartenvereine in Sachsen auf <strong>der</strong> Basis eines<br />

Antrages <strong>der</strong> PDS-Fraktion.<br />

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein an<strong>der</strong>er Verein ist so den<br />

Begehrlichkeiten <strong>des</strong> Finanzministers und <strong>der</strong> Kommunen ausgesetzt<br />

wie <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kleingärtner. Ich will aus Zeitgründen nur ein paar<br />

Problemkreise benennen.<br />

Stichwort: Grundsteuer B für Gartenlauben, die größer als 24<br />

Quadratmeter sind;<br />

Stichwort: Bestandsgarantie von Kleingartenanlagen als<br />

Dauerkleingartenanlagen durch Festschreibung in den<br />

Bebauungsplänen;<br />

Stichwort: Überwälzung kommunaler Gebühren und Beiträge sowie<br />

Anschluss- und Benutzerzwang gemäß Kommunalabgabengesetz auf die<br />

Kleingartenvereine; und


nicht zu vergessen eine weitere versuchte kommunale Grausamkeit:<br />

die Zweitwohnungssteuer.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es damit bewenden<br />

lassen. Aber das alles erklärt, warum wir unsere ca. 230 000 im<br />

Freistaat Sachsen in über 4 000 Vereinen organisierten Kleingärtner<br />

geson<strong>der</strong>t im Blick haben müssen und auch wollen.<br />

Lassen Sie mich feststellen: Die Mitgliedschaft und ehrenamtliche<br />

Tätigkeit in einem Kleingartenverein hat nichts zu tun mit einer<br />

Gartenzwergidylle, son<strong>der</strong>n das Kleingartenwesen ist in Sachsen für<br />

uns Sachsen von erheblicher sozialpolitischer, städtebaulicher und<br />

ökologischer Bedeutung. Die SPD-Fraktion wird <strong>des</strong>halb alles dazu<br />

tun, damit das Kleingartenwesen in Sachsen erhalten bleibt. Dazu<br />

gehört auch seine geson<strong>der</strong>te Betrachtungsweise im Rahmen <strong>der</strong><br />

Vielfalt <strong>der</strong> ehrenamtlichen Arbeit in Sachsen. Aus diesem Grunde -<br />

Herr Heinz, nicht nur, weil Sie das machen - würden wir auch so<br />

zustimmen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Gibt es von den Fraktionen noch<br />

weiteren Redebedarf? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Möchte sich die<br />

Staatsregierung noch äußern? - Herr Minister Flath, bitte.<br />

Flath, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft: Frau<br />

Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz kurz von<br />

meiner Seite. Es ist allerhand zum Thema Kleingartenwesen gesagt<br />

worden. Ich bin dem Abg. Heinz sehr dankbar, dass er hier all seine<br />

Fragen vorgetragen und zum Schluss zum Ausdruck gebracht hat, dass<br />

er nicht wünscht, dass ich ihm die Fragen alle beantworte. Ich bin<br />

auch dankbar, dass er das nicht als "Kleine Anfrage" getan hat.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Aber wir haben aufgepasst!)<br />

Wir sind in <strong>der</strong> Karnevalszeit. Und wer den Abg. Heinz als sehr<br />

bodenständigen Abgeordneten kennt, wird auch wissen, wie er das<br />

gemeint hat.<br />

Das Kleingartenwesen in Sachsen will ich ganz kurz würdigen. Mit<br />

230 000 Mitglie<strong>der</strong>n im Lan<strong>des</strong>verband beging es vor wenigen Wochen<br />

das zehnjährige Bestehen hier in Dresden. Ich möchte den<br />

Kleingärtnern dafür danken, wie sie sich in den letzten zehn<br />

Jahren, was auch nicht immer ganz einfach war, im Verband<br />

zusammengefunden haben.<br />

Die Kleingärtner haben eine wichtige sozialpolitische Funktion. Der<br />

größte Teil <strong>der</strong> Fläche - das sind etwa 9 000 Hektar in Sachsen -,<br />

liegt in Stadtgebieten. Dort leisten die Kleingärtner ganz einfach<br />

durch ihre Arbeit eine ganze Menge auch in <strong>der</strong> städtebaulichen<br />

Funktion. Dafür ein herzliches Dankeschön.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Auch möchte ich den Kleingärtnern danken für ihren Beitrag zum<br />

Leben auf dem Lande, aber auch in <strong>der</strong> Stadt. Ich bedanke mich auch<br />

für die Unterstützung zum Beispiel <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>gartenschauen in<br />

Sachsen. Dazu haben sie eine ganze Menge beigetragen und auch<br />

zukünftig rechnen wir mit Unterstützung.<br />

Zum Gesetzentwurf möchte ich mich bei den Fraktionen bedanken. Er<br />

ist sehr zügig in den Ausschüssen beraten worden. Natürlich ist es<br />

so, dass wir damit ganz einfach rechtlich die Praxis jetzt in


Sachsen auf sichere Beine stellen. Ich bitte alle Fraktionen um<br />

Zustimmung zum vorgelegten Gesetzentwurf. Dass ein kleiner Fehler<br />

unterlaufen ist, wodurch noch ein Än<strong>der</strong>ungsantrag notwendig wird,<br />

bitte ich ganz einfach zu entschuldigen.<br />

Herzlichen Dank.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Meine Damen und Herren! Ich<br />

schlage Ihnen vor, über den Gesetzentwurf paragraphenweise in <strong>der</strong><br />

Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu<br />

beraten und abzustimmen. - Ich sehe keinen Wi<strong>der</strong>spruch. Dann<br />

verfahren wir so.<br />

Ich rufe auf das Gesetz über die Anerkennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit<br />

von Kleingartenvereinen und die Führung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeitsaufsicht, Beschlussempfehlung und Bericht <strong>des</strong><br />

Ausschusses, Drucksache 3/2914: § 1 Anerkennung. Dort liegt mir ein<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag vor. Den bitte ich jetzt einzubringen. Herr Abg.<br />

Heinz, bitte.<br />

Heinz, CDU: Meine Damen, meine Herren! Trotz <strong>des</strong> relativ<br />

unkomplizierten Regelungsgehaltes haben sich einige redaktionelle<br />

Än<strong>der</strong>ungen eingeschlichen. So wird im Gesetzestext auf einen<br />

Artikel 9a verwiesen, <strong>der</strong> aber so gar nicht existierte. Das wird<br />

also mit diesem Än<strong>der</strong>ungsantrag korrigiert. Ich würde um Zustimmung<br />

bitten.<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Dann möchte ich jetzt abstimmen<br />

lassen, wenn es keinen Diskussionsbedarf dazu gibt.<br />

Ich lasse abstimmen über die Drucksache 3/3024, Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong><br />

Fraktion <strong>der</strong> CDU zu § 1 Abs. 1. Wer gibt die Zustimmung? - Wer ist<br />

dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Ich sehe hier<br />

Einstimmigkeit.<br />

Ich lasse abstimmen über den § 1 Anerkennung. Wer möchte zustimmen?<br />

- Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Auch hier gibt<br />

es Einstimmigkeit.<br />

Ich rufe auf § 2 Gemeinnützigkeit, Aufsicht. Wer möchte die<br />

Zustimmung geben? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme?<br />

- Auch hier gibt es Einstimmigkeit.<br />

Ich komme zum § 3 In-Kraft-Treten. Wer möchte die Zustimmung geben?<br />

- Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Gleiches<br />

Stimmverhalten, Einstimmigkeit.<br />

Damit ist den Paragraphen zugestimmt worden. Ich darf Sie fragen,<br />

ob Sie mit einer sofortigen 3. Lesung einverstanden sind, weil es<br />

sich ja bei diesem Än<strong>der</strong>ungsantrag nur um eine Formalie gehandelt<br />

hat? - Gut.<br />

Dann lasse ich jetzt abstimmen über das Gesetz über die Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen und die Führung <strong>der</strong><br />

Gemeinnützigkeitsaufsicht. Wer möchte die Zustimmung geben? - Wer<br />

ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Auch hier wie<strong>der</strong><br />

Einstimmigkeit. Damit ist das Gesetz beschlossen.<br />

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 4


2. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages <strong>vom</strong><br />

17. Dezember 1992 über den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband<br />

Drucksache 3/2664, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2934, Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Haushalts- und<br />

Finanzausschusses<br />

Die Reihenfolge in <strong>der</strong> ersten Runde <strong>der</strong> Aussprache: CDU, PDS, CDU,<br />

SPD; die Staatsregierung, wenn gewünscht.<br />

Ich frage zunächst den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. -<br />

Dann rufe ich als erste die CDU-Fraktion auf; Herr Dr. Metz, bitte.<br />

Dr. Metz, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten<br />

Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Die CDU-Fraktion wird <strong>der</strong><br />

vorgelegten Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages über den Ostdeutschen<br />

Sparkassen- und Giroverband zustimmen.<br />

Meine Damen und Herren, wir haben auch allen Grund dazu, denn <strong>der</strong><br />

vorgelegte Gesetzentwurf ist ein weiterer soli<strong>der</strong> Baustein unserer<br />

erfolgreichen sächsischen Finanzpolitik.<br />

Erinnern wir uns: Der bisherige Staatsvertrag zwischen den Län<strong>der</strong>n<br />

Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen<br />

enthielt Regelungen, die <strong>des</strong> Öfteren zu Schwierigkeiten unter den<br />

Beteiligten bei <strong>der</strong> praktischen Handhabung geführt haben.<br />

Ungeklärte Fragen waren zum Beispiel die Prüfung <strong>des</strong> Verban<strong>des</strong><br />

durch die Rechnungshöfe, die Beachtung <strong>der</strong> Grundsätze <strong>der</strong><br />

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Verband sowie die<br />

Einbeziehung unserer sächsischen Verbundlösung in den OSGV.<br />

Das Angebot <strong>des</strong> OSGV auf Übernahme unserer Anteile an <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>bank Sachsen - Girozentrale ohne vorherige Information an den<br />

betroffenen Freistaat Sachsen brachte das Fass zum Überlaufen und<br />

führte zur Kündigung <strong>des</strong> OSGV-Staatsvertrages im Dezember vor zwei<br />

Jahren.<br />

Dass die Unzufriedenheit nicht nur auf sächsischer Seite bestand,<br />

zeigte sich dann deutlich im darauf folgenden Sommer, als sich auch<br />

Sachsen-Anhalt <strong>der</strong> Kündigung angeschlossen hat.<br />

Dieser sächsische Paukenschlag hat sich inzwischen als Startschuss<br />

für eine konstruktive Novellierung <strong>des</strong> OSGV-Staatsvertrages<br />

erwiesen, die zum Ziel hat, die Optimierung <strong>der</strong> Verbandsstrukturen<br />

im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erreichen.<br />

Kurz: Der OSGV soll fit gemacht werden für die verän<strong>der</strong>ten<br />

Rahmenbedingungen im Kreditgewerbe, um seinen Mitglie<strong>der</strong>n als<br />

kompetenter Dienstleister bei <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong><br />

sparkassenrechtlichen Aufgaben beratend zur Seite stehen zu können.<br />

Kurz gesagt: Wir alle brauchen einen zukunftsorientierten OSGV.<br />

Das von allen Beteiligten im Einvernehmen erarbeitete Ergebnis<br />

liegt uns nunmehr zur Bewilligung vor. Wir dürfen erfreut<br />

feststellen, dass im zur Entscheidung stehenden Staatsvertrag<br />

sämtliche Gründe, die zur Kündigung geführt haben, berücksichtigt<br />

worden sind. Der Än<strong>der</strong>ungsentwurf bildet eine tragfähige Grundlage,<br />

zukünftig die aufgetretenen Fehlentwicklungen zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Zudem werden Eckpfeiler für die Handlungsweise <strong>des</strong> OSGV in Richtung<br />

auf ein mo<strong>der</strong>nes Finanzmanagement gesetzt, um vor allem die<br />

Beraterfunktion <strong>des</strong> OSGV für seine Mitglie<strong>der</strong>, das heißt für


einzelne Sparkassen und <strong>der</strong>en Gewährträger, auf wirtschaftlicher<br />

Basis weiter zu optimieren.<br />

Im Einzelnen, meine Damen und Herren, möchte ich auf folgende<br />

Neuregelungen hinweisen. Der Verband ist nunmehr verpflichtet, die<br />

Vertragslän<strong>der</strong> über geplante Entscheidungen, die sie betreffen,<br />

vorher zu informieren. Ein Gegeneinan<strong>der</strong>-Ausspielen <strong>der</strong><br />

Vertragslän<strong>der</strong>, wie dies früher teilweise versucht worden ist, ist<br />

künftig damit von vornherein ausgeschlossen.<br />

Auf die selbstverständlichen Haushaltsgrundsätze <strong>der</strong><br />

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wird nun auch <strong>der</strong> Verband<br />

verpflichtet. Dies sind folgerichtig auch Prüfmaßstäbe für die<br />

Staatsaufsicht. Den Rechnungshöfen <strong>der</strong> beteiligten Vertragslän<strong>der</strong><br />

wird das Recht eingeräumt, die Haushalts- und Wirtschaftsführung<br />

<strong>des</strong> Verban<strong>des</strong> zu prüfen. Auch hierbei sind die Grundsätze <strong>der</strong><br />

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit anzulegen.<br />

Für Sachsen - und das ist ganz wichtig für uns - erfolgt eine<br />

Regelung, dass die sächsische Sparkassenverbundlösung, die wir hier<br />

im Hohen Hause beschlossen haben, in den OSGV eingebunden wird. So<br />

sind sowohl <strong>der</strong> Sachsen-Finanzverband als auch die sächsischen<br />

Sparkassen, die sich dem Finanzverbund anschließen, künftig<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> OSGV.<br />

Finanzierungsbeiträge, meine Damen und Herren, sollen künftig<br />

nachfrageorientiert bemessen sein. Wer Leistungen <strong>des</strong> Verban<strong>des</strong> in<br />

Anspruch nimmt, soll hierfür auch einen entsprechenden Obolus<br />

entrichten. Die Umlagefinanzierung kann damit auf ein notwendiges<br />

Maß beschränkt werden.<br />

Neu ist auch die Einführung von Lan<strong>des</strong>beiräten in den jeweiligen<br />

Vertragslän<strong>der</strong>n. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur<br />

Berücksichtigung regionaler Interessen innerhalb <strong>des</strong> OSGV geleistet<br />

werden.<br />

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Staatsvertrag macht uns<br />

allen wie<strong>der</strong> einmal deutlich, wie wichtig es ist, selbst das Heft<br />

<strong>des</strong> Handelns zu übernehmen. Das haben wir bereits durch die<br />

Gründung <strong>des</strong> Sachsen-Finanzverban<strong>des</strong> deutlich gemacht, mit dem wir<br />

unsere Antwort auf die geän<strong>der</strong>ten wirtschaftlichen und technischen<br />

Rahmenbedingungen im Bankgewerbe gegeben haben. Die 1998 erfolgte<br />

Kündigung <strong>des</strong> OSGV-Staatsvertrages hat sich nunmehr - darüber bin<br />

ich sehr glücklich - als Motor zur Bildung eines neuen,<br />

zukunftsorientierten Verban<strong>des</strong> erwiesen.<br />

Meine Damen und Herren! Wir wollen starke öffentlich-rechtliche<br />

Finanzinstitute in Sachsen und dafür schaffen wir die notwendigen<br />

Rahmenbedingungen - unter an<strong>der</strong>em auch mit dieser Neufassung <strong>des</strong><br />

Staatsvertrages.<br />

Daher bitte ich Sie ganz herzlich um Ihre Zustimmung zum<br />

vorgelegten Gesetzentwurf und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Das Wort hat nun die PDS-<br />

Fraktion. Dazu bitte ich Frau Abg. Dr. Runge.<br />

Frau Dr. Runge, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen<br />

und Herren! Der von <strong>der</strong> Staatsregierung eingebrachte Gesetzentwurf<br />

zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages <strong>vom</strong> 17. Dezember 1992 über den


Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband verfolgt das Hauptziel,<br />

die sächsische Finanzverbundlösung in diesen Verband einzubinden,<br />

nachdem Ministerpräsident Biedenkopf im Dezember 1998 den<br />

bestehenden Staatsvertrag gekündigt hatte.<br />

Mit dem Än<strong>der</strong>ungsgesetz zum Staatsvertrag soll klargestellt werden,<br />

dass sächsische Sparkassen und ehemalige kommunale Träger auch dann<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> Sparkassen- und Giroverban<strong>des</strong> sind, wenn sie<br />

mittlerweile Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> Finanzverbun<strong>des</strong> in Sachsen geworden<br />

sind bzw. noch werden.<br />

Inzwischen wurde <strong>der</strong> Sachsen-Finanzverband faktisch ins Leben<br />

gerufen - nach dem Motto, vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor<br />

anhängige Klagen beim Verfassungsgericht entschieden sind.<br />

Seit <strong>der</strong> Kündigung <strong>des</strong> Staatsvertrages sind inzwischen fast zwei<br />

Jahre vergangen. Deshalb hätte es von Respekt gegenüber <strong>der</strong> dritten<br />

Gewalt, dem Verfassungsgericht, gezeugt, <strong>des</strong>sen Urteil zur<br />

Normenkontrollklage Ende November abzuwarten. Ich muss daher <strong>der</strong><br />

Staatsregierung unterstellen, mit <strong>der</strong> eiligen Ratifikation <strong>des</strong><br />

Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages über den Ostdeutschen<br />

Sparkassen- und Giroverband kraft absoluter CDU-Mehrheit das<br />

Verfassungsgericht bewusst vor vollendete Tatsachen zu stellen und<br />

damit indirekt das Urteil beeinflussen zu wollen.<br />

Dass das nicht nur ein hypothetischer Verdacht ist, beweist bereits<br />

<strong>der</strong> Umgang mit dem in den Landtag eingebrachten Volksantrag 99<br />

sowie die praktizierten Prüfverfahren <strong>der</strong> Unterschriftenlisten im<br />

Rahmen eines Volksbegehrens <strong>der</strong> Bürgerinitiative "Pro Kommunale<br />

Sparkasse".<br />

Aus diesen Tatsachen ist eine Tendenz ablesbar. Die heißt:<br />

Missachtung <strong>des</strong> Willens <strong>der</strong> Bevölkerung und ihrer Abgeordneten o<strong>der</strong><br />

- frei nach Machiavelli - "<strong>der</strong> Zweck heiligt die Mittel".<br />

Nein, <strong>der</strong> Zweck, mit allen Mitteln den Sachsen-Finanzverband ohne<br />

Rücksicht auf die ohnehin geringen Möglichkeiten direkter<br />

Demokratiebeteiligung durchzuboxen, hat mit Durchsetzungsfähigkeit<br />

nichts zu tun und wird auf den Finanzverbund selbst zurückfallen.<br />

Solche Verhaltensweisen von Politikern, öffentlich zur<br />

demokratischen Teilhabe aufzurufen, aber heimlich aus<br />

machtpolitischen Gründen diese zu übergehen, sind die wirklichen<br />

Ursachen für Politikverdrossenheit, die in Wahrheit immer eine<br />

Politikerverdrossenheit ist.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Dem Finanzverbund drohen noch weitere Gefahren, denn die<br />

Bürgerinitiative "Pro Kommunale Sparkasse" hat gegen die Art und<br />

Weise <strong>der</strong> Prüfung und Bewertung <strong>der</strong> Unterschriftenlisten hier im<br />

Landtag ebenfalls beim Verfassungsgericht Wi<strong>der</strong>spruch eingelegt. Es<br />

ist also noch völlig offen, wie das Volksbegehren mit dem Ziel,<br />

einen Volksentscheid zum sächsischen Finanzverbund herbeizuführen,<br />

ausgehen wird.<br />

Des Weiteren ist das laufende Beihilferechtsverfahren gegen die<br />

Westdeutsche Lan<strong>des</strong>bank zu erwähnen, das noch nicht abgeschlossen<br />

ist. Die Mitgliedschaft <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>bank in <strong>der</strong> sächsischen<br />

Finanzverbundkonstruktion kann so leicht die Sparkassen mit in den<br />

Strudel eines Beihilferechtsverfahrens reißen. Denn die regional


agierenden Sparkassen treten nicht als Konkurrenten von privaten<br />

Banken auf den internationalen Kreditmärkten auf und verletzen<br />

gelten<strong>des</strong> Wettbewerbsrecht nicht. Sie genießen Bestandsschutz.<br />

Dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages über<br />

den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband können wir aus den<br />

gleichen Gründen nicht zustimmen, die uns erwogen haben, das Gesetz<br />

zur Neuordnung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im<br />

Freistaat Sachsen abzulehnen und eine Normenkontrollklage beim<br />

Verfassungsgericht zu betreiben.<br />

Der hauptsächliche Grund für eine Ablehnung besteht darin, dass wir<br />

<strong>der</strong> Argumentation <strong>des</strong> Verfassungsrichters Püttner folgen, die<br />

lautet: "Mit <strong>der</strong> sächsischen Konstruktion eines Finanzverbun<strong>des</strong><br />

zwischen Lan<strong>des</strong>-Aufbaubank und kommunalen Sparkassen wird zu einer<br />

neuen Struktur in <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft<br />

übergegangen, die <strong>der</strong> Tendenz nach auf Zentralisierung gerichtet<br />

ist und die mit <strong>der</strong> institutionellen Garantie örtlicher<br />

Selbstverwaltung als einem verfassungsrechtlich vorgegebenen<br />

Prinzip <strong>des</strong> Staatsaufbaus nicht in Einklang zu bringen ist."<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Hört, hört!)<br />

Noch ein Wort an die SPD. Ich bin sehr gespannt, was die SPD heute<br />

hier zur Lex Tiefensee sagen wird.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Jurk, SPD: Was ist<br />

eigentlich mit <strong>der</strong> Lex Brähmig in Hoyerswerda?)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich frage zunächst die CDU-<br />

Fraktion, ob noch ein Abgeordneter sprechen möchte. - Ich sehe, das<br />

ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann hat die SPD-Fraktion das Wort. Ich darf<br />

Sie bitten, Herr Abg. Lochbaum.<br />

Lochbaum, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Um es vorwegzunehmen, Frau Dr. Runge: Wir werden diesem<br />

Staatsvertrag über den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband<br />

zustimmen.<br />

Die Regelungen in diesem Werk sind zwar aus unserer Sicht nicht das<br />

Optimum. Der Abschluss <strong>des</strong> Vertrages stellt aber in <strong>der</strong> gegebenen<br />

Situation einen guten Kompromiss dar, mit dem alle Seiten leben<br />

können und <strong>der</strong> für die Zukunft alle Möglichkeiten offen lässt, Frau<br />

Dr. Runge.<br />

Ich möchte daher an dieser Stelle nur auf die zwei wichtigsten<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Verhandlungen eingehen, die Bestandteil <strong>des</strong><br />

Vertrages wurden.<br />

Die sächsischen Sparkassen, ganz gleich ob eigenständige Sparkassen<br />

o<strong>der</strong> Verbandssparkassen, sind weiterhin Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> OSGV und<br />

partizipieren auch zukünftig an <strong>der</strong> Einrichtung <strong>des</strong><br />

Sparkassenstützungsfonds. Das ist ja nicht ganz unwesentlich.<br />

Dieses für alle Beteiligten vernünftige Ergebnis konnte erzielt<br />

werden - und hier komme ich zum zweiten Punkt -, weil sich auch <strong>der</strong><br />

Freistaat Sachsen nach längerem Zögern endlich bewegt hat, und das<br />

nicht ganz ohne Druck von unserer Seite.<br />

Der geän<strong>der</strong>te Staatsvertrag steht auch künftig in <strong>der</strong> Kontinuität<br />

<strong>des</strong> deutschen Sparkassenwesens mit einer dezentralen<br />

Sparkassenstruktur. Paragraph 8 Abs. 3 <strong>des</strong> Staatsvertrages lässt<br />

eine Partizipation <strong>der</strong> Sparkassen <strong>des</strong> Sachsen-Finanzverban<strong>des</strong> nur


zu, wenn sich <strong>der</strong> Verband ausschließlich auf die Ausübung einer<br />

reinen Kapitaleignerfunktion zurückzieht. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Die<br />

gewachsenen dezentralen Geschäftsstrukturen <strong>der</strong> Sparkassen müssen<br />

auch bei Verbandssparkassen gewahrt bleiben. Lediglich die<br />

Eigentümerfunktionen können gebündelt werden. Holdingstrukturen<br />

sind mit diesem Vertrag nach unserer Auffassung aber nicht<br />

vereinbar.<br />

Wir werden in Zukunft sehr genau darauf achten, was beim Sachsen-<br />

Finanzverband passiert. Die dezentrale Geschäftsstruktur <strong>der</strong><br />

Sparkassen muss erhalten bleiben. Dieses Ziel ist mit den<br />

<strong>der</strong>zeitigen Regelungen zum Sachsen-Finanzverband nach unserer<br />

Auffassung noch nicht gewährleistet.<br />

Nächste Woche entscheidet <strong>der</strong> Verfassungsgerichtshof über das<br />

Gesetz zum Sachsen-Finanzverband. Diese Entscheidung wird uns in<br />

dieser Frage hoffentlich etwas weiterbringen. Mit dem hier zur<br />

Entscheidung stehenden Staatsvertrag hat das jedoch nur am Rande zu<br />

tun, Frau Dr. Runge.<br />

Wie bereits gesagt, ist <strong>der</strong> Staatsvertrag ein guter Kompromiss, mit<br />

dem alle leben können und <strong>der</strong> für die Zukunft nichts verbaut. Wir<br />

werden zustimmen.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei SPD und CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Ich<br />

möchte Sie fragen, ob es mir gestattet ist, über den Titel und<br />

Artikel 1 und Artikel 2 gemeinsam abstimmen zu lassen. - Ich sehe<br />

keinen Wi<strong>der</strong>spruch. Dann stelle ich den Titel <strong>des</strong> Gesetzentwurfes<br />

"Gesetz über den Staatsvertrag zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Staatsvertrages <strong>vom</strong><br />

17. Dezember 1992 über den Ostdeutschen Sparkassen- und<br />

Giroverband", Drucksache 3/2664, als Gesetzentwurf <strong>der</strong><br />

Staatsregierung in <strong>der</strong> Fassung <strong>der</strong> Beschlussempfehlung und <strong>des</strong><br />

Berichtes in Drucksache 3/2934 und die Artikel 1 und 2 zur<br />

Abstimmung.<br />

Wer diesem Entwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Danke. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong><br />

Stimme? - Bei wenigen Gegenstimmen und Stimmenthaltungen ist dem<br />

Entwurf <strong>des</strong> Gesetzes mehrheitlich zugestimmt. Der Entwurf ist damit<br />

als Gesetz beschlossen.<br />

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 5<br />

1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Sächsisches Enteignungs- und<br />

Entschädigungsgesetz (SächsEntEG)<br />

Drucksache 3/2880, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Es liegt keine Empfehlung <strong>des</strong> Präsidiums vor, eine allgemeine<br />

Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin,<br />

die Staatsregierung. Ich darf Sie bitten, Herr Staatsminister<br />

Hardraht.<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen<br />

und Herren! Artikel 14 Abs. 3 Satz 2 <strong>des</strong> Grundgesetzes und Artikel<br />

32 Abs. 1 <strong>der</strong> Sächsischen Verfassung lassen eine Enteignung<br />

aufgrund eines Gesetzes zu, wenn das Gesetz zugleich Art und Ausmaß<br />

einer Entschädigung regelt.


Das Recht <strong>der</strong> Enteignung ist Gegenstand <strong>der</strong> konkurrierenden<br />

Gesetzgebung. Es gibt Bun<strong>des</strong>gesetze, zum Beispiel das<br />

Baugesetzbuch, die Enteignungen abschließend regeln. Es gibt aber<br />

auch Bun<strong>des</strong>gesetze, die die Enteignung zulassen, aber bezüglich <strong>des</strong><br />

Verfahrens und <strong>der</strong> Entschädigung auf die Lan<strong>des</strong>gesetze verweisen,<br />

so zum Beispiel das Bun<strong>des</strong>fernstraßengesetz.<br />

Im Freistaat Sachsen wurden bereits in den letzten zehn Jahren<br />

Enteignungen durchgeführt. Dies war möglich, weil es<br />

Übergangsregelungen im Einigungsvertrag und in an<strong>der</strong>en Gesetzen<br />

gab. Diese Übergangsregelungen gelten zum Teil nicht mehr o<strong>der</strong><br />

werden in absehbarer Zeit auslaufen. Um auch in Zukunft enteignen<br />

zu können, ist daher ein Sächsisches Enteignungsgesetz<br />

unerlässlich.<br />

Die Staatsregierung hat sich entschieden, in ihrem Entwurf eines<br />

Enteignungsgesetzes auf die Regelungen <strong>des</strong> Baugesetzbuches zu<br />

verweisen.<br />

Die Enteignungsregelungen <strong>des</strong> Baugesetzbuches sind als<br />

Standardvorschriften <strong>des</strong> mo<strong>der</strong>nen Enteignungsrechts anerkannt. Sie<br />

zeichnen sich durch eine gerechte Abwägung zwischen den Interessen<br />

<strong>der</strong> Allgemeinheit und denen <strong>des</strong> betroffenen Grundeigentümers aus.<br />

Durch die bereits erwähnten auslaufenden Übergangsregelungen galten<br />

die Enteignungsvorschriften <strong>des</strong> Baugesetzbuches schon bisher in<br />

Sachsen. Ihre Anwendung hat insoweit keine Probleme bereitet. Daher<br />

ist es sinnvoll, diese Regelungen auch weiterhin anzuwenden. Die<br />

Bürger und die Behörden brauchen sich nicht auf ein neues<br />

Enteignungsrecht materieller Art einzustellen. Enteignungen nach<br />

dem Baugesetzbuch und Enteignungen nach Lan<strong>des</strong>recht werden <strong>des</strong>halb<br />

nach denselben materiellen Vorschriften aufgrund <strong>der</strong> vorgesehenen<br />

Verweisungen durchgeführt. Ein sächsisches "Vollgesetz" dagegen,<br />

das die Regelungen <strong>des</strong> Baugesetzbuches entwe<strong>der</strong> wörtlich o<strong>der</strong><br />

inhaltlich wie<strong>der</strong>holen würde, wi<strong>der</strong>spräche unseren Bemühungen nach<br />

Rechtsvereinfachung und wäre daher nicht sinnvoll.<br />

Ich komme kurz zum Inhalt <strong>des</strong> Gesetzes: Mit dem Entwurf wird -<br />

erstens - durch die Festlegung eigener Enteignungszwecke die<br />

Rechtsgrundlage für Enteignungen geschaffen, sofern sich diese<br />

nicht bereits in Bun<strong>des</strong>gesetzen o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en Lan<strong>des</strong>gesetzen<br />

findet. Zweitens werden für alle Enteignungen Regelungen über die<br />

Entschädigung <strong>des</strong> Grundeigentümers getroffen. Drittens werden das<br />

Verfahren für die Durchführung <strong>der</strong> Enteignung und die Festsetzung<br />

<strong>der</strong> Entschädigung geregelt.<br />

Wenn es zu keiner freiwilligen Einigung kommt, werden Enteignungen<br />

auch in Zukunft unerlässlich sein, um die Infrastruktur im<br />

Freistaat Sachsen weiter auszubauen und somit die Attraktivität<br />

Sachsens als Wirtschaftsstandort zu erhalten. Um Enteignungen<br />

vornehmen zu können, brauchen wir dieses von uns im Entwurf<br />

vorgelegte Sächsische Enteignungsgesetz.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Das<br />

Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf "Sächsisches Enteignungs-<br />

und Entschädigungsgesetz" an den Innenausschuss zur Fe<strong>der</strong>führung,


an den Verfassungs- und Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für<br />

Bauen, Wohnen und Verkehr zur Mitberatung zu überweisen. Wer dem<br />

Vorschlag <strong>der</strong> Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den<br />

bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält<br />

sich <strong>der</strong> Stimme? - Die Überweisung ist einstimmig beschlossen<br />

worden.<br />

Der Tagesordnungspunkt 5 ist beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 6<br />

1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Einführung <strong>der</strong> Stichwahl bei den<br />

Wahlen von Bürgermeistern und Landräten<br />

Drucksache 3/2933, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD<br />

Wie im vorigen Tagesordnungspunkt liegt auch hier <strong>vom</strong> Präsidium<br />

keine Empfehlung vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen.<br />

Daher spricht nur die einreichende Fraktion <strong>der</strong> SPD.<br />

Ich bitte um Einreichung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs. Frau Abg. Weihnert.<br />

Frau Weihnert, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der<br />

Grundsatz von Klarheit und Wahrheit gilt nicht nur für<br />

Haushaltsbücher. Die Brisanz von Wahlen erleben wir momentan<br />

hautnah, auch wenn sie uns nur berichtet wird. Gesetzliche<br />

Rahmenbedingungen, Wahlscheine, Wahlbeteiligung und Wahlergebnisse<br />

sind für eine Demokratie ganz wichtige Kriterien, um in Demokratie<br />

und Freiheit zu leben. Die Deutlichkeit <strong>des</strong> Wählerwillens ist<br />

unabdingbar, um Demokratie richtig ausführen zu können.<br />

Der von uns heute vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, bei den<br />

Direktwahlen <strong>der</strong> Bürgermeister und Landräte im 2. Wahlgang<br />

Stichwahlen einzuführen. Unser Ziel ist es, die demokratische<br />

Legitimation eines erst im 2. Wahlgang gewählten Bürgermeisters<br />

o<strong>der</strong> Landrats zu erhöhen und <strong>des</strong>sen Akzeptanz dadurch bei <strong>der</strong><br />

Bevölkerung zu verbreitern.<br />

Die <strong>der</strong>zeit gültige Regelung im Freistaat Sachsen führte in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit im 2. Wahlgang beson<strong>der</strong>s bei niedriger<br />

Wahlbeteiligung dazu, dass Bürgermeister o<strong>der</strong> Landräte nur von<br />

einem geringen Teil <strong>der</strong> Wahlberechtigten gewählt wurden. Lassen Sie<br />

mich an einige Wahlen erinnern. Bei den letzten Bürgermeister- und<br />

Oberbürgermeisterwahlen im Freistaat Sachsen, zum Beispiel in<br />

Plauen, Radebeul o<strong>der</strong> Wolkenstein, um nur einige zu nennen,<br />

erhielten schließlich die zum Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister<br />

gewählten Bewerber sehr wenige Stimmen aller Wahlberechtigten.<br />

Sie können sich die Frage stellen: Warum sind niedrige<br />

Stimmenanteile denn so problematisch? Gewählt ist doch gewählt! -<br />

Grundsätzlich ja. Lassen Sie mich aber im Folgenden auf einige<br />

wesentliche Gründe, die uns zum Umdenken ermuntern sollen,<br />

eingehen.<br />

Erstens. Landräte und Bürgermeister führen als<br />

Hauptverwaltungsbeamte in eigener Verantwortung die Geschäfte <strong>der</strong><br />

laufenden Verwaltung einer Gemeinde bzw. eines Landkreises. Sie<br />

müssen nicht nur eigenständig Weisungsaufgaben erfüllen - dies ist<br />

bedingt durch die in <strong>der</strong> Sächsischen Kommunalverfassung verankerte<br />

Konzeption <strong>der</strong> Süddeutschen Ratsverfassung -, son<strong>der</strong>n sie besitzen<br />

auch kraft ihres Amtes die Eilentscheidungskompetenz. Bürgermeister


und Landräte sind damit neben den gewählten Ratsmitglie<strong>der</strong>n <strong>des</strong><br />

Kreistages, Stadtrates o<strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>ates entsprechend unserer<br />

Kommunalverfassung ein zweites Machtzentrum.<br />

Zweitens. Die Stärke eines gewählten Bürgermeisters o<strong>der</strong> Landrats<br />

sollte es auch sein, von einer breiten Mehrheit <strong>der</strong> Wähler getragen<br />

zu werden. Aus unserer Sicht leidet die Reputation eines gewählten<br />

Vertreters bei geringen Stimmenanteilen. Er o<strong>der</strong> sie ist nicht mehr<br />

die unangefochtene Person, die eine Mehrzahl <strong>der</strong> Bürger vertritt.<br />

Die Autorität, mit <strong>der</strong> er o<strong>der</strong> sie politische Diskussionen in <strong>der</strong><br />

Gemeinde o<strong>der</strong> im Landkreis führen und entscheiden kann, leidet,<br />

wenn er sie nicht mehr als das Wahlergebnis in die Waagschale <strong>der</strong><br />

politischen Auseinan<strong>der</strong>setzung werfen kann. Denn Bürgermeister und<br />

Landräte müssen in ihrer Amtszeit auch für schwierige Prozesse<br />

Mehrheiten in <strong>der</strong> entsprechenden Ratsversammlung finden und<br />

natürlich auch Entscheidungen herbeiführen. Ich möchte nur auf<br />

Fragen wie Personalumstrukturierung, Schulnetzplanung,<br />

Gebührenregelung für den ÖPNV, Straßenausbau, Kitas, Theater usw.<br />

verweisen. Wir haben einige Kommunalpolitiker unter uns, die<br />

wissen, wovon ich spreche.<br />

Meine Damen und Herren! Wir glauben <strong>des</strong>halb, dass es - drittens -<br />

möglich und notwendig ist, <strong>der</strong> immer stärker gewordenen<br />

Politikverdrossenheit in <strong>der</strong> Bevölkerung und dem Desinteresse an<br />

<strong>der</strong> Politik in <strong>der</strong> Gemeinde und in <strong>der</strong> Region dadurch<br />

entgegenzuwirken, dass sich ein größerer Teil <strong>der</strong> Bevölkerung zu<br />

ihrem Bürgermeister o<strong>der</strong> Landrat bekennt. Wir wollen daher, dass<br />

die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, sich schon<br />

lange vor den Wahlen über den Kandidaten o<strong>der</strong> die Kandidatin zu<br />

informieren. An<strong>der</strong>erseits soll den Bewerbern auch genügend Zeit<br />

eingeräumt werden, um die eigenen Vorstellungen darzulegen. Aus<br />

unserer Sicht ist dies wenige Tage vor einem zweiten Wahlgang nicht<br />

möglich, wenn zum einen völlig neue Kandidaten auftreten können;<br />

zum an<strong>der</strong>en kann es sicherlich nicht Wählerwille sein, dass zu<br />

einem zweiten Wahlgang wie<strong>der</strong> eine Vielzahl von Bewerbern<br />

zugelassen wird.<br />

Meine Damen und Herren! Erhält also keiner <strong>der</strong> Bewerber im ersten<br />

Wahlgang die absolute Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen, so sollen sich nach<br />

unserem Willen künftig im erfor<strong>der</strong>lichen zweiten Wahlgang im Rahmen<br />

einer Stichwahl nur die beiden Bewerber gegenüberstehen, die im<br />

ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Das Ziel,<br />

mittels einer direkten Volkswahl die Stellung <strong>des</strong> Bürgermeisters<br />

bzw. Landrats zu stärken, wird dadurch eher erreicht. Eine<br />

deutliche unmittelbare demokratische Legitimation entspricht gerade<br />

<strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Sächsischen Kommunalverfassung. Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten, seine o<strong>der</strong> ihre Stärke sollten <strong>der</strong> Bürgermeister o<strong>der</strong> die<br />

Bürgermeisterin, <strong>der</strong> Landrat o<strong>der</strong> die Landrätin gerade daraus<br />

beziehen, dass sie die Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung hinter sich wissen.<br />

Dieses Ziel wird aber mit unseren momentanen Wahlergebnissen und<br />

Wahlverfahren, wie ich sie bereits beschrieben habe, nicht verfolgt<br />

bzw. auch verfehlt.<br />

Unser Gesetzentwurf will hier Abhilfe schaffen. Mit <strong>der</strong><br />

vorgesehenen Erfüllung <strong>der</strong> Stichwahl wird das Demokratieprinzip


esser zur Geltung gebracht. Legitimation und Akzeptanz <strong>des</strong> mit<br />

absoluter Mehrheit <strong>der</strong> gültigen Stimmen gewählten Bewerbers wird<br />

deutlich verbessert.<br />

Meine Damen und Herren! Wir haben hier nichts Neues vorgelegt. Die<br />

Mehrzahl <strong>der</strong> in den an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n geltenden<br />

Kommunalverfassungen, in denen ebenfalls eine Direktwahl <strong>der</strong><br />

Bürgermeister o<strong>der</strong> Landräte vorgesehen ist, enthalten die Stichwahl<br />

und zeigen dort auch gute Ergebnisse. Wir halten daher für Sachsen<br />

ebenfalls eine solche Regelung für angebracht und bitten um die<br />

Überweisung in die entsprechend vorgesehenen Ausschüsse.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren<br />

Abgeordnete! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf "Gesetz<br />

zur Einführung <strong>der</strong> Stichwahl bei den Wahlen von Bürgermeistern und<br />

Landräten" an den Innenausschuss - fe<strong>der</strong>führend - und an den<br />

Verfassungs- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer <strong>der</strong> Überweisung<br />

an diese Ausschüsse zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. -<br />

Danke. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Dieser<br />

Gesetzentwurf ist wie<strong>der</strong>um auch einstimmig in die vorgenannten<br />

Ausschüsse überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.<br />

Tagesordnungspunkt 7<br />

1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Verwaltung im<br />

Freistaat Sachsen<br />

Drucksache 3/2583, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD<br />

Das Präsidium hat sich entschieden, dem Plenum keine allgemeine<br />

Aussprache vorzuschlagen. Deshalb spricht nur die einreichende<br />

Fraktion <strong>der</strong> SPD. - Frau Abg. Ludwig, bitte.<br />

Frau Ludwig, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir<br />

gehen davon aus, dass Herr Adler noch bei einer Besuchergruppe<br />

weilt. Wir können ihn holen, wenn wir uns 2 Minuten Geduld<br />

auferlegen könnten. Was an<strong>der</strong>es können wir im Moment nicht dazu<br />

sagen. Vielleicht können wir tauschen.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Wir haben<br />

im Tagesordnungspunkt 8 noch eine 1. Lesung. Wenn die Abgeordneten<br />

damit einverstanden sind, rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 8<br />

auf und unterbreche Tagesordnungspunkt 7.<br />

Tagesordnungspunkt 8<br />

1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlicher<br />

Selbstverwaltung in den sächsischen Kommunen (SVwStärkG)<br />

Drucksache 3/2939, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS<br />

Wir treten in die 1. Lesung ein. Auch hier hat das Präsidium<br />

empfohlen, keine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht<br />

daher nur die PDS-Fraktion als Einreicherin. Ich darf Sie bitten,<br />

Herr Abg. Dr. Friedrich.<br />

Dr. Friedrich, PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr<br />

Kollege Adler, Sie haben einiges bei mir in <strong>der</strong> Schuld.<br />

Niemand hier in diesem Hohen Hause wird in Abrede stellen, wie<br />

schön, wichtig, eigenständig, wie verfassungstragend kommunale<br />

Selbstverwaltung ist. Wir denken dabei natürlich an die letzte<br />

Kommunalverfassung <strong>der</strong> DDR vor rund zehneinhalb Jahren. Damals ist<br />

ja die kommunale Selbstverwaltung auch auf dem Gebiet <strong>des</strong>


sächsischen Freistaates wie<strong>der</strong> begründet worden. Wir denken an die<br />

Selbstverwaltungsgarantien in Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz und<br />

natürlich an jene neun Artikel in unserer Lan<strong>des</strong>verfassung, in<br />

denen die Selbstverwaltungsgarantie in wahrlich blumiger Breite<br />

garantiert ist.<br />

Vielleicht ist es aber nütztlich, sich hin und wie<strong>der</strong> einmal an die<br />

historischen Wurzeln zu erinnern. Je<strong>der</strong> mag zuerst vielleicht an<br />

die steinsche Städteordnung aus dem Jahre 1808 denken, wenn er das<br />

Wort kommunale Selbstverwaltung hört. Damals wurde Selbstverwaltung<br />

praktisch als Gegenkraft zum monarchistischen Staat begriffen, <strong>der</strong><br />

sich seinerzeit in einer schweren Krise befand.<br />

1849 endlich wurde die kommunale Selbstverwaltung als Grundrecht in<br />

<strong>der</strong> Verfassung <strong>des</strong> Deutschen Reiches infolge <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Revolution postuliert. Sehr viel später dann haben Rudolf Gneist<br />

und vor allem Hugo Preuß, letzterer in seinem grundlegenden Werk<br />

1889 über Gemeinde, Staat und Reich als Gebietskörperschaften,<br />

wahrlich eine Neukonzeption <strong>des</strong> auf die Bürger aufgebauten<br />

Gemeinwesens geschaffen. Es war eine revolutionäre<br />

genossenschaftliche Konzeption bürgerschaftlichen Miteinan<strong>der</strong>s,<br />

eine Konzeption wirklicher Bürgerdemokratie.<br />

Später ist das wie<strong>der</strong> etwas zurückgeschraubt worden: Gemeinden<br />

waren nichts Eigenständiges mehr, sozusagen dann die unterste Ebene<br />

<strong>der</strong> Staatsorganisation. Trotzdem ist dieser interessante<br />

Politikansatz, <strong>der</strong> vor 190 Jahren entstanden ist, heute aktueller<br />

denn je.<br />

Ich darf eine höchst interessante Entscheidung <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichtes zur kommunalen Selbstverwaltung<br />

zitieren, die wir uns bei unserem Gesetzentwurf zur Untersetzung<br />

<strong>der</strong> sächsischen Verhältnisse vorgenommen haben: "Kommunale<br />

Selbstverwaltung ist eine ihrem Wesen und ihrer Intention nach<br />

Aktivierung <strong>der</strong> Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die<br />

die in <strong>der</strong> öffentlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte <strong>des</strong> Volkes<br />

zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben <strong>der</strong><br />

engeren Heimat zusammenschließen mit dem Ziel, das Wohl <strong>der</strong><br />

Einwohner zu för<strong>der</strong>n und die geschichtliche und heimatliche<br />

Eigenart zu wahren."<br />

Das ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> klar definierte bürgerschaftliche<br />

und demokratische Anspruch an kommunale Selbstverwaltung; <strong>des</strong>halb<br />

auch <strong>der</strong> Titel unseres Gesetzes "Gesetz zur Stärkung <strong>der</strong><br />

bürgerschaftlichen Selbstverwaltung".<br />

Wir haben nun einen etwas an<strong>der</strong>en Ansatz als die SPD gewählt, die<br />

ja bereits das zweite Gesetz zur Thematik vorlegt. Wir haben einen<br />

ziemlich komplexen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir än<strong>der</strong>n nicht nur<br />

einen Artikel in <strong>der</strong> sächsischen Lan<strong>des</strong>verfassung, son<strong>der</strong>n<br />

insgesamt 52 Paragraphen in <strong>der</strong> Gemeindeordnung, in <strong>der</strong><br />

Landkreisordnung, im Kommunalwahlgesetz und im Gesetz über<br />

kommunale Zusammenarbeit sowie im Kommunalrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetz.<br />

Wir meinen, es ist sinnvoll, dies alles auf den Punkt zu bringen<br />

und praktisch in ein kompaktes Gesetz zu schreiben, als je<strong>des</strong> Mal<br />

ein Einzelgesetz zu machen. Das wären dann etwa 50 Gesetze<br />

geworden.


Worauf kommt es nun an? Ich kann hier selbstverständlich nicht in<br />

<strong>der</strong> Breite, wie das Kollegin Weihnert vor einigen Minuten zu ihrem<br />

Gesetzentwurf getan hat, unsere Regelung im Einzelnen vorstellen<br />

und begründen. Dazu würde ich zirka eineinhalb Stunden benötigen.<br />

Ich kann hier nur auf den Punkt bringen, was wir än<strong>der</strong>n wollen.<br />

Wir wollen das Wahlalter 16 auf <strong>der</strong> kommunalen Ebene ermöglichen.<br />

Genau das hat die Lan<strong>des</strong>verfassungsän<strong>der</strong>ung notwendig gemacht.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Generell wollen wir Entscheidungsprozesse in den Gemeinden<br />

demokratisieren. Ich komme darauf noch zurück.<br />

Wir wollen Bürgerbeteiligung erleichtern und wirkliche<br />

Bürgermitsprache garantieren. Wir wollen - ich drücke mich hier<br />

sehr mo<strong>der</strong>at aus - die gerade in Sachsen arg verschobene<br />

Machtbalance zwischen den Gemein<strong>der</strong>äten, Stadträten und Kreistagen<br />

- das sind ja bekanntlich die Hauptorgane - und den Bürgermeistern<br />

und Oberbürgermeistern sowie Landräten wie<strong>der</strong> so austarieren, dass<br />

die Hauptorgane Hauptorgane sind. Wir wollen also, ganz klar<br />

gesagt, die Vertretungskörperschaften stärken.<br />

Wir wollen die Ortschaftsverfassung aufwerten. Wir wollen die<br />

Zweckverbände demokratisieren. Wir wollen die Kommunalfinanzen und<br />

die wirtschaftliche Betätigung <strong>der</strong> Gemeinden auf ein soli<strong>des</strong><br />

Fundament stellen. Nicht zuletzt wollen wir die Kommunalaufsicht in<br />

eine weniger reglementierende, son<strong>der</strong>n in eine die Rechte <strong>der</strong><br />

Bürgerinnen und Bürger schützende Kommunalaufsicht und eine die<br />

Selbstverwaltung ermunternde Kommunalaufsicht umgestalten.<br />

Bei all dem haben wir die Süddeutsche Ratsverfassung, die hier Pate<br />

gestanden hat, nicht verlassen, nicht zur Disposition gestellt,<br />

son<strong>der</strong>n wir haben uns innerhalb <strong>des</strong> Systems <strong>der</strong> Süddeutschen<br />

Ratsverfassung konstruktiv und kritisch bewegt. Ich glaube, etwas<br />

an<strong>der</strong>es, etwa die Norddeutsche Magistralverfassung hier<br />

einzuführen, die vielleicht auch ihre demokratischen Vorteile hat,<br />

wäre in <strong>der</strong> Praxis schwer vermittelbar.<br />

Ganz kurz zur Stellung <strong>des</strong> Bürgermeisters und <strong>des</strong> Landrates: Wir<br />

wollen bei <strong>der</strong> Direktwahl bleiben, weil wir darin schon ein starkes<br />

basisdemokratisches Element o<strong>der</strong> ein Element <strong>der</strong> direkten<br />

Demokratie sehen. Wir können allerdings mit <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Wahlperiode - fünf Jahre Gemein<strong>der</strong>at, sieben Jahre Bürgermeister -<br />

nicht konform gehen. Wir möchten die fünfjährige Amtszeit <strong>der</strong><br />

Bürgermeister und natürlich auch <strong>der</strong> Landräte.<br />

Die Abwahl <strong>des</strong> Bürgermeisters soll erleichtert werden, und zwar<br />

nicht so wie in Brandenburg, wo es ja zu einem regelrechten<br />

"Bürgermeisterkegeln" gekommen ist. Wir wollen das etwas mo<strong>der</strong>ater<br />

tun, denn von den bisherigen Versuchen in Sachsen - es gab ja rund<br />

45 Versuche - waren nur ganze zwei erfolgreich, in Oybin und<br />

Görlitz nach meiner Zählung, und in begründeten Fällen die<br />

Abwahlhürden etwas herunternehmen, und zwar von 50 auf 35 von 100<br />

als Zustimmungsquorum, wenn es eine Mehrheit im Abwahlverfahren<br />

gibt. Auf den beiden Wegen, auf denen dieses Abwahlverfahren<br />

zustande kommen kann, wollen wir das Quorum senken.<br />

Der Ältestenrat soll an<strong>der</strong>s besetzt und an<strong>der</strong>s konstituiert werden.<br />

Er soll ein Beratungsorgan <strong>des</strong> Bürgermeisters werden. Der


Bürgermeister soll nicht mehr kraft Amtes Vorsitzen<strong>der</strong> sein. Wir<br />

wollen gleichsam, dass <strong>der</strong> Bürgermeister nicht mehr kraft Amtes<br />

automatisch Vorsitzen<strong>der</strong> in allen Ausschüssen sein muss. Es soll<br />

dem Gemein<strong>der</strong>at o<strong>der</strong> auch dem Stadtrat obliegen zu bestimmen, wer<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> in den Ausschüssen ist. Das kann in Son<strong>der</strong>heit, wenn<br />

<strong>der</strong> Stadtrat das für richtig hält, natürlich auch <strong>der</strong> Bürgermeister<br />

sein.<br />

Wir möchten in Bezug auf die Gemein<strong>der</strong>äte endlich die Fraktionen,<br />

die es bereits in vielen Hauptsatzungen o<strong>der</strong> Geschäftsordnungen<br />

gibt, im Gesetz mit klar definierten Min<strong>der</strong>heitenrechten<br />

festgeschrieben wissen. Die Min<strong>der</strong>heitenrechte generell, also etwa<br />

das Recht auf Akteneinsicht, Einberufung <strong>des</strong> Gemein<strong>der</strong>ates, das<br />

Recht, einen Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen,<br />

und vieles an<strong>der</strong>e wollen wir von jetzt einem Viertel aller<br />

gewählten Gemein<strong>der</strong>äte auf ein Fünftel herabsetzen o<strong>der</strong>, wie<br />

gesagt, auf eine Fraktion.<br />

Es soll zwingend die Öffentlichkeit aller <strong>Sitzung</strong>en <strong>der</strong><br />

Gemein<strong>der</strong>äte vorgeschrieben werden. Wir wollen hier wesentlich<br />

stringenter, als das bisher gehandhabt wurde, diese Öffentlichkeit<br />

für die vorberatenden Ausschüsse erreichen, und zwar im Sinne<br />

unserer For<strong>der</strong>ung nach "gläsernen Rathäusern".<br />

Zweckverbände sollen demokratisiert werden, und zwar in <strong>der</strong> Weise,<br />

dass Vertreter <strong>der</strong> Verbandsmitglie<strong>der</strong> - Verbandsmitglie<strong>der</strong> sind ja<br />

hier bekanntlich die Gemeinde, die Kommune o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landkreis - an<br />

Weisungen ihrer kommunalen Vertretungskörperschaften gebunden sind.<br />

In den Fällen, in denen es solche Weisungen nicht gibt, sollen sie<br />

ein individuelles Antragsrecht bekommen, so dass das gegenwärtige,<br />

oftmals sehr intransparente Geschehen in diesen Zweckverbänden <strong>der</strong><br />

Vergangenheit angehören kann.<br />

Wir wollen, ähnlich wie in Baden-Württemberg, die unechte<br />

Teilortswahl zumin<strong>des</strong>t als Option in die Wahlgesetze aufgenommen<br />

wissen. Natürlich ist das ein kompliziertes Verfahren, aber wir<br />

denken, was in Baden-Württemberg mit <strong>der</strong> Intelligenz <strong>der</strong> dortigen<br />

Bevölkerung möglich ist, sollte in Sachsen wohl auch möglich sein.<br />

Das wäre ein wesentlicher Punkt, um die nach <strong>der</strong><br />

Gemeindegebietsreform neu hinzugekommenen Ortschaften angemessen zu<br />

repräsentieren, denn oftmals sind sie nur für eine Übergangszeit im<br />

Stadt- o<strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>at repräsentiert.<br />

Sachkundige Einwohner, Sachverständige generell und Beiräte wollen<br />

wir zum Beispiel durch die zwingende Bestimmung, dass es<br />

Jugendbeiräte zu geben hat, denen ausschließlich Jugendliche<br />

angehören, aufwerten. Gleiches gilt für Auslän<strong>der</strong>beiräte und<br />

Gleichstellungsbeauftragte, die in Gemeinden ab 10 000 Einwohner<br />

hauptamtlich tätig sein sollen. Ortschaftsräte und<br />

Stadtbezirksbeiräte sollen deutlich aufgewertet werden. Auf<br />

Einzelheiten muss ich hier verzichten.<br />

Gemeindebürger, und ich denke, das ist eine ganz wesentliche<br />

Än<strong>der</strong>ung, sollen nicht nur Deutsche im Sinne <strong>des</strong> Artikels 116<br />

Grundgesetz sein, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong> Staatsangehörige auch eines an<strong>der</strong>en<br />

Mitgliedsstaates <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft, <strong>der</strong> das 16.


Lebensjahr vollendet hat und min<strong>des</strong>tens drei Monate in <strong>der</strong> Gemeinde<br />

seinen Hauptwohnsitz hat.<br />

Ich denke, mit dieser konsequenten Lösung geben wir eine deutliche<br />

Antwort auf die Diskussion, die von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, von <strong>der</strong> CDU,<br />

praktisch mit <strong>der</strong> "deutschen Leitkultur" in einer Sprache <strong>des</strong><br />

Provinzialismus betrieben wird. Wir wollen uns ausdrücklich öffnen<br />

und auf <strong>der</strong> kommunalen Ebene die entsprechenden Konsequenzen in die<br />

Gesetze schreiben.<br />

Informations- und Einsichtsrechte <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger sollen<br />

endlich verbindlich bereits in Hauptsatzungen geregelt werden.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e sollen die Betroffenen, etwa bei Planungen zur<br />

Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, zur Abfallbeseitigung und<br />

zum kommunalen Straßenbau, rechtzeitig Einblick nehmen können,<br />

nicht nur in die Satzungen, son<strong>der</strong>n auch in die zugrunde liegenden<br />

Berechnungen, Gebührenkalkulationen und Ähnliches. Sie sollen<br />

begründete Dissenspunkte zu diesen Satzungen dem Gemein<strong>der</strong>at<br />

vorlegen. Der Gemein<strong>der</strong>at soll in öffentlicher <strong>Sitzung</strong> darüber<br />

beraten. Das sind die Regelungen, die wir auch im<br />

Kommunalabgabenentlastungsgesetz völlig analog vorgeschlagen haben.<br />

Wesentlich liberalisiert werden soll <strong>der</strong> Anschluss- und<br />

Benutzungszwang. Er soll zum Beispiel dort ausgeschlossen sein, wo<br />

er nur um den Preis <strong>der</strong> Verletzung <strong>des</strong> Grundsatzes <strong>der</strong><br />

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von Investitionen durchgesetzt<br />

werden kann.<br />

Bürgerbescheid und Bürgerbegehren sollen wesentlich aufgewertet<br />

werden. Sie sollen ohne Min<strong>des</strong>tquorum bereits mit <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong><br />

abgegebenen gültigen Stimmen entschieden werden können. Das<br />

Konnexitätsprinzip soll schließlich in <strong>der</strong> Gemeindeordnung zwingend<br />

festgeschrieben werden. Es soll eine Ausgleichspflicht von<br />

Mehrbelastungen für übertragene Aufgaben in <strong>der</strong> Gemeindeordnung<br />

stehen, so dass die doch etwas blumigen Bestimmungen <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>verfassung im Gesetz konkretisiert werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Gründung wirtschaftlicher Unternehmen <strong>der</strong> Gemeinden wollen<br />

wir exakte Vor- und Nachteilsanalysen für den konkreten Einzelfall<br />

haben, die unter an<strong>der</strong>em personalwirtschaftliche,<br />

mitbestimmungsrechtliche und haftungsrechtliche Konsequenzen und<br />

die Konsequenzen für den Gemeindehaushalt sowie die finanziellen<br />

Auswirkungen auf die Bürgerschaft klar ausweisen. Kommunale<br />

Eigenbetriebe sollen Vorrang vor Unternehmen in Privatrechtsform<br />

haben. Wir möchten endlich Schritte für ein effektives<br />

Beteiligungsmanagement <strong>des</strong> Gemein<strong>der</strong>ates bei diesen oftmals<br />

verschachtelten Unternehmungen sehen. Hier soll wesentlich mehr<br />

Transparenz durch entsprechende Bestimmungen in <strong>der</strong> Gemeindeordnung<br />

erreicht werden.<br />

Ursprünglich wollten wir auch das so genannte Örtlichkeitsprinzip<br />

bei <strong>der</strong> Gemeindewirtschaft öffnen. Nach intensiver Diskussion haben<br />

wir davon Abstand genommen, weil wir meinen, das wäre die falsche<br />

Antwort auf die EU-Liberalisierungsprozesse. Wir würden damit<br />

vielleicht ungewollt dem kommunalen "Stadtwerke-Kannibalismus" Tür<br />

und Tor öffnen.


Abschließend: Die unterbreiteten Novellierungsvorschläge sind nicht<br />

im Elfenbeinturm entstanden, son<strong>der</strong>n nach intensiver dreijähriger<br />

Arbeit. Wir haben Hun<strong>der</strong>te von Kommunalpolitikerinnen und<br />

Kommunalpolitikern, auch Bürgermeister, völlig unabhängig von <strong>der</strong><br />

Parteizugehörigkeit, konsultiert. Bei all denen, die an <strong>der</strong><br />

Entstehung dieses wirklich umfangreichen und komplexen<br />

Gesetzentwurfs mitgewirkt haben, möchte ich mich an dieser Stelle<br />

recht herzlich bedanken.<br />

Nun sieht freilich <strong>der</strong> innenpolitische Sprecher <strong>der</strong> CDU-Fraktion,<br />

Kollege Bandmann, mit den PDS-Vorschlägen gleich wie<strong>der</strong> das<br />

christliche Abendland in Gefahr, denn die Funktion <strong>des</strong> Gemeinwesens<br />

sei infrage gestellt. Die PDS-Fraktion wolle mit ihren Vorschlägen<br />

unter dem Vorwand <strong>des</strong> Vertretens angeblicher Bürgerinteressen das<br />

Gemeinwesen handlungsunfähig machen, so <strong>der</strong> martialische Ausbruch<br />

<strong>des</strong> Christdemokraten gegen die Teufelsabsichten <strong>der</strong> PDS-Fraktion in<br />

<strong>der</strong> "SZ" <strong>vom</strong> 13.11.2000. Da kann ich nur sagen, Kollege: schlecht<br />

recherchiert; denn das, was die PDS-Fraktion vorschlägt,<br />

funktioniert schon lange, zum Beispiel in Baden-Württemberg,<br />

immerhin unserem Partnerland, es funktioniert zu Teilen auch in<br />

Bayern, in Rheinland-Pfalz, in Hessen, in Nordrhein-Westfalen, in<br />

Schleswig-Holstein und in Thüringen, auch in Brandenburg.<br />

Bekanntlich sind diese Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> politisch höchst<br />

unterschiedlich eingefärbt.<br />

Ist also wirklich alles, was wir vorschlagen, nur Teufelswerk? Wohl<br />

kaum, auch <strong>des</strong>halb, weil ich weiß, dass sehr viele CDU-Kolleginnen<br />

und -Kollegen unsere Vorschläge in <strong>der</strong> kommunalen Praxis<br />

unterstützen.<br />

Wir bitten also um unvoreingenommene Prüfung unserer Vorschläge in<br />

den Fachausschüssen und um eine wohlwollende Behandlung später im<br />

Plenum. Die Kommunen werden es Ihnen danken.<br />

Ich danke Ihnen auch.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen, meine Herren! Das<br />

Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Stärkung<br />

bürgerschaftlicher Selbstverwaltung in den sächsischen Kommunen an<br />

den Innenausschuss - fe<strong>der</strong>führend -, an den Haushalts- und<br />

Finanzausschuss und an den Verfassungs- und Rechtsausschuss zu<br />

überweisen. Wenn Sie mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden<br />

sind, dann bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Danke schön. Wer<br />

stimmt dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Es gab 2 Stimmen<br />

dagegen und 4 Stimmenthaltungen. Der Überweisung in die<br />

vorgenannten Ausschüsse ist mehrheitlich zugestimmt worden.<br />

Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.<br />

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 7<br />

Ich wie<strong>der</strong>hole den Aufruf <strong>des</strong> Tagesordnungspunktes 7, extra für<br />

Sie, Herr Abg. Adler.<br />

Ich bitte Sie, den Entwurf <strong>des</strong> Gesetzes zur Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Verwaltung im Freistaat Sachsen in Drucksache 3/2583 in 1. Lesung<br />

einzubringen.<br />

Adler, SPD: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!<br />

Ich bitte um Entschuldigung, dass Sie meinetwegen eine Umstellung


<strong>der</strong> Tagesordnung vornehmen mussten. Ich bin aber nicht an <strong>der</strong><br />

Stelle zu finden gewesen, an <strong>der</strong> Sie mich alle vermutet haben,<br />

son<strong>der</strong>n ich war bei den Schneeberger Gebirgsjägern. Herr Kunckel<br />

hat mich dort abgeholt, ihn kann ich also in den Zeugenstand<br />

bitten.<br />

(Jurk, SPD: Solange es nicht die Gebirgskräuter waren!)<br />

Es war in diesem Augenblick sehr interessant, weil die Schneeberger<br />

Gebirgsjäger uns gerade intensiv kritisiert haben. Ich nehme also<br />

für mich in Anspruch, dort auch ein bisschen zur Verteidigung <strong>des</strong><br />

Selbstverständnisses <strong>des</strong> Parlaments beigetragen zu haben.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Jurk, SPD)<br />

Als wir das letzte Mal hier im Haus über die<br />

Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung diskutiert haben, habe ich für meine<br />

Fraktion erklärt, dass wir hinter diesem Reformvorhaben stehen.<br />

Aber ich habe damals auch deutlich gemacht, dass wir dringend ein<br />

Gesetz als Grundlage für die Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung benötigen.<br />

Über diesen Umgestaltungsprozess hörten wir in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

relativ viel von <strong>der</strong> Regierung. Aber wir müssen uns schon die Frage<br />

stellen: Was ist bisher geschehen? Da konstatiere ich, dass seitens<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung viel über diesen Prozess gesprochen wird, aber<br />

Erfolge für uns kaum o<strong>der</strong> nicht erkennbar sind.<br />

(Jurk, SPD: So ist es!)<br />

Im Interesse unseres Lan<strong>des</strong> ist jedoch dringen<strong>des</strong> Handeln angesagt.<br />

Wenn wir übermorgen - und eher wird es nicht gehen - sparen wollen,<br />

ist nicht Zau<strong>der</strong>n angesagt, son<strong>der</strong>n heute beherztes Handeln<br />

geboten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Um diesen Prozess in Gang zu bringen, legt unsere Fraktion heute<br />

dem Parlament den Gesetzentwurf vor. Der Weg, den die<br />

Staatsregierung dazu bisher eingeschlagen hat, können wir nur als<br />

einen Irrweg bezeichnen;<br />

(Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Weihnert, SPD)<br />

denn er ist gekennzeichnet durch Dutzende Gutachten - auch<br />

namhafter Beratungsfirmen -, die immense Kosten verursachten.<br />

Ergebnisse dieser kostenintensiven Aufwendungen sind für uns nicht<br />

erkennbar, weil die Gutachten offenbar in den Schubladen <strong>der</strong><br />

Staatsregierung verschwunden sind. Hier zeigt sich aus unserer<br />

Sicht <strong>der</strong> Kardinalfehler: Das Lan<strong>des</strong>parlament hat offenbar den<br />

Handlungswillen an die Verwaltung abgegeben. Diese Aufgabe ohne<br />

politische Zielvorgabe, also ohne Gesetz, an die<br />

Ministerialbürokratie zu übergeben, kann nicht Erfolg versprechend<br />

sein.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Unser Gesetz enthält verbindliche Vorgaben. Dies ist nach unserer<br />

Bewertung <strong>der</strong> Weg dafür, wie die Politik wie<strong>der</strong> zum Primat<br />

zurückfindet. Hier, in diesem Hause müssen die Entscheidungen<br />

fallen und <strong>der</strong> Verwaltung kommt dabei eine dienende Funktion zu -<br />

nicht mehr, aber auch nicht weniger.<br />

Mit unserem Gesetz wollen wir nicht nur einen Staat, <strong>der</strong><br />

effizienter arbeiten kann, son<strong>der</strong>n auch einen Staat, <strong>der</strong> seine<br />

Bürger nicht aus den Augen verliert.


(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Dr. Hähle, CDU)<br />

Leitbild unseres Gesetzes ist <strong>der</strong> aktivierende Staat. Das heißt,<br />

das Gemeinwesen soll durch seine Verwaltung den Bürger aktiv - Herr<br />

Hähle, aktiv! - einbeziehen.<br />

(Dr. Hähle, CDU: Ich verstehe es!)<br />

Deshalb sind Dezentralisierung und Stärkung <strong>der</strong> kommunalen<br />

Selbstverwaltung Kernstücke dieses Entwurfs. Aufgaben sollen<br />

künftig so weit wie möglich vor Ort mit den Bürgern gelöst werden.<br />

Mit <strong>der</strong> Verankerung <strong>des</strong> Servicegedankens in die Verwaltung, wobei<br />

wir deutliche Anleihen bei skandinavischen Erfahrungen gesucht<br />

haben, wollen wir Bürgernähe erlebbar machen.<br />

Nach <strong>der</strong> Aufgabenkritik - auch darauf habe ich großen Wert gelegt,<br />

als ich das letzte Mal darüber diskutiert habe - müssen eine<br />

Vielzahl staatlicher Son<strong>der</strong>behörden und die Ministerialverwaltung<br />

deutlich verringert werden. An<strong>der</strong>erseits brauchen wir in<br />

Ballungsräumen leistungsfähige Entwicklungszentren, die regionale<br />

Aufgaben umfassend koordinieren und erfüllen können.<br />

Ausdrücklich bekennen wir uns mit diesem Entwurf sowohl zum<br />

Konnexitäts- wie zum Konsensprinzip. Bei <strong>der</strong> Übertragung von<br />

Aufgaben an den Träger <strong>der</strong> Selbstverwaltung ist für die übertragene<br />

Aufgabe den Kommunen auch ein finanzieller Ausgleich zu gewähren.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Für Personalfragen gilt grundsätzlich das Konsensprinzip. Kommunen<br />

und Land regeln im Wesentlichen die wichtigen Entscheidungen<br />

gleichberechtigt. Paritätisch besetzte Kommissionen und eine daran<br />

beteiligte Gewerkschaft schließen entsprechende Verträge.<br />

Wir wollen, dass hier im Haus entschieden wird - das sage ich noch<br />

einmal mit aller Klarheit -, aber wir wollen keine Reform zulasten<br />

Dritter. Wir wollen keine Reform, die die Kommunen und die<br />

Beschäftigten lediglich als Objekte betrachtet und sie vor<br />

vollendete Tatsachen stellt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

In diesem Sinne brauchen wir einen intensiven Diskussionsprozess<br />

zum Wohl unseres Lan<strong>des</strong>, und zwar hier, in diesem Hause, aber auch<br />

mit den betroffenen Kommunen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf "Gesetz zur<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Verwaltung im Freistaat Sachsen" an den<br />

Innenausschuss zur Fe<strong>der</strong>führung, an den Verfassungs- und<br />

Rechtsausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss zur<br />

Mitberatung zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag folgen<br />

kann, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer<br />

enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Die Überweisung ist damit einstimmig<br />

beschlossen.<br />

Der Tagesordnungspunkt 7 ist beendet, <strong>der</strong> Tagesordnungspunkt 8 war<br />

bereits abgearbeitet.<br />

Wir kommen nun zum<br />

Tagesordnungspunkt 9<br />

1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />

Gemeindegebietsreformgesetzes Oberlausitz-Nie<strong>der</strong>schlesien


Drucksache 3/2949, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Da auch hierzu keine Empfehlung <strong>des</strong> Präsidiums vorliegt, eine<br />

allgemeine Aussprache durchzuführen, spricht nur die<br />

Staatsregierung. Herr Staatsminister Hardraht, ich darf Sie bitten.<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen<br />

und Herren! Durch den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf soll die<br />

Gemeinde Eulowitz, die dem Landkreis Bautzen angehört, zum 1. April<br />

<strong>des</strong> kommenden Jahres in die benachbarte Gemeinde Kirschau<br />

eingeglie<strong>der</strong>t werden. Die Gemeinde Eulowitz hatte in einem<br />

Verfahren vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof erfolgreich<br />

gegen ihre vorgesehene und zum 1. Januar 1999 faktisch vollzogene<br />

Einglie<strong>der</strong>ung in die Gemeinde Großpostwitz geklagt.<br />

Das Verfassungsgericht hat die genannte Regelung in seinem Urteil<br />

<strong>vom</strong> 5. November 1999 für verfassungswidrig erklärt, weil die<br />

Regelung auf einer nicht hinreichenden Sachverhaltsannahme beruhe<br />

und es <strong>des</strong>halb an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Abwägung<br />

fehle. Zugleich - und darauf lege ich Wert - hat <strong>der</strong><br />

Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt,<br />

dass <strong>der</strong> Gesetzgeber den bisherigen Zustand für nicht<br />

leitsatzgerecht erachten konnte, weil die Gemeinde Eulowitz mit<br />

ihrer sehr geringen Einwohnerzahl von 360 Einwohnern bei weitem<br />

nicht die in den Grundsätzen und Leitlinien bei <strong>der</strong><br />

Gemeindegebietsreform im Freistaat Sachsen festgelegte<br />

Regelmin<strong>des</strong>tgröße von 1 000 Einwohnern für Mitgliedsgemeinden in<br />

Verwaltungsgemeinschaften und Verbänden erreicht.<br />

Die Sächsische Staatsregierung hält eine gesetzliche Regelung in<br />

Bezug auf die Gemeinde Eulowitz für erfor<strong>der</strong>lich, weil auf die<br />

Gemeinde Eulowitz die gleichen Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden<br />

sind, die für alle Städte und Gemeinden im Freistaat Sachsen im<br />

Zuge <strong>der</strong> Gemeindegebietsreform zugrunde gelegt wurden. Es liegen<br />

keine Gründe <strong>des</strong> Allgemeinwohls vor, die es gebieten würden, von<br />

diesen Maßstäben abzuweichen.<br />

Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e auch für eine zeitliche Verschiebung <strong>des</strong><br />

Einglie<strong>der</strong>ungszeitpunktes, etwa über 10 Jahre, wie die Gemeinde<br />

Eulowitz es im Rahmen ihrer Stellungnahme angeregt hat. An einer<br />

zeitnahen Regelung noch vor <strong>der</strong> nächsten Bürgermeisterwahl im<br />

kommenden Jahr sollte festgehalten werden.<br />

Die Anhörung <strong>der</strong> unmittelbar betroffenen Gemeinden Eulowitz und<br />

Kirschau und <strong>der</strong> angrenzenden Städte und Gemeinden sowie <strong>der</strong> Träger<br />

öffentlicher Belange fand in <strong>der</strong> Zeit <strong>vom</strong> 5. Juli bis zum 13.<br />

September 2000 statt.<br />

Die Abwägungen zu den eingegangenen Stellungnahmen sind <strong>der</strong><br />

Begründung zu unserem Gesetzentwurf zu entnehmen. Alle<br />

Stellungnahmen sind im Übrigen im Einzelnen dem Landtag als<br />

Material für die Beratung übersandt worden.<br />

Ich darf Sie um Unterstützung bei dem Än<strong>der</strong>ungsgesetz bitten und<br />

danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Das<br />

Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />

Gemeindegebietsreformgesetzes Oberlausitz-Nie<strong>der</strong>schlesien an den


Innenausschuss - fe<strong>der</strong>führend - und an den Verfassungs- und<br />

Rechtsausschuss zu überweisen. Wer mit diesem Vorschlag<br />

einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer<br />

stimmt dagegen? - Und Stimmenthaltungen? - Keine Gegenstimme und<br />

keine Stimmenthaltung; <strong>der</strong> Überweisung wurde einstimmig<br />

entsprochen.<br />

Der Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.<br />

Meine Damen und Herren, ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 10<br />

Wirkungen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>autobahn A 4 im Raum zwischen Dresden und<br />

Görlitz<br />

Drucksache 3/1844, Große Anfrage <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, mit Antwort<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Als Einreicherin erhält zunächst die Fraktion <strong>der</strong> PDS das Wort. Es<br />

folgen ihr CDU, SPD, CDU und die Staatsregierung, so sie es<br />

wünscht. Ich bitte nun Frau Abg. Kipping von <strong>der</strong> PDS-Fraktion das<br />

Wort zu nehmen.<br />

Frau Kipping, PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir<br />

kommen nun zu einem Tagesordnungspunkt, für den Herr Hähle heute<br />

schon Werbung gemacht hat. Allerdings ist ihm bei <strong>der</strong> Werbung ein<br />

Fehler unterlaufen. Ja, Herr Hähle, auch die Produkte, die man<br />

kritisiert, sollte man doch kennen. Sie haben uns unterstellt, wir<br />

hätten die Bun<strong>des</strong>autobahn A 4 infrage gestellt. Wenn Sie die<br />

vorliegende Drucksache genau gelesen hätten, hätten Sie<br />

festgestellt, dass vor allem die Antworten <strong>der</strong> Staatsregierung die<br />

A 4 infrage stellen.<br />

(Zuruf von <strong>der</strong> CDU: So ein Quatsch!)<br />

Ja, ja, meine Damen und Herren, Politik und Religion unterscheiden<br />

sich nun einmal in einigen Punkten. Und das ist wahrscheinlich auch<br />

gut so,<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Bartl, PDS)<br />

und zwar gut sowohl für die Religion als auch für die Politik.<br />

Während viele gläubige Menschen keine materiellen Beweise für ihren<br />

Glauben brauchen - und ich achte sehr wohl solche Menschen -, muss<br />

sich die Politik jedoch einer ständigen Überprüfung unterziehen.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Dr. Grüning, CDU)<br />

Schließlich manifestiert sich Politik in Realakten. Deshalb reicht<br />

hier im Landtag <strong>der</strong> Glaube an eine Sache nicht aus. Und auch <strong>der</strong><br />

größte Ideologe muss sich schließlich Statistiken und<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen stellen. Da wir nämlich hier und<br />

heute Politik machen - so habe ich bisher den Landtag verstanden -<br />

und keine Religion, müssen wir den Realitäten ins Auge sehen. Und<br />

davor bewahren uns auch die größten ideologischen Scheuklappen<br />

nicht.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Nitzsche, CDU)<br />

Der Bau einer Autobahn ist nun einmal kein Kin<strong>der</strong>spiel. Zum einen<br />

ist er ein enormer Eingriff, zum an<strong>der</strong>en hat er beträchtliche<br />

Kosten. Und in diesem Fall reden wir von Kosten in einer Höhe von<br />

immerhin mehr als 1,2 Milliarden DM. Solch eine Maßnahme muss<br />

einfach auf ihre tatsächlichen Auswirkungen überprüft werden.


Woraus sollen wir denn sonst Schlüsse für die weitere Politik<br />

ziehen, wenn nicht aus <strong>der</strong> Realität?<br />

Und genau <strong>des</strong>wegen hat die PDS einfach mit einer Großen Anfrage die<br />

Wirkungen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>autobahn A 4 im Raum zwischen Dresden und<br />

Görlitz überprüft. Es mokiert sich doch auch niemand, wenn sich<br />

alle SchülerInnen und alle StudentInnen am Ende ihrer Bildung einer<br />

Prüfung unterziehen müssen.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Genau!)<br />

Also, Herr Schommer, wenn ich in Ihrer Haut stecken würde und mich<br />

die Opposition, wie Sie uns das ja immer zu verstehen geben, mit<br />

ihren alternativen verkehrspolitischen Konzepten ärgern würde, dann<br />

hätte ich doch jetzt die Chance <strong>der</strong> Großen Anfrage beim Schopfe<br />

gepackt.<br />

Sie hätten doch bei <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong> Großen PDS-Anfrage einfach<br />

Fakten und Zahlen aufführen können, die Ihre bisherige Politik<br />

rechtfertigen. Sie hätten doch Fakten anführen können, die uns und<br />

allen an<strong>der</strong>en beweisen, dass Investitionen in Autobahnen Sachsen in<br />

jedem Fall dem wirtschaftlichen und sozialen Paradies näher<br />

bringen. Wir wären ja schon damit zufrieden, wenn Sie Fakten<br />

genannt hätten, die bewiesen hätten, dass <strong>der</strong> Bau dieser Autobahn<br />

die wirtschaftliche Entwicklung ankurbelt.<br />

Wir hatten Ihnen doch mit dieser Anfrage nun wirklich eine<br />

wun<strong>der</strong>bare Vorlage gegeben. Ich kann Ihnen versichern, hätten Sie<br />

nur ansatzweise Fakten genannt, dann hätte ich Ihnen heute von<br />

ganzem Herzen gratuliert für den Erfolg Ihrer bisherigen Politik.<br />

Der Blumenstrauß bei den Floristinnen war beinahe schon bestellt.<br />

(Zurufe von <strong>der</strong> CDU)<br />

Lei<strong>der</strong> haben Sie diese Chance nun verspielt und den Blumenstrauß<br />

dazu.<br />

(Dr. Hähle, CDU: Na so was!)<br />

Aber wir werden weiter Große Anfragen stellen. Vielleicht nutzen<br />

Sie beim nächsten Mal die Chance.<br />

Ich habe mich bei <strong>der</strong> Vorbereitung auf diese Rede ganz strikt an<br />

Ihre Antworten gehalten und einfach alle positiven und negativen<br />

Entwicklungen in <strong>der</strong> Region in einer Tabelle getrennt aufgelistet.<br />

Dabei habe ich mich ganz konkret an die Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

gehalten, immer davon ausgehend: Die Staatsregierung schwindelt<br />

nicht.<br />

Ich muss Ihnen sagen: Das Ergebnis ist - wenn man sich an die<br />

Fakten hält und nicht an Ideologien - verheerend. Nehmen wir uns<br />

einmal den Komplex Verkehrs- und Raumentwicklung vor. Da gibt es<br />

zwei positive Verän<strong>der</strong>ungen. Auf <strong>der</strong> Negativseite stehen fünf zu<br />

Buche. Und in <strong>der</strong> Spalte, wo steht: "keine Aussage möglich", sind<br />

es zwei. Ich habe die Tabellen hier und würde sie dann auch zum<br />

Protokoll geben.<br />

Fasst man die Antworten <strong>der</strong> Staatsregierung zur Gewährleistung<br />

einer integrierten Verkehrs- und Raumentwicklung zusammen, so<br />

entsteht <strong>der</strong> Eindruck: Die Staatsregierung ist zwar sehr<br />

interessiert an <strong>der</strong> Entwicklung auch <strong>der</strong> Bahn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Verkehrsträger, aber lei<strong>der</strong> sind immer an<strong>der</strong>e zuständig. Das sind


dann - je nachdem - entwe<strong>der</strong> die Bun<strong>des</strong>steuern o<strong>der</strong> die Deutsche<br />

Bahn AG.<br />

(Dr. Münch, CDU: Das ist doch so!)<br />

Meine Damen und Herren, ich habe eine gute Nachricht für all<br />

diejenigen, die wirklich im Rahmen <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>politik eine<br />

integrierte Verkehrspolitik betreiben und sich für die För<strong>der</strong>ung<br />

von Bus und Bahn einsetzen wollen. Sie sind gar nicht so machtlos,<br />

wie Sie denken. Die Lan<strong>des</strong>politik kann sehr wohl gestaltend wirken.<br />

Sie können also endlich aufhören mit dem fröhlichen Schwarzer-<br />

Peter-Spielen.<br />

Nur um Ihnen ein Beispiel zu geben, wie eine integrierte<br />

Verkehrspolitik aussehen könnte: Angesichts <strong>des</strong> hohen<br />

Schwerlastverkehrsanteils ist nun wirklich zu überlegen, ob eine<br />

RoLa über Görlitz eingerichtet werden soll. Die durch die PDS<br />

initiierte Anhörung zur Zukunft <strong>der</strong> Rollenden Landstraße hat da<br />

schon wichtige Impulse gegeben. Es wäre schön, wenn sich nun auch<br />

die Staatsregierung dahinter klemmt. Ansonsten kommen Sie wie<strong>der</strong> in<br />

die Verlegenheit, dass die PDS als erste Fraktion dazu einen Antrag<br />

schreibt und Sie dann gegen einen wertvollen und vernünftigen<br />

Antrag stimmen bzw. sich dagegen aussprechen müssen, nur weil <strong>der</strong><br />

Antrag von <strong>der</strong> PDS kommt. Mich lehrt die bisherige Erfahrung: Im<br />

Zweifelsfall ist Ihnen <strong>der</strong> Klassenkampf gegen die PDS wichtiger als<br />

eine nachhaltige Verkehrspolitik.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Doch zurück zur Anfrage. Inwiefern hat sich <strong>der</strong> Aus- bzw. Neubau<br />

<strong>der</strong> Autobahn auf die Lebensqualität und auf die Umwelt ausgewirkt?<br />

Wie<strong>der</strong> ein Blick in die Tabellen: Positiv ist nur eins, und das ist<br />

auch nicht <strong>der</strong> Autobahn geschuldet, son<strong>der</strong>n eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Antriebe. Auf <strong>der</strong> negativen Seite zwei und keine Angaben zu vier<br />

Punkten.<br />

Zu den Min<strong>der</strong>ungspotenzialen klimarelevanter Stoffe können - und<br />

hier zitiere ich Dr. Kajo Schommer, <strong>der</strong> ja die Antwort<br />

unterschrieben hat - "keine konkreten Aussagen getroffen werden".<br />

Ist Ihnen denn überhaupt bekannt, dass diese Maßnahmen zur<br />

Verringerung von Emissionen von einem Heidelberger Institut in <strong>der</strong><br />

Klimaschutzstudie Sachsen aufgelistet worden sind? Und diese<br />

Klimaschutzstudie hat niemand Geringeres als <strong>der</strong> Freistaat Sachsen<br />

in Auftrag gegeben.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Hört, hört!)<br />

Wäre denn dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr<br />

wirklich ein Zacken aus <strong>der</strong> Krone gefallen, wenn es sich einmal mit<br />

dem Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft in Verbindung gesetzt<br />

hätte? Herr Minister Flath hätte doch bestimmt gern Nachhilfe in<br />

Grundregeln <strong>des</strong> Umweltschutzes gegeben.<br />

Nun könnte ja so mancher zur Ehrenrettung <strong>des</strong> Staatsministers<br />

sagen: Na gut, das ist <strong>der</strong> Minister für Wirtschaft, er muss nicht<br />

<strong>der</strong> Fachmann für ökologische Auswirkungen sein.<br />

Also schauen wir nach: Wie sieht es aus mit <strong>der</strong> Datenlage und dem<br />

Kenntnisstand um die wirtschaftlichen Auswirkungen?<br />

Zu vier Punkten können keine Angaben gemacht werden. Und in <strong>der</strong><br />

Bilanz <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung stehen zwei negative


Verän<strong>der</strong>ungen und in <strong>der</strong> Spalte <strong>der</strong> positiven Verän<strong>der</strong>ungen kein<br />

einziger Fakt. Kein einziger Fakt, nur Allgemeinplätze. Angesichts<br />

dieser Allgemeinplätze könnte man ja meinen, die Staatsregierung<br />

denkt, wenn man etwas nur oft genug gebetsmühlenartig wie<strong>der</strong>holt,<br />

dann würde dies schon irgendwann Realität.<br />

Ja, wissen Sie, diese Budjet-budjet-Mentalität, die KennerInnen von<br />

Russland bestimmt sehr bekannt ist, ist ja ganz nett. Und wenn man<br />

in Russland als Tourist ist, findet man das auch alles ganz<br />

sympathisch. Aber eine seriöse Wirtschafts- und<br />

Infrastrukturpolitik sieht doch nun wirklich an<strong>der</strong>s aus.<br />

Eine seriöse Politik kann sich einfach nicht mit Allgemeinplätzen<br />

trösten. Und ich zitiere jetzt aus <strong>der</strong> Antwort. Wir haben gefragt:<br />

Unternehmen welcher Branche und welcher Größe haben sich nach <strong>der</strong><br />

Verkehrsfreigabe angesiedelt?<br />

Die Antwort: "Mit dem Bau und <strong>der</strong> Inbetriebnahme <strong>der</strong> A 4 zwischen<br />

Dresden und Görlitz konnten die Verkehrsinfrastruktur verbessert<br />

und die Rahmenbedingungen zur wirtschaftlichen Entwicklung <strong>der</strong><br />

Region wesentlich aufgewertet werden. Die von den Standortvorteilen<br />

ausgehenden Wirkungen werden statistisch nicht erfasst." - Das<br />

wars!<br />

Zur Erinnerung: Wir hatten nach konkreten Unternehmen gefragt. Das<br />

heißt, <strong>der</strong> Staatsregierung sind keine Unternehmen bekannt, die sich<br />

nach <strong>der</strong> Verkehrsfreigabe angesiedelt haben. Das hieße ja, die PDS-<br />

Landtagsfraktion, die schon lange befürchtet hat, dass mit <strong>der</strong> A 4<br />

nur <strong>der</strong> Aufschwung an <strong>der</strong> Oberlausitz vorbeirollt, hat Recht.<br />

O<strong>der</strong> kann irgendjemand von Ihnen - vielleicht hier oben? - diese<br />

Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung an<strong>der</strong>s deuten? Mir fällt als einzige<br />

Alternative dazu noch ein: Die Staatsregierung hat keine Lust,<br />

Anfragen ordentlich zu beantworten bzw. nachzuforschen, und gibt<br />

<strong>des</strong>wegen keine genauen Antworten. Aber das hieße ja nun wie<strong>der</strong>, die<br />

Staatsregierung würde die Demokratie und das Parlament nicht ernst<br />

nehmen, und das möchte ich Ihnen nun wahrlich nicht unterstellen.<br />

(Zurufe von <strong>der</strong> CDU)<br />

Eine weitere Kostprobe <strong>der</strong> Allgemeinplätze - und Allgemeinplätze<br />

schaffen, auch wenn man sie ständig wie<strong>der</strong>holt, nun einmal keine<br />

Arbeitsplätze -:<br />

Wir haben gefragt: "Wie hat sich die Verkehrsanbindung an die A 4<br />

im Standortwettbewerb <strong>der</strong> sächsischen Gemeinden und Regionen bisher<br />

ausgewirkt? Welche weiteren signifikanten Wirkungen ... sind<br />

zukünftig zu erwarten?" - Die Antwort: "Die bisherigen Erfahrungen<br />

aus an<strong>der</strong>en Regionen mit Verkehrsanbindungen an Autobahnen besagen,<br />

dass diese die Standorte für die Ansiedlung und Entwicklung von<br />

Unternehmen aufwerten und somit im Standortwettbewerb <strong>der</strong> Regionen<br />

die Chancen erhöhen."<br />

Das war es. Wie<strong>der</strong> keine Aussage zu konkreten Erfahrungen, zu<br />

konkreten Erfahrungen entlang <strong>der</strong> A 4. Und wir hatten konkret<br />

nachgefragt. Liegen denn keine Auswirkungen im Raum um die A 4 vor<br />

o<strong>der</strong> warum nennen Sie hier keine?<br />

Summa summarum ist zu konstatieren: Die Autobahn konnte die<br />

wirtschaftliche Entwicklung nicht wirklich voranbringen. Wir<br />

glauben ja gern, dass beim Aus- und Weiterbau alle besten Willens


waren, aber - und da möchte ich auf ein Zitat von Herrn Schommer<br />

verweisen - das Gegenteil von gut ist immer noch gut gemeint.<br />

Um Missverständnisse zu vermeiden, muss man noch einmal Folgen<strong>des</strong><br />

betonen: Die PDS ist, auch wenn Sie uns das demagogisch zu<br />

unterstellen versuchen, nicht prinzipiell gegen den Bau von<br />

Autobahnen. Im Rahmen einer wirklich integrierten<br />

Verkehrsentwicklung werden wir sogar zu den glühendsten und<br />

leidenschaftlichsten BefürworterInnen. Das kann ich Ihnen hier<br />

versprechen.<br />

Wir kritisieren aber eine Verkehrspolitik, die in einer Region den<br />

Autobahn- und den Straßengüterverkehr stark för<strong>der</strong>t, während Bus<br />

und Bahn dabei langsam, aber sicher ins Hintertreffen geraten. Und<br />

wir wenden uns gegen die Blauäugigkeit, dass man allein mit dem Bau<br />

von Autobahnen das Problem <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung lösen<br />

könnte.<br />

Auch wenn Sie sich hier echauffieren: Wir können hun<strong>der</strong>t Mal<br />

hintereinan<strong>der</strong> rufen: "Eine Autobahn bedeutet Arbeitsplätze"; es<br />

entstehen trotzdem keine, denn Gemeinplätze werden nun einmal nicht<br />

zu Arbeitsplätzen.<br />

Gerade weil uns als PDS die Schaffung von Arbeitsplätzen am Herzen<br />

liegt, sind wir für eine Verkehrspolitik, bei <strong>der</strong> Bus und Bahn<br />

nicht auf <strong>der</strong> Strecke bleiben; denn - und hier zitiere ich wie<strong>der</strong><br />

die Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung: "Im Allgemeinen hat bei<br />

Unternehmen mit einer hohen Beschäftigungszahl die<br />

Verkehrsanbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine beson<strong>der</strong>s<br />

große Bedeutung."<br />

Ja, meine Damen und Herren, <strong>der</strong> ÖPNV ist ein Standortfaktor, einer,<br />

<strong>der</strong> nicht zu vernachlässigen ist. Dies belegt nicht nur die Antwort<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung, son<strong>der</strong>n auch eine Studie <strong>des</strong> Europäischen<br />

Zentrums für Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung und Strategieberatung. Eine<br />

Befragung <strong>der</strong> Geschäftsleiter mittelgroßer und großer Unternehmen<br />

ergab, dass <strong>der</strong> öffentliche Nahverkehr für die Wirtschaft eine<br />

wichtigere Rolle spielt, als bislang angenommen wurde. Auf <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> verkehrlichen Standortfaktoren ist die ÖPNV-Anbindung <strong>der</strong><br />

Unternehmensstandorte einer <strong>der</strong> wichtigsten und für die Mehrzahl<br />

unverzichtbaren Faktoren.<br />

Herr Schommer, wir, die PDS, haben gestern in einer<br />

Pressemitteilung, die Eisenbahntrasse durch das Vogtland<br />

betreffend, bewiesen, dass wir hinter Ihnen stehen, wenn die<br />

Vernunft auf Ihrer Seite ist, auch wenn wir an<strong>der</strong>e Parteibücher in<br />

den Taschen haben. Also, beweisen Sie doch heute, dass auch Ihnen<br />

die Vernunft näher ist als parteipolitische Ideologien. Es ist ganz<br />

einfach, Sie müssen sich nur für den Entschließungsantrag <strong>der</strong> PDS<br />

aussprechen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Es folgt <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> CDU-<br />

Fraktion. Herr Abg. Nitzsche, Sie haben das Wort.<br />

Nitzsche, CDU: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leben<br />

in einer verkehrspolitisch interessanten Zeit. Gestern schaute<br />

Verkehrsminister Klimmt in den Eimer. Ich weiß nicht, was er da<br />

gesehen hat. Heute schaut er an <strong>der</strong> Saar in die Röhre. Und, Frau


Kipping, ich weiß nicht, was Sie <strong>der</strong>zeit studieren. Ich denke, Sie<br />

studieren Soziologie. Das sind doch die Menschen, die zu einer<br />

guten Lösung immer noch das passende Problem suchen. Daran hat mich<br />

Ihre Rede stark erinnert.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Prof. Dr. Porsch, PDS)<br />

Heute überraschen Sie das geneigte Publikum mit einer Großen<br />

Anfrage, aus <strong>der</strong>en 38 Einzelfragen nur eines spricht: Ihre<br />

grundsätzliche, ideologisch motivierte Ablehnung <strong>der</strong> Autobahn nach<br />

Görlitz.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Zurufe von <strong>der</strong> PDS)<br />

Insofern kann ich mich für diesen Beitrag Ihrer Fraktion zur<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Lausitz bedanken. Sie sagen Nein zu <strong>der</strong> Autobahn,<br />

die seit gut eineinhalb Jahren durchgängig zwischen Görlitz und<br />

Dresden befahrbar ist. Das sollen unsere Menschen in <strong>der</strong> Lausitz,<br />

in Ostsachsen ruhig wissen.<br />

Meine Damen und Herren, im Unterschied zu Ihnen wissen die<br />

Betroffenen sehr wohl, was für eine entscheidende Lebensa<strong>der</strong> sie<br />

mit <strong>der</strong> A 4 haben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Frau Schulz, ich freue mich, dass ich Sie heute hier begrüßen kann.<br />

Ansonsten sind Sie ja einer <strong>der</strong> selbst ernannten Wirtschaftsgurus<br />

<strong>der</strong> PDS, die auf ihren häufigen Lausitzkonferenzen<br />

gebetsmühlenartig die infrastrukturelle Anbindung <strong>der</strong> Lausitz<br />

anmahnen.<br />

(Zuruf von <strong>der</strong> CDU: Hört, hört!)<br />

Herr Porsch, was ist denn das für eine Anfrage? Nehmen Sie doch<br />

einmal Ihre Verkehrsmädels an die Seite und sagen Sie ihnen das<br />

einmal!<br />

(Frau Schulz, PDS: Das ist eine Frechheit,<br />

Herr Nitzsche! - Weitere Zurufe von <strong>der</strong> PDS)<br />

Meine Damen und Herren, das heißt freilich nicht, dass die<br />

Infrastruktur <strong>der</strong> Lausitz wie überhaupt die Infrastruktur in<br />

Sachsen auch nur annähernd das Niveau <strong>der</strong> westdeutschen Län<strong>der</strong><br />

erreicht hätte.<br />

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident hat sich ja vor kurzem<br />

einen bemerkenswerten Schnitzer erlaubt. Er hat in <strong>der</strong> "Freien<br />

Presse" geäußert: "Was den Fernstraßenbau angeht, gibt es nach<br />

meiner Einschätzung kein Gefälle mehr zwischen Ost und West." So<br />

weit wörtlich Beck.<br />

(Abg. Jurk, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)<br />

- Herr Jurk, Sie wissen, ich lechze förmlich nach Zwischenfragen,<br />

aber heute möchte ich das in <strong>der</strong> epischen Breite wirken lassen. Ich<br />

bitte um Verständnis.<br />

(Jurk, SPD: Angsthase!)<br />

Ich kann nur sagen, Herr Beck sollte einmal in den Autoatlas<br />

schauen, dann wird ihm die vergleichsweise geringe Autobahndichte<br />

in den neuen Län<strong>der</strong>n auffallen.<br />

Ich möchte an die Bitte unseres Staatsministers Tillich erinnern.<br />

Er hat Herrn Beck bekanntlich eingeladen. Ich würde mich gern<br />

anschließen und mit Herrn Beck einmal die B 178 entlangzuckeln; ich<br />

würde gern zwei Stunden im Stau stehen, ich würde mir den fehlenden


Ausbau <strong>der</strong> B 115 anschauen. Es gibt so viele Sachen in <strong>der</strong> Lausitz,<br />

die auf eine infrastrukturelle Verbesserung warten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Meine Damen und Herren, <strong>der</strong> Nachholbedarf in den neuen Län<strong>der</strong>n ist<br />

nach wie vor immens. Das belegen objektive und unabhängige<br />

Untersuchungen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>des</strong><br />

Solidarpaktes II.<br />

Völlig unabhängig davon wollen wir nicht verkennen, dass mit dem<br />

Antistauprogramm und mit den Mitteln aus UMTS-Zinsersparnissen<br />

insgesamt 150 Millionen DM zusätzlich in den Bun<strong>des</strong>straßenbau nach<br />

Sachsen fließen. Aber ich sage auch: Diese zusätzlichen Mittel,<br />

Frau Raatz, sind für Ihre Regierung und Ihren sehr verehrten<br />

Staatsminister Schwanitz - wir haben ihn ja letztens beim<br />

Tunnelanschlag erleben dürfen, wie er sich für die zusätzlichen 150<br />

Millionen DM gerühmt hat - kein Grund zur Zufriedenheit. Immer noch<br />

fehlen nämlich 250 Millionen DM in Saldo im Vergleich zur<br />

infrastrukturellen Ausstattung im Bun<strong>des</strong>fernstraßenbau <strong>der</strong> letzten<br />

CDU/CSU-Bun<strong>des</strong>regierung.<br />

Das hat natürlich Auswirkungen auf die Lausitz. Die B 178 habe ich<br />

schon erwähnt. Ich denke auch an den Autobahnzubringer nach<br />

Hoyerswerda, um nur zwei für die Lausitz wichtige Projekte zu<br />

nennen.<br />

Wir haben <strong>des</strong>halb den Bund aufgefor<strong>der</strong>t, umgehend die Überarbeitung<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verkehrswegeplanes vorzulegen und sich dazu nicht fünf<br />

o<strong>der</strong> sechs Jahre Zeit zu lassen.<br />

Wir können in diesem Zusammenhang auch nicht akzeptieren, dass <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>verkehrsminister immer mit einer Unterfinanzierung <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>verkehrswegeplanes argumentiert. Es wäre an <strong>der</strong> Zeit, sich<br />

ernsthaft mit den Vorschlägen <strong>der</strong> Pällmann-Kommission zur<br />

Finanzierung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur zu befassen. Aber lei<strong>der</strong><br />

haben wir den Eindruck, dass diese Vorschläge, weil sie<br />

zugegebenermaßen nicht populär sind, von Klimmt in den Giftschrank<br />

verschlossen wurden.<br />

Aber wir haben jetzt die Chance - Frau Raatz, hören Sie zu, Sie<br />

wissen, wir liegen da etwa auf einer Linie -, diese Vorschläge<br />

anzugehen und gerade angesichts <strong>des</strong> finanziellen Desasters <strong>der</strong> Bahn<br />

Rahmenbedingungen zu gestalten. Jetzt ist die Politik am Zuge. Ich<br />

denke ganz beson<strong>der</strong>s an die Trennung von Netz und Betrieb. Ich<br />

denke an den Einstieg in die Nutzerfinanzierung auf <strong>der</strong> Straße. Ich<br />

denke an den Abbau <strong>der</strong> Wettbewerbsverzerrungen zwischen den<br />

Verkehrsträgern und ich denke insbeson<strong>der</strong>e an den Verkehrsträger<br />

Schiene.<br />

Meine Damen und Herren, natürlich würden wir uns wünschen, dass die<br />

Deutsche Bahn auf <strong>der</strong> Schiene ein vergleichbar attraktives Angebot<br />

unterbreitet. Vielleicht darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass<br />

die CDU-Fraktion seit 1991 gegenüber dem Bund und <strong>der</strong> Bahn for<strong>der</strong>t,<br />

die Sachsen-Magistrale durchgehend bis Görlitz zu betrachten und<br />

entsprechend auszubauen. Nur, die Kompetenz liegt hier lei<strong>der</strong> nicht<br />

beim Freistaat Sachsen. Beim Ausbau <strong>der</strong> Schienenwege gibt es im<br />

Unterschied zu den Bun<strong>des</strong>straßen lei<strong>der</strong> keine Auftragsverwaltung


<strong>des</strong> Freistaates, die natürlich auch ein Stück Einfluss <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

ermöglichen würde.<br />

Ich fürchte, das wird so lange auch so bleiben, solange das<br />

Schienennetz bei <strong>der</strong> Deutschen Bahn als Bestandteil <strong>des</strong><br />

Unternehmens angesiedelt ist.<br />

Meine Damen und Herren! Generell ist die Situation beim Ausbau <strong>der</strong><br />

Schienenwege bedrückend. Jack London könnte hier das Buch meiner<br />

Jugendtage "Abenteuer <strong>des</strong> Schienenstranges" - das ist ein schönes<br />

Buch - neu schreiben, meine Damen und Herren. Wir wissen, er<br />

bräuchte sich nur einmal die Strecke zwischen Leipzig und Riesa<br />

anzusehen, wie <strong>der</strong> Ausbau vor sich hindümpelt. Völlig unakzeptabel<br />

ist für uns, dass die logische Verlängerung <strong>der</strong> Ost-West-<br />

Verbindung, die Neubaustrecke Leipzig-Halle-Erfurt, seit nunmehr<br />

fast eineinhalb Jahren durch die Entscheidung <strong>des</strong> kurzzeitigen<br />

Verkehrsministers Müntefering auf Eis liegt, meine Damen und<br />

Herren.<br />

Wo ist unser Abg. Thomas Jurk? Er wollte erst eine Zwischenfrage<br />

stellen. Ich frage mich: Wenn Sie hier die deutsche Einheit<br />

propagieren, dann machen Sie an <strong>der</strong> Realisierung <strong>der</strong> deutschen<br />

Einheit Ihre Glaubwürdigkeit fest! Zur Realisierung gehören die<br />

Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Die gehören nicht auf Eis<br />

gelegt, son<strong>der</strong>n hier in Sachsen realisiert, meine Damen und Herren!<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir haben heute an den Nachfolger von Herrn Müntefering, Herrn<br />

Bodewig, geschrieben. Wir haben ihn natürlich zu seiner Berufung<br />

beglückwünscht. Wir haben für sein bisheriges Engagement als<br />

Parlamentarischer Staatssekretär für die Einbringung <strong>der</strong> UMTS-<br />

Mittel in die Verkehrswege gedankt. Wir wollen ihn einmal nach<br />

Sachsen einladen und von ihm wichtige Fragen beantwortet haben:<br />

Wann wird <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>verkehrswegeplan endlich einmal fortgeschrieben<br />

und wann wird <strong>der</strong> Baustab für die VDE - Verkehrsprojekte Deutsche<br />

Einheit - 8.2 und die Entscheidung zur Nord-Süd-Magistrale kommen?<br />

Meine Damen und Herren, es muss sichergestellt sein, dass <strong>der</strong> Bau<br />

einer Nord-Süd-Magistrale nicht zur Disposition gestellt wird. Bei<br />

<strong>der</strong> Abwägung <strong>der</strong> möglichen Linienführung sind die wesentlichen<br />

Fakten, die für eine Realisierung in einem Korridor durch das<br />

Vogtland sprechen, zu berücksichtigen. Unsere Position hat sich<br />

nicht verän<strong>der</strong>t. Die CDU-Fraktion ist seit 1992 für eine<br />

Linienführung durch das Vogtland eingetreten, weil dies in <strong>der</strong><br />

Sache vernünftig ist, auch wenn wir die über die Jahre geschaffenen<br />

Fakten nicht leugnen.<br />

Bezogen auf die Sachsen-Magistrale müssen wir festhalten, dass <strong>der</strong><br />

Abschnitt Dresden-Görlitz bekanntlicherweise keineswegs das einzige<br />

Problem darstellt. Tatsache ist, dass die Sachsen-Franken-<br />

Magistrale in Gänze, also von Görlitz über Dresden, Chemnitz,<br />

Plauen, Hof bis Nürnberg, zu unseren andauernden Sorgenkin<strong>der</strong>n<br />

gehört. So gesehen, meine Damen und Herren, warte ich eigentlich<br />

nur auf Ihren Antrag, <strong>der</strong> auch den weiteren Verlauf <strong>der</strong> A 4 und die<br />

A 74 von Chemnitz nach Hof infrage stellt.<br />

Die Philosophie Ihres vorliegenden Antrages lautet doch wie folgt:<br />

Straßen dürfen auf keinen Fall besser ausgebaut sein als die


entsprechenden Bahnverbindungen. Wollten wir diese Philosophie zum<br />

Grundsatz für ganz Sachsen machen, dann hätten wir nicht nur einen<br />

Verkehrskollaps, son<strong>der</strong>n die rasante Flucht von Investoren und den<br />

Verlust zigtausen<strong>der</strong> Arbeitsplätze zu erwarten. Wenn das Ihre<br />

Vorstellung von Verkehrswirtschafts- und Regionalpolitik ist, dann<br />

müsste man an sich sagen: Gute Nacht Sachsen, gute Nacht, Katja<br />

Kipping!<br />

(Gelächter bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wie verblendet Ihre Fragen zur Wirkung <strong>der</strong> A 4 zwischen Dresden und<br />

Görlitz sind, möchte ich an wenigstens zwei Beispielen deutlich<br />

machen. So wollen Sie wissen, in welchem Maß <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> A 4 zu<br />

einer weiteren Zersiedelung <strong>der</strong> Landschaft und zur Ausweisung neuer<br />

Wohnbaugebiete geführt hat. Die Antwort muss ja enttäuschend sein,<br />

denn seit 1998 sind praktisch keine neuen Wohnbaugebiete mehr<br />

ausgewiesen worden. Es ist ja auch etwas ganz Schlimmes, ein<br />

Wohnbaugebiet auszuweisen. Ich hoffe, dass Sie einmal in <strong>der</strong> PDS-<br />

Fraktion <strong>der</strong> Stadt Hoyerswerda zu Gast sind. Dann würden Sie die<br />

ersten zwei Minuten nicht überleben. Die Stadt Hoyerswerda hat<br />

soeben ein Wohnbaugebiet innerstädtisch ausgewiesen und freut sich<br />

auf die ersten Eigenheimbauer, die auf ihrem Stadtgebiet siedeln<br />

können und somit nachhaltig zur Sesshaftigkeit in ihrer Stadtlage<br />

beitragen können.<br />

Meine Damen und Herren! Wie schön wäre es gewesen, wenn die Antwort<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung hinsichtlich ihrer Vorteile doch die<br />

Zersiedelung <strong>der</strong> Landschaft bestätigt hätte. Aber im Ernst, meine<br />

Damen und Herren: Leistungsfähige Verkehrswege führen keineswegs<br />

automatisch zu einer Zersiedelung. Es ist hier die Frage <strong>der</strong><br />

kommunalen Planungshoheit, welche Entwicklung eine Gemeinde nimmt<br />

und nehmen will. Die Autobahn taugt hier nicht als Buhmann.<br />

Anrührend, meine Damen und Herren von <strong>der</strong> PDS, ist auch Ihre Sorge<br />

um die verkehrsbedingten Emissionen. Natürlich sind angesichts <strong>des</strong><br />

stark angestiegenen Straßenverkehrs die Emissionen dieses Bereiches<br />

höher als 1990. Interessant ist aber, dass seit 1996 <strong>der</strong> Anstieg<br />

<strong>der</strong> Kohlendioxidemission nahezu gestoppt ist und die<br />

Stickstoffemission seit 1995 sogar deutlich rückläufig ist.<br />

Rückläufig sind auch die Benzolemissionen sowie <strong>der</strong> Ausstoß an<br />

Dieselruß.<br />

Viel wichtiger aber scheint es mir, insgesamt auf die dramatische<br />

Verbesserung <strong>der</strong> lufthygienischen Verhältnisse, verglichen mit DDR-<br />

Zeiten, hinzuweisen. Das haben Sie, Frau Kipping,<br />

verständlicherweise nicht so sehr in Erinnerung. Das war die Zeit,<br />

wo Sie Ihre "Bummi" gelesen, Schnatterinchen gesehen haben und<br />

vielleicht mit <strong>der</strong> Trommel ein bisschen um den Christbaum gerannt<br />

sind.<br />

Eigentlich warte ich, Herr Porsch, in Ihrem nächsten Antrag darauf,<br />

dass Sie fragen: Wie kann durch die Verhin<strong>der</strong>ung von Investitionen<br />

im Straßenbau das Abschmelzen <strong>der</strong> Polkappen nachhaltig verhin<strong>der</strong>t<br />

werden? Das könnte doch einmal eine Idee für die nächste Anfrage<br />

sein, meine Damen und Herren.<br />

Ich fasse zusammen. Die durchgehend fertig gestellte A 4 zwischen<br />

Dresden und Görlitz - sie ist bereits fertig, Herr Porsch - hat die


Erschließung Ostsachsens trotz nach wie vor bestehen<strong>der</strong> erheblicher<br />

Defizite wesentlich verbessert. Von Görlitz aus ist <strong>der</strong> Flughafen<br />

Dresden-Klotzsche schneller zu erreichen als beispielsweise von<br />

Pirna. Das ist ein entscheiden<strong>der</strong> Vorteil für die Region,<br />

(Leroff, CDU: Sehr richtig! - Prof. Dr. Porsch,<br />

PDS: Da kommt man schneller zu "Ballermann"!)<br />

die zweifelsohne mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die<br />

Autobahn ist auch für die unmittelbare Ansiedlung von Gewerbe und<br />

Industrie von Bedeutung. Fragen Sie doch einmal die Damen und<br />

Herren von <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, was Investoren haben wollen.<br />

Die fragen: Wie viel Minuten brauche ich zur nächsten Autobahn? Die<br />

fragen nicht: Wie viel Minuten brauche ich zur nächsten PDS-<br />

Zentrale?, meine Damen und Herren.<br />

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Oh, da fragen viele!<br />

Wir haben ein dichtes Netz!)<br />

Die Oberlausitz mit ihren vielfältigen touristischen<br />

Anziehungspunkten ist nicht nur für Naherholer aus dem Raum<br />

Dresden, son<strong>der</strong>n auch für Urlauber aus ganz Deutschland ein ganzes<br />

Stück näher gerückt, meine Damen und Herren. Wir lassen uns diese<br />

notwendige Lebensa<strong>der</strong> <strong>der</strong> ganzen Region nicht schlechtreden, meine<br />

Damen und Herren!<br />

Herr Porsch, Ihnen empfehle ich dringend: Nehmen Sie Ihre<br />

Verkehrsmädels zur Seite, reden Sie ein klares Wort mit ihnen und<br />

dann können Sie sie für den FC Landtag anbieten. Wenn Sie<br />

Spezialisten für den FC Landtag für Eigentore brauchen, dann kommen<br />

Sie auf Ihre Verkehrsmädels zurück.<br />

Ich bedanke mich.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen, sehr geehrte<br />

Abgeordnete! Ich möchte darum bitten, dass wir uns in unserer<br />

Wortwahl Mühe geben, um damit auch die Achtung gegenüber den<br />

Jüngeren nicht zu beschädigen, son<strong>der</strong>n zum Ausdruck zu bringen.<br />

Ich reiche das Wort weiter an die SPD-Fraktion. Das Wort hat die<br />

Abg. Frau Dr. Raatz.<br />

Frau Dr. Raatz, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte<br />

Damen und Herren! Wir haben jetzt zwei sehr interessante<br />

Redebeiträge gehört. Herr Nitzsche hat es geschafft, von<br />

Schnatterinchen über die Abschmelzung von Polkappen zur Pällmann-<br />

Kommission und dann ganz zum Schluss auch einmal ein bisschen auf<br />

den Antrag zu kommen. Das ist immer recht interessant, wenn man<br />

sieht, wie Sie doch Ihre gesamte Themenvielfalt fast in jedem<br />

Antrag irgendwie versuchen unterzubringen.<br />

(Beifall bei SPD und PDS)<br />

Das ist wirklich beeindruckend. Allerdings vergreifen Sie sich dann<br />

auch manchmal mit Ihren Fakten.<br />

Interessant ist auch, welche Einigkeit heute wie<strong>der</strong> zwischen<br />

unserem Minister Schommer und Ihnen bestanden hat. Am Anfang <strong>der</strong><br />

Woche sah das ganz an<strong>der</strong>s aus. Ihre Positionen sind doch sehr<br />

variabel, was mich auch hoffen lässt, dass wir doch ab und zu<br />

einmal zu einer vernünftigen Sache kommen werden. Aber da unsere


Fraktion nicht sehr viel Redezeit hat, kann ich lei<strong>der</strong> nicht dieses<br />

gesamte Spektrum abdecken.<br />

Ich werde mich <strong>des</strong>wegen <strong>der</strong> Anfrage <strong>der</strong> PDS-Fraktion zuwenden und<br />

ich muss sagen, dass diese Vorlage ein hoch aktuelles Thema hat,<br />

nämlich die Nachhaltigkeit von Verkehr. Aber da gebe ich - zwar<br />

ungern - unserem Herrn Nitzsche Recht; denn auch ich denke, dass<br />

gerade das Beispiel A 4 nicht unbedingt das geeignetste ist, um<br />

Nachhaltigkeit im Verkehr wirklich zu demonstrieren.<br />

In den Fragestellungen, die wir in <strong>der</strong> Großen Anfrage erkennen<br />

können, sieht man auch, dass <strong>der</strong> Einreicher dieser Anfrage die<br />

Klassifizierung <strong>des</strong> Verkehrs in "gut", gleich Schiene, und<br />

"schlecht", gleich Straße, vornimmt. Ich muss sagen, liebe<br />

Kolleginnen und Kollegen von <strong>der</strong> PDS-Fraktion, dass Sie dabei in<br />

eine ideologische Falle tappen, nämlich in eine Falle, die uns aus<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit bestens bekannt ist. Wir wissen heute, dass <strong>der</strong><br />

Weg <strong>der</strong> Befolgung dieses Gut-Schlecht-Schemas in einer Sackgasse<br />

endet.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Teilweise Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Sie nehmen als PDS gern für sich in Anspruch, die Regionalpartei<br />

<strong>des</strong> Ostens zu sein. Wer aber die rasche Angleichung <strong>der</strong><br />

Lebensverhältnisse in Ost und West will, <strong>der</strong> muss zwangsläufig auch<br />

für die Schaffung einer vergleichbaren Verkehrsinfrastruktur<br />

eintreten<br />

(Beifall bei SPD und CDU)<br />

und dabei natürlich dann auch die verkehrspolitischen Realitäten<br />

anerkennen. Das Beispiel A 4 ist für eine Nachhaltigkeitsdebatte<br />

<strong>des</strong>halb ungeeignet, weil gerade jenes Teilstück zwischen Dresden<br />

und Görlitz Bestandteil einer verkehrsinfrastrukturellen<br />

Grundversorgung ist und wirklich eben kein Luxus.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall <strong>des</strong> Abg. Hatzsch, SPD)<br />

Die Verkehrsa<strong>der</strong> erschließt zumin<strong>des</strong>t einen Teil <strong>des</strong><br />

strukturschwachen Raumes Ostsachsens und bildet darüber hinaus eine<br />

wesentliche infrastrukturelle Voraussetzung für die anstehende EU-<br />

Osterweiterung.<br />

(Beifall bei SPD und CDU - Beifall bei <strong>der</strong> Staatsregierung)<br />

Aus diesem Grunde gehört <strong>der</strong> außerordentlich zügige Aus- bzw.<br />

Neubau besagten Teilstückes <strong>der</strong> A 4 ohne jeden Zweifel zur<br />

verkehrspolitischen Guthabenseite <strong>der</strong> Staatsregierung. Wenn ein<br />

Vorwurf zu machen ist, dann besteht er darin, dass es nicht<br />

gelungen ist, die Räume Löbau-Zittau sowie Weißwasser wenigstens in<br />

ähnlicher Qualität an das deutsche Fernstraßennetz anzubinden.<br />

(Staatsminister Dr. Schommer: Das machen wir noch!)<br />

- Freut uns.<br />

Eben diese Autobahnzubringer von Löbau-Zittau zur A 4 bzw. von<br />

Weißwasser zur A 15 stehen <strong>des</strong>halb in <strong>der</strong> Prioritätenliste <strong>der</strong><br />

sächsischen SPD mit an <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Stelle.<br />

(Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Dr. Volkmer, SPD)<br />

Entwicklung kontra Abwan<strong>der</strong>ung - diese Formel beschreibt den<br />

Existenzkampf einer ganzen Region. Es hätte für Südostsachsen, das<br />

bereits zu DDR-Zeiten einen großen A<strong>der</strong>lass hinnehmen musste, nach<br />

<strong>der</strong> Wende wirklich einer engagierten Strukturpolitik bedurft, um


den Menschen eine klare Perspektive zum Hierbleiben zu vermitteln.<br />

Die schnelle Realisierung einer leistungsfähigen B 178 von <strong>der</strong> A 4<br />

bis nach Zittau wäre ein solches Signal gewesen. Lei<strong>der</strong> hat die<br />

Staatsregierung wirtschafts- wie auch verkehrspolitisch an<strong>der</strong>e<br />

Prioritäten gesetzt.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion wird sich mit<br />

separaten Initiativen <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><br />

Schienenverkehrsinfrastruktur im ostsächsischen Raum widmen. Die<br />

vorliegende Große Anfrage <strong>der</strong> PDS ist dafür nicht geeignet.<br />

Danke.<br />

(Beifall bei SPD und CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Möchte die CDU-Fraktion noch<br />

einmal sprechen? - Herr Abg. Bandmann.<br />

Bandmann, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und<br />

Herren! Ich bin erst einmal Frau Raatz dankbar für ihren sachlichen<br />

Beitrag. - Frau Kipping hat ja hier mit ihrer Großen Anfrage<br />

eigentlich einen Wahlkampfbeitrag geliefert, nämlich für die CDU-<br />

Fraktion. Mit Ihrem Text und Ihrem Antrag können wir uns eigentlich<br />

bei Ihnen bedanken. Wir brauchen ihn im nächsten Wahlkampf nur in<br />

<strong>der</strong> Region herumzuzeigen - Sie haben uns damit sehr geholfen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Es zeigt nämlich Ihr wahres Gesicht. Sie hatten ja einige Fragen<br />

gestellt, welche Wirkungen diese Autobahn enthalten und erfüllt und<br />

gebracht hat. Fragen Sie die Menschen in Bischofswerda, fragen Sie<br />

die Menschen in Bautzen o<strong>der</strong> an den Transitstrecken <strong>der</strong> bisherigen<br />

B 6, dann werden Sie erfahren, was an Erleichterung, was die A 4 an<br />

weggefallenen Staus, gerade beim Schwerlastverkehr, für die<br />

dortigen Anwohner gebracht hat.<br />

Es ist eine außerordentlich positive Entwicklung eingetreten. Für<br />

Leute, die an den bisherigen Bun<strong>des</strong>fernstraßen gewohnt haben, ist<br />

eine deutliche Verbesserung eingetreten. Minister Schommer hat das<br />

in <strong>der</strong> Antwort auch ausgewiesen. Sie haben unterschlagen, dass es<br />

dort zu einer Verringerung <strong>der</strong> Verkehrsbelastung gekommen ist und<br />

dass sich die Lebensqualität <strong>der</strong> Menschen deutlich verbessert hat.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Abg. Bandmann, gestatten Sie<br />

eine Zwischenfrage?<br />

Bandmann, CDU: Bitte schön.<br />

Frau Mattern, PDS: Herr Bandmann, wenn Sie also im nächsten Jahr<br />

die heutige Debatte in einer kleinen Broschüre umherreichen<br />

möchten, werden Sie dann auch unseren Entschließungsantrag mit<br />

verteilen, <strong>des</strong>sen erster Satz heißt: "Mit <strong>der</strong> vollständigen<br />

Inbetriebnahme <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>autobahn A 4 zwischen dem Autobahndreieck<br />

Dresden und Görlitz haben sich in diesem Raum die<br />

Verkehrsbedingungen für den motorisierten Individualverkehr und den<br />

Straßengüterverkehr grundlegend verbessert."?<br />

Bandmann, CDU: Diese Initiative liegt uns ja vor, die haben Sie<br />

ausgeteilt. Aber es sind an dieser Stelle auch Antworten und<br />

Behauptungen enthalten, die eben so im Grunde genommen<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlich sind. Deshalb ist es für uns wichtig noch einmal zu<br />

betonen, dass wir mit diesem notwendigen Teilstück <strong>der</strong> Autobahn<br />

eben nicht nur die deutschen Belange sehen können, son<strong>der</strong>n dass es


zu einem transeuropäischen Autobahnsystem gehört, dass es dringend<br />

notwendig ist, die A 4 nach Breslau weiterzubauen,<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Beifall bei <strong>der</strong> Staats-<br />

regierung - Beifall <strong>des</strong> Abg. Hatzsch, SPD)<br />

damit an die alten Verkehrsbedingungen vor dem Kriege und die<br />

Entwicklung im europäischen Raum angeknüpft werden kann. Dies muss<br />

so schnell wie möglich passieren, es muss <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> B 115<br />

passieren. Ich denke, wenn man gerade auch auf die Zwischenfrage,<br />

die Herr Jurk ja sicher stellen wollte, in Bezug auf den Ausbau <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>autobahn von Cottbus nach Berlin verweist, dann habe ich die<br />

Sorge, dass man diese Autobahn eines Tages unter Denkmalschutz<br />

stellt, weil nämlich diese Bedingungen außerordentlich miserabel<br />

sind.<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Abgeordneter, gestatten Sie<br />

eine weitere Zwischenfrage?<br />

Bandmann, CDU: Bitte schön.<br />

Frau Mattern, PDS: Ich möchte gar keine weitere stellen, ich warte<br />

immer noch auf die Antwort auf meine Frage, ob Sie unseren Satz<br />

bzw. unseren Entschließungsantrag mit verteilen werden.<br />

Bandmann, CDU: Selbstverständlich, wir werden das im Komplex<br />

verteilen. Wir werden sowohl den Entschließungsantrag als auch die<br />

Große Anfrage nehmen und ich denke, aus diesem inneren Zusammenhang<br />

wird <strong>der</strong> Geist Ihres Antrages deutlich. Das eine verbessert die<br />

Situation nicht. - Soweit zu Ihrer Frage.<br />

Es ist auch noch wichtig zu erwähnen, dass ja gerade <strong>der</strong><br />

Schwerlastverkehr, <strong>der</strong> deutlich zugenommen hat und <strong>der</strong><br />

Steigerungsraten pro Jahr von 20 % am Grenzübergang Görlitz<br />

ausmacht, deutlich macht, welche wirtschaftliche Dynamik und<br />

Entwicklung mittlerweile im Nachbarland Polen vor sich geht und<br />

dass hier <strong>der</strong> Freistaat bemüht ist, durch einen zusätzlichen<br />

Vorstauplatz auch dort die Bedingungen zu verbessern.<br />

Die Fahrzeiten haben sich für die Menschen verbessert: eine Stunde<br />

bis Dresden. Das heißt, auch für die Firmen aus <strong>der</strong> Region, die in<br />

Dresden und im weiteren deutschen Raum arbeiten, sind damit enorme<br />

Kosteneinsparungen verbunden. Und dass Firmen wie Görlitz-Fleece,<br />

Bombardier Transportations, aber auch an<strong>der</strong>e Firmen wie Siemens,<br />

die demnächst natürlich auch mit dem Cargogleiter ihre Turbinen in<br />

alle Welt bringen, <strong>der</strong>zeit noch über diese Strecken fahren, zeigt,<br />

dass die Hoffnungslosigkeit, die Sie hier verbreiten, so nicht<br />

zutrifft. Die Menschen in <strong>der</strong> Region haben wesentlich mehr<br />

Optimismus, als Sie hier mit Ihren zugegebenermaßen jungen Jahren<br />

glauben machen wollen.<br />

Nehmen Sie eines mit: Zu DDR-Zeiten war es so, dass die Autobahn ja<br />

schon einmal bis Weißenberg ging. Dann haben Ihre früheren Genossen<br />

in <strong>der</strong> DDR - Sie sind ja nur <strong>der</strong> umgetaufte Verein - festgelegt,<br />

dass man Getrei<strong>des</strong>peicher ab Bautzen auf die Autobahn baut. Damit<br />

ist damals die Region abgewan<strong>der</strong>t und bereits beschädigt worden.<br />

Fragen Sie einmal Ihre älteren Genossen, was sie damals dagegen<br />

unternommen haben! Vielleicht bekommen Sie dann die passende<br />

Antwort und stellen solche Anfragen nicht mehr.<br />

Herzlichen Dank.


(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Die<br />

Geschäftsordnung lässt zu, dass bei <strong>der</strong> Besprechung einer Großen<br />

Anfrage Entschließungsanträge gestellt werden dürfen. Es liegt uns<br />

ein Entschließungsantrag <strong>der</strong> PDS-Fraktion in Drucksache 3/3032 vor.<br />

Wir treten in die Besprechung <strong>des</strong> Entschließungsantrages ein. Die<br />

PDS-Fraktion hat das Wort; Frau Abg. Kipping.<br />

Frau Kipping, PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr<br />

Nitzsche, es ist schon weitgehend schlimm, wenn ich als<br />

Parlamentsneuling Sie auf die Würde <strong>des</strong> Hohen Hauses hinweisen<br />

muss. Aber das, was Sie hier wie<strong>der</strong> geliefert haben, bringt mich<br />

einfach dazu Ihnen zu empfehlen, dass Sie wirklich einmal einen<br />

Kurs über die Grundregeln <strong>des</strong> Benehmens und <strong>des</strong> guten Umgangs<br />

miteinan<strong>der</strong> besuchen sollten.<br />

(Vereinzelt Beifall bei PDS und SPD)<br />

Genauso, wie Sie sich bei meinem Studienfach irren, so irren Sie<br />

sich, die Einstellung <strong>der</strong> PDS zur Autobahn betreffend. Wenn Sie<br />

behaupten, wir sind prinzipiell gegen die Autobahn, dann ist das<br />

einfach eine Lüge, <strong>der</strong> ich hier wi<strong>der</strong>sprechen muss.<br />

(Zuruf <strong>des</strong> Abg. Lämmel, CDU)<br />

Es ist schon bezeichnend, Ihren verkehrspolitischen Kenntnisstand<br />

betreffend, wenn Ihnen zu einer Debatte zu einem ganz konkreten<br />

Thema nichts einfällt außer Lügen und allgemeinpolitischem Blabla<br />

über die Bun<strong>des</strong>politik. Wenn Ihnen die Bun<strong>des</strong>politik so sehr am<br />

Herzen liegt, dann lassen Sie sich doch in den Bun<strong>des</strong>tag wählen und<br />

verschonen uns im Landtag hier mit Ihren chauvinistischen und<br />

unsachlichen Vorträgen.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Frau Pfeiffer,<br />

CDU: Wir sind hier kein Kin<strong>der</strong>garten!)<br />

- Ja, eben, ich bin in den Landtag gegangen, um Politik für das<br />

Heute und für das Morgen zu machen. Was ich von Ihrer Seite ständig<br />

erleben muss, wenn Sie nicht weiter wissen, ist ein ganz, ganz<br />

schlechter Geschichtsunterricht. Ich bin wirklich an Geschichte<br />

interessiert, auch an einer kritischen Aufwertung <strong>der</strong><br />

Vergangenheit. Aber dann gehe ich in wissenschaftliche Kreise und<br />

an die Universität und mache hier keine viertklassige<br />

Vergangenheitsaufarbeitung, wie das von Ihnen immer gemacht wird,<br />

um abzulenken.<br />

(Leroff, CDU: Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden!)<br />

- Doch!<br />

Zurück zum Antrag. - Übrigens: Beim Schnatterinchen irren Sie sich<br />

genauso, ich fand die "Mosaik" immer wesentlich spannen<strong>der</strong>. Sie<br />

sollten wahrscheinlich nur von den Sachen reden, von denen Sie eine<br />

Ahnung haben, aber dann könnten Sie wahrscheinlich auch nicht mehr<br />

zur Verkehrspolitik sprechen.<br />

Zurück zu unserem Entschließungsantrag. In unserem<br />

Entschließungsantrag nehmen wir ganz klar Bezug auf die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Klimaschutzstudie. In dieser Klimaschutzstudie, die - das hatte<br />

ich schon erwähnt - <strong>vom</strong> Freistaat in Auftrag gegeben wurde, werden<br />

ganz konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, übrigens auch <strong>der</strong> Ausbau von<br />

Bun<strong>des</strong>straßen, den wir auch befürworten. Unter an<strong>der</strong>em steht dort


aber auch etwas <strong>vom</strong> Ausbau <strong>des</strong> ÖPNV und von <strong>der</strong> Umsetzung eines<br />

forcierten Eisenbahn- und ÖPNV-Konzeptes. Es geht dort auch um<br />

Öffentlichkeitsarbeit und den Einfluss auf das Mobilitätsverhalten<br />

<strong>des</strong> Einzelnen.<br />

Wie wollen Sie denn irgendjemand allein mit Öffentlichkeitsarbeit<br />

davon überzeugen, die Bahn zu benutzen, wenn sich das<br />

Reisezeitverhältnis zuungunsten <strong>der</strong> Bahn verän<strong>der</strong>t? Laut Internet-<br />

Routenplaner benötigt man mit dem Auto von Dresden-Mitte nach<br />

Görlitz eine Stunde und 18 Minuten. Mit dem Interregio beträgt die<br />

reine Reisezeit eine Stunde und 36 Minuten. Dazu kommen noch <strong>der</strong><br />

Weg zum Bahnhof und <strong>vom</strong> Bahnhof zum Zielort. Da ist man schnell bei<br />

einer Reisezeit von 2,5 Stunden. So ist die Bahn natürlich nicht<br />

wettbewerbsfähig.<br />

Ich möchte noch auf ein weiteres Argument hinweisen, das die<br />

Notwendigkeit <strong>des</strong> Ausbaus von Bus und Bahn unterstreicht. Mein<br />

Kollege Neubert erwähnte bereits heute in Erwi<strong>der</strong>ung auf die<br />

Regierungserklärung, dass im Jahre 2015 je<strong>der</strong> fünfte Sachse älter<br />

als 65 Jahre sein wird. Solch eine demografische Entwicklung stellt<br />

doch ganz an<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an die Verkehrsentwicklung; denn mit<br />

zunehmendem Alter sinkt die Motorisierung.<br />

(Proteste bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Irgendwann sind ältere Leute nicht mehr in <strong>der</strong> Lage mit dem Auto zu<br />

fahren. Aber auch für die Menschen, die nicht in <strong>der</strong> Lage sind mit<br />

dem Auto zu fahren, muss Mobilität möglich sein.<br />

Die PDS wird eine Verkehrspolitik, bei <strong>der</strong> die ältere Generation,<br />

die uns wirklich am Herzen liegt, einfach auf <strong>der</strong> Strecke bleibt,<br />

nicht mitmachen.<br />

Wir beziehen uns in unserem Entschließungsantrag übrigens nur auf<br />

den Fachlichen Entwicklungsplan Verkehr. Was Sie hier machen, ist<br />

wirklich nur Klassenkampf. Sie diskutieren nicht über den Text. Sie<br />

bauen einen Strohmann auf, gegen den Sie dann argumentieren. Dieser<br />

Strohmann besteht nur aus Verleumdungen.<br />

(Frau Petzold, CDU: Aber wenn Sie über Ältere<br />

reden, sollten Sie sich vorher kundig machen!)<br />

Ich möchte noch auf einen Aspekt in unserem Entschließungsantrag<br />

eingehen. In unserem Entschließungsantrag ist die Rede davon, dass<br />

es Fakten gibt, die für eine Zunahme <strong>des</strong> Verkehrs sprechen. Genau<br />

diese Feststellung wird auch in <strong>der</strong> Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

unterstrichen. Sie spricht selber von einer Verkehrszunahme. Man<br />

muss sich da nur die Statistiken ansehen, zum Beispiel die Angaben<br />

<strong>des</strong> Statistischen Lan<strong>des</strong>amtes <strong>des</strong> Freistaates Sachsen, die<br />

aussagen, dass <strong>der</strong> Motorisierungsgrad <strong>der</strong> Bevölkerung zugenommen<br />

hat, und zwar von 1998 zu 1999 um 2,2 %. Es gibt da noch einen<br />

interessanten Vergleich. 1999 entfallen 487 Pkw auf 1 000<br />

Einwohner. Das ist mehr, als wir an Arbeitsplätzen pro 1 000<br />

Einwohner haben. Das sind nämlich nur 4<strong>24.</strong> Wir sind für eine<br />

Politik, die mehr Arbeitsplätze bringt.<br />

Herr Nitzsche, noch einmal zu Ihnen. Es gab einen PDS-Antrag, die<br />

Sachsen-Magistrale bis Görlitz zu verlängern. Das war vor <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>tagswahl. Damals stimmten nur die PDS und die SPD dafür. Sie,<br />

Herr Nitzsche, haben - das konnte ich dem Protokoll entnehmen - mit


<strong>der</strong> CDU-Fraktion seinerzeit dagegen gestimmt. Heute sind Sie<br />

plötzlich dafür. Wenn es wie<strong>der</strong> einmal an<strong>der</strong>s kommt, sind Sie<br />

bestimmt wie<strong>der</strong> dagegen. Herr Nitzsche, so verhalten sich<br />

politische Dilettanten. Sie haben dafür in dieser Woche mehrere<br />

Beispiele geliefert.<br />

(Lachen bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ich hoffe, Ihre Fraktion wird es Ihnen beim Abstimmen unseres<br />

Entschließungsantrages nicht gleichtun.<br />

Danke.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Wer möchte sich zu dem<br />

Entschließungsantrag äußern? - Für die CDU-Fraktion spricht <strong>der</strong><br />

Abg. Nitzsche.<br />

Nitzsche, CDU: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau<br />

Kipping, ich muss Sie enttäuschen, wenn Sie jetzt eine längere Rede<br />

von mir erwarten. An sich bin ich nur vorgegangen, weil ich meine<br />

Büroklammer hier vergessen habe. Aber die ist weg.<br />

(Heiterkeit bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Das kann ich jetzt nicht än<strong>der</strong>n. Da muss ich jetzt doch etwas zu<br />

Ihrem Entschließungsantrag sagen.<br />

Sie schreiben in Punkt 3: "Innovative Lösungen für den öffentlichen<br />

Personennahverkehr und die Eisenbahn fehlen im Raum zwischen<br />

Dresden und Görlitz weitgehend."<br />

(Abg. Weckesser, PDS, tritt mit einer<br />

Büroklammer in <strong>der</strong> Hand nach vorn.)<br />

- Sie waren doch gar nicht hier vorn.<br />

(Heiterkeit bei <strong>der</strong> PDS - Weckesser, PDS:<br />

Ich wollte Ihnen das Reden ersparen.)<br />

- Frau Präsidentin, kann ich jetzt meine Rede vorbringen?<br />

Frau Kipping, ich schenke Ihnen zu Weihnachten das ÖPNV-Gesetz. Das<br />

haben wir in <strong>der</strong> letzten Legislatur verabschiedet. Das hat uns viel<br />

Mühe gekostet. Darin steht, dass die innovative Ausgestaltung den<br />

Zweckverbänden obliegt. Ihre Abgeordnete Mattern ist meines Wissens<br />

im Aufsichtsrat <strong>des</strong> ZVON. Dort kann sie regeln und gestalten, so<br />

dass es innerhalb <strong>des</strong> Zweckverban<strong>des</strong> an <strong>der</strong> Tagesordnung sein<br />

könnte, hier innovative Lösungsansätze zu schaffen. Vom Freistaat<br />

bekommen die Zweckverbände jedenfalls genug Geld. Es liegt also<br />

nicht am Freistaat.<br />

Ich hoffe, dass meine Fraktion meiner Empfehlung folgt und den<br />

Entschließungsantrag ablehnt.<br />

Danke schön.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich frage, ob es noch Redebedarf<br />

gibt. - Das ist <strong>der</strong> Fall. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg.<br />

Dr. Raatz.<br />

Frau Dr. Raatz, SPD: Ich habe lei<strong>der</strong> aus den Ausführungen von Frau<br />

Kipping auch keine an<strong>der</strong>e Intuition in Bezug auf die Große Anfrage<br />

entnehmen können. Ich habe vorhin in meinem Redebeitrag schon<br />

dargestellt, dass wir das nicht für das geeignete Mittel halten, um<br />

eine nachhaltige Verkehrsentwicklung in irgendeiner Weise


voranzubringen. Aus dem Grund wird meine Fraktion den Antrag<br />

ablehnen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Leroff, CDU: Sehr vernünftig!)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Frau Abg. Schulz von <strong>der</strong> PDS-<br />

Fraktion, bitte.<br />

Frau Schulz, PDS: Frau Präsidentin! Wir stimmen zwar zum Glück<br />

nicht über Redebeiträge ab, son<strong>der</strong>n über Anträge. Ich möchte<br />

dennoch eine Richtigstellung vornehmen.<br />

Der Kollege Nitzsche, <strong>der</strong> sich diese Woche scheinbar selbst zum<br />

sächsischen Verkehrsminister machte, hat in seiner unter die<br />

Gürtellinie gehenden Rede eine Bemerkung geäußert, die darauf<br />

schließen lassen könnte, dass ich meiner Pflicht zur Teilnahme an<br />

Plenartagungen nicht nachkommen würde. Ich möchte für die<br />

Öffentlichkeit und alle, die mich kennen, sagen, dass dies Herrn<br />

Nitzsches überaus üppiger Phantasie entsprungen ist und von<br />

schlechtem Stil zeugt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS - Leroff, CDU: Davon hat<br />

er auch nicht gesprochen.)<br />

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Das war eine sachliche<br />

Richtigstellung vor <strong>der</strong> Abstimmung.<br />

Ich rufe jetzt zur Abstimmung den Entschließungsantrag <strong>der</strong> PDS-<br />

Fraktion auf, den Sie in <strong>der</strong> Drucksache 3/3032 vorliegen haben. Wer<br />

dem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das<br />

Handzeichen. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich<br />

<strong>der</strong> Stimme? - Bei einer Reihe von Stimmen dafür und einer<br />

Stimmenthaltung ist diesem Entschließungsantrag mehrheitlich nicht<br />

zugestimmt worden.<br />

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 10 ist beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 11<br />

Mietrechtsneuordnungsgesetz und Verwertungskündigung<br />

Drucksache 3/2259, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, mit Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Die Beratung dieses Antrages geschieht in folgen<strong>der</strong> Reihenfolge:<br />

CDU als einreichende Fraktion zuerst. Es schließen sich an PDS,<br />

CDU, SPD und die Staatsregierung. Ich darf die CDU-Fraktion bitten,<br />

das Wort zu nehmen. Frau Abg. Matthes, bitte.<br />

Frau Matthes, CDU: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Abgeordnete! Wie<strong>der</strong> einmal ist die Wohnungspolitik in aller Munde<br />

und das ist gut so.<br />

Die <strong>vom</strong> Bun<strong>des</strong>bauminister eingesetzte Expertenkommission mit dem<br />

bezeichnenden Titel "Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den<br />

neuen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n" hat ihren Bericht vorgelegt. Wir hoffen, dass<br />

dieser dazu führt, dass auch die Bun<strong>des</strong>politik ihr Augenmerk<br />

stärker auf die wohnungswirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen in den<br />

neuen Län<strong>der</strong>n lenkt.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Als wir in Sachsen vor gut einem Jahr erstmals öffentlich von <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit sprachen, uns durch - damals sehr vorsichtig<br />

umschrieben - Rückbau von dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Wohnungsbestand zu<br />

trennen, wurden wir noch heftig attackiert. Einige Unbelehrbare


glaubten bis in die allerjüngste Vergangenheit hinein das Problem<br />

mit kessen Sprüchen leugnen zu können. Die Aussage von Dr. Heyer,<br />

dem Bauminister Sachsen-Anhalts, er sei ein Bau- und kein<br />

Abrissminister, klingt mir noch heute in den Ohren.<br />

Es geht uns, um dies hier sehr deutlich zu machen, nicht um<br />

Schwarzmalerei. Ganz im Gegenteil, wir verfolgen vielmehr das Ziel,<br />

auf <strong>der</strong> Basis städtebaulicher Konzepte den Wohnungsbeständen, die<br />

für die Zukunft <strong>der</strong> Kommunen wichtig sind, realistische Chancen<br />

einzuräumen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Diesem Grundanliegen trägt <strong>der</strong> Bericht <strong>der</strong> Expertenkommission<br />

durchaus Rechnung, auch wenn wir nicht alle Empfehlungen <strong>der</strong><br />

Kommission teilen, worauf ich noch näher eingehen werde.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Vorhaben <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung trägt <strong>der</strong> Wirklichkeit auf<br />

dem Wohnungsmarkt, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Situation in den neuen Län<strong>der</strong>n,<br />

allerdings in keinster Weise Rechnung. Ich meine den Entwurf <strong>des</strong><br />

Mietrechtsreformgesetzes. Dieses so genannte Mietrechtsreformgesetz<br />

zeichnet sich vor allem durch eines aus: Es verschiebt das wohl<br />

austarierte Gleichgewicht zwischen Mietern und Vermietern zulasten<br />

<strong>der</strong> Vermieter.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Ich denke dabei zuerst an die Senkung <strong>der</strong> Kappungsgrenze bei<br />

Mieterhöhungen von 30 % auf 20 %. Das wird die<br />

Investitionsbereitschaft <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft ebenso wenig<br />

beflügeln wie die vorgesehenen Verän<strong>der</strong>ungen bei den<br />

Kündigungsfristen zulasten <strong>der</strong> Vermieter. Diese Regelungen sind ein<br />

völlig falsches Signal. Offensichtlich wollen sich die<br />

Sozialdemokraten mit diesem Gesetzentwurf vor allem gegenüber ihrer<br />

eigenen Basis ganz demonstrativ das soziale Mäntelchen umhängen.<br />

Das mag politisch verständlich sein; denn natürlich hat sich die<br />

SPD, in <strong>der</strong> rauhen Regierungswirklichkeit angekommen, schon von so<br />

manchen sozialen Träumereien verabschieden müssen, weil sie einfach<br />

nicht finanzierbar sind. Umso willkommener ist es dann, wenn man<br />

vermeintliche Sozialpolitik betreiben kann, die einen selbst -<br />

sprich: den Bun<strong>des</strong>haushalt - nichts kostet, denn die Lasten dieser<br />

"Sozialpolitik" tragen schließlich die Vermieter.<br />

Tatsächlich sind die Wirkungen <strong>des</strong> Mietrechtsreformgesetzes alles<br />

an<strong>der</strong>e als sozial. Vermutlich hat man sich we<strong>der</strong> in Bonn noch in<br />

Berlin darüber Gedanken gemacht, dass sich beispielsweise 73 % <strong>der</strong><br />

in Sachsen leer stehenden Wohnungen in Altbauten befinden,<br />

überwiegend in Mehrfamilienhäusern, die vor 1949 gebaut wurden.<br />

Diese vielfach jetzt stadtbildprägenden Altbauten dürfen nicht dem<br />

weiteren Verfall preisgegeben werden. Gerade nach <strong>der</strong> Beschränkung<br />

<strong>der</strong> steuerlichen För<strong>der</strong>instrumentarien für den Mietwohnungsbau -<br />

ich erwähne beispielhaft die Verlängerung <strong>der</strong> Spekulationsfrist,<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>werbssteuer und die Erhöhung <strong>der</strong><br />

steuerlichen Bemessungsgrundlage bei <strong>der</strong> Immobilienbewertung -<br />

werden durch die von <strong>der</strong> rot-grünen Bun<strong>des</strong>regierung vorgesehenen<br />

Mietrechtsän<strong>der</strong>ungen zulasten <strong>der</strong> Eigentümer die notwendigen<br />

Investitionen ausbleiben.


Da hilft es auch nur begrenzt weiter, dass die ursprünglich<br />

beabsichtigte Senkung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage von 11 % auf 9 %<br />

mittlerweile aufgrund <strong>der</strong> massiven Proteste aus Politik und<br />

Wohnungswirtschaft <strong>vom</strong> Tisch ist. Aber immerhin, dies ist ein<br />

erster Teilerfolg.<br />

In einem weiteren Punkt scheint unsere Initiative auch zum Erfolg<br />

zu führen. Es geht darum, zumin<strong>des</strong>t unter bestimmten<br />

Voraussetzungen auch in den neuen Län<strong>der</strong>n eine so genannte<br />

Verwertungskündigung zu ermöglichen. Eine Verwertungskündigung<br />

kommt insbeson<strong>der</strong>e dann in Betracht, wenn ein Mietwohngebäude, das<br />

bereits überwiegend leer steht, <strong>vom</strong> Markt genommen, sprich,<br />

abgerissen werden muss. Der Einigungsvertrag aus dem Jahr 1990 hat<br />

angesichts <strong>der</strong> damaligen Lage auf dem Wohnungsmarkt völlig richtig<br />

Verwertungskündigungen in den neuen Län<strong>der</strong>n ausgeschlossen.<br />

Nunmehr haben wir es aber mit einer gänzlich an<strong>der</strong>en Situation am<br />

Wohnungsmarkt zu tun. Deshalb gibt es gute Gründe, den Ausschluss<br />

von Verwertungskündigungen nicht mehr in jedem Fall<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir sind sehr froh, dass dank <strong>des</strong> intensiven Engagements von<br />

Staatssekretär Dr. Buttolo nunmehr ein Kompromiss mit den an<strong>der</strong>en<br />

neuen Län<strong>der</strong>n erzielt werden konnte. Danach werden<br />

Verwertungskündigungen in den neuen Län<strong>der</strong>n in Wohngebäuden mit<br />

mehr als drei Wohnungen zulässig sein, wenn das Wohngebäude<br />

überwiegend leer steht und wenn auf <strong>der</strong> Basis einer städtebaulichen<br />

Planung <strong>der</strong> Gemeinde vorgesehen ist dieses Gebäude zu beseitigen.<br />

Darüber hinaus sieht die Regelung, die vorgeschlagen wurde, vor,<br />

dass <strong>der</strong> Vermieter verpflichtet wird, dem Mieter einen Wohnraum<br />

vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage<br />

anzubieten. Zudem muss sich <strong>der</strong> Vermieter verpflichten, dem Mieter<br />

die Umzugskosten in angemessenem Umfang zu erstatten.<br />

Ich will nicht verhehlen, dass das sehr enge, ja ängstliche<br />

Bedingungen für die Zulassung <strong>der</strong> in bestimmten Fällen unabdingbar<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Verwertungskündigung sind. Das liegt ganz maßgeblich<br />

daran, dass Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt<br />

die verän<strong>der</strong>te Situation auf dem Wohnungsmarkt lange Zeit gar nicht<br />

wahrhaben wollten. Ich sage aber an dieser Stelle ganz deutlich:<br />

Wir akzeptieren diesen Kompromiss nur <strong>des</strong>halb, weil wir ihn nicht<br />

gänzlich gefährden wollen. Es handelt sich aus sächsischer Sicht um<br />

den kleinsten gemeinsamen Nenner. Wir hoffen, dass sich die<br />

Regelung in <strong>der</strong> Praxis als handhabbar erweisen wird.<br />

Nochmals: In <strong>der</strong> Sache ist es völlig unstrittig, dass <strong>der</strong> Abriss<br />

von Wohnungen, sollte er erfor<strong>der</strong>lich sein, nicht mehr dem<br />

Zufallsprinzip folgen darf, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> Grundlage einer<br />

nachvollziehbaren, sinnvollen städtebaulichen Konzeption zu<br />

erfolgen hat.<br />

Doch ich frage Sie: Was wird mit den Grün<strong>der</strong>zeithäusern mit drei<br />

o<strong>der</strong> weniger Wohnungen, von denen es in Dresden und Leipzig sehr<br />

viele gibt, die jedoch eine sehr große Wohnfläche haben?<br />

Das Mietrechtsreformgesetz bleibt in einem weiteren Punkt ziemlich<br />

unkonkret. Ich meine die beabsichtigte Neuregelung, wonach das


Eintrittsrecht auch für die Personen gelten soll, die mit dem<br />

Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen. Was<br />

ist "auf Dauer angelegt"? Diese Formulierung ist außerordentlich<br />

unpräzise. Ich bin <strong>der</strong> Meinung, dass das Mietrechtsreformgesetz<br />

weiterhin erheblicher Nachbesserungen bedarf.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Unser Antrag weist gerade auch angesichts <strong>des</strong> Paradigmenwechsels in<br />

<strong>der</strong> Wohnungswirtschaft <strong>der</strong> neuen Län<strong>der</strong> den richtigen Weg. Der<br />

Landtag sollte hier und heute gegenüber dem Bund ein eindeutiges<br />

Signal für eine Politik setzen, die gerade in schwierigen Zeiten<br />

Investitionen nicht noch zusätzlich und unnötig erschwert.<br />

Die CDU-Fraktion hat sich bei ihrer Initiative zum<br />

Mietrechtsreformgesetz von dem Gedanken leiten lassen, alles dafür<br />

zu tun, dass die schwierige Situation <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft nicht<br />

noch durch neue Regelungen <strong>des</strong> Mietrechts erschwert wird. Deshalb<br />

möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch etwas ausführlicher auf den<br />

Kurzbericht <strong>der</strong> Leerstandskommission einzugehen.<br />

Wir teilen weitgehend die aus <strong>der</strong> uns zur Verfügung stehenden<br />

Kurzfassung ersichtliche Analyse. Im Hinblick auf die Empfehlungen<br />

<strong>der</strong> Kommission sind wir sehr damit einverstanden, dass die<br />

Kommission auch <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung unmissverständlich deutlich<br />

macht, dass sie sich beim notwendigen Abriss im Sinne einer<br />

Marktbereinigung und einer wünschenswerten Stadtentwicklung nicht<br />

aus <strong>der</strong> Verantwortung stehlen kann. Die klare Artikulation, dass in<br />

den nächsten Jahren 300 000 bis 400 000 leer stehende Wohnungen<br />

abgerissen werden müssen, lässt es nicht mehr zu, sich <strong>der</strong> Aufgabe<br />

zu entziehen. Wir sehen uns damit auch in unseren sächsischen<br />

Initiativen bestätigt. Es kommt jetzt darauf an, dass auch<br />

tatsächlich über zehn Jahre hinweg in Sachsen insgesamt ein Volumen<br />

von jeweils ca. 100 Millionen DM für den Abriss bereitsteht.<br />

Dabei muss man sicherlich über die Aufteilung <strong>der</strong> Finanzierung auf<br />

Bund, Land und Kommune noch genauer sprechen. Die entscheidende<br />

Aussage <strong>der</strong> Kommission zu dieser Herausfor<strong>der</strong>ung lautet: "Geschieht<br />

das nicht jetzt, entstehen für Private wie für die öffentliche Hand<br />

Kosten, die weit über die Kosten <strong>des</strong> Abrissprogramms hinausgehen<br />

werden."<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir begrüßen den Vorschlag <strong>der</strong> Kommission, die Eigenheimzulage für<br />

den Bestandserwerb zu erhöhen. Diese Erhöhung darf jedoch nicht zu<br />

einer erneuten Teilung Deutschlands hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Rahmenbedingungen für die För<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Wohneigentums führen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Der Vorschlag <strong>der</strong> Expertenkommission, im Gegenzug die<br />

Eigenheimzulage in den neuen Län<strong>der</strong>n für den Neubau zu reduzieren,<br />

führt zu einer deutlichen Benachteiligung <strong>der</strong> Ostdeutschen bei <strong>der</strong><br />

Wohneigentumsbildung. Nach wie vor besteht hier ein erheblicher<br />

Nachholbedarf. Dies festzustellen heißt nicht, sich den notwendigen<br />

Schwerpunktsetzungen zugunsten <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> auch im Bereich <strong>der</strong><br />

Eigenheimför<strong>der</strong>ung zu verschließen.


Wir unterstützen die Staatsregierung, das Eigentumsprogramm <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> im kommenden Jahr mit einer klaren Schwerpunktsetzung<br />

zugunsten <strong>des</strong> Bestandserwerbs und seiner Sanierung auszustatten.<br />

Wir begrüßen ganz ausdrücklich den Vorschlag <strong>der</strong> Kommission, dass<br />

die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Gebäude in<br />

Sanierungsgebieten sowie für denkmalgeschützte Gebäude so<br />

abgeän<strong>der</strong>t werden, dass nicht nur <strong>der</strong> Bauherr selbst, son<strong>der</strong>n auch<br />

<strong>der</strong> Ersterwerber diese Abschreibungsmöglichkeiten für die zuvor<br />

erfolgte Sanierung nutzen kann. Diese Än<strong>der</strong>ung ist sachgerecht,<br />

weil nicht in jedem Fall <strong>der</strong> Erwerber einer Wohnung eines<br />

Grün<strong>der</strong>zeithauses auch <strong>der</strong> Bauherr ist. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Im<br />

Regelfall wird ein Bauträger mit seinem Risiko die Sanierung<br />

realisieren und die sanierten Wohnungen anschließend auf den Markt<br />

bringen wollen. Es ist nicht einzusehen, dass die steuerlichen<br />

Abschreibungsmöglichkeiten für den Ersterwerber ungenutzt bleiben<br />

sollen.<br />

Lassen Sie mich ein Fazit ziehen. Es ist schon sehr verwun<strong>der</strong>lich,<br />

wenn eine Kommission mit viel gelobten und ausgewiesenen Experten<br />

nach neunmonatiger Arbeit keinen einheitlich abgestimmten<br />

Abschlussbericht vorlegt. Die Kurzanalyse <strong>der</strong> Expertenkommission<br />

zum Wohnungsleerstand in den neuen Län<strong>der</strong>n zeigt trotz aller<br />

Unzulänglichkeiten und Kritikpunkte, die ich hier benannt habe,<br />

einige sehr nachdenkenswerte Ansätze, die sich zumin<strong>des</strong>t einer<br />

Problemlösung annähern.<br />

Ich kann nur an die Bun<strong>des</strong>regierung appellieren, diesen Bericht<br />

nicht in <strong>der</strong> Versenkung verschwinden zu lassen, son<strong>der</strong>n die nötigen<br />

Konsequenzen zu ziehen und auch beim Mietrechtsreformgesetz die<br />

Investitionsbereitschaft <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft nicht weiter zu<br />

schmälern und <strong>des</strong>halb an den bisher geltenden ausgewogenen Rechten<br />

zwischen Mietern und Vermietern festzuhalten.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

In diesem Sinne bitte ich Sie schon jetzt um Zustimmung zu unserem<br />

Antrag.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die PDS-Fraktion, bitte; Herr Abg.<br />

Weckesser.<br />

Weckesser, PDS: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und<br />

Herren! Sehr geehrte Frau Matthes! Ich bin jetzt nicht so auf eine<br />

rundum wohnungspolitische Erklärung über alle Bereiche und auch<br />

nicht auf die Expertenkommission vorbereitet. Es wäre vielleicht<br />

spannend gewesen. Ich will mich aber im Wesentlichen mit Ihrem<br />

Antrag beschäftigen.<br />

Zum Zweiten noch eine Bemerkung zu Herrn Nitzsche, weil ich vorhin<br />

ein bisschen gestört habe. Sie hatten hier vorn gesagt, dass Sie<br />

nicht reden wollen, son<strong>der</strong>n nur eine Büroklammer suchen. Da keine<br />

da war, wollte ich Ihnen aushelfen. Ich wollte Sie keinesfalls am<br />

Reden hin<strong>der</strong>n, nur Ihnen es ersparen, wenn Sie wirklich nicht<br />

hätten reden wollen. Das war wahrscheinlich ein Irrtum. Macht<br />

nichts, das Angebot steht. Ich helfe auch unhöflichen Menschen.<br />

(Nitzsche, CDU: Danke!)


Zu Ihrem Antrag: Wenn jemand, <strong>der</strong> im Flachland lebt, gutgläubig bei<br />

Ebbe und gutem Wetter die Deiche mit <strong>der</strong> Begründung abreißt, das<br />

Wasser wäre ungefährlich, bekommt er bei Flut min<strong>des</strong>tens nasse<br />

Füße. Es kann aber auch lebensgefährlich werden. Da kann man<br />

vermuten, er ist einfach ein wenig naiv. Lebt er dagegen auf einem<br />

Berg im sicheren Trocknen und tut das Gleiche, liegt die Vermutung<br />

näher, dass ihm seine Mitmenschen im Flachland egal seien, o<strong>der</strong> die<br />

Unterstellung, dass er kaltblütig o<strong>der</strong> bösartig handele. Die will<br />

ich hier gar nicht erst in Erwägung ziehen.<br />

Nun reden wir hier in Sachsen nicht über Probleme von<br />

Küstenbewohnern, son<strong>der</strong>n über das Mietrecht. Trotzdem drängt sich<br />

mir das Bild von den Deichen auf und ich will versuchen Ihnen zu<br />

vermitteln, wie ich darauf komme.<br />

Sie beantragen im Punkt 1 Ihrer Vorlage drei Dinge, die Sie schon<br />

Anfang <strong>des</strong> Jahres wortgleich beantragt und beschlossen haben. Im<br />

Übrigen hat ja nun am 20.10.2000 auch <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>rat in dieser<br />

Angelegenheit befunden. Sie beantragen in Punkt 1, dass die<br />

Staatsregierung sich dafür einsetzen möge, dass die Kappungsgrenze<br />

für Mieterhöhungen innerhalb von drei Jahren bei 30 % bleiben<br />

solle, statt sie auf 20 % abzusenken. Sie wollen weiter, dass die<br />

Umlage <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungskosten bei 11 % pro Jahr bleiben möge,<br />

statt sie auf 9 % abzusenken. Sie hatten es soeben selber gesagt,<br />

dass das mittlerweile <strong>vom</strong> Tisch ist. Sie wollen schließlich die<br />

Kündigungsfristen im Kern für Mieter möglichst lang lassen o<strong>der</strong><br />

machen.<br />

Zu dem dritten Anliegen nur kurz: Wie wollen Sie bei solchen<br />

Kündigungsfristen dann Mobilität und Flexibiltät <strong>der</strong> Menschen,<br />

wovon immer die Rede ist und die die CDU immer wie<strong>der</strong> einfor<strong>der</strong>t,<br />

sichern? Kündigungsfristen von einem halben o<strong>der</strong> ganzen Jahr,<br />

möglichst noch mit einer Nachmieterklausel angereichert, machen<br />

Mobilität für Mieterhaushalte zur Farce, gerade in Krisenregionen<br />

o<strong>der</strong> Strukturumbrüchen, wo es schwierig ist, aus den Verträgen<br />

herauszukommen.<br />

Doch zur Kappungsgrenze für Mieterhöhungen: Denkt man sich einfach<br />

einmal den schlechtesten Fall - um bei meinem Bild von den Deichen<br />

zu bleiben - <strong>der</strong> Flut, so kommen wir bei einer 30-prozentigen<br />

Kappungsgrenze nach zehn Jahren, wenn man sie voll ausnutzt, bei<br />

dem Zweieinhalbfachen <strong>der</strong> Ausgangsmiete an. Selbst bei <strong>der</strong> 20prozentigen<br />

Kappungsgrenze ergibt sich unter diesen Bedingungen<br />

noch das 1,7fache. Setzt man nun für den gleichen Zeitraum die<br />

jährliche allgemeine Teuerungsrate von 2,5 % an, ergibt das in zehn<br />

Jahren nur 28 %. Das heißt, die Lebenshaltungskosten steigen im<br />

Vergleichszeitraum nur auf das 1,3fache. Allerdings muss man da ein<br />

kleines bisschen Exponentialrechnung anwenden, aber es ist nicht so<br />

schwer.<br />

Nun ist nicht immer Sturm und Flut. Das ist klar. Beim Übergang ins<br />

Vergleichsmietensystem - ich erinnere mich lebhaft - wurde die<br />

Staatsregierung hier im Hause nicht müde zu betonen, dass wir keine<br />

Schwarzmalerei betreiben sollten. Die reale Entwicklung bleibt in<br />

<strong>der</strong> Praxis weit hinter <strong>der</strong> schlechtesten Möglichkeit zurück, so<br />

dass also gar keine reale Gefahr besteht. Das war ja richtig und


unter den heutigen Bedingungen eines Überangebotes an Wohnungen und<br />

eines mittlerweile dramatischen Leerstan<strong>des</strong> auch in Sachsen ist das<br />

tatsächlich <strong>der</strong> Fall. Es sind we<strong>der</strong> die 30 % noch die 20 % auch nur<br />

annähernd am Markt durchsetzbar. Insofern ist <strong>der</strong> Streit darum<br />

zurzeit rein symbolischer Natur.<br />

Gerade darum frage ich Sie: Was wollen Sie mit diesen 30 %<br />

eigentlich erreichen? Könnte es vielleicht sein, dass Sie letztlich<br />

doch darauf spekulieren, dass die Vermieter eines hoffentlich<br />

fernen schlechten Tages die 30 % durchsetzen können und nach Ihrem<br />

Willen auch sollen? Ich erwähne nur nebenbei, diese For<strong>der</strong>ung, die<br />

Sie hier aufmachen, hat im Bun<strong>des</strong>rat keine Mehrheit gefunden. Wenn<br />

man sich die Zusammensetzung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates ansieht, ist das schon<br />

spannend.<br />

Zum zweiten Punkt, zur Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage: In den letzten 20<br />

Jahren hat die Zinsentwicklung in <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik nur einmal die<br />

11%-, das war 1981, und nur zweimal die 10%-Marke überschritten,<br />

nämlich 1981 und 1982. Insgesamt lag sie sowohl bei den<br />

fünfjährigen als auch bei den zehnjährigen Krediten im Mittel<br />

dieser 20 Jahre bei rund 7 %. In den letzten fünf Jahren lag sie<br />

bei 5 % bzw. knapp 6 %. Das heißt, da es sich bei Mo<strong>der</strong>nisierungen<br />

immer um eine langfristige Angelegenheit handelt, dass die<br />

Vermieter immer statistisch im grünen Bereich gelegen haben. Sie<br />

konnten Zins und Tilgung aufbringen und noch eine ordentliche<br />

Rendite dazu erreichen.<br />

Nun habe ich überhaupt nichts dagegen, dass Vermieter Gewinn<br />

machen, schließlich haben sie mit <strong>der</strong> Bereitstellung von Wohnraum<br />

eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Aber das Problem liegt<br />

doch darin, dass die Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage, wenn man sich die<br />

Zahlen, die ich soeben genannt habe, noch einmal zurückruft, nach<br />

<strong>der</strong> vollständigen Refinanzierung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung einschließlich<br />

Gewinn für Banken und Vermieter keinesfalls wie<strong>der</strong> auf null<br />

zurückgesetzt wird, son<strong>der</strong>n sie bleibt für alle Ewigkeit<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Miete.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten: Nach <strong>der</strong> vollständigen Abschreibung geht das<br />

eigentliche Verdienen los. Man könnte auch ruhig dazu Abzocken<br />

sagen, kann man doch getrost unterstellen, dass die physische<br />

Lebensdauer eines Wasserhahnes im Mittel weit größer ist als die<br />

Refinanzierungszeit. Die Mieter bezahlen ihn also über die Zeit<br />

gleich mehrfach, bevor er dann tatsächlich einmal ersetzt werden<br />

muss, was dann natürlich zum Teil als Instandhaltung gilt und nicht<br />

erneut mit 11 % umgelegt wird. Das ist klar.<br />

Doch so viel Gebrauchswertverbesserung, dass wenigstens ein Teil<br />

erneut umgelegt werden kann, bringt <strong>der</strong> technische Fortschritt über<br />

einen so langen Zeitraum von - sagen wir einmal - zehn Jahren immer<br />

mit sich. Das heißt, dass sich, wenn man diese Rechnung zugrunde<br />

legt, die Kosten tendenziell immer mehr <strong>vom</strong> Vermieter zum Mieter<br />

verlagern und <strong>der</strong> Gewinn natürlich <strong>vom</strong> Mieter zum Vermieter. Hier<br />

noch von Interessenausgleich und gerechter Balance zwischen Mieter<br />

und Vermieter zu sprechen spricht sowohl dem gesunden<br />

Menschenverstand wie <strong>der</strong> einfachen Mathematik Hohn. Könnte es also<br />

auch hier sein, dass Sie auf Sturmflut spekulieren?


Ganz abgesehen davon, dass die Bun<strong>des</strong>regierung von ihrem aus<br />

unserer Sicht löblichen Vorhaben <strong>der</strong> Absenkung <strong>der</strong> 11 % auf 9 %,<br />

die die Refinanzierung und den Gewinn für Vermieter und Banken<br />

immer noch sichern würde, bereits vier Tage nach Eingangsdatum<br />

Ihres Antrages von diesem Vorhaben abgekommen ist, dass sie, wie<br />

schon so oft, dem schon erwähnten Druck nachgegeben hat.<br />

Nur am Rande noch eine Bemerkung, was diesen erwähnten<br />

Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern betrifft. Sie<br />

berufen sich im Antrag auch darauf. Im Zuge <strong>der</strong> Überarbeitung <strong>des</strong><br />

Mietrechtsentwurfs wurden zirka 40 Wünsche <strong>der</strong> Vermieterverbände im<br />

Text berücksichtigt, aber nur einer <strong>des</strong> Mieterverban<strong>des</strong>. So sieht<br />

die Balance in <strong>der</strong> Realität aus.<br />

Zum Schluss noch zu Ihrem Punkt 2 im Antrag, <strong>der</strong><br />

Verwertungskündigung. Diese Angelegenheit sehen wir genauso wie<br />

Sie; Sie haben uns also an Ihrer Seite, allerdings nur in Bezug auf<br />

die heutige dramatische Lage mit dem Leerstand - und ich sage es<br />

gleich dazu -, in die wir nicht nur wegen DDR-Hinterlassenschaften<br />

gekommen sind. Wir haben diese Situation ebenso einer unter diesen<br />

Bedingungen verfehlten Wohnungsbaupolitik <strong>der</strong> Kohl-Regierung wie<br />

dem Strukturumbruch mit seinen demografischen Folgen in den neuen<br />

Län<strong>der</strong>n zu verdanken.<br />

Nun müssen wir tatsächlich Regelungen für den Osten schaffen, die<br />

eine Korrektur in diesem Punkt ermöglichen. Also muss es auch die<br />

Möglichkeit geben, fast leer stehende Häuser mieterverträglich und<br />

stadtbildverträglich dem teilweisen o<strong>der</strong> vollständigen Abriss<br />

zuführen zu können. Nur, in Anbetracht <strong>der</strong> bereits mehrfach<br />

geäußerten Sorgen: Ich bin mir bei Ihnen im Zweifel o<strong>der</strong> nie so<br />

ganz sicher, ob nicht dieses vernünftige Anliegen wie<strong>der</strong>um nur als<br />

Tarnschild herhalten muss, einen weiteren Deich nie<strong>der</strong>zureißen.<br />

Könnte es nicht sein - und Ihre Worte, Frau Matthes, deuteten ein<br />

bisschen darauf hin -, dass es letztlich doch um Flurbereinigung<br />

und Durchsetzung einseitiger Vermieterinteressen gehen soll? Mein<br />

Misstrauen gründet sich auch auf einen kleinen Nebensatz Ihres<br />

Antrages. Sie wollen die Bun<strong>des</strong>regierung auffor<strong>der</strong>n den<br />

Einigungsvertrag zu än<strong>der</strong>n. Ich bin kein Verfassungsrechtler und<br />

will nicht über die Problematik <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung eines zweiseitigen<br />

Vertrages spekulieren, <strong>des</strong>sen einer Vertragspartner im Laufe <strong>der</strong><br />

Geschichte abhanden gekommen ist. Aber wenn schon, dann müsste das<br />

nach meiner Auffassung eine Initiative <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> sein.<br />

(Beifall <strong>des</strong> Abg. Bartl, PDS)<br />

Nein, das Problem <strong>der</strong> Verwertungskündigung ist auch an<strong>der</strong>s zu<br />

lösen, als Sie das in Ihrem Antrag vorschlagen. Der Bun<strong>des</strong>rat hat<br />

diese vernünftige Regelung in Übereinstimmung mit den ostdeutschen<br />

Län<strong>der</strong>n gefunden. Das halte ich für einen sehr vernünftigen<br />

Vorgang.<br />

Deshalb zum Schluss: Ich denke, Ihr Antrag ist zum Teil erledigt,<br />

zum Teil wohnungspolitisch falsch, zum Teil rechtlich<br />

problematisch. Ziehen Sie ihn zurück!<br />

Noch ein Satz: Mo<strong>der</strong>nisieren Sie mit uns gemeinsam die Deiche, aber<br />

lassen Sie sie bitte stehen! Es könnte sein, es kommt einmal wie<strong>der</strong><br />

eine Flut.


Danke.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von <strong>der</strong> CDU-Fraktion noch<br />

einmal das Wort gewünscht? - Die SPD-Fraktion, bitte. Frau Dr.<br />

Raatz.<br />

Frau Dr. Raatz, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte<br />

Damen und Herren! Über das Leerstandsprogramm werde ich jetzt nicht<br />

reden, Frau Matthes. Das ist eine an<strong>der</strong>e Sache. Aber wenn Sie<br />

darüber Diskussionsbedarf haben, können wir uns gern einmal<br />

austauschen. Ich denke auch nicht, dass die Unterlagen irgendwo im<br />

Schreibtisch verschwinden - dafür sind sie ja nicht gemacht; ich<br />

kann Sie da also beruhigen.<br />

Über die Neuordnung <strong>des</strong> deutschen Mietrechts wird seit geraumer<br />

Zeit diskutiert. Wie auch Herr Weckesser bemerkte, nahm bereits am<br />

29.9. <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>rat zum Entwurf <strong>des</strong> zuständigen Bun<strong>des</strong>ministeriums<br />

Stellung. In dieser Woche erfolgt die 1. Lesung im Bun<strong>des</strong>tag. Sie<br />

kommen also mit Ihrem Antrag als Lan<strong>des</strong>initiative ein bisschen<br />

spät, liebe Kolleginnen und Kollegen von <strong>der</strong> CDU-Fraktion. Aber es<br />

geht Ihnen ja auch nicht darum, in diesem Fall initiativ zu werden,<br />

Sie wollen natürlich die schlimme Mietrechtspolitik <strong>der</strong> rot-grünen<br />

Bun<strong>des</strong>regierung geißeln. Das ist klar. Weil Ihnen in Berlin niemand<br />

mehr zuhört, sollen wenigstens die sächsischen Hausverwalter <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>regierung den Zorn <strong>der</strong> Vermieter noch einmal so richtig<br />

spüren.<br />

(Jurk, SPD: So ist es!)<br />

Aber, meine Damen und Herren, gerade beim Thema Mietrecht blicken<br />

wir sächsischen Sozialdemokraten einer Auseinan<strong>der</strong>setzung sehr<br />

gelassen entgegen und wir befürworten den vorliegenden<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung.<br />

Das Mietrecht bildet bekanntlich den Rahmen für die Verträge<br />

zwischen Vermietern und Mietern. Man muss sagen, dass in Sachsen<br />

<strong>der</strong> durchschnittliche Vermieter Zahnarzt aus Regensburg,<br />

Rechtsanwalt aus Mainz o<strong>der</strong> Steuerberater aus Hamburg ist, jeweils<br />

durch hervorragende Abschreibungsregelungen ins Land gelockt. Der<br />

durchschnittliche Mieter hingegen ist die Rentnerin aus Görlitz,<br />

die Alleinerziehende aus Döbeln, <strong>der</strong> Landtagsangestellte aus<br />

Dresden.<br />

(Wi<strong>der</strong>spruch <strong>des</strong> Abg. Dr. Jahr, CDU)<br />

- Ich habe Ihren Einwurf jetzt lei<strong>der</strong> nicht verstanden. Wenn es<br />

etwas Sinnvolles war, können Sie es gern noch einmal wie<strong>der</strong>holen.<br />

Ich kann diesen Zustand auch quantifizieren. Sachsen ist <strong>der</strong><br />

einzige deutsche Flächenstaat, in dem die Eigentumsquote unter 30 %<br />

liegt. 1998 lag diese Quote bei 28,7 %. Nur zum Vergleich: In<br />

Brandenburg sind es 35,5 %, in Bayern 47,6 % und in Rheinland-Pfalz<br />

55 %. Dieser Makel <strong>des</strong> Schlusslichts liegt aber diesmal nicht in<br />

<strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> CDU-Staatsregierung begründet, son<strong>der</strong>n vielmehr in<br />

<strong>der</strong> sächsischen Siedlungsstruktur sowie den Nachwirkungen <strong>der</strong> DDR-<br />

Zeit. In einem Satz: Es gibt hierzulande überproportional viel<br />

Stadtbevölkerung und die Bildung von Wohneigentum war 40 Jahre lang<br />

bei weitem nicht so einfach wie im Westen.


Wenn ich nun weiß, dass über 70 % <strong>der</strong> Sachsen Mieter sind, dann<br />

freue ich mich mit diesen Mietern darüber, dass die Kappungsgrenze<br />

für Mieterhöhungen von 30 auf 20 % verringert wird. "Rot-Grün tut<br />

etwas für die Mieter", titelte die "Morgenpost" unlängst in diesem<br />

Zusammenhang und sie hat Recht. Sicherlich folgt die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung mit <strong>der</strong> in dem Entwurf <strong>des</strong><br />

Mietrechtsneuordnungsgesetzes eingebauten Asymmetrie bei den<br />

Kündigungsfristen nur den Appellen <strong>des</strong> Herrn Ministerpräsidenten<br />

Biedenkopf, <strong>der</strong> uns alle immer wie<strong>der</strong> darauf hinweist, dass sich<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer <strong>der</strong> Zukunft zuvor<strong>der</strong>st durch eine grenzenlose<br />

Flexibilität auszuzeichnen hat. Für den Klempner, <strong>der</strong> am Donnerstag<br />

in Niesky arbeitslos wird und schon am Dienstag darauf einen Job in<br />

Zwickau antreten will, sobald er einen Arbeitsplatz hat, für solch<br />

einen Arbeitnehmer ist eine Wohnung mit einem Jahr Kündigungsfrist<br />

eine schwere Hypothek. Alle Überspitzungen beiseite - kürzere<br />

Kündigungsfristen für Mieter sind ein Gebot <strong>der</strong> Stunde.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Etwas an<strong>der</strong>s verhält es sich bei <strong>der</strong> eingangs <strong>der</strong> Diskussion<br />

geplanten Absenkung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage. Speziell wir<br />

wohnungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher <strong>der</strong> SPD-Fraktionen<br />

<strong>der</strong> ostdeutschen Län<strong>der</strong> haben beim letzten Treffen mit dem<br />

zuständigen Staatssekretär im Bun<strong>des</strong>ministerium einmütig gefor<strong>der</strong>t,<br />

auf die Absenkung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage zu verzichten. Wir sind<br />

froh, dass unserem Ansinnen offenbar gefolgt wurde. In <strong>der</strong><br />

sachlichen Abwägung <strong>der</strong> Vor- und Nachteile einer solchen Regelung<br />

schienen uns die Gefahren angesichts <strong>des</strong> nach wie vor riesigen<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsbedarfs im Altbaubestand zu groß, obgleich am Ende<br />

ohnehin die spezielle Marktsituation entscheidet, was umgelegt<br />

werden kann.<br />

Bezüglich <strong>des</strong> Ausschlusses <strong>der</strong> Verwertungskündigung wäre zu sagen,<br />

dass <strong>der</strong> aktuelle Gesetzentwurf noch keine konkrete Regelung<br />

enthält. Wir glauben aber, dass in <strong>der</strong> Sache ein Kompromiss<br />

gefunden wird, <strong>der</strong> irgendwo in <strong>der</strong> Mitte liegt. Eine Einigung ist<br />

zu erwarten.<br />

Lassen Sie mich zusammenfassen. Eine verantwortungsvolle<br />

Wohnungspolitik hat dafür zu sorgen, dass eine Ausgewogenheit<br />

zwischen den Interessen <strong>der</strong> Mieter und Vermieter erhalten bleibt.<br />

Dies ist im Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung zweifelsfrei <strong>der</strong><br />

Fall.<br />

(Dr. Jahr, CDU: Das ist falsch!)<br />

Dass sich eine sozialdemokratische Bun<strong>des</strong>regierung, wohlgemerkt<br />

innerhalb eines überaus engen Rahmens, tendenziell ein kleines<br />

Stück auf die Seite <strong>der</strong> Mieter schlägt, das ist unter<br />

sozialdemokratischer Sicht absolut richtig. Für die Sachsen, das<br />

Volk <strong>der</strong> Reisenden und Mieter in Deutschland - vielleicht hat das<br />

eine sogar mit dem an<strong>der</strong>en zu tun -, ist eine solche Mietpolitik,<br />

eine solche Bun<strong>des</strong>regierung ein wahrer Segen.<br />

Danke.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Wird von den Abgeordneten noch das<br />

Wort gewünscht? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Ich frage die


Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. - Herr Minister Kolbe,<br />

bitte.<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz: Frau Präsidentin! Sehr geehrte<br />

Damen und Herren Abgeodnete! Es war einmal eine<br />

Bun<strong>des</strong>justizministerin, Frau Hertha Däubler-Gmelin, die regierte<br />

anno 2000 mit in Berlin und meinte, weil sie regiert und weil wir<br />

das Jahr 2000 haben, müsse alles reformiert werden, angefangen beim<br />

Zivilprozessrecht, obwohl fast alle Richter und Staatsanwälte das<br />

unisono ablehnen. Gerade war ich im Oberlan<strong>des</strong>gericht und habe das<br />

erlebt. Beim Strafprozessrecht ist es ähnlich und auch im Mietrecht<br />

meint sie, Zeiten grundlegen<strong>der</strong> Reformen seien angebrochen, und<br />

dies, obwohl die Lage in <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft gänzlich an<strong>der</strong>s<br />

aussieht.<br />

Wir haben ein dramatisches Leerstandsproblem. Wir haben einen<br />

reinen Mietermarkt, wie wir ihn in Sachsen noch nie in unserer<br />

Geschichte hatten. Das sei auch einmal den Sozialisten aller<br />

Couleur gesagt: Die soziale Marktwirtschaft hat die<br />

Wohnungsproblematik gelöst; es gibt ausreichend Wohnraum.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU - Zuruf <strong>des</strong> Abg. Dr. Kunckel, SPD)<br />

Es gibt sogar zu viel Wohnraum, wir haben mit Leerständen zu<br />

kämpfen. Aber das ist immer noch besser als Wohnungsmangel. Den<br />

gibt es nicht mehr.<br />

Der Leerstand sieht dramatisch aus. Eine Million Wohnungen stehen<br />

im Osten leer, 400 000 in Sachsen. In Chemnitz stehen 25 % <strong>der</strong><br />

Wohnungen leer, in Leipzig 20 %, in Dresden 15 %. Also für eine<br />

grundlegende Mietrechtsreform und für grundlegende Verbesserungen<br />

zugunsten angeblich benachteiligter Mieter, glaube ich, besteht<br />

<strong>der</strong>zeit kein Anlass.<br />

Frau Raatz, Sie haben gesagt, die SPD befürworte den<br />

Regierungsentwurf. Ja, welchen Entwurf meinen Sie denn? Von diesem<br />

Regierungsentwurf ist nämlich so gut wie nichts mehr übrig<br />

geblieben, wenn Sie einmal die Kernpunkte durchgehen.<br />

Kappungsgrenze: Die Absenkung von 30 auf 20 % ist noch geblieben.<br />

Aber Sie haben selber gesagt, dass das im Augenblick leer läuft.<br />

Die Absenkung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsumlage haben Sie auf Druck aller<br />

sachkundigen Verbände aus Ihrem Gesetz herausgenommen.<br />

Die asymmetrischen Kündigungsfristen haben Sie weitgehend wie<strong>der</strong><br />

beseitigt.<br />

Geblieben ist noch die Erweiterung <strong>des</strong> Eintrittsrechts beim Tod<br />

eines Mieters. Das ist jetzt jedem auf Dauer angelegten Haushalt<br />

möglich. Damit ist das praktisch ein willkürliches, beliebiges<br />

Eintrittsrecht. Ob das mit <strong>der</strong> Eigentumsgarantie <strong>des</strong> Grundgesetzes<br />

vereinbar ist, dahinter möchte ich einmal ein Fragezeichen setzen.<br />

Geblieben ist noch <strong>der</strong> Disput um die Verwertungskündigung, ein<br />

Problem, das uns im Osten insbeson<strong>der</strong>e wegen <strong>der</strong><br />

existenzbedrohenden Leerstandsproblematik interessiert. Denn ein<br />

wichtiger Ansatzpunkt für eine Lösung <strong>der</strong> Leerstandsproblematik<br />

liegt doch darin, dass <strong>der</strong> Vermieter durch Kündigung auch die<br />

Möglichkeit erhält, ein Gebäude, das überwiegend leer steht,<br />

vollständig zu räumen. Die Beseitigung ist doch lei<strong>der</strong> in vielen


Fällen die einzige wirtschaftlich noch sinnvolle und verkraftbare<br />

Maßnahme.<br />

Was wurde auf diesem Gebiet erreicht? Der Freistaat Sachsen - CDU-<br />

Fraktion und Staatsregierung - ist hier initiativ geworden und <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>rat hat am 20. Oktober folgende Stellungnahme abgegeben:<br />

"Eine Verwertungskündigung ist dann erlaubt, wenn das Gebäude<br />

überwiegend leer steht und entsprechend einer von <strong>der</strong> Gemeinde<br />

beschlossenen städtebaulichen Planung teilweise o<strong>der</strong> vollständig<br />

beseitigt werden soll. Um die Sozialverträglichkeit herzustellen,<br />

hat <strong>der</strong> Vermieter dem Mieter vergleichbaren Wohnraum nachzuweisen<br />

und sich zu verpflichten, die Umzugskosten zu tragen."<br />

Das ist ein Kompromiss. In einem Kompromiss müssen beide Seiten<br />

nachgeben und die Gegenäußerung <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung <strong>vom</strong> 8. November<br />

2000 hat bereits signalisiert, dass sie diesem Anliegen Sachsens<br />

Rechnung tragen wird.<br />

Sachsen - ich sage noch einmal, Fraktion und Staatsregierung - hat<br />

also das Schlimmste für die Wohnungswirtschaft verhin<strong>der</strong>t, hat dazu<br />

beigetragen, dass wir die Leerstandsproblematik zumin<strong>des</strong>t angehen<br />

können. Vom Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung, <strong>vom</strong> Gesetzentwurf<br />

<strong>der</strong> Frau Hertha Däubler-Gmelin ist wahrlich nicht mehr viel übrig<br />

geblieben. Er war auch überflüssig.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Das Schlusswort hat die CDU-<br />

Fraktion. - Es wird nicht mehr gewünscht.<br />

Dann stelle ich nun die Drucksache 3/2259 zur Abstimmung und bitte<br />

bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält<br />

sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei einer großen Anzahl von Stimmen dagegen ist<br />

<strong>der</strong> Antrag dennoch mehrheitlich angenommen worden.<br />

Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 12<br />

- Haltung und Konzept <strong>der</strong> Sächsischen Staatsregierung zur<br />

Zurückdrängung <strong>des</strong> Rechtsextremismus<br />

Drucksache 3/2461, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, mit Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

- Für Menschlichkeit und Toleranz, gegen Hass und Gewalt<br />

Drucksache 3/3025, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD<br />

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: PDS, CDU, SPD, CDU<br />

und die Staatsregierung, wenn gewünscht.<br />

Ich erteile nun <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS das Wort. Herr Abg. Bartl,<br />

bitte.<br />

Bartl, PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren! Zum aktuellen Stellenwert <strong>der</strong> mit diesem Berichtsantrag <strong>der</strong><br />

Fraktion <strong>der</strong> PDS in das Plenum eingebrachten Problematik bedarf es<br />

nicht vieler Worte. Es ist durch nichts indiziert, dass die Fragen<br />

<strong>der</strong> Zurückdrängung <strong>des</strong> Rechtsextremismus und im Beson<strong>der</strong>en seiner<br />

militanten Erscheinungsformen, die Fragen <strong>der</strong> notwendigen<br />

gesellschaftlichen Debatte über Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und<br />

Antisemetismus eine politisch konjunkturelle Aufgabe sind.<br />

Die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland und in ihr <strong>der</strong> Freistaat Sachsen<br />

sehen sich <strong>der</strong> internationalen Erwartung ausgesetzt, mit diesem


Problem, das nicht zu Unrecht als aus <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

kommend beschrieben wird, ebenso prinzipiell wie verantwortungsvoll<br />

umzugehen.<br />

Wir bedanken uns bei <strong>der</strong> Staatsregierung für die in diesem Maßstab<br />

durchaus substanzielle Stellungnahme, die sowohl die Bereitschaft<br />

als auch den Willen erkennen lässt, aktuelle Auswüchse einer<br />

Ideologie und einer Geisteshaltung zu bekämpfen, die in einem<br />

demokratisch verfassten Gemeinwesen schlicht nicht hinnehmbar sind.<br />

So vielfältig die Ursachen und Erscheinungsformen <strong>des</strong><br />

Rechtsextremismus, <strong>des</strong> Rassismus, <strong>des</strong> Antisemitismus und <strong>der</strong><br />

Fremdenfeindlichkeit im heutigen Tagesgeschehen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland sind, so breit gefächert sind auch die im Disput<br />

stehenden Erwägungen, wie dieser Situation, diesem<br />

gesellschaftlichen Übel beizukommen ist.<br />

Wir reden daher nicht gegen hier vorgetragene konzeptionelle<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Staatsregierung, wir erlauben uns, vor dem Hohen<br />

Haus unsere eigenen Überlegungen hinzuzufügen und um die<br />

Möglichkeit einer längerfristig angelegten Debatte hierüber zu<br />

bitten.<br />

Aus unserer Sicht gehört es jetzt zu den Geboten <strong>des</strong> gemeinsamen,<br />

über tradierte Parteigrenzen hinweg zu verantwortenden Handelns all<br />

<strong>der</strong>er, die ihre Politik jedenfalls in den Grenzen dieses<br />

Verfassungsstaates artikulieren und würdigen wollen, ein dieses<br />

Gemeinwesen sensibilisieren<strong>des</strong> und motivieren<strong>des</strong> Konzept für eine<br />

von gemeinsamer Verantwortung geprägte Aktion zu entwickeln.<br />

Unsere Fraktion sieht in Anlehnung an einen entsprechenden Antrag<br />

<strong>der</strong> PDS-Fraktion im Deutschen Bun<strong>des</strong>tag <strong>der</strong> 14. Wahlperiode<br />

folgende relevante Handlungsverantwortungen für die Parlamente auf<br />

Bun<strong>des</strong>- und Lan<strong>des</strong>ebene:<br />

Erstens geht es um eine wesentlich verstärkte Aufklärungsarbeit<br />

gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. In diesem<br />

Sinne wird es im Zuge <strong>der</strong> bevorstehenden Haushaltsdebatte auch zu<br />

bedenken sein, ob die für die Lan<strong>des</strong>zentrale für politische Bildung<br />

eingestellten Mittel ausreichend sind, um eine <strong>der</strong> Bedeutung <strong>des</strong><br />

Problems angemessene intensive Informationskampagne zu<br />

gewährleisten, die mit Broschüren, Faltblättern und an<strong>der</strong>en<br />

Informationsmaterialien antisemitische, rechtsextremistische und<br />

fremdenfeindliche Bestrebungen und Organisationen durch Wi<strong>der</strong>legung<br />

<strong>der</strong> für diese typischen Erklärungsmuster und Propagandalügen<br />

zurückzudrängen sucht.<br />

(Unruhe - Glocke <strong>des</strong> Präsidenten)<br />

Wir sehen, um das rundheraus zu sagen, eine hohe Verantwortung <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>zentrale für politische Bildung, die sich eben dieser<br />

Problematik zuwenden und dabei die enge Zusammenarbeit mit allen<br />

gesellschaftlichen Organisationen und Verbänden wie auch mit<br />

Gewerkschaften, Kirchen, Sportverbänden, Organisationen <strong>der</strong><br />

Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge selbst suchen sollte.<br />

Wir meinen auch, dass über neue Formen <strong>der</strong> Verbesserung, Ausweitung<br />

und Systematisierung <strong>der</strong> Aufklärungsarbeit <strong>der</strong>gestalt nachgedacht<br />

werden muss, dass auf Bun<strong>des</strong>- und Lan<strong>des</strong>ebene etwa<br />

Beobachtungsstellen für antisemitische, rassistische und


fremdenfeindliche Bestrebungen geschaffen werden, die - ähnlich wie<br />

die europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit in Wien -, mit entsprechend angemessenen<br />

personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet, rassistische,<br />

fremdenfeindliche und antisemitische Aktivitäten und Gewalttaten,<br />

ihre ideologischen und organisatorischen Hintergründe erfasst,<br />

auswertet und darüber <strong>der</strong> Öffentlichkeit berichtet.<br />

Dies zu leisten scheint das Lan<strong>des</strong>amt für Verfassungsschutz, wie<br />

immer man zu diesem und <strong>des</strong>sen in <strong>der</strong> Stellungnahme <strong>der</strong><br />

Staatsregierung eingehend reflektierten einschlägigen Initiativen<br />

stehen mag, von <strong>der</strong> Anlage seiner Tätigkeit und seiner<br />

Verfassungsaufgabe her nur bedingt geeignet.<br />

Geboten ist auch eine Verstärkung <strong>der</strong> Forschungsarbeit und <strong>der</strong><br />

Lehrtätigkeit an den sächsischen Universitäten und Hochschulen.<br />

Hier darf <strong>vom</strong> Landtag durchaus erwartet werden, dass er<br />

entsprechende Impulse gegenüber den Wissenschaftseinrichtungen im<br />

Freistaat auslöst, die diesen Veranlassung sind, soweit nicht schon<br />

angedacht und vorhanden, eigene Konzepte zur Erforschung,<br />

Erörterung und Begegnung auf diese Erscheinungsformen<br />

rechtsradikaler und rassistischer Ideologien zu entwickeln.<br />

Zweitens. Es bedarf komplexer Maßnahmen zum besseren Schutz <strong>der</strong><br />

Opfer rassistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Gewalt.<br />

Bislang verläuft die Debatte, wo sie im Gange ist, noch zu<br />

täterzentriert. Die Opfer rechtsextremistischer Gewalt werden - so<br />

jedenfalls unser Eindruck - nach <strong>der</strong> teilweisen medialen Reflexion<br />

ihres Schicksals bis heute weitgehend allein gelassen. Das beginnt<br />

damit, dass die Regulierung ihnen entstandener gesundheitlicher,<br />

sächlicher und finanzieller Schäden, die ihnen durch rechtsextreme<br />

Gewalt zugefügt wurden, auf dem gleichen langwierigen und<br />

komplizierten Weg in Angriff genommen werden muss - und von den<br />

Betroffenen eben weitgehend allein - wie von Opfern rechtswidriger<br />

Handlungen in an<strong>der</strong>en Zusammenhängen auch.<br />

Die Überlegungen <strong>der</strong> Staatsregierung - die diese heute<br />

gegebenenfalls in <strong>der</strong> Debatte noch vertiefen kann - bezüglich<br />

besserer zivilrechtlicher Möglichkeiten zum Opferschutz erachten<br />

wir durchaus für interessant. Wir übersehen aber auch nicht, wie<br />

schwer es für Betroffene selbst ist, in den außergerichtlichen und<br />

prozessualen Formen <strong>der</strong> Geltendmachung von Schadenersatz und<br />

Schmerzensgeldansprüchen wie<strong>der</strong>um die Konfrontation mit den Tätern<br />

selbst zu suchen.<br />

Wir haben auch zu bedenken, dass Opfer rechtsextremer Gewalt<br />

vielfach und vor allem Migrantinnen und Migranten sind bzw.<br />

Flüchtlinge. Rechtsextreme Täter wollen mit ihren Gewalttaten gegen<br />

diese Menschen gerade auch Vertreibungsdruck entwickeln. Nach<br />

unserer Überzeugung muss die Gesellschaft ihnen damit begegnen,<br />

dass ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Opfer<br />

rechtsextremistischer Gewalt geworden sind, ein vorrangiges<br />

Bleiberecht zugestanden wird. Dies wäre jedenfalls ein Signal für<br />

die rechtsextremistische Szene, dass sie mit ihren Angriffen auf<br />

diese Menschen genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie<br />

bezweckt.


Wir meinen auch, dass dieses Hohe Haus die Staatsregierung bitten<br />

sollte, gegenüber <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung initiativ zu werden, dass das<br />

Opferentschädigungsgesetz dahin gehend geän<strong>der</strong>t wird, dass<br />

letztlich alle Opfer rechtsextremer und fremdenfeindlich<br />

motivierter Gewalt- und Straftaten in den Kreis <strong>der</strong><br />

Anspruchsberechtigten aufgenommen werden.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Nicht weniger gilt es, Mitmenschen unter uns, die Opfern von<br />

Gewalttaten zu Hilfe kommen, generell - sachlich wie rechtlich -<br />

besser abzusichern. Durch den Staat sollten ihnen Sachschäden<br />

unverzüglich ersetzt und Entschädigungen für erlittene<br />

Gesundheitsschäden großzügig gewährt werden. Der Staat hat dann<br />

selbstverständlich das Recht und die Pflicht, seinen Ersatzanspruch<br />

gegenüber dem Verursacher, dem Täter, unnachgiebig einzufor<strong>der</strong>n.<br />

Wir meinen auch, dass <strong>der</strong> Freistaat Sachsen, dass dieses Hohe Haus<br />

überlegen sollten, ob es nicht - und sei es <strong>der</strong> Symbolhaftigkeit<br />

halber - spezielle staatliche Auszeichnungen geben sollte, die<br />

gerade selbstlosen Einsatz von Menschen zur Unterbindung<br />

extremistischer Gewalt gegen an<strong>der</strong>e öffentlich ehren.<br />

Drittens. Wir bitten, dass es auch im Sächsischen Landtag und von<br />

diesem ausgehend möglich wird, in Sachsen breite Bündnisse für<br />

Zivilcourage und gegen Rechtsextremismus zu schaffen.<br />

Wenn irgendwo <strong>der</strong> Begriff einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe<br />

angemessen erscheint, dann zweifellos gerade auch hier, wo es um<br />

das Zurückdrängen und Bekämpfen von Rassismus, Antisemitismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit geht. In diesem Bemühen um breite Bündnisse<br />

müssen sehr wohl - ohnehin nicht berechtigte - parteipolitische<br />

Vorbehalte gegenüber schon bestehenden antifaschistischen<br />

Bündnissen überwunden werden. Bestehende Bündnisse gegen<br />

rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Gewalt sollten<br />

quasi ohne Ansehen eines parteipolitischen Ansatzes ideell und<br />

materiell unterstützt und geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Eine nicht unerhebliche Verantwortung in diesem Zusammenhang <strong>der</strong><br />

breiten gesellschaftlichen Front und Zivilcourage gegen<br />

Rechtsextremismus kommt auch <strong>der</strong> sächsischen Wirtschaft, dem<br />

sächsischen Handwerk, dem Handel und sonstigen wirtschaftlichen<br />

Strukturen im Freistaat zu. Uns hat beispielsweise beeindruckt, mit<br />

welcher Wirkung sich zwei <strong>der</strong> größten Einkaufszentren in Chemnitz,<br />

das Vita-Center und <strong>der</strong> Einkaufsmarkt Sachsenallee, mit den<br />

Managern dieser Einrichtungen an <strong>der</strong> Spitze im Spätsommer dieses<br />

Jahres mit einer höchst öffentlichen und höchst bekennenden<br />

Unterschriftenaktion gegen Fremdenhass, Gewalt und<br />

Auslän<strong>der</strong>feindlichkeit an ihre Kunden wandten.<br />

Viertens. In beson<strong>der</strong>er Verantwortung steht <strong>der</strong> Landtag in<br />

Begegnung auf rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche<br />

Ideologie und Gewalt hinsichtlich <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung demokratischer<br />

Jugendkultur und von Alternativen durch Jugendarbeit.<br />

Es ist an dieser Stelle eher visionär darauf zu verweisen, wie viel<br />

in Begegnung auf die Erscheinung von Extremismus und Gewalt von<br />

sozialen Arbeits-, Bildungs- und Lebensverhältnissen abhängt, die<br />

immer mehr Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen ein Aufwachsen in persönlicher


und materieller Sicherheit und die Chance <strong>der</strong> Selbstverwirklichung<br />

gewährleisten.<br />

Beispiele jugendpolitischer Aktivitäten, die die Staatsregierung in<br />

ihrer Stellungnahme aufzeigt und gewissermaßen regional bezeichnet,<br />

sind noch zu vereinzelt. Sie müssen viel stärker verallgemeinert<br />

werden. Es geht darum, dass erheblich mehr Mittel in demokratische<br />

Jugendprogramme fließen. Es geht um die stärkere Unterstützung<br />

antifaschistischer Jugendgruppen, die Entwicklung von<br />

Modellprojekten <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Kommunen, auch abseits <strong>der</strong> so<br />

genannten akzeptierenden Sozialarbeit mit rechtsextremistischen<br />

Jugendlichen. Es geht um geför<strong>der</strong>ten Jugendaustausch und<br />

internationale Jugendbegegnungen in viel stärkerem Maße, um<br />

emanzipatorische Jugendarbeit, um die För<strong>der</strong>ung von Projekten in<br />

den Bereichen Sport, Berufsausbildung, Persönlichkeitsentwicklung,<br />

die einen reflektierten Umgang mit männlichen Rollen suchen, und<br />

die Entwicklung einer gemeinschaftsorientierten sozialen<br />

Persönlichkeit.<br />

Solche Projekte müssen durch die Bereitstellung von Evaluations-<br />

und Vernetzungsmitteln beschleunigt werden. In jedem Fachbereich<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung, insbeson<strong>der</strong>e im Kultusbereich, müssen<br />

spezielle, auf die Adressaten zugeschnittene Projekte entwickelt<br />

werden, die die Erfahrungen <strong>des</strong> Zusammenlebens in Demokratie und<br />

Toleranz für Jugendliche erlebbar machen. In <strong>der</strong> hier<br />

gegenständlichen, für das Selbstverständnis unseres Gemeinwesens so<br />

wesentlichen Debatte muss es mehr denn je eine Öffnung <strong>der</strong> Schule<br />

in die Gesellschaft geben.<br />

Fünftens. Die Abwehr und Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit kommt ohne den Einsatz wohl erwogener<br />

repressiver und rechtlicher Mittel und Instrumentarien nicht aus.<br />

Als wir den zu 2. beinhalteten Berichtsantrag stellten, Anfang<br />

September nämlich, stand die Meinungsbildung zu einem Verbot <strong>der</strong><br />

NPD noch weithin am Anfang. Inzwischen sind Entscheidungen vor<br />

allem auch auf <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>ebene getroffen bzw. angearbeitet worden.<br />

In <strong>der</strong> PDS gibt es - nicht zur Legitimität, wohl aber zur<br />

Zweckmäßigkeit und Zielführung eines NPD-Verbotes - nicht weniger<br />

ambivalente und im Wi<strong>der</strong>streit stehende Debatten als in an<strong>der</strong>en<br />

demokratischen Parteien. Nach unserer Überzeugung greift ein Antrag<br />

auf Verbot <strong>der</strong> NPD in jedem Fall insoweit zu kurz, als dass er<br />

letztlich kein Problem löst.<br />

Wir meinen, dass <strong>der</strong> richtige Ansatz darin zu sehen wäre - etwa wie<br />

auch von <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei vorgeschlagen -, in das<br />

Grundgesetz und bezogen auf unseren Verantwortungsbereich in die<br />

Sächsische Verfassung eine Bestimmung aufzunehmen, die jeden<br />

Versuch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>belebung <strong>des</strong> Nationalsozialismus als<br />

verfassungsfeindlich einstuft und unter entsprechendem<br />

Strafvorbehalt verbietet,<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

etwa gleich <strong>der</strong> Regelung im Artikel 26 <strong>des</strong> Grundgesetzes betreffend<br />

das Verbot friedensstören<strong>der</strong> Handlungen.<br />

Was die geistigen und körperlichen Träger <strong>der</strong> Gewalt gegen Fremde,<br />

<strong>der</strong> Gewalt gegen an<strong>der</strong>s Lebende, an<strong>der</strong>s Denkende, an<strong>der</strong>s


Aussehende, gegen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und gegen Menschen in<br />

komplizierten sozialen Lebenslagen, Obdachlose etwa, tun, ist<br />

flagranter Angriff auf die Würde <strong>des</strong> Menschen, auf ihre<br />

Unantastbarkeit und ihre Unteilbarkeit. Es ist dies <strong>der</strong> frontale<br />

Angriff auf ein Grundrecht, das als oberster Wert aus gutem Grund<br />

am Anfang, im Artikel 1, <strong>des</strong> Grundgesetzes <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland steht.<br />

Deshalb meinen wir, dass eine Regelung im Verfassungsrang geboten<br />

ist, die klarstellt, dass Handlungen, die aus rassistischen,<br />

antisemitischen und fremdenfeindlichen Ideologien und<br />

Politikansätzen heraus Gewalt in Wort und Tat verherrlichen o<strong>der</strong><br />

rechtfertigen, von vornherein als verfassungswidrig und strafbar<br />

gelten.<br />

Dem müssen wir dann auch logischerweise entsprechend<br />

einfachgesetzliche Normen im materiellen Strafrecht folgen lassen.<br />

Als einen ersten notwendigen Schritt sehen wir dabei, wie etwa mit<br />

dem Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS im Deutschen Bun<strong>des</strong>tag<br />

verfolgt, durch Hinzufügen eines § 86 Buchstabe b zum<br />

Strafgesetzbuch, die Verherrlichung verbotener<br />

nationalsozialistischer Organisationen generell mit empfindlichen<br />

Strafen zu bedrohen. Und es ist schon ein Anachronismus, wenn<br />

<strong>der</strong>zeit die Gerichte in Deutschland, im Freistaat Sachsen bei<br />

Losungen von Neonazis wie "Ruhm und Ehre <strong>der</strong> Waffen-SS" in<br />

Erörterung <strong>der</strong> vorhandenen Rechtsbestimmungen keine<br />

Verfolgungsmöglichkeit sehen.<br />

Sechstens schließlich, aber bei weitem nicht letztens.<br />

Rechtsextremismus bekämpfen heißt auch, fremdenfeindliche Gesetze<br />

und Bestimmungen aufzuheben auf Bun<strong>des</strong>- wie auf Lan<strong>des</strong>ebene. Wir<br />

erachten einen Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Migrations- und Asylpolitik<br />

für erfor<strong>der</strong>lich hin zu einer demokratischen Flüchtlings- und<br />

Asylpolitik, die die Menschenrechte eines jeden Menschen schützt,<br />

anerkennt und entsprechend för<strong>der</strong>t.<br />

Wir bitten ehrlich, über all diese Erwägungen in diesem Hohen Hause<br />

heute und in den nächsten Monaten konstruktiv und ohne<br />

Behauptungsanspruch reden zu können. Allein das wäre ein hoch zu<br />

schätzen<strong>der</strong> Impuls für die notwendige verantwortungsvolle<br />

öffentliche Debatte über militanten Rechtsextremismus auch in<br />

Sachsen.<br />

Die Annahme <strong>des</strong> von <strong>der</strong> SPD heute vorgelegten Antrages "Für<br />

Menschlichkeit und Toleranz, gegen Hass und Gewalt" wäre es<br />

gleichermaßen in hohem Maßstab.<br />

Danke.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Das Wort hat die Fraktion <strong>der</strong> CDU. Wird das Wort<br />

gewünscht? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann die Fraktion <strong>der</strong> SPD.<br />

(Jurk, SPD: Noch nicht!)<br />

Auch nicht.<br />

Erklärung <strong>des</strong> Abgeordneten zu Protokoll<br />

Adamczyk, PDS: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Abgeordnete! Entgegen <strong>der</strong> Erwartung einiger, dass ich heute eine<br />

Brandrede gegen die Staatsregierung halte, muss ich Sie


enttäuschen. Ich habe mir die Worte <strong>der</strong> jetzigen<br />

Gleichstellungsministerin Frau Weber zu Eigen gemacht, als sie<br />

sinngemäß meinte: Warum müssen wir immer nur meckern?<br />

Wir halten den Antrag unserer Fraktion denn auch für wenig geeignet<br />

uns gegenseitige Schuld zuzuweisen o<strong>der</strong> symbolisch aufeinan<strong>der</strong><br />

einzuschlagen. Dennoch gestatten Sie mir, meine Damen und Herren<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung, unsere Probleme darzustellen.<br />

Hakenkreuzschmierereien und an<strong>der</strong>e Propagandadelikte an<br />

Gedenkstätten und an sehr vielen öffentlichen Straßen und Plätzen,<br />

Brandanschläge auf Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte, Kirchen<br />

und auf Zentren für Jugendliche, geschändete jüdische Friedhöfe ...<br />

sind u. a. auch ein Zeichen für das gesellschaftliche Klima in <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>republik und auch in Sachsen. Die Opfer <strong>der</strong> Gewalt:<br />

Auslän<strong>der</strong>Innen, Menschen schwarzer Hautfarbe, Menschen jüdischer<br />

Herkunft, Obdachlose, Punks, Behin<strong>der</strong>te, AntifaschistInnen, Linke,<br />

Homosexuelle.<br />

Die im Beson<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Öffentlichkeit agierenden und wirkenden<br />

neofaschistischen Parteien DVU, die Republikaner und NPD zeichnen<br />

sich aus durch aggressiven Rassismus, durch antisemitische<br />

Anspielungen und durch Nationalismus. Sie leugnen o<strong>der</strong> verharmlosen<br />

die deutsche Kriegsschuld und den Holocaust und sie for<strong>der</strong>n ein<br />

"Deutschland in den Grenzen von 1937".<br />

Dabei kommt <strong>der</strong> NPD hier in Sachsen eine beson<strong>der</strong>e Rolle zu. Die<br />

NPD hat in Sachsen ihren stärksten Lan<strong>des</strong>verband - etwa 1 000<br />

Mitglie<strong>der</strong>; nahezu in allen Landkreisen hat sie aktive<br />

Kreisverbände. Diese Parteien sind nicht nur geistige Brandstifter,<br />

son<strong>der</strong>n unterhalten auch enge Kontakte zu militanten Nazis. Die<br />

"Jungen Nationaldemokraten" (Jugendorganisation <strong>der</strong> NPD) haben sich<br />

längst zum Sammelbecken militanter Neonazis entwickelt.<br />

In <strong>der</strong> fast vierseitigen Antwort <strong>des</strong> Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern<br />

werden dem Landtag insbeson<strong>der</strong>e die Maßnahmen im repressiven<br />

Bereich dargestellt bzw. präventive Initiativen im<br />

Verantwortungsbereich <strong>des</strong> Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern.<br />

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Wir, die PDS-Fraktion,<br />

erkennen auch die positiven Ergebnisse und Leistungen an und ich<br />

möchte auch einige hier an dieser Stelle hervorheben:<br />

- Genannt seien zahlreiche För<strong>der</strong>projekte insbeson<strong>der</strong>e im Kin<strong>der</strong>-<br />

und Jugendbereich, wie zum Beispiel das Deutsch-Polnische<br />

Jugendwerk, die Hilfe für Tschernobylopfer usw. Anfragen möchte ich<br />

hier, ob man auch einmal eine Einschätzung hier im Landtag bekommen<br />

kann, wie <strong>der</strong>artige Projekte wirken.<br />

- Ausdrücklich betone ich hier auch die Arbeit <strong>der</strong> Soko Rex, die<br />

wir anerkennen, auch wenn wir in Teilbereichen unterschiedliche<br />

Auffassungen haben.<br />

- Ich nenne die kriminalpräventiven Räte.<br />

- Wir unterstützen sehr die Gespräche <strong>vom</strong> Sommer dieses Jahres und<br />

die Initiative <strong>des</strong> Sächsischen Sportbun<strong>des</strong>, <strong>der</strong> Barmer-Ersatzkasse<br />

und <strong>der</strong> Polizeidirektion Grimma für die Durchführung eines<br />

Sommercamps.<br />

Beson<strong>der</strong>s hervorheben möchte ich aber auch solche Leistungen wie


- eine Initiative in Trebsen, Muldentalkreis, zur Stärkung <strong>der</strong><br />

Zeugenbereitschaft;<br />

- die Initiative <strong>des</strong> lan<strong>des</strong>weiten Runden Tisches gegen Gewalt, die<br />

Bündnisse gegen Rechts o<strong>der</strong> Gewalt bzw. die Runden Tische vor Ort;<br />

- die Ideen und Initiativen <strong>des</strong> Dresdner Vereins "AnStiftung";<br />

- das Gewerkschaftsprojekt "Courage";<br />

- verschiedene antifaschistisch/antirassistisch orientierte<br />

Gruppen, auch wenn es sicher in einigen Dingen gegensätzliche<br />

Auffassungen gibt;<br />

- Flüchtlingsinitiativen und Vereine von ausländischen Bürgern;<br />

- das "Netzwerk für demokratische Kultur Wurzen e. V.".<br />

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier nur einige genannt habe;<br />

die Aufzählung könnte man sicher noch erweitern. Wir möchten an<br />

dieser Stelle allen - und wir betonen: allen -, die sich im Kampf<br />

gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren,<br />

unseren Dank aussprechen und sie in ihren Bemühungen bestärken<br />

weiterzumachen.<br />

Bitte verstehen Sie mich in den nachfolgenden Punkten nicht falsch:<br />

We<strong>der</strong> will ich hier jemanden denunzieren noch schlecht machen, aber<br />

nachdenklich stimmen uns dagegen solche Meldungen schon wie zum<br />

Beispiel:<br />

- das am 9. November, also an dem bun<strong>des</strong>weiten Aktionstag gegen<br />

Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, verkündete Urteil eines<br />

sächsischen Gerichtes gegen drei jugendliche Straftäter, die zu<br />

Pfingsten in Leipzig zunächst einen afrikanischen Bürger<br />

verunglimpften und ihn durch die Stadt jagten und dann einen<br />

indischen Staatsbürger in einer Telefonzelle überfielen,<br />

zusammenschlugen und letztlich den mitgeführten Hund auf ihn<br />

hetzten. Ein Jugendlicher erhielt acht Monate auf Bewährung, die<br />

an<strong>der</strong>en beiden wurden mangels Beweisen freigesprochen.<br />

- die Reaktionen von zahlreichen Vertretern aus<br />

Kommunalparlamenten, wenn sie öffentlich mit <strong>der</strong> Tatsache<br />

konfrontiert werden, dass es in ihrem Ort rechtsextreme Strukturen<br />

gibt bzw. dass sich die Region zu einem Zentrum Rechtsextremer<br />

entwickelt hat o<strong>der</strong> entwickeln könnte. In aller Regel werden diese<br />

Vorwürfe bestritten und geleugnet: "So etwas gibt es bei uns nicht,<br />

das sind Einzelerscheinungen. Sie beschädigen damit in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit das Ansehen <strong>der</strong> Kommune. Diese Darstellungen sind<br />

wirtschaftsschädigend für unsere Kommune."<br />

- die immer noch fehlende Klarstellung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten für<br />

die von ihm gemachten Äußerungen in Medien im September dieses<br />

Jahres, die zumin<strong>des</strong>t in großen Teilen <strong>der</strong> Bevölkerung an<strong>der</strong>s<br />

verstanden wurden, als er sie vielleicht wirklich gemeint hat.<br />

- Manchmal habe ich den Eindruck, dass ein Teil <strong>der</strong> Polizei und <strong>der</strong><br />

Justiz die Verfolgung von rechtsextremistischen und<br />

fremdenfeindlichen Straftaten nicht beson<strong>der</strong>s ernst nimmt.<br />

Wohlgemerkt, ich sage: ein Teil; ich kenne auch viele, die sich<br />

wirklich engagieren. Man könnte manchmal glauben, eine<br />

rechtsextremistische bzw. fremdenfeindliche Straftat macht den<br />

Ermittlungsbehörden mehr Arbeit bzw. bewirkt in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

eine bedeutend schlechtere Imagedarstellung, als wenn man sagt, es


handelte sich um eine normale Prügelei unter Jugendlichen und<br />

Auslän<strong>der</strong>n unter Einwirkung von Alkohol, eine politische bzw.<br />

fremdenfeindliche Straftat werde ausgeschlossen.<br />

- In Sebnitz ist es bis vor kurzem selbstverständlich gewesen, dass<br />

es im dortigen Kommunalparlament eine gemeinsame Fraktion von NPD,<br />

DSU und FDP gab.<br />

- In Riesa sah man keine größeren Probleme mit <strong>der</strong> Ansiedlung <strong>des</strong><br />

Verlages <strong>der</strong> NPD "Deutsche Stimme". Immerhin bringen die ja<br />

Gewerbesteuer und ein paar Arbeitsplätze. Da hat man viel größere<br />

Probleme mit jenen, die dagegen sind.<br />

- In Wurzen und Delitzsch, aber auch an<strong>der</strong>swo wurden und werden den<br />

Rechtsextremen eben ein paar Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt;<br />

sie brauchen doch unsere Hilfe und verschwinden somit <strong>vom</strong><br />

Straßenbild und alles ist wie<strong>der</strong> in Ordnung.<br />

- Das gilt auch, wenn Kommunen Gel<strong>der</strong> für Initiativen und<br />

Veranstaltungen ausgeben, bei denen rechte Gruppierungen unter<br />

Tarnnamen (zum Beispiel "Team 88") beteiligt sind und niemand<br />

darüber nachdenkt.<br />

Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

sind keine ausschließliche Erscheinung bei Jugendlichen, auch wenn<br />

oft den Medien eine <strong>der</strong>artige Darstellung zu entnehmen ist.<br />

Vielmehr ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem und bezieht<br />

sich auf alle Personengruppen unterschiedlichsten Alters. Der<br />

Unterschied zwischen Älteren gegenüber Jugendlichen besteht darin,<br />

dass diese oftmals ihr Unverständnis und ihre Auffassungen in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit darstellen, sie wie<strong>der</strong>geben, wie sie es zum einen<br />

verstehen, aber auch durch Gespräche im Elternhaus, in <strong>der</strong> Schule,<br />

in <strong>der</strong> Ausbildung, auf Arbeit, im täglichen Leben erleben.<br />

Nichts<strong>des</strong>totrotz müssen wir die Anstrengungen insbeson<strong>der</strong>e im<br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendbereich verstärken, um rechtsorientierte und<br />

fremdenfeindliche Einstellungen und Motivationen zurückzudrängen.<br />

Herr Staatsminister Hardraht, ich wünschte mir, dass die jährliche<br />

Dokumentation zum Rechtsextremismus wie<strong>der</strong> erarbeitet und<br />

veröffentlicht wird. Sie gibt wesentlich weitere Aussagen als <strong>der</strong><br />

Verfassungsschutzbericht. Ich wünschte mir zum Beispiel auch eine<br />

viel größere Verbreitung <strong>der</strong> Teile <strong>des</strong> Handbuches <strong>der</strong> Polizei, in<br />

denen sehr umfangreich über verfassungsfeindliche Symbole und<br />

Parolen aufgeklärt wird. Ich wünschte mir eine Erweiterung von<br />

Informationen, welche rechtsextremen Gruppierungen und<br />

Vereinigungen hier auch in Sachsen wirksam werden bzw. wirksam<br />

geworden sind, denn <strong>der</strong> Verfassungsschutzbericht nennt nur die<br />

wichtigsten.<br />

Wenn wir heute überall von Globalisierung reden, überallhin in den<br />

Urlaub fahren können, wir unsere Beziehungen zu an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

festigen und ausdehnen wollen, wir Informationen und Nachrichten<br />

von überallher aufnehmen können, wir mit aller Welt via Internet<br />

problemlos kommunizieren können, dann müssen wir bedenken: Je<strong>der</strong><br />

ist irgendwo Frem<strong>der</strong>.<br />

Präsident Iltgen: Es folgt die Staatsregierung. Bitte, Herr<br />

Staatsminister Hardraht.


Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern: Herr Präsident! Meine Damen<br />

und Herren! Seit Sommer dieses Jahres wird das Thema<br />

Rechtsextremismus verstärkt in den Medien und <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

diskutiert. Die Gefahr, die von Rechtsextremisten ausgeht, ist<br />

zurzeit in aller Munde. Und dabei wird allzu schnell vergessen,<br />

dass auch Linksextremisten eine nicht unerhebliche Bedrohung<br />

darstellen können.<br />

Beide - sowohl Rechts- als auch Linksextremisten - verfolgen<br />

Bestrebungen, die darauf ausgerichtet sind, die Prinzipien <strong>der</strong><br />

freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu beeinträchtigen und<br />

letztlich zu beseitigen. Ihre aktivistisch ausgeprägten politischen<br />

Vorstellungen gehen regelmäßig einher mit <strong>der</strong> Ablehnung <strong>des</strong><br />

staatlichen Gewaltmonopols.<br />

Es wird versucht, regional o<strong>der</strong> punktuell die Ordnungsfunktion <strong>des</strong><br />

Staates auszuschalten und durch eigene Herrschaftsmechanismen zu<br />

ersetzen. Linksextremisten sprechen dabei von <strong>der</strong> "Durchbrechung<br />

rechter Hegemonie" und <strong>der</strong> "Schaffung herrschaftsfreier Räume",<br />

Rechtsextremisten von <strong>der</strong> "Errichtung national befreiter Zonen".<br />

Sich selbst sehen sie als "Wegbereiter <strong>der</strong> wahren Demokratie" und<br />

<strong>der</strong> "wirklichen Volksinteressen".<br />

Bun<strong>des</strong>weit gab es Ende 1999 zirka 51 400 Extremisten auf <strong>der</strong><br />

rechten Seite und etwa 34 200 Linksextremisten. Im Freistaat<br />

Sachsen waren es zirka 3 000 Rechtsextremisten und etwa 800<br />

Linksextremisten.<br />

Dass es den Rechtsextremisten gelingt, mit teilweise primitiven<br />

plakativen For<strong>der</strong>ungen wie zum Beispiel "Auslän<strong>der</strong> raus!" in <strong>der</strong><br />

Bevölkerung Sympathien zu gewinnen und ein Klima zu schaffen, in<br />

dem Gewalttäter immer dreister werden und meinen, ihre<br />

verwerflichen Taten würden von einem breiten Volkswillen getragen,<br />

ja sie seien die Vollstrecker <strong>des</strong> Willens einer schweigenden<br />

Mehrheit, macht ihre eigentliche Gefahr aus.<br />

Mit solchen fremdenfeindlichen Parolen geizt auch die NPD nicht.<br />

Dazu einige Hinweise: Nach eigenen Angaben <strong>der</strong> NPD hat sie<br />

bun<strong>des</strong>weit <strong>der</strong>zeit etwa 7 000 Mitglie<strong>der</strong>. Sie nimmt unter den<br />

rechtsextremistischen Parteien im Freistaat Sachsen eine vorrangige<br />

Position ein. Mit gegenwärtig 1 100 Mitglie<strong>der</strong>n hat sie hier den<br />

größten Lan<strong>des</strong>verband, wobei die Mitglie<strong>der</strong>zahl Ende 1998 mit zirka<br />

1 600 Mitglie<strong>der</strong>n den höchsten Stand hatte. Diese Zahl ist bis<br />

Sommer dieses Jahres auf 1 050 gesunken und nunmehr wie<strong>der</strong> um zirka<br />

50 bis 100 Mitglie<strong>der</strong> angestiegen.<br />

Bei <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>tagswahl 1998 erzielte die NPD in Sachsen 1,2 % <strong>der</strong><br />

Stimmen und damit das bun<strong>des</strong>weit höchste Ergebnis, gefolgt von den<br />

Län<strong>der</strong>n Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin. Dort konnte<br />

sie auch Ergebnisse über dem Bun<strong>des</strong>durchschnitt von 0,3 % erzielen.<br />

Innerhalb <strong>des</strong> Freistaates Sachsen erreichte die NPD im Landkreis<br />

Sächsische Schweiz ihr höchstes Ergebnis bei <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>tagswahl.<br />

Auch bei <strong>der</strong> Landtagswahl konnte sie dort mit 10,4 % <strong>der</strong> Stimmen<br />

ihr Spitzenergebnis verbuchen. Lan<strong>des</strong>weit erreichte sie bei <strong>der</strong><br />

Landtagswahl 1,4 %.<br />

Bei den Wahlen wurde vor allem deutlich, meine Damen und Herren,<br />

dass es <strong>der</strong> NPD gelungen war, viele Jungwähler, das heißt


Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren, für sich zu gewinnen. Bei<br />

<strong>der</strong> Europawahl entschieden sich im Freistaat Sachsen 5,3 % aller<br />

Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren für die NPD. Bei <strong>der</strong><br />

Landtagswahl waren es 6,4 %, die ihre Zweitstimme <strong>der</strong> NPD gaben.<br />

Bereits aus dieser Analyse ergibt sich, dass wir unseren bisherigen<br />

Ansatz, die gefährdeten Jugendlichen und Heranwachsenden durch<br />

verstärkte Integrationsbemühungen vor den Rattenfängern <strong>der</strong><br />

Rechtsextremisten zu bewahren, verstärken müssen.<br />

Dies ist auch unter folgenden Gesichtspunkten wichtig: Die<br />

geistigen Brandstifter, das heißt die Rädelsführer, binden<br />

Jugendliche und Heranwachsende nicht etwa durch politische<br />

Überzeugungen an sich. Hier spielen vielmehr abenteuerorientierte,<br />

aktionistische Freizeitgestaltung und das Vermitteln <strong>des</strong> Gefühls<br />

<strong>des</strong> sinnvollen Gebrauchtwerdens, zum Beispiel durch Schutzaufgaben<br />

bei NPD-Infoständen, eine bedeutsame Rolle. Wenn wir die<br />

Jugendlichen und die Heranwachsenden nicht isolieren, son<strong>der</strong>n in<br />

die Gemeinschaft <strong>der</strong> Demokraten zurückholen, also wie<strong>der</strong><br />

integrieren wollen, müssen wir alle - Staat, Kommunen, Vereine,<br />

Verbände, also die gesamte Gesellschaft - jugendorientierte<br />

Aktivitäten anbieten und den Jugendlichen das Gefühl <strong>der</strong><br />

Anerkennung und <strong>der</strong> Bedeutung ihrer Person vermitteln.<br />

Insgesamt - das darf ich nachfügen - haben unsere Analysen ergeben,<br />

dass sich die NPD in den letzten zwei, zweieinhalb Jahren<br />

grundlegend verän<strong>der</strong>t hat.<br />

Erstens. Sie hat sich in ihrem Mitglie<strong>der</strong>bestand drastisch<br />

verjüngt, insgesamt auf <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>ebene, speziell aber auch in<br />

Sachsen. Sie ist nicht mehr, meine Damen und Herren, die relativ<br />

harmlose Altherrenpartei <strong>der</strong> Vergangenheit, son<strong>der</strong>n in einem Teil<br />

<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>verbände schon allein <strong>vom</strong> Lebensalter ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />

her kämpferischer und aggressiver geworden.<br />

Zweitens. Sie hat sich wie<strong>der</strong>holt öffentlich, insbeson<strong>der</strong>e auf<br />

ihrem Parteitag im Februar 1998 in Passau, zu ihrer<br />

verfassungsfeindlichen Ideologie bekannt.<br />

Drittens. In verschiedenen Lan<strong>des</strong>führungen <strong>der</strong> NPD, insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch in Sachsen, wie inzwischen auch in <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>führung <strong>der</strong> NPD<br />

zeigt sich eine Personalunion zwischen einzelnen<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n dieser Partei und den Vorständen<br />

zwischenzeitlich wegen Verfassungswidrigkeit verbotener<br />

Organisationen.<br />

Viertens. Die Distanzierung <strong>der</strong> NPD gegenüber <strong>der</strong> Gewalt als Mittel<br />

<strong>der</strong> Politik stellt sich im Verlauf <strong>der</strong> letzten an<strong>der</strong>thalb Jahre als<br />

außerordentlich schwankend dar. Immer dann, wenn es um das Gewinnen<br />

von Wählern geht, ist die NPD deutlich in die Distanzierung von<br />

Gewalt gegangen; kaum waren die Wahlen vorbei und <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>schwund innerhalb <strong>der</strong> NPD war eingetreten, hat die NPD<br />

die Distanzierung von <strong>der</strong> Gewaltanwendung weniger scharf, wenn<br />

überhaupt vorgenommen.<br />

Diese vier Punkte mit dem vorhin erwähnten Punkt "Gefährdung <strong>der</strong><br />

Jugend" durch die aufgezeigten Wahlergebnisse sind unter an<strong>der</strong>em<br />

die Gründe, weshalb wir sowohl in <strong>der</strong> Innenministerkonferenz wie


auch in <strong>der</strong> Ministerpräsidentenkonferenz und im Bun<strong>des</strong>rat für das<br />

Verbot <strong>der</strong> NPD gestimmt haben.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Meine Damen und Herren, diese Entscheidung ist uns nicht leicht<br />

gefallen. Sie beruht im Wesentlichen auf den Erkenntnissen <strong>der</strong><br />

Beschlagnahme- und Durchsuchungsaktionen in <strong>der</strong> SSS im Juli und im<br />

September dieses Jahres. Für uns ist dabei deutlich geworden, dass<br />

eine Verschränkung - ich habe es angedeutet - zwischen <strong>der</strong> NPD und<br />

dieser SSS, auf die ich gleich noch komme, belegbar sein wird. -<br />

Das zur NPD.<br />

Lassen Sie mich einige an<strong>der</strong>e statistische Entwicklungen kurz<br />

anreißen. Die für das Bun<strong>des</strong>gebiet vorliegenden Fallzahlen <strong>der</strong><br />

polizeilich registrierten rechtsextremistischen Straftaten lassen<br />

insgesamt einen deutlichen Anstieg dieser Straftaten für das<br />

Gesamtjahr 2000 erwarten. Im Vergleich <strong>der</strong> ersten neun Monate mit<br />

dem entsprechenden Zeitraum <strong>des</strong> Vorjahres ergibt sich auf<br />

Bun<strong>des</strong>ebene wahrscheinlich eine Steigerung um ungefähr 28 %.<br />

Für Sachsen trifft diese Tendenz erfreulicherweise nicht zu. Wir<br />

können seit 1998 eine rückläufige Tendenz rechtsextremistischer<br />

Straftaten feststellen. Diese Rückläufigkeit hat sich in den ersten<br />

neun Monaten dieses Jahres fortgesetzt. Entgegen dem Bun<strong>des</strong>trend in<br />

<strong>der</strong> von mir genannten prozentualen Höhe betrug in den ersten neun<br />

Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum <strong>der</strong><br />

Rückgang <strong>der</strong> rechsextremistischen Straftaten insgesamt 3 %, allein<br />

<strong>der</strong> Rückgang bei den in diesem gesamten Bestand enthaltenen<br />

Gewaltstraftaten 40 %. In absoluten Zahlen: Im ersten Halbjahr 1999<br />

hatten wir 45 Gewaltstraftaten im rechtsextremistischen Bereich, in<br />

den ersten sechs Monaten <strong>des</strong> Jahres 2000 30 - das bei einer<br />

Gesamtstraftatenzahl im Gewaltbereich in Sachsen in diesen ersten<br />

sechs Monaten von knapp unter 4 000.<br />

Die seit Jahren in Sachsen im Vergleich zu den übrigen<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n hohe Zahl <strong>der</strong> Propagandadelikte beruht nach unseren<br />

Erkenntnissen wohl auf einem sehr hohen Verfolgungsdruck <strong>der</strong><br />

Polizei und an<strong>der</strong>er Einrichtungen: Soweit uns bekannt ist, beruht<br />

unsere sehr hohe Zahl von Propagandadelikten, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Hakenkreuzschmierereien, auch darauf, dass offensichtlich in<br />

an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n in den Schulverwaltungen nicht die Verfügung<br />

erlassen worden ist, alles, was in diese Richtung geht, bei <strong>der</strong><br />

Polizei anzuzeigen. Die hohe Anzahl <strong>der</strong> Propagandadelikte in<br />

Sachsen sagt nichts darüber aus, wie hoch die Dunkelziffer in den<br />

übrigen Län<strong>der</strong>n, insbeson<strong>der</strong>e in den neuen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n, ist.<br />

Im Bereich <strong>des</strong> Linksextremismus, meine Damen und Herren, sind die<br />

Fallzahlen in Sachsen im ersten Halbjahr gegenüber dem<br />

Vorjahreszeitraum ebenfalls zurückgegangen. Eine Bewertung <strong>der</strong><br />

Zahlen ist hier schwieriger, da die Anzahl <strong>der</strong> Fälle starken<br />

Schwankungen unterliegt und wesentlich durch Aktionen und<br />

Großereignisse geprägt wird. Auch die Zahl <strong>der</strong> linksextremistischen<br />

Gewaltdelikte ist von <strong>der</strong> Tendenz her rückläufig, wobei sich die<br />

Gewaltdelikte im Bereich <strong>des</strong> Linksextremismus gegenwärtig<br />

größtenteils gegen Rechts richten und damit dem Reizthema<br />

Antifaschismus zuzuordnen sind.


Angesichts <strong>der</strong> von mir hervorgehobenen Bedeutung politisch<br />

motivierter Straftaten haben wir diese in Sachsen zu einem<br />

beson<strong>der</strong>en Schwerpunkt <strong>der</strong> Kriminalitätsbekämpfung gemacht:<br />

Die Son<strong>der</strong>kommission Rechtsextremismus wurde bereits 1991 gebildet.<br />

Sie steht nach wie vor als Symbol für unser Konzept <strong>der</strong><br />

konsequenten Strafverfolgung und schnellen Aufklärung von<br />

rechtsextremistischen Gewalttaten.<br />

Die Verunsicherung <strong>der</strong> rechten Szene durch einen permanenten hohen<br />

Verfolgungsdruck und Präsenz <strong>der</strong> Polizei an Brennpunkten<br />

rechtsextremistischer Kriminalität ist erklärtes Ziel dieser<br />

speziellen Polizeieinheit. Struktur und Aufgabenspektrum <strong>der</strong> Soko<br />

Rex haben bun<strong>des</strong>weit Beachtung und Anerkennung gefunden. An<strong>der</strong>e<br />

Län<strong>der</strong> haben sich daran orientiert und ähnliche<br />

Bekämpfungseinheiten eingerichtet. Beachtung und Resonanz findet<br />

die Arbeit <strong>der</strong> Soko Rex aber auch in ihrer Zielgruppe nicht zuletzt<br />

durch relativ unkonventionelle Maßnahmen.<br />

Wir haben 1996 im Vorfeld <strong>des</strong> To<strong>des</strong>tages <strong>des</strong> Hitlerstellvertreters<br />

Rudolf Hess begonnen, einschlägig polizeiregistrierte Straftäter<br />

anzuschreiben und darauf hinzuweisen, dass die Teilnahme an<br />

verbotenen Veranstaltungen konsequent von <strong>der</strong> Polizei, den<br />

Gerichten und Staatsanwaltschaften geahndet wird. Teilweise suchen<br />

wir diesen Personenkreis auch zu Hause auf, wenn sie freiwillig<br />

öffnen, was in nahezu 100 % <strong>der</strong> Fälle <strong>der</strong> Fall war, um in einem<br />

Gespräch unmissverständlich auf die Konsequenzen weiterer<br />

strafbarer Handlungen hinzuweisen. Die potenziellen Straf- und<br />

Gewalttäter sind uns bekannt. Sie sind registriert.<br />

Dass dieses Vorgehen <strong>der</strong> Polizei Erfolg hat, zeigt nicht nur <strong>der</strong><br />

Rückgang <strong>der</strong> statistischen Zahlen, son<strong>der</strong>n auch, meine Damen und<br />

Herren, man staune, dass sich viele <strong>der</strong> angeschriebenen Personen<br />

gemeldet und versichert haben, an rechtsextremistischen<br />

Veranstaltungen nicht teilzunehmen.<br />

Um noch stärker Präsenz zu zeigen und präventiv wirksam zu werden<br />

und um die örtlichen Erfahrungen <strong>der</strong> Polizeieinheiten stärker<br />

nutzen zu können, haben wir ab 1997 zusätzlich so genannte mobile<br />

Einsatz- und Fahndungsgruppen eingesetzt. Diese sind in den Abend-<br />

und Nachtstunden unterwegs, um zielgerichtet auf Treffpunkte <strong>der</strong><br />

rechten Szene sowie allgemeine Trefforte von Jugendlichen und<br />

Heranwachsenden, von denen erfahrungsgemäß Gewalt ausgehen könnte,<br />

insbeson<strong>der</strong>e also an Tankstellen, Bahnhofsbereichen,<br />

Campingplätzen, Diskotheken und einzelnen Jugendklubs, zuzugehen<br />

und offensiv Kontrollen vorzunehmen. Damit sind jede Nacht in<br />

Sachsen allein mit diesem Auftrag aus diesen speziellen Einsatz-<br />

und Fahndungsgruppen 30 Beamte permanent unterwegs, um gezielt auf<br />

Gefahrenpotenziale Einfluss zu nehmen, auf Personen also, von denen<br />

Gefahren ausgehen könnten, zuzugehen und straftaten- und<br />

gewaltverhin<strong>der</strong>nde Präsenz zu zeigen. Wir verfolgen damit<br />

gleichzeitig das Ziel, <strong>der</strong>artige Treff- und Aufenthaltsorte aus <strong>der</strong><br />

Anonymität herauszuholen.<br />

In den vergangenen Jahren, meine Damen und Herren, waren auch in<br />

Sachsen Skinhead-Konzerte <strong>der</strong> Zahl nach im Ansteigen. Durch das<br />

Bereithalten starker Polizeikräfte an Schwerpunktzielen und


Schwerpunktzeiten ist es uns bisher gelungen, die Zunahme <strong>der</strong> Zahl<br />

<strong>der</strong>artiger Konzerte einzudämmen.<br />

Dazu folgende Hinweise: Im Jahr 1998 fanden 15, im Jahr 1999 31 und<br />

in den ersten neun Monaten <strong>des</strong> Jahres 2000 nur noch 19 <strong>der</strong>artige<br />

Konzerte statt. Voraussetzung für die Verhin<strong>der</strong>ung solcher Konzerte<br />

ist eine inzwischen sehr enge Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />

Versammlungsbehörden, vor allem <strong>der</strong> Landratsämter und <strong>der</strong><br />

kommunalen Behörden sowie <strong>der</strong> Polizei und <strong>des</strong> Verfassungsschutzes<br />

und - ich füge es hinzu - <strong>der</strong> Gaststättenbetreiber.<br />

Wir haben diesen Punkt mit den Handelskammern besprochen und sie<br />

gebeten, auf die Gaststätteninhaber verstärkt darauf hinzuwirken,<br />

eventuell unter Decknamen angemeldete Skinhead-Konzerte rechtzeitig<br />

zu melden, so dass Verbotsverfügungen durch die Landratsämter<br />

erfolgen können sowie entsprechende Auflösungsmaßnahmen durch die<br />

Polizei.<br />

Auch auf die relativ neue Entwicklung, dass sich innerhalb <strong>der</strong><br />

Szene <strong>der</strong> militanten Rechtsextremisten eine zunehmende<br />

Organisierung hin zu so genannten Kameradschaften vollzieht, haben<br />

wir massiv reagiert. Gegen die größte solcher Kameradschaften, die<br />

Skinhead-Gruppe Sächsische Schweiz, zu <strong>der</strong> auch die NPD engen<br />

Kontakt unterhält - das hat sich bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong><br />

beschlagnahmten Gegenstände ergeben -, wurde nach monatelangen<br />

verdeckten Maßnahmen ein Ermittlungsverfahren wegen <strong>des</strong> Verdachts<br />

<strong>der</strong> Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 <strong>des</strong><br />

Strafgesetzbuches eingeleitet. Im Rahmen von zwei groß angelegten<br />

Durchsuchungsmaßnahmen aufgrund von monatelangen Observationen<br />

wurden unter an<strong>der</strong>em Waffen und Sprengstoffe sichergestellt.<br />

Das sind die Aktionen, die bei uns intern zu dem Ergebnis geführt<br />

haben, dass wir die Verbindung zwischen einer solchen Gruppe und<br />

<strong>der</strong> NPD als belegbar angesehen haben und uns unter an<strong>der</strong>em auch<br />

<strong>des</strong>halb in den bezeichneten Gremien für einen Verbotsantrag gegen<br />

die NPD in Karlsruhe ausgesprochen haben.<br />

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern: Ja.<br />

Präsident Iltgen: Bitte, Herr Dr. Hahn.<br />

Dr. Hahn, PDS: Herr Staatsminister, Sie haben auf die Skinhead-<br />

Gruppe Sächsische Schweiz hingewiesen und auf die laufenden<br />

Ermittlungsverfahren wegen <strong>des</strong> Verdachtes <strong>der</strong> Bildung einer<br />

kriminellen Vereinigung. Ich möchte Sie fragen, warum das<br />

Staatsministerium bisher nicht ein Verbot dieser Organisation<br />

geprüft o<strong>der</strong> ausgesprochen hat o<strong>der</strong>, wenn es eine Prüfung gibt, wie<br />

gegenwärtig dort <strong>der</strong> Stand ist.<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern: Herr Abg. Dr. Hahn, wir haben<br />

die Angelegenheit sehr eingehend geprüft, und zwar seit längerer<br />

Zeit. Wir haben eine Parallelität dieses Prüfungsverfahrens für ein<br />

Verbot nach dem entsprechenden einschlägigen Gesetz durch uns als<br />

Innenministerium und dem Ermittlungsverfahren <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft nach § 129 <strong>des</strong> Strafgesetzbuches. Wir haben mit<br />

<strong>der</strong> Staatsanwaltschaft abgesprochen, dass wir wegen einer<br />

eventuellen Gefährdung <strong>der</strong> Beweislage in dem Verfahren nach § 129<br />

<strong>des</strong> Strafgesetzbuches bei einer vorzeitigen Veröffentlichung <strong>der</strong>


Gründe für ein Verbotsverfahren nach dem Vereinsgesetz das Ganze<br />

zeitgleich betreiben. Wir werden die Prüfung für das<br />

Verbotsverfahren abschließen, wenn die Abschlussverfügung <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft vorliegt. Wann das sein wird, weiß die<br />

Staatsanwaltschaft. Ich vermute, etwa Januar, Februar, in dieser<br />

zeitlichen Region.<br />

Meine Damen und Herren! Die Grundlage - daran liegt mir für den<br />

folgenden Teil meines Beitrags beson<strong>der</strong>s - für die Planung unserer<br />

präventiven und repressiven Bekämpfungsmaßnahmen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch die Polizei, ist eine exakte Analyse <strong>der</strong> Situation und <strong>der</strong><br />

Lage. Dazu haben wir verschiedene Untersuchungen und Analysen<br />

durchgeführt: Das sind einmal die seit 1991 gesammelten<br />

Erkenntnisse <strong>der</strong> Soko Rex über die Täter, die rechtsextremistische<br />

Gewalttaten begangen haben.<br />

Weiterhin ist dies eine vor einigen Monaten vorgelegte Untersuchung<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>kriminalamtes zu den jeweils zehn gewalttätigsten<br />

Jugendlichen o<strong>der</strong> Heranwachsenden pro Polizeidirektion, eine<br />

Untersuchung über ca. 130 Personen. Bei dieser Untersuchung haben<br />

wir nicht nur die Polizeiakten ausgewertet, son<strong>der</strong>n wir haben nach<br />

Abstimmung mit <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft auch die Lebensläufe dieser<br />

Personen verfolgen wollen über Einsicht in die jeweiligen<br />

Strafurteile, also eine sozial betonte Auswertung.<br />

Zum Dritten haben wir in den letzten Tagen eine Untersuchung <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong>kriminalamtes unter wissenschaftlicher Begleitung erhalten,<br />

die die Täter-Opfer-Situation im rechtsextremistischen Bereich<br />

beleuchtet.<br />

Das wichtigste Ergebnis unserer Auswertungen ist, dass bei den<br />

meisten Tätern, meine Damen und Herren, nur in den seltensten<br />

Fällen wirklich eine gefestigte rechtsextremistische, also gegen<br />

die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Einstellung<br />

vorliegt. Zu unterscheiden ist also bei dem Ansatz für präventive<br />

und repressive Maßnahmen zwischen den Rädelsführern und den bloßen<br />

Mitläufern. Deren zahlenmäßiges Verhältnis lässt sich nur schwer<br />

beziffern. Die Schätzungen liegen bei 1 : 10 bis 1 : 30.<br />

Nur bei einigen Straftätern, nämlich bei den Rädelsführern, muss<br />

von organisiertem und politisch gefestigtem Rechtsextremismus<br />

gesprochen werden. Diese achten zumeist sorgfältig darauf, selbst<br />

keine Gewalttätigkeiten zu begehen, selbst nicht straffällig zu<br />

werden. Sie bleiben meist im Hintergrund, beeinflussen allerdings<br />

das politische Klima und sind damit selbstverständlich auch<br />

mittelbar für gewaltsame Aktionen entscheidend und verantwortlich.<br />

Bei den an<strong>der</strong>en, den bloßen Mitläufern, sind dagegen eine<br />

intolerante Haltung gegenüber an<strong>der</strong>en politischen Ansichten,<br />

pauschalisierte Abneigung gegenüber allem Fremden, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Auslän<strong>der</strong>n, aber auch Frust und Langeweile als Tatmotivation<br />

charakteristisch. Häufig spielen negative Einflüsse und Erlebnisse<br />

aus dem sozialen Nahraum, insbeson<strong>der</strong>e familiäre Defizite,<br />

zerrüttete Lebensverhältnisse usw., eine Rolle.<br />

Da es sich bei <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Täter rechtsextremistischer Delikte<br />

offensichtlich nicht um politische Überzeugungstäter handelt,<br />

deutet alles darauf hin, dass wir es hier mit einer


Untergruppierung <strong>der</strong> allgemeinen Jugendkriminalität bzw.<br />

Jugendgewaltkriminalität zu tun haben. Dafür spricht auch: Ein<br />

nicht geringer Teil <strong>der</strong> Tatverdächtigen ist bereits als<br />

Mehrfachtäter aus dem Bereich <strong>der</strong> allgemeinen Jugendkriminalität<br />

bekannt, bevor er überhaupt mit <strong>der</strong> NPD o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

rechtsextremistischen Gruppierungen Kontakt aufgenommen hat.<br />

Zum Weiteren: Etwa 90 % <strong>der</strong> Tatverdächtigen begehen die Straftaten<br />

in ihrer Heimatgemeinde bzw. in einem Umkreis von 20 Kilometern. Im<br />

Bereich <strong>der</strong> Gewaltdelikte ist dieser Anteil mit ca. 95 % noch<br />

höher.<br />

Ein hoher Anteil <strong>der</strong> jugendlichen Schläger war früher selbst Opfer<br />

von Gewalttätigkeiten. Es scheint die Faustformel zu gelten: Je<br />

intensiver die Opfereigenschaft war, <strong>des</strong>to eher wird <strong>der</strong><br />

Jugendliche o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heranwachsende selbst zum gewalttätigen<br />

Intensivtäter.<br />

Gewalttaten im rechtsextremistischen Bereich werden - wie allgemein<br />

bei <strong>der</strong> Jugendkriminalität - von diesen Jugendlichen nicht allein,<br />

son<strong>der</strong>n weitgehend aus <strong>der</strong> Gruppe heraus begangen. Dies geschieht<br />

in aller Regel unter dem Einfluss von Alkohol und bedingt durch<br />

gruppendynamische Prozesse wie gegenseitiges Anstacheln, keine<br />

Schwäche gegenüber den Gruppenmitglie<strong>der</strong>n zeigen usw.<br />

Schließlich stellen sich die jugendlichen Heranwachsenden bei<br />

näherem Hinsehen häufig als Schulversager o<strong>der</strong> Schulschwänzer dar.<br />

Es handelt sich um Schüler, um Jugendliche, die relativ häufig -<br />

jedenfalls weit überproportional - ein Ausbildungs- o<strong>der</strong><br />

Lehrverhältnis abgebrochen haben.<br />

Zur Zurückdrängung rechtsextremistischer Erscheinungen haben wir<br />

ein breit gefächertes Bündel aufeinan<strong>der</strong> abgestimmter Maßnahmen<br />

erarbeitet. Bei den Rädelsführern und Intensivtätern <strong>des</strong><br />

Rechtsextremismus ist nach unserer Überzeugung das einzig wirksame<br />

Mittel eine schnelle und konsequente repressive Verfolgung. Hierzu<br />

gehören insbeson<strong>der</strong>e<br />

- die Beobachtung eingehen<strong>der</strong> Art durch den Verfassungsschutz,<br />

- die effektive Führung von Strafermittlungen im Sinne von § 129<br />

Strafgesetzbuch wegen krimineller Vereinigung,<br />

- gut vorbereitete, rechtlich einwandfreie Durchsuchungs- und<br />

Beschlagnahmemaßnahmen sowie die Festnahme und die Verhaftung nach<br />

den entsprechenden Beobachtungen und schließlich<br />

- die strikte Durchsetzung von Demonstrationsverboten bzw. <strong>der</strong> bei<br />

genehmigten Demonstrationen erteilten Auflagen.<br />

Bei den Mitläufern dagegen setzen wir voll - wenn auch nicht<br />

ausschließlich - auf unsere erfolgreichen Präventionskonzepte. Ich<br />

möchte hier, wenn auch nicht abschließend, folgende kurz anführen:<br />

400 Polizeibeamte haben wir eingesetzt für solche<br />

Präventionszwecke, zumin<strong>des</strong>t für einen Teil. Wir haben 62<br />

kommunalpräventive Räte o<strong>der</strong> Runde Tische gegen Gewalt initiiert.<br />

Wir haben Projekte entwickelt "Sport gegen Gewalt" bzw. die<br />

"Aktionstage für mehr Menschlichkeit". Wir haben mit dem<br />

Sächsischen Lan<strong>des</strong>sportbund und den entsprechenden Schulen ein<br />

Sommercamp im Bereich <strong>der</strong> Polizeidirektion Grimma zum Thema<br />

"Vermeidung von Gewalt unter Jugendlichen" durchgeführt. Wir haben


Freizeiteinrichtungen aus den investiven För<strong>der</strong>mittelbereichen<br />

verschiedener Ministerien geschaffen. Wir haben insbeson<strong>der</strong>e auch<br />

solche Jugendeinrichtungen aus dem Bereich Städtebau geför<strong>der</strong>t, bis<br />

es <strong>der</strong> Rechnungshof beanstandet hat. Wir haben den lan<strong>des</strong>weiten<br />

Präventionspreis ausgeschrieben und verliehen.<br />

Ich bin, meine Damen und Herren, <strong>der</strong> festen Überzeugung, dass wir<br />

trotz aller Unkenrufe in den Medien auf dem richtigen Wege sind.<br />

Daher werden wir mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen ohne<br />

Hektik und ohne Aktionismus weiter auf dem eingeschlagenen Weg<br />

fortgehen.<br />

Wir haben zur Fortführung unserer Vorstellungen und Ideen in den<br />

letzten Monaten mit den Verbänden, mit den Kreisen, die mittelbar<br />

o<strong>der</strong> unmittelbar betroffen sind, Gespräche geführt mit dem Ziel,<br />

nicht etwa staatlich fertig gefügte Konzepte überzustülpen, son<strong>der</strong>n<br />

mit <strong>der</strong> klaren Aussage, eine bessere Kommunikation insgesamt<br />

zwischen den beteiligten Gruppierungen zu vermitteln und zu<br />

erreichen.<br />

Wir haben insbeson<strong>der</strong>e mit Vertretern <strong>der</strong> Kirchen, <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften, <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammern, <strong>der</strong> betroffenen<br />

Fachministerien und den Elternräten <strong>der</strong> sächsischen Schulen<br />

gesprochen. Wir haben vor allem ausführliche Diskussionen mit<br />

Vertretern <strong>der</strong> 62 Runden Tische gegen Gewalt geführt.<br />

Bei diesen Gesprächen ist es uns vornehmlich darum gegangen, eine<br />

vermehrte Informationsserie anzubieten. Wir haben die<br />

Zurverfügungstellung sämtlichen schriftlichen Materials angeboten.<br />

Wir haben Informationskurse durch Mitarbeiter <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>amtes für<br />

Verfassungsschutz und <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>kriminalamtes angeboten mit dem<br />

Ziel - und das immer wie<strong>der</strong> betont -, vor Ort zum einen eine<br />

umfassen<strong>der</strong>e Befassung aller Beteiligten mit diesem Themenkreis<br />

Extremismus - Rechtsextremismus, auch Linksextremismus - zu<br />

erreichen und zum an<strong>der</strong>en eine intensivere Aufklärung vor Ort zu<br />

erreichen mit dem Ziel, problembelastete Jugendliche früher zu<br />

erkennen und dann auf diese Jugendlichen früher zuzugehen mit dem<br />

Ansatz, ihnen zu helfen, sie also zu integrieren und sie nicht zu<br />

isolieren.<br />

Wir haben mit diesen genannten Gremien bzw. Vertretern ein Konzept<br />

von Maßnahmen entwickelt, welches zum Teil noch geprüft werden<br />

muss. Das Konzept lässt sich in wenigen Gedankenstrichen wie folgt<br />

darstellen: Wir wollen über die Runden Tische gegen Gewalt stärker<br />

als bisher, zumin<strong>des</strong>t über eine längere Zeitstrecke, in die<br />

gesamten Erkenntnismöglichkeiten und die Diskussionsgespräche<br />

Schulleiter, Lehrer, auch Elternratsvertreter, vor allem auch die<br />

Jugendwarte verschiedener Vereine und <strong>der</strong> Freiwilligen Feuerwehren<br />

einbeziehen. Wir wollen die Ebene <strong>der</strong> Landratsämter, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Sachbearbeiter für Jugendangelegenheiten, für<br />

Familienangelegenheiten, stärker einbeziehen und auf diese Art und<br />

Weise erreichen, dass Jugendliche mit Problembehaftung eher erkannt<br />

und unterstützt werden als bisher.<br />

Das Tabu, das um dieses Thema zum Teil zu bestehen scheint -<br />

jedenfalls in einzelnen Kommunen, in einzelnen Schulen, in<br />

einzelnen Vereinen -, muss durchbrochen werden.


Wir wollen weiter mit dem Kultusministerium prüfen, ob in den<br />

Schulen nicht ein verstärkter, flächenmäßig angelegter<br />

Rechtskundeunterricht möglich sein wird. Das wird <strong>der</strong>zeit erhoben.<br />

Wir wollen vor allem auch eines erreichen: dass diejenigen<br />

Jugendlichen, die nur Mitläufer sind, die in diesem Bereich<br />

Propagandadelikte begehen, schneller als bisher von <strong>der</strong><br />

Staatsanwaltschaft und notfalls auch <strong>vom</strong> Amtsgericht strafrechtlich<br />

eine Beendigung <strong>des</strong> Verfahrens finden, und zwar nicht durch eine<br />

folgenlose Einstellung, son<strong>der</strong>n durch eine Auflage nach dem<br />

Jugendgerichtsgesetz o<strong>der</strong> auch nach <strong>der</strong> Strafprozessordnung. Auch<br />

in diesem Bereich wollen wir versuchen, dass den Jugendlichen die<br />

Grenze zwischen Recht und Unrecht deutlicher aufgezeigt wird, als<br />

es bisher <strong>der</strong> Fall ist. Die Verfahren nehmen <strong>der</strong>zeit eine zu lange<br />

Dauer in Anspruch und sie werden zu häufig eingestellt, ohne dass<br />

irgendeine Sanktion verhängt wird.<br />

Ich möchte zum Abschluss betonen: Mit diesem Zusatzkonzept stellen<br />

wir nichts beson<strong>der</strong>s Neues auf die Beine; es ist die Fortführung<br />

<strong>der</strong> Ideen, die wir bisher umgesetzt haben, in einer verfeinerten<br />

Form. Ich glaube, dass man bei Beschäftigung mit Jugend,<br />

Beschäftigung mit dem Thema Verhin<strong>der</strong>ung von Jugendkriminalität<br />

sich immer darüber klar sein muss, dass ständig Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Konzepte notwendig sind, um auf Verän<strong>der</strong>ungen im Bewusstsein und im<br />

Verhalten von Jugendlichen eingehen zu können. Wir glauben, dass<br />

wir auf dem richtigen Weg sind. Die Zahlen, die ich Ihnen anfangs<br />

vorgetragen habe, belegen dies.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD das Wort; Herr<br />

Jurk, bitte.<br />

Jurk, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen<br />

und Herren! Zweihun<strong>der</strong>ttausend Menschen aus allen Teilen<br />

Deutschlands haben am 9. November in Berlin für Menschlichkeit und<br />

Toleranz und gegen Hass und Gewalt demonstriert. Am gleichen Tag<br />

haben in Dresden Tausende Gesicht gezeigt für ein friedliches und<br />

weltoffenes Sachsen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Beifall <strong>der</strong> Abg. Frau Schulz, PDS)<br />

Damit haben diese Menschen deutlich gemacht: Für Gewalt gegen<br />

Menschen gibt es keine Rechtfertigung. Jede Äußerung von<br />

Verständnis für extremistisch und rassistisch motivierte<br />

Hasskriminalität stellt einen Anschlag auf die Grundwerte unseres<br />

Gemeinwesens und unserer Kultur dar. Was bisher fehlte, war ein<br />

deutlicher Akt <strong>des</strong> <strong>vom</strong> Volke gewählten sächsischen Parlaments<br />

jenseits allen parteipolitischen Streits.<br />

Ich denke, es ist heute <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt, dass <strong>der</strong> Sächsische<br />

Landtag alle Formen von Fremden- und Auslän<strong>der</strong>feindlichkeit, alle<br />

Formen <strong>der</strong> Bedrohung von An<strong>der</strong>sdenkenden und Min<strong>der</strong>heiten eindeutig<br />

verurteilt.<br />

Ich möchte ganz bewusst und deutlich sagen: Dies ist kein Problem,<br />

bei dem wir nach parteipolitischer Profilierung suchen sollten.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)


Es ist ein Problem <strong>der</strong> Zivilisation und <strong>des</strong> Umgangs miteinan<strong>der</strong> in<br />

unserer Gesellschaft.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Deshalb sollten wir in diesem Parlament nach <strong>der</strong> größtmöglichen<br />

Gemeinsamkeit bei <strong>der</strong> politischen Botschaft an die Öffentlichkeit<br />

suchen. Wir können und müssen ausführlich und zum Teil auch<br />

strittig diskutieren über die vielschichtigen Gründe für<br />

Extremismus: soziale Ursachen, wirtschaftliche Ursachen und viele<br />

an<strong>der</strong>e. Dabei werden unterschiedliche, auch parteipolitisch<br />

gefärbte Ansätze hervortreten. Aber ich sage auch: Keine dieser<br />

möglichen Ursachen ist eine ausreichende Erklärung und schon gar<br />

keine Rechtfertigung für solche Handlungen.<br />

(Beifall bei SPD und CDU)<br />

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen verabscheuungswürdige Taten<br />

als solche bezeichnet und verurteilt werden.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Dieser Antrag "Für Menschlichkeit und Toleranz - gegen Hass und<br />

Gewalt", <strong>der</strong> auf jenem Aufruf basiert, von dem die Berliner<br />

Demonstration ausging, ist, so denke ich, dafür die geeignete<br />

Plattform.<br />

Es ist ja keineswegs so, dass sich Hass und Gewalt nur gegen<br />

Menschen mit an<strong>der</strong>er Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit o<strong>der</strong><br />

religiöser Anschauung richten. Sie richten sich auch gegen<br />

Behin<strong>der</strong>te, Obdachlose und an<strong>der</strong>e Gruppen in unserer Gesellschaft.<br />

In ihrer Menschenverachtung zielen die Gewalttäter auf das Herz<br />

unserer demokratischen Kultur, auf die Sitten <strong>der</strong> Anständigkeit und<br />

<strong>des</strong> auskömmlichen Miteinan<strong>der</strong>s.<br />

Der Rechtsextremismus ist auch eine Bedrohung für die<br />

wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land. Ein mo<strong>der</strong>ner Staat wie<br />

die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland lebt davon, dass Menschen aus <strong>der</strong><br />

ganzen Welt hier leben und arbeiten. Ausländische Investoren und<br />

Fachkräfte haben entscheidend zum wirtschaftlichen Aufbau Sachsens<br />

beigetragen. Der Rückgang <strong>der</strong> Bereitschaft, hier zu leben, zu<br />

arbeiten und zu investieren, wäre auch eine Schwächung unseres<br />

Wirtschafts- und Investitionsstandortes. Im innerdeutschen<br />

Standortwettbewerb gehen ausländische Fachkräfte und Firmen<br />

dorthin, wo sie sich sicher fühlen. Damit wird <strong>der</strong> auch in Sachsen<br />

vorhandene Rechtsextremismus zu einem Standortnachteil, einem<br />

Standortnachteil, <strong>der</strong> gleichzeitig wie<strong>der</strong> in einer Art Sogwirkung<br />

über höhere Arbeitslosigkeit die Ursachen aller Arten von<br />

Extremismus verstärkt.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es darf allerdings nicht -<br />

das muss an dieser Stelle auch gesagt werden - bei symbolischen<br />

Akten bleiben.<br />

(Beifall bei SPD und PDS - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Wir müssen alle Initiativen unterstützen, ob von Gewerkschaften und<br />

Kirchen, Vereinen und Verbänden, Schulen und Universitäten,<br />

Wirtschaft und Kultur sowie von einzelnen Bürgern, die auf ein<br />

friedliches und tolerantes Miteinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kulturen und<br />

Lebensweisen und demokratische Umgangsformen in unserer<br />

Gesellschaft hinwirken.


(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Solche Unterstützung darf nicht nur eine moralische sein, son<strong>der</strong>n<br />

muss sich auch in den Ressourcen ausdrücken, die wir hier in diesem<br />

Landtag für diesen Zweck bereitstellen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Ich meine finanzielle Ressourcen für jene Projekte, die<br />

Zivilcourage för<strong>der</strong>n und unterstützen.<br />

Mit großer Freude habe ich vor wenigen Minuten vernommen, dass die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung heute 50 Millionen DM für den Kampf gegen den<br />

Rechtsextremismus bereitgestellt hat. 10 Millionen DM davon - und<br />

dies werden wir wohl alle einhellig begrüßen - dienen dabei<br />

ausschließlich <strong>der</strong> Entschädigung <strong>der</strong> Opfer rechtsextremistischer<br />

Gewalttaten.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Unabhängig davon sind insbeson<strong>der</strong>e Anstrengungen notwendig, unsere<br />

Jugend vor extremistischen und rassistischen Einflüssen und<br />

Gedanken zu schützen. Dazu gehört auch Wertevermittlung in <strong>der</strong><br />

Familie.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Starker Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Eltern, Verwandte und Freunde besitzen für die Entwicklung von<br />

Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen große Verantwortung. Keine noch so<br />

schwierigen Lebensumstände rechtfertigen das Vermitteln von<br />

Denkmustern, die die Würde von Menschen an<strong>der</strong>er<br />

Gruppenzugehörigkeit infrage stellen.<br />

Genauso wichtig ist die Entwicklung und Erweiterung von Projekten<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> moralischen Urteils- und Handlungsfähigkeit an<br />

allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen, genauso wie die<br />

stärkere Berücksichtigung <strong>der</strong> politischen Bildung bei den<br />

Lehrinhalten in <strong>der</strong> Lehramtsausbildung. Die systematische Fort- und<br />

Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte im Hinblick auf<br />

Erscheinungsformen von Rechtsextremismus, Gewaltprävention,<br />

Konflikt-, Schlichtungs- und Bewältigungsstrategien müssen ebenso<br />

zu einem Gesamtkonzept gehören wie die Verstärkung von Projekten<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit im Bereich von Kin<strong>der</strong>- und Jugendbegegnung.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Der grenzüberschreitende Jugendkontakt muss mehr För<strong>der</strong>ung<br />

erfahren.<br />

Prävention ist die eine, das entschiedene Handeln <strong>des</strong> Staates gegen<br />

Gewalttäter die an<strong>der</strong>e Seite. Härte und Entschlossenheit von<br />

Polizei und Justiz, insbeson<strong>der</strong>e die zeitnahe Reaktion gegenüber<br />

extremistischen Straftätern, müssen das Vertrauen <strong>der</strong> Bürger in den<br />

Rechtsstaat stärken. Dabei ist es notwendig, nicht nur das<br />

Strafrecht, son<strong>der</strong>n auch das Zivilrecht so weiterzuentwickeln, dass<br />

die Möglichkeiten von Zivilcourage von Bürgern, Vereinen und<br />

Unternehmen erweitert und unterstützt werden.<br />

Aber nicht nur <strong>der</strong> einfache Bürger sollte Gesicht zeigen bei <strong>der</strong><br />

Ächtung und Bekämpfung von Hass verherrlichendem Gedankengut und<br />

den daraus resultierenden Taten. Wir Politiker müssen dies<br />

zuvor<strong>der</strong>st tun. Wir sollten uns argumentativ mit denen auseinan<strong>der</strong><br />

setzen, die den Hass propagieren. Ich gestehe, das ist keine


leichte Aufgabe, aber eine Aufgabe, <strong>der</strong> wir uns unbedingt stellen<br />

müssen.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Aber vielleicht können die Abgeordneten noch etwas mehr tun. Die<br />

SPD-Fraktion dieses Hohen Hauses möchte mit gutem Beispiel<br />

vorangehen. Wir wollen die för<strong>der</strong>n und unterstützen, die sich für<br />

die Integration ausländischer Mitbürger vor allem im Jugend- und<br />

Kin<strong>der</strong>bereich engagieren. Dabei wollen wir nicht nur Auslän<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auch Aussiedler berücksichtigen. Denn, meine Damen und<br />

Herren, wir können und wollen uns nicht den Problemen verschließen,<br />

die auch die Aussiedler bei ihrer Integration in Sachsen haben.<br />

Wir beabsichtigen daher, im kommenden Jahr einen Integrationspreis<br />

für gelebte Integration auszuloben, mit dem Taten und nicht nur<br />

Worte geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen Demokratie auch<br />

als Politiker vorleben. Das beginnt bei <strong>der</strong> Wortwahl in <strong>der</strong><br />

politischen Debatte<br />

(Vereinzelt Beifall bei allen Fraktionen)<br />

und endet bei einem untadeligen Verhalten im öffentlichen und auch<br />

privaten Leben.<br />

(Vereinzelt Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Schließlich ist Politikverdrossenheit Wasser auf die Mühlen aller<br />

Extremisten.<br />

Aber wir haben auch die Aufgabe, es hier im Parlament nicht an<br />

deutlichen Worten fehlen zu lassen. Mit <strong>der</strong> Zustimmung zu dem<br />

vorliegenden Antrag kommen wir dieser Verantwortung nach.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile das Wort <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU. Herr<br />

Sandig, bitte.<br />

Sandig, CDU: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke<br />

zuerst einmal namens meiner Fraktion <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD, dass sie<br />

diesen Antrag eingebracht hat. Wir finden es sehr gut, dass wir uns<br />

durch diesen Antrag mit dieser Sache beschäftigen. Es war sinnvoll,<br />

dass Sie das getan haben. Ich bin dankbar dafür.<br />

Herr Innenminister Hardraht hat vorhin sehr ausführlich informiert.<br />

Herr Ministerpräsident Biedenkopf hat heute Morgen in seiner<br />

Regierungserklärung von den Mitteln gesprochen, die gegen<br />

aggressive Kräfte eingesetzt werden müssten, die die freiheitlichdemokratische<br />

Grundordnung bekämpfen. Er hat auch davon gesprochen,<br />

dass aus diesem Grunde Sachsen dem NPD-Verbotsantrag zugestimmt<br />

habe und dass damit von einem Instrument Gebrauch gemacht werde,<br />

das das Grundgesetz vorsähe. Das ist die eine, die politische bzw.<br />

juristische Seite. Die ist gut so.<br />

Aber - das ist Sinn dieser Debatte und dieses Antrags -<br />

Menschlichkeit und Toleranz gehen jeden Einzelnen etwas an. Es<br />

betrifft ihn, es betrifft uns, es betrifft unsere Familien, unsere<br />

Städte, unsere Kin<strong>der</strong>, die Menschen, für die wir verantwortlich<br />

sind, und auch die Menschen, die unter uns leben und denen wir fern<br />

stehen. Sie wollten wahrscheinlich, wenn es das gibt, eine ganz<br />

kleine Initialzündung erreichen, dass mehr über den schlimmen Hass


und die schlimme Gewalt geredet und mehr Fantasie für<br />

Menschlichkeit und Toleranz entwickelt wird.<br />

Für Menschlichkeit und Toleranz, gegen Hass und Gewalt - mit diesen<br />

Worten ist etwas umschrieben, was Kernelement unserer freiheitlichdemokratischen<br />

Grundordnung und unseres gesellschaftlichen<br />

Zusammenlebens ist o<strong>der</strong> wenigstens sein soll, nämlich die<br />

Menschenwürde.<br />

"Die Würde <strong>des</strong> Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu<br />

schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Meine Damen,<br />

meine Herren, aus gutem Grund haben die Verfassungsväter und -<br />

mütter <strong>des</strong> Grundgesetzes dies in Artikel 1 vorangestellt. Man muss<br />

wissen, wann dies geschrieben wurde. Für die nationalsozialistische<br />

Diktatur wie auch für an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Diktatur und Ideologie gab<br />

es keine vorgegebenen Freiheitsrechte. Im Mittelpunkt stand eben<br />

nicht <strong>der</strong> Mensch in seiner unangreifbaren Individualität, son<strong>der</strong>n<br />

eine ideologische Vorstellung, nach <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch zu funktionieren<br />

und in die er zu passen hatte. Individuelle Freiheit gab es nicht,<br />

son<strong>der</strong>n die Ideologie bestimmte, was Freiheit sein sollte. Gewiss,<br />

in <strong>der</strong> Freiheit kann man irren, aber es war wichtig, nach dieser<br />

Erfahrung diesen Satz dem Grundgesetz voranzustellen.<br />

Natürlich kann man sagen, dass die Menschenwürde im Sinne von<br />

Respekt vor <strong>der</strong> Individualität <strong>des</strong> an<strong>der</strong>en sehr wohl antastbar ist.<br />

Sie wird nicht nur angetastet, son<strong>der</strong>n auch nicht selten verletzt.<br />

Es ist eine Aufgabe, dass sie unantastbar wird.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Das wird deutlich in den fremdenfeindlichen Übergriffen, in<br />

Antisemitismus und Friedhofsschändungen. Wir wissen davon, <strong>der</strong><br />

Antrag formuliert das gut. Ich muss nicht sagen, dass wir das<br />

verabscheuen; das geht uns allen so.<br />

Aber - darauf ist ebenfalls hingewiesen worden - es gibt auch eine<br />

Intoleranz gegenüber Schwächeren und Min<strong>der</strong>heiten in unserer<br />

Gesellschaft. Bun<strong>des</strong>präsident Rau hat es in seiner Berliner Rede im<br />

Mai so beschrieben: "Es gibt eine aggressive Intoleranz gegenüber<br />

Auslän<strong>der</strong>n. Sie wird geför<strong>der</strong>t, wenn eine Mehrheit schweigt. Und<br />

wer schweigt, macht sich mitschuldig."<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> SPD - Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Meine Damen und Herren! Die Achtung vor <strong>der</strong> Menschenwürde erfor<strong>der</strong>t<br />

zuerst ein menschliches Handeln von uns und den uns nahe Stehenden,<br />

ein menschliches Handeln mit dem an<strong>der</strong>en Menschen und eine<br />

Begegnung mit ihm in Verständnis und Toleranz. Ich will dazu etwas<br />

sagen.<br />

Dazu gehört zunächst einmal, dass ich dem an<strong>der</strong>en Menschen,<br />

unabhängig davon, wie er ist und ob er mir weit weg, unangenehm und<br />

unsympathisch erscheint, mit Anstand gegenübertrete. Dies beginnt<br />

bereits mit <strong>der</strong> Sprache. Die Sprache, die ich verwende, prägt auch<br />

mein Bewusstsein. Es ist einfach unanständig, abfällige Bemerkungen<br />

zu machen, nur weil jemand eine an<strong>der</strong>e Hautfarbe hat, einer an<strong>der</strong>en<br />

Religion angehört o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Meinung hat. Für Toleranz<br />

einzutreten heißt zunächst, sich klarzumachen, dass eine plurale<br />

Gesellschaft ohne Toleranz überhaupt nicht auskommt.


Toleranz bedeutet nicht automatisch Akzeptanz, oh nein! Toleranz<br />

bedeutet vielmehr, Anschauungen und Einstellungen, Sitten und<br />

Gewohnheiten gelten zu lassen und zu respektieren. Toleranz kann<br />

auch an<strong>der</strong>es ertragen und erdulden. Dies ist manchmal sehr<br />

schmerzhaft; Toleranz tut weh.<br />

(Vereinzelt Beifall bei <strong>der</strong> SPD)<br />

Toleranz ist nichts Leichtes. Toleranz kann sogar manchmal für<br />

mich, <strong>der</strong> ich tolerant sein will, sehr hart sein. Aber ohne diese<br />

Toleranz ist eine plurale Gesellschaft überhaupt nicht<br />

funktionsfähig.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Aber es gibt Grenzen. Diese sind dann erreicht, wenn Gewalt das<br />

Mittel <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung wird. Dies ist nicht nur <strong>des</strong>halb <strong>der</strong><br />

Fall, weil damit gegen geltende Rechtsvorschriften verstoßen wird,<br />

son<strong>der</strong>n überhaupt. Gewalt, ob verbal o<strong>der</strong> tätlich, tritt dort auf,<br />

wo an<strong>der</strong>e Mittel <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung überhaupt nicht mehr<br />

vorgesehen sind. Aus unangemessenem und unreflektiertem Anlass wird<br />

Hass und in <strong>der</strong> Folge Gewalt zur Verwirklichung von Zielen. Für<br />

Toleranz ist dann kein Raum mehr.<br />

Meine Damen und Herren, von Kollegen Jurk ist daran erinnert<br />

worden, dass vor einer Woche viele Menschen in Dresden, Leipzig und<br />

an<strong>der</strong>norts in Sachsen und in ganz Deutschland dem Aufruf gefolgt<br />

sind, gegen Gewalt und für Toleranz einzutreten. Wir sahen<br />

eindrucksvolle Lichter- und Gesichterketten. Diese Menschen haben<br />

damit ein Zeichen gesetzt, dass sie für die Menschenwürde an<strong>der</strong>er<br />

und ein friedliches Zusammenleben einstehen und sich die Demokratie<br />

nicht von einer Min<strong>der</strong>heit zerstören lassen wollen.<br />

Wir sollten uns richtig verstehen: Es bleibt dabei, dass in <strong>der</strong><br />

politischen Auseinan<strong>der</strong>setzung um Standpunkte gerungen und<br />

gestritten werden muss. Dafür sind wir natürlich auch in diesem<br />

Parlament. In <strong>der</strong> Demokratie geht es auch darum, sich zu verstehen<br />

und zu verständigen. Dabei tut es <strong>der</strong> Demokratie nicht gut, sich in<br />

feindschaftlichem Ton auseinan<strong>der</strong> zu setzen. Aber auch in einer<br />

Demokratie, wie wir sie verstehen, muss es Themen geben, zu denen<br />

man sich über politische Grenzen hinweg einig ist.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Ich möchte daher an Sie alle und an alle im Land, die von uns<br />

hören, appellieren, aus Respekt vor den Menschen im Sinne eines<br />

weltoffenen und toleranten Sachsens ideologiearm für Menschlichkeit<br />

und Toleranz und gegen Hass und Gewalt wirklich einzutreten.<br />

Erlauben Sie mir, dass ich in diesem Sinne als gelernter Theologe<br />

meinen Beitrag mit einem Zitat von Albrecht Goes, dem Dichter und<br />

Pfarrer aus Schwaben, aus seiner Erzählung "Das Brandopfer" beende:<br />

"Nur ein Zeichen gilt es aufzurichten im Gehorsam gegen das Zeichen<br />

<strong>des</strong> Ewigen, das lautet: 'Bis hierher und nicht weiter.'"<br />

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, für Menschlichkeit und<br />

Toleranz, gegen Hass und Gewalt!<br />

(Beifall <strong>des</strong> ganzen Hauses)<br />

Präsident Iltgen: Ich erteile <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS das Wort. Herr<br />

Adamczyk, bitte.


Adamczyk, PDS: Herr Präsident, ich würde darum bitten, dass ich<br />

meine Rede zu Protokoll geben kann. Sie waren vorhin so schnell<br />

gewesen, dass Sie gar nicht bemerkt haben, als ich mich vor <strong>der</strong><br />

Rede <strong>des</strong> Staatsministers zu unserem Antrag noch zu Wort meldete.<br />

Ich bitte darum, dass mein Redebeitrag im Protokoll vor <strong>der</strong> Rede<br />

<strong>des</strong> Staatsministers erscheint, weil es sonst chronologisch nicht<br />

passt.<br />

Präsident Iltgen: Das nehme ich zur Kenntnis.<br />

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? - Dann hat die<br />

PDS-Fraktion die Möglichkeit das Schlusswort zu halten. Herr Prof.<br />

Bramke, bitte.<br />

Prof. Dr. Bramke, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen<br />

und Herren! Wir haben eine bemerkenswerte Debatte erlebt. Es schien<br />

fast, als ob dem Redebeitrag <strong>der</strong> PDS kein Beitrag folgen sollte,<br />

son<strong>der</strong>n nur noch die Begründung <strong>des</strong> Antrages <strong>der</strong> SPD. Ich verstehe<br />

aber Ihre Rede, Kollege Jurk, auch als Redebeitrag zur Debatte. Ich<br />

war auch froh, dass dann von Kollegen Sandig <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> CDU<br />

gekommen ist. Es waren auch im Inhalt bemerkenswerte Beiträge<br />

aller. Es ließe sich viel dazu sagen, aber eines macht betroffen:<br />

dass in den Beiträgen von SPD und CDU keinerlei Bezug zu dem Antrag<br />

<strong>der</strong> PDS genommen wurde. Dies war Ausgrenzung.<br />

Es ist in allen Beiträgen von Aufklärung gesprochen worden. Wir<br />

wissen auch, wie unerhört schwierig Aufklärung bei diesem Thema<br />

ist. Wenn Sie mit Lehrerinnen und Lehrern sprechen, werden Sie fast<br />

Hoffnungslosigkeit erfahren.<br />

In einer sehr interessanten und sehr gut besuchten Veranstaltung<br />

zum 9. November 1938 vor einer Woche in Dresden hat ein Psychologe<br />

von <strong>der</strong> Technischen Universität Dresden, Prof. Brandis, aus seiner<br />

Praxis und mit theoretischer Untermauerung gesagt: "Im Grunde ist<br />

Aufklärung bei diesem Thema hoffnungslos. Hier werden Symbole<br />

geglaubt und gegen diese kann man nur mit ähnlichen Mitteln<br />

argumentieren."<br />

Natürlich weiß er auch, dass es ohne Aufklärung nicht geht. Aber<br />

was hier deutlich wurde: Wenn Aufklärung so einseitig gemacht wird,<br />

wenn die Argumente an<strong>der</strong>er nicht aufgenommen werden, wenn nur in<br />

eine Richtung argumentiert wird, dann wird Aufklärung nicht die<br />

Wirkung haben.<br />

Eines möchte ich noch sagen und nicht nur als Abgeordneter <strong>der</strong> PDS,<br />

son<strong>der</strong>n als Historiker, <strong>der</strong> sich in die Diskussion um Faschismus<br />

und Antifaschismus in Deutschland eingemischt und leidlich Gehör<br />

verschafft hat, auch vor 1989 international, auch in <strong>der</strong><br />

Bun<strong>des</strong>republik: Das Menetekel von Weimar sollte hier nie vergessen<br />

werden. Das Menetekel <strong>des</strong> Untergangs von Weimar, geschlagen <strong>vom</strong><br />

Rechtsextremismus, diese Entwicklung war nicht zwingend notwendig,<br />

aber sie war früh vorgezeichnet, als sie mit einer Ausgrenzung von<br />

starken Min<strong>der</strong>heiten begann, und zwar mit einer mör<strong>der</strong>ischen<br />

Ausgrenzung. Ich meine den Mord an Karl Liebknecht und Rosa<br />

Luxemburg, die heute in allen politischen Lagern als<br />

Persönlichkeiten hoch geachtet werden. Diese Ausgrenzung hat von<br />

Anfang an dazu geführt, dass die Kräfte <strong>der</strong> Demokratie und <strong>des</strong><br />

Antifaschismus - was nicht immer identisch war - schwach und


gespalten waren. Daran sollten wir heute denken, dass wir es uns<br />

mit <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Rechtsextremismus nicht so<br />

einfach machen, son<strong>der</strong>n Ausgrenzung immer zur Schwächung <strong>der</strong>jenigen<br />

führt, die den Rechtsextremismus bekämpfen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Die wirkliche Debatte <strong>des</strong> Landtages steht <strong>des</strong>halb noch aus. Wir<br />

brauchen noch die gemeinsame Positionsbestimmung <strong>der</strong> Fraktionen,<br />

wie wir zur Situation in Sachsen stehen, generell zum Problem <strong>des</strong><br />

Rechtsextremismus.<br />

Ich nehme das auf, Kollege Sandig, was Sie gesagt haben: Dazu<br />

bedarf es auch <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> Meinung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Deshalb<br />

bitte ich Sie noch einmal, vor allen Dingen die Damen und Herren<br />

<strong>der</strong> CDU, dass Sie das, was Sie heute gemacht haben, nicht als Ihre<br />

endgültige Haltung stehen lassen.<br />

Noch eine Erinnerung: Einer <strong>der</strong> bekanntesten europäischen<br />

Historiker <strong>der</strong> Nachkriegszeit nach dem Weltkrieg Nummer II, Walter<br />

Markow, <strong>der</strong> als Antifaschist zu einer langjährigen Haftstrafe<br />

verurteilt wurde und zehneinhalb Jahre in Einzelhaft im Zuchthaus<br />

Siegburg gesessen hat und <strong>der</strong> dann 1946, ganz an<strong>der</strong>s als die<br />

meisten an<strong>der</strong>en, seinen Weg von Bonn nach Leipzig, also von West<br />

nach Ost, genommen hat und <strong>der</strong> schon bald darauf in <strong>der</strong> DDR<br />

wie<strong>der</strong>um auf Ablehnung stieß und gemaßregelt wurde, trotzdem aber<br />

dort geblieben ist, weil er seinen antifaschistischen Überzeugungen<br />

am besten so nachzukommen glaubte, sagte einmal - das ist vor allen<br />

Dingen wichtig -, als er auf eine Situation in <strong>der</strong><br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Faschismus hingewiesen wurde: "Nein, so<br />

einfach war es nicht. Es war viel komplizierter." Nach einer Pause<br />

<strong>des</strong> Nachdenkens fügte er hinzu: "Es ist immer viel komplizierter."<br />

Ich meine, das sollten wir auch wirklich bedenken. Die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Rechtsextremismus ist mittelfristig<br />

nicht abzusehen und sie kann sogar Jahrzehnte dauern. Wir wissen es<br />

nicht. Aber diese relative Gewissheit und Ungewissheit zugleich vor<br />

Augen zu haben, trotzdem nicht zu resignieren, zwingt uns, eben<br />

nicht zu vereinfachen, son<strong>der</strong>n gemeinsam zu handeln. Daran<br />

appelliere ich.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> PDS)<br />

Präsident Iltgen: Ein weiteres Schlusswort hat die Fraktion <strong>der</strong><br />

SPD. Sie verzichtet.<br />

Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Beschlussfassung über die<br />

Drucksache 3/2461 kommen, frage ich die Antragstellerin, die<br />

Fraktion <strong>der</strong> PDS, ob sie gemäß § 53 Abs. 6 den vorliegenden Antrag<br />

als erledigt erklären will.<br />

(Dr. Hahn, PDS: Ja!)<br />

Ich frage jetzt auch die Fraktion <strong>der</strong> SPD.<br />

(Jurk, SPD: Wir bitten um Abstimmung.)<br />

Ich stelle nun die Drucksache 3/3025 zur Abstimmung und bitte bei<br />

Zustimmung um Ihr Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer<br />

enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Damit ist die Drucksache einstimmig<br />

beschlossen.<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)<br />

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.


Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 13<br />

Ganztagsschulen in Sachsen<br />

Drucksache 3/2070, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD, mit Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Herr Hatzsch bittet um das Wort.<br />

Hatzsch, SPD: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und<br />

Kollegen! Ich glaube, nach einem anstrengenden Tag haben wir jetzt<br />

auch durch unser einstimmiges Abstimmungsverhalten zu diesem Thema<br />

einen Höhepunkt erreicht. Ich würde das komplizierte Thema<br />

"Ganztagsschulen in Sachsen" an den Schulausschuss überweisen<br />

wollen.<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Präsident Iltgen: Wir müssen darüber eine Abstimmung herbeiführen.<br />

Wer dafür ist, dass diese Drucksache an den Ausschuss überwiesen<br />

wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? -<br />

Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Damit ist die Überweisung einstimmig<br />

beschlossen.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 14<br />

Perspektiven <strong>der</strong> Viehwirtschaft in Sachsen<br />

Drucksache 3/0826, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, mit Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Es gibt eine Wortmeldung.<br />

Leroff, CDU: Herr Präsident! Wir bitten, abgesprochen mit den<br />

an<strong>der</strong>en Fraktionen, dieses Thema im Ausschuss zu behandeln und über<br />

die Überweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und<br />

Forsten abstimmen zu lassen.<br />

Präsident Iltgen: Dann lasse ich auch hierüber abstimmen. Wer mit<br />

<strong>der</strong> Überweisung an den genannten Ausschuss einverstanden ist, den<br />

bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer ist dagegen? - Wer<br />

enthält sich? - Dann ist die Überweisung einstimmig so beschlossen<br />

und <strong>der</strong> Tagesordnungspunkt 14 beendet.<br />

Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 15<br />

Sicherheiten für die Übertragung wertvoller Naturschutzflächen nach<br />

dem Vermögensrechtsergänzungsgesetz in Sachsen<br />

Drucksache 3/2697, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, mit Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in<br />

<strong>der</strong> ersten Runde: PDS, CDU, SPD, CDU; Staatsregierung, wenn<br />

gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Die Fraktion <strong>der</strong> PDS hat das<br />

Wort. Frau Roth, bitte.<br />

(Frau Roth gibt ihren Redebeitrag zu Protokoll.)<br />

(Beifall bei <strong>der</strong> CDU)<br />

Präsident Iltgen: Wünschen die Fraktionen <strong>der</strong> CDU und <strong>der</strong> SPD das<br />

Wort?<br />

(Die Redebeiträge <strong>der</strong> Fraktionen <strong>der</strong> CDU und<br />

<strong>der</strong> SPD sowie <strong>der</strong> Staatsregierung werden<br />

ebenfalls zu Protokoll gegeben.)<br />

(Beifall bei allen Fraktionen)


Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren! Da es keine weiteren<br />

Wortmeldungen gibt, ist <strong>der</strong> Tagesordnungspunkt beendet.<br />

Erklärungen zu Protokoll<br />

Frau Roth, PDS: Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und<br />

Herren! Die Umsetzung <strong>des</strong> Naturschutzflächenkompromisses ist in die<br />

abschließende heiße Phase gekommen. Seit Ende Oktober hat das<br />

Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>der</strong> Finanzen den verfügten einstweiligen<br />

Verkaufsstopp von BVVG-Flächen aufgehoben.<br />

Sachsen wird zwar von dem Kuchen <strong>der</strong> 100 000 Hektar<br />

Naturschutzflächen in Ostdeutschland das geringste Stück erhalten<br />

können. Aber gerade <strong>des</strong>halb ist es <strong>der</strong> PDS-Fraktion wichtig, dass<br />

alle Flächen, die überhaupt beansprucht werden können, in die Hände<br />

<strong>des</strong> Freistaates, von Kommunen bzw. von Naturschutzverbänden und -<br />

vereinen gelangen. Diese Sicherheiten möchten wir erhalten. Deshalb<br />

haben wir den Antrag <strong>der</strong> PDS-Fraktion Drucksache 3/2697 auf die<br />

Tagesordnung gesetzt.<br />

Unsere Bedenken, dass es bis zur tatsächlichen Übertragung <strong>der</strong><br />

Flächen noch ein beschwerlicher Weg ist, möchte ich an einigen<br />

Beispielen erläutern.<br />

Bereits beim Abgleich <strong>der</strong> Zahlen über die infrage kommenden<br />

Naturschutzflächen stellen wir Unstimmigkeiten fest. Nach Aussagen<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung hat Sachsen bei <strong>der</strong> BVVG vorsorglich einen<br />

Flächenbedarf von ca. 1 730 ha angemeldet. Ob das tatsächlich<br />

vorsorglich war, bleibt offen; denn ich vermute, dass <strong>der</strong><br />

Flächenanspruch größer ist. Beispielsweise fehlen im Vogtland das<br />

Naturschutzgebiet Hirschberg bei Bad Brambach und das NSG<br />

Feilebach.<br />

Von den nun angemeldeten 1 730 Hektar sollen 920 Hektar kostenlos<br />

erworben werden und 832 Hektar gekauft bzw. getauscht werden. In<br />

den Büchern <strong>der</strong> BVVG sind sächsische Naturschutzflächen jedoch nur<br />

in einem Umfang von 1 205,5 Hektar ausgewiesen, davon 474,8 Hektar<br />

Forstflächen und 499,5 Hektar landwirtschaftliche Flächen.<br />

Die Frage nach den Gründen, warum Sachsen mehr Flächen begehrt, als<br />

die Privatisierungsstelle überhaupt in ihr<br />

Naturschutzflächenverzeichnis aufgenommen hat, muss <strong>des</strong>halb<br />

berechtigt sein. Die Differenz könnte beispielsweise dadurch<br />

entstanden sein, dass in <strong>der</strong> Privatisierungsstelle keine Daten über<br />

den Umfang <strong>der</strong> einstweilig gesicherten Naturschutzflächen o<strong>der</strong> von<br />

Naturschutzflächen existieren, die sich in einem förmlich<br />

eingeleiteten Unterschutzstellungsverfahren befinden. Das muss<br />

schnellstens geklärt werden.<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage: Was wird aus den<br />

nach dem Schutzgebietsprogramm <strong>des</strong> Umweltministeriums 1995 bis 1999<br />

als Naturschutzgebiet neu vorgesehenen 14 Gebieten, die bisher aber<br />

nicht unter Schutz gestellt sind? Wie soll hier verfahren werden?<br />

Das SMUL hatte die beanspruchten Naturschutzflächen zum 1. Februar<br />

2000 angemeldet. In den darauf folgenden neun Monaten gelang es den<br />

Verantwortlichen im Staatsministerium nicht, die Wünsche auf<br />

Übertragung, Tausch und Kauf flächenkonkret, das heißt<br />

flurstücksgenau, <strong>der</strong> Privatisierungsstelle mitzuteilen. Hier<br />

besteht nach meiner Auffassung akuter Handlungsbedarf. Auf welcher


Basis sonst sollen die Abstimmungen zwischen dem Land und <strong>der</strong><br />

Geschäftsführung <strong>der</strong> BVVG erfolgen?<br />

Die Verhandlungen werden sich nach unserer Meinung schwierig<br />

gestalten. Die Regelungen im Vermögensrechtsergänzungsgesetz zu<br />

wertvollen Naturschutzflächen haben ihre Tücken. So gibt das Gesetz<br />

so genannten Berechtigten, wie Alteigentümern und Pächtern mit<br />

langfristigen Verträgen, im Erwerb Vorrang vor <strong>der</strong> Flächensicherung<br />

für den Naturschutz. Nur ein Fakt sei in diesem Zusammenhang<br />

genannt: Die BVVG hat mehr als 90 % <strong>der</strong> annähernd eine Million<br />

Hektar umfassenden landwirtschaftlichen Flächen langfristig<br />

verpachtet. Es ist <strong>des</strong>halb davon auszugehen, dass auch ein großer<br />

Teil <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Naturschutzflächen langfristig<br />

verpachtet ist. Aber das ist eben nur feststellbar, wenn Sachsen<br />

die flächenkonkreten Angaben liefert.<br />

Weiterhin sind die Län<strong>der</strong> angehalten alle Flächen zu erwerben, die<br />

sich in einem Verkaufslos befinden, auch wenn die<br />

Schutzgebietsflächen unter Umständen nur einen kleinen<br />

Flächenanteil <strong>des</strong> Verkaufsloses ausmachen. Das<br />

Ausgleichsleistungsgesetz schließt eine Teilung von Verkaufslosen<br />

grundsätzlich nicht aus, wenngleich die Verwertungskosten steigen.<br />

Es bedarf wohl je<strong>des</strong> Mal <strong>der</strong> Einzelfallprüfung, ob und unter<br />

welchen Bedingungen kleine Naturschutzflächen aus großen<br />

Flurstücken herausgelöst werden. Und es bedarf sehr wohl vor allem<br />

eines Verhandlungsauftrages und viel Verhandlungsgeschicks, damit<br />

möglichst alle diese Flächen in das Eigentum <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, <strong>der</strong><br />

Naturschutzverbände o<strong>der</strong> Naturschutzstiftungen kommen.<br />

Alles in allem ist noch erheblicher Handlungsbedarf vonseiten <strong>der</strong><br />

Staatsregierung, zumal <strong>der</strong> Verkauf durch die BVVG nur die erste<br />

Runde sein wird. In <strong>der</strong> nächsten Runde werden die Flächen <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong>vermögensamtes zum Verkauf anstehen, unter an<strong>der</strong>em Flächen<br />

<strong>des</strong> "Grünen Ban<strong>des</strong>" an <strong>der</strong> ehemaligen deutsch-deutschen Grenze<br />

sowie Truppenübungsplätze wie <strong>der</strong> Truppenübungsplatz Schneeberg.<br />

Deshalb bleibt <strong>der</strong> im PDS-Antrag formulierte Handlungsauftrag hoch<br />

aktuell: nämlich, mit <strong>der</strong> Geschäftsführung <strong>der</strong> BVVG zu<br />

Übereinkünften über die einzelnen Übertragungslose für jede<br />

Naturschutzfläche zu kommen und die finanziellen Grundlagen für die<br />

Übertragung bzw. den Flächenerwerb o<strong>der</strong> Flächentausch zu schaffen.<br />

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.<br />

Prof. Dr. Mannsfeld, CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren!<br />

Den Regelungen <strong>des</strong> Vermögensrechtsergänzungsgesetzes folgend,<br />

beabsichtigt <strong>der</strong> Bund 100 000 Hektar naturschutzrelevante Flächen<br />

den neuen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n zu übertragen. Der Freistaat Sachsen hat<br />

eine Anmeldung von rund 2 500 Hektar bei <strong>der</strong> BVVG vorgelegt, die<br />

auf dem Wege einer unentgeltlichen Übertragung in den Besitz <strong>des</strong><br />

Freistaates gelangen sollen. Diese Flächen umfassen, wie in <strong>der</strong><br />

Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung auf den zu verhandelnden PDS-Antrag<br />

deutlich gemacht, Flächen in 28 Naturschutzgebieten und solchen in<br />

den Großschutzgebieten Biosphärenreservat und Nationalpark.<br />

Noch ist zum heutigen Zeitpunkt nicht entschieden, ob das BMF die<br />

Übertragung durch Notarverträge o<strong>der</strong> Vermögenszuordnung vornimmt.<br />

Es erscheint mir aber töricht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt


finanzielle For<strong>der</strong>ungen zu erheben - wie sie in den Ziffern 2a) bis<br />

2c) im Antrag formuliert sind. Gegenüber <strong>der</strong> BVVG wäre dies das<br />

falsche Signal. Denn unser Interesse muss es sein, so viele <strong>der</strong><br />

fachlich infrage kommenden Flächen wie möglich unentgeltlich<br />

übernehmen zu können. Mit <strong>der</strong> Annahme <strong>des</strong> PDS-Antrages würden wir<br />

<strong>der</strong> Staatsregierung jedenfalls kein Mandat für eine vernünftige<br />

Flächenpolitik unter Beachtung von Naturschutzinteressen geben.<br />

Man könnte sich vorstellen, dass die fraglichen Flächen im<br />

Regelfall ins Lan<strong>des</strong>vermögen übernommen werden. Anschließend könnte<br />

in einem noch zu konkretisierenden Verfahrensweg bestimmt werden,<br />

wie nach Vorlage von Pflegekonzepten diese Flächen auch durch<br />

geeignete Dritte, wie anerkannte Naturschutzverbände o<strong>der</strong> auch in<br />

beson<strong>der</strong>en Fällen land- und forstwirtschaftliche Betriebe, betreut<br />

werden können. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es im<br />

Einzelfall auch zum Flächenerwerb durch die genannten Dritten<br />

kommen kann.<br />

Noch sind die Verhandlungen zwischen dem Freistaat Sachsen und <strong>der</strong><br />

BVVG nicht abgeschlossen und damit ist auch das Verfahren in<br />

Sachsen noch nicht endgültig festgelegt. In diesem Kontext stellt<br />

<strong>der</strong> Antrag Drucksache 3/2697 wegen seiner einseitigen<br />

Betrachtungsweise keine Hilfe dar.<br />

Frau Klein, SPD: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Zuge<br />

<strong>der</strong> deutschen Wie<strong>der</strong>vereinigung gelang es in den neuen<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n, die wertvollsten Naturräume in Nationalparks,<br />

Biosphärenreservaten und Naturparks zu sichern. Der damalige<br />

Bun<strong>des</strong>umweltminister Klaus Töpfer sprach angesichts <strong>der</strong><br />

international beachteten Schutzgebiete mit ihren Seeadlern,<br />

Kranichen, Bibern und Orchideen <strong>vom</strong> "Tafelsilber <strong>der</strong> deutschen<br />

Einheit". Vor <strong>der</strong> Novelle <strong>des</strong> Vermögensrechtsergänzungsgesetzes war<br />

<strong>der</strong> Erfolg dieser Bemühungen ernsthaft gefährdet. Während in<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n das nationale Naturerbe für einen konsequenten<br />

Schutz <strong>vom</strong> Staat angekauft wird, tat sich die frühere<br />

Bun<strong>des</strong>regierung mit <strong>der</strong> Entscheidung schwer, ihre bun<strong>des</strong>eigenen<br />

Grundstücke in den Schutzgebieten von einem Verkauf an private<br />

Interessenten auszunehmen. Sie beauftragte die Bodenverwertungs-<br />

und -verwaltungs GmbH, die Nachfolgerin <strong>der</strong> Treuhandanstalt, mit<br />

<strong>der</strong> Privatisierung dieser Flächen.<br />

Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1998 wurde in den<br />

Koalitionsvereinbarungen <strong>der</strong> rot-grünen Bun<strong>des</strong>regierung festgelegt<br />

- ich zitiere: "Der Ausverkauf von Schutzgebieten in den neuen<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n wird unverzüglich gestoppt und ein Konzept zur<br />

Sicherung <strong>des</strong> nationalen Naturerbes erarbeitet."<br />

Im November 1998 for<strong>der</strong>t die Umweltministerkonferenz auf Initiative<br />

<strong>der</strong> neuen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>, insbeson<strong>der</strong>e von Brandenburg, die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung auf, den Verkauf von ostdeutschen<br />

Naturschutzflächen zu stoppen. Der Beschluss fällt einstimmig.<br />

Minister Trittin sagt daraufhin die Überprüfung zu, ob eine<br />

kostenfreie Übertragung <strong>der</strong> Naturschutzgrundstücke an eine zu<br />

gründende Bun<strong>des</strong>stiftung Naturschutz möglich ist.<br />

Noch im Dezember 1998 verfügt daraufhin <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>finanzminister<br />

den Verkaufsstopp für die BVVG-Flächen. Am 7. Juli dieses Jahres


erklärt Staatsminister Rolf Schwanitz nach erfolgter<br />

Schlussberatung <strong>des</strong> Vermögensrechtsergänzungsgesetzes durch den<br />

Deutschen Bun<strong>des</strong>tag u. a. Folgen<strong>des</strong>:<br />

"Nach intensiven Verhandlungen wurde auch eine Regelung gefunden,<br />

die wertvollen Naturschutzflächen zu bewahren. Für den Naturschutz<br />

stehen nun 100 000 Hektar zur Verfügung. Davon erhalten die Län<strong>der</strong><br />

als Träger <strong>des</strong> Naturschutzes bzw. die Naturschutzverbände o<strong>der</strong> -<br />

stiftungen bis zu 50 000 Hektar unentgeltlich. Die übrigen bis zu<br />

50 000 Hektar können die neuen Län<strong>der</strong> gegen eigene Flächen<br />

tauschen." Und er führt weiter aus: "Mit dieser Regelung löst die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung ihre Zusage aus dem Koalitionsvertrag ein. Der<br />

Ausverkauf von Naturschutzflächen, <strong>des</strong> 'Tafelsilbers' <strong>der</strong> deutschen<br />

Einheit, wurde gestoppt. Der Naturschutz wird auf eine neue und<br />

dauerhafte eigentumsrechtliche Grundlage gestellt. Die neuen Län<strong>der</strong><br />

sind nun aufgefor<strong>der</strong>t, die rechtlichen Möglichkeiten zum Lan<strong>der</strong>werb<br />

intensiv zu nutzen und dabei auch ihrerseits die<br />

Naturschutzverbände zu unterstützen."<br />

Wie aus <strong>der</strong> Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung hervorgeht, hat <strong>der</strong><br />

Freistaat bisher nur einen Flächenbedarf von 1 730 Hektar<br />

angemeldet. Wie schon erwähnt stehen jedoch insgesamt in den neuen<br />

Län<strong>der</strong>n 100 000 Hektar Naturschutzfläche zur Disposition.<br />

Nun frage ich mich: Ist sich die Staatsregierung überhaupt <strong>der</strong><br />

Chance bewusst, im Zuge dieses Verfahrens ihren Teil <strong>des</strong><br />

"Tafelsilbers <strong>der</strong> deutschen Einheit" zu sichern?<br />

Die angemeldeten 1 730 Hektar, die noch dazu aus <strong>der</strong> kostenlosen<br />

Zuteilung erwartet werden, spiegeln nicht unbedingt das Bemühen um<br />

die Mehrung <strong>der</strong> sächsischen Naturschutzfläche wi<strong>der</strong>. So kann es<br />

auch nicht verwun<strong>der</strong>n, dass im Haushalt für den Flächenerwerb in<br />

keiner angemessenen Weise Gel<strong>der</strong> eingestellt sind. Für mich lässt<br />

das nur den Schluss zu, dass die Staatsregierung - zumin<strong>des</strong>t<br />

vorerst - keine weiteren wertvollen Naturschutzflächen aufzukaufen<br />

gedenkt.<br />

Es ist weiterhin zu fragen, inwieweit die Naturschutzverbände in<br />

die Eruierung zu erwerben<strong>der</strong> Flächen eingebunden waren und sind.<br />

Das Gesetz sieht vor, dass nur die durch das Land autorisierten<br />

Verbände bzw. Stiftungen im Zuge <strong>der</strong> Aufteilung <strong>der</strong> 100 000 Hektar<br />

als Erwerber berücksichtigt werden können. Eine eigene Bewerbung<br />

<strong>der</strong> Verbände ist insofern ausgeschlossen.<br />

Die Län<strong>der</strong> sind also aufgerufen, im Einvernehmen mit den<br />

interessierten Verbänden gemeinsame Lösungen zu finden.<br />

Um den Flächenpool möglichst umfangreich auszuschöpfen, for<strong>der</strong>t die<br />

SPD-Fraktion die Staatsregierung auf, wenn sie die Flächen schon<br />

nicht selbst erwerben möchte, wenigstens die interessierten<br />

Verbände zu unterstützen und hierfür die entsprechenden<br />

Haushaltsmittel bereitzustellen.<br />

Die SPD-Fraktion for<strong>der</strong>t die Staatsregierung auf, sich darüber<br />

hinaus verstärkt um den Erwerb schutzwürdiger Flächen zu bemühen<br />

und die Naturschutzverbände dabei aktiv einzubeziehen.<br />

Und wir for<strong>der</strong>n die Staatsregierung zum Dritten auf, falls sich<br />

nach Abschluss <strong>des</strong> Verfahrens nach dem<br />

Vermögensrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetz weiterhin Naturschutzflächen in <strong>der</strong>


Verwaltung <strong>der</strong> BVVG befinden, sich dafür stark zu machen, dass die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung diese Flächen ausschließlich - gegebenenfalls auch<br />

direkt - an engagierte Naturschutzverbände überträgt.<br />

Prof. Dr. Milbradt, Staatsminister <strong>der</strong> Finanzen: Herr Präsident!<br />

Meine Damen und Herren! Seit dem 22.9.2000 ist das<br />

Vermögensrechtsergänzungsgesetz in Kraft. Die Regelungen sehen u.<br />

a. vor, dass bis zu 100 000 Hektar Naturschutzfläche aus dem <strong>vom</strong><br />

BVVG zu privatisierenden Flächenbestand zugunsten <strong>der</strong> Interessen<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> herausgenommen werden können.<br />

Hiervon haben die Län<strong>der</strong> als Träger <strong>des</strong> Naturschutzes o<strong>der</strong><br />

Naturschutzverbände die Möglichkeit, bis zu 50 000 Hektar<br />

unentgeltlich zu erhalten. Davon entfallen bis zu 20 000 Hektar auf<br />

Flächen, bei denen eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung<br />

ausgeschlossen ist o<strong>der</strong> ausgeschlossen werden soll; bis zu weitere<br />

20 000 Hektar betreffen forstwirtschaftlich genutzte Flächen<br />

vorrangig in Nationalparks sowie in Kernzonen von<br />

Biosphärenreservaten. Die restlichen 10 000 Hektar können für<br />

forstwirtschaftlich genutzte Flächen unter 30 Hektar vorrangig in<br />

Nationalparks sowie in Kernzonen von Biosphärenreservaten in<br />

Anspruch genommen werden. Die übrigen 50 000 Hektar können zum<br />

Verkehrswert gekauft werden o<strong>der</strong> die Län<strong>der</strong> können sie gegen eigene<br />

Flächen tauschen.<br />

Eine Quote für die einzelnen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> ist dabei durch das<br />

Gesetz nicht vorgegeben.<br />

Mit <strong>der</strong> neuen Regelung übernehmen insbeson<strong>der</strong>e die Län<strong>der</strong> eine<br />

große Verantwortung für den langfristigen Schutz <strong>des</strong> nationalen<br />

Naturerbes.<br />

Daher liegt es nach In-Kraft-Treten <strong>des</strong> Gesetzes im Bestreben <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, schnellstmöglich die zur Verfügung stehenden<br />

Flächen aus dem Privatisierungsauftrag <strong>der</strong> BVVG herauszunehmen.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Durchführung <strong>des</strong> Vermögensrechtsergänzungsgesetzes<br />

sieht <strong>der</strong> Wortlaut zwar vor, dass die Privatisierungsstelle die<br />

Län<strong>der</strong> unterrichtet, wenn sie beabsichtigt, entsprechende Flächen<br />

zu verkaufen. Die Flächen werden an das Land übereignet, wenn ein<br />

Land gegenüber <strong>der</strong> Privatisierungsstelle innerhalb einer Frist von<br />

sechs Monaten nach <strong>der</strong> Benachrichtigung erklärt, dass die Fläche<br />

erworben werden soll. Die Frist kann auf Antrag <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> um bis<br />

zu drei Monate verlängert werden.<br />

Dessen ungeachtet strebt <strong>der</strong> Bund jedoch, insbeson<strong>der</strong>e für den<br />

unentgeltlich zu übertragenden Flächenanteil von 50 000 Hektar,<br />

eine Vorabstimmung mit den Län<strong>der</strong>n an. Ziel ist eine Bund-Län<strong>der</strong>-<br />

Vereinbarung möglichst bis Jahresende.<br />

Die Abstimmungen zwischen den Ressorts sind im Freistaat Sachsen<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Gegenüber dem<br />

Bund wurde jedoch bereits im Rahmen <strong>des</strong> Gesetzgebungsverfahrens im<br />

Februar 2000 eine erste Flächenmeldung abgegeben.<br />

Nach <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>abstimmung <strong>vom</strong> 19.10.2000 besteht für Sachsen bei<br />

Bedarf die Möglichkeit <strong>der</strong> unentgeltlichen Flächenübertragung von<br />

bis zu insgesamt ca. 2 500 Hektar, auch wenn hierfür <strong>der</strong>zeit noch<br />

keine endgültige Abstimmung erfolgt ist.


Ein darüber hinausgehen<strong>der</strong> Erwerb von Flächen zum Verkehrswert bzw.<br />

ein Tausch von Naturschutzflächen ist seitens <strong>des</strong> Freistaates<br />

Sachsen <strong>der</strong>zeit nicht vorgesehen. Da sich auch die an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong><br />

sehr zurückhaltend bei dieser Erwerbsform zeigen, ist davon<br />

auszugehen, dass durch diese Nichtausschöpfung <strong>der</strong><br />

Erwerbsmöglichkeit den Län<strong>der</strong>n die Möglichkeit <strong>des</strong> weiteren<br />

Naturschutzflächenerwerbs durch Kauf o<strong>der</strong> Tausch im Rahmen <strong>des</strong><br />

offenen Kontingents verbleibt und gegebenenfalls zu einem späteren<br />

Zeitpunkt im weiteren Verfahren geltend gemacht werden könnte.<br />

Wie bereits erwähnt ist die Abstimmung über die unentgeltlich zu<br />

übertragenden Flächen noch nicht abgeschlossen. Für eine mögliche<br />

Flächenübertragung zu Naturschutzzwecken kommen <strong>der</strong>zeit aus<br />

naturschutzfachlicher Sicht Forstflächen in 28 Naturschutzgebieten<br />

sowie dem Nationalpark "Sächsische Schweiz" und dem<br />

Biosphärenreservat "Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft" in<br />

Betracht.<br />

Am 7.11.2000 fand ein zweites Bund-Län<strong>der</strong>-Gespräch statt. Daraus<br />

ging hervor, dass das BMF - trotz leichter Überzeichnung mit 53 000<br />

Hektar - die Flächenanmeldung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für die unentgeltlich zu<br />

übertragenden Flächen akzeptiert.<br />

Offen ist <strong>der</strong>zeit auch noch das Verfahren <strong>der</strong> Übertragung. Die von<br />

den Län<strong>der</strong>n favorisierte Übertragung im Wege <strong>der</strong> Vermögenszuordnung<br />

wird <strong>vom</strong> Bund abgelehnt. Seitens <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> wird die Übereignung<br />

durch notarielle Verträge vorgeschlagen. Ein hierzu <strong>vom</strong> Bund<br />

vorgelegtes Vertragsmuster wird <strong>der</strong>zeit durch SMUL und SMF geprüft.<br />

Über die einzelnen notariellen Verträge hinaus streben BMF und BVVG<br />

eine Rahmenvereinbarung mit den jeweiligen Län<strong>der</strong>n an, die neben<br />

<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Eigentumsübertragung grobe Zahlenangaben zum<br />

Flächenumfang sowie den Praxisvollzug und weitere Formalien<br />

enthalten soll. Darüber hinaus soll damit die<br />

Bewirtschaftungsbeendigung <strong>der</strong> BVVG geregelt werden. Ein Entwurf<br />

hierzu liegt noch nicht vor.<br />

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben den Chancen, die<br />

diese neue Regelung für den langfristigen Schutz <strong>des</strong> nationalen<br />

Naturerbes eröffnet, sind mit dem Gesetz auch finanzielle Risiken<br />

und Folgebelastungen für den Freistaat Sachsen verknüpft.<br />

Je größer die zu übernehmende Fläche ist, <strong>des</strong>to höher wird auch die<br />

Haushaltsbelastung für den Freistaat Sachsen sein. Bereits im<br />

Vorfeld <strong>der</strong> Übernahme muss Klarheit über Erwerbsnebenkosten sowie<br />

Folgekosten sowie zum Beispiel Verwaltungs-, Bewirtschaftungs- und<br />

Pflegekosten geschaffen werden.<br />

Aus diesem Grunde besteht zwischen den Ressorts noch ein gewisser<br />

Abstimmungsbedarf, bis das Gesetz endgültig mit Leben erfüllt<br />

werden kann.<br />

Präsident Iltgen: Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 16<br />

Beschlussempfehlungen und Berichte <strong>der</strong> Ausschüsse<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/2913<br />

Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht <strong>der</strong><br />

Fall.


Meine Damen und Herren! Einzelabstimmungen sind nicht begehrt.<br />

Damit ist dieser Beschlussempfehlung zu <strong>der</strong> Drucksache durch das<br />

Plenum zugestimmt.<br />

Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt schnell durchblättern<br />

muss. Meine Damen und Herren, soweit auch diese<br />

Beschlussempfehlungen und Berichte sowie Anträge zu den<br />

Ausschüssen. Ich stelle fest, dass <strong>der</strong> Landtag damit <strong>der</strong><br />

Sammeldrucksache ohne weitere Diskussion zugestimmt hat.<br />

Damit ist <strong>der</strong> Tagesordnungspunkt beendet.<br />

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 15<br />

Ich bekomme den Hinweis, dass ich noch hätte über die Redebeiträge<br />

zu Tagesordnungspunkt 15 abstimmen lassen müssen. Bloß über welche<br />

Redebeiträge soll man abstimmen, die Sie gar nicht kennen?<br />

(Leroff, CDU: Über den Antrag, Herr Präsident.)<br />

Bei dieser Einigkeit bin ich davon ausgegangen, dass alle damit<br />

einverstanden waren, dass das in dieser Weise abgearbeitet ist und<br />

Sie zugestimmt haben.<br />

(Beifall und Heiterkeit bei allen Fraktionen)<br />

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht sehr oft diesen Fall und<br />

von daher gestatten Sie auch mir, dass ich etwas unkonventionell an<br />

die Dinge herangehe.<br />

(Gelöste Atmosphäre im Saal)<br />

Meine Damen und Herren! Das bleibt so, wie ich es gesagt habe.<br />

(Heiterkeit)<br />

Erhebt sich dagegen Wi<strong>der</strong>spruch? - Herr Leroff, bitte.<br />

Leroff, CDU: Herr Präsident! Ich muss einmal nachfragen. Ich gehe<br />

davon aus, Sie meinen das Verfahren.<br />

Präsident Iltgen: Ja, das Verfahren.<br />

Leroff, CDU: Über den Antrag selber müssen wir aber noch abstimmen.<br />

Die Reden sind zwar zu Protokoll gegeben worden, aber ich gehe<br />

davon aus, dass ein Einvernehmen im Hause nicht zur Stellung <strong>des</strong><br />

Antrages selbst besteht.<br />

Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren! Ich will es nicht auf<br />

einen Konflikt ankommen lassen. Sehen Sie mir das bitte nach, wenn<br />

ich aufgrund dieser schnellen Durchreichung <strong>der</strong> Redebeiträge<br />

möglicherweise vergessen habe, insgesamt über den Antrag abstimmen<br />

zu lassen. Deshalb jetzt noch im Nachhinein die Abstimmung. Wer dem<br />

Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS Sicherheiten für die Übertragung<br />

wertvoller Naturschutzflächen nach dem - -<br />

Es ist jetzt so viel durcheinan<strong>der</strong> gegangen, jetzt muss ich Ihnen<br />

noch das Wort geben.<br />

Frau Roth, PDS: Herr Präsident! Ich möchte Sie bitten, nur über den<br />

Punkt 2 abstimmen zu lassen, weil <strong>der</strong> erste Punkt ein<br />

Berichtsantrag ist und sich erledigt hat.<br />

Präsident Iltgen: Gut. - Dann stimmen wir über den Punkt 2 <strong>des</strong><br />

Antrages <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS in Drucksache 3/2697 ab. Wer dem<br />

zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer<br />

ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Bei einer<br />

Stimmenthaltung und einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist <strong>der</strong><br />

Punkt 2 mehrheitlich abgelehnt. Über den an<strong>der</strong>en Punkt war keine


Abstimmung gewünscht. Damit ist <strong>der</strong> Tagesordnungspunkt aber nun<br />

endgültig abgeschlossen.<br />

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf<br />

Tagesordnungspunkt 17<br />

Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/2912<br />

Zunächst frage ich, ob einer <strong>der</strong> Berichterstatter zur mündlichen<br />

Ergänzung <strong>der</strong> Berichte das Wort wünscht. - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall.<br />

Es gibt kein Verlangen nach Aussprache. Bevor wir jetzt zur<br />

Abstimmung kommen, erteile ich Herrn Leroff das Wort.<br />

Leroff, CDU: Herr Präsident! Ich bin nicht <strong>der</strong> Berichterstatter.<br />

Ich möchte für meine Fraktion nur bitten, auf Seite 26 die Petition<br />

Nr. 02/07348/7 "För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendarbeit" von <strong>der</strong> heutigen<br />

Tagesordnung abzusetzen. Da es neue Erkenntnisse zu <strong>der</strong> Sachlage<br />

gibt, bitten wir, diese Petition noch einmal an die<br />

Berichterstatter zurückzuüberweisen, damit sie überarbeitet werden<br />

kann.<br />

Präsident Iltgen: In diesem Falle hat sich das gedoppelt. Ich hatte<br />

dazu nämlich schon einen schriftlichen Antrag von Frau Gangloff<br />

vorliegen, das zurückzuziehen und entsprechend zu verfahren. Aber<br />

doppelt hält besser.<br />

Meine Damen und Herren! Da kein Verlangen nach Aussprache vorliegt,<br />

kommen wir sogleich zur Abstimmung. Es ist Rücküberweisung einer<br />

Petition in Drucksache 3/2912 beantragt. Wir kommen zur Abstimmung.<br />

Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer<br />

ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Damit ist das so<br />

beschlossen.<br />

In Übereinstimmung mit <strong>der</strong> beantragenden Fraktion <strong>der</strong> CDU stimmen<br />

wir über die Rücküberweisung ab. Ich rufe die Petition auf Seite 26<br />

mit <strong>der</strong> Nr. 02/07348/7 "För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendarbeit" auf. Wer <strong>der</strong><br />

Rücküberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. -<br />

Danke. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich <strong>der</strong> Stimme? - Damit ist<br />

die Rücküberweisung einstimmig beschlossen.<br />

Meine Damen und Herren! Zu den verschiedenen Beschlussempfehlungen<br />

hat die Fraktion <strong>der</strong> SPD bzw. die Fraktion <strong>der</strong> PDS ihre abweichende<br />

Meinung bekundet. Die Zusammenstellung dieser Beschlussempfehlungen<br />

liegt Ihnen zu Drucksache 3/2912 schriftlich vor.<br />

Gemäß § 98 Abs. 7 <strong>der</strong> Geschäftsordnung stelle ich hiermit zu den<br />

Beschlussempfehlungen die Zustimmung <strong>des</strong> <strong>Plenums</strong> entsprechend dem<br />

Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es sei denn, es wird ein<br />

an<strong>der</strong>es Stimmverhalten angekündigt. - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Damit<br />

ist <strong>der</strong> Sammeldrucksache insoweit im Sinne von § 98 Abs. 7 <strong>der</strong><br />

Geschäftsordnung durch den Landtag zugestimmt. Der<br />

Tagesordnungspunkt ist beendet.<br />

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den<br />

Tagesordnungspunkt 18<br />

Kleine Anfragen<br />

Entsprechend § 60 Abs. 5 <strong>der</strong> Geschäftsordnung werden unter diesem<br />

Tagesordnungspunkt Kleine Anfragen von Abgeordneten behandelt, auf<br />

die die Staatsregierung nicht fristgemäß schriftlich geantwortet


hat und <strong>der</strong>en Behandlung im Plenum durch die Abgeordneten<br />

fristgemäß beantragt wurde.<br />

Mir liegt schriftlich <strong>der</strong> Antrag von Frau Altmann vor, auf die<br />

Behandlung <strong>der</strong> Kleinen Anfrage in <strong>der</strong> Drucksache 3/2622 zu<br />

verzichten.<br />

Ich frage jetzt Frau Klein als Antragstellerin <strong>der</strong> Drucksachen<br />

3/2653 bzw. 3/2654, ob sie von ihrem Re<strong>der</strong>echt Gebrauch machen<br />

möchte. Frau Klein, bitte.<br />

Frau Klein, SPD: Herr Präsident! Die Staatsregierung hat mir die<br />

Antworten zugeleitet. Ich lege keinen Wert darauf, dass das hier<br />

noch einmal vorgetragen wird. - Danke.<br />

Präsident Iltgen: Vielen Dank.<br />

Meine Damen und Herren! Damit ist auch dieser Tagesordnungspunkt<br />

beendet.<br />

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Damit ist auch die Tagesordnung<br />

<strong>der</strong> <strong>24.</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> 3. Sächsischen Landtages abgearbeitet. Das<br />

Präsidium hat den Termin für die 25. <strong>Sitzung</strong> auf morgen, Freitag,<br />

den 17. November 2000, 10.00 Uhr, festgelegt. Die Einladung und die<br />

Tagesordnung dazu liegen Ihnen vor.<br />

(Unruhe im Saal)<br />

Haben Sie noch ein ganz klein wenig Geduld, meine Damen und Herren!<br />

Die <strong>24.</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> 3. Sächsischen Landtages ist geschlossen. Ich<br />

wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg.<br />

(Schluss <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong>: 20.27 Uhr)<br />

Anlage<br />

Schriftliche Beantwortung weiterer Fragen<br />

Prof. Dr. Milbradt, Staatsminister <strong>der</strong> Finanzen:<br />

23. <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> 3. Sächsischen Landtages am 13.10.2000<br />

TOP 2: Fragestunde<br />

hier: 5. Anfrage <strong>des</strong> Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion <strong>der</strong> PDS,<br />

zum Thema Bodenrefom; Landtags-Drs. Nr. 3/2626<br />

Sehr geehrter Herr Präsident,<br />

namens und im Auftrag <strong>der</strong> Sächsischen Staatsregierung nahm<br />

Staatsminister Dr. de Maizière zu o. g. Anfrage <strong>des</strong> Abg. Klaus<br />

Bartl in <strong>der</strong> Landtagssitzung mündlich Stellung. Hinsichtlich <strong>der</strong><br />

vorliegenden beiden Fragen an die Staatsregierung und <strong>der</strong> Antworten<br />

darf ich auf das Protokoll <strong>der</strong> Landtagssitzung vollumfänglich Bezug<br />

nehmen.<br />

Herr Bartl stellte ausweislich <strong>des</strong> Protokolls daraufhin folgende<br />

Frage:<br />

"Ist in <strong>der</strong> Reichweite jenes § 222 BGB, auf den Sie in <strong>der</strong> Sache<br />

auch abgehoben haben, dem Staatsministerium <strong>der</strong> Finanzen ein Fall<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechung bislang bekannt, wo es denkbar wäre, dass eine<br />

solche Verzichtserklärung als rechtsgeschäftlich abgeschlossen<br />

gilt, wenn sie unter <strong>der</strong> Klageandrohung an<strong>der</strong>enfalls erfolgt?"<br />

Staatsminister Dr. de Maizière führte aus, dass § 242 BGB - "Treu<br />

und Glauben" - immer die Funktion habe, offensichtliche Probleme<br />

auch mit starren Fristen korrigieren zu können. Hier sei das Motiv,<br />

in Ruhe mit den Erben verhandeln zu können. Deswegen habe man


versucht, die Frist etwas hinauszuzögern. Dies schiene ihm ein<br />

berechtigter Grund zu sein, nach § 242 vorzugehen.<br />

Herr Bartl bat um Ergänzung durch Rechtsprechung.<br />

Zu dieser Frage möchte ich ergänzend wie folgt Stellung nehmen:<br />

Die Fragestellung nennt die Vorschrift <strong>des</strong> § 222 BGB, die die<br />

Wirkung <strong>der</strong> Verjährung regelt. Die Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

bezog sich insbeson<strong>der</strong>e auf die Vorschrift <strong>des</strong> § 225 BGB.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung wird die Wirkung einer<br />

Verjährungsverzichtserklärung gerade unter dem Aspekt genannt, dass<br />

<strong>der</strong> Schuldner den Gläubiger dadurch von <strong>der</strong> rechtzeitigen<br />

Klageerhebung abzuhalten sucht (z. B. OLG Frankfurt/M v.<br />

14.04.1997, OLGR-F1997, 125-127; BGH v. 4.11.1997, NJW 1998, S. 902<br />

r. Sp.; BGH v. 06.12.1990, NJW 1991, S. 974, 975 1. Sp. m. W. N.).<br />

Ein Fall <strong>der</strong> Rechtsprechung hinsichtlich <strong>des</strong> Verjährungsverzichts<br />

im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Vorschrift <strong>des</strong> Art. 233 § 14 S. 1 EGBGB ist<br />

<strong>der</strong>zeit nicht bekannt. Grundsätzlich stellt jedoch die klageweise<br />

Durchsetzung eines berechtigten Anspruchs - insbeson<strong>der</strong>e angesichts<br />

bestehen<strong>der</strong> Fristen - ein zulässiges rechtliches Mittel dar. Die<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Verhandlungsmöglichkeiten statt einer ansonsten<br />

fristwahrenden Klage ist nach hiesiger Auffassung ein zulässiges<br />

Motiv auf Seiten bei<strong>der</strong> Parteien für die Vereinbarung eines<br />

Verjährungsverzichts. Im Zusammenhang mit den Vorschriften gemäß<br />

Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB tritt die Beson<strong>der</strong>heit hinzu, die<br />

zeitintensivere Möglichkeit <strong>der</strong> Verkehrswertzahlung aufgrund <strong>des</strong><br />

weiteren Verhandlungszeitraums wahrnehmen zu können, auf die in<br />

vielen Fällen ansonsten hätte verzichtet werden müssen.<br />

Dr. Rößler, Staatsminister für Kultus:<br />

Fragestunde <strong>des</strong> 3. Sächsischen Landtages in <strong>der</strong> 23. Plenarsitzung<br />

am 13. Oktober 2000<br />

4. Anfrage "§ 63 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen"<br />

hier: Nachfragen <strong>des</strong> Abgeordneten Dr. André Hahn, Fraktion <strong>der</strong> PDS<br />

Sehr geehrter Herr Präsident, das Sächsische Staatsministerium für<br />

Kultus beantwortet die in <strong>der</strong> o. g. Plenarsitzung gestellten<br />

Nachfragen wie folgt:<br />

1. Welche schulfachlichen Gründe waren für die Än<strong>der</strong>ungen in den<br />

Schulordnungen für Mittelschulen und Gymnasien ausschlaggebend?<br />

2. Welche aktuellen Stellungnahmen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>elternrats liegen dem<br />

Sächsischen Staatsministerium für Kultus vor?<br />

Zu 1.: Die mit Schuljahresbeginn 2000/2001 in Kraft getretene<br />

Schulordnung für Mittelschulen stellt hinsichtlich <strong>der</strong> Wertigkeit<br />

von Klassenarbeiten lediglich eine Konkretisierung <strong>der</strong> bisher<br />

gültigen Verordnungslage dar. Eine erhebliche Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Wertigkeit von Klassenarbeiten ist damit keineswegs erfolgt. So<br />

hebt bereits die bisherige Schulordnung für Mittelschulen (SOMI)<br />

die beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> Klassenarbeiten gegenüber den übrigen<br />

Leistungen hervor (siehe § 19 Abs. 4 und § 22 Abs. 2 SOMI).<br />

"Leistungsdruck", "Einpauken" und "Lernen von Unterrichtsstunde zu<br />

Unterrichtsstunde" dürften bei korrekter Beachtung <strong>der</strong> an<br />

Klassenarbeiten gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen (siehe dazu auch § 19<br />

SOMI) gerade nicht auftreten, da sie nach Abschluss einer<br />

Unterrichtseinheit, d. h. erst nach den Phasen <strong>der</strong> Erarbeitung,


Vertiefung, Übung und Anwendung angesetzt und vorher angekündigt<br />

werden. Gerade damit werden die Schüler in die Lage versetzt, sich<br />

gezielt und intensiv darauf vorzubereiten. Klassenarbeiten sind<br />

damit auch berechenbarer für die Schüler und haben an <strong>der</strong><br />

Mittelschule auch <strong>des</strong>halb ein beson<strong>der</strong>es Gewicht, weil sie dazu<br />

beitragen sollen, Schüler auf komplexe Aufgabenstellungen, wie sie<br />

zum Beispiel in den zentralen Abschlussprüfungen, aber auch später<br />

im Berufsleben gefor<strong>der</strong>t werden, langfristig vorzubereiten. Gerade<br />

weil Klassenarbeiten diese Bedeutung beigemessen wird und die<br />

Vorbereitung darauf konzentrierte Anstrengung und zeitintensives<br />

Lernen von den Schülern erfor<strong>der</strong>t, sollen die erbrachten Leistungen<br />

auch entsprechend gewürdigt werden. Darüber hinaus wird bei <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Mittelschule zum Beispiel im<br />

Fremdsprachenunterricht <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> mündlichen<br />

Sprachkompetenz ein hoher Stellenwert beigemessen. Des Weiteren<br />

sind den Fachkonferenzen bei entsprechen<strong>der</strong> pädagogischer<br />

Konzeption bei <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Fachnoten Ermessensspielräume<br />

gegeben.<br />

Die Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schulordnung Gymnasien (SOGY) zielen vor allem<br />

auf die inhaltliche Kontinuiät <strong>des</strong> gymnasialen Bildungsweges. Von<br />

Klassenstufe 5 an sollen Gymnasiasten zu komplexem, problemlösendem<br />

Denken, zu selbständigem Lernen und zur realistischen Einschätzung<br />

ihrer eigenen Lernentwicklung befähigt werden. Leistungsermittlung<br />

und Leistungsbewertung ohne Über- o<strong>der</strong> Unterfor<strong>der</strong>ung, systematisch<br />

und gezielt eingesetzt, sind wesentliche Aspekte dieses Prozesses.<br />

Rechtzeitige, behutsame Heranführung an altersgemäß anspruchsvolle<br />

Aufgaben verhin<strong>der</strong>t Leistungsbrüche, wie sie häufig beim Übergang<br />

in die gymnasiale Oberstufe o<strong>der</strong> in ungünstigeren Fällen erst im<br />

Abitur zu beobachten sind. Erfor<strong>der</strong>lich ist in vielen Fächern daher<br />

eine an<strong>der</strong>e, in <strong>der</strong> jeweiligen Fachkonferenz <strong>der</strong> Schule abgestimmte<br />

Qualität <strong>der</strong> Aufgaben.<br />

Die nunmehr verbindliche Fixierung <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Klassenarbeiten<br />

im Kernfachbereich dient <strong>der</strong> Sicherung eines angemessenen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungsniveaus unter quantitativem Aspekt ebenso wie <strong>der</strong><br />

Möglichkeit für den Schüler, einzelne Fehlleistungen mit besseren<br />

Ergebnissen in an<strong>der</strong>en, vergleichbar anspruchsvollen Arbeiten zu<br />

kompensieren. Damit wird auch <strong>der</strong> Vereinbarung <strong>der</strong><br />

Kultusministerkonferenz Rechnung getragen, innerhalb <strong>des</strong><br />

gymnasialen Fächerkanons den Fächern Deutsch, Mathematik,<br />

Fremdsprache sowohl im Hinblick auf die Abiturprüfung, die im<br />

Wesentlichen eine schriftliche Leistungsanfor<strong>der</strong>ung kennzeichnet,<br />

wie unter dem Aspekt nationaler und internationaler<br />

Leistungsvergleiche ein beson<strong>der</strong>es Gewicht beizumessen. Daraus ist<br />

zu folgern, dass nicht eine große Anzahl inhaltlich sehr begrenzter<br />

schriftlicher Kurzkontrollen bzw. mündlicher Leistungskontrollen,<br />

son<strong>der</strong>n eine differenzierte schriftliche Leistungsanfor<strong>der</strong>ung, die<br />

einen größeren Lernbereich zum Inhalt hat und kontinuierliches<br />

Arbeiten eigentlich erst notwendig macht, <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />

und dem schulischen Erfolg <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> dient.<br />

Bei <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Fachnoten sind die mündlichen Leistungen<br />

nach wie vor von Bedeutung. Hierbei sind Fachspezifik und


curriculare Schwerpunkte <strong>der</strong> jeweiligen Klassenstufen<br />

ausschlaggebend. Deshalb ist in <strong>der</strong> Schulordnung Gymnasien nicht<br />

festgeschrieben, dass die doppelte Gewichtung von Klassenarbeiten<br />

schematisch in allen Fächern und Klassenstufen anzuwenden ist. Bei<br />

<strong>der</strong> schulpraktischen Umsetzung <strong>des</strong> in <strong>der</strong> Schulordnung Gymnasien<br />

vorgegebenen Rahmens (§ 25 Abs. 2 SOGY) kommt den Fachkommissionen<br />

eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung zu. Darüber hinaus stellen im Auftrag<br />

<strong>der</strong> Kultusministerkonferenz erarbeitete Expertisen von<br />

Hochschulprofessoren zu Qualität und Standards <strong>der</strong> Fächer Deutsch,<br />

Mathematik und Englisch in <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe fest, dass<br />

Schüler trotz nachweislich umfangreicherem Sprachregister Probleme<br />

mit <strong>der</strong> genauen Darstellung von Sachverhalten, mit stilistischen<br />

Steuerungen wie <strong>der</strong> Differenzierung von mündlichen und<br />

schriftlichen Texten, mit <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ungsfähigkeit, mit <strong>der</strong><br />

systematischen Analyse von Sachtexten, mit <strong>der</strong> Bereitschaft zur<br />

Selbstkorrektur und zum Durcharbeiten längerer, abstrakter und<br />

komplexer Vorgaben haben. Zur Behebung <strong>der</strong> Defizite muss<br />

gymnasialer Unterricht viel stärker auf kognitive<br />

Problembewältigung orientiert sein.<br />

Dazu gehören:<br />

- das Entwickeln von Fragen und die Strukturierung eines<br />

Problemzusammenhangs entsprechend <strong>der</strong> jeweils konkreten<br />

Aufgabenstellung,<br />

- das Suchen und Erproben von Lösungswegen,<br />

- das Ordnen von Gedanken und Wissen,<br />

- das selbständige schrittweise Aufbereiten von Sachzusammenhängen,<br />

- das Reflektieren <strong>der</strong> eigenen Vorgehensweise.<br />

Gerade <strong>der</strong> schriftliche Bereich ist gefor<strong>der</strong>t, diese Fähigkeiten zu<br />

trainieren, die Grundlage qualifizierter Kommunikation überhaupt<br />

sind. Da für Gymnasiasten allgemeine Dialogfähigkeit vorausgesetzt<br />

werden darf, gehört zu den spezifischen Aufgaben <strong>des</strong> mündlichen<br />

Bereichs die Befähigung zur Präsentation von Arbeitsergebnissen.<br />

Dazu gehören zum Beispiel vorbereitete o<strong>der</strong> spontane Statements,<br />

die Argumentation unter alltagsnahen Bedingungen, die Beherrschung<br />

einer Diskussionskultur und damit Schulung einer sach-<br />

/fachgerechten rhetorischen Kompetenz. Für die genannten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die schriftliche bzw. mündliche Leistung bietet im<br />

Abiturprüfungsbereich die beson<strong>der</strong>e Lernleistung ein gutes<br />

Beispiel.<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Konkurrenzfähigkeit gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en haben wir gerade die Mahnungen <strong>der</strong> sächsischen Hochschulen<br />

sehr ernst genommen und notwendige Verdeutlichungen in <strong>der</strong><br />

Schulordnung Gymnasien explizit dargestellt.<br />

Zu 2.: Dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus liegt eine<br />

Stellungnahme <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>elternrats Sachsen <strong>vom</strong> 10.10.2000 vor.<br />

Hauptkritikpunkte <strong>der</strong> Elternvertreter sind die Doppelgewichtung <strong>der</strong><br />

Klassenarbeiten (Verhältnis schriftliche Leistungen - mündliche<br />

Leistungen) und die damit angeblich einhergehende Erhöhung <strong>des</strong><br />

Leistungsdrucks auf die Schüler, das "Einpauken" notwendigen<br />

Wissens nur für die Klassenarbeiten und das faktische Entfallen <strong>der</strong>


Mitarbeit im Unterricht. Im Antwortschreiben an den Lan<strong>des</strong>elternrat<br />

Sachsen wurden die o. g. schulfachlichen Gründe aufgeführt.


Sächsischer Landtag <strong>Plenarprotokoll</strong> 3/24<br />

Stenografischer Dienst PD 4/1066<br />

Stenografischer Bericht <strong>der</strong> <strong>24.</strong> <strong>Sitzung</strong> <strong>der</strong> 3. Wahlperiode<br />

==========================================================<br />

(Redigierter und autorisierter Text; Paginierung<br />

jedoch nicht wie im gedruckten Exemplar.)<br />

am Donnerstag, dem 16. November 2000, Dresden, Plenarsaal<br />

Beginn: 10.01 Uhr Schluss: 20.27 Uhr<br />

Inhaltsverzeichnis Seite<br />

0 Eröffnung 1<br />

Nachruf für den ehemaligen Abgeordneten Joachim Richter 1<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tagesordnung 2<br />

Jurk, SPD 3,8<br />

Dr. Hahn, PDS 4<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS 6<br />

Dr. Hähle, CDU 9<br />

1 Regierungserklärung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten <strong>des</strong> 9<br />

Freistaates Sachsen, Prof. Dr. Biedenkopf .<br />

Prof. Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident 10<br />

Neubert, PDS 50<br />

Dr. Hähle, CDU 71,80,82,91<br />

Prof. Dr. Porsch, PDS 79, 114<br />

Jurk, SPD 81<br />

Schowtka, CDU 91<br />

Frau Ludwig, SPD 95,100<br />

Wöller, CDU 99<br />

2 2. und 3. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz über die 127<br />

Justiz im Freistaat Sachsen (Sächsisches<br />

Justizgesetz - SächsJG)<br />

Drucksache 3/2192, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2842, Beschlussempfehlung <strong>des</strong><br />

Verfassungs- und Rechtsausschusses .<br />

Schiemann, CDU 127,124


Bartl, PDS 134<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD 147<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz 150<br />

Abstimmungen und Än<strong>der</strong>ungsanträge 154<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3026<br />

Bartl, PDS 155<br />

Schiemann, CDU 157<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD 158<br />

Abstimmung und Ablehnung 158<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3029<br />

Bartl, PDS 159,162<br />

Frau Dr. Schwarz, SPD 160<br />

Schiemann, CDU 161<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz 163<br />

Abstimmung und Ablehnung 163<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3027<br />

Abstimmung und Ablehnung 163<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3028<br />

Abstimmung und Ablehnung 163<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3030<br />

Abstimmung und Ablehnung 164<br />

Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS, Drucksache 3/3031<br />

Bartl, PDS 164,170,172,174<br />

Schiemann, CDU 168,171<br />

Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz 173<br />

Abstimmung und Ablehnung 174<br />

Abstimmung und Annahme <strong>des</strong> Gesetzes 175<br />

3 2. und 3. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz über die Aner- 175<br />

kennung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeit von Kleingartenvereinen<br />

und die Führung <strong>der</strong> Gemeinnützigkeitsaufsicht<br />

Drucksache 3/2451, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2914, Beschlussempfehlung <strong>des</strong> Ausschusses<br />

für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten .<br />

Bartl, PDS 176<br />

Heinz, CDU 179<br />

Frau Klein, SPD 183<br />

Flath, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft 185<br />

Abstimmungen und Än<strong>der</strong>ungsanträge 186


Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, Drucksache 3/3024<br />

Heinz, CDU 187<br />

Abstimmung und Zustimmung 187<br />

Abstimmung und Annahme <strong>des</strong> Gesetzes 187<br />

4 2. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> 188<br />

Staatsvertrages <strong>vom</strong> 17. Dezember 1992 über den<br />

Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband<br />

Drucksache 3/2664, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Drucksache 3/2934, Beschlussempfehlung <strong>des</strong><br />

Haushalts- und Finanzausschusses .<br />

Dr. Metz, CDU 188<br />

Frau Dr. Runge, PDS 192<br />

Lochbaum, SPD 195<br />

Abstimmung und Annahme <strong>des</strong> Gesetzes 196<br />

5 1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Sächsisches Enteignungs- 197<br />

und Entschädigungsgesetz (SächsEntEG)<br />

Drucksache 3/2880, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz 197<br />

Überweisung an die Ausschüsse 199<br />

6 1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Einführung <strong>der</strong> 199<br />

Stichwahlen von Bürgermeistern und Landräten<br />

Drucksache 3/2933, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD<br />

Frau Weihnert, SPD 200<br />

Überweisung an die Ausschüsse 203<br />

7 1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> 203<br />

Verwaltung im Freistaat Sachsen (Verwaltungsmo<strong>der</strong>ni-<br />

sierungsgesetz) - Berichtigte Neufassung -<br />

Drucksache 3/2583, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD<br />

Frau Ludwig, SPD 204<br />

8 1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Stärkung bürger- 204<br />

schaftlicher Selbstverwaltung in den sächsischen<br />

Kommunen (SVwStärkG)


Drucksache 3/2939, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS<br />

Dr. Friedrich, PDS 205<br />

Überweisung an die Ausschüsse 213<br />

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 7 213<br />

Adler, SPD 214<br />

Überweisung an die Ausschüsse 217<br />

9 1. Lesung <strong>des</strong> Entwurfs Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> 217<br />

Gemeindegebietsreformgesetzes Oberlausitz-<br />

Nie<strong>der</strong>schlesien<br />

Drucksache 3/2949, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern 218<br />

Überweisung an die Ausschüsse 220<br />

10 Wirkungen <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>autobahn A 4 im Raum 220<br />

zwischen Dresden und Görlitz<br />

Drucksache 3/1844, Große Anfrage <strong>der</strong> Fraktion<br />

<strong>der</strong> PDS, mit Antwort <strong>der</strong> Staatsregierung .<br />

Frau Kipping, PDS 220<br />

Nitzsche, CDU 229<br />

Frau Dr. Raatz, SPD 237<br />

Bandmann, CDU 241,243,245<br />

Frau Mattern, PDS 242,244<br />

Entschließungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> PDS,<br />

Drucksache 3/3032<br />

Frau Kipping, PDS 246<br />

Nitzsche, CDU 251<br />

Frau Dr. Raatz, SPD 252<br />

Frau Schulz, PDS 253<br />

Abstimmung und Ablehnung 253<br />

11 Mietrechtsneuordnungsgesetz und Verwertungskündigung 253<br />

Drucksache 3/2259, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

CDU, mit Stellungnahme <strong>der</strong> Staatsregierung .<br />

Frau Matthes, CDU 254<br />

Weckesser, PDS 262<br />

Frau Dr. Raatz, SPD 267


Kolbe, Staatsminister <strong>der</strong> Justiz 270<br />

Abstimmung und Zustimmung 273<br />

12 - Haltung und Konzept <strong>der</strong> Sächsischen Staatsregierung 273<br />

zur Zurückdrängung <strong>des</strong> Rechtsextremismus<br />

Drucksache 3/2461, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

PDS, mit Stellungnahme <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

- Für Menschlichkeit und Toleranz - gegen Hass<br />

und Gewalt<br />

Drucksache 3/3025, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD .<br />

Bartl, PDS 274<br />

Hardraht, Staatsminister <strong>des</strong> Innern 283,293<br />

Dr. Hahn, PDS 292<br />

Jurk, SPD 299<br />

Sandig, CDU 305<br />

Adamczyk, PDS 310<br />

Prof. Dr. Bramke, PDS 311<br />

Abstimmung und Zustimmung Drucksache 3/3025 313<br />

13 Ganztagsschulen in Sachsen 314<br />

Drucksache 3/2070, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

SPD, mit Stellungnahme <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Hatzsch, SPD 314<br />

Überweisung an den Ausschuss 314<br />

14 Perspektiven <strong>der</strong> Viehwirtschaft in Sachsen 314<br />

Drucksache 3/0826, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

CDU, mit Stellungnahme <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

Leroff, CDU 315<br />

Überweisung an den Ausschuss 315<br />

15 Sicherheiten für die Übertragung wertvoller 315<br />

Naturschutzflächen nach dem Vermögensrechts-<br />

ergänzungsgesetz in Sachsen<br />

Drucksache 3/2697, Antrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong><br />

PDS, mit Stellungnahme <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

(Redebeiträge erscheinen als "Erklärung zu Protokoll")


16 Beschlussempfehlungen und Berichte <strong>der</strong> Ausschüsse 316<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/2913 .<br />

Zustimmung 316<br />

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 15 317<br />

Leroff, CDU 317,318<br />

Frau Roth, PDS 319<br />

Abstimmung und Ablehnung 319<br />

17 Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen 319<br />

- Sammeldrucksache -<br />

Drucksache 3/2912 .<br />

Leroff, CDU 320<br />

Abstimmung und Zustimmung 320<br />

18 Kleine Anfragen 321<br />

Frau Klein, SPD 321<br />

Nächste Landtagssitzung 321

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