HEINZ Magazin Dortmund 03-2017
HEINZ Magazin März 2017, Ausgabe für Dortmund
HEINZ Magazin März 2017, Ausgabe für Dortmund
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Landkarten sind für Muschis<br />
Road Opera am Theater Hagen<br />
Seit gut sieben Jahren gehört Wolfgang Herrndorfs Erfolgsroman „Tschick“<br />
zur literarischen Grundausstattung der jugendlichen Leserschaft. Die Erfolgsserie der Theaterfassung brachte<br />
das moderne Roadmovie auf sämtliche Bühnen und avancierte zum meistgespielten Stück. Nun wagt sich das<br />
Theater Hagen an eine Uraufführung für das Musiktheater. Tschick als Oper? <strong>HEINZ</strong> fragt die Macher.<br />
W<br />
er kennt sie nicht – den 14-jährigen Maik Klingenberg und den<br />
russischen Spätaussiedler Andrej Tschichatschow, genannt<br />
Tschick, die mit einem geklauten Lada zusammen gen Walachei<br />
auf Tour gehen? Dabei haben die beiden ungleichen Freunde zunächst<br />
nur wenig gemeinsam – sie sind Außenseiter in der Schule und<br />
haben Elternhäuser, die ihnen keinen Halt bieten. Keine wirklich guten<br />
Voraussetzungen also, um den Wirrungen der Pubertät zu begegnen. Zugehörigkeit,<br />
Einsamkeit, Freundschaft, Sexualität, Abenteuersehnsucht,<br />
Selbstwertfindung und Selbstbestimmung sind Themen, die Wolfgang<br />
Herrndorf in seinem Roman in unverkrampfter Weise und ohne didaktischen<br />
Zeigefinger behandelt.<br />
„Ein cooler Stoff, ideal für eine Oper“, findet Ludger Vollmer, der die<br />
Auftragskomposition des Theater Hagen für „Tschick“ mit Freuden übernommen<br />
hat. Rein formal entspricht die episodisch angelegte Struktur<br />
des Ausgangswerks seinem künstlerischen Ansinnen, die Oper zu reformieren<br />
und ein junges Publikum zu gewinnen. „Die Rezeptionsgewohnheiten<br />
haben sich in den letzten zehn Jahren rasant gewandelt, das Bewusstsein<br />
hat sich geändert und das Hirn will an anderen Stellen Futter<br />
haben.“ Um das in seinen Augen „grandiose Medium Oper“ der heutigen<br />
Zeit anzupassen, sei es notwendig, „die Dramaturgie zu beschleunigen“,<br />
und zwar mit schnellen Schnitten, einem hohen Grundtempo und<br />
starken Kontrasten. Dafür bietet „Tschick“ als Stationendrama und seiner<br />
bereits in der Anlage filmisch orientierten Dramaturgie die optimale<br />
Grundlage für eine mitreißende Road Opera. Im Gegensatz zur Sprechtheaterfassung<br />
ist Vollmers „Tschick“ „kein Kammerspiel, sondern große<br />
Oper. Durch die außerordentlich dynamische Musik bekommt der Stoff<br />
noch einen emotionalen Drive. Viele der tief liegenden Schichten können<br />
durch die Musik besser beleuchtet und sichtbar gemacht werden.“<br />
Vollmers Opernfassung gliedert die Geschichte in 29 Szenen plus dazwischenliegenden<br />
„Abfahrten“, in denen Sprechchöre den – so Vollmer<br />
– „skurrilen und unglaublich passenden“ Text von Christian Morgensterns<br />
Gedicht „Zwei Parallelen“ rezitieren. Musikalisch greift die<br />
Uraufführung auf ein volles symphonisches Orchester mit verstärktem<br />
60 | <strong>HEINZ</strong> | <strong>03</strong>.<strong>2017</strong>