11.12.2012 Aufrufe

Bewegungslehre 2 - Efsport.ch

Bewegungslehre 2 - Efsport.ch

Bewegungslehre 2 - Efsport.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ergänzungsfa<strong>ch</strong> Sport<br />

Gymnasium Bern-Kir<strong>ch</strong>enfeld<br />

<strong>Bewegungslehre</strong> 2<br />

Th. Glatzfelder, R. Rohner 2006


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />

1 Der Koordinationsbegriff ................................................................................... 2<br />

2 Faktoren des Bewegungslernens...................................................................... 3<br />

3 Die 5 Analysatoren ............................................................................................. 4<br />

4 Steuerung und Regelung ................................................................................... 8<br />

5 Bewegungserfahrung......................................................................................... 9<br />

6 Bewegungsvorstellung .................................................................................... 10<br />

6.1 Definition.............................................................................................................................10<br />

6.2 Methoden zur Verbesserung der Bewegungsvorstellung .....................................................11<br />

7 Modell der Bewegungskoordination............................................................... 12<br />

8 Phasen des motoris<strong>ch</strong>en Lernens .................................................................. 14<br />

8.1 Grobkoordination ................................................................................................................14<br />

8.2 Feinkoordination .................................................................................................................16<br />

8.3 Situativ-variable Verfügbarkeit.............................................................................................19<br />

9 Literatur ............................................................................................................. 23<br />

10 Bildna<strong>ch</strong>weis.................................................................................................. 23<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 1


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

1 Der Koordinationsbegriff<br />

Die Koordinationsfähigkeit, oft mit Gewandtheit oder sportli<strong>ch</strong>er Begabung glei<strong>ch</strong>gesetzt,<br />

ist eine grundlegende Voraussetzung für das Lernen und die Ausführung gekonnter<br />

Bewegungen. Aus der grossen Anzahl von Definitionen seien zwei ausgewählt:<br />

„ Bewegungskoordination ist das Zusammenwirken von Zentralnervensystem und<br />

Skelettmuskulatur innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs.“ (Hollmann/Hettinger<br />

in: Röthig/Grössing 1996, 83)<br />

„Bewegungskoordination ist die Ordnung und Organisation motoris<strong>ch</strong>er Aktionen in<br />

Ausri<strong>ch</strong>tung auf ein ganz bestimmtes Ziel“ (Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 38)<br />

Viele sportli<strong>ch</strong>e Bewegungen verlangen eine Zusammenordnung von Teilbewegungen.<br />

Erlernte Te<strong>ch</strong>niken müssen an si<strong>ch</strong> verändernde Situationen angepasst werden,<br />

und oft werden s<strong>ch</strong>wierige Bewegungsabläufe no<strong>ch</strong> miteinander kombiniert. Daraus<br />

kann abgelesen werden, wie kompliziert die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bewegungsmas<strong>ch</strong>inerie ist.<br />

Die Te<strong>ch</strong>nik ist ni<strong>ch</strong>t in allen Sportarten von glei<strong>ch</strong>er Bedeutung. Je na<strong>ch</strong> Sportart ist<br />

der te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Vervollkommnung eine unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Gewi<strong>ch</strong>tung zuzumessen.<br />

Aufgabe:<br />

1. Füge in die folgende Skala zum Thema „koordinative/te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Anforderungen“<br />

ein paar typis<strong>ch</strong>e Sportarten ein:<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

.................................................................<br />

Die Te<strong>ch</strong>nik einer sportli<strong>ch</strong>en Disziplin wird oft in Form eines so genannten motoris<strong>ch</strong>en<br />

Idealtyps vermittelt. Betra<strong>ch</strong>tet man jedo<strong>ch</strong> die Te<strong>ch</strong>nik von Spitzensportlern,<br />

so stellt man fest, dass gewisse <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e Bewegungsmerkmale zwar glei<strong>ch</strong><br />

sind, si<strong>ch</strong> aber z.T. erhebli<strong>ch</strong>e individuelle Eigenheiten feststellen lassen, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Leistung des Sportlers in keiner Weise beeinflussen. Diese Eigenheiten ma<strong>ch</strong>en<br />

dann den „persönli<strong>ch</strong>en Stil“ eines Athleten aus.<br />

(Weineck 1997, 563)<br />

Aufgabe:<br />

Hohe te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Anforderungen<br />

Mittlere te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Anforderungen<br />

keine te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Anforderungen<br />

2. Kennst Du Sportlerinnen/Sportler, die dur<strong>ch</strong> einen ganz persönli<strong>ch</strong>en Stil in ihrer<br />

Te<strong>ch</strong>nik auffallen?<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 2


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

2 Faktoren des Bewegungslernens<br />

Wie Abb. 1 zeigt, ist das Te<strong>ch</strong>niklernen von einer Vielzahl externer und interner Bedingungen<br />

abhängig.<br />

Der wi<strong>ch</strong>tigste Faktor für den motoris<strong>ch</strong>en Lernprozess wie für die sportli<strong>ch</strong>e Leistung<br />

ist die Motivation. Eine positive Motivationslage erweist si<strong>ch</strong> im Sport als eine generelle<br />

Voraussetzung für eine sportmotoris<strong>ch</strong>e Leistung – unabhängig vom Leistungsniveau.<br />

(Weineck 1997, 567)<br />

Lernfähigkeit<br />

Seitigkeits-<br />

typologie<br />

Lerntyp<br />

(visuell,<br />

kognitiv, kin-<br />

ästhetis<strong>ch</strong>)<br />

Auffassungs-<br />

fähigkeit,<br />

Intelligenz<br />

Vorstellungs-<br />

vermögen<br />

Motivation<br />

Lernen<br />

von<br />

Te<strong>ch</strong>niken<br />

Momentane<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e<br />

Verfassung<br />

Aufmerksamkeit<br />

und<br />

Konzentra-<br />

tionsfähigkeit<br />

Bewegungs-<br />

s<strong>ch</strong>atz<br />

Bewegungs-<br />

erfahrung<br />

Äussere Bedingungen<br />

der Lernsituation:<br />

-Lehrperson<br />

-Lernumgebung<br />

-Witterungsbedingungen<br />

- ......................................<br />

Abb. 1 Faktoren, die das Erlernen von Te<strong>ch</strong>niken beeinflussen (Weineck 1997, 566)<br />

Aufgaben:<br />

3. Gruppenarbeit zu Abb. 1: Formuliert zu jedem Käst<strong>ch</strong>en in einem Satz, was Ihr<br />

darunter versteht.<br />

4. Worin unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> das Lernen von Te<strong>ch</strong>niken im Geräteturnen gegenüber<br />

dem Fussballspiel?<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 3


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

3 Die 5 Analysatoren<br />

Je mehr ein Sportler in der Lage ist, seine eigene Bewegung sowie die Umweltsituation<br />

analysatoris<strong>ch</strong> zu erfassen, desto besser wird er si<strong>ch</strong> auf veränderte Gegebenheiten<br />

einstellen und die Bewegungsaufgaben im Rahmen seiner individuellen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

motoris<strong>ch</strong> lösen können.<br />

Die Informationsaufnahme und- aufbereitung wird dur<strong>ch</strong> Analysatoren gewährleistet.<br />

Zu einem Analysator gehören<br />

• spezifis<strong>ch</strong>e Rezeptoren (Sinnesorgane, die Informationen aufnehmen)<br />

• afferente (= zum Zentralnervensystem hinführende) Nervenbahnen<br />

• sensoris<strong>ch</strong>e Zentren in vers<strong>ch</strong>iedenen Hirngebieten<br />

Zentralnervensystem<br />

(Hirn, Rückenmark)<br />

Rezeptor<br />

(z.B. Sehzellen<br />

des Auges)<br />

Afferente<br />

Nervenbahnen<br />

Abb. 2 Funktionsweise des Analysators<br />

Für die motoris<strong>ch</strong>e Koordination sind im Wesentli<strong>ch</strong>en 5 Analysatoren wi<strong>ch</strong>tig. Sie<br />

beeinflussen ganz wesentli<strong>ch</strong> die Güte eines Bewegungsablaufs und wirken meist<br />

eng zusammen, bzw. ergänzen si<strong>ch</strong>. Die Bedeutung der einzelnen Analysatoren<br />

kann dabei von Sportart zu Sportart stark differieren.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 48, und Weineck 1997, 547ff)<br />

Der optis<strong>ch</strong>e Analysator<br />

Mit Hilfe dieses Analysators erhalte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur Informationen über meine eigenen<br />

Bewegungen, sondern au<strong>ch</strong> über die Bewegungen anderer Mens<strong>ch</strong>en. Beim Erlernen<br />

von Bewegungen spielt er eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle, weil erst auf seiner Grundlage ein<br />

Vorbild, ein Vorma<strong>ch</strong>en als Bewegungsinformation mögli<strong>ch</strong> ist.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 4


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Abb. 3 Der optis<strong>ch</strong>e Rezeptor. Horizontals<strong>ch</strong>nitt des re<strong>ch</strong>ten<br />

Auges (Silbernagl/Despopoulos 1992, 300)<br />

Bei vielen sportli<strong>ch</strong>en Handlungen geben die optis<strong>ch</strong>en Signale au<strong>ch</strong> indirekte Informationen<br />

über den Bewegungsablauf:<br />

Der Slalomläufer erhält Informationen über den Verlauf seiner Bewegungen in Bezug auf Torstangen<br />

und Piste, der Ho<strong>ch</strong>springer in bezug auf die Latte oder die Absprungstelle. Die eigene Bewegung ist<br />

dabei visuell nur fragmentaris<strong>ch</strong> und am Rande des Gesi<strong>ch</strong>tsfeldes erfassbar.<br />

Der kinästhetis<strong>ch</strong>e Analysator<br />

Kinästhetis<strong>ch</strong> heisst „bewegungsempfindend“. Allein mit dieser Bezei<strong>ch</strong>nung wird die<br />

wi<strong>ch</strong>tige Funktion dieses Analysators beim Ausführen von Bewegungen deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t.<br />

Seine Rezeptoren finden si<strong>ch</strong> in allen Muskeln und Gelenken. In den Muskeln<br />

nehmen sie Spannungs- und Längenveränderungen wahr, in den Gelenken geben<br />

sie Informationen über Gelenkwinkeländerungen. Dur<strong>ch</strong> ihre unmittelbare Lage in<br />

den Bewegungsorganen können sie au<strong>ch</strong> jeden Bewegungsvorgang unmittelbar signalisieren.<br />

Muskelspindel:<br />

• Regelung der Muskellänge<br />

Sehnenspindel<br />

• S<strong>ch</strong>utz vor zu hoher Spannung<br />

(In der Graphik ni<strong>ch</strong>t enthalten)<br />

Gelenkrezeptoren in der Gelenkkapsel<br />

• Messung von Gelenkwinkeländerungen<br />

Abb. 4 Der kinästhetis<strong>ch</strong>e Rezeptor. Muskelspindel und Sehnenrezeptor (Silbernagl/Despopoulos<br />

1988, 278)<br />

Bei vielen sportli<strong>ch</strong>en Handlungen ist eine optis<strong>ch</strong>e Kontrolle der Bewegung ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>. Deshalb ist<br />

die kinästhetis<strong>ch</strong>e „Innenansi<strong>ch</strong>t“ zum Beispiel für die Kontrolle der Beinhaltung beim Geräteturnen<br />

oder die Armführung beim Speerwurf unbedingt erforderli<strong>ch</strong>.<br />

Der kinästhetis<strong>ch</strong>e Analysator liefert von allen Analysatoren die differenziertesten<br />

Informationen über unsere Bewegungen. Er ist verantwortli<strong>ch</strong> für das so genannte<br />

„Bewegungsgefühl“ beim Ausführen einer sportli<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nik. Da si<strong>ch</strong> aber ein Bewegungsgefühl<br />

kaum vermitteln lässt, kann insbesondere der Anfänger diesen Analysator<br />

no<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t nutzen. Er muss si<strong>ch</strong> dieses Gefühl im Verlauf des Übungsprozesses<br />

erst aneignen.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 5


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Der taktile Analysator<br />

Die Rezeptoren dieses Analysators sind in der Haut lokalisiert und nehmen me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e<br />

Reize auf. Auf taktilem Weg gewinnen wir unter anderem Informationen über<br />

Form und Oberflä<strong>ch</strong>e berührter Gegenstände.<br />

Abb. 5 Der taktile Rezeptor (Silbernagl/Despopoulos 1988, 277)<br />

Unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Zellen messen vers<strong>ch</strong>iedene taktile<br />

Reize:<br />

1 = Berührung<br />

2 = Druck<br />

3 = Vibration<br />

Das ist z.B. für die Grifffestigkeit bedeutsam. Beim Ballspiel, im Ringen oder im Geräteturnen spielt<br />

der ständig kontrollierte ri<strong>ch</strong>tige Griff eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle. Ebenso empfindet eine S<strong>ch</strong>wimmerin den<br />

„Abdruck“ am Wasser vor allem dur<strong>ch</strong> den taktilen Analysator, und au<strong>ch</strong> das Gefühl für das Gleiten im<br />

Wasser wird auf diesem Weg übermittelt.<br />

Der akustis<strong>ch</strong>e Analysator<br />

Vom Sportler werden im Bewegungsvollzug au<strong>ch</strong> akustis<strong>ch</strong>e Signale aufgenommen.<br />

Im Allgemeinen spielt aber dieser Analysator eine untergeordnete Rolle, weil der Informationsgehalt<br />

der bei einer Bewegung aufgenommenen akustis<strong>ch</strong>en Signale relativ<br />

begrenzt ist.<br />

Abb. 6 Der akustis<strong>ch</strong>e Rezeptor<br />

(Silbernagl/Despopoulos 1988, 319)<br />

Bedeutsam ist bei einer Reihe von Ballspielen das akustis<strong>ch</strong>e Signal des aufs<strong>ch</strong>lagenden<br />

Balles. So ist es für einen Tis<strong>ch</strong>tennisspieler sehr verwirrend, wenn er statt<br />

auf einem Lei<strong>ch</strong>tmetalltis<strong>ch</strong> auf einer betonierten Steinplatte im Freien spielen muss,<br />

wo der Ball ein gänzli<strong>ch</strong> anderes Geräus<strong>ch</strong> abgibt. Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> sind hier mit den<br />

akustis<strong>ch</strong>en Signalen au<strong>ch</strong> Informationen über die Dynamik des Balls verbunden.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 6


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Der statico-dynamis<strong>ch</strong>e Analysator<br />

Der statico-dynamis<strong>ch</strong>e Rezeptor ist im Innenohr lokalisiert und informiert über Ri<strong>ch</strong>tungs-<br />

und Bes<strong>ch</strong>leunigungsänderungen des Kopfes.<br />

Das mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gehör besitzt drei Bogengänge<br />

und kann damit Drehbewegungen in<br />

allen drei Rauma<strong>ch</strong>sen registrieren.<br />

Die Bogengänge sind mit Flüssigkeit gefüllt.<br />

Bei Bewegungen des Kopfes bleibt die Flüssigkeit<br />

aufgrund der Trägheit hinter der Bewegung<br />

zurück. Diese relative Vers<strong>ch</strong>iebung<br />

der Flüssigkeit wird von Nerven wahrgenommen<br />

und ans Zentralnervensystem weitergeleitet.<br />

Abb. 7 Der statico-dynamis<strong>ch</strong>e Rezeptor (Lippert 1983, 395). Zur Lage des Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsorgans im<br />

Ohr vgl. Abb. 6<br />

Für die Orientierung im Raum und die Erhaltung des Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>ts spielen aber<br />

au<strong>ch</strong> visuelle, kinästhetis<strong>ch</strong>e und taktile Informationen eine grosse Rolle.<br />

Zentrale Bedeutung kommt diesem Analysator vor allem in den Sportarten zu, in denen Körperrotationen<br />

auszuführen sind. Wasserspringen und Geräteturnen z.B. erfordern jederzeit differenzierte Informationen<br />

über die Lage des Körpers im Raum.<br />

Zusammenwirken der Analysatoren<br />

Der kinästhetis<strong>ch</strong>e Analysator ist in seiner Funktion enger mit allen andern Analysatoren<br />

verbunden als diese untereinander. Das erklärt si<strong>ch</strong> daraus, dass jeder motoris<strong>ch</strong>e<br />

Vorgang kinästhetis<strong>ch</strong>e Signale auslöst. Die Aufnahme und ri<strong>ch</strong>tige Verarbeitung<br />

dieser Signale ist deshalb zentral für die Beherrs<strong>ch</strong>ung ho<strong>ch</strong>komplexer Bewegungen.<br />

Eine besonders enge Beziehung besteht zwis<strong>ch</strong>en dem kinästhetis<strong>ch</strong>en und dem<br />

optis<strong>ch</strong>en Analysator. Die Bedeutung der visuellen Information ist für viele sportli<strong>ch</strong>e<br />

Bewegungsabläufe deshalb so gross, weil damit verbundene gespei<strong>ch</strong>erte kinästhetis<strong>ch</strong>e<br />

Informationen – und in gewissem Masse au<strong>ch</strong> taktile und statico-dynamis<strong>ch</strong>e<br />

Informationen - aktiviert werden. Der optis<strong>ch</strong>e Analysator hat glei<strong>ch</strong>sam die Bewegungserfahrung<br />

von diesen Analysatoren mit übernommen.<br />

(na<strong>ch</strong> Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998 48-52)<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 7


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Aufgabe:<br />

5. Beurteile Deine Sportart in bezug auf die 5 Analysatoren. S<strong>ch</strong>reibe sti<strong>ch</strong>wortartig<br />

auf, wel<strong>ch</strong>e Informationen aufgenommen werden und überlege Dir, wel<strong>ch</strong>e Analysatoren<br />

in Deiner Sportart zentral sind.<br />

4 Steuerung und Regelung<br />

Im Zentralnervensystem liegen sogenannte motoris<strong>ch</strong>e Programme vor, z.B. eine<br />

Wurfbewegung, der Ablauf eines Sprungs, etc., wel<strong>ch</strong>e im Verlaufe des Lebens erworben<br />

werden. Je na<strong>ch</strong> zu bewältigender Aufgabe kann nun die Sportlerin auf ein<br />

sol<strong>ch</strong>es Programm zugreifen. Da die Programme nur sehr generalisiert gespei<strong>ch</strong>ert<br />

sind und nur die grobe <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e Struktur einer Bewegung enthalten, kann die<br />

Sportlerin dieses Programm no<strong>ch</strong> situativ anpassen. Sie kann z.B. im Programm<br />

„Torwurf im Handball“ wählen, ob sie den Wurf links oben oder als Aufsetzer re<strong>ch</strong>ts<br />

unten platzieren will. Das ablaufende Programm steuert dann die gewüns<strong>ch</strong>te Bewegung.<br />

(S<strong>ch</strong>eid/Prohl 2001, 34)<br />

Abb. 8 Der Sportler als Disc-Jockey (aus Röthig/Grössing 1996, 15)<br />

Der Sportler kann im Umgang mit seinen Programmen<br />

wie ein Disc-Jockey mit seinen S<strong>ch</strong>allplatten<br />

vergli<strong>ch</strong>en werden:<br />

Im Zentralnervensystem sind, wie in einer Musikbox,<br />

so etwas wie S<strong>ch</strong>allplatten gelagert. Sie können<br />

bei Bedarf jederzeit aufgelegt und abgespielt<br />

werden. Ergebnis dieses Abspielens sind motoris<strong>ch</strong>e<br />

Kommandos. Über sie steuert die S<strong>ch</strong>allplatte<br />

die Skelettmuskulatur, so dass eine in Raum<br />

und Zeit geordnete Bewegung entsteht.<br />

(S<strong>ch</strong>eid/Prohl 2001, 38)<br />

In fast allen Sportarten muss der Sportler aber seine Bewegungen an we<strong>ch</strong>selnde<br />

Bedingungen anpassen oder auftretende Fehler korrigieren können. Diese Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

der Einflussnahme auf eine Bewegung nennt man Regelung. Kraft- und Ges<strong>ch</strong>windigkeitseinsatz,<br />

aber au<strong>ch</strong> räumli<strong>ch</strong>e Aspekte einer Bewegung werden den<br />

Erfordernissen der jeweiligen Situation angepasst.<br />

Um Bewegungen regeln, anpassen zu können, brau<strong>ch</strong>t der Sportler eine Rückmeldung,<br />

ein Feedback über seine Bewegung. Dies wird dur<strong>ch</strong> die 5 Analysatoren ermögli<strong>ch</strong>t.<br />

Ihre Informationen über die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bewegung (Istwert) verglei<strong>ch</strong>t der<br />

Sportler mit seiner gewüns<strong>ch</strong>ten Bewegung (Sollwert) und kann entspre<strong>ch</strong>ende Anpassungen<br />

einleiten. Der Vorgang der Regelung einer Bewegung lässt si<strong>ch</strong> anhand<br />

eines Regelkreises verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en:<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 8


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Efferente (motoris<strong>ch</strong>e) Nervenbahn<br />

Abb. 9 Die Regelung der Bewegung, dargestellt als Regelkreis (Abb. der Muskelinnervation aus<br />

Weineck 1998, 49)<br />

5 Bewegungserfahrung<br />

Zentralnervensystem<br />

Soll-Istwert-<br />

Verglei<strong>ch</strong><br />

Bewegungsausführung<br />

Afferente (sensoris<strong>ch</strong>e) Nervenbahn<br />

Zentralnervensystem<br />

(Hirn, Rückenmark)<br />

Rezeptor<br />

(z.B. Sehzellen<br />

des Auges)<br />

Beim Erlernen neuer Bewegungen im Verlaufe des individuellen Lebens wird immer<br />

auf bereits vorhandenen Grundlagen aufgebaut. So verfügen wir, wenn wir mit dem<br />

Erlernen eines sportli<strong>ch</strong>en Bewegungsablaufs oder einer sportli<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nik beginnen,<br />

bereits über ein motoris<strong>ch</strong>es Leistungsniveau. Dieses motoris<strong>ch</strong>e Ausgangsniveau<br />

bestimmt in hohem Masse, wie s<strong>ch</strong>nell si<strong>ch</strong> der Lernprozess vollziehen wird. Je<br />

grösser der S<strong>ch</strong>atz an Bewegungserfahrungen, desto lei<strong>ch</strong>ter und s<strong>ch</strong>neller geht das<br />

Neulernen vor si<strong>ch</strong>. Geringe Bewegungserfahrungen können einen Lernprozess<br />

stark verlängern und komplizieren.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 157)<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 9


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Bewegungserfahrungen sind im motoris<strong>ch</strong>en Gedä<strong>ch</strong>tnis des Lernenden gespei<strong>ch</strong>ert<br />

und haben unter anderem eine Orientierungsfunktion in der ersten Phase der aktiven<br />

Auseinandersetzung mit einer neuen Bewegung. Der Sportler nimmt eine Standortbestimmung<br />

vor, indem er einen Verglei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem geforderten und dem aktualisierbaren<br />

Können ma<strong>ch</strong>t. Das Resultat dieses Verglei<strong>ch</strong>s ist meistens eine Differenz,<br />

die es dann in einem Lernprozess zu bereinigen gilt.<br />

(Hotz 1986, 74)<br />

Lernfähigkeit ist sehr stark abhängig von früheren Lernerfahrungen. Sie bedeutet,<br />

dass in derselben Zeit mehr und s<strong>ch</strong>wierigere Bewegungsformen gelernt werden<br />

können. Beim Lernen werden so Wirkungen früherer Lernerfahrungen in die neue<br />

Situation übertragen. Wirkt si<strong>ch</strong> eine frühere Erfahrung positiv auf eine neu zu erlernende<br />

Bewegung aus, spri<strong>ch</strong>t man von Transferenz. Gelegentli<strong>ch</strong> ist aber au<strong>ch</strong> zu<br />

beoba<strong>ch</strong>ten, dass si<strong>ch</strong> alte Koordinationsmuster störend auf das Erlernen neuer Bewegungen<br />

auswirken. Diese Ers<strong>ch</strong>einung wird als Interferenz bezei<strong>ch</strong>net (vgl. <strong>Bewegungslehre</strong><br />

1, Kap. 6 „Bewegungsverwandts<strong>ch</strong>aften“).<br />

Aufgabe:<br />

6. Wel<strong>ch</strong>e Faktoren haben einen Einfluss auf den Erwerb von Bewegungserfahrung?<br />

6 Bewegungsvorstellung<br />

6.1 Definition<br />

Eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle beim motoris<strong>ch</strong>en Lernen spielt die Bewegungsvorstellung.<br />

Unter Bewegungsvorstellung versteht man einen aus dem Gedä<strong>ch</strong>tnis aufgebauten<br />

Ablauf einer geplanten oder ausgeführten Bewegung.<br />

(na<strong>ch</strong> Röthig/Grössing 1996, 89)<br />

Die Bewegungsvorstellung ist einerseits immer eine ganzheitli<strong>ch</strong>e Vorstellung einer<br />

Bewegung und beinhaltet also au<strong>ch</strong> z.B. ihren dynamis<strong>ch</strong>en Verlauf. Das reine Vorstellen<br />

einer oder mehrerer Körperstellungen, wie sie z.B. auf Reihenbildern zu sehen<br />

sind, ist no<strong>ch</strong> keine Bewegungsvorstellung.<br />

Anderseits sind in einer umfassenden Bewegungsvorstellung die gespei<strong>ch</strong>erten<br />

Wahrnehmungen aller 5 Analysatoren enthalten. Alles, was i<strong>ch</strong> während einer Bewegung<br />

sehe, höre und fühle, fliesst in die Bewegungsvorstellung ein.<br />

Wenn si<strong>ch</strong> ein Sportler eine Bewegung vorstellt, so stellt er sie ni<strong>ch</strong>t als etwas ausser<br />

ihm Existierendes „vor si<strong>ch</strong> hin“, sondern er stellt sie „in si<strong>ch</strong> hinein“. Eine e<strong>ch</strong>te Bewegungsvorstellung<br />

ist deshalb immer eine „Innensi<strong>ch</strong>t“.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 54-55)<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 10


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

6.2 Methoden zur Verbesserung der Bewegungsvorstellung<br />

Einen s<strong>ch</strong>wierigen Bewegungsablauf zu erlernen, hängt unter anderem ab von der<br />

Bildung einer klaren und ri<strong>ch</strong>tigen Bewegungsvorstellung. Diese Vorstellung kann<br />

si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Beoba<strong>ch</strong>ten s<strong>ch</strong>lagartig bilden. Den 9 –12-Jährigen spri<strong>ch</strong>t man ein Lernen<br />

(dur<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>ahmung) auf Anhieb zu. In späterem Alter, aber au<strong>ch</strong> bei höheren<br />

und komplexeren Lernanforderungen kommt man mit einer sol<strong>ch</strong>en „naiven Te<strong>ch</strong>nik“<br />

ni<strong>ch</strong>t aus. Im Folgenden werden ein paar Methoden zum gezielten Aufbau einer Bewegungsvorstellung<br />

bes<strong>ch</strong>rieben. Dabei werden auf vers<strong>ch</strong>iedenen Wegen bewusst<br />

Informationen aufgenommen.<br />

1. Über das Auge: Die intensive Beoba<strong>ch</strong>tung und ihre Spei<strong>ch</strong>erung im Gedä<strong>ch</strong>tnis.<br />

Das heisst bewusstes Beoba<strong>ch</strong>ten, Auswahl der Te<strong>ch</strong>nikelemente, des Gesamtablaufs,<br />

der ins eigene Repertoire übernommen werden könnte.<br />

2. Über das Wort: Bewusste Aufnahme von Bewegungserklärungen des Trainers,<br />

aber au<strong>ch</strong> eigene Bes<strong>ch</strong>reibung des Bewegungsablaufs. Auf diese Weise vergegenwärtigt<br />

man si<strong>ch</strong>, was passiert oder passiert ist.<br />

3. Über das Gefühl: Bewusstma<strong>ch</strong>en kinästhetis<strong>ch</strong>er Informationen. Wahrgenommen<br />

werden Spannungs- und Entspannungszustände der Muskulatur, die Abstufung<br />

des Krafteinsatzes, der Rhythmus einer Bewegung, etc.<br />

(Röthig/Grössing 1996, 89-90)<br />

Aufgabe<br />

Abb. 10 Die Bewegungsphasen eines Vollrists<strong>ch</strong>usses (Bauer 1998, 82)<br />

7. Versu<strong>ch</strong>e, die oben bes<strong>ch</strong>riebenen Methoden<br />

bei der Ausführung eines Vollrists<strong>ch</strong>usses<br />

(vgl. Abb. 10) anzuwenden:<br />

1. Informationsaufnahme über das Auge:<br />

Was beoba<strong>ch</strong>test Du? Auf wel<strong>ch</strong>e Aspekte der<br />

Bewegung a<strong>ch</strong>test Du?<br />

2. Informationsaufnahme über das Wort:<br />

Formuliere den Bewegungsablauf in eigenen<br />

Worten.<br />

3. Informationsaufnahme über das Gefühl:<br />

Bes<strong>ch</strong>reibe, was Du während des Bewegungsablaufs<br />

spürst.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 11


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

7 Modell der Bewegungskoordination<br />

Das folgende Modell der Bewegungskoordination geht davon aus, dass si<strong>ch</strong> Lernen<br />

grundsätzli<strong>ch</strong> in einem Regelkreis vollzieht, der si<strong>ch</strong> selbst optimiert. Zur Lösung der<br />

in vielen Sportarten gestellten komplizierten Koordinationsaufgaben sind mehrere<br />

Teilaufgaben zu realisieren:<br />

1. Die afferente und reafferente Informationsaufnahme. Dadur<strong>ch</strong> werden vor, während<br />

und na<strong>ch</strong> einer Bewegung Informationen gewonnen und weitervermittelt.<br />

2. Die Erstellung eines Bewegungsplans<br />

3. Das Abfragen des motoris<strong>ch</strong>en Gedä<strong>ch</strong>tnisses mit Bewegungsmustern<br />

4. Die Steuerung und Regelung der Bewegung dur<strong>ch</strong> die Erteilung efferenter Steuer-<br />

und Korrekturimpulse an die Muskeln<br />

5. Die Bewegungsausführung<br />

6. Der Verglei<strong>ch</strong> der eingehenden Informationen (Istwerte) mit dem erstellten Bewegungsplan<br />

(Sollwerte)<br />

Efferente Informationen<br />

an die Muskeln<br />

Störgrösse<br />

Handlungsziel<br />

Bewegungsplan<br />

Istwert-Sollwert-<br />

Verglei<strong>ch</strong><br />

Motoris<strong>ch</strong>es<br />

Gedä<strong>ch</strong>tnis<br />

mit<br />

Auswahl-<br />

programmen<br />

Bewegungsausführung<br />

(Muskeln)<br />

Innerer<br />

Regelkreis<br />

Äusserer<br />

Regelkreis<br />

Abb. 11 Modell der Bewegungskoordination (na<strong>ch</strong> Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 42)<br />

(Re-)afferente<br />

Informationen an das<br />

Zentralnervensystem<br />

(Afferenzsynthese)<br />

Umwelt<br />

(Boden, Geräte,<br />

Wasser, S<strong>ch</strong>nee)<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 12


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Erläuterungen zum Modell der Bewegungskoordination<br />

Afferente Informationen,<br />

Afferenzen<br />

Reafferente Informationen,<br />

Reafferenzen<br />

Informationen, die vor einer Bewegung dur<strong>ch</strong> die Sinnesorgane (z.B.<br />

Augen und Ohren) aufgenommen und an das zentrale Nervensystem<br />

weitergeleitet werden.<br />

Informationen (Rückmeldungen, Feedback), die während oder na<strong>ch</strong><br />

einer Bewegung auf afferentem Weg übermittelt werden. Sie orientieren<br />

über den Verlauf oder das Ergebnis einer Bewegung.<br />

Afferenzsynthese Der Sportler erhält beim Lernen von Bewegungen eine Reihe von<br />

Informationen. Der Lehrende erklärt sie (verbal), die Bewegung wird<br />

vorgema<strong>ch</strong>t (visuell), das Bewegungsgefühl bringt erste Empfindungen<br />

über den mögli<strong>ch</strong>en Ablauf einer Bewegung (kinästhetis<strong>ch</strong>). Diese<br />

ankommenden (afferenten) Impulse werden nun zu einer Einheit<br />

vers<strong>ch</strong>molzen. Erst diese Gesamtinformation (Synthese) ermögli<strong>ch</strong>t<br />

es, einen Bewegungsplan zu entwickeln, ehe eine Bewegung ausgeführt<br />

wird.<br />

Da die Afferenzsynthese alle auf afferentem Weg übermittelten Informationen<br />

enthält, sind darin au<strong>ch</strong> die Reafferenzen einges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Efferente Informationen,<br />

Efferenzen<br />

Innerer und äusserer Regelkreis<br />

Informationen (motoris<strong>ch</strong>e Kommandos), die vom zentralen Nervensystem<br />

zur Peripherie (Muskulatur) gesendet werden.<br />

(Röthig/Grössing 1996, 166f)<br />

Zum inneren Regelkreis gehören der kinästhetis<strong>ch</strong>e und der staticodynamis<strong>ch</strong>e<br />

Analysator, zum äusseren Regelkreis der optis<strong>ch</strong>e, taktile<br />

und akustis<strong>ch</strong>e Analysator. Der äussere Regelkreis verarbeitet<br />

Informationen aus der Umwelt, im innern Regelkreis verläuft der Informationsfluss<br />

auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> innerhalb des Organismus.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 48)<br />

Aufgabe:<br />

8. Trage in das Modell der Bewegungskoordination Abb. 11 die Korrektur des Trainers<br />

ein.<br />

Abb. 12 Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t – eine der<br />

zentralen koordinativen Fähigkeiten<br />

im Sport<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 13


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

8 Phasen des motoris<strong>ch</strong>en Lernens<br />

Aufgabe:<br />

9. Nenne einige Bewegungsfehler, die für Anfänger in bestimmten Sportarten typis<strong>ch</strong><br />

sind. Orientiere Di<strong>ch</strong> dabei an den bekannten Bewegungsmerkmalen.<br />

Das Lernen neuer Bewegungen vollzieht si<strong>ch</strong> in <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>en Phasen. Man unters<strong>ch</strong>eidet<br />

folgende drei Lernphasen:<br />

Erste Lernphase: Entwicklung der Grobkoordination<br />

Zweite Lernphase: Entwicklung der Feinkoordination<br />

Dritte Lernhase: Entwicklung der situativ-variablen Verfügbarkeit<br />

Diese Phasen stellen kein starres S<strong>ch</strong>ema dar. Es gibt keine s<strong>ch</strong>arfen Trennungslinien,<br />

sondern fliessende Übergänge von der einen in die nä<strong>ch</strong>st höhere Phase. Ebenso<br />

stellen die drei Phasen die Grundstruktur allen motoris<strong>ch</strong>en Lernens dar, unabhängig<br />

von der Sportart, dem Alter und der vorhandenen Bewegungserfahrung<br />

eines Mens<strong>ch</strong>en.<br />

8.1 Grobkoordination<br />

8.1.1 Allgemeine Charakteristik<br />

Die erste Lernphase umfasst den Lernverlauf vom ersten näheren Bekanntwerden<br />

mit dem neu zu erlernenden Bewegungsablauf bis zu einem Stadium, in dem der<br />

Lernende die Bewegung bei günstigen Bedingungen ausführen kann. Das Können in<br />

dieser ersten Lernphase ist jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> unvollkommen in vers<strong>ch</strong>iedener Beziehung:<br />

Der Erfolg ist eng an günstige Bedingungen der Übungsstätte oder des Geländes<br />

gebunden. Die Bewegungsausführung weist no<strong>ch</strong> wesentli<strong>ch</strong>e Mängel auf, die in fast<br />

allen Bewegungsmerkmalen (Skript <strong>Bewegungslehre</strong> 1,11-13) zu Tage treten.<br />

8.1.2 Zur Bewegungskoordination<br />

Die oben bes<strong>ch</strong>riebenen Mängel in der Bewegungsausführung lassen si<strong>ch</strong> weitgehend<br />

erklären, wenn wir verstehen, wie die Bewegung in dieser ersten Lernphase<br />

gesteuert und geregelt wird.<br />

Analysatoren<br />

Charakteristis<strong>ch</strong> für die Informationsaufnahme und -verarbeitung ist die unzurei<strong>ch</strong>ende<br />

Verwertung der afferenten und reafferenten Signale. Einem Anfänger ist es ni<strong>ch</strong>t<br />

mögli<strong>ch</strong>, die Fülle der vor und während der Bewegungsausführung einlaufenden Informationen<br />

ri<strong>ch</strong>tig zu deuten, die wesentli<strong>ch</strong>en herauszufiltern und zweckentspre<strong>ch</strong>end<br />

zusammenzusetzen.<br />

Der Lernende erfasst häufig s<strong>ch</strong>on das ihm dargebotene Vorbild ni<strong>ch</strong>t hinrei<strong>ch</strong>end,<br />

so dass keine brau<strong>ch</strong>bare erste Vorstellung, kein sinnvoller Bewegungsplan entste-<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 14


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

hen kann. Die Wahrnehmung der vollzogenen Bewegung ist sehr vers<strong>ch</strong>wommen,<br />

d.h. der Anfänger weiss oft ni<strong>ch</strong>t genau, was er eigentli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hat.<br />

Dominierend ist zunä<strong>ch</strong>st der optis<strong>ch</strong>e Analysator, die andern Analysatoren sind<br />

wohl beteiligt, aber no<strong>ch</strong> unzurei<strong>ch</strong>end. Das betrifft insbesondere den kinästhetis<strong>ch</strong>en<br />

Analysator, dessen Informationen die Bewegung massgebli<strong>ch</strong> steuern und<br />

regeln müssen.<br />

Bewegungsvorstellung<br />

Eine ents<strong>ch</strong>eidende Rolle spielt die Bewegungserfahrung. Ein erfahrener Sportler,<br />

der eine neue Bewegung lernt, befindet si<strong>ch</strong> in einer andern Ausgangssituation als<br />

der sportli<strong>ch</strong>e Anfänger. Die erste Lernphase verläuft für ihn anders. Die sensoris<strong>ch</strong>en<br />

und verbalen Informationen bei der Aufgabenstellung werden besser aufgenommen<br />

und verarbeitet. Es bildet si<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>nell eine klarere, au<strong>ch</strong> bereits kinästhetis<strong>ch</strong>e<br />

Bewegungsvorstellung.<br />

Beim sportli<strong>ch</strong>en Anfänger hingegen ist die Vorstellung vom Bewegungsablauf im<br />

Wesentli<strong>ch</strong>en ein optis<strong>ch</strong>es Abbild und enthält nur in geringem Mass die für eine Bewegungsvorstellung<br />

so wi<strong>ch</strong>tigen kinästhetis<strong>ch</strong>en Anteile.<br />

Abb. 13 Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>es und<br />

taktis<strong>ch</strong>es Können im Kampf<br />

um den Ball<br />

Soll-Istwert-Verglei<strong>ch</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bewegungstätigkeit ist nur mögli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Regelung, d.h., bei der Ausführung<br />

einer Bewegung findet ein ständiger Soll-Istwert- Verglei<strong>ch</strong> statt. Das gilt<br />

au<strong>ch</strong> bereits für die Grobkoordination. Da hingegen die Informationsaufnahme und<br />

Informationsverarbeitung über die auszuführende Bewegung no<strong>ch</strong> sehr ungenau ist,<br />

kann im Bewegungsplan au<strong>ch</strong> kein korrekter Sollwert eingestellt werden. Deshalb ist<br />

eine Regelung des Bewegungsablaufs nur bes<strong>ch</strong>ränkt mögli<strong>ch</strong>. Charakteristis<strong>ch</strong> für<br />

die Regelung in der ersten Lernphase ist, dass Sollwertabwei<strong>ch</strong>ungen erst von einer<br />

bestimmten Grösse an überhaupt erfasst werden. Das zeigt si<strong>ch</strong> am deutli<strong>ch</strong>sten<br />

beim Erlernen von Bewegungen, die hohe Anforderungen an das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t stellen.<br />

Hierin ist au<strong>ch</strong> die Tatsa<strong>ch</strong>e begründet, dass im Stadium der Grobkoordination die<br />

Bewegung nur unter günstigen Bedingungen gelingt. Auf Störungen reagiert der An-<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 15


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

fänger nur ungenügend oder ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>nell genug. Fast überhaupt unmögli<strong>ch</strong> ist für<br />

ihn eine vorauss<strong>ch</strong>auende, antizipierende Regelung. Er kann Störungen ni<strong>ch</strong>t voraussehen<br />

und si<strong>ch</strong> darauf einstellen. Das wird erst in einem späteren Lernstadium<br />

errei<strong>ch</strong>t. Darum ist eine wettkampfmässige Anwendung der erlernten Te<strong>ch</strong>nik im<br />

Stadium der Grobkoordination ni<strong>ch</strong>t zweckmässig. Denn in jedem Wettkampf treten<br />

Störeinflüsse auf, sei es dur<strong>ch</strong> die Bedingungen des Geländes, des Wettkampfortes<br />

oder dur<strong>ch</strong> den Gegner.<br />

Die Mängel in der Bewegungskoordination in dieser ersten Lernphase lassen si<strong>ch</strong><br />

folgendermassen erklären: Die Bewegungsausführung wird hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> über den<br />

äusseren Regelkreis kontrolliert. Mögli<strong>ch</strong>e Korrekturen ges<strong>ch</strong>ehen fast nur auf der<br />

Basis visueller Informationen, sind sehr grob und kommen oft zu spät.<br />

8.2 Feinkoordination<br />

(na<strong>ch</strong> Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 160-168)<br />

8.2.1 Allgemeine Charakteristik<br />

Die zweite Lernphase umfasst den Lernverlauf vom Errei<strong>ch</strong>en des Stadiums der<br />

Grobkoordination bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung annähernd<br />

fehlerfrei ausführen kann. Dabei wird die Aufgabe unter den gewohnten, günstigen<br />

Bedingungen ohne störende Einflüsse voll und mit Lei<strong>ch</strong>tigkeit erfüllt. Treten<br />

jedo<strong>ch</strong> ungewohnte, ungünstige Bedingungen und Störeinflüsse auf, ist die Erfüllung<br />

der Aufgabe ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>ermassen vollkommen. Es stellen si<strong>ch</strong> wieder gröbere te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e<br />

Fehler und Rückfälle in eben erst überwundene Mängel ein. Ansonsten wirkt<br />

der Bewegungsablauf harmonis<strong>ch</strong>er und einheitli<strong>ch</strong>er, überflüssige Mitbewegungen<br />

vers<strong>ch</strong>winden.<br />

Die Entwicklung von der Grob- zur Feinkoordination geht im Allgemeinen kontinuierli<strong>ch</strong><br />

vor si<strong>ch</strong>. Bisweilen kann jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine zeitweilige Stagnation auftreten, so<br />

dass trotz fortgesetzten Übens kein si<strong>ch</strong>tbarer Erfolg verzei<strong>ch</strong>net wird. Denno<strong>ch</strong> stellt<br />

si<strong>ch</strong> häufig ein grösserer Forts<strong>ch</strong>ritt na<strong>ch</strong> einer zeitweiligen Stagnation ein, und das<br />

ni<strong>ch</strong>t selten na<strong>ch</strong> einer Unterbre<strong>ch</strong>ung des Übens über mehrere Trainingseinheiten<br />

hinweg. Wird der Lernverlauf in Form einer Kurve dargestellt, so lassen si<strong>ch</strong> sowohl<br />

Perioden des Lernforts<strong>ch</strong>ritts als au<strong>ch</strong> Perioden gewisser Stagnation (Plateaubildung)<br />

erkennen.<br />

Das Problem der Plateaubildung<br />

Es ist anzunehmen, dass der Lernprozess der Bewegungskoordination in den entspre<strong>ch</strong>enden Hirnzentren<br />

forts<strong>ch</strong>reitet, au<strong>ch</strong> wenn in der Bewegungsführung keine Veränderungen erkennbar werden.<br />

Das heisst, dass die Plateaubildung nur eine s<strong>ch</strong>einbare Stagnation des Lernprozesses ausdrückt.<br />

Offenbar muss in den Prozessen des Zentralnervensystems erst eine bestimmte Qualität errei<strong>ch</strong>t<br />

werden, bevor si<strong>ch</strong> diese Forts<strong>ch</strong>ritte au<strong>ch</strong> in der Bewegung zeigen. Das gilt besonders für s<strong>ch</strong>wierigere<br />

sportli<strong>ch</strong>e Bewegungen.<br />

In den Bewegungsmerkmalen ist überall das Ers<strong>ch</strong>einungsbild anzutreffen, das für<br />

eine rationelle und ökonomis<strong>ch</strong>e Bewegungsausführung gefordert wird.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 16


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

8.2.2 Zur Bewegungskoordination<br />

Analysatoren<br />

In der zweiten Lernphase ist die Informationsaufnahme und –verarbeitung von zentraler<br />

Bedeutung. Im Gegensatz zur ersten Lernphase werden nun in zunehmendem<br />

Masse au<strong>ch</strong> Informationen über die Bewegungsausführung aufgenommen und verarbeitet.<br />

Ein Grossteil dieser erweiterten Information ist auf eine Vers<strong>ch</strong>iebung im<br />

Anteil der Analysatoren zurückzuführen. Mit zunehmender Übung können vor allem<br />

die Informationen des kinästhetis<strong>ch</strong>en Analysators besser verarbeitet werden. Im<br />

Verlauf dieser zweiten Lernphase gewinnt der kinästhetis<strong>ch</strong>e Analysator - und mit<br />

ihm der innere Regelkreis - an Bedeutung und wird zur führenden Instanz.<br />

Abb. 14 Judo – Taktile Fähigkeiten im „sanften<br />

Weg“<br />

Bewegungsvorstellung<br />

Die Bewegungsvorstellung, die beim Anfänger no<strong>ch</strong> unvollkommen ist, wird zunehmend<br />

erweitert und verfeinert. Au<strong>ch</strong> dies wird nur mögli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine stärkere Einbeziehung<br />

aller sensoris<strong>ch</strong>en Informationen.<br />

Die Verbesserung der Bewegungsvorstellung ist dabei eng verbunden mit der Verbalisierung<br />

des Bewegungsvorgangs. Verbalisierung heisst zum einen, dass der Lehrer<br />

die Bewegung und allfällige Korrekturen in allen Einzelheiten zu bes<strong>ch</strong>reiben weiss.<br />

Zum andern ist au<strong>ch</strong> der Lernende aufgefordert, die eigene Bewegung spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

wiederzugeben. Auf diese Weise können Fehler in der Bewegungsvorstellung entdeckt<br />

werden und Teile – wie bei einem Puzzle – na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> zu einer ganzheitli<strong>ch</strong>en<br />

Bewegungsvorstellung zusammengesetzt werden. Diese kognitive Arbeit an<br />

einer Bewegung verlangt eine hohe Motivation seitens des Sportlers, weil oft über<br />

längere Zeit trotz harter Arbeit keine si<strong>ch</strong>tbaren Erfolge eintreten. Ein Sportler, dem<br />

dieses innere Engagement, diese dauernde Auseinandersetzung mit den Feinheiten<br />

eines Bewegungsablaufs fehlt, wird jedo<strong>ch</strong> bei komplizierteren te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Abläufen<br />

nie das Stadium der Feinkoordination errei<strong>ch</strong>en.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 17


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Soll-Istwert-Verglei<strong>ch</strong><br />

Wurden in der ersten Lernphase Sollwertabwei<strong>ch</strong>ungen im Verglei<strong>ch</strong> mit dem antizipierten<br />

Programm erst von einer sol<strong>ch</strong>en Grösse an erfasst, dass die einsetzende<br />

Korrektur den gesamten Bewegungsablauf beeinträ<strong>ch</strong>tigte, so ändert si<strong>ch</strong> das jetzt<br />

S<strong>ch</strong>ritt für S<strong>ch</strong>ritt. Sollwertabwei<strong>ch</strong>ungen werden bereits im Anfangsstadium erfasst.<br />

Die entspre<strong>ch</strong>ende Korrektur setzt so zeitig ein, dass ein fliessender, glatter Bewegungsablauf<br />

gewährleistet ist. Dieses Niveau der Bewegungsregulation wird jedo<strong>ch</strong><br />

erst unter gewohnten Übungsbedingungen errei<strong>ch</strong>t. Plötzli<strong>ch</strong> auftretende grössere<br />

Störungen werden no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>nell genug erfasst und verarbeitet.<br />

Mit der Entwicklung der Feinkoordination bildet si<strong>ch</strong> eine komplexe Wahrnehmung<br />

heraus, die man oft mit Begriffen wie „Skigefühl“, „Ballgefühl“, usw. ums<strong>ch</strong>reibt. Beim<br />

Skigefühl werden die Skier glei<strong>ch</strong>sam als verlängerter Fuss empfunden, beim Ballgefühl<br />

wird der Ball beinahe als Teil des eigenen Körpers angesehen. Dieser Einheit<br />

zwis<strong>ch</strong>en Gerät und Person wird man si<strong>ch</strong> oft erst dann bewusst, wenn man na<strong>ch</strong><br />

längerer Übungspause das vertraute Gefühl vermisst.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 170-183)<br />

Aufgaben:<br />

10. Nenne einige Sportarten und Situationen, wo plötzli<strong>ch</strong> auftretende grössere Störungen<br />

eine im allgemeinen gut beherrs<strong>ch</strong>te Bewegung misslingen lassen.<br />

11. Worin besteht die Gefahr, wenn eine Sportlerin an Wettkämpfen teilnimmt, bevor<br />

sie das Stadium der Feinkoordination errei<strong>ch</strong>t hat? Ist diese Gefahr in allen<br />

Sportarten glei<strong>ch</strong> gross?<br />

12. Das Üben in der zweiten Lernphase wird von Sportwissens<strong>ch</strong>aftlern bes<strong>ch</strong>rieben<br />

als „Wiederholen ohne Wiederholung“. Was ist damit gemeint?<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 18


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

8.3 Situativ-variable Verfügbarkeit<br />

Abb. 15 Präzision mit hoher Konstanz, die Merkmale<br />

eines Könners.<br />

8.3.1 Allgemeine Charakteristik<br />

Die dritte Lernphase umfasst den Lernverlauf vom Errei<strong>ch</strong>en des Stadiums der Feinkoordination<br />

bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung au<strong>ch</strong> unter<br />

s<strong>ch</strong>wierigen und ungewohnten Bedingungen si<strong>ch</strong>er ausführen und jederzeit erfolgrei<strong>ch</strong><br />

anwenden kann. Die Aufgabe muss im Wettkampf unter s<strong>ch</strong>wierigsten Bedingungen<br />

erfüllt werden, wobei die Bewegungsstruktur und die Gütekriterien der Te<strong>ch</strong>nik<br />

dem Bewegungszweck au<strong>ch</strong> bei stärkeren Störeinflüssen entspre<strong>ch</strong>en müssen.<br />

Erst damit sind die Voraussetzungen für hö<strong>ch</strong>ste sportli<strong>ch</strong>e Leistungen gegeben.<br />

Leistungsstabilität beruht jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur auf dem Niveau motoris<strong>ch</strong>en Könnens. Die<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit einer Sportlerin mit ihren psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften ist sehr mitents<strong>ch</strong>eidend.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Stabilität und der Stabilität einer motoris<strong>ch</strong>en Fertigkeit<br />

bestehen We<strong>ch</strong>selbeziehungen.<br />

Im Stadium der situativ-variablen Verfügbarkeit besitzt der Sportler aber meist die<br />

nötige Selbstsi<strong>ch</strong>erheit, um au<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong>e Situationen wie Doppelfehler beim Tennisaufs<strong>ch</strong>lag,<br />

Fehlversu<strong>ch</strong>e beim Ho<strong>ch</strong>sprung, usw. wieder in den Griff zu bekommen.<br />

Die dritte Lernphase ist niemals restlos abges<strong>ch</strong>lossen; ein ni<strong>ch</strong>t mehr zu überbietendes<br />

Optimum wird nie errei<strong>ch</strong>t, sondern nur eine Annäherung an dieses Optimum.<br />

Die stabilisierte Feinkoordination ist so „labil“, dass das erarbeitete Niveau nur bei<br />

weiterer bewusster S<strong>ch</strong>ulung gehalten werden kann.<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 19


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

8.3.2 Zur Bewegungskoordination<br />

Abb. 16 Mit te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Perfektion<br />

an die Grenzen des Mögli<strong>ch</strong>en<br />

Analysatoren<br />

Die Prozesse der Informationsaufnahme und –verarbeitung haben bereits im Stadium<br />

der Feinkoordination ein hohes Niveau errei<strong>ch</strong>t. Mit zunehmender Stabilisierung<br />

ist es nun ni<strong>ch</strong>t mehr erforderli<strong>ch</strong>, dass der Lernende seine volle Aufmerksamkeit auf<br />

Details der Bewegungsausführung ri<strong>ch</strong>tet. Abgesehen von einzelnen zentralen Stellen<br />

in einem Bewegungsablauf, so genannten Knotenpunkten, kann si<strong>ch</strong> der Sportler<br />

ganz dem Errei<strong>ch</strong>en einer maximalen Leistungsfähigkeit widmen.<br />

In Zweikampfsportarten wird die Aufmerksamkeit frei für die taktis<strong>ch</strong>e Seite eines Kampfes. Au<strong>ch</strong> bei<br />

Spielsportarten wird der Sportler frei für eine ständige Beoba<strong>ch</strong>tung des Gegners und seiner Mitspieler.<br />

Dieses Freiwerden der Aufmerksamkeit ist darauf zurückzuführen, dass in der Bewegungsführung<br />

eine weitere Verlagerung des optis<strong>ch</strong>en Analysators auf den kinästhetis<strong>ch</strong>en<br />

Analysator ges<strong>ch</strong>ieht. Insgesamt werden jedo<strong>ch</strong> alle Analysatoren, die<br />

in einer bestimmten Sportart ents<strong>ch</strong>eidend sind, besser genutzt. Die Informationsaufnahme<br />

ges<strong>ch</strong>ieht immer feinsinniger, wodur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> kleinste Störeinflüsse und<br />

Bedingungsvarianten sofort erkannt und zweckgemäss beantwortet werden können.<br />

Bewegungsvorstellung<br />

Dur<strong>ch</strong> die präzise Informationsaufnahme und –verarbeitung errei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> die Bewegungsvorstellung<br />

in der dritten Lernphase ihren Höhepunkt. Es entwickelt si<strong>ch</strong> eine<br />

Allgemeinvorstellung, die jedo<strong>ch</strong> alle Details einer Bewegung mit den dazugehörigen<br />

Anpassungsvarianten im Falle von Störungen enthält.<br />

Ein ausgezei<strong>ch</strong>netes Beispiel liefert der alpine Skilauf, wo jeder Wettkampf unter<br />

ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Bedingungen stattfindet. Der Skiläufer muss während eines<br />

ganzen Laufes Störungen dur<strong>ch</strong> das Gelände, we<strong>ch</strong>selnde S<strong>ch</strong>neebes<strong>ch</strong>affenheit<br />

und s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Si<strong>ch</strong>tverhältnisse verarbeiten. Diese Si<strong>ch</strong>erheit in der Anpassung er-<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 20


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

höht er dadur<strong>ch</strong>, dass die Strecke vorher besi<strong>ch</strong>tigt und gedä<strong>ch</strong>tnismässig eingeprägt<br />

wird.<br />

Soll-Istwert-Verglei<strong>ch</strong><br />

Der Soll-Istwert-Verglei<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>t in diesem Stadium eine weitere Vervollkommnung.<br />

Sollwertabwei<strong>ch</strong>ungen werden so s<strong>ch</strong>nell erfasst und mit Korrekturen beantwortet,<br />

dass au<strong>ch</strong> bei stärkeren, massiven Störungen von aussen ein Errei<strong>ch</strong>en des Bewegungsziels<br />

no<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong> ist.<br />

(Meinel/S<strong>ch</strong>nabel 1998, 183 –190)<br />

Abb. 17 Grobkoordination (links) und Stufe der situativ-variablen Verfügbarkeit (re<strong>ch</strong>ts)<br />

Aufgaben:<br />

13. Verglei<strong>ch</strong>e in der Abb. 17 die Bewegungsstruktur von Anfängern mit derjenigen<br />

eines Könners.<br />

14. Bei s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Si<strong>ch</strong>tverhältnissen (Nebel, S<strong>ch</strong>neefall) fahren s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Skifahrer<br />

unverhältnismässig unsi<strong>ch</strong>erer als sehr gute Fahrer, die kaum auf diese s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten<br />

Bedingungen zu reagieren s<strong>ch</strong>einen. Worauf ist das zurückzuführen?<br />

15. Erläutere die folgende These anhand Deiner Kenntnisse im Bewegungslernen:<br />

„Sinnvolles Na<strong>ch</strong>denken ist nützli<strong>ch</strong>er als blindwütiges Üben“ (Hotz 1986, 156)<br />

16. In wel<strong>ch</strong>en Sportarten sind kritis<strong>ch</strong>e Situationen zu sehen, die von Sportlerinnen<br />

oft aussergewöhnli<strong>ch</strong> gut gemeistert werden?<br />

17. Den grossen Meistern der Kampfkünste wird na<strong>ch</strong>gesagt, dass sie jederzeit im<br />

Voraus wissen, was der Gegner beabsi<strong>ch</strong>tigt. Worauf ist diese „Zauberei“ zurückzuführen?<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 21


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

Aufgabe:<br />

18. Erstelle zu den drei Lernphasen eine kurze Zusammenfassung mit 1-2 zentralen<br />

Aussagen zu jedem aufgeführten Aspekt des motoris<strong>ch</strong>en Lernens.<br />

Situativ-variable Verfügbarkeit<br />

Feinkoordination<br />

Grobkoordination<br />

Allgemeine Charakteristik<br />

Analysatoren<br />

Bewegungsvorstellung<br />

Soll-Istwert-<br />

Verglei<strong>ch</strong><br />

Glatzfelder/Rohner 2006 22


<strong>Bewegungslehre</strong> 2 EF Sport<br />

9 Literatur<br />

- Bauer, G.: Fussballte<strong>ch</strong>nik heute. BLV Züri<strong>ch</strong> 1998<br />

- Hotz, A.: Qualitatives Bewegungslernen. SVSS-Verlag Zumikon 1986<br />

- Lippert, H.: Anatomie. Text und Atlas. Urban & S<strong>ch</strong>warzenberg Verlag Mün<strong>ch</strong>en<br />

1983<br />

- Meinel, K./S<strong>ch</strong>nabel,G.: <strong>Bewegungslehre</strong> – Sportmotorik. Sportverlag Berlin 1998<br />

- Röthig P.: Sportwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Lexikon. S<strong>ch</strong>orndorf 1992, 6. Auflage<br />

- Röthig P./Grössing St.: <strong>Bewegungslehre</strong>. Kursbu<strong>ch</strong> 3. Limpert Verlag Wiesbaden<br />

1996 5. Auflage<br />

- S<strong>ch</strong>eid, V./Prohl, R..: <strong>Bewegungslehre</strong>. Kursbu<strong>ch</strong> Sport 3. Limpert Verlag Wiebelsheim<br />

2001 6. Auflage<br />

- Silbernagl S./Despopoulos A.: Tas<strong>ch</strong>enatlas der Physiologie. Thieme Verlag<br />

Stuttgart 1988<br />

- Weineck, J.: Optimales Training. Spitta Verlag Balingen 1997<br />

- Weineck, J.: Sportbiologie. Spitta Verlag Balingen 1998<br />

10 Bildna<strong>ch</strong>weis<br />

Titelseite Bryan Wendling http://jugglerboy.home.att.net<br />

Abb. 12 Bob Martin www.bobmartin.com<br />

Abb. 13 Bauer, G.: Fussballte<strong>ch</strong>nik heute. BLV Züri<strong>ch</strong> 1998, S. 37<br />

Abb. 14 Prisma Dia-Agentur Züri<strong>ch</strong>. Sports Photo Catalog, S. 104<br />

Abb. 15 S<strong>ch</strong>oll P.: Ri<strong>ch</strong>tig Tennisspielen, BLV Sportpraxis, Mün<strong>ch</strong>en 1995, S. 112<br />

Abb. 16 Prisma Dia-Agentur Züri<strong>ch</strong>. Sports Photo Catalog, S. 16<br />

Abb. 17 links: Egger K.: Turnen und Sport in der S<strong>ch</strong>ule, Bd. 1. Bern 1978, S. 128<br />

re<strong>ch</strong>ts: Wolfermann K./Rieder H.: Speerwerfen. Mün<strong>ch</strong>en 1973, S.64<br />

Glatzfelder/Rohner 2006 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!