1 Grundsätzliche Aspekte der Beurteilung von ... - Norbert Bogusch
1 Grundsätzliche Aspekte der Beurteilung von ... - Norbert Bogusch
1 Grundsätzliche Aspekte der Beurteilung von ... - Norbert Bogusch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1 <strong>Grundsätzliche</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Beurteilung</strong> <strong>von</strong><br />
Mängeln<br />
1.1 Mängel und Schäden im Bauwesen<br />
Solange gebaut wird, Mängel und Schäden hat es immer gegeben.<br />
Das wird sich in <strong>der</strong> Zukunft auch nicht än<strong>der</strong>n. Ein Bauwerk<br />
ohne Mängel gibt es nicht. Man muss nur lange genug suchen. Es<br />
stellt sich jedoch die Frage <strong>der</strong> Gewichtung <strong>der</strong> jeweiligen Mängel.<br />
Mängel und Schäden stellen ein volkswirtschaftliches Problem<br />
dar. Die Bundesregierung erarbeitet jährlich einen Bauschadensbericht,<br />
in dem die beson<strong>der</strong>s im Bauwesen betroffenen Bauteilgruppen<br />
und Schadensursachen differenziert werden.<br />
Anteile <strong>der</strong> Bauschäden in den jeweiligen Bauteilgruppen:<br />
Bauteil Anteil<br />
Außenwände 25,2 %<br />
Decken und Fußböden 18,6 %<br />
Keller, Abdichtungen und<br />
Dränagen<br />
16,4 %<br />
Dächer 11,0 %<br />
Einbauten (Technik und<br />
8,8 %<br />
Ausbau)<br />
Innenwände 7,7 %<br />
Balkone und Terrassen 6,0 %<br />
Außenanlagen 2,2 %<br />
Gründungen 1,3 %<br />
Sonstiges 2,8 %<br />
Gesamt 100,0 %<br />
Anteile <strong>der</strong> Bauschadensursachen:<br />
Schadensursache Anteil<br />
Ausführungsmängel 53,6 %<br />
Planungsmängel 17,8 %<br />
Bauüberwachungsmängel 10,9 %<br />
Nutzungsfehler 7,7 %<br />
Natürlicher Verschleiß 5,7 %<br />
Materialfehler 4,3 %<br />
Gesamt 100,0 %<br />
Mängel weist<br />
jedes Bauwerk<br />
auf
Typische Schwachstellen an Gebäuden<br />
Das nachstehende Bild mit anschließen<strong>der</strong> Erläuterung zeigt die wesentlichen Schwachstellen:<br />
1.1 Durchfeuchtete Kelleraußenwände<br />
1.2 Durchfeuchtete Kellerinnenwände<br />
1.3 Durchfeuchtung außen am Bauwerkssockel<br />
1.4 Auflageschäden an Kellerdecken<br />
1.5 Schadhafte Grundleitungen<br />
2.1 – 2.4 Schäden an Fassadenoberflächen<br />
2.5 Risse in <strong>der</strong> Fassade<br />
3.1 – 3.2 Schadhafte Außenfenster<br />
3.3 Schwachstelle Fenster-<br />
/Wandanschluss<br />
3.4 Schwachstellen an Außentüren<br />
4.1 – 4.2 Schadhafte Dachhaut<br />
4.3 – 4.5 Schäden an Holzdachstühlen<br />
5.1 Schwachstellen am gedichteten Dach<br />
5.2 Schadhafte Dachentwässerung<br />
5.3 – 5.4 Schadhafte Loggien/Dacheinschnitte<br />
5.5 Schwachstelle Balkon<br />
6.1 Abgefaulte Balkenköpfe <strong>von</strong><br />
Holzdecken<br />
6.2 Schwachstelle Deckenstuck<br />
6.3 Schadhafter Deckenputz auf<br />
Spalierlatten<br />
6.4 Schwachstelle Holzdielenfußboden<br />
6.5 Schwachstelle Platten /<br />
Terrazzobeläge<br />
7.1 – 7.5 Schadhafte Holzgeschosstreppen<br />
8.1 Schadhafter Wandputz / Tapeten<br />
8.2 Schwachstelle Wandfliesenbeläge<br />
8.3 Inhomogene Innenwände<br />
8.4 Schadhafte Innentüren<br />
9.1 – 9.2 Schwachstelle Heizungsanlagen<br />
9.3 – 9.4 Schadhafte Kaminzüge / Kaminköpfe<br />
10.1 – 10.2 Schwachstelle Bä<strong>der</strong> / WCs<br />
10.3 Hausanschlüsse<br />
10.4 – 10.5 Elektroinstallationen
1.2 Definition <strong>von</strong> Mängeln und Schäden<br />
1.2.1 Gesetzliche Grundlagen<br />
Die Leistungen des Architekten, Fachplaners o<strong>der</strong> Handwerkers<br />
werden in <strong>der</strong> Regel im Rahmen eines Werkvertrags erbracht.<br />
Grundsätzlich gilt, dass ein gebrauchsfähiges, mängelfreies Werk<br />
zu liefern ist. Dazu sind folgende gesetzliche Grundlagen zu beachten:<br />
BGB § 633<br />
(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk so herzustellen,<br />
dass es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern<br />
behaftet ist, die den Wert o<strong>der</strong> die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen<br />
o<strong>der</strong> nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben<br />
o<strong>der</strong> min<strong>der</strong>n.<br />
VOB/B § 13 Nr.1<br />
Der Auftragnehmer übernimmt die Gewähr, dass seine Leistung<br />
zur Zeit <strong>der</strong> Abnahme die vertraglich zugesicherten Eigenschaften<br />
hat, den anerkannten Regeln <strong>der</strong> Technik entspricht und nicht mit<br />
Fehlern behaftet ist, die den Wert o<strong>der</strong> die Tauglichkeit zu den<br />
gewöhnlichen o<strong>der</strong> dem nach dem Vertrag vorausgesetzten<br />
Gebrauch aufheben o<strong>der</strong> min<strong>der</strong>n.<br />
1.2.2 Allgemein anerkannte Regeln <strong>der</strong> Bautechnik<br />
Die VOB, wie auch diverse BGH Urteile zum § 633, bringt die Allgemein<br />
anerkannten Regeln <strong>der</strong> Bautechnik ins Spiel. Kriterien<br />
dafür sind:<br />
1. Wissenschaftliche Richtigkeit <strong>der</strong> konstruktiven Ausführung<br />
2. Allgemeine Bekanntheit unter Fachleuten<br />
3. Richtigkeit und Notwendigkeit <strong>der</strong> konstruktiven Ausführung ist<br />
durch fortwährende praktische Erfahrung belegt; die Ausführung<br />
hat sich bewährt<br />
Was die allgemein anerkannten Regeln <strong>der</strong> Bautechnik sind, ist<br />
immer im Einzelfall abzuklären. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff<br />
hat nichts mit DIN-Normen, die durch das Deutsche Institut für<br />
Normung e.V. erarbeitet und veröffentlicht werden, zu tun. Der<br />
Anwen<strong>der</strong> <strong>der</strong> DIN-Normen darf jedoch darauf vertrauen, dass er<br />
nach den allgemein anerkannten Regeln <strong>der</strong> Bautechnik arbeitet.
Ist einer <strong>der</strong> Vertragsparteien <strong>der</strong> Meinung, die entsprechende<br />
Norm sei nicht allgemein anerkannte Regel <strong>der</strong> Bautechnik, so<br />
liegt die Beweislast auf seiner Seite. Im privaten Bereich kann es<br />
aus verschiedenen Gründen durchaus sinnvoll sein, z.B. aus wirtschaftlichen<br />
Gründen, <strong>von</strong> den Allgemein anerkannten Regeln <strong>der</strong><br />
Bautechnik abzuweichen. Dazu ist aber immer eine beson<strong>der</strong>e,<br />
klar definierte vertragliche Regelung erfor<strong>der</strong>lich. Liegt eine solche<br />
Regelung nicht vor, so ist die gewöhnliche Beschaffenheit, also<br />
eine Ausführung nach den Allgemein anerkannten Regeln <strong>der</strong><br />
Bautechnik als Sollzustand geschuldet.<br />
Jede Abweichung vom Sollzustand stellt einen Mangel dar!<br />
Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Mangel einen Nachteil für<br />
den Bauherrn mit sich bringt o<strong>der</strong> nicht.<br />
1.2.3 Musterbauordnung<br />
Im öffentlich-rechtlichem Bereich ist <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>te Sollzustand<br />
aus einer an<strong>der</strong>en Interessenslage zu sehen. Hier gelten die Landesbauordnungen,<br />
die <strong>von</strong> Bundesland zu Bundesland unterschiedlich<br />
sind. Wesentliche For<strong>der</strong>ungen sind in <strong>der</strong> Musterbauordnung<br />
jedoch bundeseinheitlich geregelt. In diesem Zusammenhang<br />
gilt:<br />
Musterbauordnung (MBO) § 3 (1996)<br />
(1) Bauliche Anlagen ...... sind so anzuordnen, zu errichten und<br />
Instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit o<strong>der</strong> Ordnung,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Leben, Gesundheit o<strong>der</strong> die natürliche<br />
Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Die ...... als Technische<br />
Bestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten.<br />
...... Von [ diesen Regeln ] kann abgewichen werden,<br />
wenn mit einer an<strong>der</strong>en Lösung in gleichem Maße die allgemeinen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen des Satzes 1 erfüllt werden.<br />
Weitergehende For<strong>der</strong>ungen werden durch Behörden nicht gestellt.<br />
Für das Bauamt ist es also unerheblich, ob eine Wand<br />
krumm ist o<strong>der</strong> nicht. Es schreitet aber ein, wenn die Sicherheit,<br />
z.B. durch morsche Holztreppen o<strong>der</strong> rostende Eisenkonstruktionen,<br />
gefährdet sein sollte.
1.2.4 Weitere Begriffe<br />
Folgende weitere Begriffsdefinitionen sind <strong>von</strong> Bedeutung:<br />
Der Stand <strong>der</strong> Technik ist das gegenwärtig technisch Machbare<br />
und spiegelt den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren<br />
wi<strong>der</strong>. Die praktische Langzeitbewährung fehlt aber noch. Die<br />
Ausführung solcher neuen Bauverfahren bedarf grundsätzlich<br />
spezieller vertraglicher Vereinbarungen. Die Ausführung <strong>von</strong><br />
Kunststoff modifizierten bituminösen Dickschichtbeschichtungen<br />
(KMB) an Kelleraußenwänden ist ein aktuelles Beispiel für ein<br />
neues Verfahren nach dem Stand <strong>der</strong> Technik, was in <strong>der</strong> Literatur<br />
<strong>der</strong>zeit entsprechend kontrovers diskutiert wird.<br />
Eine bauaufsichtliche Zulassung sagt nichts über die allgemeine<br />
Tauglichkeit einer Bauweise aus. Sie ist aber hinsichtlich öffentlicher<br />
Belange unbedenklich und wurde nur in soweit überprüft.<br />
Eine bauaufsichtliche Zulassung ist daher nur für neue Bauweisen<br />
o<strong>der</strong> Bauprodukte <strong>von</strong> Bedeutung.<br />
Bei Hersteller-Richtlinien (Merkblätter) handelt es sich um keinen<br />
geschützten o<strong>der</strong> reglementierten Begriff. Es ist die Frage zu<br />
stellen, ob es im Einzelfall eine bessere Regelung gibt. Oftmals ist<br />
dies nicht <strong>der</strong> Fall; dann sollte gemäß diesen Richtlinien verfahren<br />
werden. Viele Hersteller machen ihre Garantiezusagen <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />
Beachtung ihrer Richtlinien abhängig.<br />
1.2.5 Bauschäden<br />
Ein Bauschaden ist die negative Verän<strong>der</strong>ung des Zustands des<br />
Bauteils bzw. die negative Verän<strong>der</strong>ung einer Bauteileigenschaft<br />
aufgrund eines o<strong>der</strong> mehrerer vorliegen<strong>der</strong> Mängel. Aber nicht<br />
je<strong>der</strong> Mangel zieht einen Bauschaden nach sich. Er bleibt oftmals<br />
als verdeckter Mangel unerkannt.<br />
Weitere Ursachen für Bauschäden sind:<br />
• Unsachgemäße Nutzung<br />
• Ungewöhnliche Umstände (z.B. Unwetter, Sturmschäden)<br />
• Unvorhersehbare Umstände (Unfälle, Explosionen)
1.3 Die geschuldete Leistung<br />
Grundsätzlich schuldet <strong>der</strong> Auftragnehmer dem Bauherrn ein<br />
mängelfreies Werk, geregelt im BGB und <strong>der</strong> VOB. In <strong>der</strong> Praxis<br />
ist dies jedoch nur eingeschränkt zu realisieren. Die Erwartungen<br />
des Bauherrn sind nicht selten praxisfremd und es werden schon<br />
geringste Abweichungen <strong>von</strong> <strong>der</strong> Norm, wie Kratzer, Unebenheiten,<br />
Farbabweichungen etc. bemängelt. Der Sachverständige<br />
sollte hier ein gesundes Augenmaß an den Tag legen, was aber<br />
nicht dazu führen soll, dass berechtigte Mängel akzeptiert werden.<br />
Dem Sachverständigen kommt hier oftmals die Rolle eines Vermittlers<br />
zu.<br />
Es ist auch zu differenzieren, ob es sich im Einzelfall und einen<br />
Neubau, o<strong>der</strong> gar ein Fertighaus, handelt o<strong>der</strong> um Sanierungsmaßnahmen<br />
im Bestand.<br />
Nicht zu unterschätzen sind aktuelle gesetzgeberische Maßnahmen.<br />
Zum einem werden die Ansprüche des Konsumenten weiter<br />
gestärkt. Zum an<strong>der</strong>en werden die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualifikation<br />
<strong>der</strong> Handwerksbetriebe zurückgefahren. Diesbezüglich<br />
seien Aufhebung des Meisterzwangs für eine Vielzahl <strong>von</strong> Baugewerken<br />
und <strong>der</strong> so genannte „kleine Gesellenbrief“ erwähnt.<br />
Grundsätzlich ist zu bedenken, dass, wenn seitens <strong>der</strong> Bauherren<br />
beson<strong>der</strong>s hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an das zu erstellende Werk gestellt<br />
werden, diesbezügliche Son<strong>der</strong>vereinbarungen schriftlich fixiert<br />
werden müssen. Das gilt selbstverständlich auch für den Fall,<br />
wenn die einschlägigen Baubestimmungen nicht in vollem Umfang<br />
(sofern dies gesetzlich zulässig ist) eingehalten werden brauchen.<br />
Zu bedenken ist auch, dass ein beson<strong>der</strong>s niedriges Preisniveau<br />
den Auftragnehmer nicht dazu berechtigt auch das Qualitätsniveau<br />
herabzusetzen o<strong>der</strong> gar Fachregeln außer Acht zu lassen.
Das Ergebnis einer Begutachtung kann prinzipiell zu folgenden<br />
Ergebnissen führen:<br />
1. Mangel ist deutlich erkennbar und muss nachgebessert werden<br />
2. Der Mangel ist zwar vorhanden aber <strong>von</strong> geringer Bedeutung<br />
und /o<strong>der</strong> nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu beheben,<br />
es handelt sich somit um einen hinnehmbaren Mangel.<br />
Hierfür wird in <strong>der</strong> Regel ein Min<strong>der</strong>wert festzulegen sein.<br />
3. Der Mangel ist hinzunehmen (ohne weiteren Ausgleich) da es<br />
sich nur um eine Bagatelle handelt.<br />
4. Das Werk ist mangelfrei.<br />
1.4 Nachzubessernde Mängel<br />
Mängel, die die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen, sind<br />
grundsätzlich nachzubessern. Dabei spielen <strong>der</strong> dabei zu erbringende<br />
Aufwand und die Frage, ob es sich um technische o<strong>der</strong> optische<br />
Mängel handelt, keine Rolle.<br />
Inwieweit die Mängelbeseitigung im Einzelfall durchsetzbar ist, ist<br />
letztlich nur gerichtlich festzustellen.<br />
1.5 Hinnehmbare Mängel<br />
Seitens <strong>der</strong> Juristen wird vielfach bestritten, dass es hinnehmbare<br />
Mängel überhaupt gibt. Die tägliche Praxis des Bausachverständigen<br />
zeigt jedoch, dass vielfach <strong>von</strong> Bauausführenden und auch<br />
<strong>von</strong> Bauherrn auf hinnehmbare Mängel und auf eine Min<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Bauleistung und <strong>der</strong>en Vergütung abgehoben wird.<br />
Hier sind stets die Bedeutung <strong>der</strong> Lage, <strong>der</strong> gebrauchsüblichen<br />
Betrachtungsposition des Betrachters und übliche Belichtungsverhältnisse<br />
abzuwägen.<br />
Oftmals liegt eine so genannte „Unverhältnismäßigkeit“ des<br />
Aufwands zur Mängelbeseitigung vor. Dabei kann zum einem <strong>der</strong><br />
Aufwand <strong>der</strong> Mängelbeseitigung drastisch <strong>von</strong> dem Wert <strong>der</strong><br />
Bauleistung abweichen o<strong>der</strong> die Mängelbeseitigung für den Bauherrn<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Begleiterscheinungen (Lärm, Dreck, Einschränkung<br />
<strong>der</strong> Nutzung etc.) unzumutbar werden.
Darüber hinaus ist es oft so, dass sich vorhandene (meist optische)<br />
Mängel nicht wirklich nachbessern lassen und sogar eine<br />
„Verschlechtbesserung“ zu erwarten ist.<br />
In allen vorgenannten Fällen ist meist beiden Seiten mit einer<br />
pragmatischen Lösung hinsichtlich <strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong> Mängelbeseitigung<br />
besser gedient.<br />
1.6 Hinzunehmende Mängel<br />
Die Einzelfrage ob ein Mangel vorliegt o<strong>der</strong> nicht, ist interpretationsbedingt.<br />
Es stellt sich regelmäßig die Frage <strong>der</strong> Grenze zwischen<br />
dem was zu bemängeln und dem was gerade noch zu akzeptieren<br />
ist. Hier liegt natürlich ein Ermessensspielraum vor, <strong>der</strong><br />
je nach Interessenslage unterschiedlich gesehen werden wird.<br />
Auch wird <strong>der</strong> einzelne Sachverständige die jeweilige Sachlage<br />
unterschiedlich beurteilen.<br />
1.7 Die Abgrenzungsproblematik<br />
Der Sachverständige steht also ständig vor <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong><br />
Abgrenzung <strong>der</strong> festgestellten Mängel hinsichtlich ihrer Bedeutung.<br />
Hierbei ist prinzipiell zwischen optischen und technischen<br />
Mängeln zu Unterscheiden.<br />
1.7.1 Optische Mängel<br />
Oftmals handelt es sich bei den reklamierten Mängeln um „optische<br />
Mängel“. Naturgemäß sind optische Anfor<strong>der</strong>ungen an Bauleistungen<br />
beson<strong>der</strong>s schwer zu definieren. Hier gehen daher die<br />
Ansichten vielfach auseinan<strong>der</strong>. Gerade hinsichtlich <strong>der</strong> optischen<br />
Erscheinung <strong>von</strong> Bauleistungen neigen Handwerker dazu, leichtfertige<br />
Zugeständnisse im Rahmen <strong>der</strong> Auftragsverhandlungen zu<br />
machen. In <strong>der</strong> Praxis ist zu empfehlen diesbezügliche Vergleichsmuster<br />
als Vertragsgrundlage zu fertigen.<br />
Es stellt sich bei optischen Mängeln die Frage, welche Störwirkung<br />
Farbabweichungen, Unebenheiten, kleinere Beschädigungen<br />
o<strong>der</strong> Schmutzungen haben. Es gilt hier <strong>der</strong> Grundsatz, dass diese<br />
Unregelmäßigkeiten o<strong>der</strong> Abweichungen unter gebrauchsüblichen<br />
Bedingungen zu begutachten sind. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für den<br />
üblichen Abstand des Betrachters zum Objekt und die einfallenden<br />
Lichtverhältnisse.
Es macht selbstverständlich einen Unterschied ob <strong>der</strong> Fassadenputz<br />
direkt neben <strong>der</strong> Klingelanlage o<strong>der</strong> unter dem Dach eines<br />
mehrstöckigen Hauses zu beurteilen ist. Die Ebenheit einer Wand,<br />
Decke o<strong>der</strong> Fußbodens ist nur dann bei Streiflicht zu beurteilen,<br />
wenn eine <strong>der</strong>artige Beleuchtungssituation regelmäßig vorliegt.<br />
Ein weiterer bedeuten<strong>der</strong> Aspekt ist die Frage <strong>der</strong> Bedeutung des<br />
zu beurteilenden Bereichs. Es macht einen Unterschied ob ein<br />
Putzriss auf <strong>der</strong> Wand einer repräsentativen Eingangshalle vorhanden<br />
ist o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> <strong>der</strong>en Rückwand in einem Abstellraum.<br />
Für die Abgrenzung <strong>der</strong> Gewichtung festgestellter optischer Mängel<br />
ist eine <strong>von</strong> Oswald entwickelte Matrix hilfreich.<br />
Es wird hier nach zwei <strong>Aspekte</strong>n Unterschieden:<br />
• Gewicht des optischen Erscheinungsbildes<br />
• Grad <strong>der</strong> optischen Beeinträchtigung
Der Sachverständige kann nach entsprechen<strong>der</strong> Würdigung des<br />
festgestellten Zustands einer Bauleistung zu folgenden Ergebnissen<br />
gelangen:<br />
1. Der Mangel ist nicht hinnehmbar und muss in jedem Fall nachgebessert<br />
werden. Kostenaspekte spielen dabei keine Rolle.<br />
2. Der Mangel ist hinnehmbar. Bei unverhältnismäßig hohen<br />
Mängelbeseitigungskosten kann dieser Mangel durch einen<br />
festzulegenden Min<strong>der</strong>wert abgegolten werden.<br />
3. Der Mangel stellt eine Bagatelle dar und ist ohne Ansatz eines<br />
Min<strong>der</strong>werts hinzunehmen.<br />
Diese Matrix ist in soweit anzuwenden, als es darum geht, festzustellen<br />
ob ein Mangel hinnehmbar ist o<strong>der</strong> nicht und durch einen<br />
Min<strong>der</strong>wert abgegolten werden kann. Die Abgeltung durch einen<br />
Min<strong>der</strong>wert kommt aber nur zum Tragen, wenn die Mängelbeseitigung<br />
einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfor<strong>der</strong>n würde.<br />
Sind diese Mängel jedoch leicht behebbar, so müssen sie selbstverständlich<br />
abgestellt werden.<br />
1.7.2 Technische Mängel<br />
Hinsichtlich technischer Mängel steht eine weitere <strong>von</strong> Oswald<br />
entwickelte Matrix zur Verfügung. Die Systematik ist mit <strong>der</strong> Matrix<br />
für die optischen Mängel vergleichbar.<br />
Es wird hier wie<strong>der</strong>um nach zwei <strong>Aspekte</strong>n Unterschieden:<br />
• Bedeutung des Merkmals für die Gebrauchstauglichkeit<br />
• Grad <strong>der</strong> Beeinträchtigung <strong>der</strong> Funktion
Die möglichen Schlussfolgerungen <strong>der</strong> sachverständigen Würdigung<br />
sind wie<strong>der</strong>um mit den optischen Mängeln vergleichbar.<br />
Dazu folgendes Beispiel:<br />
Gemäß DIN 1053 ist bei Vorsatzschalen eine Fußpunktabdichtung<br />
einzubauen. Eine mangelhafte Ausführung o<strong>der</strong> gar gänzliches<br />
Fehlen dieser Abdichtung wird auf <strong>der</strong> Wetterseite, bei geringen<br />
Dachüberständen und beson<strong>der</strong>s saugfähigem Steinmaterial an<strong>der</strong>s<br />
einzuordnen sein als <strong>der</strong> gleiche Umstand auf einer gut geschützten<br />
dem Wetter abgewandten Seite und bei Verwendung<br />
<strong>von</strong> nur gering Wasser saugenden Verblendsteinen.