INTERVIEW MIT KIM HAMMONDS »Wir wollen nicht nur Kosten senken, sondern auch Komplexität und Risiken. Mein Team und ich geben der gesamten Bank eine ganz neue Architektur, und das beginnt mit der IT.« KIM HAMMONDS v Die Bank muss sich darauf konzentrieren, die richtigen Talente zu bekommen und auf die richtigen Führungspersönlichkeiten zu setzen, damit wir unsere Ziele auch wirklich erreichen können. Am meisten Freude macht mir das Thema Innovationen, aber das besprechen wir sicher später noch. Sie sind Ingenieurin, wie passt das zur Deutschen Bank? Hammonds: Ich bin ausgebildete Maschinenbauingenieurin. Was ich dabei gelernt habe, versuche ich jetzt in der Bank einzubringen. Diese Umsetzung hört sich nach einer großen Herausforderung an. Hammonds: Sagen wir mal so: Ich erlebe bei der Deutschen Bank eine neue Lernkurve. Ich verstehe etwas von Automatisierung und Prozessen. In Industrieunternehmen sind das absolut gängige und notwendige Begriffe. Ich habe bei Boeing und Ford gearbeitet. Es gehört zur DNA solcher Konzerne, genau so zu arbeiten. In der Finanzindustrie ist man gerade dabei zu erfassen, was das eigentlich bedeutet. Kommt da etwas an? Hammonds: Ja, absolut. Aber natürlich ist das ein Wandel, der einiges nach sich zieht. Mitarbeiter müssen ihr Denken dem Wandel unterziehen. Wir müssen Erwartungen anpassen und neu ausrichten. Das zieht sich durch alle Ebenen des Unternehmens. Nach den fast drei Jahren, die Sie jetzt bei der Bank sind: Halten Sie den Wandel für möglich? Hammonds: Der Wandel ist möglich. Wir haben schon viel erreicht. Die Stabilität der IT-Systeme hat sich deutlich erhöht. Als ich hier angefangen habe, hat es alle paar Tage Aussetzer im System gegeben. Hier sind wir besser geworden und arbeiten weiter daran. Waren die Systeme veraltet? Hammonds: Die Technologie der Bank war viel zu komplex. Das hat natürlich mit der Geschichte der Bank zu tun, die in sehr vielen Bereichen sehr schnell gewachsen ist. Das ergab ein Geflecht, dem die Struktur fehlte. Zudem haben wir viel mehr regelmäßige Tests eingeführt, um zu überprüfen, ob die Systeme halten. Das ist auch das, was ich aus vorherigen Aufgaben gewohnt bin. In der Industrie wird viel mehr getestet, damit ein System wirklich störungsfrei läuft. Es ergibt keinen Sinn, Fehlern hinterherzulaufen, um sie für den Moment abzustellen. Sinnvoller ist, von vornherein ein stabiles System zu bauen. Wo steht die IT? Ist sie zukunftsfähig? Hammonds: Es ist ein langfristiger Prozess. Wir haben über 4000 Anwendungen. Es gibt viele Versionen von Software und Hardware, die über den gesamten Konzern verteilt sind. Wir verschlanken und vereinheitlichen. Es wird eine einfachere Struktur inklusive Cloud-Technologie geben. Wir wollen nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Komplexität und die Risiken. Mein Team und ich geben der gesamten Bank eine ganz neue Architektur, und das beginnt mit der IT. Sind Sie schon da, wo Sie sein wollen? Hammonds: Es gibt Bereiche, da sind wir wirklich exzellent. Dazu gehören beispielsweise die Autobahn-Plattform, die wir in der Investmentbank nutzen, oder auch die neue Mobile-Banking-App, die wir vor ein paar Monaten vorgestellt haben. Dafür haben wir Auszeichnungen bekommen. Darauf bin ich sehr stolz. Ich sage aber auch ehrlich: Es ist noch ein langer Weg. STATIONEN UND VITA KIM HAMMONDS Kim Hammonds, geboren 1967, wurde am 1. August 2016 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank. Sie ist verantwortlich für Technologie und Operations. Hammonds trat 2013 in die Deutsche Bank ein. Sie war von 2008 bis 2013 bei Boeing, zuletzt als Chief Information Officer (CIO). Vor ihrer Tätigkeit bei Boeing hatte sie zahlreiche Leitungsfunktionen bei Dell und der Ford Motor Company inne. Hammonds hat einen MBA-Abschluss der Western Michigan University und einen Abschluss in Maschinenbau der University of Michigan, USA. Das alles kostet Geld. Wie viel lässt sich die Deutsche Bank denn das alles kosten? Hammonds: Ohne konkrete Zahlen zu nennen, kann ich Ihnen versichern, dass wir die notwendigen Investitionen vornehmen. Das müssen wir auch, denn eines ist mir besonders wichtig: Ich will die IT ein für alle Mal in Ordnung bringen. Natürlich haben wir hierfür immer schon investiert. Wir versuchen aber jetzt, das Geld dort auszugeben, wo es auch wirklich sinnvoll ist. Wir stecken in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro in die Digitalisierung. Wir investieren jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag, um neue Vorgaben der Regulierung zu erfüllen. Die Bank gliedert sich in vier Segmente, die unterschiedliche Anforderungen haben. Sie sprechen von Vereinheitlichung und Vereinfachung. Wie soll das gehen? Hammonds: Wir gehen methodisch vor. Erstmal muss in die Basis des Ganzen investiert werden. Wenn das nicht rund läuft, läuft der Rest auch nicht rund. Damit haben wir angefangen und die notwendige Stabilität erreicht. Nun arbeiten wir uns weiter nach oben in den Bereich der Anwendungen der einzelnen Geschäftsfelder. In jedem dieser Bereiche gibt es Chief Information Officer, die ihrerseits ihre Aufgabenliste abarbeiten. Da kommen möglicherweise unterschiedliche Prioritäten heraus. Die Basis aber ist die gleiche. Wird die Deutsche Bank der Zukunft mit der heutigen noch vergleichbar sein? Hammonds: Sie wird weniger komplex sein. Dazu gehört beispielsweise das „pay as you go“-Modell. Wir zahlen nur noch für das, was wir nutzen. Es ist so sinnlos, Software und Hardware im Regal stehen zu haben, die wir nicht benötigen. So etwas verbrennt Geld. „Pay as you go“ mag übrigens für die Finanzindustrie ziemlich innovativ sei, in Technologiekonzernen ist das Standard. Das sollte uns einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Unsere Anwendungen sind heute zu 27 Prozent standardisiert, bis Ende dieses Jahres wollen wir 35 Prozent erreichen, bis zum Jahr 2020 sollen es über 85 Prozent sein. Das vereinfacht und beschleunigt Updates. v 20 International Bankers Forum Ausgabe 04.2016
ENTFLECHTEN Die IT hatte Deutsche-Bank-Chef Cryan einst als „lausig“ bezeichnet. Hammonds beschreibt sie als zu „komplex“. 21