Intern-PDF zum download - Deutsches Verpackungsmuseum
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Ausstellung zur Marken- und Verpackungs-Kultur in der DDR<br />
VERPACKUNGEN DER PLANWIRTSCHAFT<br />
Pünktlich <strong>zum</strong> 20. Jahrestag des Mauerfalls<br />
widmet das Deutsche Verpackungs-<br />
Museum eine Ausstellung der Verpackung<br />
in der DDR. Für viele Westler werden die<br />
Exponate ganz neue Einsichten bieten.<br />
Menschen, die in den neuen Bundesländern<br />
aufgewachsen sind, können einen Blick in<br />
ihre selbst erlebte Sozialgeschichte tun.<br />
Die DDR hatte viele Markenartikel, die den<br />
Verbrauchern im Arbeiter- und Bauernstaat<br />
sehr ans Herz gewachsen sind. Das wurde<br />
besonders deutlich als nach der Wende einige<br />
dieser Lieblingsprodukte abgewickelt<br />
wurden. Die Fans sorgten für einen gehörigen<br />
Nachfragedruck und so kam es zur<br />
Wiederbelebung einiger Marken wie „Vita<br />
Cola“.<br />
Es gab natürlich auch die Produkte, die<br />
zwar Legende waren, aber nicht wegen ihrer<br />
herausragenden Qualität. Als fast schon<br />
gefährlich galt <strong>zum</strong> Beispiel ein „Mehrfrucht-<br />
Eiswein“ mit dem durchschlagenden<br />
Markennamen „Goldene Keule“ aus Riesa.<br />
Von zweifelhaftem Ruf waren auch die<br />
tatsächlich nichtssagend klingende Zigarillo-<br />
Marke „Sprachlos“ oder die sich in der<br />
Namensgebung mit Russland verbrüdernde<br />
Limonade „Zitronka“ aus Seegel. Auch der<br />
„Kristall“-Wodka – nach seiner blauen<br />
Etikett-Farbe als „Blauer Würger“ bekannt –<br />
ließ sich nur verdünnt durch „Club-Cola“<br />
ohne Nebenwirkungen überhaupt genießen.<br />
Marken wie „Rotkäppchen“ hingegen<br />
ernten bei ihren Mitbewerbern aus dem<br />
Westen schon lange keinen Spott mehr. In<br />
Anspielung auf den eigentlich abschätzig<br />
gemeinten Ausdruck von der „Bückware“<br />
(nach der man sich im Laden bücken muss,<br />
weil sie im Regal auf Kniehöhe disponiert ist)<br />
wurde diese Sektmarke in DDR-Zeiten ebenfalls<br />
als „Bückware“ bezeichnet. Warum<br />
das? Nun, weil sich die Verkäuferin hinter<br />
der Kasse nach den wenigen Flaschen<br />
bücken musste, die sie für ihre Lieblingskunden<br />
vorsorglich weggelegt hatte. Die Liebe<br />
der Kundschaft zur Marke blieb erhalten und<br />
heute ist „Rotkäppchen“-Sekt der meistverkaufte<br />
Sekt im vereinten Deutschland.<br />
Wer sich mit der Geschichte der Warenkultur<br />
in einem planwirtschaftlichen, ab 1970<br />
zunehmend zwangswirtschaftlichen System<br />
befasst, wird rasch Widersprüche und<br />
vorhersehbare Schwächen auffinden.<br />
Dennoch zeigt ein Blick in die bilderreichen<br />
Warenwelten der DDR, dass es hier auch<br />
geliebte Produkte gab. Echte Klassiker eben,<br />
an die nur schwer heranzukommen war und<br />
die ihre Konsumenten heute noch überzeugen<br />
und an sich binden. Man denke an das<br />
heute sehr erfolgreiche Spülmittel „fit“, das<br />
Waschmittel „Spee“, an die „Halloren-<br />
Kugeln“, an „Radeberger Pils“, an „Burger<br />
Knäcke“ oder an „Krügerol“-Bonbons. So<br />
manche „DDR-Marke“ ist heute erfolgreicher<br />
Marktführer in ihrer Produktkategorie. So<br />
widersprüchlich, so interessant kann Verpackungs-<br />
und Markengeschichte sein.<br />
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine<br />
Werbefigur, die „West“ und „Ost“ verbindet.<br />
Es geht um ein Hausfrauenwunder, das stets<br />
mit rundem Kopf, knallrotem Haar und in der<br />
obligatorischen Kittelschürze auftrat. Die<br />
„Johanna“ war Bestandteil des Werbe- und<br />
Verpackungsauftritts der Marke „Fewa“ seit<br />
1938 etabliert. Geschaffen hatte sie der Grafiker<br />
Karl Nebel. Während die Konzernmutter<br />
der Henkel KGaA in Düsseldorf die Werbung<br />
für „Fewa“ vorantrieb, entwickelte sich auf<br />
der östlichen Seite der Mauer ein eigener,<br />
sehr moderner Werbestil.<br />
Als 1948 die Fewa-Produktion in Chemnitz<br />
wieder anlief, war es der renommierte Grafiker<br />
und Künstler Horst Geil (1919-1970), der<br />
die Figur auf sensationell unterhaltsame und<br />
sympathische Art modernisierte, mit Leben<br />
erfüllte und für die VEB Fettchemie Chemnitz<br />
werbewirksam umdeutete. Die putzige<br />
„Johanna“ war nun sogar nackt zu sehen,<br />
ganz in Vorfreude auf ihre frisch gewaschenen<br />
Perlon-Dessous. Die deutsche Teilung<br />
brachte hier eine ungewöhnliche Situation<br />
für solche Marken mit sich, die von nun an<br />
schismatisch geführt wurden. Spaß macht<br />
es heute natürlich, beides zu vergleichen.<br />
Hans-Georg Böcher<br />
6 AUSGABE JUNI 2009