ASADI-Ausgabe-18-März-2017-3
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Interview mit Serpil Midyatli – Akzeptanz und Respekt<br />
Nach der Veröffentlichung des<br />
Textes „Mein Wunsch dazu zu<br />
gehören“ trafen wir uns mit Serpil<br />
Midyatli, um mit ihr über das Leben<br />
als Moslem in Deutschland<br />
zu reden. Serpil Midyatli ist selbst<br />
Muslima, ist Inhaberin eines Kultur-<br />
und Veranstaltungs-, sowie<br />
eines Cateringservices und ist seit<br />
2009 Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen<br />
Landtages.<br />
Sie sind die einzige muslimische<br />
Landtagsabgeordnete in<br />
Schleswig-Holstein. Führt das<br />
oft zu Verwirrung, wenn man<br />
auf den Glauben zu sprechen<br />
kommt?<br />
An meinem ersten Tag im Landtag<br />
war das definitiv ein riesiges<br />
Thema, ich wurde von verschiedenen<br />
Fernsehteams begleitet<br />
und mehrmals auf den Glauben<br />
angesprochen. Das waren die<br />
deutschen und türkischen Medien.<br />
Inzwischen ist das für alle Beteiligten<br />
vollkommen normal. Ich<br />
bin überzeugt davon, dass dies<br />
auch daran liegt, dass ich kein<br />
Kopftuch trage. In den Diskussionen<br />
kommt es durchaus vor, dass<br />
man sich auf meinen Glauben<br />
bezieht, aber ich werde nicht unter<br />
Generalverdacht genommen<br />
oder muss mich für Taten des IS<br />
oder irgendwelcher Attentäter<br />
rechtfertigen. Es passiert natürlich<br />
auch, dass ich in den sozialen<br />
Netzwerken aufgefordert<br />
werde, Stellung zu einem Thema<br />
zu beziehen. Doch da springen<br />
glücklicherweise oft meine Genossen<br />
ein und erklären, dass das<br />
gar nicht meine Aufgabe sei und<br />
ich mich nicht verteidigen muss.<br />
Gab es dadurch vielleicht<br />
auch anfangs Probleme, dass<br />
man nicht von Serpil Midyatli,<br />
sondern von der Muslima<br />
sprach?<br />
Ich glaube nicht, es wurde zwar<br />
Bezug darauf genommen, wenn<br />
sich die Gelegenheit bot, aber<br />
auch nur am ersten Tag.<br />
Haben Sie schon Islamophobie<br />
und/oder Rassismus erleben<br />
müssen, privat oder beruflich?<br />
Ich werde erst seit 9/11 als „Die<br />
Muslima“ gesehen, vorher spielte<br />
meine Religion keine Rolle und<br />
ich war „Die Türkin“, obwohl<br />
ich doch in Deutschland geboren<br />
bin. Die Mehrheitsgesellschaft<br />
entscheidet, in welchem Bild sie<br />
einen sehen möchte. Das passiert<br />
ganz unbewusst, wird oft nicht<br />
bemerkt. Beispielsweise war das<br />
bei der Schweinefleischdebatte<br />
so, ich habe mich damals für eine<br />
fleischarme/fleischlose Ernährung<br />
ausgesprochen und mich<br />
gar nicht explizit auf das Schweinefleisch<br />
bezogen. Daraufhin<br />
bekam ich einige Mails, dass ich<br />
Deutschland islamisieren wollen<br />
würde und doch dahin zurück<br />
gehen solle, wo ich herkäme.<br />
Wie definieren Sie Feminismus?<br />
Diesen Begriff zu definieren ist<br />
nicht leicht. Für mich beinhaltet<br />
er die Teilhabe und Chancenmöglichkeit<br />
in allen Bereichen.<br />
Er beinhaltet das Recht, zu tun<br />
und zu lieben, was und wen man<br />
will. Gerade bei älteren Männern<br />
ist dies natürlich kein gern gesehenes<br />
Wort.<br />
Sie stellen sich selbst als Feministin<br />
und Muslima vor. Viele<br />
Menschen halten dies für einen<br />
Widerspruch, wie erklären<br />
Sie diesen Menschen, dass es<br />
eben kein Widerspruch sein<br />
muss? Wie lassen sich der Islam<br />
und der Feminismus vereinbaren?<br />
Dies ist ein breites Thema, denn<br />
der Feminismus ist nicht auf einen<br />
Glauben oder eine Nationalität<br />
beschränkt, auch wenn viele<br />
mit diesem Begriff die westliche<br />
Welt verbinden. Einen islamischen<br />
Feminismus gibt es nicht.<br />
Der Feminismus wird in jedem<br />
Land anders definiert, in Skandinavien<br />
kämpfen Feministen<br />
beispielsweise für andere Dinge,<br />
als in Deutschland oder Italien.<br />
Grundsätzlich geht es immer um<br />
Gleichbehandlung und Gleichberechtigung.<br />
Das Kopftuch ist<br />
nicht das Problem, sondern die<br />
Gleichstellung, was Karriere und<br />
Rechte angeht. Gerade Kopftuchträgerinnen<br />
haben es doppelt so<br />
schwer. Im Islam ist der Feminismus<br />
natürlich ebenfalls kein einfaches<br />
Thema. Meiner Meinung<br />
nach, braucht es die Unterstützung<br />
der Mehrheitsgesellschaft.<br />
Denn gerade der Islam ist sehr<br />
männerlastig.<br />
Momentan findet in Schleswig-Holstein<br />
die Junge Islam<br />
Konferenz statt, die 40 jungen<br />
Menschen ein Forum zur Diskussion<br />
und Information, aber<br />
auch zur Ideenentwicklung<br />
bietet. Es handelt sich hierbei<br />
natürlich nur um eine kleine<br />
Menge an Menschen. Wie<br />
kann man die Menschen im<br />
Land (besser) über den Islam<br />
informieren?<br />
Auf der einen Seite muss der<br />
Wunsch und Wille da sein. Es<br />
ist immer noch nötig, Aufklärung<br />
zu leisten, am einfachsten ist der<br />
Dialog. Sobald man zusammenkommt<br />
und sich kennenlernt, gehen<br />
die Vorurteile zurück, oder<br />
ganz weg. Auf dem Land ist dieser<br />
Prozess natürlich schwieriger<br />
als in der Stadt. Ein weiterer Punkt<br />
ist, sehr früh an die Diversität zu<br />
appellieren. Wichtig ist es, die<br />
Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.<br />
Aber man muss auch zeigen, dass<br />
Migrant nicht gleich Migrant und<br />
Muslim nicht gleich Muslim ist.<br />
Die Informationen müssen aber<br />
auch von beiden Seiten kommen,<br />
wir erklären, wie wir hier<br />
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