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Oktober 2001

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Ausgabe<br />

3/01<br />

Uni<br />

der<br />

Martin-Luther-Universität<br />

Halle–Wittenberg<br />

WISSENSCHAFTS<br />

JOURNAL<br />

Hallesches Studentenleben<br />

in vergangener Zeit<br />

Dissertationen von Frauen an<br />

der halleschen Universität<br />

Aktuelle Wissenschaftsgeschichte<br />

in Acta Historica Leopoldina<br />

Christliche Unternehmer<br />

des 19. Jahrhunderts in Halle<br />

scientia halensis


Editorial<br />

Wilfried Grecksch .................................................................................................................. 2<br />

Theologische Fakultät<br />

Das Johannes-Lepsius-Archiv und die Armenologie<br />

Hermann Goltz .............................................................................................................. 7<br />

Die Theologische Fakultät Halle<br />

Theologie an einer so genannten »sozialistischen« Universität<br />

Friedemann Stengel ...................................................................................................... 9<br />

Christliche Unternehmer des 19. Jahrhunderts in Halle<br />

Ludwig Wucherer – Carl August Jacob – Carl Adolph Riebeck<br />

Sebastian Kranich ......................................................................................................... 26<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

»... Erziehen und Unterrichten als eine eigene Kunst ...«<br />

Zur Geschichte der Pädagogik an der Universität Halle<br />

Berthold Ebert, Jessika Piechocki und Pia Schmidt ................................................. 5<br />

»... mit männlicher Gediegenheit der Gedanken geschrieben«<br />

Dissertationen von Frauen an der Universität Halle (1898–1933<br />

Edith Glaser ................................................................................................................... 20<br />

Fachbereich Geowissenschaften<br />

Geowissenschaftliche Universitäts-Sammlungen<br />

Vom Naturalienkabinett zum »Universeum«<br />

Norbert Hauschke .......................................................................................................... 10<br />

Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften<br />

Gustav Schmoller und Johannes Conrad<br />

Nationalökonomie in Halle zwischen 1860 und Erstem Weltkrieg<br />

Peter Hertner .................................................................................................................. 15<br />

Fachbereich Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften<br />

Jüdische Gelehrte an der Universität Halle<br />

Deutung und Definition<br />

Giuseppe Veltri ............................................................................................................... 17<br />

Deutsche Burgenvereinigung und Universität<br />

Aus der Arbeit der Landesgruppe Sachsen-Anhalt der Burgenvereinigung<br />

Irene Roch-Lemmer ...................................................................................................... 28<br />

Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften<br />

Vorläufer einer modernen Disziplin<br />

Auf den Spuren der Geschichte des Instituts für Zeitungswesen<br />

Cordula Günther ........................................................................................................... 19<br />

Fachbereich Ingenieurwissenschaften<br />

Technikwissenschaften<br />

Der Weg einer praktischen Disziplin zur Universität<br />

Wolfgang Fratzscher ..................................................................................................... 24<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

Historische Landnutzung<br />

Chronologische Analysen auf der Querfurt-Merseburger Platte<br />

Rolf Diemann und Oliver Arndt .................................................................................. 31<br />

Medizinische Fakultät<br />

Geschichte der Augenklinik zu Halle<br />

Vom Waisenhaus über den Domplatz in die Magdeburger Strasse<br />

Jutta Herde .....................................................................................................................33<br />

Zentrale Kustodie<br />

Hallesches Studentenleben<br />

Vergnüglicher Rückblick aufs jungakademische Treiben von einst<br />

Ralf-Torsten Speler ........................................................................................................ 3<br />

Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung<br />

Das »Schleiermacher-Haus«<br />

Ein geschichtsträchtiges Gebäude im Zentrum Halles<br />

Hans-Joachim Kertscher .............................................................................................. 22<br />

Akademie der Naturforscher Leopoldina<br />

Universität und Leopoldina<br />

Aktuelle Wissenschaftsgeschichte in Acta Historica Leopoldina<br />

Wieland Berg und Sybille Gerstengarbe ..................................................................... 13<br />

Personalia .............................................................................................................................. 35<br />

Autorenadressen und Rätselfoto ......................................................................................... 36<br />

Titel: Wappenkartusche (Ausschnitt) aus dem Stammbuch des adligen Studenten Friedrich<br />

Freiherr von Printzen, geführt 1738–1740 Zentrale Kustodie Inv.-Nr. MLU-M 304<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Inhalt / Impressum<br />

...............................................................................<br />

I MPRESSUM<br />

1<br />

scientia halensis – Das Wissenschaftsjournal<br />

der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Ausgabe 3/<strong>2001</strong>, 9. Jahrgang<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

H ERAUSGEBER<br />

Der Rektor der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

R EDAKTION<br />

Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz,<br />

Dr. Margarete Wein (Verantwortliche dieser<br />

Ausgabe)<br />

R EDAKTIONSBEIRAT (für scientia halensis –<br />

Universitätszeitung und Wissenschaftsjournal):<br />

Prof. Dr. Winfried Grecksch (Rektor),<br />

Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg, Prof. Dr. René<br />

Csuk, Prof. Dr. Gernot I. W. Duncker,<br />

Dr. Frank Eigenfeld, Dr. Renate Federle,<br />

Dr. Roswitha Geiling, Prof. Dr. Siegfried<br />

Hoffmann, Prof. Dr. Manfred Lemmer,<br />

Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz, Katrin<br />

Rehschuh, Prof. Dr. Hans-Joachim Solms,<br />

Dr. Ralf-Torsten Speler, Dr. Margarete Wein,<br />

Prof. Dr. Alois Wenig<br />

G RAFIK-DESIGN<br />

Barbara und Joachim Dimanski<br />

Dipl.-Grafik-Designer AGD/BBK<br />

A NSCHRIFT DER REDAKTION<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Rektorat<br />

Universitätsplatz 10, 06099 Halle (Saale)<br />

Telefon: (0345) 552 14 20/22/24,<br />

Fax: (0345) 552 70 82, 552 72 54<br />

E-Mail:<br />

m.lindner@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.olbertz@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.wein@verwaltung.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de<br />

LAYOUT<br />

Dr. Margarete Wein<br />

Jens Gerth (Umschlagseiten)<br />

D RUCKVORBEREITUNG & DRUCK<br />

satz & grafik GmbH Halle<br />

Union Druck Halle GmbH<br />

A NZEIGENPREISLISTE<br />

Nr. 1/<strong>2001</strong><br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

oder des Herausgebers wieder.<br />

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte<br />

oder Bilder keine Haftung.<br />

ISSN 0945-9529<br />

Die scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vereinigung der<br />

Freunde und Förderer der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg e. V.


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

editorial<br />

................................................................................<br />

2<br />

EDITORIAL<br />

Wilfried Grecksch<br />

»Der Spiegel der Geschichte ist der beste<br />

Wahrsager«, weiß der deutsche Sprichwortschatz.<br />

Fakten der Gegenwart und<br />

Prognosen für die Zukunft sind stets Kinder<br />

und Enkel der Historie.<br />

An den Universitäten spielt Geschichte<br />

seit jeher eine große Rolle – einerseits als<br />

Wissenschaftsdisziplin, als professionelle<br />

Geschichtswissenschaft, andererseits aber<br />

als ein Mittel, sich der eigenen Ursprünge<br />

und Wurzeln zu versichern. Angehörige der<br />

Fakultäten und Fachbereiche, der Institute<br />

und Kliniken, der Bibliotheken, Sammlungen<br />

und Archive erkunden – in der Regel<br />

neben der eigenen wissenschaftlichen Arbeit<br />

– die Tradition der Einrichtung, der sie<br />

angehören, oder des Wissensgebietes, das<br />

sie bearbeiten. Dabei entstehen umfangreiche<br />

Untersuchungen für gesamte Epochen,<br />

aber auch Skizzen, die einen begrenzten<br />

Zeitabschnitt charakterisieren.<br />

Diese Ausgabe des Wissenschaftsjournals<br />

ist solchen vielfältigen geschichtlichen Untersuchungen<br />

und Projekten gewidmet. Die<br />

professionellen Geschichtswissenschaftler<br />

der Universität kommen in der Juli-Ausgabe<br />

2002 des Wissenschaftsjournals zu<br />

Wort, unmittelbar im Vorfeld des 44. Deutschen<br />

Historikertages, der im September<br />

2002 in Halle stattfinden wird.<br />

Es gibt kaum einen Bereich der Universität,<br />

in dem nicht historisch orientierte Arbeiten<br />

entstehen. Sei es aus dem persönlichen Interesse<br />

Einzelner für gewisse Facetten der<br />

Geschichte, sei es aus Anlass von Jubiläen<br />

oder anderen denkwürdigen Daten. So ist<br />

auch die Auswahl der Beiträge dieser Ausgabe<br />

keineswegs vollständig, manches Mal<br />

wohl eher zufällig. Es war aber das Anliegen<br />

des Herausgebers, die Vielfalt der Universität<br />

aufleuchten zu lassen. Sie finden<br />

neben einem Beitrag zum studentischen<br />

Leben viele Einzelabhandlungen zu halleschen<br />

Traditionen, deren Wirken teilweise<br />

bis in die Gegenwart reicht.<br />

Besonders hingewiesen werden soll auf die<br />

Tatsache, dass es in Halle bereits im Jahr<br />

1927 ein »Institut für Zeitungswesen« gab,<br />

dessen Geschichte zur Zeit von einer studentischen<br />

Projektgruppe erforscht wird<br />

und die über den momentanen Stand ihrer<br />

Untersuchungen berichtet.<br />

Möge dieses Periodikum das Interesse an<br />

unserer Universität vertiefen und als Anregung<br />

dienen, sich auch mit der Geschichte<br />

Ihres Bereiches vertraut zu machen.


HALLESCHES STUDENTENLEBEN<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Universitätsgeschichte<br />

VERGNÜGLICHER RÜCKBLICK AUFS JUNGAKADEMISCHE TREIBEN VON EINST<br />

Ralf-Torsten Speler<br />

Am 1. Juli 1694 wurde die Alma mater Halensis mit allem barockem Pomp und »Solennitäten«<br />

eingeweiht. Feierliche Prozessionen, glänzende Festakte mit schwungvollen Reden<br />

und üppige Bankette, denen schon 700 immatrikulierte hallesche Studenten beiwohnten,<br />

wechselten einander ab. Auf Grund der bereits seit 1680 bestehenden Ritterakademie und<br />

der Tatsache, wie es zahlreiche zeitgenössische Chronisten zu rühmen wissen, dass die<br />

Sprache der Bürger »zierlicher seye als zu Leipzig«, zogen viele Söhne des Adels und elegante<br />

Kavaliere an die junge Universität. Aber auch die Minderbemittelten und Armen fanden<br />

als Schüler und Studenten Aufnahme und Ausbildung in den weltberühmten Franckeschen<br />

Stiftungen zu Halle.<br />

Die Hallesche Pfännerschaft und das Regiment<br />

des »Alten Dessauers« förderten im<br />

18. Jahrhundert ein buntes und zuweilen<br />

turbulentes Leben in der Saalestadt. So rotteten<br />

sich die Studiosi auf den Ruf »Burschen<br />

heraus« zusammen, um einem Kommilitonen<br />

gegen die gewaltsamen Übergriffe<br />

der Werber beizustehen. Die Halloren –<br />

von den Studenten auf Grund der gleichen<br />

sozialen Lage »Schwager« genannt – retteten<br />

oft Studenten zu sich ins »Thal«, wohin<br />

ihnen die Häscher des »Berggerichts«,<br />

das heißt, der übrigen Stadt, nicht folgen<br />

durften, oder brachten sie im benachbarten<br />

Ausland (Sachsen) in Sicherheit.<br />

Ein Hoch auf die »Bierehrlichkeit«!<br />

Zum Schutz gegen die Übergriffe des Militärs<br />

schlossen sich im Jahr 1717 nachweisbar<br />

hallesche Studenten erstmals zu Landsmannschaften<br />

zusammen. In Kaffee- und<br />

Bierdörfern, wie Passendorf und Schlettau,<br />

sowie in den in Sachsen gelegenen »Exkneipen«<br />

in Reideburg und Döllnitz wurde<br />

laute studentische Geselligkeit gepflegt.<br />

Scharen hallescher Burschen, die Goethe<br />

»leidenschaftlich fordernde Jünglinge«<br />

nannte, zogen zu Fuß, zu Ross oder auf<br />

Wagen nach Bad Lauchstädt, um dort die<br />

Weimarische Theatergruppe unter Goethe<br />

erleben zu können, was sonst nur den<br />

Weimarern und Jenenser Studenten vergönnt<br />

war. Aber zum Entsetzen der Kurgäste<br />

brachte man »Leben« in die Brunnenpromenade.<br />

In Kollet (= bequeme Kleidung)<br />

und »Kanonen« (= Schaftstiefel), die<br />

typisch lange Studentenpfeife rauchend,<br />

provozierte man die Philister.<br />

Auch im »Saalathen«, so der liebevolle<br />

Scherzname der halleschen Musensöhne<br />

für ihre Stadt, ging es recht »burschikos«<br />

und »bierehrlich« zu, um in der Studentensprache<br />

des 18. Jahrhunderts zu bleiben.<br />

So nahmen sich die Studenten das Recht,<br />

ungebeten bei Festlichkeiten der Bürger zu<br />

erscheinen, die schließlich in wilden Raufereien<br />

endeten. Die Studiosi stellten artigen<br />

Bürgermädchen nach und rempelten jeden<br />

Passanten, der ihnen nicht aus dem Weg<br />

ging, an. Mit Vorliebe wurden Offiziere des<br />

Regiments »Alt-Anhalt« vom »breiten<br />

Stein« gestoßen. Dieser barsche Studentenbrauch<br />

wurde 1825 durch eine Strophe in<br />

»O alte Burschenherrlichkeit« von Eugen<br />

Höfling in ganz Deutschland bekannt.<br />

Das liederliche Leben im Lied<br />

Gewaltige »Kneipereien« fanden im »Grünen<br />

Hof«, im »Goldenen Pflug«, im »Krug<br />

zum Grünen Kranze« und in der »Gosenschänke«<br />

statt. Seitdem gibt es ironische,<br />

derbe, satirische, geistreiche oder sentimentale<br />

Lieder und Gedichte aus und über Halle,<br />

die das vermeintlich typisch hallesche Studentenleben<br />

charakterisieren. Der wohl bekannteste<br />

akademische Cantus – »Gaudeamus<br />

igitur« – wurde in der heute noch gebräuchlichen<br />

Form vom halleschen Magister<br />

Christian W. Kindleben (1748–1785)<br />

»umgeschmelzt, weil die Poesie, wie in den<br />

meisten Liedern dieser Art, sehr schlecht<br />

war« – so der Autor in einer Anmerkung<br />

zu seinen »Studentenliedern«: »Aus den<br />

...............................................................................<br />

hinterlassenen Papieren eines unglücklichen<br />

Philosophen Florido genannt, gesammelt<br />

und verbessert von C.W.K. 1781«.<br />

Damit hatte die Geburtsstunde des akademischen<br />

Liederbuches geschlagen. Es gilt<br />

als das älteste gedruckte Kommersbuch<br />

(Trinkliederbuch). Diese in Halle entstandene<br />

Sammlung von 63 Studentenliedern enthält<br />

sieben Dichtungen von Kindleben und<br />

drei von einem Anonymus, die direkt auf<br />

Halle Bezug nehmen: »Brüder nützt das<br />

freye Leben«, »Ecce quam bonum«, »Ach<br />

Dorchen, ich muß scheiden«, »Mein Halle,<br />

lebe wohl«, »Alles eilt zu seinem Ende«,<br />

»Die Rolle ist gespielt« und »Nun Halle,<br />

gute Nacht« und von einem Anonymus<br />

»Ermuntert Euch, ihr Brüder«, »Pro Salute«<br />

und »Vita nostra sit vitalis«. In den letzten<br />

beiden Carmina und in »Brüder nützt das<br />

Ein altes Sprichwort beschreibt das<br />

hallesche Studentenleben so:<br />

»Wer aus Leipzig kommt unbeweibt<br />

und aus Halle unbekneipt<br />

und aus Jena ungeschlagen,<br />

hat von großem Glück zu sagen.«<br />

freye Leben« ist für die Universitätsstadt<br />

das Synonym Saline bzw. lateinisch Salina<br />

verwendet worden.<br />

Bemerkenswert ist, dass das unzüchtige<br />

Studentenlied »Ecce quam bonum« erst<br />

von Kindleben singbar gemacht wurde. So<br />

lautet die hallesche Strophe recht artig:<br />

»Sagt mir doch, wo Halle liegt? / Halle liegt<br />

im Thale, / Wo man bald ein Mädchen<br />

kriegt, / An der lieben Saale«.<br />

Liebesszene eines halleschen Studenten mit seiner Wirtin. Der gehörnte Ehemann schaukelt »sein«<br />

Kind. Stammbuchseite von Friedrich August Nicolai, 3. März 1776<br />

Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt<br />

3


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Universitätsgeschichte<br />

................................................................................<br />

4<br />

Magister, Gastwirte und Professoren<br />

Der durch Trunk, Ausschweifungen und<br />

übles Auftreten bekannte Kindleben, war,<br />

wenn auch auf seltsame Art und Weise, seit<br />

dem 19. April 1781 für kurze Zeit Mitglied<br />

der Philosophischen Fakultät in Halle. Er<br />

veröffentlichte im gleichen Jahr anonym<br />

sein Studentenlexikon, das von den akademischen<br />

Behörden wegen seines angeblich<br />

anstößigen Inhalts konfisziert wurde und<br />

heute nur noch in wenigen Exemplaren vorhanden<br />

ist.<br />

Johann Christian Günther (1695–1723),<br />

vormals Student in Wittenberg, hatte das<br />

»Gaudeamus igitur« als erster im Jahre<br />

1717 unter dem Titel »Brüder laßt uns lustig<br />

sein« ins Deutsche übersetzt.<br />

Karzerdarstellung vom späteren Literaturprofessor<br />

Rudolf Haym, der als Student 1841<br />

seine Arrestzelle im Löwengebäude mit dem<br />

Hinweis zeichnete hat: »... war hier wiederum<br />

zu Unrecht eingesperrt«.<br />

Foto: Zentrale Kustodie<br />

Der hallesche Buchhändler und Philologe<br />

Gustav Schwetschke (1804–1881), schrieb<br />

sechs Gaudeamus-Nachbildungen und beschäftigte<br />

sich darüber hinaus eingehend<br />

mit der Erforschung dieser bedeutenden<br />

akademischen Hymne (1877). Durch seine<br />

Gaudeamus-Fassung zur Gründung der<br />

Franz-Joseph-Universität in Czernowitz<br />

1875 wurde dieser Cantus auch in Südosteuropa<br />

bekannt.<br />

In dem Lied »Freunde! Singet, Tanzt und<br />

Springet« erscheint schon eine so genannte<br />

»Landesvaterstrophe«, benannt nach einem<br />

besonderen farbstudentischen, den Landesvater<br />

ehrenden Trinkbrauch.<br />

Stammbuchseite des halleschen Studenten H. Poettke mit folgendem Eintrag über einen Kommilitonen:<br />

»wurde Ostern 1859 irrsinnig (?), starb in d. Irrenanstalt zu Halle a. S. 1862 (?)«<br />

Foto: Zentrale Kustodie<br />

Die bis heute gesungene Fassung zum Landesvater<br />

»Alles schweige! Jeder neige« von<br />

August Christian Heinrich Niemann war<br />

erstmals 1782 zu lesen: in seinem in Dessau<br />

und Leipzig erschienenen »Akademischen<br />

Liederbuch«.<br />

Christian Wilhelm Kindleben hatte schon<br />

1779 in Wittenberg die Würde des Magisters<br />

und Doktors erlangt. Sein unstetes Leben<br />

führte ihn über Dessau, Leipzig und<br />

Dresden, wo er 1783 wegen unsittlichen<br />

Lebenswandels ausgewiesen wurde, immer<br />

wieder nach Halle. 1785 starb der erst<br />

37jährige in der Folge »seines zerrütteten<br />

Daseins« an einem der Nachwelt unbekannten<br />

Ort (verschiedentlich wird dabei<br />

Dresden genannt).<br />

Schließlich sei noch die einstige Kneipe am<br />

Weinberg erwähnt – vom wohl bestgehassten<br />

und meistverleumdeten Professor der<br />

Universitätsgeschichte jener Zeit, Karl<br />

Friedrich Bahrdt (1741–1792), geführt.<br />

Hier las er, einst Professor der biblischen<br />

Philologie und Altertümer, nunmehr als<br />

Gastwirt feuchtfröhliche Kollegs.<br />

Neben dem skandalumwitterten Professor<br />

Bahrdt ist der dritte Geistesverwandte<br />

Kindlebens der berüchtigte Magister Friedrich<br />

Christian Laukhard (1757–1822). Im<br />

Vorwort zur Herausgabe der »Studentensprache<br />

und Studentenlieder Kindlebens«<br />

anläßlich der 200-Jahr-Feier der Universität<br />

Halle 1894, wird er wie folgt charakterisiert:<br />

»... Friedrich Christian Laukhard, der<br />

seit den Tagen seiner Studentenzeit verlottert,<br />

die Theologie und Docententhätigkeit<br />

in Branntwein und gemeinstem Venusdienst<br />

ertränkte, als Soldat, Spion, Krankenwärter,<br />

Pfarrvicar ein abendteuerndes<br />

Leben führte [entrollte] in humoristisch<br />

satirischen Zeitromanen niedrigsten Geschmacks,<br />

wie in seiner schamlos offenherzigen<br />

Selbstbiographie Sittenbilder, insbesondere<br />

aus dem akademischen Leben von<br />

Halle und Gießen« (Halle 1792/1794).<br />

Das romantische Halle ...<br />

Am Ende des 18. Jahrhunderts beschrieb<br />

Achim von Arnim (1781–1831) in seinem<br />

Drama »Halle und Jerusalem« so manche<br />

ergötzliche Szene aus dem halleschen Burschen-<br />

und Volksleben, und der junge Studiosus<br />

Joseph Freiherr von Eichendorff<br />

(1788–1857) schildert in seinem Gedicht<br />

»Bei Halle« im Jahre 1840 die idyllischen<br />

Saaleufer am Giebichenstein.<br />

Ein weiterer berühmter hallescher Student<br />

war »Turnvater« Friedrich Ludwig Jahn<br />

(1778–1852), der eng mit der burschenschaftlichen<br />

Bewegung verknüpft ist. So<br />

wurde die erste Burschenschaft im Winter<br />

1813/14 unter dem Namen »Teutonia« in<br />

Halle gegründet.<br />

Nach den Befreiungskriegen bildeten sich<br />

an allen deutschen Universitäten Burschenschaften<br />

und prägten das studentische<br />

Leben für lange Zeit.<br />

■<br />

Der Verfasser, Jg. 1946, studierte in Leipzig<br />

und Halle Kunstgeschichte und Museologie,<br />

war von 1970 bis 1976 am Museum<br />

Schloss Mosigkau tätig, kam 1976 als wissenschaftlicher<br />

Aspirant an das hallesche<br />

Institut für Kunstgeschichte und ist seit<br />

1979 Leiter der Zentralen Kustodie an der<br />

Martin-Luther-Universität, seit 1993 auch<br />

des Universitätsarchivs. In den zurückliegenden<br />

Jahren trat er mit mehreren Publikationen<br />

über das Dessau-Wörlitzer<br />

Gartenreich und zur Geschichte der Martin-Luther-Universität<br />

an die Öffentlichkeit.


Dieser Ausgangspunkt lässt sich genau datieren:<br />

das Jahr 1769, als auf königliche<br />

Ordre die Einrichtung einer Erziehungsanstalt<br />

an der halleschen Friedrichs-Universität<br />

verfügt wurde, die der Übung im Unterrichten<br />

dienen sollte. Als eigenes Fach<br />

wurde Pädagogik an einer deutschen Universität<br />

erstmals in Halle gelehrt. 1779<br />

wurde hier die erste Professur für Pädagogik<br />

(und Philosophie) eingerichtet und mit<br />

dem philanthropischen Pädagogen Ernst<br />

Christian Trapp (1745–1818), der sich<br />

durch seine Tätigkeit am Dessauer Philanthropin<br />

empfahl, besetzt.<br />

Dass dieses Novum begründet werden<br />

musste, geht aus Trapps Antrittsvorlesung<br />

hervor. Er sprach ȟber die Notwendigkeit,<br />

das Erziehen und Unterrichten als eine eigene<br />

Kunst zu studieren«. Auch wenn seine<br />

Lehrtätigkeit in einzelnen Autobiographien<br />

positiv erwähnt wurde, waren<br />

Trapps Collegia und Vorlesungen letztlich<br />

derart wenig besucht, dass er sie einstellte.<br />

Diese Entscheidung erlaubte ihm, zügiger<br />

an seinem »Versuch einer Pädagogik« zu<br />

schreiben, der bereits 1780 erschien.<br />

Ende einer Episode<br />

Aber obwohl sie geradezu prädestiniert<br />

war für das pädagogische Jahrhundert, das<br />

sich ja eine Verbesserung gesellschaftlicher<br />

Verhältnisse vordringlich von Erziehung erwartete,<br />

blieb die universitäre Pädagogik<br />

als eigenständiges Fach eine Episode.<br />

Trapp wurde auf eigenes Ersuchen 1783<br />

entlassen. Sein Nachfolger, der Altphilologe<br />

Friedrich August Wolf (1759–1824),<br />

setzte auf fachwissenschaftliche, nicht auf<br />

pädagogische Kenntnisse und ließ sich deshalb<br />

bereits 1788 von der pädagogischen<br />

Professur entbinden. Die Pädagogikvorlesungen<br />

übernahm der Theologe August<br />

Hermann Niemeyer (1754–1829), ein Urenkel<br />

Franckes, später Direktor der Franckeschen<br />

Stiftungen und Kanzler der Universität,<br />

einer der führenden Bildungspolitiker<br />

und -theoretiker seiner Zeit. Seine<br />

erstmals 1796 erschienenen »Grundsätze<br />

der Erziehung und des Unterrichts, für Eltern,<br />

Hauslehrer und Erzieher« stellten das<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Fachbeereich Erziehungswissenschaften<br />

»... ERZIEHEN UND UNTERRICHTEN ALS EINE EIGENE KUNST ...«<br />

ZUR GESCHICHTE DER PÄDAGOGIK AN DER UNIVERSITÄT HALLE<br />

Berthold Ebert, Jessika Piechocki und Pia Schmid<br />

Wenn von Pädagogik die Rede ist, stellt sich als erste Assoziation in aller Regel »Lehrerausbildung«<br />

ein. Die heutige universitäre Pädagogik beinhaltet allerdings neben Lehramtsauch<br />

Diplom- und Magisterstudiengänge, in denen allgemeine Pädagogik, Sozialpädagogik,<br />

Erwachsenenbildung und Rehabilitationspädagogik gelehrt werden sowie Soziologie und<br />

Psychologie im Nebenfach. Sie hat sich ausdifferenziert – doch in der Tat nahm die universitäre<br />

Pädagogik in der Ausbildung von Lehrern ihren Anfang.<br />

maßgebliche pädagogische Handbuch der<br />

Zeit um 1800 dar.<br />

Mit August Hermann Niemeyer gewann<br />

auch die praktische pädagogische Ausbildung<br />

künftiger Gymnasiallehrer an Bedeutung,<br />

wie sie in August Hermann Franckes<br />

»Seminarium praeceptorum« praktiziert<br />

worden war. Im Theologisch-Pädagogischen,<br />

ab 1826 nur Pädagogischen Seminar<br />

fand unter der Leitung verschiedener Professoren,<br />

meist Direktoren der Franckeschen<br />

Stiftungen, eine die Vorlesungen ergänzende<br />

praktische pädagogische Ausbildung<br />

statt.<br />

Zweites »Seminarium praeceptorum«<br />

Die Wiedergründung des »Seminarium<br />

praeceptorum« der Franckeschen Stiftungen<br />

1881 durch Otto Frick bedeutete für<br />

das universitäre Pädagogische Seminar<br />

Konkurrenz – was dazu führte, dass zwischen<br />

1884 und 1912 kein universitäres<br />

Seminar existierte, obwohl Pädagogik innerhalb<br />

der Philosophischen Fakultät weiter<br />

gelehrt wurde.<br />

Die Pädagogik in Halle war bis 1933 vorwiegend<br />

philosophisch bzw. geisteswissenschaftlich<br />

orientiert. Aufgrund des erstarkten<br />

Interesses an der Erziehungslehre<br />

und der Beispielwirkung anderer deutscher<br />

Universitäten sah sich die preußische Regierung<br />

gezwungen, Ostern 1912 das Pädagogische<br />

Seminar wieder einzurichten.<br />

Mit dessen Leitung wurde Wilhelm Fries<br />

(1845–1928), Direktor der Franckeschen<br />

Stiftungen und seit dem Sommersemester<br />

1889 Honorarprofessor für Pädagogik,<br />

...............................................................................<br />

5<br />

Abhandlung über die pädagogische Ausbildung in Halle<br />

Ende des 18. Jahrhunderts Foto: Archiv<br />

beauftragt. Nach Fries´ Rücktritt leiteten<br />

die Philosophen Max Frischeisen-Köhler<br />

(1878–1923) und Paul Menzer (1873–<br />

1960) sowie der Psychologe und Philosoph<br />

Theodor Ziehen (1862–1959) gemeinsam<br />

das Seminar, das mit Blick auf die alte<br />

hallesche Tradition einen Mittelpunkt für<br />

pädagogische Studien bilden und in Anlehnung<br />

an die Praxis ein breites Gebiet pädagogischer<br />

Themen behandeln sollte.


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

................................................................................<br />

6<br />

Mit der 1915 erfolgten Berufung des<br />

Dilthey-Schülers Frischeisen–Köhler zum<br />

Professor für Pädagogik und Philosophie<br />

erhielt die pädagogische Ausbildung eine<br />

andere Qualität, indem er geisteswissenschaftliche<br />

Pädagogik zu empirischen Forschungen<br />

in Beziehung setzte. Mit 118<br />

Studierenden im Gründungssemester hatte<br />

das Seminar zunächst großen Zulauf, nach<br />

Beginn des 1. Weltkrieges waren die Einschreibungen<br />

jedoch rückläufig.<br />

Pädagogik im »Dritten Reich«<br />

Neben dem breiten Spektrum historischer<br />

(unter anderem die Pädagogik Friedrich Daniel<br />

Schleiermachers) und gegenwartsorientierter<br />

Themen (Jugendkunde und Jugendbewegung,<br />

Selbsttätigkeit des Schülers)<br />

wurden seit den 20er Jahren auch erbbiologische<br />

und nationale Themen wie »Soziale<br />

Auslese« oder »Rassenhygiene« gelehrt.<br />

Diese Tendenzen verstärkten sich mit der<br />

nationalsozialistischen Machtergreifung<br />

1933. So stellte der Privatdozent Heinz<br />

Kürten (1891– unbekannt) einen Antrag<br />

auf »Erteilung eines ... Lehrauftrages für<br />

menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene«,<br />

den er am 2. Juni 1933 erhielt.<br />

Weitere Themen waren beispielsweise die<br />

»Bedeutung der nordischen Rasse für die<br />

Geschichte der Menschheit« oder die<br />

»Frauenfrage im nationalsozialistischen<br />

Staat«.<br />

Unvorstellbar scheint, dass im Sommersemester<br />

1933 neben den Nationalsozialisten<br />

Heinz Kürten und Wilhelm Hehlmann<br />

(*1901) die jüdischen Professoren Emil<br />

Utitz (1883–1956) und Adhèmar Gelb<br />

(1887–1936) sowie der schon genannte,<br />

wegen seiner gradlinigen Haltung umstrittene<br />

Paul Menzer gemeinsam in einem Seminar<br />

lehrten.<br />

Im selben Jahr mussten Gelb und Utitz die<br />

Universität verlassen. Utitz überlebte das<br />

Konzentrationslager Theresienstadt; Menzer<br />

wurde ab 1933 massiv in seiner Lehrtätigkeit<br />

eingeschränkt und 1938 emeritiert.<br />

Infolge des Krieges beschränkte sich die<br />

pädagogische Lehre in den vierziger Jahren<br />

auf wenige Vorlesungen; es war kaum mehr<br />

möglich, einen geregelten Universitätsbetrieb<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Neue Ära I und II<br />

Das Ende des 2. Weltkrieges und damit der<br />

nationalsozialistischen Diktatur führte<br />

auch zum »kläglichen Zusammenbruch einer<br />

Pädagogik«, (die) »Drill statt Erziehung,<br />

Gewaltanwendung statt Überzeugung,<br />

ehrgeiziges Strebertum statt organisches<br />

Wachstum, Züchtung von Kindern<br />

mit völkisch-rassisch beschränktem Horizont<br />

statt Bildung von Menschen beförderte«,<br />

so Rektor Eißfeldt zur Wiedereröffnung<br />

der Universität am 12. Juli 1945.<br />

Hans Ahrbeck (1890–1981), Gemälde aus dem Jahr 1950<br />

von Conrad Felixmüller Foto: Archiv<br />

Mit der Gründung der Pädagogischen Fakultät,<br />

an der am 1. <strong>Oktober</strong> 1946 die Ausbildung<br />

der ersten 200 Grundschullehrer<br />

(1.– 8. Klasse ) begann, wurde der Pädagogik<br />

ein selbständiger Platz unter den traditionellen<br />

Fakultäten eingeräumt. Unter ihrem<br />

ersten Dekan Hans Ahrbeck (1890–<br />

1981; 1930 bis 1933 an den Pädagogischen<br />

Akademien Breslau und Halle tätig) erfolgte<br />

der Neuaufbau der universitären Lehrerbildung,<br />

deren theoretisches Fundament in<br />

einer ideen- und kulturgeschichtlich akzentuierten<br />

Geschichte der Pädagogik lag.<br />

Auf dem Höhepunkt der Entwicklung dieser<br />

Pädagogischen Fakultät arbeiteten 1952<br />

zehn Professoren und 132 wissenschaftliche<br />

Kräfte in den sieben Instituten (Institut<br />

für Pädagogik, Unterrichtsmethodik,<br />

Körpererziehung, Sonderpädagogik, Landwirtschaftspädagogik,<br />

Sprecherziehung<br />

und Musikpädagogik).<br />

Das Institut für Sonderpädagogik unter<br />

Prof. Kurt Prautzsch (1890–1978), an dem<br />

Lehrer für Hilfsschulen ausgebildet wurden,<br />

gehörte seit 1949 dazu. Damit erfuhr<br />

eine bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

reichende pädagogische Tradition erstmals<br />

in Halle die universitäre Anerkennung. Am<br />

Anfang standen die erste Hilfsschulklasse<br />

1859 und der erste<br />

spezielle Lehrplan für Hilfsschulunterricht<br />

1865. Eine<br />

fachwissenschaftlich und medizinisch<br />

strukturierte heilpädagogische<br />

Ausbildung, die von<br />

namhaften halleschen Universitätsprofessoren,<br />

Dozenten und<br />

Ärzten getragen wurde, boten<br />

die staatlich anerkannten Kurse<br />

zur Aus- und Weiterbildung<br />

von Hilfsschullehrern seit<br />

1921, das Heilpädagogische<br />

Studienjahr seit 1928 und das<br />

Heilpädagogische Institut seit<br />

1932 in Halle an.<br />

1955 wurde die Pädagogische<br />

Fakultät aufgelöst und wieder<br />

ein Institut für Pädagogik innerhalb<br />

der Philosophischen<br />

Fakultät eingerichtet – die<br />

fachwissenschaftliche und pädagogische<br />

Ausbildung aller<br />

Lehrenden der 5. bis 12. Klasse<br />

blieb weiterhin akademisch.<br />

Die Unterrichtsmethodiken wurden an den<br />

jeweiligen Fachinstituten angesiedelt, beim<br />

Institut für Pädagogik verblieb die – zunehmend<br />

politisierte – allgemeine pädagogische,<br />

didaktische und psychologische Ausbildung.<br />

Im Kontext der politischen Wende erfolgte<br />

1993 die Gründung des Fachbereichs Erziehungswissenschaften,<br />

in dem Teile der<br />

Pädagogischen Hochschule und des Instituts<br />

für Pädagogik der Universität integriert<br />

wurden.<br />

Im Sommersemester <strong>2001</strong> waren hier rund<br />

1 500 Studierende eingeschrieben. ■<br />

Dr. Berthold Ebert und Prof. Dr. Pia Schmid<br />

vertreten am Institut für Pädagogik des<br />

Fachbereichs Erziehungswissenschaften in<br />

Halle die Historische Erziehungswissenschaft;<br />

Jessika Piechocki ist Studentin der<br />

Pädagogik.


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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Theologische Fakultät<br />

SENSIBEL FÜR DIE KULTUREN DES OSTENS<br />

DR. JOHANNES LEPSIUS-ARCHIV AM INSTITUT FÜR HISTORISCHE THEOLOGIE<br />

Hermann Goltz<br />

Im März <strong>2001</strong> stellte Prof. Dr. Hermann Goltz von der Theologischen Fakultät Halle auf<br />

der Beiruter Internationalen Buchmesse sein spannendes historisches und kulturwissenschaftliches<br />

Buch »Der gerettete Schatz der Armenier aus Kilikien« vor. Dieses Buch, in<br />

zwei Parallel-Editionen deutsch und englisch erschienen, wurde von dem international bekannten<br />

Photographiker und Buchgestalter Klaus E. Göltz (Halle) in außerordentlich ansprechender<br />

Weise ausgestattet, in Verona exzellent gedruckt und von dem renommierten<br />

Wiesbadener Dr. Ludwig Reichert Verlag in seiner Reihe zu Sprachen und Kulturen des<br />

Orientalischen Christentums herausgegeben.<br />

Die Deutsche Botschaft im Libanon war<br />

auf dieses ungewöhnliche, fesselnde Buch<br />

aufmerksam geworden, da es grundlegende<br />

historische Szenen aus dem Schicksal der<br />

in Syrien und im Libanon lebenden Armenier<br />

im 20. Jahrhundert nachzeichnet, nämlich<br />

die Deportation und den Völkermord<br />

an der armenischen Bevölkerung des Osmanisch-Türkischen<br />

Reiches im Ersten<br />

Weltkrieg und die Vernichtung der armenischen<br />

Kultur, von der die Armenier aus<br />

Kilikien einen kleinen Teil in abenteuer-<br />

lichster Weise gerettet haben. Da die Nachfahren<br />

der Überlebenden dieses Genozids<br />

heute im Libanon eines der Staatsvölker<br />

darstellen, wurde die englische Ausgabe<br />

des halleschen Buches gemeinsam von der<br />

Deutschen Botschaft und dem libanesischen<br />

Kulturministerium präsentiert. Auch in der<br />

starken armenischen Diaspora in den USA<br />

mit ihren Schwerpunkten in Kalifornien<br />

und in den großen Städten der Ostküste ist<br />

dieses Buch mit großem Beifall aufgenommen<br />

worden.<br />

...............................................................................<br />

Am Zustandekommen des repräsentativen<br />

Bandes – im Vorfeld des 1700. Jubiläums<br />

der offiziellen Proklamation des Christentums<br />

als Staatsreligion in Armenien (301–<br />

<strong>2001</strong>) – waren neben dem Dr. Johannes-<br />

Lepsius-Archiv und der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg das Kilikia<br />

Museum des Katholikosats des Großen<br />

Hauses von Kilikien in Antelias (Libanon)<br />

und die Staatliche Galerie Moritzburg Halle<br />

(Landeskunstmuseum Sachsen-Anhalt) beteiligt,<br />

wo vom September bis November<br />

2000 die große Ausstellung »Der gerettete<br />

Schatz der Armenier aus Kilikien« stattfand,<br />

die von 15 000 Interessenten aus dem<br />

In- und Ausland besucht wurde.<br />

Die Ausstellung und das dazu erschienene<br />

repräsentative Buch (siehe links) dienten<br />

als ein außerordentlich attraktiver Auftakt<br />

der Weltkonferenz »Armenien 2000«, die<br />

im September 2000 in Halle und Wittenberg<br />

stattfand und vom Mesrop Zentrum<br />

für Armenische Studien an der Stiftung<br />

Leucorea (Lutherstadt Wittenberg) vorbereitet<br />

wurde.<br />

Seit Anfang der 80er Jahre hat sich die<br />

Martin-Luther-Universität zu einem Zentrum<br />

der deutsch-armenischen Studien entwickelt<br />

– nachdem damals der historisch<br />

hochbedeutsame Nachlass des Theologen<br />

Dr. Johannes Lepsius (1858–1926) vom<br />

Autor an die hallesche Theologische Fakultät<br />

gebracht wurde. Johannes Lepsius ist<br />

die zentrale Gestalt in den Beziehungen<br />

zwischen dem deutschen und dem armenischen<br />

Volk, da er im 19. und im 20. Jahrhundert<br />

im Widerstand gegen die deutsche<br />

Außen- und Militärpolitik gegen die Massaker<br />

und den Völkermord an den Armeniern<br />

in der Türkei kämpfte. Er wird vom<br />

ganzen armenischen Volk in der Republik<br />

Armenien und in der weltweiten Diaspora<br />

als Helfer und Anwalt der Armenier dankbar<br />

verehrt.<br />

Franz Werfel sicherte diesem Theologen –<br />

einer realen, aber verdrängten Gestalt der<br />

Weltgeschichte – in seinem wohl größten<br />

Epos, dem 1933 in Deutschland veröffentlichten<br />

Roman »Die Vierzig Tage des Musa<br />

Dagh« (der erstmals im Jahr 1999 in türkischer<br />

Sprache erschien) einen Platz in der<br />

Weltliteratur.<br />

7<br />

Hermann Goltz, Der gerettete Schatz der<br />

Armenier aus Kilikien. Sakrale Kunst aus<br />

dem Kilikia-Museum, Antelias, Libanon<br />

(Photographien von Klaus E. Göltz),<br />

Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden 2000,<br />

184 Seiten, über 100 Abb., meist in Farbe,<br />

darunter viele ganzseitige Fotos,<br />

Best.-Nr.: ISBN 3-89500-197-X,<br />

direkt erhältlich in der Galerie Moritzburg


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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Theologische Fakultät<br />

................................................................................<br />

Da die deutsche Regierung – aufgrund der<br />

8 aktuellen Bündnispolitik – selbst heute<br />

noch meint, Schwierigkeiten mit der politischen<br />

Anerkennung des historischen Faktums<br />

des Völkermordes an den Armeniern<br />

haben zu müssen, ist Johannes Lepsius<br />

auch 75 Jahre nach seinem Tod ein ›heißes<br />

Eisen‹ für die deutsche und die türkische<br />

Außenpolitik.<br />

Dies zeigte sich vor kurzem erneut, als die<br />

Türkei offiziell gegen die Rekonstruktion<br />

des Potsdamer Lepsius-Hauses protestierte.<br />

Sie möchte nicht, wie unter kaum verhohlenen<br />

Drohungen der deutschen Bundesregierung,<br />

der Brandenburger Landesregierung<br />

und der Stadt Potsdam mitgeteilt wurde,<br />

dass von den halleschen Fachleuten und<br />

dem Förderverein Lepsius-Haus Potsdam<br />

e. V. im Lepsius-Haus eine Forschungs-<br />

Begegnungsstätte eingerichtet wird. Es ist<br />

nicht zu leugnen, dass die deutschen Politiker<br />

sich von den türkischen Protesten beeindrucken<br />

ließen und die deutschen Wissenschaftler<br />

sowie die Potsdamer Lepsius-<br />

Freunde wissen ließen, die Rekonstruktion<br />

des Lepsius-Hauses löse keinen großen Enthusiasmus<br />

bei ihnen aus.<br />

Dieser Umstand, dass die türkische Diplomatie<br />

Deutschland mit Erfolg verbieten zu<br />

können scheint, Johannes Lepsius, einen<br />

der großen Menschenrechtler, Humanisten<br />

und Philanthropen des 20. Jahrhunderts,<br />

zu ehren, hat kürzlich die deutschen Medien<br />

auf den Plan gerufen. Am 3. September<br />

<strong>2001</strong> sendete ARD-Report aus Mainz einen<br />

Beitrag von Eric Friedler und Barbara<br />

Siebert »Der Völkermord – Die Armenienfrage<br />

und die feigen Politiker«, der sich kritisch<br />

mit dem Rückzug der deutschen Politik<br />

aufgrund der türkischen Anti-Lepsius-<br />

Kampagne befasste.<br />

Historische Aufnahme vom Wohnhaus der Familie Lepsius in Potsdam, Große Weinmeisterstraße<br />

45, am Fuße des Pfingstberges gelegen<br />

Dr. Johannes Lepsius (1858–1926) Fotos (2): Dr. Johannes Lepsius-Archiv<br />

Zu Ehren der deutschen Politiker und der<br />

deutschen Medien kann wahrscheinlich<br />

schon jetzt ein positives Fazit gezogen<br />

werden: Bereits kurz nach diesem öffentlichen<br />

deutschen Disput wird vonseiten des<br />

Bundeslandes Brandenburg und der Stadt<br />

Potsdam signalisiert, dass die Gestalt des<br />

politisch widerständigen Theologen Johannes<br />

Lepsius nicht unter den Teppich der<br />

deutsch-türkischen Freundschaft gekehrt<br />

werden solle, da – wie es der Report-Beitrag<br />

formulierte – »das Verschweigen der<br />

Wahrheit einer Freundschaft noch nie genutzt<br />

hat«.<br />

Hier nun erweist sich die deutsche Politik<br />

unter den neuen Umständen der Weltpolitik<br />

nach dem 11. September <strong>2001</strong> als sensibel,<br />

da eine Fortsetzung des politischen<br />

Schweigens über den ersten großen Völkermord<br />

des 20. Jahrhunderts am Kulturvolk<br />

der Armenier dem gerechten und friedlichen<br />

Ausgleich zwischen den Völkern des<br />

Ostens und des Westens durchaus nicht<br />

dienlich sein dürfte. Er ist aber heute<br />

dringlicher denn je.<br />

■<br />

Der Verfasser studierte 1964 bis 1969 in<br />

Halle Theologie (Promotion 1972, Habilitation<br />

1979); 1983 wurde er zum Hochschuldozenten,<br />

1987 zum Professor für<br />

Geschichte, Theologie und Kultur der<br />

Orthodoxen Kirchen berufen; bis 1993<br />

wirkte er im Weltkirchenrat in Genf und<br />

kehrte dann nach Halle zurück. Er ist Direktor<br />

des Seminars für Konfessionskunde<br />

der Orthodoxen Kirchen, Gründungsdirektor<br />

des Zentrums für Armenische Studien<br />

MESROP an der Stiftung Leucorea e. V. in<br />

Wittenberg und Leiter des Dr. Johannes<br />

Lepsius-Archivs.1999/2000 war er Dekan<br />

der Theologischen Fakultät.


DIE THEOLOGISCHE FAKULTÄT HALLE<br />

Ein ganzes Bündel von politischen Erwägungen<br />

ließ die SED von ihren Plänen abrücken.<br />

Im Gegenzug versuchten die<br />

Machthaber, Zusammensetzung und Studiengang<br />

der Theologischen Fakultäten zu<br />

beeinflussen, um die vor allem in der Frühzeit<br />

der DDR unbotmäßige Pfarrerschaft<br />

politisch zu indoktrinieren und so die<br />

evangelische Kirche perspektivisch zu unterwerfen.<br />

Dass letztere aber selbst über<br />

drei staatlich niemals anerkannte Kirchliche<br />

Hochschulen verfügte, erschwerte dieses<br />

Vorhaben erheblich:<br />

Je mehr politischer Druck auf die Fakultäten<br />

ausgeübt wurde, desto mehr Studenten<br />

wanderten an die Kirchlichen Hochschulen<br />

in Naumburg, Leipzig und Berlin ab. Die<br />

Studierenden der Theologie besaßen so als<br />

einzige eine reale alternative Studienmöglichkeit<br />

und genossen deshalb auch weitaus<br />

mehr Freiräume, da der SED-Staat ja interessiert<br />

war, möglichst viele Bewerber von<br />

den Kirchlichen Hochschulen fernzuhalten<br />

und an die staatlichen Universitäten zu<br />

bringen.<br />

Beispielsweise konnten gediente Bausoldaten<br />

(von einigen Ausnahmen abgesehen)<br />

eigentlich nur Theologie studieren; weniger<br />

als die Hälfte aller Theologen waren Mitglieder<br />

der FDJ; die Wahlbeteiligung lag oft<br />

gerade bei 50 Prozent – die Sektion Theologie<br />

in Halle war die staatliche Institution<br />

mit der niedrigsten Wahlbeteiligung in der<br />

gesamten DDR; nur hier konnten Nicht-<br />

FDJler in den Leitungsgremien der Sektion<br />

mitarbeiten.<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Theologische Fakultät<br />

THEOLOGIE AN EINER SO GENANNTEN »SOZIALISTISCHEN« UNIVERSITÄT<br />

Friedemann Stengel<br />

Es hat immer Erstaunen hervorgerufen, dass der SED-Staat sechs Theologische Fakultäten,<br />

ab 1970/71 Sektionen Theologie, an seinen sozialistischen Universitäten duldete und damit<br />

die Ausbildung zukünftiger Pfarrer förderte. Diese Möglichkeit bestand in sämtlichen anderen<br />

Staaten des Ostblocks nicht. Auch die SED hatte zu Beginn der fünfziger Jahre erwogen,<br />

die Fakultäten zu schließen, da sie schlecht mit der atheistischen und kirchenfeindlichen<br />

Bildungsdoktrin zu vereinbaren waren und sich nach Auffassung des Marxismus<br />

Kirche und Religion als Rudimente der bürgerlichen Gesellschaft in absehbarer Zukunft<br />

von selbst auflösen würden.<br />

Daran sei insbesondere im Hinblick auf die<br />

Gefahren erinnert, denen Nichttheologen<br />

ausgesetzt waren, wenn sie sich oppositionell<br />

oder auch nur resistent verhielten.<br />

Dennoch kam es auch in Halle zwischen<br />

dem Lehrkörper und opponierenden Studenten<br />

zu Auseinandersetzungen – insbesondere<br />

in den achtziger Jahren, als manche<br />

Protestanliegen der kirchlichen Opposition<br />

auf Sektionsebene ausgetragen wurden.<br />

...............................................................................<br />

Einschneidend waren 1950 die politisch<br />

begründete Zwangsversetzung Erich Faschers,<br />

der auch stellvertretender Landesvorsitzender<br />

der noch nicht gleichgeschalteten<br />

CDU war, nach Greifswald und 1958<br />

die Entlassung des renommierten Kirchenhistorikers<br />

Kurt Aland nach einer beispiellosen<br />

Kampagne gegen ihn und den Spiritus-Kreis,<br />

der aus bürgerlich-christlichen<br />

Professoren mehrerer Fakultäten bestanden<br />

hatte. Manchem Schüler der Fakultät blieb<br />

eine akademische Laufbahn aus politischen<br />

Gründen verwehrt.<br />

Diese Einschnitte sowie die dauerhafte<br />

Ungewissheit über die Zukunft der Fakultäten<br />

haben zwar die Anpassung der Theologen<br />

an die politischen Strukturen befördert<br />

– dennoch ist es der SED insbesondere<br />

in Halle nicht gelungen, Theologie inhalt-<br />

Weiterführende Lektüre zum Thema aus der Feder des Verfassers:<br />

— Die Theologischen Fakultäten in der DDR als Problem der Kirchen- und Hochschulpolitik<br />

des SED-Staates bis zu ihrer Umwandlung in Sektionen 1970/71.<br />

Leipzig 1998. 824 S. (= Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, Bd. 3),<br />

— Zur Rolle der Theologischen Fakultäten in der DDR 1980–1990. In: Zehn Jahre<br />

danach: die Verantwortung von Theologie und Kirche in der Gesellschaft (1989–<br />

1999), hrsg. von Kurt Nowak und Leonore Siegele-Wenschkewitz. Leipzig 2000,<br />

32–78,<br />

— Zur Kirchen- und Hochschulpolitik der SED am Beispiel der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg in den fünfziger Jahren. In: Vorträge und Abhandlungen<br />

zur Wissenschaftsgeschichte 1999/2000, hrsg. von Wieland Berg, Sybille<br />

Gerstengarbe, Andreas Kleinert, Benno Parthier. Heidelberg 2000 (Acta Historica<br />

Leopoldina 36/2000), 25–61.<br />

Es hat in diesem Zusammenhang sowohl<br />

auf Studenten- als auch auf der Ebene des<br />

Lehrkörpers auch Inoffizielle Mitarbeiter<br />

für das MfS gegeben, wenn auch in geringerem<br />

Umfang als an anderen Theologischen<br />

Fakultäten.<br />

Die staatlichen Eingriffe in die Autonomie<br />

der Theologischen Fakultäten vor allem in<br />

den ersten 20 Jahren der DDR waren zum<br />

Teil drakonisch, in Berlin und Leipzig mit<br />

gravierenden Ergebnissen. Halle wurde von<br />

der SED als »reaktionärste« aller Theologischen<br />

Fakultäten angesehen. Der langjährige<br />

Rektor Leo Stern forderte Ulbricht vertraulich<br />

auf, sie zu schließen. So blieb Halle<br />

von Repressionen nicht verschont. Insgesamt<br />

fünfmal musste die Fakultät staatlicherseits<br />

oktroyierte Professoren und<br />

Dozenten gegen ihren Willen hinnehmen,<br />

allerdings ohne die von der SED erwünschten<br />

politischen Resultate.<br />

lich zu beeinflussen. Sie verblieb vielmehr<br />

im Kontext eines traditionell geprägten<br />

Wissenschaftsverständnisses und – das<br />

war ein Markenzeichen Halles – bewahrte<br />

sich eine starke Orientierung an den landeskirchlichen<br />

Positionen. Sie betrieb zum Teil<br />

international anerkannte Forschungen und<br />

hatte innerhalb der tristen geisteswissenschaftlichen<br />

Landschaft in der DDR einen<br />

kritischen Alternativcharakter, wenn auch<br />

in einer vom MfS misstrauisch beobachteten<br />

Nischenexistenz.<br />

■<br />

Der Verfasser, Jg. 1966, studierte in Halle<br />

Theologie und ist derzeit wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät.<br />

Er hat bereits mehrere Arbeiten zur Kirchlichen<br />

Zeitgeschichte vorgelegt.<br />

9


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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10<br />

Asterotheca (al. Pecopteris) arborescens (Schlotheim) Kidston;<br />

Original zu Germar 1844–53. Stephan von Wettin.<br />

Foto: Scheiner<br />

Zu einem vielversprechenden und beispielhaften Projekt gab kürzlich der Senat der Martin-Luther-Universität seine Zustimmung. Danach soll die<br />

»Neue Residenz«, eines der kulturgeschichtlich bedeutsamsten Bauwerke der Stadt Halle, nach dem Umzug der beiden Institute für Geographie<br />

sowie für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum in geeignetere Gebäude, zu einem naturwissenschaftlichen Universitätsmuseum ausgebaut<br />

werden. Mit dem angedachten ganzheitlichen Konzept, das eine Verknüpfung zwischen den naturwissenschaftlichen Einzeldisziplinen anstrebt,<br />

scheint sich somit ein Kreis zu schließen, der vom Naturalienkabinett zum »Universeum« führt.


GEOWISSENSCHAFTLICHE UNIVERSITÄTS-SAMMLUNGEN<br />

VOM NATURALIENKABINETT ZUM »UNIVERSEUM«<br />

Norbert Hauschke<br />

Die geowissenschaftlichen Sammlungen der Martin-Luther-Universität zählen zu den umfangreichsten<br />

und bedeutendsten ihrer Art in den neuen Bundesländern. Sie werden heute<br />

vorrangig im Rahmen von Lehrveranstaltungen und als wissenschaftliche Sammlungen genutzt.<br />

Neben dem öffentlich zugänglichen Geiseltalmuseum können Interessenten weitere<br />

Sammlungsbereiche derzeit leider nur nach Voranmeldung oder zu besonderen Anlässen<br />

wie »Internationalen Museumstagen« oder »Europäischen Tagen des Offenen Denkmals«<br />

besuchen. Deshalb sind Bestrebungen der Universität, die »Schätze« verschiedener naturwissenschaftlicher<br />

Universitäts-Sammlungen unter dem gemeinsamen Dach »Universeum«<br />

dauerhaft der Öffentlichkeit zu präsentieren, gar nicht zu überschätzen. Ein naturwissenschaftliches<br />

Universitätsmuseum würde dazu beitragen, den Erhalt der Bestände, die wertvolle<br />

Kulturgüter darstellen, langfristig zu sichern. Es könnte als »Wissenschaftsforum«<br />

eine Vermittlerrolle zwischen Universität, Wirtschaft und Öffentlichkeit einnehmen und<br />

darüber hinaus die Attraktivität von Stadt, Region und Land wesentlich fördern.<br />

Vom Naturalien- zum Mineralienkabinett<br />

Die geowissenschaftlichen und andere naturwissenschaftliche<br />

Sammlungen an der<br />

Universität wurzeln in den Naturalienkabinetten<br />

des 17. und 18. Jahrhunderts. Die<br />

Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen<br />

Stiftungen in Halle zählt – auch überregional<br />

– zu den eindrucksvollsten Beispielen<br />

aus dieser Zeit; noch heute vermittelt<br />

sie ein weitgehend authentisches Bild<br />

einer barockzeitlichen »Wunderkammer«.<br />

Für die geowissenschaftlichen Sammlungen<br />

der Universität Halle kann das Naturalienkabinett<br />

des Medizinprofessors Friedrich<br />

Hoffmann (1660–1742) als Grundstock<br />

gelten. Es wurde 1777 vom Naturgeschichte<br />

lehrenden Mediziner Johann Friedrich<br />

G. Goldhagen (1742–1788) erworben, der<br />

damit seine eigenen Sammlungen beträchtlich<br />

erweitern konnte. Goldhagen verkaufte<br />

sein Naturalienkabinett 1787 an die Universität;<br />

es wurde 1791/92 als königliches<br />

Mineralienkabinett in der »Neuen Residenz«<br />

des Kardinals Albrecht von Brandenburg<br />

(1490–1545) aufgestellt, wo sich<br />

bis heute der größte Teil der geowissenschaftlichen<br />

Sammlungen befindet.<br />

Vom Mineralienkabinett<br />

zum Mineralogischen Institut<br />

Dem Mineralienkabinett der Universität<br />

standen als Direktoren so bedeutende Persönlichkeiten<br />

vor wie Johann Reinhold<br />

Forster (1729–1798), der zusammen mit<br />

Sohn Georg an der 2. Weltumseglung von<br />

James Cook (1728–1779) teilgenommen<br />

hatte, und Ernst F. Germar (1786–1853),<br />

der die Sammlung als Professor für Mineralogie<br />

40 Jahre lang betreute. Germar tätigte<br />

systematische Aufsammlungen von<br />

fossilen Floren und Faunen, darunter Insekten<br />

und Spinnen, im Permokarbon der<br />

nördlich Halle gelegenen Region um Wettin<br />

und Löbejün und bearbeitete besonders das<br />

paläobotanische Material wissenschaftlich.<br />

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen sind<br />

bis heute von grundlegender Bedeutung.<br />

Folgt man den Ausführungen seines Nachfolgers<br />

Karl v. Fritsch (1838–1906), die<br />

sich in dessen »Führer durch das Mineralogische<br />

Institut der Kön. ver. Friedrichs-<br />

Universität Halle-Wittenberg« von 1901<br />

finden, so gilt Germar als der eigentliche<br />

Begründer der später vielgerühmten geowissenschaftlichen<br />

Sammlungen der Universität.<br />

Mit der Berufung v. Fritschs zum Professor<br />

für Mineralogie und Geologie im Jahre<br />

1873 stieg das Mineralienkabinett in den<br />

Rang eines Mineralogischen Instituts auf.<br />

Unter v. Fritsch erlebten die geowissenschaftlichen<br />

Sammlungen mit Blick auf ihre<br />

Erweiterung und Präsentation eine erste<br />

Blütezeit. So wurden in seiner Amtszeit im<br />

Saaleflügel der »Neuen Residenz« große<br />

Teile des ersten Stocks zu Sammlungssälen<br />

umgestaltet, die neben einer umfangreichen<br />

»Heimatsammlung« mit Fossilien aus der<br />

damaligen Provinz Sachsen und benachbarten<br />

Gebieten die Sammlung von Pflanzenund<br />

Tierfossilien in systematischer Anordnung<br />

sowie die Mineralien-Sammlung aufnahmen.<br />

Erwerbungen und Schenkungen<br />

kamen hinzu; auch seine wertvolle Privatsammlung<br />

und Bibliothek schenkte v.<br />

Fritsch dem Institut.<br />

Die Wege von Geologie und Mineralogie<br />

Mit dem Amtsantritt von Johannes Walther<br />

(1860–1937) begann 1906 eine strukturelle<br />

Umgestaltung des bisherigen Mineralogischen<br />

Instituts, das 1907 umbenannt<br />

wurde in »Geologisches und Mineralogisches<br />

Institut«; 1914 erfolgte mit der Berufung<br />

des Mineralogen Ferdinand v. Wolff<br />

(1874–1952) die Trennung in zwei eigenständige<br />

Institute, zugleich eine weitere<br />

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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Fachbereich Geowissenschaften<br />

...............................................................................<br />

deutliche Ausdehnung der Ausstellungsbereiche,<br />

mit räumlicher Trennung in eine<br />

geologisch-paläontologische Abteilung im<br />

Ober- und eine mineralogisch-petrographische<br />

Abteilung im Untergeschoss des Saaleflügels.<br />

Der Umzug des Mineralogisch-<br />

Petrographischen Instituts 1936/37 in das<br />

ehemalige Oberbergamt am Domplatz 1<br />

veranschaulicht die zunehmende Spezialisierung<br />

der einzelnen Fachdisziplinen.<br />

Unter Walthers Direktorat erlangte das<br />

hallesche Geologische Institut Weltgeltung.<br />

Seine Untersuchungen zur Riff- und<br />

Wüstenforschung, die er auf zahlreichen<br />

Reisen weltweit betrieb, genießen bis heute<br />

international hohe Anerkennung.<br />

11<br />

Probenfläschchen mit Salzsole aus einem nordafrikanischen<br />

Salzsee (Sammlung J. Walther). Aus der Sole kristallisierten<br />

Steinsalzkristalle aus. Das Sammlungsetikett<br />

ist mit einer Salzkruste überzogen. Foto: Scheiner<br />

Seine moderne, aktualistisch geprägte<br />

Denkweise wurde in eine neue Ausstellungskonzeption<br />

umgesetzt, die sich anhand<br />

seines »Führers durch die Lehr- und<br />

Schausammlungen des Geologisch-Palaeontologischen<br />

Instituts der Universität<br />

Halle« von 1928 gut nachvollziehen lässt.<br />

Vom Geiseltalmuseum zum »Museum für<br />

Mitteldeutsche Erdgeschichte«<br />

Von weitreichender Bedeutung für die Profilierung<br />

des Geologischen Instituts waren<br />

die 1925 unter Walther begonnenen Fossilgrabungen<br />

im südwestlich von Halle gelegenen<br />

Geiseltal, die unter seinem Nachfolger<br />

Johannes Weigelt (1890–1948) überaus erfolgreich<br />

fortgeführt wurden und 1934 mit<br />

der Eröffnung des Geiseltalmuseums in der<br />

ehemaligen Privatkapelle Kardinal Albrechts<br />

einen Höhepunkt erreichten. Die bis 1938<br />

laufenden und nach dem 2. Weltkrieg 1949<br />

wiederaufgenommenen Grabungen förder-


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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Fachbereich Geowissenschaften<br />

................................................................................<br />

12<br />

ten eine artenreiche, außerordentlich gut erhaltene<br />

Wirbeltier- und Insektenfauna aus<br />

dem Mittleren Eozän zutage und machten<br />

die Fossillagerstätte »Geiseltal« weltweit<br />

bekannt.<br />

1935 wurde der »Verein zur Förderung des<br />

Museums für Mitteldeutsche Erdgeschichte<br />

in Halle a. S.« gegründet mit dem Ziel,<br />

die erdgeschichtliche Entwicklung des mitteldeutschen<br />

Raumes im Zusammenhang<br />

anschaulich darzustellen. In die Konzeption<br />

eines »Ganges durch die mitteldeutsche<br />

Erdgeschichte« – 1950 unter Weigelts<br />

Nachfolger Hans Gallwitz (1896–1958) im<br />

Ostflügel der »Neuen Residenz« in acht<br />

Ausstellungsräumen realisiert – fügte sich<br />

das Geiseltalmuseum mit seiner tertiärzeitlichen<br />

Tier- und Pflanzenwelt zwanglos<br />

ein. Das öffentliche Interesse war groß;<br />

dies belegen die hohen Besucherzahlen, die<br />

1952 ein Maximum erreichten.<br />

Abruptes Ende, Neubeginn und Vision<br />

Zu einem radikalen Bruch in der 180 Jahre<br />

währenden Entwicklung hin zu leistungsfähigen<br />

Universitäts-Instituten und anerkannten<br />

Sammlungen und Ausstellungen<br />

führten die Beschlüsse des VII. Parteitages<br />

der SED zur III. Hochschulreform 1967.<br />

Ende 1967 wurden das Mineralogisch-Petrographische<br />

und das Geologisch-Paläontologische<br />

Institut aufgelöst: Die Studierenden<br />

mussten nach Greifswald oder Freiberg<br />

wechseln. Die verbliebenen Mitarbeiter<br />

der Institute wurden den neuen Sektionen<br />

Biowissenschaften, Chemie oder Geographie<br />

zugeordnet, die Sammlungen und<br />

Magazine zersplittert. Wegen des steigenden<br />

Raumbedarfs in der »Neuen Residenz«<br />

waren die Sammlungen an ihren bisherigen<br />

Standorten bald ein Ärgernis und wurden<br />

deshalb zum großen Teil in feuchte Kellergewölbe<br />

verbracht.<br />

Mit der Neugründung des Fachbereichs<br />

Geowissenschaften 1994 wurde versucht,<br />

an die große geowissenschaftliche Tradition<br />

in Halle anzuknüpfen. Eine weitgehende<br />

Spezialisierung führte in der Einschätzung<br />

der Sammlungen nicht selten zu Konflikten,<br />

da diese, am stärksten bei den angewandten<br />

Disziplinen, in Forschung und<br />

Lehre kaum noch die ihnen traditionell zugemessene<br />

Rolle spielen.<br />

Der Austausch mit Sammlungsverantwortlichen<br />

an verschiedenen europäischen Universitäten<br />

zeigt, dass in den letzten Jahrzehnten<br />

vielerorts ein Wertewandel zu Ungunsten<br />

der Sammlungen eingetreten ist.<br />

Sphenophyllum longifolium (Germar)<br />

v. Gutbier; Beleg zu Germar 1844–1853 und<br />

Abbildungsoriginal zu W. u. R. Remy 1959.<br />

Stephan von Wettin. Foto: Scheiner<br />

Karl v. Fritsch (1838–1906), 1873–1906<br />

Professor für Mineralogie und Geologie.<br />

Foto: Archiv<br />

Publikation Johannes Walthers von 1911<br />

über die Entstehung von Windkantern. Beigefügt<br />

sind drei Beispiele. Foto: Scheiner<br />

Allerdings lassen sich in jüngster Zeit zunehmend<br />

auch entgegengesetzte Tendenzen<br />

beobachten, wonach die reichen Sammlungsbestände<br />

der Universitäten als »Kulturerbe«<br />

begriffen werden, mit dem verantwortlich<br />

umgegangen werden muss und auf<br />

das nicht zuletzt die Öffentlichkeit ein Anrecht<br />

besitzt.<br />

■<br />

Ernst Friedrich Germar (1786–1853), 1811–<br />

1851 Professor für Mineralogie und Direktor<br />

des Mineralienkabinetts. Foto: Archiv<br />

Von Karl v. Fritsch (1906) als Limulus henkelii<br />

v. Fritsch beschriebener »Pfeilschwanz«.<br />

Unterer Muschelkalk von Bad Kösen.<br />

Foto: Scheiner<br />

Johannes Walther (1860–1937), 1906–1929<br />

Professor für Geologie und Paläontologie.<br />

Foto: Archiv<br />

Der Verfasser studierte Geologie/Paläontologie<br />

an der Westfälischen Wilhelms-Universität<br />

in Münster und wurde dort 1985<br />

promoviert. Seit 1994 ist er als Kustos für<br />

die Geologisch-paläontologischen Sammlungen<br />

des Instituts für Geologische Wissenschaften<br />

und Geiseltalmuseum der<br />

Martin-Luther-Universität tätig.


UNIVERSITÄT UND LEOPOLDINA<br />

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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina<br />

AKTUELLE WISSENSCHAFTSGESCHICHTE IN ACTA HISTORICA LEOPOLDINA<br />

Wieland Berg und Sybille Gerstengarbe<br />

Die »großen demokratischen und nationalen Traditionen der Geschichte der ›Leopoldina‹<br />

lebendig zu erhalten, ... ihre Gegenwart und Vergangenheit durch die große, das ganze deutsche<br />

Volk mobilisierende nationale Idee und Zukunftsperspektive zu verbinden – das ist<br />

die Aufgabe und Verpflichtung aller, die für Einheit, Unabhängigkeit, Frieden und eine demokratische<br />

Erneuerung Deutschlands kämpfen.«<br />

Das ist keine Bundestagsrede, sondern Originalton DDR 1952 vom Prorektor Leo Stern<br />

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg anlässlich der Wiedereröffnung der Deutschen<br />

Akademie der Naturforscher Leopoldina mit feierlichem Festakt im Auditorium<br />

maximum – offizielles Zeichen der Verbundenheit zwischen Universität und Leopoldina,<br />

geschrieben in Sterns Festgabe »Zur Geschichte und wissenschaftlichen Leistung der<br />

Deutschen Akademie der Naturforscher«.<br />

Im selben Jahr 1952 wurden Studenten der halleschen Universität beim Verteilen von Flugblättern<br />

verhaftet, relegiert und nach einem Schauprozess ins Gefängnis gesteckt. Einer<br />

von ihnen kam aus dem Institut des Geologen Hans Gallwitz – Ordinarius an der Universität<br />

und aktives Leopoldinamitglied – und wurde von ihm nach dieser öffentlichen Diffamierung<br />

unterstützt – auch dies ein Zeichen für die Verbindung von Leopoldina und Universität;<br />

denn alle Leopoldinamitglieder engagierten sich für ihren Nachwuchs, wie andererseits<br />

die Studiker die zweijährlichen Jahresversammlungen der Leopoldina als akademische<br />

Höhepunkte erlebten und die Karten dafür wie Westgeld handelten. Die nationale Idee der<br />

verurteilten Studenten musste damals ohne Perspektive bleiben.<br />

Seit 1990 sieht alles anders aus. Die reale<br />

Zukunftsaussicht nach dem Ende der DDR<br />

– für Historiker und alle an der wirklichen<br />

Geschichte Interessierten – heißt: Klartext<br />

mittels geöffneter Archive und Darstellung<br />

des Geschehenen ohne ideologische Vorbehalte,<br />

Richtlinien oder Scheuklappen. Das<br />

gilt für Universität wie Leopoldina.<br />

In der jüngst erschienenen Nr. 37 der Acta<br />

Historica Leopoldina (AHL), einer biographischen<br />

Annäherung an »Kurt Mothes<br />

(1900–1983) – Gelehrter, Präsident, Persönlichkeit«,<br />

verfasst vom derzeitigen Präsidenten<br />

der Leopoldina, Benno Parthier,<br />

sind Sterns Verdienste um die Wiederzu-<br />

lassung der Leopoldina detailliert gewürdigt,<br />

doch zugleich ohne hagiographische<br />

und politische Rücksichtnahmen kritisch<br />

hinterfragt. Man kann es als Vorspiel künftiger<br />

Krisen lesen, wenn am 14. Februar<br />

1952 die wiederhergestellte Aula der Universität<br />

mit seinem Festvortrag über »Die<br />

Martin-Luther-Universität und ihre Beziehungen<br />

zur Deutschen Akademie der Naturforscher«<br />

eingeweiht wird, aber zwei<br />

Tage später in den offiziellen Begrüßungsreden<br />

beim Festakt der Leopoldina in derselben<br />

Aula weder diese Rede noch der<br />

Name Stern einer Erwähnung für würdig<br />

befunden werden.<br />

...............................................................................<br />

Leo Stern war es, der die »historische Leistung<br />

der Leopoldina« pries und die engen<br />

lokalen Beziehungen der beiden Institutionen<br />

zum »Anliegen der Deutschen Demokratischen<br />

Republik« und »des ganzen<br />

deutschen Volkes« in Beziehung setzte,<br />

wie das maschinenschriftliche Redemanuskript<br />

aus seinem Nachlass belegt. Unter<br />

seinem Rektorat entwickelten sich die Beziehungen<br />

zwischen Universität und Akademie<br />

erwartungsgemäß positiv. Man kann<br />

in AHL 37 nachlesen, warum. In der naturwissenschaftlichen,<br />

medizinischen und<br />

landwirtschaftlichen Fakultät dominierten<br />

in den 50er Jahren (von den SED-Falken<br />

der Parteileitung als »reaktionär« verschrieen)<br />

noch die bürgerlichen Professoren, und<br />

Stern wollte die »bürgerliche« wissenschaftliche<br />

Kompetenz – trotz eigener<br />

kommunistischer Überzeugung – für den<br />

»sozialistischen Aufbau« der Universität<br />

erhalten. Das respektierte das »bürgerliche<br />

Lager« unter Wortführung des Pflanzenbiochemikers<br />

Kurt Mothes, gleichzeitig Präsident<br />

der Leopoldina, und seiner »grauen<br />

Eminenz« als Vizepräsident der Akademie,<br />

Erwin Reichenbach, Chef der Universitäts-<br />

Zahnklinik (Foto unten).<br />

Selbst als Stern – mit Ulbrichts Billigung –<br />

Ende der 50er Jahre kaltblütig ausgebootet<br />

wurde, musste eine Bagatelle im Zusammenhang<br />

mit der Leopoldina als Vorwand<br />

herhalten. Zur Jahresversammlung 1959<br />

hatte zwar der frisch eingesetzte Rektor<br />

Gerhard Bondi die Leopoldinamitglieder zu<br />

einem Empfang der Universität geladen,<br />

aber Mothes stellte sie nicht Bondi, sondern<br />

Stern vor. Damit setzte er ein Zeichen,<br />

das auch das Ministerium für Staatssicherheit<br />

(MfS) registrierte: Parteigänger<br />

Bondis benutzten es gegen Stern.<br />

Weniger rühmlich war Sterns Rolle bei der<br />

»Zerschlagung« (O-Ton MfS) des Spirituskreises<br />

im Jahr 1958, dem seit 1890 existierenden<br />

»Kränzchen« prominenter Universitätsprofessoren,<br />

dem auch Leopoldinamitglieder<br />

angehörten (Foto Seite 14 unten).<br />

Da zog er noch mit Ulbricht an einem<br />

Strang.<br />

Diese brisanten Vorgänge und das krisenhafte<br />

Verhältnis zwischen Leopoldina und<br />

Universität danach sind detailliert und aktenkundig<br />

dargestellt in AHL 36 (2000)<br />

»Vorträge und Abhandlungen zur Wissenschaftsgeschichte<br />

1999/2000« (Friedemann<br />

Kurt Mothes und Erwin Reichenbach, Präsident<br />

und Vizepräsident der Leopoldina auf<br />

der Jahresversammlung der Akademie 1967<br />

Foto: Leopoldina-Archiv<br />

13


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina<br />

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14<br />

Stengel: »Zur Kirchen- und Hochschulpolitik<br />

der SED am Beispiel der Martin-<br />

Luther-Universität Halle-Wittenberg in den<br />

fünfziger Jahren« [vgl. auch Seite 9 dieser<br />

Ausgabe]; Sybille Gerstengarbe: »Die Leopoldina<br />

in den konfliktreichen Jahren<br />

1958–1962«, eingeleitet von einem essayistischen<br />

Überblick aus der Feder von<br />

Günter Bruns: »Eine Zeitdiagnose des XX.<br />

Jahrhunderts – Von einem Betroffenen).<br />

Der Band AHL 36 öffnet die Reihe Acta<br />

Historica Leopoldina, bisher im wesentlichen<br />

auf Monographien und Tagungsbände<br />

beschränkt, der aktuellen wissenschaftshistorischen<br />

Diskussion. Zum Beispiel<br />

Emil Abderhalden, Wortführer der medizinischen<br />

Fakultät seit den 1920er Jahren<br />

und engagierter Leopoldinapräsident im<br />

Dritten Reich, berühmt durch die Entdekkung<br />

der »Abwehrfermente« – die nur einen<br />

Fehler haben: Es gibt sie nicht. Die<br />

Tiefenanalyse bis zu erhaltenen Laborprotokollen<br />

zeigt, was von den Legenden und<br />

heutigen, oft allzu pauschalen Vorwürfen<br />

zu halten ist (Michael Kaasch: »Sensation,<br />

Irrtum, Betrug? Emil Abderhalden und die<br />

Geschichte der Abwehrfermente«).<br />

Oder Konrad Lorenz – in AHL 39 (2000/<br />

<strong>2001</strong>) aus doppelter Perspektive betrachtet:<br />

aus Sicht des Zeitzeugen und Schülers<br />

(Bernhard Hassenstein) und in kritischer<br />

Analyse der Historikerin (Ute Deichmann).<br />

Ein unvergessliches Beispiel für das komplizierte<br />

Verhältnis zwischen Universität<br />

und Akademie ist der Leopoldinavortrag<br />

von Konrad Lorenz 1974 über »Die Evolution<br />

des Verhaltens« in der Universitätsaula.<br />

Obwohl die Veranstaltung in der Universität<br />

nicht durch Aushänge publik gemacht<br />

werden durfte, belagerten Studenten<br />

das Treppenhaus. In der Diskussion zum<br />

Vortrag Hassenstein berichten Zeitzeugen,<br />

wie geschickt es Lorenz verstand, dem ausgesperrten<br />

jungen Publikum dennoch die<br />

Türen zu öffnen (Foto rechts oben).<br />

Jährlich wird ein Band »Vorträge und Abhandlungen<br />

zur Wissenschaftsgeschichte«<br />

mit den Vorträgen der gut besuchten wissenschaftshistorischen<br />

Seminare der Akademie<br />

und freien Abhandlungen im Sinne<br />

einer wissenschaftshistorischen Zeitschrift<br />

erscheinen, einschließlich der ausgiebigen<br />

Diskussionen, wodurch, nach dem Urteil<br />

des kürzlich verstorbenen Altpräsidenten<br />

der Akademie Heinz Bethge, »die Vorträge<br />

erst vollständig werden«. Die Diskussionsbeiträge<br />

namhafter Zeitzeugen in AHL 36<br />

zum komplizierten Wechselspiel zwischen<br />

DDR-Obrigkeit und Akteuren vor Ort, zu<br />

Fragen moralischer Schuld oder den Möglichkeiten<br />

politischen Widerstandes öffnen<br />

der Wissenschaftsgeschichte einen neuen<br />

Mitglieder des Spiritus-Kreises bei einem Ausflug nach Wernigerode 1956 (v. l. n. r.: der Germanist<br />

Karl Bischof, der Philosoph Paul Menzer, der Theologe Otto Eissfeld, der Kirchenhistoriker<br />

Kurt Aland, der Landeskonservator Horst-Wolf Schubert, der Pädagoge Hans<br />

Ahrbeck, der Agrarwissenschaftler Erich Hoffmann, der Physiologe Bernd Lueken, der ein<br />

Jahr später auch Mitglied der Leopoldina wurde), fotografiert vom Geologen und Leopoldinamitglied<br />

Hans Gallwitz Foto: Nachlass Gallwitz im Familienbesitz<br />

Konrad Lorenz 1974 beim Leopoldinavortrag<br />

in der Universitätsaula. Obwohl die ideologisch<br />

ungenehme Veranstaltung über »Die Evolution<br />

des Verhaltens« in der Universität nicht publik<br />

gemacht werden durfte, belagerten Studenten<br />

das Treppenhaus. Lorenz begann seinen Vortrag<br />

erst, nachdem ihnen die Türen geöffnet<br />

wurden und der Saal schließlich total überfüllt<br />

war. Foto: Leopoldina-Archiv<br />

interdisziplinären Raum – interdisziplinär<br />

im erfrischenden Sinn: zwischen denen die<br />

handelten, und jenen, die dieses Handeln<br />

analysieren.<br />

Wie fruchtbar solches Zusammenwirken<br />

ist – und nota bene das seit 1990 wieder<br />

ungetrübte Verhältnis zwischen Universität<br />

und Leopoldina – wird schlagartig klar<br />

durch die eingangs erwähnten Verurteilungen<br />

von Studenten 1952. Ihre Akten würden<br />

heute im Uni-Archiv nach Ablauf von<br />

50 Jahren kassiert, weil der entscheidende<br />

Umstand damals nicht vermerkt wurde:<br />

Die verurteilten Studenten erscheinen darin<br />

einfach als »exmatrikuliert«, weil »nicht<br />

zurückgemeldet«.<br />

Kein Hinweis auf den Schauprozess, der<br />

eine ganze Seite der »Jungen Welt« füllte.<br />

Niemand würde von den dramatischen Vorgängen<br />

jener Jahre erfahren, wenn nicht<br />

Zeugnisse Betroffener den (in solchen Fällen<br />

absichtsvoll unvollständig gehaltenen)<br />

Dokumenten ihre Bedeutung zurückgäben.<br />

Ein Beitrag in AHL 39 wird diese Vorgänge,<br />

vertieft durch Aktenstudien, wieder<br />

öffentlich machen.<br />

■<br />

Dr. Wieland Berg, Biologiestudium in Halle<br />

(Promotion am FB Genetik), seit 1975 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter der Leopoldina<br />

(Archivaufbau unter Georg Uschmann,<br />

Redaktion Acta Historica Leopoldina und<br />

AG Wissenschaftsgeschichte).<br />

Dr. Sybille Gerstengarbe, Biologiestudium<br />

in Halle (Promotion am Biologischen Institut),<br />

seit 1990 Forschungsprojekte zur<br />

Akademiegeschichte im Dritten Reich, in<br />

SBZ und DDR im Rahmen der AG Wissenschaftsgeschichte<br />

der Leopoldina, gefördert<br />

vom BMBF bzw. von der VW-Stiftung.


GUSTAV SCHMOLLER UND JOHANNES CONRAD<br />

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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

FB Geschichte, Soziologie und Sozialwissenschaften<br />

NATIONALÖKONOMIE IN HALLE ZWISCHEN 1860 UND ERSTEM WELTKRIEG<br />

Peter Hertner<br />

Als 1873 ein Staatswissenschaftliches Seminar an der Vereinigten Friedrichs-Universität<br />

Halle-Wittenberg eingerichtet wurde, blickten die Kameral- und Staatswissenschaften in<br />

Halle schon auf eine bemerkenswerte Tradition zurück. 1727 waren nämlich erstmals in<br />

Brandenburg-Preußen Lehrstühle für dieses Fach an den Universitäten Halle und Frankfurt/Oder<br />

gegründet worden. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch bildeten die sogenannten<br />

Kameralwissenschaften einen festen Bestandteil des Lehrangebots in Halle. Ziel war vor<br />

allem die Ausbildung von Beamten für den preußischen Staat. Ihnen sollten die juristischen<br />

und wirtschaftlichen, teilweise auch technische Aspekte ihrer künftigen Tätigkeit im Geist<br />

der Aufklärung vermittelt werden.<br />

Das beginnende 19. Jahrhundert sah auch<br />

in Halle den Siegeszug der »Klassik«, in erster<br />

Linie also der Lehre des schottischen<br />

Ökonomen Adam Smith, die sich in Kontinentaleuropa<br />

gerade an den preußischen<br />

Hochschulen besonders rasch durchsetzte.<br />

Gustav Schmoller<br />

und der Verein für Socialpolitik<br />

Mit Gustav Schmoller (1838–1917), der<br />

1864 mit gerade einmal 26 Jahren als Extraordinarius<br />

nach Halle berufen wurde und<br />

bereits im Folgejahr nach dem Tod seines<br />

Vorgängers Johann F. G. Eiselen den frei<br />

werdenden Lehrstuhl erhielt, kam hingegen<br />

der herausragendste Vertreter der so genannten<br />

Jüngeren Historischen Schule der<br />

Nationalökonomie zum Zuge. Er sollte in<br />

der Folgezeit, nachdem er 1872 an die unter<br />

deutscher Ägide wieder eröffnete Universität<br />

Straßburg und ein Jahrzehnt später<br />

nach Berlin berufen worden war, das Fach<br />

in Deutschland wie kein anderer dominieren.<br />

Wichtigstes wissenschaftliches Ergebnis<br />

seiner Jahre in Halle war Schmollers Band<br />

Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe<br />

im 19. Jahrhundert, der 1870 im Verlag<br />

der Buchhandlung des Waisenhauses erschien.<br />

Schmoller sah in ihm einen »Beitrag<br />

zur ethischen Begründung der Nationalökonomie«,<br />

wie er selbst formulierte. Der<br />

preußische Staat und seine Monarchie sollten<br />

in Schmollers Sicht der Gefährdung der<br />

Gesellschaftsordnung durch den revolutionären<br />

Sozialismus einerseits und das<br />

schrankenlose Besitzdenken der Kapitaleigner<br />

andererseits durch gezielte Sozialreformen<br />

entgegenwirken.<br />

Werkzeug für eine stärkere Wirkung nach<br />

außen sollte der im Herbst 1872 in Eisenach<br />

gegründete Verein für Socialpolitik sein.<br />

Die Vorbesprechung für seine Gründung<br />

fand unter führender Mitwirkung Gustav<br />

Schmollers am 8. Juli 1872 in Halle im Hotel<br />

Stadt Hamburg statt.<br />

Es ist sicher Zufall – aber was für ein Zufall!<br />

–, dass ausgerechnet die Wirtschafts-<br />

Gustav Schmoller (1838–1917)<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, II, S 118<br />

wissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität<br />

heute im selben Gebäude<br />

ihren Sitz gefunden hat.<br />

Der Verein für Socialpolitik wurde rasch<br />

zur wichtigsten Interessenvertretung der an<br />

Sozialreformen interessierten Ökonomen<br />

im Zweiten Deutschen Kaiserreich – noch<br />

heute dient er als Gesamtverband der<br />

WirtschaftswissenschaftlerInnen in den<br />

deutschsprachigen Ländern.<br />

Johannes Conrad<br />

als erfolgreicher akademischer Lehrer<br />

Nach Schmollers Weggang nach Straßburg<br />

wurde bereits im Sommer 1872 Johannes<br />

Conrad (1839–1915), seit 1870 Extraordinarius<br />

in Jena, auf den Lehrstuhl für<br />

Staatswissenschaften berufen. Conrad,<br />

Sohn eines bürgerlichen Gutsbesitzers aus<br />

Westpreußen, hatte ursprünglich Landwirt<br />

werden wollen, musste aus gesundheitlichen<br />

Gründen aber darauf verzichten. Im<br />

Studium an den Universitäten Jena und<br />

Berlin ebenso wie in seinen späteren Forschungen<br />

auf dem Gebiet der Volkswirt-<br />

...............................................................................<br />

schaftslehre beschäftigte er sich, darin seinen<br />

früheren Interessen folgend, vorwiegend<br />

mit agrarökonomischen Problemen.<br />

Dies war wohl auch der Hauptgrund für<br />

seine Berufung nach Halle, denn dort hatte<br />

das Studium der Landwirtschaft unter der<br />

Leitung von Julius Kühn einen stetigen<br />

Aufschwung genommen. Von einem Nationalökonomen,<br />

der überdies etwas von<br />

Agrarwirtschaft verstand, versprach man<br />

sich zusätzliche Vorteile.<br />

Conrad war kein bedeutender Theoretiker,<br />

auch nicht im – aus heutiger Sicht theoretisch<br />

relativ anspruchslosen – Rahmen der<br />

Historischen Schule, doch konnte er als<br />

akademischer Lehrer beachtliche Erfolge erringen.<br />

Diese Lehre blieb nicht auf die Vorlesungen<br />

beschränkt; ihr waren vor allem<br />

die Seminare gewidmet, die Conrad mit<br />

steigender Teilnehmerzahl über mehr als<br />

vier Jahrzehnte hinweg durchführte. Da es<br />

in den Staatswissenschaften bis in die<br />

Zwischenkriegszeit hinein keinen Diplomabschluss<br />

gab, waren diese Seminare aus<br />

heutiger Sicht eine Mischung aus Hauptund<br />

Doktorandenseminar. Überraschend ist<br />

die relativ hohe Anzahl ausländischer Studierender:<br />

ein Viertel bis ein Drittel der Gesamtzahl<br />

aller Teilnehmer, die Conrads Seminare<br />

frequentierten. Skandinavier, Polen,<br />

Russen, Österreicher, Japaner, vor allem<br />

aber eine nicht unbedeutende Zahl von Studierenden<br />

aus den USA, finden sich in den<br />

Teilnehmerlisten und Protokollen der Seminarsitzungen,<br />

die bis heute im Universitätsarchiv<br />

aufbewahrt werden.<br />

Frauenstudium, Seminar und Bibliothek<br />

Im Sommersemester 1906 wurden zum<br />

ersten Mal zwei Teilnehmerinnen registriert,<br />

die beide aus Finnland stammten. Sie<br />

waren sicher nur als Gasthörerinnen zugelassen,<br />

denn erst 1908 – lange nach Österreich<br />

und der Schweiz, aber auch etliche<br />

Jahre nach den süddeutschen Bundesstaaten<br />

– erlaubte Preußen das Frauenstudium.<br />

Der Begriff »Seminar« wurde im übrigen<br />

nicht nur auf einen speziellen Typ von<br />

Lehrveranstaltungen angewandt, er bezog<br />

sich auch auf die Örtlichkeit, in der diese<br />

Veranstaltungen stattfanden. Bezeichnet<br />

wurde damit zugleich ein Raum, in dem die<br />

Seminare abgehalten wurden und wo sich<br />

eine kleine Bibliothek befand. Das Seminar<br />

war in dieser Hinsicht also der Vorläufer<br />

der späteren Institute mit ihren Institutsbibliotheken.<br />

15


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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FB Geschichte, Soziologie und Sozialwissenschaften<br />

................................................................................<br />

Schmoller hatte auf ein solches Seminar<br />

16 hingearbeitet, es wurde aber erst seinem<br />

Nachfolger Conrad für das Sommersemester<br />

1873 mit einem Jahresbudget von 200<br />

Talern genehmigt.<br />

Johannes Conrad war aber nicht nur ein gewissenhafter<br />

Universitätslehrer und Autor<br />

eines recht erfolgreichen mehrbändigen<br />

Lehrbuchs, er war offenbar auch ein begabter<br />

Wissenschaftsorganisator. Seit 1871/72<br />

war er Mitherausgeber, seit 1878 sogar<br />

Hauptherausgeber der von Bruno Hildebrand<br />

in Jena begründeten Jahrbücher für<br />

Nationalökonomie und Statistik, einer der<br />

führenden wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Zeitschriften des deutschen Sprachraums.<br />

1889 gelang ihm zusammen mit zwei weiteren<br />

Ökonomen und dem halleschen Juristen<br />

Edgar Loening die Herausgabe des monumentalen<br />

Handwörterbuchs der Staatswissenschaften,<br />

das unter seiner Leitung<br />

bis zum ersten Weltkrieg drei Auflagen erlebte<br />

und zu dem praktisch alle führenden<br />

Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und<br />

Soziologen der Zeit – eben die »Staatswissenschaftler«<br />

– Beiträge geleistet haben.<br />

Neben Conrad erscheint in den Vorlesungsverzeichnissen<br />

und Chroniken der Universität<br />

Halle eine wachsende Zahl von Privatdozenten,<br />

die sich unter seiner Ägide<br />

habilitierten und meist nach einigen Jahren<br />

an andere Hochschulen berufen wurden.<br />

Seit 1885 wurde ihm der Finanzwissenschaftler<br />

Robert Friedberg als Extraordinarius<br />

zur Seite gestellt. 1894 wurde Fried-<br />

Johannes Conrad (1839–1915)<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 4, Nr. I, C 24<br />

berg zum ordentlichen Professor ernannt,<br />

so dass Halle jetzt zwei staatswissenschaftliche<br />

Ordinarien aufzuweisen hatte.<br />

Als Friedberg, der von 1886 bis 1920 als<br />

nationalliberaler Abgeordneter dem preußischen<br />

Landtag und zwischendurch auch<br />

dem Reichstag angehörte, 1904 aus dem<br />

Staatsdienst ausschied, wurde aus Münster<br />

Heinrich Waentig auf das zweite Ordinariat<br />

berufen, Waentig lehrte von 1909 bis zum<br />

Frühjahr 1914 in Tokio und war dazu offiziell<br />

beurlaubt worden.<br />

Auf eigenen Wunsch wurde Conrad mit<br />

Wirkung vom Wintersemester 1914/15<br />

emeritiert. Er starb wenig später, am 25.<br />

April 1915. Mit ihm ging eine Epoche zu<br />

Ende. Zwar war auch er schon im wesentlichen<br />

Nationalökonom, aber in der Lehre, in<br />

seinen statistischen Forschungen – zum<br />

Beispiel zur zeitgenössischen Hochschulstatistik<br />

–, besonders aber im fächerübergreifenden<br />

Projekt des erwähnten Hand-<br />

buchs, zeigte sich noch jene Einheit der<br />

Staatswissenschaften, an die heutige Sozialwissenschaften<br />

immer wieder anzuknüpfen<br />

versuchten. Methoden und Gegenstände<br />

der Historischen Schule wurden mit seinem<br />

Tod nicht plötzlich obsolet, sie fanden<br />

unter seinem Nachfolger Kurt Wiedenfeld<br />

und ab 1919 unter dessen Nachfolger Gustav<br />

Aubin ihre Fortsetzung. Der Paradigmenwechsel<br />

in der Volkswirtschaftslehre<br />

hin zu einer modellorientierten, die quantitativen<br />

Aspekte stärker berücksichtigenden<br />

Analyse, der sich – im internationalen Vergleich<br />

– in Deutschland erst mit Verspätung<br />

während der 1920er Jahre allmählich<br />

durchsetzte, erreichte Halle daher zunächst<br />

kaum.<br />

In einem Punkt war man in Halle allerdings<br />

kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />

weiter gekommen: Die Juristische Fakultät<br />

hatte bereits 1897 beim preußischen Kultusminister<br />

beantragt, »... das Lehrgebiet<br />

der Juristischen Fakultät auf die Staatswissenschaften<br />

auszudehnen und sie dadurch<br />

zu einer Rechts- und Staatswissenschaftlichen<br />

Fakultät umzugestalten«. Mit Rücksicht<br />

auf »... die älteren Vertreter der<br />

Staatswissenschaften, die bereits eine längere<br />

Reihe von Jahren Mitglieder der Philosophischen<br />

Fakultät waren ... «, und denen<br />

man den Fakultätswechsel offenbar nicht<br />

zumuten wollte, hatte das Ministerium seinerzeit<br />

den Antrag abgelehnt. Im Sommer<br />

1914 kam es schließlich doch zu einem<br />

Ministerialerlass, mit dem vom folgenden<br />

Wintersemester an die Juristische Fakultät<br />

in eine »Rechts- und Staatswissenschaftliche<br />

Fakultät« umgewandelt wurde. Die<br />

staatswissenschaftlichen Professuren in<br />

der Philosophischen Fakultät sollten dann<br />

anschließend in die Rechts- und Staatswissenschaften<br />

überführt werden. Alles deutet<br />

darauf hin, dass man die Emeritierung von<br />

Johannes Conrad abgewartet hatte, ehe der<br />

ministerielle Erlass erging. Auch in dieser<br />

Hinsicht brachte das Jahr 1914 einen Einschnitt,<br />

der allerdings mit dem Kriegsausbruch<br />

ausnahmsweise nichts zu tun hatte.<br />

■<br />

Der Verfasser, Jahrgang 1942, lehrte und<br />

forschte (nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre<br />

und Geschichte in Heidelberg,<br />

Besançon, Basel und Marburg) in Marburg,<br />

Darmstadt und Florenz (Promotion 1971,<br />

Habilitation 1986). Seit April 1995 wirkt er<br />

als Universitätsprofessor für Wirtschaftsund<br />

Sozialgeschichte am Institut für Geschichte<br />

der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg.


JÜDISCHE GELEHRTE AN DER UNIVERSITÄT HALLE<br />

DEUTUNG UND DEFINITION<br />

Giuseppe Veltri<br />

An der Schwelle zum 19. Jahrhundert genoss das Judentum theoretisch mehr Freiheit und<br />

Rechte als früher im Ghetto. Emanzipation bedeutete aber nicht unbedingt Genuss aller<br />

Freiheiten, die dem christlichen Nachbarn wie selbstverständlich zustanden. Leopold Zunz<br />

hat dies mit dem berühmten Satz beschrieben: »Das Ghetto ist gesprengt, aber die Verweisung<br />

noch nicht aufgehoben«. Der Kampf um die kulturelle Emanzipation, die die Anerkennung<br />

des Eigenen und die kritische Wahrnehmung des Allgemeinen beinhaltet, beschreibt<br />

den geistigen Zustand vieler jüdischer Gelehrter, angefangen – um in Sachsen-Anhalt<br />

zu bleiben – mit den Philosophen Moses Mendelssohn aus Dessau, Hermann Cohen<br />

aus Coswig und dem Hallenser Emil Fackenheim, der, an unserer Universität bis 1938 immatrikuliert<br />

und danach für 3 Monate in ein Konzentrationslager verschleppt, seine Heimatstadt<br />

Anfang 1939 verlassen musste. Verteidigt wurde die eigene Identität, die aus Geschichte<br />

und Gegenwart, Tradition und Sittlichkeit, Eigenart und Vergleichbarkeit besteht.<br />

Dieser historische Kampf ist gescheitert:<br />

Die Stimme des jüdischen Gelehrten wurde<br />

im deutschem Raum kaum wahrgenommen.<br />

Noch heute gibt es Erstaunen über die Existenz<br />

jüdisch-deutscher Literatur, darüber,<br />

dass eine »jüdische« Philosophie oder<br />

Theologie entwickelt wurden und vor allem<br />

darüber, wie sich die Juden Deutschlands<br />

bemüht haben, deutsches Bürgersein und<br />

jüdische Religion zu verbinden. Vergeblich,<br />

wie man weiß.<br />

Wenn man heute dennoch nach einer jüdischen<br />

Gelehrsamkeit sucht, die an der Universität<br />

in Halle gewirkt hat, stößt man auf<br />

die Hauptfrage: War die jüdische Identität<br />

für einen Gelehrten »jüdischen Glaubens«<br />

so maßgebend, dass man von jüdischer Gelehrsamkeit<br />

sprechen kann? Oder geht es<br />

uns nur um Gelehrte, die mehr oder weniger<br />

bewusst Juden waren? Die Frage ist<br />

nicht an den Haaren herbeigezogen, sie<br />

trifft den Kern der Sache. Denn bei der<br />

Hervorhebung einer »jüdischen« Gelehrsamkeit<br />

ist man gut beraten, von zwei Arten<br />

von jüdischer »Identität« auszugehen:<br />

Die eine betont den jüdischen Beitrag zur<br />

europäischen Geschichte – in diesem Fall<br />

haben wir es mit einer inneren Selbstdefinition<br />

zu tun –, die andere basiert auf einer<br />

recht zweifelhaften identitätsstiftenden<br />

Zugehörigkeit, die eher aus politischen und<br />

rassistischen Gründen entstand: »Jude«<br />

und »jüdisch« wird dann von außen her definiert.<br />

Konsequenzen nationalsozialistischer<br />

Gesetzgebung in Halle<br />

Beginnen wir mit der zweiten. Indem die<br />

Universitätsgremien die Rassengesetze fast<br />

widerstandslos angewendet, Studenten<br />

zwangsexmatrikuliert und Mitarbeiter entlassen<br />

haben, trugen sie dazu bei, die Akademie<br />

von der Rasse her zu bestimmen,<br />

mit der Konsequenz, eine (Über-)Identität<br />

zu kreieren, die nichts mit der Gelehrsam-<br />

Hermann Cohen (1842–1918)<br />

Zeichung von Unbekannt<br />

keit zu tun hatte. In diesem Sinne ist es bedenklich,<br />

bei denjenigen von jüdischer Gelehrsamkeit<br />

zu sprechen, die – obwohl<br />

Gelehrte – wegen ihres »Voll-, Halb- und<br />

Viertel-Jude«-Seins (nach Nazi-Definition)<br />

offiziell nicht mehr deutsche Gelehrte sein<br />

durften.<br />

Die Namen sind bekannt:<br />

— der Kunsthistoriker Paul Frankl (1878–<br />

1962), der Spezialist für Baukunst der Renaissance,<br />

Dekan und Mitglied des Akademischen<br />

Senats 1932 und 1933 war;<br />

— der Soziologe Friedrich Otto Hertz<br />

(1878–1964), der sich mit seinen Studien<br />

über Rassen und Nationalitäten gegen die<br />

nationalsozialistischen Irrlehren stellte und<br />

daher zum gehassten Feind der halleschen<br />

nationalsozialistischen Studentenführer<br />

wurde;<br />

— der Rechtshistoriker Guido Kisch<br />

(1888–1985), der 1925/26 Dekan der<br />

Rechtswissenschaftlichen Fakultät war;<br />

— der Jurist Friedrich Kitzinger (1872–<br />

1943);<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

FB Geschichte, Soziologie und Sozialwissenschaften<br />

...............................................................................<br />

— der Ordinarius für Philosophie Emil<br />

Utitz (1883–1956);<br />

— der Mathematiker Reinhold Baer (1902–<br />

1979);<br />

— der Privatdozent Rudolf Bernstein<br />

(1880-?), der 1911 an der Landwirtschaftlichen<br />

Fakultät habilitierte;<br />

— der Wirtschaftshistoriker Georg Brodnitz<br />

(1876–1941);<br />

— der Gestaltpsychologe Adhémar Gelb<br />

(1887–1936);<br />

— der Direktor des Seminars für Genossenschaftswesen<br />

Ernst Grünfeld (1883–1938);<br />

— die erste Privatdozentin der Universität<br />

Halle, Betty Heimann (1888–1961), die<br />

1923 den Lehrauftrag für Sanskrit erhielt<br />

und 1931 zur außerordentlichen Professorin<br />

für Indologie ernannt wurde.<br />

Ihnen allen wurde die Lehrbefugnis entzogen<br />

und sie wurden zwangsweise in den<br />

Ruhestand versetzt. Das geschah nach der<br />

Einführung des Gesetzes zur Wiederherstellung<br />

des Berufsbeamtentums und vor<br />

den Nürnberger Gesetzen.<br />

Später verloren auch die Professoren Otto<br />

Bremer (1862–1936, Professor für Phonetik),<br />

Max Fleischmann (1872–1943, Professor<br />

für Staatsrecht, Kolonialrecht und<br />

Landwirtschaftsrecht; vgl. auch den Text<br />

von Cordula Günther, S. 19), Paul Friedländer<br />

(1882–1932, Professor für Gräzistik),<br />

Arnold Japha (1877–1943, Professor<br />

für Anthropologie) und Richard Laqueur<br />

(1881–?, Professor für Alte Geschichte),<br />

ihren Stellen und wurden zwangsemeritiert<br />

bzw. beurlaubt.<br />

Prof. Dr. Arnold Japha (1877–1943)<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, Nr. I, J 17<br />

17


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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FB Geschichte, Soziologie und Sozialwissenschaften<br />

................................................................................<br />

Die hallesche Universität war nicht beson-<br />

18 ders eifrig in ihrem Widerstand gegen Hitler<br />

und zog die passive Gehorsamkeit vor, wie<br />

der Mediziner Theodor Brugsch in seinen<br />

Erinnerungen anmerkt: »Bereits in den Jahren<br />

1931 bis 1933 konnte man verfolgen,<br />

wie der Nazismus in große Teile der Bevölkerung<br />

eindrang und von nicht wenigen widerstandslos<br />

akzeptiert wurde. In den<br />

Kreisen, die ich kannte, geschah das aber<br />

oft nicht einmal aus Überzeugung, sondern<br />

aus einer gewissen Furcht heraus, daß man<br />

den Anschluß verpassen könnte«.<br />

Nach der Nazi-Diktatur fing die Diktatur<br />

des Proletariats an, die, nach den Worten<br />

Professor Victor Klemperers am 12. <strong>Oktober</strong><br />

1949, ersterer allzu ähnlich sah: »›Die<br />

deutsche demokratische Republik‹. Das<br />

tobt seit gestern im Rundfunk [...]. Mir ist<br />

nicht wohl dabei. Ich weiß, wie alles gestellt<br />

und zur Spontaneität und Einstimmigkeit<br />

vorbereitet ist. Ich weiß, daß es nazistisch<br />

genauso geklungen hat und zugegangen<br />

ist. Ich weiß, wie wenig Realität dahinter<br />

steckt.«<br />

Zur Lektüre empfohlen:<br />

300 Jahre Juden in Halle. Leben, Leistung,<br />

Leiden, Lohn. Festschrift zum 300-jährigen<br />

Bestehen der Jüdischen Gemeinde zu Halle,<br />

hgg. von der Jüdischen Gemeinde zu Halle,<br />

Mitteldeutscher Verlag GmbH Halle 1992,<br />

543 Seiten, Best.-Nr. ISBN 3-354-00786-9<br />

Jüdische Gelehrsamkeit an der<br />

Alma Mater Halensis im 19. Jahrhundert<br />

Wenden wir uns der anderen (ersten) Art<br />

zu. Allerdings sind jüdische Gelehrte, die<br />

das Judentum als wesentlichen Teil ihrer<br />

Selbstdefinition betrachtet haben und mit<br />

der Universität Halle in Verbindung gestanden<br />

haben, viel weniger bekannt.<br />

Seit 1847 durften Juden kraft eines Gesetzes<br />

von König Friedrich Wilhelm IV. Dozenten<br />

(Privatdozenten und Professoren)<br />

werden, jedoch lediglich in den medizinischen,<br />

mathematischen, geographischen<br />

und sprachwissenschaftlichen Fächern.<br />

Das Recht zur Promotion war längst Praxis.<br />

Nicht nur der Literaturhistoriker Leopold<br />

Zunz (1794–1886), sondern auch der<br />

Exeget und Rabbiner Esriel Hildesheimer<br />

(1820–1899) und der Philosoph Hermann<br />

Cohen (1842–1918), der der erste jüdische<br />

Philosophieprofessor Deutschlands (in<br />

Prof. Dr. Betty Heymann (1888–1961)<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, Nr. I, H 2<br />

Marburg) werden sollte, zählen zu den jüdischen<br />

Doktoren der halleschen Philosophischen<br />

Fakultät.<br />

Leopold Zunz, dessen Aufenthalt in Halle<br />

kaum mehr als ein paar Stunden betrug,<br />

kommentiert das unkomplizierte Verfahren<br />

der Fakultät in einem Brief an dieselbe: »Es<br />

macht mir Vergnügen aufs neue eine Gelegenheit<br />

zu haben, wodurch ich mich bei<br />

Ew. Wohlgeb. in Erinnerung bringe, und<br />

nicht wenig Freude liegt für mich in der<br />

Cultivirung der Wissenschaft schon darin,<br />

daß ich dadurch mit würdigen Gelehrten in<br />

nähere Berührung komme«. Sicherlich war<br />

dies rhetorische Emphase, aber auch Anerkennung<br />

für die Leistung einer Fakultät, die<br />

in wenigen Tagen die Arbeit Zunz’ gelesen<br />

und begutachtet und ihm sein Doktordiplom<br />

zugeschickt hatte. Halle war auch für<br />

zwei weitere jüdische deutsche Literaten<br />

von außerordentlicher Bedeutung.<br />

Prof. Dr. Paul Frankl (1878–1962)<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, Nr. I, F 7<br />

Ludwig Börne (1786–1837) studierte ab<br />

1803 Medizin bei Johann Christian Reil.<br />

1823 schrieb Börne Die Apostaten des Wissens,<br />

darin heißt es: »Ich erinnere mich mit<br />

Entzücken jener akademischen Jahre, die<br />

ich in Halle gelebt. In Halle herrschte damals<br />

ein frisches, seelenvolles, höchst bewegtes<br />

wissenschaftliches Leben. Die weise<br />

und gütige Sorgfalt der preußischen Regierung<br />

hatte einen Verein von akademischen<br />

Lehrern gebildet, die, ohne sich vom<br />

alten Bewährten abzukehren, dem Neuen<br />

zugewendet werden.«<br />

Der Philosoph Edmund Husserl (1859–<br />

1938), der 1886 in Wien zum Christentum<br />

konvertierte, war von 1887 bis 1900 Privatdozent<br />

in Halle. Zum 200. Universitätsjubiläum<br />

(1894) wurde ihm zwar der Titel<br />

Professor verliehen, jedoch ohne den entsprechenden<br />

finanziellen Status. Im Jahr<br />

1900 erhielt er gegen den Widerstand der<br />

Philosophischen Fakultät Göttingen auf<br />

Drängen der preußischen Regierung ein<br />

etatmäßiges Extraordinariat. Über seine<br />

hallesche Zeit bemerkte er 1930 anerkennend:<br />

»Und schließlich ist in den schweren<br />

14 Jahren meiner Hallenser Privatdozentenzeit<br />

doch ein Anfang geworden – die<br />

Logischen Untersuchungen, die mir nunmehr<br />

Halt und Hoffnung gaben. Mit ihnen<br />

habe ich mich selbst kuriert«.<br />

So ist also jüdische Gelehrsamkeit im doppelten<br />

und umfassenden Sinn durchaus von<br />

Belang für die Geschichte der halleschen<br />

Universität; und nicht zufällig hat sich hier<br />

in den letzten Jahren ein in Forschung und<br />

Lehre leistungsfähiges Seminar für Jüdische<br />

Studien etabliert, das mit dem Wittenberger<br />

Leopold-Zunz-Zentrum (LZZ) zur Erforschung<br />

des europäischen Judentums auf<br />

das engste kooperiert.<br />

■<br />

Der Verfasser, Jg. 1958, studierte 1978 bis<br />

1986 in Viterbo und Rom Philosophie,<br />

Theologie und Bibelwissenschaft. Seit 1997<br />

ist er Professor für Judaistik und Jüdische<br />

Studien an der Martin-Luther-Universität<br />

und seit 1998 Direktor des LLZ.<br />

Schwerpunkte seiner Forschung sind die<br />

Philosophie des Judentums, politische und<br />

ökonomische Theorien vom 16. bis 18.<br />

Jahrhundert und Biographienforschung.


VORLÄUFER EINER MODERNEN DISZIPLIN<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften<br />

AUF DEN SPUREN DER GESCHICHTE DES INSTITUTS FÜR ZEITUNGSWESEN<br />

Cordula Günther<br />

Die Medien- und Kommunikationswissenschaften sind eine junge Fachrichtung, die auf<br />

eine kurze, aber expansive wissenschaftliche Tradition zurückblickt. Der Aufstieg des Faches<br />

liegt nicht zuletzt an der gegenwärtigen Medienentwicklung, dem Anschluss an die<br />

globalen digitalen Informationsnetze, an dem kein Bereich der Gesellschaft vorbeikommt.<br />

Eine ähnliche Situation und Argumentation<br />

führte Ende der zwanziger Jahre in Halle<br />

schon einmal dazu, das Studium der modernen<br />

Medien, damals der Zeitung, zu institutionalisieren.<br />

Diese Institutsgründung<br />

kann als Vorgeschichte der Medien- und<br />

Kommunikationswissenschaften in Halle<br />

angesehen werden.<br />

Im Wintersemester 1927 begann der Lehrbetrieb<br />

am »Institut für Zeitungswesen«.<br />

Es war der Jurist, der Völker- und Staatsrechtler<br />

Max Fleischmann, der das Studium<br />

der Zeitungskunde fächer- und disziplinenübergreifend<br />

als eine gesellschaftliche Notwendigkeit<br />

ansah und die Institutsgründung<br />

durchgesetzt hatte. Die Zeitungswissenschaft<br />

musste seiner Meinung nach<br />

integrierender Bestandteil aller Disziplinen<br />

sein, interdisziplinär und aus den Erfordernissen<br />

der Praxis heraus erforscht werden.<br />

(vgl. Hans Bursian, S. 484 ff)<br />

Eine studentische Projektgruppe der Medien-<br />

und Kommunikationswissenschaften<br />

betreibt derzeit Geschichtsschreibung in eigener<br />

Sache und erforscht die wechselvolle<br />

und lückenhaft dokumentierte Geschichte<br />

des Instituts für Zeitungswesen mit dem<br />

Ziel, eine Ausstellung zur Geschichte des<br />

Instituts und zur Biographie von Max<br />

Fleischmann zu organisieren.<br />

Literatur über Max Fleischmann:<br />

Hans Bursian, Max Fleischmann und das Institut für Zeitungswesen der Universität<br />

Halle/Wittenberg. In: Publizistik 4/92<br />

Walter Pauly: Max Fleischmann (1872–1943) und das Öffentliche Recht in Halle.<br />

In: Derselbe (Hg.), Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft<br />

(= Hallesche Schriften zum Recht, Bd. 1), Köln, Berlin, Bonn, München 1996<br />

Von der Gründungsphase des Instituts bis<br />

1935 ist die Institutsgeschichte untrennbar<br />

verbunden mit der Lebensgeschichte des<br />

konvertierten Juden Max Fleischmann, der<br />

1935 aufgrund der Rassengesetze von allen<br />

universitären Ämtern »entpflichtet« wurde<br />

und 1943 in Berlin Selbstmord beging, um<br />

der Deportation zu entkommen.<br />

Die Projektgruppe verfolgt zwei inhaltliche<br />

Schwerpunkte, die sich aus der Situation<br />

nach 1935 ergeben und die sich wie folgt<br />

skizzieren lassen:<br />

– die weitere Geschichte des Instituts in<br />

der Zeit des Nationalsozialismus unter der<br />

Leitung von Theodor Lüddecke bis 1938<br />

und Angliederung an die Philosophische<br />

Fakultät; eine Phase der faktischen Auf-<br />

lösung bzw. Nichtexistenz des Institutes;<br />

Wiedergründungsversuche nach 1946; institutionelle<br />

und politische Gründe der<br />

Schließung;<br />

– die Umsiedlung Max Fleischmanns nach<br />

Berlin; seine Lebensumstände in Berlin bis<br />

zu seinem Freitod im Jahr 1943; die Rückkehr<br />

seiner Witwe nach Halle, ihre Unterstützungsgesuche<br />

an die Universität; die<br />

Umbenennung der Fehrbellinstraße in<br />

Max-Fleischmann-Straße 1946, die seine<br />

Witwe noch erlebte; der Tod von Frau<br />

Fleischmann 1949 in Halle unter ärmlichen<br />

Umständen.<br />

Obwohl ein Nachlass Max Fleischmanns<br />

nicht aufgefunden wurde, ist seine Biographie<br />

kein wissenschaftliches Neuland. Bislang<br />

ehrte man vor allem den jüdischen<br />

Rechtsgelehrten Max Fleischmann und es<br />

wurden seine Verdienste um die Juristische<br />

Fakultät gewürdigt. (vgl. Walter Pauly) So<br />

weisen die Biographie und die Geschichte<br />

des Institutes zahlreiche Lücken auf. Diese<br />

will die Forschungsgruppe u. a. mit Hilfe<br />

der Methode der mündlichen Geschichte<br />

so weit wie möglich schließen.<br />

Hier setzt die Suche nach Zeitzeugen an,<br />

die mit ihren Erinnerungen und aus der Perspektive<br />

der Beteiligten dazu beitragen<br />

können, die weißen Flecke in der Geschich-<br />

te des Instituts und in der Biographie Max<br />

Fleischmanns aufzuarbeiten.<br />

Hinter Sätzen wie »Die Neugründung des<br />

Halleschen Instituts für Zeitungswesen im<br />

Studienjahr 1947/48 blieb eine wenig bedeutende<br />

Episode. Rudolf Agricola, vorher<br />

Lizenzträger der ›Rhein-Neckar-Zeitung‹<br />

in Heidelberg und Vorsitzender der Deutschen<br />

Allgemeinen Nachrichtenagentur, der<br />

...............................................................................<br />

die Leitung des Instituts übernommen hatte,<br />

wurde schon im Sommer 1948 mit der<br />

Einrichtung eines Instituts für Politische<br />

Ökonomie beauftragt.« (Hans Bursian, S.<br />

491) verbergen sich politische Entscheidungen,<br />

institutionelle Weichenstellungen<br />

und persönliche Lebenswege, deren Tragweite<br />

man nur erahnen kann.<br />

Max Fleischmann als 230. Rektor der Alma<br />

mater halensis in den Jahren 1925/26<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, Nr. I, F 6<br />

Die Forschungsgruppe hofft deshalb auf<br />

persönliche Erinnerungen und Lebenszeugnisse,<br />

die den bloßen Aktennotizen<br />

Leben einhauchen können.<br />

■<br />

Die Autorin studierte 1972–1976 Deutsch<br />

und Französisch an der Martin-Luther-<br />

Universität. Nach Forschungsstudium und<br />

Promotion in Literaturtheorie/-soziologie<br />

war sie wiss. Mitarbeiterin an der MLU,<br />

ab 1984 wiss. Mitarbeiterin am Zentralinstitut<br />

für Jugendforschung in Leipzig. Seit<br />

1992 Projektmitarbeiterin und ab 1995<br />

Leiterin der Außenstelle Leipzig des KWI<br />

(Kulturwissenschaftliches Institut NRW).<br />

Seit 1998 ist sie wiss. Mitarbeiterin in der<br />

Abteilung Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

der halleschen Universität.<br />

AUFRUF:<br />

Wer erinnert sich?<br />

Wer erinnert sich an das Institut für Zeitungswesen, hat dort<br />

gearbeitet oder kennt Personen, die mit seiner Geschichte<br />

verbunden sind?<br />

Wer erinnert sich an die Neugründungsversuche nach 1945?<br />

Meldungen werden erbeten an<br />

Dr. Cordula Günther, Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

Rudolf-Breitscheidstraße 10, 06110 Halle<br />

Tel: 0345 / 552 35 75, E-Mail: guenther@medienkomm.uni-halle.de<br />

19


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

»... MIT MÄNNLICHER GEDIEGENHEIT DER GEDANKEN GESCHRIEBEN«<br />

DISSERTATIONEN VON FRAUEN AN DER UNIVERSITÄT HALLE (1898–1933)<br />

Edith Glaser<br />

................................................................................<br />

Dorothea Christiana Erxleben wurde bereits im Jahr 1754 als erste deutsche Ärztin zur<br />

20 Doktorin der Medizin promoviert. Sie war zugleich die erste Frau, die an der Universität<br />

Halle einen Doktortitel erhielt. Über sie ist schon viel berichtet worden; seit 1994 steht –<br />

eingeweiht im Rahmen der Feierlichkeiten aus Anlass der 300-Jahr-Feier der Alma mater<br />

halensis – ihre Büste (von Marianne Traub) auf dem Freigelände des Klinikums Kröllwitz.<br />

Die zweite Frau, die an der Vereinigten<br />

Fridericiana den Doktorgrad erwarb, folgte<br />

erst 144 Jahre später. Am Ende des Wintersemesters<br />

1897/98 hatte Hildegard<br />

Ziegler ihr Studium an der Philosophischen<br />

Fakultät abgeschlossen. Auf diese Zeit zurückblickend,<br />

schrieb sie in ihren 1953 veröffentlichten<br />

Lebenserinnerungen:<br />

»Meine Doktorarbeit machte ich bei Professor<br />

Droysen, und zwar über die Chronik<br />

des Cario [...]. In Philosophie war Benno<br />

Erdmann mein Lehrer, dessen Logikkolleg<br />

ich viel verdanke [...]. Zum erstenmal stand<br />

ich in der Zeitung, und der ›Kladderadatsch‹<br />

spendete mir sogar ein Gedicht. Ich<br />

war froh, aus Halle wegzukommen.«<br />

Dorothea Erxleben und Hildegard Ziegler<br />

stellten Ausnahmen dar, denn sie waren<br />

promoviert worden (lange) bevor Frauen<br />

an deutschen Universitäten überhaupt im-<br />

matrikuliert werden durften. Erxlebens<br />

Promotion stellt ein singuläres Ereignis in<br />

der halleschen Universitätsgeschichte dar;<br />

Zieglers Doktortitel – und überhaupt ihr<br />

Studium an der Philosophischen Fakultät –<br />

war ein lokaler Zwischenerfolg auf dem<br />

langen Weg zur Zulassung von Studentinnen<br />

an preußischen Universitäten zum<br />

Wintersemester 1908/09.<br />

Dieser beiden Akademikerinnen erinnert<br />

man sich vor allem immer dann, wenn Pioniertaten<br />

öffentlich als Plaketten der Fortschrittlichkeit<br />

ans Revers geheftet werden.<br />

Über die nachfolgenden Studentinnen an<br />

der halleschen Universität, die bis zum<br />

Systemwechsel 1933 studierten, über deren<br />

Bildungsbiographie, Studium und wissenschaftliche<br />

Leistungen ist aber fast<br />

nichts bekannt. Ausgehend von Untersuchungen,<br />

die sich mit einer frühen Frauen-<br />

forschung in der Nationalökonomie und in<br />

der Soziologie beschäftigten, wurden in einem<br />

studentischen Forschungsprojekt die<br />

wissenschaftlichen Leistungen von Frauen<br />

untersucht, genauer gesagt: wie viele Frauen<br />

ihr Studium in Halle mit einer Promotion<br />

abschlossen, über welche Themen bei<br />

welchen Professoren promoviert wurde<br />

und wie diese Arbeiten beurteilt wurden.<br />

Nach den bisherigen Erhebungen schlossen<br />

bis zum Jahr 1933 insgesamt 149 Frauen<br />

ihr Studium an der Vereinigten Friedrichs-<br />

Universität Halle-Wittenberg mit einer<br />

Promotion ab. Von diesen hatten zwei<br />

Drittel ihre Doktorarbeiten in der Philosophischen<br />

Fakultät eingereicht. Das übrige<br />

Drittel verteilte sich in etwa gleichmäßig<br />

auf die Rechts- und Staatswissenschaftliche,<br />

auf die Naturwissenschaftliche und<br />

auf die Medizinische Fakultät. Die hohe<br />

Zahl der gerade in Halle an der Philosophischen<br />

Fakultät eingereichten Promotionen<br />

hängt auch damit zusammen, dass bis 1923<br />

die naturwissenschaftlichen Disziplinen<br />

noch zur Philosophischen Fakultät gehörten.


Doktorurkunde für Luise Schoeps, ausgestellt am 22. November 1915 unter dem Rektorat von Otto Kern und<br />

dem Dekanat von Eugen Hultzsch an der Philosophischen Fakultät der halleschen Universität<br />

Universitätsarchiv Halle, Rep. 21, II, Nr. 203<br />

Dem Beispiel Hildegard Wegscheider (geb.<br />

Ziegler) folgten vor 1908 noch weitere<br />

Frauen: Einige Medizinerinnen, die bereits<br />

den Großteil ihrer akademischen Ausbildung<br />

an Schweizer Universitäten absolviert<br />

hatten, erwarben in Halle Doktortitel und<br />

medizinisches Staatsexamen. Unter den<br />

weiteren vier angehenden Akademikerinnen<br />

der Philosophischen Fakultät waren auch<br />

zwei Amerikanerinnen aus Illinois, die mit<br />

einem literaturhistorischen bzw. einem<br />

pädagogischen Thema bei dem Anglisten<br />

Albrecht Wagner bzw. bei dem Historiker<br />

Gustav Droysen promoviert wurden.<br />

Typisch für diese vier Doktorinnen war,<br />

dass sie schon Ende zwanzig waren, als sie<br />

ihre akademische Ausbildung beendeten.<br />

Nach der Öffnung der Universität für Frauen<br />

haben bis zum Ende des Kaiserreichs<br />

insgesamt 42 Studentinnen promoviert, davon<br />

fast zwei Drittel in den Kriegsjahren<br />

1914 bis 1918. In ihren Bildungswegen hin<br />

zur Promotion spiegelt sich die Bildungssituation<br />

von Frauen im späten Kaiserreich<br />

wieder: Knapp die Hälfte hatte vor Aufnahme<br />

des Studiums schon eine Berufsausbildung<br />

in der Wohlfahrtspflege absolviert<br />

oder als Lehrerinnen gearbeitet und waren<br />

damit zum Zeitpunkt der Promotion eben-<br />

falls schon Ende zwanzig. Da die Mehrheit<br />

der Frauen in diesen Jahren aufgrund ihrer<br />

Vorbildung und der beruflichen Perspektiven<br />

an der Philosophischen Fakultät studierten,<br />

finden wir auch hier die meisten<br />

Promotionen.<br />

In der Weimarer Republik wurde ein akademisches<br />

Studium für junge Mädchen aus<br />

bürgerlichen Kreisen weitaus üblicher; neue<br />

Berufsfelder hatten sich formal geöffnet.<br />

Daher stieg nicht nur die Zahl der Studentinnen<br />

Ende der 20er Jahre auf über 10<br />

Prozent, auch die Zahl der Promotionen<br />

nahm zu: 1930 und 1933 sind jeweils 13<br />

Dissertationen in der Statistik zu finden.<br />

Die Promovendinnen wurden jünger und<br />

ihre Bildungswege gradliniger.<br />

Der Anglist Max Deutschbein gehörte neben<br />

dem Nationalökonomen Carl Aubin<br />

und dem Philosophen Paul Menzer zu den<br />

Hochschullehrern, die relativ viele Dissertationen<br />

betreuten. Diese Arbeiten müssen<br />

überdurchschnittlich gut ausgefallen sein,<br />

denn beispielsweise beurteilte Deutschbein<br />

die Arbeit von Hildegard Harz 1917:<br />

»Frl. Harz versucht nun eine neue – gerade<br />

zu geniale Erklärung.... Ich muß bekennen,<br />

daß so weittragende Untersuchungen mir<br />

von Studierenden noch nicht zu Gesicht<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

...............................................................................<br />

gekommen sind ... Die Verfasserin hat aber<br />

nicht nur eine fruchtbare Idee verwertet,<br />

sondern sie zeigt bei der Durchführung dieser<br />

Idee so viel Denkenergie, daß sie besonders<br />

dieser ihre guten Resultate verdankt.«<br />

Der Historiker Richard Fester bescheinigte<br />

seiner Promovendin: »Fräulein Schoeps hat<br />

sie mit männlichem Verstand und mit<br />

männlicher Gediegenheit der Gedanken geschrieben<br />

... Es ist die erste in Halle eingereichte<br />

Arbeit, die der Fakultät ohne vorausgegangene<br />

Umarbeitung vorgelegt werden<br />

konnte.«<br />

Diese Lobreden fanden nicht immer ihren<br />

Niederschlag in den Noten. Die höchste<br />

Note, »summa cum laude«, wurde nur<br />

zwei Mal vergeben. Die häufigste Zensur<br />

war »magna cum laude«. Aufschlussreicher<br />

als der Notenspiegel für die Beurteilung<br />

wissenschaftlicher Leistungen sind die<br />

Gutachten der Hochschullehrer. Fast alle<br />

Gutachten, die mit den Noten »magna cum<br />

laude« oder »cum laude« endeten, bescheinigten<br />

den Doktorandinnen Fleiß. Für den<br />

einen war die Dissertation »eine fleißige<br />

Untersuchung«, der andere bescheinigt,<br />

dass »die Arbeit mit Fleiß durchgeführt«<br />

wurde und ein dritter attestiert der Verfasserin<br />

»rühmenswerten Fleisse«.<br />

Auch wenn sich in der Weimarer Republik<br />

die akademische Ausbildung von Frauen<br />

durchgesetzt zu haben scheint, so zeigen<br />

doch gerade diese, vor allem den Fleiß betonenden<br />

oder die Leistungen an männlichen<br />

Normen messenden Urteile, dass wissenschaftliche<br />

Leistungen von Akademikerinnen<br />

noch nicht als selbstverständlich<br />

galten.<br />

■<br />

Die Autorin ist Privatdozentin am FB Erziehungswissenschaften<br />

der Martin-Luther-<br />

Universität. Sie studierte von 1974 bis<br />

1980 in Tübingen Pädagogik, Geographie<br />

und Mathematik, war dann an den Universitäten<br />

Tübingen und Bielefeld tätig (Promotion<br />

1989 in Erziehungswissenschaften).<br />

Von 1994 bis 2000 war sie wiss. Assistentin<br />

in Halle und arbeitet z.Zt. als wiss. Angest.<br />

in der Abt. Historische Erziehungswissenschaft<br />

der Humboldt-Universität zu Berlin.<br />

21<br />

Dieser Beitrag basiert auf einem im Wintersemester<br />

2000/01 am Institut für Pädagogik angebotenen<br />

Projektseminar »›Weibliche Wissenschaft‹ im<br />

Kaiserreich und in der Weimarer Republik?«.<br />

Die Studentinnen Anja Becker, Petra Fink, Dana<br />

Jung, Susanna Kovács und Jessika Piechocki haben<br />

die Daten im Universitätsarchiv erhoben und<br />

eine erste Auswertung vorgenommen.


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Universitätsgeschichte<br />

................................................................................<br />

22<br />

DAS »SCHLEIERMACHER-HAUS«<br />

EIN GESCHICHTSTRÄCHTIGES GEBÄUDE IM ZENTRUM HALLES<br />

Hans-Joachim Kertscher<br />

Dass Halle an der Saale seit Jahrhunderten eine Universitätsstadt ist, spiegelt sich auch in<br />

den Namen von Straßen und Plätzen wider. Das Andenken an viele Geistesgrößen der<br />

Alma mater halensis (et vitebergensis) bleibt so für die Nachwelt bewahrt. Eine Straße im<br />

Herzen der Stadt, unmittelbar vom Marktplatz – dem Standort des ersten Universitätsgebäudes,<br />

der Alten Waage – ausgehend, war eine besonders bevorzugte Wohngegend von<br />

Professoren des 18. und 19. Jahrhunderts: die Große Märkerstraße. Hier erinnern zahlreiche<br />

Tafeln an die illustren Bewohner von einst.<br />

Eines der alten Häuser trägt sogar den Namen seines berühmtesten Besitzers: Es wird bis<br />

heute das »Schleiermacher-Haus« genannt.<br />

Auf der Suche nach älteren Baudenkmälern<br />

in der Stadt Halle wird man schwer an dem<br />

in der Großen Märkerstaße gelegenen Haus<br />

21/22 vorübergehen können. Dem Betrachter<br />

bietet sich zunächst der Anblick eines<br />

stattlichen Renaissancehauses, dessen Entstehung<br />

in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />

fällt. Beeindruckend ist die Länge<br />

des dreigeschossigen Baus, der in den oberen<br />

Etagen mit zwanzig Fensterachsen ausgestattet<br />

ist und im Erdgeschoss einer halb-<br />

runden Toreinfahrt Platz bietet. Im Hof,<br />

links neben dieser Einfahrt, wird der Betrachter<br />

mit einem Wendelstein der Spätrenaissance<br />

konfrontiert, über den die einzelnen<br />

Geschosse zu erreichen sind. Im<br />

Hof selbst sind Reste eines rechteckigen<br />

Bruchsteingebäudes gefunden worden, das<br />

aus spätromanisch-frühgotischer Zeit um<br />

etwa 1200 stammt und damit zu den ältesten<br />

nachweisbaren Bauzeugnissen Halles<br />

zu zählen ist. Nach der Teilung (um 1700)<br />

Das »Schleiermacher-Haus« im desolaten Zustand der Vorwende-Zeit (September 1985)<br />

Foto: Seidel, Stadtarchiv Halle, Bilderkasten Nr. 15<br />

des ehemals einer Familie gehörenden Hauses<br />

erhielt die später als Nummer 22 in den<br />

Urkunden geführte Hälfte des Hauses als<br />

Eingang ein barockes Portal. Nach mehrmaligem<br />

Besitzerwechsel kaufte 1679 der<br />

Kammerdiener des letzten Administrators<br />

des Erzbistums Magdeburg (Herzog August<br />

von Sachsen), der Hugenotte Michel<br />

Milié, genannt la Fleur, das Haus.<br />

Hier nun beginnt die für unsere Universitätsgeschichte<br />

interessante Historie des<br />

Gebäudes. Sie steht in direktem Zusammenhang<br />

mit einer Bestimmung des Westfälischen<br />

Friedens (1648) der zufolge das<br />

Territorium des Erzbistums nach dem Tod<br />

Augusts dem Kurfürstentum Brandenburg<br />

einverleibt werden sollte. August starb<br />

1680, worauf der in Halle etablierte Hof<br />

wieder seinen Sitz in Weißenfels nahm.<br />

Milié, der sein Haus gerade erst bezogen<br />

hatte, erhielt vom Berliner Hof das Privileg<br />

zur Errichtung einer »Exercitien-Akademie,<br />

in welcher in Leibesübungen und den neuen<br />

Sprachen Unterricht ertheilt werden sollte«<br />

(Hoffbauer).<br />

Halle und die Musen<br />

Diese Akademie fand ihren Sitz in unserem<br />

Haus und wurde 1688 unter dem Direktorat<br />

des Stallmeisters Anton Günther v.<br />

Berghorn zu einer Ritterakademie umgewandelt,<br />

indem der Fächerkanon eine erhebliche<br />

Erweiterung, u. a. durch die Einbeziehung<br />

der Mathematik, erfuhr. Paul v.<br />

Fuchs beschreibt die – seiner Ansicht nach<br />

maßgeblichen – Gründe für die Erweiterung<br />

in höchst anschaulicher, freilich auch euphemistischer<br />

Weise: »die sehr beqvehme<br />

situation, die Fruchtbarkeit des herumliegenden<br />

Grund und Bodens, der überfluß alles<br />

dessen, was zu einer beqvehmen und<br />

angenehmen Lebens Art erfordert wird, die<br />

Zierlichkeit und Lustigkeit der Stadt, die<br />

gantz höfflichen Sitten der Einwohner<br />

[sic!], dergleichen diejenigen haben müssen,<br />

welche die Musen aufnehmen und beherbergen<br />

wollen, die reine und nette Sprache,<br />

derer sie sich gebrauchen, dieses alles, welches<br />

der Stadt Halle fast eigenthümlich zu<br />

kömmt, hätte auch wohl vor diesem die<br />

Musen selbst von ihren Residenz-Bergen,<br />

dem Helikon und Parnaß, zu sich herab<br />

locken können.«<br />

Die 1694 gegründete Fridericiana basierte<br />

im wesentlichen auf den geistigen Vorarbeiten,<br />

die im Hause Miliés geleistet wurden.<br />

Der kam freilich als Lehrer der neuen<br />

Hochschule nicht in Frage, durfte jedoch


Das renovierte »Schleiermacher-Haus« Mitte der 90er Jahre<br />

Foto: Stadtarchiv Halle, Bilderkasten Nr. 918<br />

»in Ansehung seiner [...] erwiesenen treufleißigen<br />

Sorge und Bemühung, [...] in seinem<br />

Hause [...] privatim Sprach- und<br />

Exerzitienschule und Tisch-Bursche [...]<br />

halten« (Piechocki). Zudem betrieb er einen<br />

Weinausschank. Dennoch war das<br />

Haus für derlei Zwecke zu groß angelegt,<br />

so dass er sich zu einer Teilung entschloss,<br />

was letztlich mancherlei Umbauten erforderlich<br />

machte. Die zum Markt hin gelegene<br />

eine Hälfte, später Nr. 22, verkaufte er,<br />

die andere bewohnten er bzw. seine Erben<br />

bis 1740. Letztere verkauften es 1742 an<br />

Christoph Kersten. Schließlich übernahm<br />

der Professor für Rechtswissenschaften<br />

Johann Friedrich Joachim das Haus und<br />

nutzte es für Wohn- und Unterrichtszwecke.<br />

Schon vorher, 1734, war das benachbarte<br />

Teilhaus, später die Nr. 21, in<br />

den Besitz des bedeutenden Aufklärungstheologen<br />

Siegmund Jakob Baumgarten<br />

übergegangen, der es zu einer Heimstätte<br />

der Wissenschaft und der Geselligkeit<br />

machte. Allein seine Bibliothek, »mit der<br />

sich die damalige kleine Universitätsbibliothek<br />

nicht messen konnte« (Niemeyer),<br />

nutzten sowohl Universitätskollegen als<br />

auch Studenten. Ab 1748 gab er mit den<br />

»Nachrichten von einer hallischen Bibliothek«<br />

eine im Reich viel gelesene Zeitschrift<br />

heraus, die sich, so der »Vorbericht«,<br />

»vornehmlich alten Büchern« verpflichtet<br />

fühlte. In seinem Haus fand denn<br />

auch im März 1753 jene Zusammenkunft<br />

zwischen Voltaire, Christian Wolff und<br />

dem Hausherrn statt, von der später der<br />

Universitätskanzler August Hermann Niemeyer<br />

berichten wird: »Als der undeutsche<br />

Voltaire einst durch Halle kam, äußerte er<br />

nach einem Besuche bei Baumgarten: ›Wer<br />

die Krone deutscher Gelehrten sehen wolle,<br />

müsse nach Halle reisen.‹« Und er dachte<br />

dabei nicht an Wolff, sondern an Baumgarten.<br />

Die Erben des Theologen verkauften das<br />

Haus 1803 an den Zeitungsverleger Friedrich<br />

Wilhelm v. Czlolbzacsky, der sich<br />

auch – artikulationsfreundlicher – Colbatzky<br />

nannte. Der hatte aus dem einstigen gelehrten<br />

Mitteilungsblatt der Franckeschen<br />

Stiftungen, der »Hällischen Zeitung«, die<br />

weder unter der Ägide ihres Gründers noch<br />

der seines Sohnes Gotthilf August, auch<br />

nicht unter der Leitung des Postmeisters<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Universitätsgeschichte<br />

...............................................................................<br />

Johann Christian Bertram, zu bedeutendem<br />

Ansehen gekommen war, eine Zeitung für<br />

breite Schichten der Bevölkerung gemacht.<br />

Seine Bemühungen fanden jedoch im Zuge<br />

der französischen Besetzung Halles (1806)<br />

ein frühes Ende.<br />

Schleiermachers hallesche Zeit<br />

Dies gilt auch für die Tätigkeit des Theologen<br />

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher,<br />

der 1804 das Teilhaus Nr. 21 bezog. Er gab<br />

mit seinem Wirken in Halle dem Haus den<br />

Namen, den es bis in die Gegenwart hinein<br />

trägt. Dabei konnte er in diesem Domizil<br />

nur für kurze Zeit eine Gastlichkeit entfalten,<br />

die geradezu sprichwörtlich war. Hier<br />

fanden zwei für die hallesche Universitätsgeschichte<br />

so bedeutende Gelehrte wie<br />

Schleiermacher und der Naturphilosoph<br />

Henrik Steffens zueinander.<br />

Doch, wie gesagt, die aus der französischen<br />

Besatzung resultierende Schließung der<br />

Universität ließ es dem Theologen finanziell<br />

unmöglich werden, das Haus weiterzuführen.<br />

»Wir entschlossen uns nun«, so<br />

Steffens in seiner Autobiographie, »die<br />

kleine Summe, über die wir zu gebieten<br />

hatten, vereint zu benutzen, und eine gemeinschaftliche<br />

Wirthschaft zu führen.<br />

Schleiermacher bezog meine kleine beschränkte<br />

Wohnung.«<br />

Damit endete auch die Hoch-Zeit der beiden<br />

Teilhäuser. Sie wurden bis in die siebziger<br />

Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />

für Wohn- und Geschäftszwecke genutzt<br />

und befanden sich am Ende der DDR in einem<br />

ruinösen Zustand. Die ›Wende‹ kam<br />

gerade noch rechtzeitig, um dem Bauwerk,<br />

das nunmehr vom Landesamt für Denkmalpflege<br />

genutzt wird, zu einer gesicherten<br />

Existenz zu verhelfen.<br />

■<br />

Der Verfasser studierte Germanistik und<br />

Geschichte in Jena und Halle, lehrte und<br />

forschte an der Universität Halle und an<br />

der Technischen Hochschule Ilmenau (Promotion<br />

[1978] und Habilitation [1987] an<br />

der halleschen Universität); seit 1990 ist er<br />

an der Internationalen Forschungsstätte<br />

für Europäische Aufklärung (heute IZEA)<br />

tätig und für die Bereiche Germanistische<br />

Literaturwissenschaft, Ästhetik, Kulturgeschichte<br />

und Standortforschung verantwortlich;<br />

derzeit arbeitet er an einem Projekt<br />

zur Erforschung der literarischen<br />

Kultur der Stadt Halle im 18. Jahrhundert.<br />

23


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Fachbereich Ingenieurwissenschaften<br />

TECHNIKWISSENSCHAFTEN<br />

DER WEG EINER PRAKTISCHEN DISZIPLIN ZUR UNIVERSITÄT<br />

Wolfgang Fratzscher<br />

................................................................................<br />

Im 20. Jahrhundert verfügte die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zunächst<br />

24 nicht über eigenständige technikwissenschaftliche Bereiche. Es gab lediglich in der landwirtschaftlichen<br />

Fakultät auf Grund der wissenschaftsautarken Strukturierung technische<br />

Lehrstühle. In der technischen Chemie und auch in der Pharmazie wurden üblicherweise<br />

technisch-technologische Sachverhalte in der Ausbildung vermittelt.<br />

Die Technikwissenschaften hatten sich aber im Verlaufe des letzten Jahrhunderts endgültig<br />

in alle wissenschaftlichen Institutionen eingebracht. Als letzter Bereich des wissenschaftlichen<br />

Establishments gründeten einige Akademien technikwissenschaftliche Klassen oder<br />

Sektionen, so kürzlich auch die älteste deutsche Akademie, die Leopoldina. An vielen Universitäten<br />

gibt es technikwissenschaftliche Fachbereiche oder Fakultäten, die auf Profilerweiterungen,<br />

Neugründungen oder auch Fusionen zurückzuführen sind. Damit sind die<br />

Technikwissenschaften letzten Endes ein Bestandteil der universitas litterarum geworden,<br />

was dem modernen Niveau unserer Kultur entspricht. Im sich abzeichnenden Paradigmenwechsel<br />

von der Technik zur Technologie repräsentieren sie eine Einheit von Natur- und<br />

Geisteswissenschaften.<br />

Das gilt auch für die hallesche Universität.<br />

Schon 1945 wurden in ihrer Naturwissenschaftlichen<br />

Fakultät unter dem Dekanat<br />

von Professor Heinrich Brandt Überlegungen<br />

zum Aufbau technischer Bereiche angestellt.<br />

Die Beendigung des II. Weltkrieges<br />

führte dazu, dass in dieser Zeit der Universität<br />

ein erfahrener Ingenieur, Prof. Dr. Johannes<br />

Faltin, beauftragt wurde, Konzepte<br />

für den Aufbau von Bereichen zur Ausbil-<br />

dung von Maschinenbauern, Elektrotechnikern<br />

sowie Hoch- und Tiefbauingenieuren<br />

auszuarbeiten. Über das Stadium erster<br />

Vorstellungen kamen diese Ansätze nicht<br />

hinaus: Einerseits wurde Faltin entlassen<br />

und andererseits standen die vorgesehenen<br />

Gebäude und das Gelände nicht mehr zur<br />

Verfügung. Es war das die Heidekaserne,<br />

die zu dieser Zeit von der Sowjetarmee in<br />

Anspruch genommen wurde.<br />

Seit 1993 – infolge der Eingliederung dieser<br />

Bereiche der ehemaligen Technischen<br />

Hochschule Merseburg nach der Wende –<br />

gehörten zur Martin-Luther-Universität<br />

die Fachbereiche Verfahrenstechnik und<br />

Werkstoffwissenschaften, die 1998 zum<br />

Fachbereich Ingenieurwissenschaften fusionierten.<br />

Also stellte dieser Bereich keine<br />

Neugründung dar, sondern brachte bereits<br />

eine etwa 40-jährige Geschichte mit. Er ist<br />

in Verbindung mit den Neugründungen<br />

Technischer Hochschulen in den fünfziger<br />

Jahren entstanden.<br />

In Merseburg entstand 1954 eine Technische<br />

Hochschule für Chemie, die nach dem<br />

Willen ihrer Gründerväter in erster Linie<br />

technisch-technologisch orientierte Akademiker<br />

für die chemische Industrie ausbilden<br />

sollte. Das gelang so nicht sofort, da es<br />

ganz einfach zu dieser Zeit an Hochschullehrern<br />

fehlte, die eine solche Orientierung<br />

aus eigener Erfahrung vertreten konnten.<br />

Relativ rasch konnten dagegen die Ausbildungen<br />

von Chemikern und Ökonomen<br />

aufgebaut werden. Die Ausbildung von<br />

Verfahrenstechnikern, die dieser technisch-


technologischen Orientierung am ehesten<br />

entsprachen, wurde erst nach massiven äußeren<br />

Eingriffen in den Jahren 1958/59 direkt<br />

aufgenommen. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass sich das so geprägte<br />

Ingenieurprofil in Deutschland gegenüber<br />

anderen Ländern nur schwer herausgebildet<br />

hatte. Das Ausbildungsprofil des deutschen<br />

Ingenieurs an den Technischen<br />

Hochschulen war vordergründig der Konstrukteur.<br />

Noch in den fünfziger Jahren gab<br />

es an der Fakultät für Maschinenwesen der<br />

Technischen Hochschule Dresden bis auf<br />

eine Ausnahme nur an bestimmten Maschinen<br />

und Apparaten orientierte Fachrichtungen.<br />

Der Verfahrenstechniker dagegen<br />

ist ein Ingenieur, den in erster Linie die<br />

in den Apparaten ablaufenden Prozesse,<br />

die Gesamtheit der Technologie, interessieren.<br />

Natürlich setzt eine solche Betrachtung<br />

voraus, dass der Apparat beherrscht<br />

wird. Es ist deshalb nicht zufällig, dass<br />

sich die Fachrichtung Verfahrenstechnik in<br />

Dresden aus einer Fachrichtung heraus entwickelte,<br />

die nicht vorrangig konstruktiv<br />

orientiert war: der Wärmetechnik.<br />

Von dieser Position aus wurde 1959 in<br />

Merseburg eine Fakultät für Verfahrenstechnik<br />

gegründet, die damals die erste ihrer<br />

Art im deutschsprachigen Raum war.<br />

Sie umfasste das Institut für Verfahrenstechnik,<br />

das die thermische und mechanische<br />

Verfahrenstechnik, die Reaktionstechnik,<br />

die Thermodynamik und die Energietechnik<br />

vertreten musste, das Institut<br />

für Maschinenkunde, das Institut für<br />

Werkstoffkunde und mechanische Technologie,<br />

das Institut für Automatisierung sowie<br />

Grundlageninstitute wie Mathematik,<br />

Physik und Technische Physik. Mit der<br />

Entwicklung und den Berufungen änderten<br />

sich die jeweils wahrzunehmenden disziplinären<br />

Verantwortlichkeiten. Das Institut<br />

für Verfahrenstechnik wurde unter recht<br />

schwierigen Bedingungen als letztes gegründet.<br />

Es ist an dieser Stelle interessant anzumerken,<br />

dass erst mit den Berufungen von<br />

Günter Adolphi (s. Foto Mitte) für Thermische<br />

Verfahrenstechnik und von Wilhelm<br />

Jugel (s. Foto rechts oben) für Mechanische<br />

Verfahrenstechnik/Apparatewesen die<br />

personellen Voraussetzungen für eine stabile<br />

Entwicklung der Verfahrenstechnik in<br />

Merseburg gegeben waren. Beide waren erfahrene<br />

Praktiker. Adolphi bemühte sich<br />

darüber hinaus durch Übersetzungen, die<br />

prekäre Lehrbuchsituation auf dem Gebiet<br />

der Verfahrenstechnik entscheidend zu verbessern.<br />

Mit diesen beiden Berufungen wird deutlich,<br />

dass Entwicklungsprozesse im Hochschulwesen<br />

nicht allein als Sachprozesse<br />

behandelt werden können, sondern primär<br />

Persönlichkeiten verlangen.<br />

Auf der Grundlage dieser Konstellation gelang<br />

es, einen eigenständigen Grundstudienplan<br />

für das Verfahrensingenieurwesen<br />

zu entwickeln und neben Merseburg auch<br />

an einigen anderen Hochschulen der DDR<br />

einzuführen. Zum anderen orientierten sich<br />

die werkstofflichen und konstruktiven Bereiche<br />

in Erweiterung der klassischen Aufgaben<br />

an den Kunststoffen und der Polymerentechnik,<br />

was dann auch zu entsprechenden<br />

Strukturierungen in der Werkstofftechnik<br />

führte. Darüber hinaus entstand bei<br />

der Auseinandersetzung mit der Erzeugung<br />

und Anwendung der Hochpolymeren das<br />

Gebiet der Verarbeitungstechnik, das die<br />

Lücke zwischen den Technologien der Verfahrenstechnik,<br />

deren Arbeitsgegenstände<br />

in der Regel fluid sind, und der Fertigungstechnik<br />

mit festen Arbeitsgegenständen zu<br />

schließen in der Lage war.<br />

Prof. Dr. Günther Adolphi (1902–1982)<br />

Foto: Archiv<br />

Für all diese Überlegungen erwies sich die<br />

Differenzierung in Prozess- und Systemtechnik<br />

als fruchtbar. Diese der Kybernetik<br />

entnommenen Begriffe sollen unterschiedliche<br />

Betrachtungsweisen kennzeichnen. Sie<br />

können sowohl der Ausbildungs- wie auch<br />

der Forschungsprofilierung zugrundegelegt<br />

werden. Die Prozesstechnik führt von empirischen<br />

Betrachtungen zur Modellierung<br />

auf der Basis von Mikroprozessen und<br />

-strukturen und knüpft so zwanglos an<br />

moderne Entwicklungen an. Die Systemtechnik<br />

betrachtet, technisch gesehen, das<br />

Gesamtverfahren und schließt deshalb die<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Fachbereich Ingenieurwissenschaften<br />

...............................................................................<br />

25<br />

Prof. Dr. Wilhelm Jugel (1916–1996)<br />

Foto. privat<br />

Ver- und Entsorgung, die energetische und<br />

wirtschaftliche Dimension, die Sicherheitsund<br />

die Umwelttechnik ein.<br />

Auf der Grundlage dieser Konzepte sind in<br />

der Vergangenheit mehr als 6 000 Diplom-<br />

Ingenieure ausgebildet worden, haben ca.<br />

650 den wissenschaftlichen Grad eines<br />

Doktor-Ingenieurs und 50 die Lehrbefähigung<br />

zum Dr.-Ing. habil. erworben. Wie<br />

uns bestätigt worden ist, haben sich die<br />

Absolventen nicht nur in der Vergangenheit<br />

bewährt, sondern sind auch mit den neuen<br />

Bedingungen nach der Wende im allgemeinen<br />

gut zurecht gekommen. Das Konzept<br />

hat seine Leistungsfähigkeit erwiesen.<br />

Das gilt ebenso für die Profilierung des<br />

Fachbereiches nach der Wende, zunächst in<br />

Richtung Umwelttechnik und dann in<br />

Richtung Bioingenieurwesen und Materialwissenschaften.<br />

Die auf methodischen<br />

Überlegungen basierenden Grundlagen lassen<br />

derartige Entwicklungen logisch und<br />

folgerichtig nachvollziehen. Das betrifft<br />

sicher auch künftige Aufgabenstellungen,<br />

die beispielsweise aus der Orientierung der<br />

Martin-Luther-Universität an den Lebenswissenschaften<br />

wesentliche Impulse erwarten<br />

lassen.<br />

■<br />

Der Verfasser studierte 1951–56 an der<br />

TH Dresden (Promotion 1959, Habilitation<br />

1964); seit 1964 lehrte und forschte er<br />

an der TH Merseburg, vornehmlich auf<br />

dem Gebiet der Technischen Thermodynamik.<br />

1993 bis 1997 war er Dekan des<br />

Fachbereichs Verfahrenstechnik der Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg.<br />

1998 wurde er emeritiert.


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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Theologische Fakultät<br />

CHRISTLICHE UNTERNEHMER DES 19. JAHRHUNDERTS IN HALLE<br />

LUDWIG WUCHERER – CARL AUGUST JACOB – CARL ADOLPH RIEBECK<br />

Sebastian Kranich<br />

................................................................................<br />

Riebeckplatz und Ludwig-Wucherer-Straße: Zwei Namen, die jeder kennt. Weniger be-<br />

26 kannt ist die Jacobstraße in Glaucha, unweit der Stelle gelegen, an der Ende der 1830er Jahre<br />

mit der Jacobschen Zuckersiederei die erste moderne Fabrik Halles entstand. Dass die<br />

Namensgeber Unternehmer waren, werden bei Riebeck viele, bei Wucherer manche, bei<br />

Jacob wohl nur einzelne wissen. Aber christliche Unternehmer? Die folgende Darstellung<br />

ihres Wirkens in Halle und für die Bewohner der Stadt wird dies belegen.<br />

Vieles verdankt Halle Ludwig Wucherer<br />

(1790–1861), der als junger Mann in der<br />

Schlacht von Waterloo kämpfte und später<br />

in die erste Kammer der Frankfurter Nationalversammlung<br />

berufen wurde. Sein Lebenswerk<br />

ist die Gestaltung der Stadt zum<br />

Eisenbahnknotenpunkt und der Ausbau<br />

der Saaleschifffahrt. Selbst Golgasfabrikant,<br />

widmet er sich der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung als erster Präsident der Handelskammer<br />

und macht sich einen Namen<br />

als Förderer der halleschen Zuckerindustrie.<br />

Ludwig Wucherer<br />

Wucherers christliche Hintergründe lassen<br />

sich an seiner Biographie ablesen: Der Vater,<br />

aus einer schwäbischen Predigerfamilie<br />

stammend, gehört zu den Anhängern des<br />

theologischen enfant terrible der Aufklärung,<br />

Karl Friedrich Bahrdt. Wucherer<br />

selbst schließt sich dem Familienkreis des<br />

Universitätskanzlers und Direktors der<br />

Franckeschen Stiftungen August Hermann<br />

Niemeyer an und kommt während einer<br />

kaufmännischen Ausbildung in Berlin über<br />

seine Schwester Karoline in Kontakt zum<br />

Kreis um Friedrich Schleiermacher. Diese<br />

Grundlinie zieht sich durch sein Wirken als<br />

Vorsteher im Kirchenkollegium der Liebfrauenkirche<br />

und sein soziales städtisches<br />

Engagement: Als Kommunalpolitiker und<br />

-beamter ist er an der Reform des Schulund<br />

Armenwesens, der Erbauung des städtischen<br />

Hospitals und der städtischen<br />

Arbeitsanstalt beteiligt. Im Hilfsverein für<br />

die Betroffenen der Choleraepidemie von<br />

1831, der Geld und Naturalien beschafft<br />

sowie ein Lazarett und eine Speiseanstalt<br />

betreibt, arbeitet er mit anderen Fabrikanten,<br />

Kaufleuten, Pfarrern und Professoren<br />

zusammen. Darüber hinaus ist er am 1845<br />

gebildeten Bürger-Rettungs-Institut beteiligt<br />

und sorgt für die Gründung eines Vereins<br />

zum Bau von Familienwohnungen.<br />

Von seinem sozialethischen Selbstverständnis<br />

als Unternehmer zeugt die These über<br />

die Zuckerindustrie: Man dürfe »von der<br />

Mehrzahl der Betheiligten an diesem Unternehmen<br />

mit fester Überzeugung aussprechen<br />

..., daß sie nur zur Förderung<br />

guter Zwecke, nicht aber des Gewinnes<br />

wegen sich vereinigt hätten ...«. Und im<br />

Blick auf die Eindämmung von Elend, Bettelnot,<br />

Arbeitslosigkeit und Hunger stellt<br />

er die Frage: »Welche andere Fabrikation<br />

könnte sich in ihren staatswirtschaftlichen<br />

und moralischen Ergebnissen der Rübenzuckerfabrikation<br />

an die Seite stellen?«<br />

(nachzulesen bei Erich Neuß: Carl August<br />

Jacob, Halle/S. 1929, Seiten 111 und 76)<br />

Carl August Jacob<br />

Von der herausragenden Bedeutung dieser<br />

Industrie ist auch Wucherers Nachfolger im<br />

Amt des Präsidenten der Handelskammer,<br />

der Zuckerfabrikant Carl August Jacob<br />

(1789–1866) überzeugt. Sein Eintreten für<br />

die Fabrikation des Rübenzuckers als<br />

»Nationalprodukt« zeugt von Verständnis<br />

für volkswirtschaftlich-sozialpolitische<br />

Zusammenhänge. Als Mandatsträger im<br />

preußischen Abgeordnetenhaus lässt er<br />

1853 sein Auditorium bei der Debatte um<br />

die Zuckerbesteuerung wissen: »Wenn Sie<br />

... gehört hätten, wie vor zwei Jahren die<br />

Leute mit Thränen und Klagen zu uns kamen,<br />

daß sie oft wochenlang nur mit gekochtem<br />

Gras ihr Leben fristen mußten,<br />

wenn Sie an Ihnen die Freude gesehen hätten,<br />

nun zu Brod zu kommen, dann würden<br />

Sie sagen, daß es wohl der Mühe wert<br />

ist, solche Industrie, die Tausenden von<br />

Hungernden Brot schafft, zu erhalten.«<br />

(a. a. O., Seite 174)<br />

Im großen Rahmen sozialpolitisch aktiv ist<br />

der überzeugte Freihändler im Centralverein<br />

für das Wohl der Arbeitenden Klassen<br />

(seit 1864 im Vorstand) neben dem zweiten<br />

Mitglied aus der Provinz Sachsen: dem<br />

christlichen Sozialreformer Victor Aimé<br />

Huber. Lokal arbeitet er als ehrenamtlicher<br />

Geschäftsführer des von Wucherer initiier-<br />

ten Wohnungsbauvereins. Nach seinem<br />

Tod finden sich in seinen Büchern 130<br />

Konten, die zeigen, »wie bereitwillig seine<br />

Hand sich öffnete, um Wunden zu heilen«<br />

(a. a. O., Seite 274, zitiert nach zeitgenössischer<br />

Quelle) – Wie aber gehen kapitalistisch-wirtschaftlicher<br />

Erfolg und soziales<br />

Denken beim Begründer der mitteldeutschen<br />

Zuckerindustrie zusammen? Neuß<br />

verweist hier auf christlichen Glauben,<br />

protestantische Berufsethik und Orientierung<br />

am Mitmenschen: Die »Hoffnung,<br />

welche die christlichen Bekenntnisse spenden,<br />

erfüllte ihn ...; sonst war er ein ... auf<br />

Carl August Jacob (1789–1866)<br />

Foto: Stadtarchiv Halle, A 1565<br />

das Diesseitige eingestellter Mensch, und<br />

gerade deshalb auch ein religiöser Mensch.«<br />

Der pflichtbewusste und arbeitsame Jacob<br />

verzichtete darauf, seine Religiosität »nach<br />

Außen zu betonen« oder die Stellung in der<br />

Kirchgemeinde zur »Verbindung von Kirchlichkeit<br />

und Erwerbsegoismus« auszunutzen.<br />

Doch: »In aller Stille ... übte er praktische<br />

Nächstenliebe.« (a. a. O., Seite 262 f.)<br />

Carl Adolph Riebeck<br />

Aus dürftigen Verhältnissen stammt Carl<br />

Adolph Riebeck (1821–1883). Wegen zu<br />

geringer Bildung ist dem Bergmannssohn<br />

der berufliche Aufstieg in der Sächsisch-<br />

Thüringischen Aktiengesellschaft für<br />

Braunkohleverwertung verwehrt; aber er<br />

wird zum Gründer der mitteldeutschen<br />

Braunkohle- und chemischen Industrie.


Ludwig Wucherer (1790–1861), Gemälde<br />

von Theodor Neu (1828); Dauerleihgabe der<br />

Familie Schede (Wilhelmshaven) an das<br />

Stadtarchiv Halle Foto: Stadtarchiv<br />

In den 1870er Jahren werden seine Paraffinkerzen<br />

bis nach England, Skandinavien,<br />

Marokko und Südamerika verkauft. Politisch<br />

konservativ, sprunghaft und autokratisch<br />

– so sehen ihn Zeitgenossen. Tatsächlich<br />

ist der praktisch veranlagte Mann, der<br />

seinen Einsatz in der Revolution von 1848<br />

mit einer Freiheitsstrafe büßte, als Unternehmer<br />

ein typischer Vertreter des lutherisch-patriarchalischen<br />

»Herr-im-Hause-<br />

Standpunktes«.<br />

Kathedersozialisten und christlichen Sozialisten<br />

wirft er 1878 vor, den Kommunisten<br />

in die Hände zu spielen, indem sie Unzufriedenheit<br />

unter den Arbeitern schüren.<br />

Ihre Lehren »verstoßen wider Gottes Ordnung«.<br />

Eine besondere Kritik trifft den<br />

Berliner Oberhofprediger Adolf Stöcker:<br />

Wenn sogar ein »Seelsorger(s) der so genannten<br />

christlich-sozialen Partei« den<br />

Staat für mangelhafte soziale Verhältnisse<br />

verantwortlich macht, dann »nimmt der<br />

Sinn auch der besten Arbeiter oft eine verkehrte<br />

Richtung.« Das Gebot der Zeit sei<br />

dagegen, dass »jeder auf seinem Platze fest,<br />

treu und fleißig« arbeitet. Riebeck ist davon<br />

überzeugt, dass dem geschickten und<br />

sparsamen Arbeiter der Aufstieg »selbst<br />

zum Fabrikherrn und Besitzer« möglich<br />

ist. Dem Unternehmer aber weist er die<br />

Rolle des gerechten Hausvaters zu, der sich<br />

um die ihm Anvertrauten und Untergebenen<br />

sorgt. Seine Aufgabe ist es, »sich mit<br />

wahrer Liebe und Besorgniß um das geistige<br />

und leibliche Wohl seiner Arbeiter zu<br />

kümmern.« Er hat für Lohngerechtigkeit zu<br />

sorgen, darf in Krankheits- und Notfällen<br />

»seine Arbeiter« und deren Familien »nicht<br />

verlassen«. In Unglücksfällen hat er auch<br />

dann zu zahlen, wenn Selbstverschulden<br />

der Arbeiter vorliegt. Schließlich darf der<br />

»Fabrikherr« sich »nicht zu hoch über seine<br />

Leute stellen«, sondern muss »der erste<br />

Arbeiter selbst sein«.<br />

Die Grenzen dieses auf sozialer Nahbeziehung<br />

basierenden Konzepts in der Hochindustrialisierung<br />

sieht Riebeck: »Früher<br />

sorgten ... die Arbeitgeber ... besser für die<br />

Arbeiter.« Sie »waren ständig ... in den Fabriken,<br />

deren es allerdings damals weit weniger<br />

gab.« Auch der mentale Wandel durch<br />

das schnelle moderne Leben, das »die Arbeit<br />

aus den häuslichen Werkstätten in große<br />

Fabrikationsstätten trug« und sich in<br />

»falschen Vorstellungen« der Art spiegelt,<br />

»daß jeder für sich selbst sorgen müsse«,<br />

wird von ihm reflektiert. (Ansprache Riebecks<br />

an seine Arbeiter, in: A. Riebecksche<br />

Montanwerke. Die Geschichte einer mitteldeutschen<br />

Bergwerksgesellschaft, München<br />

1933, S.42–45). Zur Revision seines<br />

Denkens führt das allerdings nicht.<br />

Gestalt gewinnen Riebecks soziale Vorstellungen<br />

im Aufbau einer betrieblichen Kranken-,<br />

Invaliden-, und Pensionskasse für die<br />

Arbeiter, die nicht der Knappschaft angehören.<br />

Er spendet für die Innere Mission<br />

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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Theologische Fakultät<br />

...............................................................................<br />

und stellt große Summen für die Armenpflege<br />

in Halle, Weißenfels und Harzgerode<br />

zu Verfügung.<br />

Wegen seiner finanziellen Opferbereitschaft<br />

während der Choleraepidemie 1866<br />

in Halle und im Krieg von 1870/71 wird<br />

der Bergmannssohn zum preußischen<br />

Kommerzienrat ernannt. Die wohltätige<br />

Familientradition setzt sein 1889 verstorbener<br />

Sohn Paul mit der Gründung eines<br />

Altenheims fort, das heute noch als »Paul-<br />

Riebeck-Stift« besteht.<br />

■<br />

Der Autor, geboren 1969 in Dresden, studierte<br />

Theologie in Leipzig, war 1997 bis<br />

1999 wiss. Mitarb. im SFB 537 (Thema:<br />

Institutionalität und Geschichtlichkeit) und<br />

am Institut für Evangelische Theologie an<br />

der TU Dresden. Seit 1999 ist er Assistent<br />

in der Systematischen Theologie in Halle.<br />

Carl Adolph Riebeck (1821–1883), anonyme Zeichnung Foto: Stadtarchiv Halle, A 564<br />

27


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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FB Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften<br />

DEUTSCHE BURGENVEREINIGUNG UND UNIVERSITÄT<br />

AUS DER ARBEIT DER LANDESGRUPPE SACHSEN-ANHALT DER BURGENVEREINIGUNG<br />

Irene Roch-Lemmer<br />

................................................................................<br />

Im Raum zwischen Altmark, Harz, mittlerer Elbe, Saale und Unstrut – einer aufgrund der<br />

28 historischen Entwicklung und der landschaftlichen Gegebenheiten ungemein burgenreichen<br />

Gegend – hat die Burgenforschung eine lange Tradition. Besonders die wissenschaftlichen<br />

Arbeiten von Paul Grimm (1907–1993), Hermann Wäscher (1887–1961) und Hans-Joachim<br />

Mrusek (1920–1994) belegen das.<br />

Mrusek und Wäscher gaben der Burgenforschung bereits in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />

eine Heimstatt am Institut für Kunstgeschichte der halleschen Universität, der<br />

einzigen Universität der DDR, an der Burgenforschung betrieben wurde. Eine Reihe von<br />

Dissertationen und Diplomarbeiten zu Burgenthemen entstand. 1962 erschienen Wäschers<br />

zwei Bände »Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg«, die – obwohl in Einzelheiten<br />

natürlich überholt – für unsere Gegend immer noch ein Standardwerk sind. . Das<br />

Institut bewahrt auch den Nachlass von Hermann Wäscher (Wäscher-Archiv).<br />

Übersichtskarte der Burgen in Sachsen-Anhalt und<br />

angrenzenden Gebieten (H. Wäscher).<br />

Wäscher-Archiv, Institut für Kunstgeschichte, MLU<br />

Diese Forschungsarbeiten sowie die von<br />

Mrusek ins Leben gerufene Burgenkommission<br />

und die 1987 von der Autorin aus<br />

Anlass von Hermann Wäschers 100. Geburtstag<br />

gegründete Interessengemeinschaft<br />

»Burgen und Schlösser« stellten die Grundlage<br />

für die nach der »Wende« gebildete<br />

Landesgruppe Sachsen-Anhalt der Deutschen<br />

Burgenvereinigung e. V. (DBV) dar.<br />

Die Landesgruppe Sachsen-Anhalt der<br />

DBV wurde am 25. November 1990 auf<br />

der Burg Querfurt, einer der ältesten und<br />

größten deutschen Burgen, gegründet. Den<br />

Festvortrag an diesem Tag hielt Prof. Dr.<br />

Manfred Lemmer (Germanistisches Institut<br />

der Martin-Luther-Universität) über<br />

»Die Neuenburg (bei Freyburg/Unstrut) in<br />

Geschichte, Kunst und Literatur Thüringens<br />

im Mittelalter« (vgl. Burgen und<br />

Schlösser 32 [1991], Sonderheft »Neue<br />

Bundesländer«, Seiten 45–49; in erweiterter<br />

Form: Lemmer, Manfred: Die Neuenburg<br />

in Geschichte, Literatur und Kunst<br />

des hohen Mittelalters. Freyburg/Unstrut<br />

1993 (novum castrum. Schriftenreihe des<br />

Vereins zur Rettung und Erhaltung der<br />

Neuenburg e. V., Heft 2).<br />

Wie die zeitgleich gebildeten Landesgruppen<br />

Sachsen und Thüringen trat die Landesgruppe<br />

Sachsen-Anhalt den seit langem<br />

in den alten Bundesländern arbeitenden<br />

neun Landesgruppen der Deutschen<br />

Burgenvereinigung zur Seite. Fachliche<br />

Kontakte zwischen der im Jahr 1899 gegründeten<br />

DBV (Sitz: Marksburg über<br />

Braubach/Rhein) und dem östlichen<br />

Deutschland bestanden jedoch schon während<br />

der jahrzehntelangen Trennung, vor<br />

allem durch die seit 1960 herausgegebene<br />

Fachzeitschrift »Burgen und Schlösser«.<br />

Auf den eigenen Aktivitäten, Kenntnissen<br />

und Erfahrungen basierend, weiß sich die<br />

Landesgruppe Sachsen-Anhalt eins mit den<br />

Zielen der DBV. Ihnen dienen öffentliche<br />

Anlässlich des 100. Geburtstages<br />

von Hermann Wäscher fand ein<br />

vielbeachtetes wissenschaftliches<br />

Kolloquium statt, durchgeführt<br />

vom Institut für Kunstgeschichte<br />

der Universität, der Galerie<br />

Moritzburg Halle, der Burgenkommission<br />

und dem halleschen<br />

Institut für Denkmalpflege (heute<br />

Landesamt für Denkmalpflege<br />

Sachsen-Anhalt). Die dort gehaltenen<br />

Vorträge wurden publiziert in:<br />

Beiträge zur Burgenforschung. Hermann<br />

Wäscher zum 100. Geburtstag.<br />

Hg. Irene Roch, Halle (Saale)<br />

1989 (Wiss. Beiträge Univ. Halle<br />

1989/24 [H 12]).<br />

Vorträge und Fachexkursionen zu Burgen,<br />

Schlössern und Herrenhäusern in Sachsen-<br />

Anhalt, aber auch darüber hinaus (zum Teil<br />

gemeinsam mit den Landesgruppen Westfalen-Lippe,<br />

Rheinland, Sachsen und Thüringen),<br />

Berater- und Gutachtertätigkeit sowie<br />

die Herausgabe der Mitteilungen der<br />

Landesgruppe »Burgen und Schlösser in<br />

Sachsen-Anhalt« (Redaktion: Irene Roch-<br />

Lemmer, Reinhard Schmitt), von denen seit<br />

1992 neun Hefte und zwei Sonderhefte erschienen<br />

sind.<br />

Die Beiträge umfassen Bau- und Nutzungsgeschichte,<br />

Kunstgeschichte sowie Denkmalpflege<br />

von und an Burgen, Schlössern<br />

und Herrenhäusern. Doch ebenso wird der<br />

kulturgeschichtliche Aspekt berücksichtigt.<br />

Diese Veröffentlichungen – zusammen mit<br />

den später folgenden Jahresschriften der<br />

Landesgruppen Sachsen und Thüringen die<br />

Ziele der Deutschen Burgenvereinigung:<br />

– Erhaltung der historischen Wehr- und<br />

Wohnbauten als Zeugnisse der Geschichte und<br />

Kultur, als Denkmäler der Bau- und Kunstgeschichte,<br />

als prägende Elemente unserer<br />

Kulturlandschaft,<br />

– Förderung der Erforschung historischer<br />

Wehr- und Wohnbauten sowie die Verbreitung<br />

der Forschungsergebnisse,<br />

– Stärkung des öffentlichen Interesses an den<br />

historischen Profanbauten,<br />

– Mitwirkung bei Denkmalschutz, Denkmalpflege<br />

und Landschaftsschutz.<br />

einzigen Publikationen von Landesgruppen<br />

innerhalb der DBV – bezeugen den Reichtum<br />

und die Vielfalt der mitteldeutschen<br />

Burgenlandschaft sowie fachliches Vermögen<br />

und Kompetenz der Autoren (unter ihnen<br />

auch Angehörige und Absolventen der<br />

halleschen Universität).<br />

Mitglieder der Landesgruppe arbeiten im<br />

Wissenschaftlichen Beirat der DBV sowie<br />

in der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung<br />

von Burgen und Schlössern mit.<br />

Drei Mitglieder sind in dem von der DBV<br />

mit internationaler Beteiligung 1999 herausgegebenen<br />

zweibändigen Handbuch<br />

»Burgen in Mitteleuropa« mit Beiträgen<br />

vertreten.<br />

Seit der Gründung legte die Landesgruppe<br />

besonderes Augenmerk auf die Schnellinventarisierung<br />

der etwa 1600 bis 1700<br />

Burgen, Schlösser und Herrenhäuser in<br />

Sachsen-Anhalt; sie bildet die Grundlage<br />

für die Erarbeitung langfristiger Nutzungskonzeptionen<br />

und denkmalpflegerischer<br />

Zielstellungen.


Freyburg (Unstrut), Schloss Neuenburg, Gesamtansicht von Süden. Landesamt für Denkmalpflege<br />

Sachsen-Anhalt, Nr. 2856 A Foto Ulbrich<br />

Inzwischen hat die Inventarisierung für den<br />

Süden von Sachsen-Anhalt einen gewissen<br />

Abschluss erreicht.<br />

Die mit den Nutzungsmöglichkeiten zusammenhängenden<br />

Probleme, die sich aufgrund<br />

der veränderten und sich ständig verändernden<br />

Besitzverhältnisse als besonders<br />

dringend erweisen, machen derzeit einen<br />

beträchtlichen Teil der Arbeit der Landesgruppe<br />

aus. Zahlreiche Burgen und Schlösser<br />

(und Ruinen!) wie auch Herrenhäuser<br />

müssen vielfach – da die bisherige Nutzung<br />

(Alters- und Kinderheime, Kindergärten<br />

u. a.) in Frage gestellt ist – einer sinnvollen<br />

neuen Nutzung zugeführt werden, um ihre<br />

bauliche Erhaltung zu sichern, ohne die historische<br />

Bausubstanz zu schädigen. Zugleich<br />

wird die althergebrachte Nutzung<br />

tradiert, jedoch auf moderne Ansprüche<br />

abgestimmt. Ein Kolloquium der Landesgruppe<br />

befasste sich 1992 auf Schloss Allstedt<br />

mit der Nutzung der Burgen, Schlösser<br />

und Herrenhäuser für das Hotel- und<br />

Gaststättenwesen. Der damit verbundenen<br />

musealen Nutzung war ein weiteres Kolloquium<br />

1992 auf der Neuenburg (Freyburg/<br />

Unstrut), in Allstedt und Querfurt gewidmet.<br />

Auch ein Erfahrungsaustausch über<br />

Probleme bei der Restaurierung und Instandsetzung<br />

von Burgen, Schlössern und<br />

Herrenhäusern, den die Landesgruppe<br />

1993 auf der 1991/92 vorbildlich instandgesetzten<br />

Rudelsburg/Bad Kösen veranstaltete,<br />

hing damit eng zusammen.<br />

Mit dem Landesamt für Denkmalpflege<br />

Sachsen-Anhalt und dem Landesheimatbund<br />

Sachsen-Anhalt führte die Landesgruppe<br />

öffentliche Veranstaltungen zu diesen<br />

Themen durch. 1998 fand eine Tagung<br />

zur »Nutzung von Schlössern und Herrenhäusern<br />

für soziale Zwecke« im Schloss<br />

Peseckendorf bei Oschersleben statt.<br />

Bei einer Gesprächsrunde über Nutzungsund<br />

Finanzierungskonzepte von Schlössern<br />

und Herrenhäusern im Jahre 2000 in<br />

Schloss Teutschenthal berichteten private<br />

und kommunale Eigentümer, Fördervereine<br />

und Verbände über ihre Erfahrungen bei der<br />

Nutzung von Bauten wie Schloss Seeburg,<br />

Schloss Droyßig, Schloss Walbeck, Herrenhaus<br />

Ermlitz. Das zweite Teutschenthaler<br />

Gespräch im April <strong>2001</strong> führte diese Thematik<br />

fort.<br />

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scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

FB Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften<br />

...............................................................................<br />

zu den Fördervereinen Kultur-Gut Ermlitz<br />

und Schloss Dieskau. Dabei wird auch<br />

deutlich, in wie hohem Maß Burgen und<br />

Schlösser ein Tourismusfaktor sind.<br />

Die Landesgruppe zählt zur Zeit etwa 110<br />

Mitglieder (Historiker, Kunsthistoriker,<br />

Archäologen, Prähistoriker, Architekten,<br />

Denkmalpfleger, Germanisten, Lehrer, Besitzer<br />

von Schlössern und Herrenhäusern)<br />

und 17 korporative Mitglieder (Burg- und<br />

Schlossmuseen, Denkmalschutzbehörden,<br />

Kommunen u. a.). Gründungsvorsitzende<br />

war die Verfasserin. Vorsitzende ist gegenwärtig<br />

die Historikerin Frau Dr. Elisabeth<br />

Schwarze-Neuß, Tochter des bekannten<br />

ehemaligen Professors für Landesgeschichte<br />

an unserer Universität, Erich Neuß. Ihr<br />

steht ein sechsköpfiger Vorstand zur Seite,<br />

zu dem auch Angehörige und Absolventen<br />

der Universität gehören.<br />

Auf der Homepage der Landesgruppe –<br />

www.Burgen-in-sachsenanhalt.de – können<br />

alle Informationen über Veranstaltungen,<br />

Veröffentlichungen u. a. abgerufen werden.<br />

■<br />

Burg Giebichenstein in Halle an der Saale, Oberburg. Aquarellierte Zeichnung, anonym, älteste<br />

bekannte Darstellung der Burg (um 1600) Foto: Archiv<br />

Zur Öffentlichkeitsarbeit der Landesgruppe<br />

gehört ferner das Bemühen, gute Kontakte<br />

zu Vereinen zu pflegen, deren Ziele<br />

mit den unsrigen übereinstimmen, so etwa<br />

zum Verein zur Rettung und Erhaltung der<br />

Neuenburg, zum Förderkreis Konradsburg,<br />

Die Autorin studierte in Halle und Leipzig<br />

Kunstgeschichte und Arabistik und wurde<br />

1966 in Halle promoviert. Von 1962 bis<br />

1998 war sie wiss. Mitarbeiterin am Institut<br />

für Kunstgeschichte der MLU. Sie ist<br />

Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der<br />

Deutschen Burgenvereinigung (DBV,<br />

Marksburg/Rhein) und stellvertretende<br />

Vorsitzende der Landesgruppe Sachsen-<br />

Anhalt der DBV.<br />

29


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

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30<br />

Burg Giebichenstein in Halle an der Saale, Oberburg mit Torturm/Bergfried, rekonstruierten<br />

Mauerzügen vom Wohnturm mit romanischem Mittelpfeiler (vermutlich als »Leuchtpfeiler«<br />

genutzt) im Vordergrund und Palas links (Aufnahme 2000) Foto: Preuß


HISTORISCHE LANDNUTZUNG<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

CHRONOLOGISCHE ANALYSEN AUF DER QUERFURT-MERSEBURGER PLATTE<br />

Rolf Diemann und Oliver Arndt<br />

(Die Veränderungen von Landschaften infolge technogener Eingriffe vollziehen sich, historisch<br />

gesehen, mit zunehmender Geschwindigkeit. Bereits durch die Entwicklung der<br />

Produktivkräfte im 19. Jahrhundert und besonders durch die Intensivierung der Landwirtschaft<br />

in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichte die Dynamik der Landschaftsveränderungen<br />

auch im Agrarraum ein sehr hohes Tempo (vgl. Ausgabe 2/1995, S. 36–38:<br />

Friedrich-Wilhelm Kirchhoff, »Sachsen-Anhalt im Wandel des 19. Jahrhunderts von der<br />

Agrarregion zur Industrie-Agrarregion«).<br />

Um die Veränderungen der Kulturlandschaft als historischen Prozess begreifen und Spezifika<br />

der regionalen Entwicklung bei räumlichen Planungen berücksichtigen zu können, werden<br />

in Deutschland seit etlichen Jahren Untersuchungen zur historischen Landnutzung<br />

durchgeführt. Solche historisch-geographischen Arbeiten dienen einer umweltrelevanten<br />

Zielsetzung. Die Nutzung von Archivalien – vorrangig von historischen Karten – gehört<br />

zum methodischen Instrumentarium sowohl der historischen Geographie wie der Landschaftsplanung.<br />

Während bei den meisten dieser Studien Landschaften bearbeitet wurden,<br />

die eine besondere Bedeutung für den Naturschutz besitzen, geht es bei der Querfurt-<br />

Merseburger Platte um ein intensiv genutztes Ackerbaugebiet mit Böden höchster Bonität.<br />

Der Schwerpunkt der Untersuchungen<br />

liegt auf der Entwicklung der Landnutzung<br />

seit Anfang des 18. Jahrhunderts, in dem<br />

mit systematischen Landesaufnahmen begonnen<br />

wurde und aus dem zunehmend<br />

verlässliche kartographische Darstellungen<br />

auf Grund der schnellen Entwicklung der<br />

Vermessungs- und Kartentechnik vorliegen.<br />

Zu diesen Kartenwerken gehören die 15<br />

Blätter der Karte von Sachsen im Maßstab<br />

1:170 000 des preußischen Offiziers I. J. v.<br />

Petri aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges<br />

(1756–1763), als Preußen Ende August<br />

1756 in Sachsen einfiel.<br />

Die Karte unten zeigt einen Ausschnitt des<br />

Untersuchungsgebietes nach dem Exemplar<br />

der Universitäts- und Landesbibliothek<br />

(ULB), die bereits einen großen Teil ihres<br />

Bestandes an historischen Karten in das<br />

Internet gestellt hat.<br />

Für die Zeit vor dem 18. Jahrhundert wird<br />

nach Urkundenbelegen, Flurnamen und<br />

Karten des frühen 18. Jahrhunderts noch<br />

von einem erheblichen Wald- bzw. Gehölzbestand<br />

ausgegangen. Er erstreckte sich als<br />

Markwald besonders entlang der Grenzen<br />

der spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen<br />

Territorialherrschaften.<br />

...............................................................................<br />

Die Landnutzungsstruktur der Agrarlandschaft<br />

mit sehr langen Ackerparzellen und<br />

dazwischen liegenden Rainen (Bild oben,<br />

S. 20) blieb bis zur Separation Mitte des<br />

19. Jahrhunderts im Wesentlichen konstant.<br />

Die Acker- und Wegraine mit einer<br />

Breite zwischen 2 und 20 m dienten als<br />

Grenzmarkierungen und als Viehtrift. Sie<br />

stellten in der Ackerflur ein charakteristisches<br />

Landschaftselement mit ökologischen<br />

Funktionen dar. Für einen beträchtlichen<br />

Teil der Querfurter Stadtflur blieb ein<br />

Plan von 1752 erhalten, der diese Strukturierung<br />

in großem Maßstab abbildet.<br />

Folgen der Separation<br />

Die im Zuge der preußischen Agrarreformen<br />

durchgeführte Separation bewirkte<br />

eine völlige Neustrukturierung der Fluren<br />

bäuerlich geprägter Gemeinden. Für das<br />

Untersuchungsgebiet wurden die betreffenden<br />

Katasterpläne zwischen 1838 und<br />

1855 angefertigt. Sie gehören jetzt zum<br />

Archivbestand des Katasteramtes Halle.<br />

Durch die Separation wurde die Gemengelage<br />

beseitigt, die Zersplitterung des Landbesitzes<br />

der Hofstellen stark vermindert<br />

und ein systematisches Wegenetz für die<br />

Bewirtschaftung der Produktionsflächen<br />

Ausschnitt aus: Petri, I. J. v.: Gantz neue und vollständige geographische General-Charte vom gantzen Churfürstenthum Sachsen (nach 1762)<br />

Quelle: http://karten.bibliothek.uni-halle.de/altkt/kart_8_248_7/index.htm<br />

31


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

................................................................................<br />

32<br />

angelegt. Außerdem entfiel die Vielzahl der<br />

Raine, des kleinflächigen Grünlandes und<br />

Gehölzbestandes. Der Anteil des Ackerlandes<br />

erhöhte sich – trotz der zusätzlichen<br />

Flächenbeanspruchung durch das<br />

neue Wegenetz – im Untersuchungsgebiet<br />

um ca. 5 Prozent. Der erstmals vermessene<br />

und planmäßig angelegte Agrarraum wurde<br />

nunmehr durch geradlinige Strukturen bestimmt<br />

(Bild unten), die sich allenfalls<br />

noch in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung<br />

an einem historisch gewachsenen Rahmen<br />

orientierten.<br />

Die Bepflanzung der Raine der Ortsverbindungsstraßen<br />

und der hauptsächlichen<br />

Feldwege mit Obstbäumen – auf der Querfurt-Merseburger<br />

Platte meist mit Kirschen<br />

– führte zu einem neuartigen Biotoptyp<br />

und Landschaftselement. Die Obstbaumalleen<br />

sind von da an für die Ackerfluren<br />

des Schwarzerdegebietes landschaftsbildprägend<br />

und zeichnen in einem<br />

bestimmten Maße deren Strukturierung<br />

nach.<br />

Großflächenbewirtschaftung<br />

Die Struktur der Agrarlandschaft erfuhr<br />

vor allem mit der Durchsetzung der Großflächenbewirtschaftung<br />

nach 1970 eine<br />

weitere, wesentliche Veränderung. Ein Indiz<br />

dafür ist die Ausdünnung des landwirt-<br />

schaftlichen Wegenetzes, in einigen Gemeinden<br />

auf weniger als 50 Prozent der<br />

früher vorhandenen Weglänge. Reihen von<br />

Hybridpappeln als Windschutzstreifen<br />

wurden besonders in den fünfziger Jahren<br />

im Raum Schafstädt und im Raum Barnstädt<br />

als neues Landschaftselement etabliert.<br />

Diese Pappeln entsprechen nicht<br />

den Standortbedingungen des Schwarzerdegebietes<br />

und brechen inzwischen auch<br />

altersbedingt zusammen.<br />

Das Untersuchungsgebiet nach der Separation mit der weiteren Strukturierung bis ca. 1945<br />

Das Untersuchungsgebiet vor der Separation (vor 1850) Grafik (2 x): Arndt<br />

Die Neustrukturierung der Landwirtschaft<br />

nach 1990/91 zog keine wesentlichen<br />

strukturellen Veränderungen in der Agrarlandschaft<br />

nach sich, so dass der Dichtewert<br />

der linearen Strukturen bis heute dem<br />

Wert aus der Zeit der LPG-Großflächenbewirtschaftung<br />

entspricht. Das Fruchtartenspektrum<br />

wurde allerdings erheblich<br />

eingeengt, nicht zuletzt durch die starke<br />

Reduzierung des Ackerfutteranbaus in Folge<br />

des Rückgangs der Viehbestände.<br />

Die Thematik war auch Gegenstand eines<br />

Fachvortrages auf dem Deutschen Geographentag<br />

2000, der im September in Leipzig<br />

stattfand. Außerdem wird eine ausführliche<br />

Fassung der Analysenergebnisse zur Publikation<br />

vorbereitet.<br />

■<br />

Dr. rer. nat. Rolf Diemann ist seit 1979<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter für Agrargeographie<br />

und Raumordnung; er ist für<br />

die Agrarlandschaftsforschung und die naturwissenschaftlich<br />

orientierte räumliche<br />

Planung im ländlichen Raum zuständig. Zu<br />

seinen Lehraufgaben gehören die Fächer<br />

Landschaftslehre, Landschaftsplanung und<br />

Flurneuordnung für die Studienrichtung<br />

Bodenschutz und Landschaftsgestaltung<br />

der Landwirtschaftlichen Fakultät.<br />

Dipl. Ing. agr. Oliver Arndt ist seit 1994<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter für eine Reihe<br />

von Drittmittelprojekten und Doktorand<br />

der Landwirtschaftlichen Fakultät.


GESCHICHTE DER AUGENKLINIK ZU HALLE<br />

Die Anfänge der Augenheilkunde in Halle<br />

sind bis in die Gründerzeit 1694 belegt.<br />

Das Interesse an dem Fach wurde mit Disputationen<br />

über ophthalmologische Themen<br />

von den ersten beiden Ordinarien der<br />

Medizinischen Fakultät Friedrich Hoffmann<br />

(1660–1742) und Georg Ernst Stahl<br />

(1659–1734) dokumentiert. Oblag zu jener<br />

Zeit die Versorgung aller medizinischen Bereiche<br />

den Hauptvertretern der Medizin,<br />

so bahnte sich 1718 mit der Etablierung<br />

des 3. medizinischen Lehrstuhls für Anatomie,<br />

Chirurgie und Botanik die Abzweigung<br />

des chirurgisch-ophthalmiatrischen<br />

Spezialbereichs an. Eigenständige Vorlesungen<br />

über Augenheilkunde hielt von 1721<br />

bis 1754 der aus Bremen stammende Heinrich<br />

Bass (1690–1754; Professor extraordinarius<br />

für Anatomie und Chirurgie).<br />

Raummangel als Handicap<br />

Der Mangel an universitären Gebäuden<br />

und Räumlichkeiten ermöglichte fast ausschließlich<br />

eine theoretische studentische<br />

Ausbildung. Das 1717 von Johann Juncker<br />

(1679–1759) auf dem Waisenhaus zu Halle<br />

institutionierte Collegium clinicum Halense<br />

wertete das Studium der Medizin mit der<br />

nunmehr auch praktischen Ausbildung auf.<br />

Von Johann Junckers Sohn, Friedrich<br />

Christian Juncker (1730–1770) wurde dieser<br />

praxisbezogene studentische Unterricht<br />

fortgeführt – Philipp Adolf Böhmer<br />

(1717–1789) jedoch reduzierte ihn drastisch<br />

und »verhalf« so dem Collegium<br />

clinicum zum Untergang.<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Medizinische Fakultät<br />

VOM WAISENHAUS ÜBER DEN DOMPLATZ IN DIE MAGDEBURGER STRASSE<br />

Jutta Herde<br />

Die Geschichte der Ophthalmologie (Augenheilkunde) an der halleschen Universität reicht<br />

mehr als drei Jahrhunderte zurück. Neben Theologen, Juristen und Philosophen bildeten<br />

die Mediziner die vierte der klassischen Fakultäten, die in der Regel an allen Universitäten<br />

jener Zeit präsent waren.<br />

Lange Zeit wurden die angehenden Ärzte jedoch – in der Augenheilkunde wie in anderen<br />

Disziplinen nur theoretisch ausgebildet. Erst später trat, hier wie in anderen Bereichen, die<br />

Möglichkeit praktischer Ausbildung, erstmals im so genannten »Halleschen Klinikum«,<br />

hinzu und versetzte die jungen Mediziner in die Lage, ihren Berufsweg von Anfang an mit<br />

einem, wenn auch bescheidenen, Fundus an praktischen Kenntnissen zu beschreiten.<br />

Nach H. Bass sind zwischen 1788 und<br />

1806 Augenvorlesungen von Leberecht<br />

Supprian (1723–1789), dem erwähnten Ph.<br />

A. Böhmer (1717–1789), Ernst Anton<br />

Nikolai (1722–1802) und vor allem Johann<br />

Christian Reil (1759–1813) nachgewiesen.<br />

Nach dem Tode von Johann Friedrich<br />

Gottlieb Goldhagen (1742–1788) übernahm<br />

Reil die Leitung der aus dem vom<br />

Magistrat eingerichteten Lazarett hervorgegangenen<br />

Schola clinica. Diese zweite klinische<br />

Einrichtung in Halle diente ihm, der<br />

als Stadtphysikus und Lazarettarzt auch<br />

augenärztlich tätig war, zur konservativen<br />

und chirurgischen Behandlung seiner<br />

Augenpatienten. Reils Bemühungen um<br />

Abgrenzung der Augenheilkunde von der<br />

Chirurgie schlugen fehl, da die von Karl<br />

Eberhardt Schelling (1783–1854) geforderten<br />

Konditionen – unter anderem der Bau<br />

eines augenärztlichen Klinikums – nicht<br />

bewilligt wurden.<br />

Augenheilkundler am Domplatz<br />

Nachdem die chirurgisch-ophthalmiatrische<br />

Klinik als Interimslösung in das alte reformierte<br />

Gymnasium neben dem Dom eingezogen<br />

war, wurde der Westflügel der Residenz<br />

im Jahre 1811 Carl Heinrich Dzondi<br />

(1770–1835) für die chirurgisch-ophthalmologische<br />

Klinik zugewiesen. Politische<br />

Gründe und Intrigen von Johann Friedrich<br />

Meckel d. Jüngeren (1781–1833) und Kurt<br />

Polykart Joachim Sprengel (1766–1833)<br />

führten 1817 zur Absetzung Dzondis. Das<br />

Direktorat der Chirurgischen Klinik wurde<br />

Prof. Dr. Gernot I. W. Duncker, Prof. Dr. Manfred Tost und Prof. Dr. Hans Gert Struck<br />

(v. l. n. r.) beim Lehrstuhlwechsel am 1. August 1995 Foto: Herde<br />

...............................................................................<br />

33<br />

Alfred Graefe Artur v. Hippel<br />

Eugen v. Hippel Hermann Schmidt-Rimpler<br />

Franz Schieck Wilhelm Clausen<br />

Günther Badtke Karl-Ernst Krüger<br />

Die ersten Ordinarien der halleschen Universitätsklinik für<br />

Augenheilkunde<br />

Fotos (8): Archiv der Universitäts-Augenklinik


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Medizinische Fakultät<br />

................................................................................<br />

34<br />

nun Carl August Weinhold (1782–1829)<br />

übertragen. Dzondi richtete sich im gleichen<br />

Jahr die Privatklinik Nosocomium<br />

ophthalmo-chirurgicum ein, die er bis zu<br />

seinem Tode 1835 betrieb. Die Nachfolge<br />

von Weinhold trat 1830 Carl Wilhelm<br />

Wutzer an. Der schnelle Ruf nach Bonn<br />

ließ keinen herausragenden Aufschwung<br />

der Klinik zu. Erst die Berufung von<br />

Ernst Blasius (1802–1875) sorgte dank<br />

seines 36 Jahre dauernden Direktorates,<br />

seiner praxisbezogenen Lehrtätigkeit und<br />

seines klinisch-wissenschaftlichen Arrangements<br />

für ein qualitativ und quantitativ<br />

höheres Niveau. 1861 zog die Klinik in<br />

das Gebäude des heutigen Zoologischen<br />

Institutes am Domplatz um. Die in diese<br />

Zeit (1858) fallende Habilitation von Alfred<br />

Graefe (1830–1899), die Fortschritte<br />

in der Diagnostik und Therapie sowie in<br />

der Technik verliehen der Separierung der<br />

Ophthalmologie von der Chirurgie spürbaren<br />

Auftrieb.<br />

Novum: Ophthalmologische Ordinariate<br />

Die endgültige Bewilligung der Einrichtung<br />

des Ordinariats Ophthalmologie in<br />

Deutschland initiierte Ludwig Jacobson in<br />

Königsberg. Graefe richtete sich 1859 am<br />

Steinweg 21 eine private Augenklinik ein.<br />

Diese wurde 1873 infolge der Zuerkennung<br />

des Lehrstuhles für Ophthalmologie<br />

an Alfred Graefe und der staatlichen Subventionierung<br />

mit 2 400 Mark pro Jahr<br />

die erste Universitäts-Augenklinik in Halle.<br />

1884 zog Graefe schließlich – gemeinsam<br />

mit dem HNO-Lehrstuhl unter Hermann<br />

Schwartze (1837–1910) – in die<br />

nach seinen Plänen gebaute Universitätsklinik<br />

in der Magdeburger Straße ein.<br />

Der ursprünglich der Augen- und Ohrenklinik<br />

zugedachte Bauplatz wurde, wegen<br />

der von Julius Bernstein (1839–1917) gefürchteten<br />

Lärmbelästigung von der Straße<br />

her, mit dem der Physiologie getauscht.<br />

Hör- und OP-Saal waren zur Nutzung beider<br />

Fachgebiete konzipiert; hinsichtlich aller<br />

anderen Bereiche, auch der Eingänge, erfolgte<br />

eine strikte Trennung. Die Augenklinik<br />

bekam drei Viertel, die HNO-Klinik ein<br />

Viertel der Räumlichkeiten zugeteilt. Der<br />

Eingang zum Hof war den Patienten, der<br />

zur Nordseite dem Personal und den Studenten<br />

vorbehalten.<br />

Graefes Nachfolger, Artur v. Hippel (1841<br />

–1916) erwirkte die Bewilligung zum Anbau<br />

des Hörsaals, der 1894 zur Nutzung<br />

freigegeben wurde. Sein Sohn Eugen v.<br />

Hippel (1867–1939) setzte 1909 den Anbau<br />

eines Tierstalls (zu Forschungszwecken)<br />

und 1913 den Auszug der Ohrenklinik<br />

durch. Der von Hermann Schmidt-<br />

Rimpler (1838–1915) und Eugen v. Hippel<br />

geplante Erweiterungsbau der Universitäts-Augenklinik<br />

– damit verfügte die Klinik<br />

seit 1934 über 168 Betten – gelang erst<br />

Wilhelm Clausen (1878–1961), dem Nachfolger<br />

von Franz Schieck (1871–1945), der<br />

das Lehramt von 1914 bis 1925 versah.<br />

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

Von 1955 bis 1966 hatte Günther Badtke<br />

(1910–1967), von 1966 bis 1976 Karl-<br />

Ernst Krüger (1918–1976) und von 1976<br />

bis 1995 Manfred Tost (*1930) den Lehrstuhl<br />

inne. Nach 2-jährigem kommissarischen<br />

Direktorat durch Hans Georg Struck<br />

übernahm am 1. August 1997 Gernot I. W.<br />

Duncker den halleschen Lehrstuhl für<br />

Ophthalmologie. Das Graefesche Profil der<br />

Blick von der Terrasse der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde auf das<br />

Gebäude der Universitätsklinik für Augenheilkunde Fotos (2): Herde<br />

Eingang zur Universitätsklinik für Augenheilkunde<br />

in der Magdeburger Straße<br />

Klinik erfuhr einerseits bei den neun folgenden<br />

Ordinarien hohe Wertschätzung,<br />

andererseits wurde es den jeweils aktuellen<br />

Bedingungen, dem wissenschaftlichen und<br />

technischen Fortschritt und den Subspezialisierungen<br />

adaptiert. Neben der ophthalmologisch-praktischen<br />

und chirurgischen<br />

Tätigkeit kristallisierten sich die Teratologie<br />

sowie die klinische und experimentelle<br />

Genetik – beginnend bei A. Graefe, A. u.<br />

E. v. Hippel, H. Schmidt-Rimpler, aber besonders<br />

bei G. Badtke und M. Tost – heraus<br />

und erreichten ihren wissenschaftspublizistischen<br />

Höhepunkt im Missbildungsband<br />

des Handbuches »Der Augenarzt«<br />

(Hg. K. Velhagen, 1897–1990) von Günther<br />

Badtke (1. Aufl., Bd. I.IV 1958/61)<br />

und Manfred Tost (2. Aufl., Bd. XI 1986).<br />

Graefe und Schieck verfassten je ein mehrbändiges<br />

Handbuch (Graefe-Saemisch<br />

1874–77, Schieck-Brückner 1930–32). Unter<br />

Krüger wurde frühzeitig die Mikrochirurgie<br />

einbezogen, während Motilitätsstörung<br />

und Schielkrankheit herausragende<br />

Arbeitsgebiete von Graefe und Krüger waren.<br />

Beide v. Hippel (1891 und 1897),<br />

Leonhard Koeppe (1884–1969; 1922) und<br />

Velhagen (1949) wurden für ihre Werke mit<br />

dem Graefepreis geehrt.<br />

In der kurzen Lehramtszeit seit August<br />

1997 gründete Professor Duncker die erste<br />

mitteldeutsche Hornhautbank, führte Umbau<br />

und Modernisierung von OP-Trakt<br />

und Stationen durch und veranstaltete vier<br />

Symposien. Die Zuordnung der Patienten<br />

zu den Spezialsprechstunden gewährleistet<br />

gezielte Diagnostik und Therapie. Heute<br />

sind in der halleschen Universitäts-Augenklinik<br />

alle Bereiche der Ophthalmologie<br />

nach neuestem Erkenntnisstand präsent.<br />

■<br />

Die Autorin studierte von 1961–67 in Sofia,<br />

und Berlin Medizin; es folgten 1967–72 die<br />

Facharztausbildung (Promotion 1968, Habilitation<br />

1990), seit 1972 Lehre/Forschung<br />

an der hiesigen Medizinischen Fakultät.


BERUFUNGEN UND MITTEILUNGEN<br />

Hallescher Mediziner<br />

Vorstandsmitglied und Schatzmeister<br />

Prof. Dr. med. Hermann M. Behre, Universitätsprofessor<br />

und Leiter der Andrologie in<br />

der Universitätsklinik und Poliklinik für<br />

Urologie an der Medizinischen Fakultät der<br />

Martin-Luther-Universität (Direktor: Prof.<br />

Dr. Paolo Fornara), wurde am 18. Juni <strong>2001</strong><br />

auf dem Weltkongress der International<br />

Society of Andrology (ISA) in Montreal/Kanada<br />

mit großer Mehrheit für die nächsten<br />

vier Jahre in den Vorstand und zum Schatzmeister<br />

der Gesellschaft gewählt.<br />

Hallescher Ophthalmologe<br />

zum Ehrenmitglied gewählt<br />

Im Sommer <strong>2001</strong> (Nachricht vom 2. Juli)<br />

wurde Prof. em. Dr. med. Manfred Tost,<br />

vormals Direktor der Klinik und Poliklinik<br />

für Augenheilkunde der halleschen Universität<br />

(siehe Seite 32 unten, Mitte) zum Ehrenmitglied<br />

der Europäischen Ophthalmologischen<br />

Gesellschaft – der Societas Ophthalmologica<br />

Europaea – gewählt.<br />

Hallescher Viszeralchirurg<br />

Mitglied des Royal Colleg of Surgeons<br />

Prof. Dr. Henning Dralle, Direktor der Universitätsklinik<br />

und Poliklinik für Allgemein-,<br />

Viszeral- und Gefäßchirurgie der Medizinischen<br />

Fakultät, wurde im August <strong>2001</strong> in<br />

London zum Mitglied im Royal College of<br />

Surgeons – Fellowship des Royal College of<br />

Surgeons of England – ernannt.<br />

Ehrenpreis für hallesche<br />

Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />

Dr. Silke Markau aus der halleschen Universitätsklinik<br />

und Poliklinik für Innere Medizin<br />

II und Dr. Kirsten Leineweber aus dem<br />

Institut für Pharmakologie und Toxikologie<br />

wurden auf dem Kongress der Europäischen<br />

Gesellschaft für Nierenkrankheiten, Dialyse<br />

und Nierentransplantation im Juni <strong>2001</strong> in<br />

Wien für ihren Beitrag über Rezeptoren am<br />

Herzen in der chronischen Niereninsuffizienz<br />

mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet.<br />

Ihren Vortrag zählte das Programmkomitee<br />

zu den 20 besten von insgesamt über 1 000.<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

Personalia<br />

...............................................................................<br />

Prof. Dr. Markus Pietzsch<br />

FACHBEREICH<br />

INGENIEUR-<br />

WISSENSCHAFTEN<br />

Universitätsprofessor für Aufarbeitung biotechnischer<br />

Produkte am FB Ingenieurwissenschaften<br />

seit 1. September <strong>2001</strong>.<br />

Geboren am 28. Mai 1964 in Braunschweig.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1983–1989 Studium der Chemie an der TU<br />

Braunschweig<br />

1989–1992 wiss. Mitarbeiter an der o. g. TU<br />

1992 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

1992–1993 wiss. Assistent an der o. g. TU<br />

1993–1998 Habilitand, wiss. Mitarbeiter an<br />

der Universität Stuttgart; Leiter<br />

der Arbeitsgruppe Biokatalyse<br />

und Enzymtechnologie<br />

1998–1999 Freier Mitarbeiter und Habilitand<br />

an der Universität Stuttgart<br />

1999 Habilitation<br />

1999–<strong>2001</strong> Lehrauftrag an der Bergakademie<br />

Freiberg; Vertretungsprofessur<br />

an der TU Braunschweig<br />

<strong>2001</strong> Universitätsprofessor in Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Vereinfachte Aufarbeitung von löslichen und<br />

membranständigen Proteinen, Entwicklung<br />

rationaler Methoden zur Immobilisierung<br />

von Enzymen, Modifikation von Proteinen,<br />

Biokatalyse<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

— Ragnitz, K., Syldatk, C. und Pietzsch, M.<br />

(<strong>2001</strong>). Optimization of the immobilization<br />

parameters and operational stability of<br />

immobilized hydantoinase and L-N-carbamoylase<br />

from Arthrobacter aurescens for the<br />

production of optically pure L-amino acids.<br />

In: Enzyme Microb. Technol., 28, 713–720.<br />

— Pietzsch, M., Wiese, A., Ragnitz, K.,<br />

Wilms, B., Altenbuchner, J., Mattes, R. und<br />

Syldatk, C. (2000). Purification of recombinant<br />

hydantoinase and L-N-carbamoylase<br />

from Arthrobacter aurescens expressed in<br />

Escherichia coli: Comparison of wild-type<br />

and genetically modified proteins. In: J.<br />

Chromatogr. B, 737, 179–186.<br />

— Beumer, R., Bubert, C., Cabrele, C., Vielhauer,<br />

O., Pietzsch, M. und Reiser, O. (in<br />

press). The synthesis of diastereo- and enantiomerically<br />

pure ß-aminocyclopropane<br />

carboxylic acids. In: J. Org. Chem.<br />

— Pietzsch, M. und Hopf, H. (1999). The<br />

synthesis of optically active [2.2]paracyclophanes<br />

by biotransformations. In: Bioorganic<br />

Chemistry (Diederichsen, U., Lindhorst,<br />

T. K., Westermann, B. und Wessjohann, L.<br />

A., eds.), Wiley-VCH, Weinheim, 111–120.<br />

35


scientia halensis 3/<strong>2001</strong><br />

...............................................................................<br />

Rätsel / AutorInnen<br />

................................................................................<br />

Zeigt das nebenstehende Foto<br />

36<br />

a) ein ausgetrocknetes Flussbett in Zentralafrika,<br />

b)Ausgrabungen hallescher Archäologen in<br />

Ostgeorgien<br />

oder<br />

c) etwas ganz Anderes – und wenn ja, was?<br />

Die Lösung finden Sie im nächsten Heft.<br />

AutorInnen dieser Ausgabe<br />

Postanschrift für alle AutorInnen (außer<br />

Medizinische Fakultät und Privatadressen):<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

... Fakultät / FB ... / Institut für ...<br />

06099 Halle (Saale)<br />

Dr. Ralf-Torsten Speler<br />

Leiter der Zentralen Kustodie und des<br />

Universitätsarchivs<br />

(Universitätsplatz 11)<br />

Tel.: 0345 / 552 17 33<br />

Fax: 0345 / 552 71 62<br />

E-Mail: r.-t.speler@kustodie.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Pia Schmid / Dr. Bertold Ebert /<br />

Jessika Piechocki<br />

FB Erziehungswissenschaften<br />

Institut für Pädagogik<br />

(Franckeplatz 1, Haus 2–7)<br />

Tel.: 0345 / 552 37 90 / 39 70<br />

Fax: 0345 / 552 71 33<br />

E-Mail: schmid@paedagogik.uni-halle.de<br />

E-Mail: ebert@paedagogik.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Hermann Goltz<br />

Theologische Fakultät<br />

Institut für Historische Theologie<br />

(Franckeplatz 1, Haus 30)<br />

Tel: 0345 / 552 30 30/31<br />

Fax: 0345 / 552 70 97<br />

E-Mail: goltz@theologie.uni-halle.de<br />

Dr. Friedemann Stengel<br />

Theologische Fakultät<br />

Institut für Historische Theologie<br />

(Franckeplatz 1, Haus 30)<br />

Tel: 0345 / 552 30 50<br />

Fax: 0345 / 552 72 40<br />

E-Mail: stengel@theologie.uni-halle.de<br />

Dr. Norbert Hauschke<br />

FB Geowissenschaften<br />

Institut für Geologische Wissenschaften und<br />

Geiseltalmuseum<br />

(Domplatz 5)<br />

Tel: 0345 / 552 61 15<br />

Fax: 0345 / 552 72 15<br />

E-Mail: hauschke@geologie.uni-halle.de<br />

Die Abbildung in der Ausgabe 2/01 zeigte die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines<br />

Positiv-Abdruckes einer Hautfurche (stark geneigt; 200 µm, Foto: Herrmann/Seydewitz)<br />

Dr. Wieland Berg / Dr. Sybille Gerstengarbe<br />

Deutsche Akademie der Naturforscher<br />

Leopoldina, Red. Acta Historica Leopoldina<br />

Postfach 11 05 43<br />

06019 Halle (Saale)<br />

Tel.: 0345 / 472 39 30<br />

Fax: 0345 / 472 39 19<br />

E-Mail: berg@leopoldina.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Peter Hertner<br />

FB Geschichte, Philosophie und Sozialwiss.<br />

Institut für Geschichte<br />

(Kröllwitzer Straße 44)<br />

Tel.: 0345 / 552 42 97<br />

Fax: 0345 / 552 70 42<br />

E-Mail: hertner@geschichte.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Giuseppe Veltri<br />

FB Kunst-, Orient- und Altertumswiss.<br />

Institut für Orientalistik<br />

(Mühlweg 15)<br />

Tel: 0345 / 552 40 60<br />

Fax: 0345 / 552 72 00<br />

E-Mail: veltri@orientphil.uni-halle.de<br />

Dr. Cordula Günther<br />

FB Sprach- und Literaturwissenschaften<br />

Abt. Medien- und Kommunikationswiss.<br />

(Rudolf-Breitscheid-Straße 10)<br />

Tel: 0345 / 552 35 75<br />

Fax: 0345 / 552 35 71<br />

E-Mail: guenther@medienkomm.uni-halle.de<br />

PD Dr. Edith Glaser<br />

Tschaikowskistr. 22<br />

04105 Leipzig<br />

Tel.: 0341 / 980 01 30<br />

E-Mail: edith.glaser@web.de<br />

Doz. Dr. Hans-Joachim Kertscher<br />

Interdisziplinäres Zentrum für die<br />

Erforschung der Europäischen Aufklärung<br />

(Franckeplatz 1, Haus 54)<br />

Tel: 0345 / 552 17 74<br />

Fax: 0345 / 552 72 52<br />

E-Mail: kertscher@izea.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Wolfgang Fratzscher<br />

Marsstraße 13<br />

06118 Halle (Saale)<br />

Tel.: 0345 / 522 55 35<br />

Dipl.-Theol. Sebastian Kranich<br />

Theologische Fakultät<br />

Institut für Systematische Theologie<br />

(Franckeplatz 1, Haus 30)<br />

Tel: 0345 / 552 30 10<br />

Fax: 0345 / 552 70 88<br />

E-Mail: kranich@theologie.uni-halle.de<br />

Dr. Irene Roch-Lemmer<br />

Hoher Weg 14<br />

06120 Halle (Saale)<br />

Tel.: 0345 / 550 40 59<br />

Dr. Rolf Diemann / Dipl.-Ing. Oliver Arndt<br />

Landwirtschaftliche Fakultät<br />

Institut für Agrarökonomie und Agrarraumgestaltung<br />

(Adam-Kuckhoff-Str. 15)<br />

Tel: 0345 / 552 24 41<br />

Fax: 0345 / 552 71 14<br />

E-Mail: diemann@landw.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. med. Jutta Herde<br />

Medizinische Fakultät<br />

Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde<br />

(Magdeburger Straße 8)<br />

Tel.: 0345 / 557 18 78<br />

Fax: 0345 / 557 18 48<br />

E-Mail: j.herde@medizin.uni-halle.de<br />

___________________________________<br />

Errata<br />

Auf Seite 10 der Ausgabe 2/01 des Wissenschaftsjournals<br />

wurde im Artikel von Jürgen<br />

Vogel und Jörg Kreßler: »Wechselwirkungen<br />

zwischen Lebewesen und Material« POREX<br />

fälschlicherweise als ein Polyethylen niederer<br />

Dichte beschrieben.<br />

Richtig muss es heißen: POREX ist ein lineares<br />

Polyethylen hoher Dichte. Die Abbildungen<br />

gingen aus der gemeinsamen Forschung<br />

mit der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Alexander<br />

Berghaus (HNO-Klinik) hervor und wurden<br />

von Dr. Dagobert Glanz (Medizinische Fakultät,<br />

Physiologische Chemie) mit Hilfe der<br />

konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie<br />

gewonnen.<br />

E-Mail: juergen.vogel@iw.uni-halle.de


VEREINIGUNG DER FREUNDE UND FÖRDERER DER<br />

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG E.V.<br />

Ehrenvorsitzender des Kuratoriums: Senator e. h. Dr. h. c. mult. Hans-Dietrich Genscher<br />

EMPORIUM. 500 JAHRE UNIVERSITÄT HALLE–WITTENBERG<br />

Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2002<br />

Am 31. <strong>Oktober</strong> beginnt das Akademische<br />

Festjahr, mit dem die<br />

Martin-Luther-Universität das 500jährige<br />

Bestehen ihres Wittenberger<br />

Zweigs feiert. Um möglichst<br />

breite Kreise der Öffentlichkeit für<br />

das Jubiläum zu interessieren, wird<br />

am 23. April 2002 die sozialhistorische<br />

Landesausstellung “EMPO-<br />

RIUM. 500 Jahre Universität<br />

Halle–Wittenberg“ eröffnet.<br />

Die Exposition wahrer Schätze der<br />

deutschen Kultur- und Geistesgeschichte<br />

von Weltrang wird auf<br />

rund 1.300 m 2 im gesamten Hauptgebäude<br />

der Universität opulent<br />

inszeniert. Sie zeigt repräsentative<br />

und traditionsbegründende Objekte<br />

wie Stiftungsurkunde, Universitätsinsignien,<br />

Matrikelbücher, Jubiläumsmedaillen,Professorengemälde,<br />

Porträtbüsten und grafische<br />

Ansichten von Wittenberg und<br />

Halle. Herausragendes Exponat ist<br />

zweifelsohne das von Jacob Jo-<br />

Vorsitzender des Kuratoriums: Senator e. h. Dr. Gerhard Holland<br />

Präsident: Senator e. h. Dr. Wolfgang Röller<br />

hann Marchand gestaltete barocke<br />

Disputkatheder aus der Leucorea.<br />

Die Ausstellung wird sich auch<br />

intensiv mit der Universitätsgeschichte<br />

im 20. Jahrhundert auseinandersetzen<br />

und bietet nicht<br />

zuletzt sehenswerte Inszenierungen<br />

aktueller Forschung, beispielsweise<br />

die Beobachtung der Formen und<br />

Farben bei der mikroskopischen<br />

Arbeit mit Flüssigkristallen. Zum<br />

Ausstellungskonzept gehört die<br />

„ARENA“, eine Bühne direkt vor<br />

dem Löwengebäude, auf der vielfältige<br />

Veranstaltungen die Schnittstelle<br />

zwischen Universität und<br />

Stadt markieren werden.<br />

Die Landesausstellung wird von<br />

der VFF unterstützt. Hauptsponsor<br />

ist die Dresdner Bank. Eine umfangreiche<br />

Förderung stellte auch<br />

die Lotto-Toto GmbH Sachsen-<br />

Anhalt bereit.<br />

Geschäftsführer: Peter Weniger<br />

c/o Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle (Saale)<br />

Telefon: (03 45) 55-2 10 24/25<br />

Telefax: (03 45) 55-2 70 85<br />

e-mail: PWeniger@vff.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de/vff/<br />

Für Mitgliedsbeiträge und Spenden wurden folgende Konten eingerichtet:<br />

Dresdner Bank Halle,<br />

Konto-Nr. 8 573 621 00, BLZ 800 800 00<br />

Stadt- und Saalkreissparkasse Halle,<br />

Konto-Nr. 3 863 007 62, BLZ 800 537 62<br />

Flüssigkristalle unter dem Mikroskop<br />

Spenden zur Verwirklichung der Ziele der Vereinigung und zum Nutzen der Universität sind jederzeit willkommen. Diese Spenden können<br />

an eine Zweckbestimmung gebunden sein. Die Vereinigung ist berechtigt, steuerwirksame Spendenbescheinigungen auszustellen<br />

Aufnahme: Gerhard Pelzl

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