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Guédelon – Bau einer Burg im 21. Jahrhundert - Webmuseum.ch

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Abb. 7. und 8. Steinbru<strong>ch</strong> und Steinbre<strong>ch</strong>er bei der Arbeit (Fotos: Verf.).<br />

hen der Turmwände in den Hof, wird<br />

damit gegründet, dass auf diese Weise<br />

gestaffelt Hindernisse angebra<strong>ch</strong>t<br />

werden können wie Fallgatter (herse),<br />

Wurferker (bretè<strong>ch</strong>e) und Auswurföffnungen<br />

(assommoirs).<br />

Die Poterne<br />

Der Notausgang führt neben dem Kapellenturm<br />

vom Hof über eine s<strong>ch</strong>male<br />

Treppe in den Graben. Der Zugang<br />

vom Hof ist mit zwei massiven Holztüren<br />

vers<strong>ch</strong>lossen, die eine S<strong>ch</strong>leuse<br />

(sas) bilden. Die vordere Tür muss<br />

na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts gestoßen werden, die hintere<br />

na<strong>ch</strong> links gezogen werden. Auf<br />

diese Weise behindern si<strong>ch</strong> die beiden<br />

Türblätter be<strong>im</strong> Öffnen; es kann <strong>im</strong>mer<br />

nur eine Tür offen sein.<br />

Die Mauerwerksstruktur<br />

(l’appareillage)<br />

Der Mauerwerksverband gibt der<br />

Mauer ein <strong>ch</strong>arakteris<strong>ch</strong>es Aussehen,<br />

je na<strong>ch</strong>dem, wel<strong>ch</strong>e Form die einzelnen<br />

Mauersteine haben. Be<strong>im</strong> unregelmäßigen<br />

Mauerwerksverband (appareil<br />

irrégulier) sind die Steine von<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Größe und werden<br />

nur grob behauen. Der Vorteil dieser<br />

<strong>Bau</strong>art liegt <strong>im</strong> ras<strong>ch</strong>en Aufbau der<br />

Mauer bei geringeren Kosten (für das<br />

Zuri<strong>ch</strong>ten der Steine). Be<strong>im</strong> regelmäßigen<br />

Mauerwerksverband (appareil régulier)<br />

werden die <strong>Bau</strong>steine aufwändig<br />

bearbeitet und weisen regelmäßige<br />

Lagefugen auf. Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> ohne Vorteil<br />

gegenüber dem unregelmäßigen Mauerwerksverband<br />

wird das regelmäßige<br />

Mauerwerk als Symbol und Ausdruck<br />

der finanziellen Ma<strong>ch</strong>t des <strong>Bau</strong>herrn<br />

gedeutet. Auf <strong>Guédelon</strong> sind beide<br />

Mauerarten zu sehen, allerdings überwiegt<br />

das unregelmäßige Mauerwerk,<br />

was no<strong>ch</strong> zu erläutern sein wird.<br />

<strong>Burg</strong>en und S<strong>ch</strong>lösser 4/2006<br />

Das Da<strong>ch</strong><br />

Zwis<strong>ch</strong>en Kapellenturm und Wohngebäude<br />

ist ein Annexbau eingestellt,<br />

der bereits bis unter das Da<strong>ch</strong> fertig<br />

erstellt ist (Oktober 2006). Auf die<br />

Sparren (<strong>ch</strong>evrons) wird ein Bretterda<strong>ch</strong><br />

aus Ei<strong>ch</strong>enbrettern aufgenagelt.<br />

Auf dieser Unterlage werden dann die<br />

Nadelholz-S<strong>ch</strong>indeln (tavaillons) befestigt,<br />

ebenfalls mit Nägeln.<br />

Das Projekt<br />

Die Grundsteinlegung für den <strong>Bau</strong><br />

der <strong>Burg</strong> <strong>im</strong> aufgelassenen Steinbru<strong>ch</strong><br />

fand am 27. Juni 1997 statt. Als <strong>Bau</strong>leiter<br />

mit ar<strong>ch</strong>äologis<strong>ch</strong>er Ausbildung<br />

gewann man Florian Renucci. Im<br />

strukturs<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Gebiet der Bois<br />

de Puisaye entstanden seither insgesamt<br />

45 neue Arbeitsplätze <strong>im</strong> <strong>Bau</strong>handwerk,<br />

bei den Zulieferfirmen und<br />

bei der (modernen) Verwaltung; sie<br />

sind alle bei dem Verein „<strong>Guédelon</strong><br />

<strong>ch</strong>antier médiéval“ angestellt. Es wird<br />

mit <strong>einer</strong> <strong>Bau</strong>zeit von rund 25 Jahren<br />

gere<strong>ch</strong>net, <strong>einer</strong> Zeitspanne, die au<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> Maßstäben des 13. <strong>Jahrhundert</strong>s<br />

als ungewöhnli<strong>ch</strong> lange gilt. Do<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t die vollendete <strong>Burg</strong> ist das Ziel<br />

dieses Projektes, sondern der <strong>Bau</strong>vorgang<br />

an si<strong>ch</strong> <strong>–</strong> und da gilt es <strong>im</strong>mer<br />

wieder einmal zunä<strong>ch</strong>st Erfahrungen<br />

zu sammeln, bis der <strong>Bau</strong>vorgang zügiger<br />

vorangehen kann8 . Als Grundsatz<br />

für das gesamte Projekt gilt: Es<br />

werden nur Methoden und Te<strong>ch</strong>niken<br />

angewandt, die (soweit es die Historiker<br />

und <strong>Bau</strong>fors<strong>ch</strong>er wissen) <strong>im</strong><br />

13. <strong>Jahrhundert</strong> bekannt waren; <strong>im</strong><br />

Weiteren werden nur Werkzeuge und<br />

<strong>Bau</strong>stoffe benutzt, die au<strong>ch</strong> den <strong>Bau</strong>meistern<br />

des 13. <strong>Jahrhundert</strong>s zur<br />

Verfügung standen. Damit das Ganze<br />

<strong>Guédelon</strong> <strong>–</strong> <strong>Bau</strong> <strong>einer</strong> <strong>Burg</strong> <strong>im</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong><br />

au<strong>ch</strong> äußerli<strong>ch</strong> <strong>einer</strong> mittelalterli<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Bau</strong>stelle glei<strong>ch</strong>t, müssen die Handwerker<br />

in entspre<strong>ch</strong>ender Kleidung<br />

am Arbeitsplatz ers<strong>ch</strong>einen.<br />

Die Finanzierung und die Kritik am<br />

Projekt<br />

In der Anfangsphase wurde das Projekt<br />

<strong>Guédelon</strong> aus Mitteln der EU<br />

und des französis<strong>ch</strong>en Staates mit 2,5<br />

Mio. Euro gefördert. S<strong>ch</strong>on damals<br />

war geplant, ab dem 1. Mai 1998 den<br />

<strong>Bau</strong>platz au<strong>ch</strong> für zahlende Gäste<br />

zugängli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Längerfristig<br />

sollen die Eintrittsgelder dem Projekt<br />

zur finanziellen Unabhängigkeit<br />

verhelfen. 2005 wurden 245 000 Besu<strong>ch</strong>er<br />

gezählt, davon über 80 000<br />

Kinder. Der mittelalterli<strong>ch</strong>e <strong>Bau</strong>platz<br />

ist damit zu <strong>einer</strong> bedeutenden touristis<strong>ch</strong>en<br />

Attraktion <strong>im</strong> Departement<br />

Yonne und der Region <strong>Burg</strong>und geworden.<br />

Kritis<strong>ch</strong>e St<strong>im</strong>men äußern,<br />

dass das ar<strong>ch</strong>äologis<strong>ch</strong>e Exper<strong>im</strong>ent<br />

zu einem Event-Park verkommt. Der<br />

Trägerverein hingegen vertritt die<br />

Meinung, dass si<strong>ch</strong> Exper<strong>im</strong>ent und<br />

Erlebnispark sehr gut vertragen und<br />

<strong>im</strong> Prinzip aufeinander angewiesen<br />

sind. Für diese Haltung und den Erfolg,<br />

der si<strong>ch</strong> in steigenden Besu<strong>ch</strong>erzahlen<br />

äußert, wird der Verein denn<br />

au<strong>ch</strong> regelmäßig von Touristik-Fa<strong>ch</strong>leuten<br />

ausgezei<strong>ch</strong>net 9 .<br />

Der <strong>Bau</strong>platz (ein Rundgang)<br />

Rund um die entstehende <strong>Burg</strong> sind<br />

die für den <strong>Bau</strong>betrieb notwendigen<br />

Einri<strong>ch</strong>tungen und Zulieferer angesiedelt,<br />

die teilweise in <strong>einer</strong> dorfähnli<strong>ch</strong>en<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft zusammengefasst<br />

sind.<br />

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