Guédelon – Bau einer Burg im 21. Jahrhundert - Webmuseum.ch
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Thomas Bitterli-Waldvogel<br />
Abb. 9. Der Bergfried zeigt zwei Formen<br />
der auf <strong>Guédelon</strong> angewandten<br />
Mauerwerksstrukturen: Das Fundament<br />
besteht aus dem (kostspieligerem)<br />
Quadermauerwerk (appareil<br />
régulier), die darüberliegenden Lagen<br />
sind mit dem unregelmässigen<br />
Bru<strong>ch</strong>steinmauerwerk (appareil irrégulier)<br />
erri<strong>ch</strong>tet worden. Die vier Reihen<br />
einges<strong>ch</strong>ogenen Quader sind ein<br />
Dekorationselement (und markieren<br />
glei<strong>ch</strong>zeitig die Lage des Ges<strong>ch</strong>ossbodens)<br />
(Foto: Verf.).<br />
Der Steinbru<strong>ch</strong> (la carrière)<br />
Der Steinbru<strong>ch</strong> befindet si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Graben.<br />
In bekannter Manier gewinnt<br />
man mit dem Ausbre<strong>ch</strong>en der Steine<br />
<strong>Bau</strong>material, und glei<strong>ch</strong>zeitig wird<br />
der Graben verbreitert und abgetieft.<br />
Bis zum Abs<strong>ch</strong>luss des <strong>Bau</strong>werkes<br />
müssen die Steinbre<strong>ch</strong>er rund 7 500 t<br />
Stein bewegen; bei einem spezifis<strong>ch</strong>en<br />
Gewi<strong>ch</strong>t von 2,60 kg für den quarzithaltigen<br />
Sandstein sind das rund<br />
2 900 m 2 Gestein.<br />
Das hier anstehende Gestein ist ein<br />
rötli<strong>ch</strong>er (eisenhaltiger) jurassis<strong>ch</strong>er<br />
Sandstein (grès ferrugineux). Es finden<br />
si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Härtegrade <strong>im</strong><br />
selben Bru<strong>ch</strong>. Die härteste Qualität<br />
wird für die Steinmetze gebro<strong>ch</strong>en, die<br />
daraus die Werksteine für Tür, Fenster<br />
und Gewölbe arbeiten. Der wei<strong>ch</strong>ere<br />
Stein wird als Bru<strong>ch</strong>stein für Mauerkern<br />
und Füllungen von Gewölben<br />
verwendet. Dazwis<strong>ch</strong>en finden si<strong>ch</strong><br />
<strong>im</strong>mer wieder Lagen von Sand, der<br />
als Zus<strong>ch</strong>lag dem Mörtel beigegeben<br />
wird. Die Härte des Gesteins prüft<br />
der Steinbre<strong>ch</strong>er mit einem Hammers<strong>ch</strong>lag:<br />
Der gute Werkstein lässt ein<br />
„Piff“ erklingen, bei einem „Paff“<br />
wird der Stein als Mauerstein verwendet.<br />
Ein dumpfes „Puff“ deutet<br />
auf interne Klüfte, Brü<strong>ch</strong>e oder hohen<br />
Sandanteil hin; dieser Brocken wird<br />
zers<strong>ch</strong>lagen und als Material für das<br />
Füllmauerwerk verwendet.<br />
Die Steinmetze (les tailleurs de<br />
pierre)<br />
Die Steinmetze formen aus den rohen<br />
Blöcken die Quadersteine für<br />
das Mantelmauerwerk. Ein Steinmetz<br />
kann etwa vier Blöcke pro Tag<br />
herstellen. Für die Kreuzrippengewölbe<br />
in den Rundtürmen benötigen<br />
die Handwerker einen Rissboden<br />
(plan<strong>ch</strong>es d‘épure), eine Zei<strong>ch</strong>nung<br />
in Originalgröße auf einem Bretterboden.<br />
Na<strong>ch</strong> diesen Maßen erstellen sie<br />
die Holzs<strong>ch</strong>ablonen (gabarit) für die<br />
einzelnen Werkstücke. Ferner werden<br />
hier au<strong>ch</strong> die Steinplatten (dalles) für<br />
den späteren Plattenbelag der Böden<br />
<strong>im</strong> Innenraum vorbereitet.<br />
Die Z<strong>im</strong>merleute (les <strong>ch</strong>arpentiers)<br />
Die Z<strong>im</strong>merleute bes<strong>ch</strong>äftigen si<strong>ch</strong><br />
mit allem, was be<strong>im</strong> <strong>Bau</strong> aus Holz<br />
hergestellt wird, seien es die <strong>Bau</strong>gerüste,<br />
die Lehrgerüste, die Türen, die<br />
Brücke, die Hebevorri<strong>ch</strong>tungen, aber<br />
au<strong>ch</strong> alle Ersatzstiele für die zahlrei<strong>ch</strong>en<br />
Werkzeuge. Für die komplexeren<br />
Lehrgerüste der Gewölbekonstruktionen<br />
benutzen sie ebenfalls den<br />
Rissboden.<br />
Die <strong>Bau</strong>gerüste (é<strong>ch</strong>afaudages) werden<br />
na<strong>ch</strong> der bekannten Manier als<br />
fliegende Gerüste oder als Stangengerüste<br />
eingeri<strong>ch</strong>tet. Bemerkenswert<br />
ist hier ein Detail: Die Gerüsthölzer<br />
(boulins) werden in viereckige Maueröffnungen,<br />
die ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die ganze<br />
Mauerdicke gehen, eingesteckt und<br />
verkeilt. Bei der Demontage werden<br />
die Rundhölzer aus den viereckigen<br />
Lö<strong>ch</strong>ern <strong>im</strong> Mauerwerk herausgezogen<br />
und für die nä<strong>ch</strong>ste Lage verwendet<br />
10 . Die Z<strong>im</strong>merleute sind auf<br />
Guédélon ni<strong>ch</strong>t nur an der <strong>Burg</strong> bes<strong>ch</strong>äftigt,<br />
sondern erri<strong>ch</strong>ten au<strong>ch</strong> die<br />
Ständerbauten der Zulieferer, die in<br />
einem ‚Dorf‘ am Rande der <strong>Bau</strong>stelle<br />
versammelt sind.<br />
Abb. 10. Hinter dem verbreiterten Mauerfuß (glacis) verbirgt si<strong>ch</strong> die Poterne (der Notausgang). Der grünli<strong>ch</strong>e Belag<br />
auf dem Mauerwerk stammt von Algen, die si<strong>ch</strong> wegen der Mistauflage auf der unfertigen Krone bilden. In diesem<br />
Berei<strong>ch</strong> sind die Gerüstlö<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> mit einem Quaderstein vers<strong>ch</strong>lossen.<br />
Abb. 11. Die horizontalen Gerüsthölzer (boulins) sind mit Holzkeilen in den vorbereiteten Gerüsthebellö<strong>ch</strong>ern (trou de<br />
boulin) und werden dur<strong>ch</strong> Streben unterstützt. Die Stützen für den Gerlüstlauf sind kunstvoll in das horizontale Gerüstholz<br />
eingezapft und mit Holznagel fixiert (Fotos: Verf.).<br />
18 <strong>Burg</strong>en und S<strong>ch</strong>lösser 4/2006