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doppelpunkt: - ev.-luth. Diakonissenanstalt Marienstift Braunschweig

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<strong>doppelpunkt</strong>:<br />

Nr. 3/2011<br />

www.marienstift-braunschweig.de<br />

Aus dem Inhalt:<br />

– Neuer Seelsorger<br />

Pastor Karl-Peter Schrapel<br />

– Dr. Udo R. Schwippel<br />

über Hygiene im<br />

Krankenhaus<br />

– MdB Dr. Carola Reimann<br />

über Gesundheitspolitik<br />

– Lektorin Karin-Heide Rütters<br />

über das „Glück im<br />

Gottesdienst“<br />

– Bewohnerin Helge Makrutzki<br />

erinnert an Loriot<br />

– MdL Heidemarie Mundlos<br />

über das neue Heimgesetz“<br />

– Propst i. R. Armin Kraft<br />

über 70 Jahre Kirche<br />

– Dr. Burkhard Budde über<br />

Spuren der Liebe


Aus dem Inhalt:<br />

6 Pastor Karl-Peter Schrapel neuer Seelsorger<br />

12 Dr. Udo R. Schwippel über Hygiene im Krankenhaus<br />

20 Dr. Carola Reimann über Gesundheitspolitik<br />

28 Sommerfest in Bethanien<br />

33 Lektorin Karin-Heide Rütters vom Glück Gottesdienst halten zu dürfen<br />

40 Heidemarie Mundlos über das neue Heimgesetz<br />

44 Ein Blick in die Diakonische Galerie<br />

48 Propst i. R. Armin Kraft über die Kirche<br />

Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung zu diesem „<strong>doppelpunkt</strong>“<br />

oder auch zu einem Artikel unter<br />

E-Mail: b.budde@marienstift-braunschweig.de bzw. unter Fax: 0531 7011-5304 oder<br />

Redaktion „<strong>doppelpunkt</strong>“, <strong>Marienstift</strong>, Helmstedter Str. 35, 38102 <strong>Braunschweig</strong>.<br />

Wir senden Ihnen unseren „<strong>doppelpunkt</strong>“ gern regelmäßig und kostenlos zu.<br />

Bitte geben Sie uns entsprechende Anschriften bekannt.<br />

Spendenkonto<br />

Ev. Darlehnsgenossenschaft e. G. Kiel · Konto 30 54 542 · BLZ 210 602 37<br />

Herausgeber: Evangelisch-<strong>luth</strong>erische <strong>Diakonissenanstalt</strong> <strong>Marienstift</strong> in <strong>Braunschweig</strong><br />

Verantwortlich iSdP: Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde<br />

Redaktionskreis: Heike Otto, Schwester Wanda Elsner, Oberin i. R. Karin Hille<br />

Helmstedter Straße 35, 38102 <strong>Braunschweig</strong>,<br />

Telefon 0531 7011-304, Telefax 0531 7011-5304<br />

Internet-Adresse: www.marienstift-braunschweig.de<br />

E-Mail: b.budde@marienstift-braunschweig.de<br />

Satz: PER Medien+Marketing GmbH, Bismarckstraße 4, 38102 <strong>Braunschweig</strong><br />

Druck: Heckner Print-Service, Harzstraße 23, 38300 Wolfenbüttel<br />

Telefon 05331 8008-50, Telefax 05331 8008-58


Sommerfest als sonnige „Sause“<br />

Von Mitarbeitern für Mitarbeiter im Park des <strong>Marienstift</strong>es<br />

Marianne Streithoff und Ulrich Furth (r.) von der Mitarbeitervertretung bei der Begrüßung.<br />

Die Bereichsleitung<br />

der<br />

Anästhesie<br />

Schwester Karin<br />

Grüter und<br />

HNO-Belegarzt<br />

Dr. Wolfgang<br />

Schwartz.<br />

Im schönen Park vor den Ausbildungsstätten<br />

des <strong>Marienstift</strong>es fand am 2. September<br />

2011 erstmalig die „Sommersause“ der<br />

Mitarbeitervertretung( MAV) der kirchlichen<br />

Einrichtung statt. Mitarbeiter, Angehörige<br />

und Freunde des Hauses waren sich einig:<br />

Das Wetter stimmte, die Atmosphäre, die<br />

Gemeinschaft und die vielfältigen Begegnungen.<br />

Aber auch das Essen und die Getränke<br />

hielten Leib und Seele zusammen.<br />

Ulrich Furth und Marianne Streithoff von der<br />

Mitarbeitervertretung begrüßten die Gäste,<br />

unter ihnen der gesamte Vorstand mit Dr.<br />

Burkhard Budde, Ralf Benninghoff und Angela<br />

Tiemann, sowie der Küchenleiter Ekkehard<br />

Haase, der Leiter der Personalabteilung<br />

Dennis Berger, die Seelsorgerin Ruth Berger,<br />

die Oberärzte Dr. Simone Giller, Wilfried<br />

Metzger und Dr. Janine Kreiss-Sender sowie<br />

der Belegarzt Dr. Wolfgang Schwartz.<br />

Zur MAV, die das Fest ausgerichtet hatte,<br />

gehören Ulrich Furth (Vorsitzender), Marianne<br />

Streithoff (Stellvertretende Vorsitzende),<br />

Jens Vollbrecht, Carola Fenske, Guido Berger,<br />

Dr. Kreiss-Sender, Jadwiga Hübner, Gi-<br />

Oberarzt<br />

Wilfried Metzger<br />

mit seinem Sohn<br />

Jan Michael.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

3


sela Goette, Alexander Rutter, Rudolf Tyslik,<br />

Gudrun Dobrick und Ursula Mehr (Schwerbehindertenvertretung).<br />

Der Erlös der „Sause“ – 564,51 Euro, vom<br />

Vorstand auf eine Spendensumme von<br />

1000 Euro aufgestockt – ist für das Matya-<br />

4 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Mitarbeiter, Angehörige und Kinder.<br />

Gut gelaunte Mitarbeiterinnen.<br />

zo Hospital – ein 100 Betten Krankenhaus<br />

in Tansania – bestimmt. Dort arbeitet die<br />

ehemalige Oberärztin des <strong>Marienstift</strong>es Dr.<br />

Ute Trautwein, die im November während<br />

ihrer Urlaubszeit nach <strong>Braunschweig</strong> kommen<br />

will, um im <strong>Marienstift</strong> einen Vortrag<br />

über ihre Arbeit zu halten.<br />

„Romantische Atmosphäre“ im Park vor dem Florence-Nightingale-Haus.


Diakonissen und Mitglieder der Diakonischen Gemeinschaft.<br />

Verwaltungsmitarbeiterin Miriam Greulich, Student Fabian Sander, Leiter der Personalabteilung<br />

Dennis Berger, Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde, stv. Vorstandsvorsitzender Ralf<br />

Benninghoff und Verwaltungsmitarbeiterin Marianne Streihoff (v. l. n. r.).<br />

Gute Stimmung bis zum Ende des Festes.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

5


Neuer Seelsorger im <strong>Marienstift</strong><br />

Stärkung des Diakonischen Profi ls<br />

Pastor Karl-Peter Schrapel<br />

(50) ist ab 1. September<br />

2011 als Seelsorger<br />

im <strong>Marienstift</strong><br />

tätig. In der Mitarbeiterandacht<br />

in der<br />

Karl-Peter Schrapel<br />

Fliedner-Kirche wurde<br />

er am 6. September<br />

2011 gemeinsam mit<br />

anderen neuen Mitarbeitern<br />

vom Vorstand<br />

in die christliche Dienstgemeinschaft aufgenommen.<br />

Die Kirchenregierung der Ev.- <strong>luth</strong>. Landeskirche<br />

in <strong>Braunschweig</strong> hatte im August beschlossen,<br />

Pfarrer Schrapel eine Stelle in der<br />

kirchlichen Stiftung <strong>Marienstift</strong> im Umfang<br />

von 75 Prozent einer vollen Pfarrstelle zu<br />

übertragen. Darüber hinaus behält er seinen<br />

Zusatzauftrag von 25 Prozent im Blick auf<br />

den pastoralpsychologischen Dienst in der<br />

Landeskirche. Karl-Peter Schrapel war seit<br />

2004 als Krankenhausseelsorger im Krankenhaus<br />

St. Marienberg in Helmstedt tätig.<br />

Der Vorstandsvorsitzende des <strong>Marienstift</strong>es,<br />

Dr. Burkhard Budde, der gemeinsam mit seinen<br />

Vorstandskollegen Ralf Benninghoff und<br />

Angela Tiemann die offi zielle Aufnahme der<br />

neuen Mitarbeiter in die Dienstgemeinschaft<br />

6 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

vornahm, sagte, dass alle etwa 650 Mitarbeiter<br />

eine Verantwortung für das „Diakonische<br />

Profi l“ tragen würden. Ein hauptamtlicher<br />

Seelsorger könne jedoch in besonderer<br />

Weise dazu beitragen, „dass der Mensch im<br />

Mittelpunkt aller Dienst- und Managementaufgaben<br />

steht, weil Gott selbst die Mitte allen<br />

Lebens darstellt.“ In der Andacht, die einmal<br />

im Monat durchgeführt wird und in die<br />

Zimmer des Krankenhauses und des Altenpfl<br />

egeheimes Bethanien per Bild und Ton<br />

übertragen wird, erhielten die neuen Mitarbeiter<br />

die <strong>Marienstift</strong>snadel als ein Zeichen<br />

der Zugehörigkeit zum Haus überreicht; die<br />

Organistin Gisela Berger erhielt ein Geschenk,<br />

da sie am 6. September Geburtstag hatte.<br />

Die neuen Mitarbeiter sind Heike Fuhrmeister-Plath<br />

(Krankenschwester), Jens-Uwe<br />

Müller (Verwaltung), Dr. Gesa Meyer-Bekel<br />

(Innere Klinik), Sarah Behrens (Freiwilliges<br />

Soziales Jahr), Katharina Viktoria Wasmus<br />

(Auszubildende in der Verwaltung), Kira Janine<br />

Waldmann (Auszubildende in der Verwaltung),<br />

Anja Müller (Medizinische Schreibkraft),<br />

Dominik Mäule (Mitarbeiter der Verwaltung),<br />

David Winterfeld (Freiwilliges Soziales<br />

Jahr), Sabine Ferl (Medizinische Schreibkraft),<br />

Ärztin Monika Wopp (Innere Klinik),<br />

Pastor Karl-Peter Schrapel (Seelsorge).<br />

Neue Mitarbeiter gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern im Altarraum der Fliedner-Kirche.<br />

Fotos: Heike Otto


Ausstellung „Überleben von Kindern sichern“<br />

„Kindern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen“<br />

„Unicef hat sich für Kinder stark gemacht“,<br />

sagte Angela Tiemann, Vorstandsmitglied<br />

des <strong>Marienstift</strong>es, anlässlich der Eröffnung<br />

der unicef-Ausstellung „Überleben von Kindern<br />

sichern“ am 5. Juli 2011 im Café<br />

„Parkblick“ des Altenpfl egeheimes Bethanien.<br />

„Wir machen uns im <strong>Marienstift</strong> für<br />

kranke, schwache und alte Menschen stark.<br />

Das eint“, betonte Angela Tiemann. Die<br />

Ausstellung, die die Ursachen der hohen<br />

Kindersterblichkeit und Lösungsansätze von<br />

unicef aufzeigt, passe sehr gut in das Diako-<br />

Angela Tiemann (l.) mit Hannelore Hesse.<br />

nische Profi l der kirchlichen Einrichtung. Um<br />

Kindern ein menschenwürdiges Leben zu<br />

ermöglichen, brauche es Erwachsene.<br />

Hannelore Hesse von unicef <strong>Braunschweig</strong>,<br />

die die Ausstellung angeregt hatte, berichtete<br />

über die Aktivitäten des Kinderhilfswerkes<br />

der Vereinten Nationen. Das Werk, das<br />

unabhängig etwa von Hautfarbe, vom Geschlecht<br />

oder von der Sprache, Religion<br />

oder ethnischer Zugehörigkeit tätig ist, versorge<br />

jedes zweite Kind weltweit mit Impf-<br />

Stiftungsratsmitglied Eberhard Sieber (r.) mit dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung Ulrich<br />

Furth. Fotos: Susanne Schlinker-Thiel<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

7


stoffen, baue Brunnen und stelle Schulmaterial<br />

für Kinder bereit. Gleichzeitig setze<br />

sich unicef politisch ein, um die Lebenssituationen<br />

der Kinder nachhaltig zu verbessern<br />

– auch in Deutschland, wo 8 000 ehrenamtliche<br />

Helfer in 130 Gruppen aktiv sind.<br />

8 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Besuchen Sie unsere<br />

DIAKONISCHE GALERIE<br />

– im Mutterhaus, erste Etage –<br />

„Leben mit dem Kreuz“<br />

in Geschichte und Gegenwart<br />

Öffnungszeiten: Montags bis Freitags<br />

von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr<br />

und nach Vereinbarung.<br />

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen<br />

„Unicef“ wurde 1946 von der Generalversammlung<br />

der Vereinten Nationen<br />

gegründet; die Abkürzung steht für „United<br />

Nations (International) Children`s<br />

(Emergency) Fund“.<br />

Ältere und jüngere Menschen setzen sich für Kinder ein.<br />

Führungen: Interessierte Einzelpersonen oder Gruppen<br />

werden gebeten, sich im Blick auf Führungen<br />

im Sekretariat des Vorstandsvorsitzenden<br />

des <strong>Marienstift</strong>es bei Heike Otto anzumelden.<br />

Tel.: 0531 7011-0 oder 7011-304;<br />

Fax: 0531 7011-5304<br />

E-Mail: vorstand.direktor@marienstift-braunschweig.de


Eine Skulptur zum Thema „Leben“<br />

Zur Begrüßung eines geliebten Menschen<br />

Als Steinmetz- und Bildhauermeister habe<br />

ich mit meiner Frau sehr oft den Kontakt<br />

zu Angehörigen, die einen lieben Menschen<br />

aus ihrer Familie verabschiedet haben.<br />

Um den Davongegangenen ein würdiges<br />

Andenken in Form eines Denkmales zu<br />

gestalten, erfordert dies eine<br />

fundierte Handwerksausbildung,<br />

den Meisterschulabschluss<br />

zum Steinmetz- und<br />

Bildhauermeister, eine fast<br />

tagtägliche gestalterische Beschäftigung<br />

zum Thema sowie<br />

der rege fachliche Austausch<br />

mit lieben Kollegen.<br />

Abschiednehmen, Andenken,<br />

Rückblicke auf das gelebte<br />

Leben – dies sind Themen,<br />

die uns als selbstständige Ge-<br />

stalter vor Aufgaben stellen,<br />

für die wir bis zum heutigen<br />

Tag auch durch den intensiven<br />

Austausch mit den Angehörigen immer<br />

eine aussagekräftige und würdige gestalterische<br />

Lösung gefunden haben.<br />

Doch wie sieht ein Denkmal aus, welches<br />

wir zur Begrüßung eines geliebten Menschen<br />

gestalten wollen? Welches den Tag<br />

unseres Glückes festhält und stellvertretend<br />

für das Wunder des Lebens steht?<br />

Diese Fragen beschäftigen mich seit genau<br />

12.41 Uhr, 8. Juni 2011. An jenem Tag wurde<br />

unser Sohn Hans im <strong>Marienstift</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />

geboren und ist mit viel Liebe und<br />

Fürsorge vom ganzen Team der Frauenklinik<br />

Eben-Ezer auf unserer Welt begrüßt worden.<br />

Ein Mensch ist geboren und für uns<br />

schloss sich der Kreislauf des Lebens. Kommen<br />

und Gehen, so natürlich wie sich das<br />

anhört, ist es doch immer etwas ganz Besonderes<br />

und das Gewicht der Abschiednahme<br />

bekommt ein genauso großes Gegengewicht...die<br />

Willkommensfreude.<br />

Lutz Scheibner mit<br />

seinem Sohn Hans.<br />

Die Eindrücke, welche ich bei meinen Besuchen<br />

in der Frauenklinik gewonnen hatte,<br />

lassen mich einfach nicht mehr los. Diese<br />

Glückseligkeit im Gesicht meiner lieben<br />

Frau, die Ausstrahlung der jungen Mütter<br />

in der ganzen Klinik und die stolzen Väter<br />

erst, alles war so intensiv,<br />

dass in mir als Bildhauer der<br />

Gedanke reifte, dieses Erlebnis<br />

im Stein festhalten zu<br />

wollen. Die Skulptur soll natürlich<br />

fein und zerbrechlich<br />

wirken, Ausdruck von Leichtigkeit<br />

haben, rein und unschuldig<br />

sein, sowie die ersten<br />

Momente im Leben eines<br />

Menschen darstellen, der von<br />

uns gehalten und beschützt<br />

wird. In meinen Gedanken<br />

formt sich schon ein erster<br />

Entwurf und ich bin schon<br />

sehr ungeduldig, meinen Gefühlen<br />

im Stein freien Lauf zu lassen.<br />

Doch erst einmal möchte ich mich auch im<br />

Namen meiner Frau Tina und unseres Sohnes<br />

Hans bei allen Mitarbeitern der Frauenklinik<br />

für die ruhige und bedachte Betreuung,<br />

die medizinische Kompetenz und Fürsorge,<br />

die familiäre Atmosphäre und des<br />

ständigen Gefühls „Wir sind für Euch da.“<br />

von ganzem Herzen bedanken.<br />

Wir hatten nicht den Eindruck, in einem<br />

Krankenhaus zu sein und übrigens das Essen<br />

wäre es auch wert, auf Porzellan aufgedeckt<br />

zu werden.<br />

Mit meiner Skulptur möchte ich Sie auf<br />

dem Laufenden halten und verbleibe bis<br />

dahin mit großem Dank<br />

Ihr<br />

Lutz Scheibner.<br />

Steinmetz- und Bildhauermeister.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

9


10 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Die neue Freiheit einer<br />

Marionette<br />

Eine Marionette wird fremdbestimmt.<br />

Der Geiz bewirkt, nicht mehr teilen zu können. Avaritia.<br />

Der Neid, nicht mehr anerkennen zu können. Invidia.<br />

Der Hochmut, nicht mehr lieben zu können. Superbia.<br />

Die Wollust, nicht mehr denken zu können. Luxuria.<br />

Die Völlerei, nicht mehr genießen zu können. Gula.<br />

Der Zorn, nicht mehr überzeugen zu können. Ira.<br />

Die Faulheit, sich nicht mehr freuen zu können. Acedia.<br />

Der Mensch ist jedoch mehr als eine Gliederpuppe.<br />

Er kann die Fäden selbst in der Hand behalten.<br />

Abgeben und loslassen.<br />

Andere stärken und fördern.<br />

Eine Beziehung auf Augenhöhe eingehen.<br />

Rücksicht nehmen und mit Leidenschaft lieben.<br />

Maß halten und Neues entdecken.<br />

Argumentieren und sich entschuldigen.<br />

Einsatz zeigen und Gefühle aufbauend gestalten.<br />

Doch die Puppenspieler leben weiter.<br />

Avaritia und Individia denken nur an sich.<br />

Suberbia und Luxuria sind in sich selbst verliebt.<br />

Gula, Ira und Acedia bleiben oberfl ächlich.<br />

Doch der Mensch behält seine Würde,<br />

wenn er den weiten Horizont,<br />

die Liebe und die Vernunft,<br />

die Tiefe und das Leben wählt.<br />

Und den inneren und äußeren Marionettenspielern<br />

immer wieder neu die Fäden aus der Hand nimmt.<br />

Burkhard Budde


Examen bestanden: Freude und Anerkennung<br />

15 neue Gesundheits- und Krankenpfl egerinnen<br />

Die Examinierten mit dem Vorstand und der Seelsorgerin Heidrun Schäfer (l.)<br />

Zum bestandenen Gesundheits- und Krankenpfl<br />

egeexamen gratulierten Lehrer und<br />

Dozenten, Eltern und Angehörige, Freunde<br />

und Partner, aber auch der Vorstand des<br />

<strong>Marienstift</strong>es. In der Fliedner-Kirche und<br />

beim anschließendem Empfang im Mutterhaus<br />

sah man am 6. September 2011 nur<br />

freundliche und glückliche Gesichter. Vorstandsmitglied<br />

Angela Tiemann würdigte<br />

die Leistung: „Sie können jetzt positive<br />

Spuren einer ausgezeichneten Pfl ege und<br />

zugleich Menschlichkeit hinterlassen.“ Die<br />

Fünf Männer und die 10 Frauen, die ihr Examen<br />

bestanden hatten, sollten ihre Kenntnisse<br />

vermehren sowie ihre „Geduld, Kompetenz<br />

und ihren Idealismus“ behalten.<br />

Frau Tiemann wies darauf hin, dass die<br />

Schüler im <strong>Marienstift</strong> die diakonische Arbeit<br />

auf der Grundlage des christlichen<br />

Menschenbildes kennengelernt haben –<br />

„einen positiven Mehrwert, eine besondere<br />

innere Haltung sowie eine empathische<br />

Aufmerksamkeit.“ Gemeinsam mit der<br />

Schulleiterin Margrit Weithäuser zeichnete<br />

sie Anna Saidok und Janine Ulrich für besondere<br />

Leistungen aus.<br />

In der vorangegangenen Andacht, die die<br />

Seelsorgerin Heidrun Schäfer leitete und<br />

musikalisch von der Organistin Bettina<br />

Kleemeyer gestaltet wurde, wurde an die<br />

Bedeutung des Segens Gottes erinnert.<br />

Vorstandsmitglied Angela Tiemann (r.) zeichnete gemeinsam mit der Schulleiterin Margrit Weithäuser<br />

(l.) die Schülerinnen Anna Saidok und Janine Ulrich (2. v. r.) für besondere Leistungen aus.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

11


Hygiene im Krankenhaus<br />

Vom Leitenden Arzt Dr. Udo R. Schwippel<br />

Hygiene, ein immer<br />

wieder aktuelles Problem.<br />

Und das nicht<br />

erst seitdem die Bundesregierungaufgrund<br />

der Zunahme<br />

an Krankenhausinfektionen<br />

einen neuen<br />

Gesetzesentwurf zur<br />

Verbesserung der<br />

Krankenhaushygiene auf den Weg gebracht<br />

hat. Ziel des Gesetzes ist es, einen möglichst<br />

großen Teil dieser Infektionen und der dadurch<br />

bedingten Todesfälle durch geeignete<br />

Präventionsmaßnahmen zu verhindern.<br />

Viele Infektionen<br />

Nach Angaben des Robert Koch Instituts<br />

erkranken jährlich zwischen 3 bis 5 Prozent<br />

aller behandelten Patienten, das sind<br />

400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten,<br />

an Krankenhausinfektionen und<br />

wahrscheinlich versterben 0,5 bis 1 Prozent<br />

der Patienten, also 7.500 bis 15.000 Menschen<br />

an den Folgen dieser Infektionen. (2)<br />

Nach Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes<br />

(NLGA) könnten 20<br />

bis 30 Prozent der im Krankenhaus erworbenen<br />

“behandlungsassoziierten“ (nosokomialen)<br />

Infektionen durch sorgfältige Organisation<br />

der Abläufe in den Krankenhäusern<br />

und durch geeignete hygienische<br />

Maßnahmen vermieden werden. (1) Aufgrund<br />

von vergleichbaren Ergebnisse, die<br />

vom bundeseigenen Robert Koch Institut<br />

erhoben wurden, hielt es die Bundesregierung<br />

für notwendig, ein neues, den allgemeinen<br />

Erfordernissen angepasstes Gesetz<br />

12 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Der ärztliche Rat<br />

zur Verbesserung der Krankenhaushygiene<br />

auf den Weg zu bringen, mit dem Ziel,<br />

durch geeignete Präventionsmaßnahmen<br />

die Zahl dieser Infektionen zu senken.<br />

Erfolgeiche Verbesserung<br />

Dass eine Verbesserung der Hygiene häufi g<br />

gleichzusetzen ist mit einer Verbesserung<br />

des medizinischen Erfolges, zeigt schon<br />

eine kurze Betrachtung der geschichtlichen<br />

Entwicklung des Fachgebietes der Hygiene.<br />

Begriff „Hygiene“<br />

Das Wort „Hygiene“ kommt aus dem Griechischen<br />

und leitet sich von der griechischen<br />

Göttin der Gesundheit „Hygieia“ ab<br />

und bedeutet „gesund“.<br />

Heute fassen wir unter dem Begriff der Hygiene<br />

alle Maßnahmen zur Vorbeugung<br />

von Infektionskrankheiten, insbesondere<br />

Reinigung, Desinfektion und Sterilisation<br />

zusammen.<br />

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Hygiene<br />

auch häufi g als Synonym für „Sauberkeit“<br />

verwendet, wobei das nur einen kleinen,<br />

wenn auch nicht unwesentlichen Bereich<br />

dieses Aufgabenkomplexes abgebildet.<br />

Die Bedeutung von Sauberkeit (Hygiene)<br />

für den Heilungsverlauf von Wunden ist<br />

schon aus biblischen Zeiten bekannt. Den<br />

wissenschaftlichen Durchbruch erlangte sie<br />

jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,<br />

wobei gezeigt werden konnte,<br />

dass durch alleiniges Waschen und Reinigen<br />

von Operationsinstrumenten die Zahl<br />

der Wundinfektionen reduziert wird.


Händedesinfektion<br />

Ignaz Semmelweis zeigte 1840 erstmals,<br />

dass durch Desinfektion der Hände die<br />

Übertragung von Krankheiten eingedämmt<br />

werden kann. Max von Pettenkofer erhielt<br />

1865 den ersten deutschen Lehrstuhl für<br />

Hygiene. Robert Koch entdeckte den Erreger<br />

der Tuberkulose und erhielt 1905 dafür<br />

den Medizinnobelpreis. Er zählt neben Louis<br />

Pasteur zu den Begründern der modernen<br />

Bakteriologie und Mikrobiologie.<br />

Aktuelle Situation<br />

Wie ist nun die aktuelle Situation unserer<br />

Krankenhäuser? Die Ziele der Hygiene sind<br />

heute noch die gleichen wie eh und je, nur<br />

hat sich das Aufgabenfeld gewaltig erweitert.<br />

So ist heute die Hygiene als ein Teilbereich<br />

des Fachgebietes der Präventionsmedizin<br />

anzusehen und beschäftigt sich mit<br />

den Mechanismen der Wechselbeziehung<br />

des menschlichen Organismus mit seiner<br />

Umwelt. Im Gegensatz zur kurativen Medizin,<br />

die sich mit der Linderung und Heilung<br />

von Krankheiten beim Menschen beschäftigt,<br />

bemüht sich die Hygiene, die Entstehung<br />

von Erkrankungen durch geeignete<br />

Maßnahmen bereits im Vorfeld zu verhindern.<br />

(1)<br />

„Multiresistente Keime“<br />

Die in den Krankenhäusern, aber auch in<br />

ambulanten Versorgungszentren, operativen<br />

Zentren und Altenpfl egeheimen erworbenen<br />

Infektionen werden mittlerweile viele<br />

Infektionen durch resistente Erreger verursacht.<br />

Diese Erkrankungen sind schwieriger<br />

zu behandeln, führen sehr häufi g zu<br />

einer verlängerten Behandlungsdauer, damit<br />

zu höheren Behandlungskosten und<br />

auch zu einer erhöhten Sterblichkeit. Die<br />

Zunahme sogenannter „multiresistenter<br />

Keime“ bei bestimmten, insbesondere “behandlungsassoziierten“<br />

(nosokomialen)<br />

Krankheitserregern stellt, besonders vor<br />

dem Hintergrund der ständig steigenden<br />

Zahl an älteren Menschen, die immer häufi<br />

ger medizinische Maßnahmen in Anspruch<br />

nehmen, die Medizin vor immer<br />

größere Probleme. Diese neu entstandenen<br />

multiresistenten Keime bedeuten für die<br />

tägliche Praxis eine noch größere therapeutische<br />

Herausforderung, als die ohnehin<br />

schon bekannten Infektionen, zumal die<br />

Therapiemöglichkeiten durch die nur begrenzt<br />

zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen<br />

eingeschränkt sind. So ist<br />

eine kausale Behandlung immer häufi ger<br />

nicht mehr möglich. Aus diesem Grund bekommen<br />

alternative Therapieansätze wie<br />

die Prävention einen immer größeren Stellenwert.<br />

Präventionsmaßnahmen<br />

Unter diesen sogenannten Präventionsmaßnahmen<br />

verstehen wir neben einer<br />

sachgerechten Verordnung von Antibiotika<br />

– die Verbesserung der Hygien<strong>ev</strong>orschriften<br />

und ihre Einhaltung,<br />

– die Erhöhung und Transparenz der Hygiene<br />

in medizinischen Einrichtungen,<br />

– sowie eine Vernetzung der verschiedenen<br />

medizinischen Einrichtungen und<br />

den Austausch von entsprechenden Informationen.<br />

Verantwortung des Patienten<br />

Meiner Meinung nach reichen jedoch allein<br />

eine Verknüpfung aller die Patienten betreuenden<br />

Einrichtungen und Personen<br />

nicht aus. Vielmehr muss der Patient selbst,<br />

seine direkte Umgebung sowie jede einzelne<br />

Person, die mit dem Gesundheitssystem<br />

in Kontakt tritt, in das Hygienenetzwerk<br />

eingeschlossen werden. Jedes Mitglied unserer<br />

Gesellschaft trägt hiermit ein Stück<br />

Verantwortung. Durch verbessertes hygienisches<br />

Verhalten von ärztlichem, pfl egendem<br />

und unterstützendem Personal, aber<br />

auch durch allgemeine Hygienemaßnahmen<br />

von Personen, die eine medizinische<br />

Einrichtung einfach nur besuchen, kann die<br />

Übertragung von Krankheitserregern und<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

13


damit eine mögliche Infektion verhindert<br />

werden.<br />

Uns sollte bekannt sein, dass ein sonst gesunder<br />

und in seiner Abwehrlage nicht beeinträchtigter<br />

Mensch normalerweise durch<br />

so eine Infektion nicht gefährdet ist, jedoch<br />

durchaus asymptomatischer Träger und damit<br />

potentieller Überträger eines Keimes<br />

sein kann. Aus diesem Grund sollte jeder<br />

die empfohlenen Hygienemaßnahmen einhalten<br />

bzw. selbst darauf achten, dass er<br />

durch Einhaltung einfacher Hygienemaßnahmen<br />

eine mögliche Übertragung bzw.<br />

Verbreitung von Keimen vorbeugen kann.<br />

Hierzu zählt unter anderem das regelmäßige<br />

desinfi zieren bzw. gründliche Waschen<br />

der Hände vor und nach dem Kontakt zu<br />

hospitalisierten Patienten.<br />

Situation im <strong>Marienstift</strong><br />

Wie gehen wir im <strong>Marienstift</strong> mit dieser Situation<br />

um? Im Krankenhaus werden heute,<br />

um rechtzeitig gefährliche multiresistente<br />

Keime zu erkennen, Patienten, die zu<br />

dem gefährdeten Personenkreis gehören,<br />

bei Krankenhausaufnahme auf eine mögliche<br />

Infektion hin untersucht und bei Bestätigung<br />

des Verdachts entsprechend isoliert<br />

bzw. behandelt, um so einer weiteren Ausbreitung<br />

entgegen zu wirken.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es nach<br />

Feststellung der Erkrankung standardisierte<br />

Vorgehensweisen, die unter anderem folgende<br />

Schritte beinhalten:<br />

– die Einführung von sogenannten Screeninguntersuchungen<br />

zur Früherkennung<br />

spezieller Infektionen,<br />

– die konsequente Isolierung besiedelter-<br />

und infi zierter Personen,<br />

– ihre Kennzeichnung und die Weitergabe<br />

der Information bei Verlegung in eine<br />

andere Einrichtung/Station,<br />

– ein umfangreiches Hygieneregime,<br />

– und die strikte Einhaltung der für diese<br />

Infektion erforderlichen Hygienemaßnahmen,<br />

14 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

– den zielgerechten und kontrollierten<br />

Umgang/Einsatz von Antibiotika,<br />

– und nicht zuletzt die eingehende Schulung<br />

des Personals.<br />

Einsatz von Fachkräften<br />

Hinzu kommen selbstverständlich eine Vielzahl<br />

von weiteren vorbeugenden Maßnahmen<br />

und die Gewährleistung eines sicheren<br />

Standards. Zur Einhaltung dieses Qualitätsstandards<br />

gibt es Hygienefachkräfte vor<br />

Ort sowie überregionale Zusammenschlüsse<br />

wie das Hygienenetzwerk Süd-Ostniedersachsen,<br />

dem wir angehören, um so gemeinsam<br />

mit den anderen Einrichtungen in<br />

der Region speziellen Problemen angehen<br />

und lösen zu können.<br />

Zentrale Sterilisation<br />

Durch krankenhaushygienische Untersuchungen<br />

von Patienten, von Umgebungsproben<br />

und durch Überprüfung der Desinfektions-<br />

und Sterilisationsleistungen von<br />

Geräten im <strong>Marienstift</strong> versuchen wir den<br />

ständig wachsenden Anforderungen gerecht<br />

zu werden. Mit dem Neubau einer<br />

zentralen Sterilisation werden wir unseren<br />

Sicherheitsstandard im technischen Bereich<br />

weiter ausbauen können.<br />

Wachsamkeit des Einzelnen<br />

Wichtig ist und bleibt jedoch auch weiterhin<br />

die Wachsamkeit des Einzelnen, dass<br />

sich nicht immer „Blinde“ verlassen auf die<br />

vorgetäuschte, vermeintliche Sicherheit<br />

durch nach außen sichtbar gemachte sterile<br />

Produkte und das Vertrauen darin, dass<br />

bei Eintritt einer Erkrankung auch immer<br />

eine Behandlungsoption besteht. Vorbeugen<br />

ist besser als Heilen und Sterilität fängt<br />

bei jedem selber an.<br />

Die abschließende Tabelle fasst noch einmal<br />

das Gesagte zusammen und gibt zugleich<br />

einen Überblick über den Stand des<br />

aktuellen Hygienemanagements.


Tab. 1 Elemente des Hygienemanagements in medizinischen Einrichtungen<br />

Wesentlich sind Aspekte<br />

der Krankenhaushygiene<br />

Präsenz einer angemessenen<br />

Zahl von Hy gienefachpersonal<br />

(Infection control nurse;<br />

Infection control doctor)<br />

Surveillance nosokomialer<br />

Infektionen<br />

Monitoring der Compliance<br />

mit den Hände hygieneregimen<br />

der mikrobiologischen<br />

Diagnostik<br />

Defi nition von<br />

Problemerregern<br />

Screening von Risikopatienten<br />

auf defi nierte Problemerreger.<br />

Erstellen regelmäßiger<br />

Erreger- und Resistenzstatistiken<br />

Verfügbarkeit/Zugang zu<br />

geeigneten Laboratorien für<br />

die klinisch-mikrobiologische<br />

Diagnostik<br />

des Einsatzes von<br />

Antibiotika<br />

Erfassung und Rückkopplung<br />

des Anti biotikaverbrauchs<br />

Vorgaben zum Einsatz von<br />

Antibiotika zur perioperativen<br />

Prophylaxe<br />

Therapiestandards zur<br />

Vermeidung nicht indizierter<br />

Antibiotikagaben<br />

Schulungsprogramm für das Adäquate mikrobiologische Diagnostik vor Antibiotika abgaben<br />

Personal<br />

Regelmäßige Auditierung der Strategien und Präventionsstandards<br />

Aus Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI.<br />

1 www.niga.niedersachsen.de<br />

2 www.rki.de<br />

3 www.mrsa-netzwerke niedersachsen.de<br />

Weise<br />

Vorsichtig versuche ich, auf eigenen Füßen zu stehen.<br />

Umsichtig erkunde ich immer neue Welten.<br />

Nachsichtig verzeihe ich anderen und mir selbst.<br />

Weitsichtig bedenke ich meine Grenzen und Endlichkeit.<br />

Einsichtig bleibe ich frei, verantwortlich und barmherzig.<br />

Was ist wirklich wichtig, wesentlich und lebensdienlich?<br />

Was ich weiß, muss erneuert werden.<br />

Was sich erneuert, verschmilzt mit Altem.<br />

Das Ganze ist immer nur ein Teil.<br />

Und ein Teil gehört stets zum Ganzen.<br />

Im Eiltempo wird alles trübe und oberfl ächlich.<br />

Klarheit und Sinn gibt es erst,<br />

wenn mein Leben in der Mitwelt und für die Nachwelt<br />

in liebender Vernunft reift.<br />

4 Kurzinformation über MRSA – Patienteninformation<br />

im <strong>Marienstift</strong><br />

5 Hygieneinformation auf der Homepage des<br />

<strong>Marienstift</strong>es www.marienstift-braunschweig.de<br />

Burkhard Budde<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

15


Wie gut misst die Medizin?<br />

<strong>Braunschweig</strong>er QI-Tage: „angeMESSEN!“<br />

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt<br />

(PTB) hatte am 16. Mai 2011 zum Thema<br />

„Gesundheit“ zu den „<strong>Braunschweig</strong>er QI-<br />

Tage: angeMESSEN!“ ins <strong>Braunschweig</strong>er<br />

Landesmuseum eingeladen. Drei Fragen, so<br />

der Moderator der Veranstaltung Henning<br />

Noske von der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung,<br />

sollten im Mittelpunkt stehen: Wie viel<br />

Qualitätsinfrastruktur (QI) ist für die Gesundheitsstruktur<br />

nötig? Wie zuverlässig<br />

sind Laborwerte? Welche technischen Untersuchungsmethoden<br />

werden für die richtige<br />

Diagnose und Therapie benötigt?<br />

In ihrer Begrüßung wies die Direktorin des<br />

<strong>Braunschweig</strong>ischen Landesmuseum Dr. Heike<br />

Pöppelmann darauf hin, dass im <strong>Braunschweig</strong>er<br />

Raum bereits vor 5300 Jahre eine<br />

„Neurochirurgie der Steinzeit“ existiert<br />

habe. 15 Operationen an einem Teil des<br />

Schädelknochens mit einer „messerscharfen<br />

Feiersteinklinge“ seien bekannt. Mit einer<br />

Ausnahme hätten alle die OP überlebt.<br />

„PTB als global Player“<br />

Der Präsident der PTB, Prof. Dr. Ernst O.<br />

Göbel, der das nationale Metrologieinstitut<br />

Deutschlands mit 1800 Mitarbeitern an<br />

den Stadtorten <strong>Braunschweig</strong> und Berlin<br />

leitet, sagte, dass die QI keine national beschränkte<br />

Angelegenheit sei, sondern eine<br />

16 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

globale Bedeutung habe. Die PTB sei, so<br />

heißt es in der Einladung, ein „global player“<br />

in der Welt der Messtechnik. Der Fachbereich<br />

Technische Zusammenarbeit der<br />

PTB ist weltweit tätig.<br />

„Gesundheit als Menschenrecht“<br />

In ihrem Grußwort betonte Dr. Evita Schmieg<br />

vom Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ),<br />

das Projekte der PTB fi nanziert, dass Gesundheit<br />

die Voraussetzung für Entwicklung<br />

sei. Das Recht auf Gesundheit zähle<br />

zu den Menschenrechten. Deutschland<br />

habe Gelder in Höhe von 750 000 Euro im<br />

Jahr 2009 für die Verbesserung der Gesundheit<br />

in den Entwicklungsländern zur<br />

Verfügung gestellt. Die Kindersterblichkeit<br />

sei von 1990 bis 2009 um ein Drittel zurückgegangen.<br />

Die internationale Arbeit<br />

der PTB mache deutlich: Wissenschaftliche<br />

Fragestellungen seien zugleich „hoch politisch“.<br />

Und politische Herausforderungen<br />

müssten „auf wissenschaftliche Fragen heruntergebrochen<br />

werden.“<br />

„Das Richtige messen.“<br />

Schüler gestaltet den musikalischen Rahmen der Gesundheitstage.<br />

Mit dem Thema „Wie gut misst die Medizin?“<br />

beschäftigte sich Prof. Dr. Hans Koch,<br />

Leiter der Abteilung Medizinphysik und


metrologische Informationstechnik der PTB.<br />

Am Beispiel des Tonometer-Vergleichs, der<br />

Messung des Innendrucks des Auges, verdeutlichte<br />

er, dass zwei verschiedene Messgeräte<br />

zu verschiedenen Messergebnissen<br />

kommen können. Es müsse nicht nur genauer<br />

und vergleichbarer gemessen werden,<br />

sondern auch das Richtige, „was für<br />

die Gesundheit wichtig ist.“<br />

An weiteren Beispielen wie die Pumpfunktion<br />

des Herzens, die Klinische Chemie und<br />

die Medikamentenzulassung verdeutlichte<br />

er die medizinische Brisanz und die Folgen,<br />

Ritterschlag im Alltag<br />

Großes geschieht im Großen.<br />

wenn durch falsche oder ungenaue Messungen<br />

Patienten falsch oder gar nicht behandelt<br />

würden. Festgestellte Messunsicherheiten<br />

seien nur die „Spitze des Sahnehäubchens“.<br />

Auch gebe es unterschiedliche<br />

Messwerte durch unterschiedliche<br />

Messmethoden. Allerdings sei es für die<br />

Medizin nicht immer einfach, „weil die<br />

menschliche Natur individuell ist und viele<br />

Fallstricke kennt.“ Dennoch müsse das Ziel<br />

bleiben, genau, vergleichbar und richtig zu<br />

messen, betonte Koch. Eine Vision, die<br />

Kosten spart, aber vor allem dem Menschen<br />

helfen kann.<br />

Ein großer Rahmen kann ein kleines Bild in ein neues Licht rücken.<br />

Aber auch im Kleinen kann Großes entdeckt werden.<br />

Moment mal…<br />

Der Soldat Martin, der 331/32 „nur“ seinen Mantel in Amiens mit einem Bettler geteilt<br />

hatte, wurde zum lebendigen Zeichen der Nächstenliebe, die immer noch „große“<br />

Spuren hinterlässt.<br />

Liebe kann vielfältig geschehen:<br />

Aus Einsicht, weil aus einem Ritter ein Bettler werden kann. Wer hoch zu Ross daherkommt,<br />

kann tief fallen. Wer selbst Hilfe erwartet, sollte bereit zur Hilfe sein.<br />

Aus Klugheit, weil ein Ritter ein Raubritter sein kann. Das Geschäft mit dem Mitleid<br />

darf kein Grund sein, die Solidarität mit den wirklich Bedürftigen und die aktivierende<br />

Hilfe zur Selbsthilfe an den Rand zu drängen.<br />

Aus Weitsicht, weil aus einem Bettler ein Ritter werden kann. Wenn ein Bettler die<br />

reale Chance hat, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass er auf Dauer auf eigenen<br />

Füßen steht, sich selbst und eines Tages auch anderen Menschen helfen kann.<br />

Warum sollte nicht aus einem halben Mantel ein ganzer Mantel und aus einem ganzen<br />

Mantel eine Mantelfabrik werden?<br />

Aus Weisheit, weil der eigentliche Ritterschlag im Alltag geschieht. Es gibt viele mutige<br />

Ritter, die auf leisen Sohlen helfen; zum Beispiel ihren Kindern oder Eltern, den<br />

kranken, pfl egebedürftigen und sterbenden Mitmenschen. Besonders jetzt leuchtet<br />

in der Nächstenliebe die Gottesliebe auf.<br />

Sowohl im Kleinen als auch im Großen erscheint ein menschliches Gesicht.<br />

Burkhard Budde<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

17


Steuerung des Gesundheitssystems<br />

Ministerialrat Becker über Reformschritte der Bundesregierung<br />

Ministerialrat Jochen Becker (3. v. r.) mit den Referenten der Tagung.<br />

Über die Steuerung und Finanzierung des<br />

Gesundheitssystems aus der Sicht der Bundesregierung<br />

sprach Ministerialrat Joachim<br />

Becker vom Bundesministerium für Gesundheit<br />

am 6. August 2011 auf einer Veranstaltung<br />

der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

im Schloss Eichholz bei Köln. Ziel der Politik<br />

sei es, mehr Wettbewerb, mehr Freiheit<br />

und mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen,<br />

damit das Gesundheitssystem dauerhaft<br />

leistungsfähig und stabil bleiben könne.<br />

Hintergrund sei die demografi sche Entwicklung<br />

sowie der medizinische und medizinisch-technische<br />

Fortschritt.<br />

Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes<br />

gefährde weder den Standort<br />

Deutschland noch die Forschung in<br />

Deutschland. Vielmehr werde die marktwirtschaftliche<br />

Ordnung gestärkt, wenn bei<br />

der Preisbildung eines Medikamentes sein<br />

Nutzen beachtet werden müsse. darüber<br />

hinaus diene das Reformgesetz der Deregulierung<br />

und dem Bürokratieabbau.<br />

Das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen<br />

Finanzierung der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung stärke den Wettbewerb<br />

zwischen den Krankenkassen zugunsten<br />

der Versicherten, die Wahlmöglichkeiten<br />

18 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

hätten und von Innovationen profi tieren<br />

würden. Allerdings sei im Gesundheitswesen<br />

nur ein „regulativer Wettbewerb“ zu<br />

verantworten, weil sonst eine Risikoselektion<br />

drohe: Kein Wettbewerb im Blick auf<br />

Leistungskataloge sowie auf den Zugang<br />

der Leistungen, wohl aber Wettbewerb, was<br />

die Ausgestaltung der Leistungen angehe.<br />

Es sei weder an Steuererhöhungen noch an<br />

Sondersteuer gedacht. Auch werde es keine<br />

Leistungsreduzierungen oder eine Erhöhung<br />

der Zuzahlungen bzw. Eigenbeteiligungen<br />

geben. Zwischen der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

und der Privaten Krankenversicherung<br />

würden „faire Wettbewerbsbedingungen“<br />

gestärkt. Allerdings gebe es<br />

bereits eine „schleichende Annäherung“<br />

beider Systeme.<br />

Das Versorgungsstrukturgesetz ziele auf die<br />

„Landarztförderung“ bzw. auf die Sicherung<br />

der künftigen vertragsärztlichen Versorgung.<br />

Die ärztliche Bedarfsplanung werde<br />

fl exibilisiert, die Gestaltungsverantwortung<br />

der Länder gestärkt. Es gebe keine<br />

„Residenzpfl icht“ der Ärzte mehr. Die Rahmenbedingungen<br />

für Medizinische Versorgungszentren<br />

als Versorgungsträger würden<br />

weiterentwickelt.


An der Tagung, die von Dr. Angelika Bucerius<br />

und Dr. Frank Müller von der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung geleitet wurde, nahmen<br />

u. a. teil auch Dr. Judith Kerschbaumer von<br />

der Bundesverwaltung Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft<br />

ver.di, Dr. Natalie Brall<br />

vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

und Monsignore Bernhard Appel, Diözesan-Caritasdirektor<br />

aus Freiburg. Dr.<br />

Erinnerungen an Loriot<br />

Brief an Helge Makrutzki<br />

Loriot ist tot. Aber in den Gedanken,<br />

Gefühlen und Erinnerungen vieler Menschen<br />

ist der Humorist, Karikaturist, Regisseur<br />

und Schauspieler lebendig. Stolz<br />

zeigt Helge Makrutzki (87), seit April<br />

2009 Bewohnerin des Altenpfl egeheims<br />

Bethanien, einen Brief Loriots vom<br />

1. 3. 2004. Dort schreibt Loriot bzw. Vicco<br />

von Bülow: „Liebe Frau Makrutzki.<br />

Sie haben mir eine solche Freude gemacht!<br />

Ihre wunderbaren Naturbilder<br />

sind so schön und was Sie alles zusammengetragen<br />

haben an Weisheit und<br />

lieb<strong>ev</strong>ollem Zuspruch ist einfach ein großes,<br />

erhebendes Vergnügen. Ich danke<br />

Ihnen sehr, sehr herzlich.“<br />

Man muss wissen, dass Helge Makrutski<br />

seit vielen Jahren als leidenschaftliche<br />

Hobbykünstlerin Blumen, Pfl anzen und<br />

Bäume beobachtet und entdeckt hat,<br />

dass die Natur „Trost spendet, wo sie<br />

selber leidet.“<br />

Im Jahre 2006 hat sie ein Buch „Pfl anzenschicksale,<br />

die uns bewegen“ als<br />

„Trostbuch für kranke Menschen“ herausgegeben.<br />

Bis heute verschenkt sie<br />

Karten mit gepressten Blumen, um Menschen<br />

zu trösten, aber auch zu erfreuen.<br />

Loriot schreibt in seinem Brief – mit genauer<br />

Adresse, Telefon- und Faxnummer<br />

Burkhard Budde, Vorstandsvorsitzender des<br />

<strong>Marienstift</strong>es, sprach zum Thema „Christliches<br />

Management“.<br />

Am Sonntag, 7. August, gestalteten Bernhard<br />

Appel und Burkhard Budde eine Ökumenische<br />

Andacht, die ein positives Echo<br />

bei den Teilnehmern – viele von ihnen angehende<br />

Ärzte und Juristen – fanden.<br />

Helge Makrutzki mit ihrem<br />

selbsthergestellten Buch im Jahr 2006.<br />

– an Helge Makrutzki weiter: „Wenn Ihnen<br />

mal etwas einfällt, was ich auf meine<br />

alten Tage noch für Sie machen<br />

kann, dann melden Sie sich.“ Und die<br />

Grußformel mit handgeschriebener Unterschrift<br />

lautet: „Mit allen guten Wünschen<br />

für Gesundheit, Glück und Zufriedenheit,<br />

herzlichen Grüßen und tiefem<br />

Dank bin ich Ihr alter „LORIOT“.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

19


Fast zwei Jahre ist die<br />

schwarz-gelbe Bundesregierung<br />

nun im<br />

Amt. Sie ist mit hohen<br />

Ansprüchen gestartet<br />

– auch in der<br />

Gesundheitspolitik.<br />

Doch wie in anderen<br />

Politikbereichen fällt<br />

die Zwischenbilanz<br />

auch im Bereich Gesundheit mehr als enttäuschend<br />

aus. Über die schwarz-gelben<br />

Reformen konnten sich bisher allein die<br />

Versicherungsunternehmen und die Pharmakonzerne<br />

freuen. Die Versicherten dagegen<br />

– gesetzlich wie privat – schauen in die<br />

Röhre.<br />

Die Folgen schwarz-gelber Gesundheitspolitik<br />

sind für sie seit dem 1. Januar 2011<br />

deutlich zu spüren: Der Beitragssatz für die<br />

gesetzliche Krankenkasse stieg von 14,9<br />

auf 15,5 Prozent. Während die Versicherten<br />

weitere Steigerungen beim derzeitigen<br />

Arbeitnehmerbeitrag von 8,2 Prozent<br />

fürchten müssen, können sich die Arbeitgeber<br />

freuen: Ihr Anteil wird bei 7,3 Prozent<br />

eingefroren. Künftige Kostensteigerungen<br />

werden somit allein auf die Versicherten<br />

abgewälzt.<br />

Doch damit nicht genug: Seit Beginn 2011<br />

können die Krankenkassen auch eine beliebig<br />

hohe Kopfpauschale von den Versicherten<br />

verlangen. Die staatliche Unterstützung<br />

für Geringverdiener greift erst,<br />

wenn der durchschnittliche Zusatzbeitrag<br />

aller Kassen die Grenze von zwei Prozent<br />

des Bruttoeinkommens übersteigt. Wie der<br />

Versicherte bei solch undurchsichtigen Re-<br />

20 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Der Kommentar<br />

„Gesundheitspolitik auf dem Prüfstand“<br />

Von Dr. Carola Reimann, Mitglied des Bundestages<br />

gelungen noch den Durchblick behalten<br />

soll, bleibt das Geheimnis der schwarz-gelben<br />

Gesundheitsreformer um Minister<br />

Bahr. In einem Punkt können sich die Versicherten<br />

aber sicher ein: Es wird teurer<br />

ohne Verbesserung bei Qualität und Versorgung.<br />

System ohne Zukunft?!<br />

Auch Privatversicherte müssen weiterhin<br />

mit enormen Beitragssteigerungen rechnen.<br />

Häufi g werden sie mit günstigen Einsteigertarifen<br />

gelockt. Im Alter und bei<br />

chronischen Erkrankungen steigen die Beiträge<br />

dann rasant an, Kinder und Ehepartner<br />

brauchen Extra-Versicherungen. Nicht<br />

wenige tappen in diese Beitragsfalle, weil<br />

sie kurzfristig auf niedrige Beiträge gesetzt<br />

haben.<br />

Mit dem erleichterten Wechsel in die private<br />

Krankenversicherung hat Schwarz-Gelb<br />

dafür gesorgt, dass künftig noch mehr Versicherte<br />

in diese Falle tappen! Seit Jahren<br />

warnen Experten davor, dass die Beitragsentwicklung<br />

bei den Privaten aus dem Ruder<br />

läuft und dieses Geschäftsmodell auf<br />

Dauer nicht zukunftsfähig ist. Mit dem Protegieren<br />

der PKV setzt Schwarz-Gelb auf<br />

ein System ohne Zukunft. Bezahlen müssen<br />

das letztlich die Versicherten, egal ob privat<br />

oder gesetzlich.<br />

Strukturprobleme<br />

Im letzten Jahr hat die Bundesregierung<br />

mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />

(AMNOG) und dem GKV-Finanzierungsgesetz<br />

(GKV-Fin) zwei Gesetze verab-


schiedet, die kein einziges Strukturproblem<br />

gelöst haben und keine einzige Verbesserung<br />

in der Versorgung gebracht haben.<br />

Statt dessen wurde das System für die Versicherten<br />

komplizierter und teurer. Die soziale<br />

Schiefl age bei der Finanzierung und die<br />

unverständlichen Kopfpauschalenregelungen<br />

wurden ja schon genannt. Ein weiteres<br />

Beispiel für eine verbraucherfeindliche Neuregelung<br />

ist die künftige Aufzahlung bei<br />

den Generika. Unter dem Deckmantel angeblicher<br />

zusätzlicher Wahlmöglichkeiten<br />

für die Versicherten wird der Pharmaindustrie<br />

die Möglichkeit gegeben, teurere Arzneimittel<br />

ohne Zusatznutzen unters Volk zu<br />

bringen.<br />

Für 2011 hatte sich die schwarz-gelbe Regierung<br />

vorgenommen, weitere Reformgesetze<br />

auf den Weg zu bringen. Wer nun<br />

aber darauf gehofft hat, dass 2011 das Jahr<br />

der großen Strukturreformen wird, der wurde<br />

auch dieses Mal enttäuscht. Schwarz-<br />

Gelb belässt es bei der Versorgung bei kleinen<br />

kosmetischen Korrekturen und bei der<br />

Pfl ege wird sie auf die Privatisierung der Lebensrisiken<br />

setzen.<br />

Bürgerversicherung<br />

Die SPD dagegen setzt auf eine grundlegende<br />

Reform, die Einführung der Bürgerversicherung.<br />

Wir wollen keine Einheitskasse,<br />

wie uns Kritiker gerne vorwerfen, sondern<br />

gleiche Wettbewerbsbedingungen für<br />

alle Krankenkassen. Damit kommen alle in<br />

den Genuss einer umfassenden, solidarischen<br />

Krankenversicherung. Es muss<br />

Schluss sein mit den falschen Anreizen, die<br />

zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten<br />

führen. Das grundlegende Ziel der<br />

Bürgerversicherung ist eine bessere Versorgung<br />

aller Bürgerinnen und Bürger. In einem<br />

einheitlichen Krankenversicherungssystem<br />

haben alle die gleichen Rechte. Niemand<br />

soll aufgrund seines Versicherungsstatus<br />

als Privat- oder Vorkassepatient b<strong>ev</strong>orzugt<br />

behandelt werden: Über die<br />

Terminvergabe und den Umfang der Be-<br />

handlung darf allein die Schwere der Erkrankung<br />

bestimmen.<br />

Versorgungsgesetz<br />

Anfang August wurde der Entwurf des<br />

GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom Kabinett<br />

verabschiedet. Dieses Gesetz wird<br />

die Gesundheitsversorgung in Deutschland<br />

nicht verbessern. Das Einzige, mit dem fest<br />

zu rechnen ist, sind höhere Honorare für<br />

Ärzte und steigende Kosten für die Versicherten.<br />

Es bleibt also alles wie gehabt in<br />

der schwarz-gelben Gesundheitspolitik.<br />

Ärztliche Versorgung<br />

Bundesgesundheitsminister Bahr will die<br />

Unterversorgung durch Mehrausgaben für<br />

die ärztliche Versorgung beseitigen, in der<br />

Hoffnung, dass diese durch Einsparungen<br />

aufgrund weniger Krankenhauseinweisungen<br />

ausgeglichen werden. Doch es fehlen<br />

dazu belastbare Zahlen wie wirkungsvolle<br />

Maßnahmen, die den Abbau bestehender<br />

Überversorgung in wirtschaftlich attraktiven<br />

Regionen fördern. Dabei ließen sich auf diese<br />

Weise Kosten einsparen, ohne Einschnitte<br />

in die Versorgung zu verursachen.<br />

Mehrkosten?!<br />

Das Versorgungsgesetz wird Mehrkosten<br />

deutlich über den vom Bundesministerium<br />

für Gesundheit veranschlagten 200 Millionen<br />

verursachen. Finanzminister Schäuble<br />

hat in einem Schreiben an das BMG vor<br />

ausufernden Kosten gewarnt. Es wurden<br />

daraufhin aber keine substanziellen Änderungen<br />

zur Eindämmung der Ausgaben getroffen.<br />

Stattdessen wurde eine Klausel eingefügt,<br />

die dafür sorgt, dass die Mehrausgaben<br />

nicht durch Steuerzuschüsse, sondern<br />

direkt über weiter steigende Zusatzbeiträge<br />

der Bürgerinnen und Bürger<br />

ausgeglichen werden. Damit hat sich das<br />

Versprechen, der Sozialausgleich werde<br />

steuerfi nanziert, endgültig als Lüge entpuppt.<br />

In Wirklichkeit werden die Beitrags-<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

21


zahler den Sozialausgleich selbst aus Beitragsmitteln<br />

fi nanzieren müssen.<br />

Die Herausforderungen, die sich durch unsere<br />

immer älter werdende Gesellschaft mit<br />

immer mehr chronisch Kranken stellen, erfordern<br />

eine stärkere Kooperation aller<br />

Leistungserbringer. Es ist notwendig, alles<br />

zu tun, um die Zusammenarbeit vom ambulanten<br />

und stationären Bereich sowie<br />

Ärzten und nicht-ärztlichen Heilberufl ern<br />

zu fördern. Dies gilt besonders für strukturschwache<br />

Regionen. Der von Minister Bahr<br />

vorgelegte Gesetzentwurf stellt hierfür keinesfalls<br />

die Weichen, sondern setzt Fehlanreize<br />

zur Mengenexpansion und Konkurrenzkämpfen<br />

zwischen den Sektoren.<br />

Das Versorgungsgesetz wird aufgrund gravierender<br />

Mängel seiner Aufgabe der Sicherung<br />

einer guten medizinischen Versorgung<br />

nicht gerecht.<br />

Pfl egereform<br />

Hoher Reformbedarf besteht auch bei der<br />

Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung. Das zeigen die Zahlen<br />

des Statistischen Bundesamtes: Weit über<br />

drei Millionen Pfl egebedürftige im Jahr<br />

2030 und bis zu 4,5 Millionen im Jahr<br />

2050. Die Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung muss zukunftsfest<br />

gemacht werden. Menschenwürdige<br />

Pfl ege muss in unserer Gesellschaft etwas<br />

wert sein, dabei müssen die Belastungen<br />

aber auch gerecht verteilt werden.<br />

„Jahr der Pfl ege“?!<br />

Die Regierungskoalition schiebt die von ihr<br />

groß angekündigte Pfl egereform jedoch<br />

weiter vor sich her. Mit dem “Jahr der Pfl ege”<br />

hat der damalige Bundesgesundheitsminister<br />

Rösler im Herbst letzten Jahres Erwartungen<br />

geweckt, die sein Nachfolger<br />

Bahr nicht erfüllen kann. Waren vor kurzem<br />

noch Eckpunkte für Ende September vorgesehen,<br />

sollen diese nach aktuellen Ankündigungen<br />

nun doch erst im Oktober vorliegen.<br />

Erst jetzt fällt Schwarz-Gelb ein, dass<br />

22 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

sie mehr Expertise benötigen und berufen<br />

deshalb den Pfl ege-Beirat, der bis 2009 gearbeitet<br />

hat, wieder ein. Dies klingt nach einer<br />

weiteren Maßnahme, um Zeit zu gewinnen.<br />

Die Vorschläge des Beirats zur Überprüfung<br />

der Pfl egebedürftigkeitsbegriffs sowie<br />

Umsetzungsszenarien liegen bereits seit<br />

2009 auf dem Tisch. Die Pfl egebedürftigen<br />

und ihre Angehörigen warten dringend auf<br />

die Umsetzung des neuen Pfl egebedürftigkeitsbegriffs<br />

und können weitere Aufschiebungen<br />

der Regierung nicht gebrauchen.<br />

Neue Vorschläge<br />

Die Regierungskoalition kann sich offenbar<br />

nicht entscheiden, wie sie die Pfl egereform<br />

fi nanzieren soll. Ständig geistern neue Vorschläge<br />

durch die Presse. Nun wollen Union<br />

und FDP den Beitragssatz für die Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />

erhöhen und die Beiträge in einen<br />

individuellen Kapitalstock einspeisen,<br />

der von der gesetzlichen und privaten Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />

gemeinsam verwaltet werden<br />

soll. Dieses Modell wirft viele rechtliche<br />

Fragen auf und klingt eher nach einer Luftnummer<br />

als nach einem seriösen, umsetzbaren<br />

Vorschlag.<br />

Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />

Die Sozialdemokraten dagegen wollen die<br />

bewährte solidarische Finanzierung in der<br />

Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung weiterentwickeln und<br />

wie in der Krankenversicherung die private<br />

Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung in das solidarische System<br />

einbeziehen. Mit der Bürgerversicherung<br />

Pfl ege schaffen wir ein gerechteres<br />

System, das alle entsprechend ihrer fi nanziellen<br />

Leistungsfähigkeit einbezieht und die<br />

Lasten fair verteilt. Allein mit einer Reform<br />

der Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung ist es aber nicht getan.<br />

Die Weiterentwicklung der Pfl ege ist<br />

eine umfassende gesellschaftliche Aufgabe.<br />

Sie reicht von der Einführung eines neuen<br />

Pfl egebedürftigkeitsbegriffs, über die Verbesserung<br />

der Arbeitssituation und Ausbildung<br />

in der Pfl ege bis zur Stärkung der<br />

Prävention und Rehabilitation im Alter.


Treffpunkte<br />

Pastorin Antje Tiemann von der Johannisgemeinde in <strong>Braunschweig</strong> tauft ein Kind am Kennelbad.<br />

„BZ“-Redakteur Jörn Stachura (M.) im Gespräch mit dem Ehepaar Erhard und Marlise Fischer.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

23


Die Mitarbeiter der Information im Park hinter Bethanien.<br />

Prof. Dr. Alexander Kaul (l.) mit Frau im Gespräch mit Uwe Birker (2. v. l.) und Dr. Olaf Rödiger.<br />

Trafen sich im Diakonischen Werk (v. l. n. r.) Thomas und Anke Kaphammel, Direktor Andreas<br />

Seifert und Dr. Burkhard Budde.<br />

24 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011


Die Labormitarbeiterinnen Ulrike Luttmann, Friederike Mette-Eßmann und Karin Holz (v. l. n. r.).<br />

Sozialdezernent Ulrich Markurth und Landtagsabgeordneter Klaus Bachmann (r.).<br />

Schüler der Oberstufe der Christophorusschule mit den Lehrern Rita Scholz, Silvia Paiovich, und<br />

Jaime Ramon Garcia Rodriguez (l.).<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

25


Heimleiterkonferenz verabschiedete Klaus Germer<br />

Dank für „zuverlässige und qualifi zierte Mitarbeit“<br />

Zum letzten Mal nahm Klaus Germer, seit 1989 Stiftungsvorstand der Grotjahn-Stiftung zu<br />

Schladen am Harz, am 16. Juni an der Heimleiterkonferenz des Diakonischen Werkes der<br />

Ev.-<strong>luth</strong>. Landeskirche in <strong>Braunschweig</strong> teil. Die Geschäftführungen und Heimleiter aus dem<br />

Bereich der Diakonie in der Region <strong>Braunschweig</strong> trafen sich deshalb auch in Schladen.<br />

Der Vorsitzende der Konferenz, Dr. Burkhard Budde vom <strong>Braunschweig</strong>er <strong>Marienstift</strong>, dankte<br />

ihm für seine zuverlässige und qualifi zierte Mitarbeit. Anke Grewe, Bereichsleitung Soziale<br />

Arbeit im Diakonischen Werk, berichtete insbesondere über die Situation des Mitglieder-<br />

und Spitzenverbandes sowie über mögliche neue Arbeitsstrukturen der Heimleiterkonferenz;<br />

Käthe Kolkmann vom Diakonischen Werk über Aktuelles zu den Themen Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherungsreform<br />

2011/2012, Expertenstandards, Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen<br />

und Qualitätsmanagement.<br />

Mitglieder der Heimleiterkonferenz des Diakonischen Werkes.<br />

Neue Heimleitung für Bethanien<br />

26 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Der Vorstand des<br />

<strong>Marienstift</strong>es hat<br />

Monika Gladbach-<br />

Geitebrügge aus<br />

Solingen zur Heimleiterin<br />

des Altenpfl<br />

egeheimes Bethanien<br />

gewählt.<br />

Zuletzt war die<br />

54-jährige Monika Gladbach-Geitebrügge<br />

in der Einrichtungsleitung eines Altenzentrums<br />

mit 170 stationären und neun<br />

Kurzzeitpfl egeplätzen, 35 Appartements<br />

„Betreutes Wohnen“, einer Kindertageseinrichtung<br />

sowie mit ambulanten Praxen<br />

für Physio- und Ergotherapie tätig.<br />

In Solingen hat sie 1977 ihr Krankenpfl egeexamen<br />

gemacht; in Duisburg 1989<br />

wurde sie Lehrerin für Pfl egeberufe. Ein<br />

Studium der Betriebswirtschaft für Krankenhaus-<br />

und Sozialwesen schloss sie<br />

2001 mit dem Diplom (FH) ab. Monika<br />

Gladbach-Geitebrügge ist verheiratet,<br />

hat zwei Kinder und ist <strong>ev</strong>angelisch.


Soziale Verantwortung der kirchlichen Stiftung<br />

24 Altenpfl egeschüler haben mit der Ausbildung begonnen<br />

24 Schüler der staatlich anerkannten Berufsfachschule<br />

Altenpfl ege des <strong>Braunschweig</strong>er<br />

<strong>Marienstift</strong>es haben am 1. September 2011<br />

ihre dreijährige Ausbildung begonnen. In einem<br />

feierlichen Gottesdienst, der von dem<br />

Altenpfl egekurs 3 unter der Leitung des<br />

Lehrers Horst Frede gestaltet wurde, wurden<br />

sie in der hauseigenen Theodor-Fliedner-Kir-<br />

che begrüßt. Das Thema des Gottesdienstes<br />

lautete „In guten Händen.“ Die Schülerin<br />

Charlotte Schleier, die die Predigt hielt, sagte<br />

in der vollbesetzten Kirche: „Es gibt nicht<br />

nur die Erfahrung der Hand Gottes, seiner<br />

Nähe, Geborgenheit und Sicherheit, sondern<br />

auch die Notwendigkeit, mit eigenen<br />

Händen den Alltag zu gestalten.“ Wer beispielsweise<br />

Freundlichkeit säe, werde in der<br />

Regel auch Freundlichkeit ernten.<br />

Der Vorstandsvorsitzende des <strong>Marienstift</strong>es,<br />

Dr. Burkhard Budde, erklärte, dass nicht<br />

nur kirchliche Einrichtungen, sondern auch<br />

die Gesellschaft insgesamt immer mehr<br />

qualifi zierte und engagierte Altenpfl ege<br />

angesichts der demographischen Entwicklung<br />

brauche. Die Stiftung nehme ihre soziale<br />

und gesellschaftliche Verantwortung<br />

wahr, indem sie „Hoffnungs- und Verantwortungsträger“<br />

fördere. Darin zeige sich<br />

das Diakonische Profi l, aber auch im Blick<br />

auf eine würd<strong>ev</strong>olle Pfl ege, die den ganzen<br />

Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen,<br />

seiner Selbstbestimmung sowie<br />

Wunsch- und Wahlfreiheit auf der Grundlage<br />

des christlichen Menschenbildes wahr-<br />

Die neuen Altenpfl egeschüler mit dem Vorstand und der Schulleiterin in der Fliedner-Kirche.<br />

Foto: Heike Otto<br />

und ernst nehme. Als ein Zeichen der Zugehörigkeit<br />

zur christlichen Dienstgemeinschaft<br />

erhielten die neuen Schüler die <strong>Marienstift</strong>snadeln<br />

von seinen Vorstandskollegen<br />

Ralf Benninghoff und Angela Tiemann<br />

überreicht. Der Gottesdienst, der musikalisch<br />

von Bettina Kleemeyer an der Orgel<br />

begleitet wurde, wurde wieder mit Hilfe<br />

der Übertragungsanlage per Bild und Ton<br />

in die Zimmer des Krankenhauses und des<br />

Altenpfl egeheimes übertragen.<br />

Zum <strong>Marienstift</strong> gehört u. a. ein Krankenhaus,<br />

das Altenpfl egeheim Bethanien und<br />

Ausbildungsstätten, die von Margrit Weithäuser<br />

geleitet werden. Seit 1980 gibt es<br />

die Fachschule für Altenpfl ege; 1909 wurde<br />

die Gesundheits- und Krankenpfl egeschule<br />

– heute 60 Ausbildungsplätze – eröffnet.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

27


Gemeinschaft mit „glücklichen Gesichtern“<br />

Sommerfest in Bethanien mit über 200 Teilnehmern<br />

Die Mitarbeiterinnen Cornelia Wöhler (l.) und Ursula Stadler (r.) mit Jennifer und Ingo Walter<br />

von Zauberzirkus <strong>Braunschweig</strong>.<br />

Viele glückliche Gesichter sah man auf dem<br />

Sommerfest des Altenpfl egeheimes Bethanien.<br />

Über 200 Bewohner und ihre Angehörigen<br />

erlebten am 24. August 2011 im<br />

Wilhelm-Löhe-Saal, aber auch im „Grünen<br />

Wohnzimmer“ des Parks der diakonischen<br />

Einrichtung ein buntes Programm „mit<br />

Herz und Kopf“.<br />

Die Pfl egedienstleiterin Beate Bachmann lobte<br />

die Mitarbeiterin Ursula Stadler, die mit Hilfe<br />

von „Grünen Damen und Herren“, Alltagsbegleitern,<br />

der Seelsorgerin Ruth Berger und<br />

weiteren Mitarbeitern alles organisiert hatte.<br />

Der Musiker Lothar Steppke führte durch<br />

eine „Hitparade“, Jennifer und Ingo Walter<br />

vom Zauberzirkus <strong>Braunschweig</strong> erfreuten<br />

mit „pfi ffi gen Tricks“, eine eigens für den<br />

28 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Nachmittag gebildete Tanzgruppe aus Mitarbeitern<br />

zeigte „ästhetische Künste“.<br />

Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde<br />

sprach über das Traumleben, das den Lebenstraum<br />

nach Glück, Sicherheit und Geborgenheit<br />

auch in einem Altenpfl egeheim<br />

stärken könne.<br />

„Grüne Damen und Herren“, die eigene<br />

Waffeln backten, sowie Mitarbeiter aus<br />

den Küche und der Hauswirtschaft, die sich<br />

um Bratwurst, Bouletten, Kartoffel salat<br />

und Getränke kümmerten, sorgten für die<br />

„besondere Einheit von Leib und Seele“.<br />

Die Sonne meinte es (zu?) gut; auf jeden<br />

Fall blickte sie in Gesichter voller Glanz und<br />

Glück.


<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

29


Bewohner und<br />

Angehörige zu<br />

Beginn des Festes.<br />

30 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Tanzvorführung der<br />

Mitarbeiter.<br />

Die Leiterin der<br />

Hans-Georg-Karg-<br />

Grundschule Hella<br />

Schlüter mit Ihrer<br />

Mutter Johanne Ude.


Besondere Atmosphäre bietet der Brunnen im Park von Bethanien.<br />

Immer gern gesehene Teilnehmerinnen bei Festen sind die Diakonissen.<br />

Bunte Gemeinschaft unter freiem Himmel.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

31


Kultur-Arche: Für junge und alte Menschen<br />

Ein besonderes Angebot des Altenpfl egeheimes<br />

CJD-Lehrer Matthias Muschick (r.) mit seinen Schülern.<br />

Wenn junge und alte Menschen gemeinsam<br />

singen und musizieren, dann wird es bunt<br />

und lebendig. Im <strong>Marienstift</strong> trafen sich 97<br />

Senioren und Jugendliche, um gemeinsam<br />

Lieder zu singen. Der Wilhelm-Löhe-Saal im<br />

Altenpfl egeheim Bethanien war am 23. Juni<br />

2011 bis auf den letzten Platz gefüllt. Eingeladen<br />

hatte das Projekt „Kultur-Arche im<br />

<strong>Marienstift</strong>.“ Hier begegnen sich junge und<br />

alte Menschen in einem Singkreis, einer<br />

Band, einem Gitarrenkreis und einer Technik-<br />

AG. Gemeinsam gestalten die 25 Jugendlichen<br />

und 50 Senioren Aufführungen, bei<br />

den Menschen aus der Region <strong>Braunschweig</strong><br />

mitmachen können. Angehörige und Eltern<br />

waren bei dieser Aufführung mit dabei und<br />

durften mitmachen, singen und tanzen. Der<br />

Auch ein kleiner Imbiss gehört zum Angebot der „Kultur-Arche“.<br />

Der Gitarrenkreis unter der Leitung Roland Friedrich (l.).<br />

32 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Gitarrenkreis und eine Band, in der Senioren<br />

und Jugendliche gemeinsam musizierten,<br />

sorgte für gute Stimmung und Musik.<br />

Schwester Ursula Stadler brachte mit einem<br />

Sitztanz Bewegung in die Runde. Nach der<br />

Musik gab es lecker duftende Bratwürste<br />

für alle. Die Jugendlichen der Technik-AG<br />

hatten nicht nur die Instrumente, Mischpulte<br />

und Verstärker aufgebaut, sie grillten für<br />

alle und brachten vielen Senioren die Bratwurst<br />

an den Platz. Mitarbeiterinnen des<br />

<strong>Marienstift</strong>s sorgten für Getränke und nach<br />

einer Stunde mit viel Singen und Bewegung<br />

gingen alle satt und zufrieden nach<br />

Hause oder auf die Wohnbereiche zurück.<br />

Christian Werner


Vom Glück Gottesdienst halten zu dürfen<br />

Ältere Menschen als Hoffnungsträger<br />

Sonntagmorgen – die Sonne blinzelt an<br />

der Gardine vorbei einen Spalt breit zu<br />

mir auf mein Kopfkissen. Im Halbwachsein<br />

fühle ich ein glückliches Gefühl in<br />

meinen Herzen: Warum? Ich darf heute<br />

wieder den Sonntagsgottesdienst im Altenpfl<br />

egeheim des <strong>Marienstift</strong>es<br />

„BE THA NIEN“<br />

halten!<br />

Freude<br />

Ich freue mich auf all<br />

die mir inzwischen<br />

schon vertrauten Gesichter,<br />

die mich ansehen<br />

werden. Sie gehören<br />

zu ungefähr 30 bis<br />

40 Frauen und Männern,<br />

die jeden Sonntag<br />

um 11.00 Uhr in den<br />

Wilhelm-Löhe-Saal des<br />

<strong>Marienstift</strong>es zum Gottesdienst<br />

kommen – so treu und anhänglich!<br />

Lächeln<br />

Als ich vor knapp vier Jahren zum ersten<br />

Mal hier Gottesdienst halten durfte, fragte<br />

mich ein älterer Herr: „Wann kommt<br />

denn endlich der Pastor?“ Inzwischen<br />

hat er mich akzeptiert und lächelt mir immer<br />

freundlich zu, wenn wir uns sehen.<br />

Mut<br />

Im Laufe der Gottesdienste habe ich in die<br />

Predigten oft persönliche Erlebnisse meines<br />

Lebens auf und ab einfl ießen lassen.<br />

Ich fühle, dass dadurch Nähe zu den Zuhörern<br />

entsteht und sie mich besser kennenlernen<br />

können. Ob ich nun von der Flucht<br />

Lektorin Karin-Heide Rütters.<br />

1945 aus Danzig oder der ersten Begegnung<br />

mit der Bibel auf Großmutters Schoß<br />

erzählte, immer gab es beim Abschied<br />

nach dem Gottesdienst Dankesworte wie:<br />

„Ihre Predigt hat mir Mut gemacht.“ oder<br />

„Ich bin auch aus Danzig, danke, dass Sie<br />

an die Kriegszeit erinnert<br />

haben, sie hat uns Ältere<br />

doch sehr geprägt!“<br />

Worte<br />

Ich betrete schon immer<br />

eine halbe Stunde vor<br />

Gottesdienstbeginn den<br />

Andachtsraum und werde<br />

bereits von einigen<br />

Gottesdienstbesuchern<br />

erwartet, die ihre gewohnten<br />

Plätze eingenommen<br />

haben, auch<br />

einige Rollstuhlfahrer<br />

sind schon von den fürsorglichen<br />

Pfl egerinnen auf ihre angestammten<br />

Plätze geschoben worden. Die<br />

herzliche Begrüßung des Einzelnen ist mir<br />

immer eine große Freude, ist es doch, als<br />

komme ich zu einem Familientreffen, da<br />

„wir“ uns fast alle inzwischen schon<br />

recht gut kennen. So viel Freundlichkeit,<br />

herzlicher Händedruck und liebe Worte<br />

werden mir geschenkt, dass ich ganz gerührt<br />

bin. In den alten Damen sehe ich<br />

immer irgendwie meine eigene Mutter in<br />

ihren letzten Lebensjahren wieder und<br />

muss sie einfach lieb haben.<br />

Gespräche<br />

Es ist gut, dass ich vor Beginn des Gottesdienstes<br />

auch noch ein wenig Zeit<br />

habe für kurze persönliche Gespräche.<br />

So erfahre ich, wie wichtig der Sonntags-<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

33


gottesdienst ist, um Kraft und Mut durch<br />

Gottes Wort und den Segen für die neue<br />

Woche zu bekommen. Die oft schon<br />

weit über 80 Jahre bis zu fast 100 Jahre<br />

alten Frauen und Männer geben mir die<br />

Gewissheit, dass im Vertrauen auf Gottes<br />

Begleitung durch das Leben auch das Älterwerden<br />

und Altsein noch schöne Seiten<br />

hat. Es rührt mir das Herz an, wenn<br />

ich sehe, wie gebrechlich einige meiner<br />

Gottesdienstbesucher sind und vielleicht<br />

auch Schmerzen haben, – und trotzdem<br />

sagt mir eine fast 100jährige Dame ein<br />

Gebet auf, das sie jeden Morgen voller<br />

Dankbarkeit für den neuen Tag betet.<br />

Trost<br />

Oder eine andere zarte, feine Dame tröstet<br />

mich, als ich sie wegen ihres steifen<br />

Arms und der Hand bedauere. Sie sagt:<br />

„Ich habe doch noch die andere Hand,<br />

es geht schon!“ und lächelt dabei. Ein<br />

älterer Herr erzählt mir von dem Kruzifi x,<br />

das in seinem Zimmer an der Wand<br />

hängt und vor dem er betet. Auch alle,<br />

die ihn besuchen, würden sich an dem<br />

schönen Kreuz erfreuen.<br />

Singen<br />

Und ich darf nicht vergessen zu erwähnen,<br />

wie viel Freude das gemeinsame<br />

34 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Singen der meist alten Kirchenlieder<br />

z. B. von Paul Gerhardt macht, wenn<br />

auch nicht jeder mehr mitsingen kann,<br />

da die Kraft und die Stimme versagen.<br />

Dafür singen manch andere umso lauter<br />

und können ganze Lieder auswendig.<br />

Vertrauen<br />

Für mich ist es wunderbar zu erleben,<br />

wie der Glaube und das Vertrauen in<br />

Gott, unseren himmlischen Vater, die alten<br />

Menschen demütig ihr Altwerden ertragen<br />

lässt und trotzdem neue Kraft für<br />

jeden Tag gibt. Sie sind Hoffnungsträger<br />

für mein eigenes Altwerden und ich<br />

möchte mich bei all den Gottesdienstbesuchern<br />

in BETHANIEN ganz herzlich bedanken.<br />

Danke<br />

Auch ein großes Dankeschön an Frau<br />

Oberin Tiemann und Herrn Pastor Dr.<br />

Budde, die mir vertrauensvoll die Gestaltung<br />

vieler schöner Gottesdienste im<br />

Wilhelm-Löhe-Saal übertragen haben.<br />

Herzlichst<br />

Ihre<br />

Karin-Heide Rütters<br />

„So viel Freundlichkeit, herzlicher Händedruck und liebe Worte werden<br />

mir geschenkt, dass ich ganz gerührt bin. In den alten Damen sehe ich<br />

immer irgendwie meine eigene Mutter in ihren letzten Lebensjahren<br />

wieder und muss sie einfach lieb haben.“<br />

Karin-Heide Rütters


Bewohnerausfl ug nach Celle<br />

Von Ursula Stadler, Mitarbeiterin<br />

Bewohner, „Grüne Damen und Herren“, Angehörige und Mitarbeiter.<br />

Die Residenzstadt Celle war das zweite<br />

Ausfl ugsziel des Altenpfl egeheimes Bethanien<br />

in diesem Jahr: Am 2. und 3. August<br />

2011 machten sich insgesamt 45 Bewohner<br />

mit ihren Begleitpersonen – Altenpfl egeschüler,<br />

Angehörige, Alltagsbegleiter<br />

und „Grüne Damen“ – auf den Weg. Für<br />

Bewohner im Rollstuhl wurde ein „Rollibus“<br />

eingesetzt. Dadurch ist ein Veranstalter<br />

in der Lage, auch Bewohnern, die keine<br />

Stufen mehr steigen können, die Teilnahme<br />

zu ermöglichen.<br />

In der „CONGRESS UNION“ wurden die<br />

Bewohner mit Kaffee und Kuchen verwöhnt.<br />

Das warme sonnige Wetter lud an-<br />

„Verschnaufpause“ im Grünen.<br />

schließend zu einem Spaziergang in die Innenstadt<br />

und in den Schlosspark ein. Prägend<br />

für den Schlosspark sind die Wasserfl<br />

ächen. Der alte Baumbestand, mit Bäumen<br />

aus dem 19. Jahrhundert, weite<br />

Ra senfl ächen und Wechselpfl anzungen<br />

prägen den Park. In der Innenstadt wurden<br />

die „sprechenden La ternen“ bewundert.<br />

Die Laternen sind eine Gruppe von Lichtfi -<br />

guren in der historischen Altstadt. Einige<br />

Bewohner besichtigten die Stadtkirche St.<br />

Marien, die im 13. Jahr hun dert gebaut<br />

wurde. Pünktlich zum Abendbrot kamen<br />

die Bewohner wieder in Bethanien an. Alle<br />

waren der Meinung, einen schönen Nachmittag<br />

erlebt zu haben.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

35


Blasorchester bereitete Freude<br />

Dank für Genesung und Freude für die Mitmenschen<br />

Aufmerksame Zuhörer.<br />

Begeisterte Zuhörer.<br />

36 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Blasorchester in der „Arche Noah“.<br />

Das Bortfelder – Bettmarer Blasmusikorchester<br />

lud im Juli 2011 die Bewohner vom<br />

Altenpfl egeheim Bethanien in den <strong>Marienstift</strong>s<br />

– Garten, der einen besonderen Charakter<br />

durch die„Arche Noah“ sowie durch<br />

die altersgerechte Gestaltung hat, zu einem<br />

musikalischen Nachmittag ein. Bei trockenem<br />

Wetter sangen und schunkelten<br />

100 Bewohner mit. Einige Bewohner beobachteten<br />

das Geschehen von ihren Balkonen<br />

aus. Zum Abschluss gab es noch einen<br />

kleinen Imbiss.<br />

Die Idee, ein kostenloses Konzert zu geben,<br />

kam von Herrn Holzmann, der ebenfalls<br />

dem Orchester angehört. Er war im letzten<br />

Jahr als Patient im Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es.<br />

„Meine Gesundheit wurde wieder<br />

so hergestellt, dass es mir wieder möglich<br />

ist, im Orchester mitzuspielen,“ sagte<br />

der über 80jährige rüstige Senior. Vor allem<br />

wollte er der Mutter seiner Lebensgefährtin<br />

und den Bewohnern in Bethanien eine<br />

Freude machen.


Bewohner unterwegs<br />

Ausfl ug der Bewohner nach Bad Gandersheim<br />

Gemeinsam unterwegs.<br />

Gelungenes Gespräch.<br />

Bunte Gemeinschaft.<br />

Entspannte Atmosphäre.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

37


Altenpfl ege mit Herz und Kopf<br />

Von Cornelia Steiner, Redakteurin der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung<br />

Wenn Olaf Stilzebach über seinen Beruf<br />

spricht, dann fallen Sätze wie diese: „In der<br />

Altenpfl ege erfahren wir unglaublich viel<br />

Dankbarkeit und Herzlichkeit. Unsere Bewohner<br />

schenken uns so oft ein Lächeln,<br />

ein zufriedenes Nicken oder auch mal eine<br />

Blume aus dem Park. Dieser Beruf ist erfüllend,<br />

und er macht Spaß.“<br />

Für bessere Bezahlung<br />

Olaf Stilzebach ist Wohn- und Pfl egebereichsleiter<br />

im Altenpfl egeheim Bethanien<br />

des <strong>Marienstift</strong>s in <strong>Braunschweig</strong>, und<br />

wenn er über seinen Beruf spricht, dann fallen<br />

auch solche Sätze: „Die Belastung in der<br />

Pfl e ge nimmt zu, zum Beispiel durch die<br />

not wendige Dokumentation – es bleibt weniger<br />

Zeit für die Bewohner, mehr Personal<br />

ist nicht fi nanzierbar. Wir leisten viel mehr,<br />

als wir bezahlt bekommen: Für Gespräche<br />

gibt es nicht einen Cent, so etwas kann<br />

man nicht abrechnen wie Waschen und Anziehen.<br />

Die Bezahlung in der Altenpfl ege ist<br />

verglichen mit anderen Branchen eher<br />

schlecht.“ Finanzierung und Bezahlung der<br />

Pfl ege – diese beiden Aspekte sind seit Jahren<br />

in der Diskussion. Dabei dreht sich alles<br />

38 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

um die Pfl egesätze, die die Heime erhalten.<br />

Sie werden zwischen den Pfl egekassen, den<br />

Kommunen und den Heimträgern ausgehandelt.<br />

Im Bundesvergleich fallen zwei<br />

Dinge auf: Die Ost-Bundesländer haben die<br />

niedrigsten Pfl egesätze, und im Westen ist<br />

Niedersachsen das Schlusslicht. Das heißt:<br />

Den Heimen in Niedersachsen steht weniger<br />

Geld für Personal und Sachkosten zur<br />

Verfügung als Heimen in Bayern oder Nordrhein-<br />

Westfalen. Ein Grund dafür ist der relativ<br />

hohe Anteil privater Pfl egeanbieter: In<br />

Niedersachsen werden rund 60 Prozent aller<br />

Heime privat betrieben, während sich<br />

bundesweit nur knapp 40 Prozent aller Heime<br />

in privater Trägerschaft befi nden. Bei<br />

den Verhandlungen über Pfl egesätze galt<br />

bislang, vereinfacht gesagt, dass sich deren<br />

Höhe nicht an den tatsächlich anfallenden<br />

Kosten einer Einrichtung orientiert. sondern<br />

am Pfl egesatzniveau der Region. Weil<br />

private Träger seltener Tarifl öhne zahlen,<br />

drücken sie das Niveau.<br />

Für Qualitätswettbewerb<br />

Burkhard Budde, Vorsitzender des Niedersächsischen<br />

Evangelischen Verbandes für<br />

Redakteurin Cornelia Steiner mit dem Mitarbeiter Olaf Stilzebach.


Altenpfl ege, sagt: „Wir befürworten einen<br />

Leistungs- und Qualitätswettbewerb, aber<br />

wir haben Sorge vor diesem Lohndumping.<br />

Die derzeitige Unterfi nanzierung gefährdet<br />

nicht nur die Qualität der Pfl ege, sondern<br />

schadet auch der Wirtschaftlichkeit der<br />

Häuser, die ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen.“<br />

Er sieht die Landesregierung in<br />

der Pfl icht, bei den Pfl egesatzverhandlungen<br />

einzugreifen. „Aber das Sozialministerium<br />

macht es sich einfach und weist die<br />

Zuständigkeit von sich“, fügt Budde hinzu.<br />

Für politische Beteiligung<br />

Ministeriumssprecher Thomas Spieker sagte<br />

gestern auf Anfrage, dass sich das Land<br />

durchaus an den Beratungen beteilige. So<br />

sollen die zuständigen Fachgremien analysieren,<br />

ob es in bestimmten Regionen<br />

Handlungsbedarf bei den Pfl egesätzen gibt.<br />

Spieker verweist auf große Unterschiede: So<br />

liege das Pfl egesatzniveau in Ballungsräumen<br />

wie Hannover und Osnabrück im Bundesdurchschnitt<br />

– in ländlich geprägten Regionen<br />

liege es hingegen unterhalb des niedersächsischen<br />

Durchschnitts.<br />

Für höhere Pfl egesätze<br />

Immenroth von der Ostfalia-Hochschule in<br />

Wolfsburg hält die Pfl egesätze in Niedersachsen<br />

für zu niedrig. Er ist Pfl egeexperte<br />

und Dozent an der Fakultät Gesundheitswesen.<br />

„Die Pfl egesätze lassen den Heimen<br />

nur einen sehr geringen Spielraum, um beispielsweisePersonalentwicklungsmaßnahmen<br />

oder familienfreundliche Modalitäten<br />

wie Betriebskindergartenplätze zu realisieren“,<br />

sagt er. „Gerade diese Maßnahmen<br />

sind aber enorm wichtig, damit die Heime<br />

die Herausforderungen über- haupt bewältigen<br />

können.“ Aus seiner Sicht muss es<br />

den Einrichtungsträgern schnellstmöglich<br />

gelingen, bei den Pfl egekassen und den Sozialhilfeträgern<br />

höhere Pfl egesätze durchzusetzen,<br />

um eine qualitativ hochwertige und<br />

fl ächendeckende Pfl ege aufrechtzuerhalten.<br />

„Das ist notwendig, weil auch die Quali-<br />

tätsanforderungen an die Pfl ege steigen.<br />

Der Beruf akademisiert sich immer stärker –<br />

nicht nur auf der Leitungsebene, sondern<br />

auch an der Basis“, erklärt er.<br />

Für mehr Bildung<br />

Die Ostfalia bietet zum Beispiel ab September<br />

erstmals einen berufsbegleitenden Studiengang<br />

Pfl ege an. Neben Österreich und<br />

Luxemburg sei Deutschland das einzige EU-<br />

Land, wo die Erstausbildung an der Berufsschule‘<br />

angesiedelt ist und nicht an der<br />

Hochschule. „Pfl ege wird anspruchsvoller<br />

und immer spezialisierter – das ist nur bei<br />

entsprechender Bezahlung der Fachkräfte<br />

durchzuhalten.“ Schon jetzt mangele es an<br />

Fachkräften, vor allem im Leitungsbereich<br />

würden dringend Fachleute benötigt. Mitarbeiter<br />

aus dem europäischen Ausland<br />

hält er für zwingend notwendig, weist aber<br />

zugleich darauf hin, dass sich das Problem<br />

damit möglicherweise nur verlagere: „Die<br />

demografi sche Veränderung betrifft auch<br />

die anderen Staaten. Wenn wir deren Fachkräfte<br />

zu uns holen, fehlen sie in wenigen<br />

Jahren dort.“<br />

Für bessere Auslastung<br />

Immenroth zeigt noch ein weiteres Problem:<br />

Der Statistik zufolge sind die Altenpfl<br />

egeheime in Niedersachsen im Schnitt zu<br />

fast 89 Prozent ausgelastet, es gibt starke<br />

regionale Unterschiede. „Ein Heim ist im<br />

Jahresmittel nie zu 100 Prozent auslastbar,<br />

aber bis zu 95 Prozent sind realistisch erreichbar.<br />

Wenn zu viele Betten da sind,<br />

geht der Preis runter. Und genau das erleben<br />

wir im Moment: Wir haben ein punktuelles<br />

Überangebot durch eine rege Bautätigkeit<br />

privater Anbieter,“ sagt er. Dies geschehe<br />

zum Beispiel dann, wenn mit dem<br />

Betrieb von Altenpfl egeheimen primär eine<br />

Rendite erwirtschaftet werden soll und<br />

branchenfremde Interessenträger wie Immobilenfonds<br />

ins Spiel kommen.<br />

(„BZ“ vom 3. August 2011)<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

39


Kommentiert<br />

Neues Heimgesetz –<br />

mehr Freiheit und Solidarität?!<br />

Von Heidemarie Mundlos, Mitglied des Landtages<br />

Der Niedersächsische<br />

Landtag hat während<br />

seiner Sitzung des<br />

Juni-Plenums das<br />

neue Niedersächsische<br />

Heimgesetz verabschiedet.<br />

Es greift<br />

die sich aus der demographischenEntwicklung<br />

ergebenden<br />

Herausforderungen auf; denn fest steht,<br />

dass die Zahl der älteren Menschen in der<br />

Gesellschaft zunehmen wird. Diese Entwicklung<br />

wirkt sich natürlich auch auf das<br />

Wohnen im Alter und die Pfl ege aus. Ein<br />

hohes Alter bzw. Pfl egebedürftigkeit führen<br />

oft dazu, dass Menschen auf fremde Hilfe<br />

angewiesen sind. Wird eine umfangreiche<br />

Betreuung erforderlich, dann bekommen<br />

Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben eine ganz andere Bedeutung.<br />

Mit einer Unterbringung im Heim ändert<br />

sich für die Menschen der Tagesablauf,<br />

es gibt zeitliche Vorgaben und Einschränkungen.<br />

Selbstständigkeit und Selbstbestimmung<br />

werden infolge von Hilfe- und<br />

Pfl egebedürftigkeit eingeschränkt. Deshalb<br />

ist die Gewährung von Schutz und die Berücksichtigung<br />

der individuellen Bedürfnisse<br />

der Heimbewohner ein Hauptzweck des<br />

Heimgesetzes. Beide Aspekte sind Ausdruck<br />

einer modernen Sozialpolitik. Im Folgenden<br />

möchte ich auf die wesentlichen Aspekte<br />

des Heimgesetzes näher eingehen.<br />

Viele Angebote<br />

Die Pfl egelandschaft hat sich in den vergangenen<br />

Jahren rasant weiterentwickelt.<br />

Den älteren und hilfebedürftigen Men-<br />

40 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

schen stehen heutzutage vielfältige Betreuungs-<br />

und Wohnangebote zur Verfügung.<br />

Insbesondere die ambulant betreuten<br />

Wohngemeinschaften und integriertes<br />

Wohnen gewinnen zunehmend an Bedeutung,<br />

da sich viele Menschen wünschen,<br />

solange wie möglich in ihrer gewohnten<br />

Umgebung zu bleiben und den Schritt ins<br />

stationäre Heim möglichst lange vermeiden<br />

wollen. Die alternativen Wohnformen helfen<br />

diesen Menschen, ihren Alltag selbstbestimmter<br />

zu bewältigen. Dies wollen wir<br />

fördern. Das neue Heimgesetz eröffnet die<br />

Möglichkeit, neue Wohnformen leichter zu<br />

erproben und sieht für mehrere Jahre Befreiungen<br />

zur Erprobung vor. Damit tragen<br />

wir den individuellen Bedürfnissen der<br />

Heimbewohner Rechnung und kommen<br />

deren Wunsch nach mehr Selbstverantwortung<br />

und Selbstbestimmung bei den Formen<br />

des gemeinschaftlichen Wohnens im<br />

Alter nach.<br />

Selbstbestimmung<br />

Selbstbestimmung bedeutet auch, dass die<br />

Heimbewohnerinnen und Heimbewohner<br />

an Entscheidungen, die sie selbst betreffen,<br />

beteiligt werden. Hierfür sieht das Heimgesetz<br />

vor, dass diese in Angelegenheiten des<br />

Heimbetriebs wie Unterkunft, Verpfl egung,<br />

Aufenthaltsbedingungen, Betreuung oder<br />

Freizeitgestaltung durch eine Bewohnervertretung<br />

mitwirken. Die Bewohner können<br />

ihren Heimalltag somit aktiv mitbestimmen.<br />

Geltungsbereich<br />

Das neue Heimgesetz nimmt auch eine<br />

klare Abgrenzung zwischen den klassi-


schen Heimen und den ambulant betreuten<br />

Wohngemeinschaften vor. In diesem<br />

Bereich war es beim vorher geltenden<br />

Bundesheimrecht oftmals zu Abgrenzungsproblemen<br />

gekommen. Der Geltungsbereich<br />

des Heimgesetzes umfasst<br />

die bewährten stationären Einrichtungen,<br />

in denen ältere, pfl egebedürftige volljährige<br />

oder behinderte volljährige Menschen<br />

wohnen und betreut werden, ebenso wie<br />

die nicht selbstbestimmten Wohngemeinschaften.<br />

Weiterhin gilt das Gesetz für bestimmte<br />

Formen des betreuten Wohnens<br />

sowie Einrichtungen der Tagespfl ege.<br />

Denn gerade die Tagespfl ege ist ein Bereich<br />

mit einer enormen Wachstumsrate –<br />

allein in den letzten Jahren war ein Anstieg<br />

um 25 Prozent zu verzeichnen. Keine<br />

Anwendung fi ndet das Gesetz auf ambulant<br />

betreute Wohngemeinschaften pfl egebedürftiger<br />

Menschen, die selbstbestimmt<br />

sind. Grund für diese Differenzierung<br />

ist, dass hier ein strukturelles Abhängigkeitsverhältnis<br />

gegenüber einem Dritten<br />

nicht besteht und das Schutzbedürfnis<br />

somit nicht vergleichbar zu den Menschen<br />

in nicht selbstbestimmten Wohngemeinschaften<br />

ist.<br />

Rahmenbedingungen<br />

Mit diesem Gesetz schaffen wir weiterhin<br />

neue und zukunftsweisende Rahmenbedingungen<br />

für die in der Pfl ege tätigen Menschen,<br />

deren Leistungen wir anerkennen und<br />

würdigen. Gleichzeitig tragen die neuen Regelungen<br />

zur Entlastung der Träger bei. Die<br />

Anzeigepfl ichten werden auf ein angemessenes<br />

Maß reduziert, ohne dass der Bewohnerschutz<br />

beeinträchtigt wird. So kann z. B. der<br />

Abstand der heimaufsichtlichen Prüfung auf<br />

bis zu zwei Jahre verlängert und können<br />

Doppelprüfungen vermieden werden.<br />

Mit dem Heimgesetz haben wir ein zukunftsweisendes<br />

Gesetz für Niedersachsen,<br />

das die individuellen Bedürfnisse der Menschen<br />

optimal berücksichtigt und schaffen<br />

zuverlässige Rahmenbedingungen für alle<br />

in der Pfl ege beteiligten Akteure. Wir wissen<br />

um die Herausforderungen und nehmen<br />

diese mit dem Heimgesetz an.<br />

(Heidemarie Mundlos ist stellvertretende<br />

CDU-Fraktionsvorsitzende für den Bereich<br />

Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und<br />

Integration im Niedersächsischen Landtag)<br />

Singen mit dem Collegium vocale <strong>Braunschweig</strong><br />

Geistliche und weltliche Lieder<br />

Das Collegium vocale ist ein gemischter Chor mit musikbegeisterten Damen und Herren.<br />

Das Repertoire aus der geistlichen und weltlichen Chor-Literatur erstreckt sich<br />

vom leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad.<br />

Die Übungsabende fi nden dienstags von 19 bis 21 Uhr im Großen Saal des Mutterhauses<br />

des <strong>Marienstift</strong>es an der Helmstedter Straße 35 statt.<br />

Das Collegium vocale ist kein Verein Der Chor lädt beitragsfrei sowie ohne Vorsingen<br />

zum Mitmachen ein. Weitere Information erteilt gern die Chorleiterin Ingeborg Herrmann<br />

(Kontakt: Telefon 0531 7011-0).<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

41


Ein Blick in die Diakonische Galerie<br />

Harald Eitge (r.), Leiter der Arge <strong>Braunschweig</strong>, mit Ehefrau Karin Eitge und Dr. Burkhard Budde.<br />

42 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Gertrud und Rainer Kretschmer beim Filmen für das Idea-Fernsehen.


Direktor Pastor Andreas Seifert vom Diakonischen<br />

Werk <strong>Braunschweig</strong>.<br />

Anke Grewe von Diakonischen Werk<br />

<strong>Braunschweig</strong>.<br />

Nele Rein vom NDR. Kaufmann Helmut Haase aus <strong>Braunschweig</strong>.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

43


44 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Heimleiterin Monika Gladbach-Geitebrügge mit Familie.<br />

Kaufmann Carl Langerfeldt aus <strong>Braunschweig</strong>.<br />

Geschäftsführer der Jungen Union aus ganz Deutschland in der Diakonischen Galerie.


Für eine lebensfreundliche Gesellschaft<br />

Vertreter der Kriminalpolizei besuchten das Babykörbchen am <strong>Marienstift</strong><br />

Ulf Küch, Dr. Burkhard Budde und Christian Mehner (v. l. n. r.).<br />

Über den Einsatz für das Leben sowie über<br />

Kindesmisshandlung und Kindestötung<br />

sprachen Kriminaldirektor Ulf Küch und Kriminalhauptkommissar<br />

Christian Mehner von<br />

der Kriminalpolizei <strong>Braunschweig</strong> mit dem<br />

Vorstandsvorsitzenden des <strong>Braunschweig</strong>er<br />

<strong>Marienstift</strong>es, Dr. Burkhard Budde, am 8.<br />

August 2011 in der kirchlichen Einrichtung.<br />

Anlass war die Besichtigung des Babykörbchens<br />

an der Frauenklinik Eben-Ezer, das<br />

seit 2001 existiert und bereits vier Babys das<br />

Leben gerettet hat. Gleichzeitig übergaben<br />

die beiden Beamten die neueste Ausgabe<br />

„der kriminalist“, die Fachzeitung Bund<br />

deutscher Kriminalbeamter, die einen Artikel<br />

über das Thema „Kindestötung“ mit einem<br />

Hinweis auf das <strong>Braunschweig</strong>er Babykörbchen<br />

veröffentlicht hat. Die Vertreter<br />

der Kriminalpolizei begrüßten die Einrichtung<br />

der „Babyklappe“, weil die Alternative<br />

unter Umständen die Kindestötung darstellt.<br />

Die Gesprächspartner waren sich einig,<br />

dass dieses „letzte Angebot“ für Frauen<br />

in einer extremen Notlage auch eine<br />

ständige Erinnerung für alle darstellt, sich<br />

für eine lebensfreundliche Gesellschaft für<br />

Kinder, Frauen und Männer einzusetzen.<br />

Dies habe auch positive Auswirkungen auf<br />

den notwendigen würd<strong>ev</strong>ollen Umgang mit<br />

älteren und pfl egebedürftigen Menschen.<br />

Im <strong>Marienstift</strong> haben in diesem Jahr bislang<br />

460 Kinder das Licht der Welt erblickt; jährlich<br />

sind es etwa um 800 Kinder.<br />

Nele Rein vom „NDR“.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

45


Kripo-Chef befürwortet Babykörbchen<br />

Von Bettina Thoenes, Redakteurin der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung<br />

In der Debatte um die umstrittenen Babyklappen<br />

bekennen sich auch Vertreter der<br />

<strong>Braunschweig</strong>er Polizei zur Möglichkeit<br />

der anonymen Abgabe Neugeborener. Aktueller<br />

Anlass ist der Fund einer Babyleiche<br />

im Mai in einem <strong>Braunschweig</strong>er Müllcontainer.<br />

„Leben retten“<br />

„Babyklappen können Leben retten“, betonte<br />

Kripochef Ulf Küch anlässlich eines<br />

Besuchs im <strong>Marienstift</strong> an der Helmstedter<br />

Straße, an dessen Frauenklinik vor zehn<br />

Jahren das regional bislang einzige Babykörbchen<br />

eingerichtet wurde. Laut <strong>Marienstift</strong>-Vorstand<br />

Burkhard Budde wurden<br />

seither vier Babys anonym abgegeben. In<br />

einem Fall holte die Mutter das Kind zu<br />

sich zurück – was bis zu acht Wochen<br />

nach Abgabe des Kindes ebenfalls unter<br />

Wahrung ihrer Anonymität möglich ist. Die<br />

drei übrigen Kinder leben inzwischen in<br />

Adoptivfamilien. Seit rund zwei Jahren<br />

wurde kein Baby mehr in das vorgewärmte<br />

Körbchen gelegt. Für Budde ein Hinweis<br />

darauf, dass die Existenz des Babykörbchen<br />

keine Nachfrage erzeuge. „Ohne<br />

existenzielle Not gibt keine Frau ihr Kind<br />

ab“, ist Budde überzeugt und betont: „Die<br />

Babyklappe ist als Ergänzung zu Beratungsangeboten<br />

gedacht, als letztes Mittel<br />

vor Aussetzen eines Kindes.“<br />

Die <strong>Braunschweig</strong>er Kriminalbeamten Ulf<br />

Küch und Christian Mehner – beide engagiert<br />

im Bund Deutscher Kriminalbeamter –<br />

widersprechen ebenso wie Budde dem Appell<br />

des Deutschen Ethikrates, die rund 100<br />

Babyklappen in Deutschland zu schließen.<br />

Der Ethikrat zweifelt an dem Argument,<br />

die Klappen könnten Kindstötungen verhindern.<br />

Dagegen hätten Kinder womöglich<br />

ihr Leben lang unter der Anonymität<br />

ihrer Herkunft zu leiden. Stattdessen soll-<br />

46 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

ten unter anderem Hilfsangebote gestärkt<br />

werden.<br />

Küch verweist dagegen auf rund 1000<br />

Neugeborene, die in den vergangenen Jahren<br />

deutschlandweit getötet worden seien.<br />

„Und wenn nur einige wenige Kinder<br />

durch Babyklappen gerettet werden können,<br />

haben sie sich schon gelohnt“, spricht<br />

er sich für eine Legalisierung der anonymen<br />

Geburt und den Ausbau von Babyklappen<br />

aus.<br />

„In Schule publik machen“<br />

In <strong>Braunschweig</strong> hat die Staatsanwaltschaft<br />

erst vor wenigen Wochen im Fall des so genannten<br />

Waller Babymordes gegen eine 36<br />

Jahre alte <strong>Braunschweig</strong>erin Anklage wegen<br />

zweifachen Totschlags erhoben. Neugeborenes<br />

soll in Badewanne ertrunken<br />

sein. Vor sechs Jahren soll die Frau ihrer<br />

neugeborenen Tochter die Kehle durchgeschnitten<br />

und die Leiche am Waller See im<br />

Landkreis Gifhorn vergraben haben. Jahrelang<br />

fahndete die Polizei nach der Täterin.<br />

Nach ihrer Festnahme entdeckten die Ermittler<br />

im vergangenen Mai in einem Müllcontainer<br />

an der Berliner Heerstraße in<br />

<strong>Braunschweig</strong> eine weitere Babyleiche. Ein<br />

weiteres Mädchen, das die 36-Jährige kurz<br />

vor ihrer Verhaftung entbunden hatte, soll<br />

kurz nach seiner Geburt in der Badewanne<br />

ertrunken sein. Kriminaldirektor Küch und<br />

Kriminalhauptkommissar Mehner halten es<br />

auch angesichts solcher Taten auch für<br />

wichtig, die Existenz von Babyklappen und<br />

Hilfsangeboten schon in der Schule publik<br />

zu machen – damit auch junge und unerfahrene<br />

Mädchen die notwendigen Informationen<br />

erhielten.<br />

(aus: BZ 12.8.2011)


Hilfe in auswegloser Lage<br />

Ein Kommentar von Silke Stuckenberg<br />

Die Existenz der Babyklappen ist umstritten: retten sie Leben und verhindern sogar<br />

die Tötung eines Kindes oder verletzen sie Menschenrechte, weil das Kind nie eine<br />

Antwort auf seine Herkunft erhält? Eltern werde es mit dem Angebot einer Babyklappe<br />

zu leicht gemacht, sich der Sorge- und Unterhaltspfl icht zu entziehen, argumentieren<br />

die Gegner von Babyklappen. Obwohl die Zahl getöteter und ausgesetzter Kinder<br />

seit zehn Jahren gesunken ist, fordern sie eine Abschaffung der Babyklappen und<br />

eine Aufstockung des Personals für Beratungsstellen. Das <strong>Braunschweig</strong>er <strong>Marienstift</strong><br />

teilt diese Kritiken nicht und hält an der Existenz des Babykörbchens fest. Das Babykörbchen<br />

ist als eine Notfalleinrichtung für Mütter, die sich in einer ausweglosen Situation<br />

befi nden, zu verstehen.<br />

Denn die Geburt eines Babys ist nicht für alle Mütter ein Grund zur Freude: Mütter,<br />

die sich illegal in Deutschland aufhalten, obdachlos sind, Angst vor der Gewalt des<br />

Partners oder gar keinen Partner haben, und keinen anderen Ausweg wissen, sind<br />

möglicherweise dankbar, dass sie ihr Kind auf diesem Wege anonym zur Adoption<br />

freigeben können. Natürlich wäre es besser, wenn die Mutter sich vor der Entbindung<br />

beraten ließe, um sich einen Weg aufzeigen zu lassen, damit sie ihr Baby behalten<br />

kann. Oft empfi ndet eine Mutter ihre Situation aber als so ausweglos, dass sie eine<br />

Beratungsstelle erst gar nicht in Betracht zieht.<br />

Wenn eine Mutter in einer Notsituation ihr Kind in eine Babyklappe gibt, darf man<br />

dieses nicht als lieblos oder gar verantwortungslos bewerten. Das Kind wird zwar in<br />

fremde Hände gegeben, aber die Mutter kann sich sicher sein, dass die Schwestern<br />

der Frauenklinik es gut versorgen und dass die Zukunft des Kindes gesichert ist. Diese<br />

Mütter sind nicht zu verurteilen, vielmehr sollte verstärkt Öffentlichkeitsarbeit geleistet<br />

werden, damit die Vorurteile abgebaut werden und das Angebot an Babyklappen<br />

erweitert wird. Wenn mit der Babyklappe das Leben eines einzigen Neugeborenen<br />

gerettet und ein Babymord<br />

wie am Waller See<br />

verhindert werden kann,<br />

ist eine Diskussion um<br />

die Daseinsberechtigung<br />

von Babyklappen überfl<br />

üssig.<br />

(Aus: „braunschweig report“<br />

17.8. 2011)<br />

Silke Stuckenberg vom<br />

„braunschweig-report“<br />

mit Schwester<br />

Margrit Engel (l.).<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

47


70 Jahre in und mit der Kirche<br />

Von Propst i.R. Armin Kraft<br />

Im Krieg geboren lernte ich sehr schnell<br />

Menschen kennen, die mir sagten: „Not<br />

lehrt beten und fl uchen.“ Sehr früh erlebte<br />

ich Angst und Leiden. Zu spät gefl üchtet<br />

brachte ich insgesamt zwei Jahre in Flüchtlingslagern<br />

zu (Bautzen und Zwickau). Hier<br />

lernte ich viel und früh auswendig – zum<br />

Beispiel: „Dennoch ist ein gutes Wort, dennoch<br />

heißt mein Glaube, dennoch sag ich<br />

hier und dort, ob ich lieg im Staube oder<br />

steh´ auf der Höh´ in des Glückes Schimmer,<br />

dennoch sag ich<br />

immer.“ Ich wusste<br />

zunächst nicht, dass<br />

es hierbei um den 73.<br />

Psalm geht. Die Symbolsprache<br />

habe ich<br />

bald gelernt. „Weil<br />

ich Jesu Schäfl ein<br />

bin… Führe mich, o<br />

Herr, und leite…“ Ich<br />

konnte vieles bald<br />

auswendig: Gesangbuchverse,Bibelworte…<br />

Und immer wieder<br />

bin ich auf für<br />

mich vorbildliche Mitmenschen<br />

gestoßen. Weil Menschen Menschen<br />

brauchen, sind mir diese Erfahrungen<br />

der Zuneigung und Freundschaft wichtig<br />

geblieben.<br />

Leben im Pfarrhaus<br />

Dann kam das Leben im Pfarrhaus in Groß<br />

Dahlum. Ich war Einzelkind und von allen<br />

beobachteter Pfarrerssohn! Sehr früh bemerkte<br />

ich die Kluft zwischen theologischem<br />

Anspruch und der Wirklichkeit in<br />

der Kirchengemeinde. Der Graben zwischen<br />

theologischer Absicht und Verstehensmöglichkeiten<br />

war zeitweilig schmerzlich<br />

tief. „Die in die Kirche gehen, sind<br />

auch nicht besser – aber sie sind besser<br />

dran.“<br />

48 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Die Schulzeit<br />

Armin Kraft (2. v. r.) mit dem ehemaligen<br />

General intendanten des Staatstheaters<br />

<strong>Braunschweig</strong> Wolfgang Gropper und Frau<br />

sowie Erika Borek (r.).<br />

Während der Schulzeit in Schöningen – besonders<br />

im Religionsunterricht – wurde mir<br />

klar: der Geruch der Ehrlichkeit ist wichtiger<br />

als jeglicher theologischer „Schmus“. Ich<br />

erlebte, wie schwierig es ist, den christlichen<br />

Glauben an die nächste Generation<br />

weiterzugeben. Die Auseinandersetzungen<br />

darüber waren aber auch anregend, manchmal<br />

sogar aufregend. Ich lernte früh: „Du<br />

sollst die Bibel nicht<br />

wörtlich, aber beim<br />

Wort nehmen.“ So<br />

wurde mir schnell<br />

klar, zwischen Jesus<br />

und Christus zu unterscheiden.<br />

Die historischen<br />

Bezüge waren<br />

mir weniger wichtig,<br />

wohl aber Christus<br />

als „die menschli-<br />

Das Studium<br />

che Seite Gottes“, als<br />

das „Neue Sein für<br />

das Leben und das<br />

Sterben“.<br />

Im Studium hatte ich Glück, dass ich auf<br />

prägende Lehrer stieß: Zum Beispiel Conzelmann<br />

in Göttingen, von Rad in Heidelberg,<br />

Tillich und Ebeling in Zürich. Es tat gut zu<br />

erleben, dass der christliche Glaube überhaupt<br />

nicht weltfremd oder gar einfältig<br />

sein muss. Die großen Lehrer waren zugleich<br />

auch Menschen, die in der Kirche Reformen<br />

anstoßen konnten. „Nichts anderes<br />

predigen, sondern anders predigen! Nicht<br />

überreden, sondern überzeugen.“ Die Maskerade<br />

der Beliebtheit bringt die <strong>ev</strong>angelische<br />

Botschaft nur durcheinander. Es geht<br />

ihr um Ermutigung und Trost, um Mitmenschlichkeit<br />

und Hoffnung. „Gott kennt<br />

auch dich und hat dich lieb“ – das gilt für


jeden Tag. Das ist die Rechtfertigungsbotschaft.<br />

Sie hat recht! Fertig! Keine Floskeln!<br />

Im Pfarramt<br />

In Riddagshausen lernte ich als Pfarrerssohn<br />

vom Dorf nun allerdings mit 27 Jahren<br />

neue Dorfstrukturen kennen! Das Bauen<br />

in vielfältiger Hinsicht (Klosterkirche-<br />

und Gemeindeaufbau), Natur- und Umweltschutz<br />

waren jetzt wichtig und nötig.<br />

Dazu der Bezug zu den Vereinen, neue<br />

Gottesdienstzeiten und liturgische Formen,<br />

„Ruinen-Gottesdienst“, neue „Impulse“<br />

durch Gemeindebriefe, Fahrten, Jubiläumsfeste<br />

– und immer wieder Hausbesuche.<br />

Die Haustürglocke ist wichtiger als die<br />

Kirchturmglocke.<br />

Tätigkeit am Dom<br />

Am Dom ging es um die Innenstadt und –<br />

ganz neu – um die Gemeinde ohne „Straßenbezug“!<br />

Wie wirken dieser Kirchenraum<br />

und die Vorbeigehende aufeinander?<br />

Viele neue Fragen tauchten auf. Was heißen<br />

kirchliche Cityarbeit, Kirchenmusik heute,<br />

Bibelschule…? Ich lernte: es gibt „Lebenslangchristen“,<br />

„U-Bootchristen“, die<br />

nur zur Taufe, Konfi rmation oder Hochzeit<br />

auftauchen, „Jahreszeitchristen“, denen<br />

der Karfreitag oder der Heilige Abend wichtig<br />

ist, „Zufallschristen“, die einfach reinschneien,<br />

„Zeitplanchristen“, die sich bestimmte<br />

kulturelle Veranstaltungen herauspicken,„5-Minuten-Andachtsbesucherinnen“,<br />

u. a. m. Ich habe diese Menschen in<br />

ihrer Verschiedenheit immer ernst genommen<br />

und auch die Distanzierten niemals als<br />

„liebe Gäste“, sondern gern als „liebe<br />

Sterbliche“ (H.-D. Hüsch) angeredet. Dieses<br />

Leben „auf der Grenze“ ist mir seit Kindesbeinen<br />

vertraut geblieben. Die Angebote<br />

aus dem Evangelium sind wirkliche Hilfen<br />

zur besseren Bewältigung des Lebens, von<br />

der Schule – 25 Jahre unterrichtete ich im<br />

Wilhelm-Gymnasium – bis zum Service-<br />

Club, von der Taufe bis zur Beerdigung, von<br />

der Domsingschule bis zum Hospiz. Dazu<br />

sind Mitarbeiterinnen nötig; sie sind zu suchen,<br />

zu pfl egen und zu erhalten und loszulassen.<br />

Diese Aufgabe brachte auch manche<br />

Niederlage mit sich. „Weshalb lohnt es<br />

sich, in der Kirche zu sein und zu bleiben?“<br />

Antworten auf diese Frage bewegen mich<br />

bis heute. In den Gottesdiensten, in Rundfunk-<br />

und Fernsehsendungen, als Wort zum<br />

Alltag oder als „Kraftworte“ in der Presse –<br />

immer wieder habe ich versucht, mich gerade<br />

auch in zweifelnde Mitmenschen hineinzuversetzen.<br />

Verantwortung als Propst<br />

Diese Haltung war in meiner langen Tätigkeit<br />

als Propst besonders gefragt, vor allem in<br />

Gesprächen mit Kommunalpolitikern, Verantwortlichen<br />

aus der Wirtschaft und dem<br />

Sozialbereich, mit Ausgetretenen, deren Zahl<br />

in <strong>Braunschweig</strong> erschreckend hoch ist.<br />

Während dieser Zeit ging es oft um Verwaltungs-<br />

und Strukturfragen. Die Institution<br />

Kirche ist wie ein Glas, aus dem ich trinken<br />

will, andere auch – es darf nicht zerspringen.<br />

Ja, in dieser Kirche menschelt es immer<br />

wieder! Das macht manche Tage schwer –<br />

aber diese Erkenntnis entlastet auch: die<br />

Kirche ist nicht das Reich Gottes auf Erden,<br />

sondern ein Hinweis darauf. Und viele<br />

Schwierigkeiten in der Kirche sind nicht<br />

Gottes, sondern der Menschen Werk. Zum<br />

Beispiel: die Fragen um das gemeinsame<br />

Abendmahl. Wenn klar ist, wer dazu einlädt,<br />

nämlich Christus („Ich bin das Brot<br />

des Lebens“), dann werden die ausschließenden<br />

Begründungen entlarvt.<br />

Aber dieser kirchliche Prozess ist schwierig,<br />

er hängt mit der Geschichtlichkeit, aber auch<br />

mit dogmatischer Verbohrtheit zusammen.<br />

Aber das Glas – siehe oben – ist wichtig.<br />

Im Ruhestand<br />

Die Zeit im Ruhestand (i. R. als „in Reichweite“<br />

übersetzt) führt dankenswerterweise<br />

zu neuen Gaben und Aufgaben. Und die<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

49


Weisheit kommt dazu. Das Leben – nichts<br />

ist wichtiger, nichts ist schwieriger… Es<br />

kann täglich glücken, misslingen, es ist zu<br />

erleben. Als Großeltern haben wir noch<br />

einmal die „zweite Chance“ bekommen,<br />

mit den fünf Enkeln christliche Erziehung<br />

zu üben. „Wohin ziehen wir und warum?“<br />

„Kultur- und Energielandschaft“<br />

Stärkung des regionalen Dialogs<br />

Henning Noske, Redakteur der <strong>Braunschweig</strong>er<br />

Zeitung, moderierte den regionalen<br />

Dialog, zu dem die Rotary-Clubs<br />

Helmstedt, Wolfsburg und <strong>Braunschweig</strong><br />

am 16. September 2011 ins Kraftwerk<br />

Buschhaus nach Helmstedt eingeladen hatten.<br />

Reiner Schmidt, Präsident des Rotary-<br />

Clubs Helmstedt, konnte zum Thema „Kultur-<br />

und Energielandschaften der Zukunft“<br />

viele Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Gesellschaft begrüßen.<br />

Walter Hirche, Präsident der Deutschen<br />

UNESCO Kommission, setzte sich für<br />

„Nachhaltigkeit“ ein: „Nachhaltigkeit bedeutet<br />

keine Stagnation oder ein Festhalten<br />

an dem, was da ist, sondern Erzeugung<br />

von Dynamik und Wandel.“ Sie sei ein<br />

Nachdenken über die Folgen des eigenen<br />

Tuns; bei den täglichen Interessen Rücksicht<br />

auf die Folgen für Mitwelt, Umwelt<br />

und Nachwelt zu nehmen; so zu leben,<br />

„dass man die Freiheit und das Leben der<br />

Kinder nicht unnötigerweise einschränkt.“<br />

In der Region müssten insbesondere die<br />

Themen Grundlagenforschung, Ingenieurausbildung,<br />

Entwicklung der Wissenschafts-,<br />

Forschungs- und Bildungsinstitutionen,<br />

Geopark, Mobilität „nachhaltig“ gestärkt<br />

werden. „Kann das Energie-Forschungszentrum<br />

Niedersachsen in Goslar<br />

nicht über die bislang ungelöste Frage der<br />

Endlagerung von Atommüll in der Region,<br />

in Deutschland und Europa konkret forschen?“<br />

fragte Hirche.<br />

50 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Ja, und dann der nahende Abschied. Hier<br />

helfen mir wieder die Symbole: Eine brennende<br />

Kerze in der Kirche zurückgelassen,<br />

sagt mir: Es ist etwas da, auch wenn ich<br />

schon weggegangen bin.<br />

Es bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe…<br />

IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid (l.)<br />

und Bürgermeister Michael Kessler aus Peine.<br />

Daniel Bresser (l.), Mitglied des Vorstandes<br />

des Bankhauses Löbbecke und<br />

Dr. Burkhard Budde (r.)


Der letzte Zivi…<br />

Infos über Freiwilligendienste<br />

Ende August diesen Jahres verließ der letzte Zivildienstleistende das <strong>Marienstift</strong>. Seit<br />

dem 1. Juli 2011 ist der Bundesfreiwilligendienst an die Stelle der Wehrpfl icht und<br />

des Zivildienstes getreten und bietet allen Menschen unterschiedlicher Altersgruppen<br />

die Möglichkeit, sich zum Beispiel in sozialen Einrichtungen zu engagieren. Dabei<br />

sind die Beweggründe für den Bundesfreiwilligendienst unterschiedlich. Neben der<br />

berufl ichen Orientierung, der Erweiterung des eigenen Horizonts, einer Übergangsmöglichkeit<br />

zum Studium oder dem reinen sozialen Engagement bietet der Freiwilligendienst<br />

vielfältige Möglichkeiten.<br />

Stellen im <strong>Marienstift</strong><br />

Das FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) und der BFD (Bundesfreiwilligendienst) sind die beiden<br />

Freiwilligendienste, die im <strong>Marienstift</strong> angetreten werden können. Sie sind ähnlich<br />

aufgebaut und unterscheiden sich nur geringfügig. Träger des BFD ist der Bund<br />

mit den damaligen Strukturen des Zivildienstes. Hingegen sind beim FSJ die vom Land<br />

anerkannten Stellen die Träger. Das FSJ kann nur in jungen Jahren und zwar bis zum<br />

27. Lebensjahr angetreten werden. Beim BFD ist dies ohne Alterbeschränkung möglich.<br />

Grundsätzlich können Bürgerinnen und Bürger, die die Pfl ichtschulzeit hinter sich<br />

gebracht haben, am Freiwilligendienst teilhaben. Die Dauer beträgt 6 bis 18 Monate<br />

und wird im Regelfall in Vollzeit abgeleistet. Während dieser Zeit erhalten die Freiwilligen<br />

Taschengeld, sind in der gesetzlichen Sozialversicherung und haben einen Urlaubsanspruch.<br />

Der Eintrittszeitpunkt ist regulär zwischen August und September jeden<br />

Jahres, kann aber auch in Einzelfällen abweichen. Nach derzeitigem Stand werden<br />

sieben Freiwillige im FSJ und drei im BFD ihren Dienst im <strong>Marienstift</strong> bis Ende<br />

September begonnen haben.<br />

Diakonisches Werk als Träger<br />

Als anerkannte Einsatzstelle für FSJ und BFD arbeitet das Marinstift dabei eng mit<br />

dem Diakonischen Werk <strong>Braunschweig</strong> als Träger der Freiwilligendienste zusammen.<br />

Neben der pädagogischen Begleitung und der Abwicklung des Bewerbungsverfahrens<br />

steht das Diakonische Werk für alle organisatorischen Fragen zur Verfügung. Ansprechpartner<br />

für die Einsatzmöglichkeiten im <strong>Marienstift</strong> ist die Personalabteilung,<br />

die ebenfalls für alle Fragen und Hinweise gerne zur Verfügung steht.<br />

Interessierte Personen können sich gerne an das Diakonische Werk oder direkt an das<br />

<strong>Marienstift</strong> wenden.<br />

(Leiter der Personalabteilung Dennis Berger, Telefon: 0531 7011 390;<br />

E-Mail: d.berger@marienstift-braunschweig.de)<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

51


Deutsch-französische Freundschaft in<br />

der Stadt Heinrichs des Löwen<br />

50jähriges Jubiläum der Deutsch-Französischen Gesellschaft<br />

Ist sie Opfer ihres eigenen Erfolges geworden?<br />

Nur noch ein selbstverständlicher Gemeinplatz?<br />

Oder doch etwas Kostbares,<br />

das immer noch begeistern kann? Die Rede<br />

ist von der deutsch-französischen Freundschaft.<br />

Anlässlich des 50jährigen Jubiläums<br />

der Deutsch-Französischen Gesellschaft<br />

<strong>Braunschweig</strong> (DFG <strong>Braunschweig</strong>) hat ein<br />

Festakt am 17. Juni 2011 in der Dornse des<br />

Altstadtrathauses in <strong>Braunschweig</strong> das Besondere<br />

und das Begeisterungsfähige des<br />

deutsch-französischen Verhältnisses deutlich<br />

gemacht.<br />

Die seit 2004 amtierende Präsidentin der<br />

<strong>Braunschweig</strong>er DFG Gisela Brackhahn<br />

konnte viele Freunde und Förderer begrüßen,<br />

u. a. die Bürgermeisterin Friederike<br />

Harlfi nger, die Bundestagsabgeordnete Dr.<br />

Carola Reimann und den Ehrenbürger der<br />

Stadt <strong>Braunschweig</strong> Friedrich Theodor<br />

Kohl, der zum ersten gewählten Vorstand<br />

der Gesellschaft gehörte. Die <strong>Braunschweig</strong>er<br />

DFG gehört zu einem Netzwerk von<br />

etwa 130 Gesellschaften in ganz Deutschland.<br />

Ein wichtiger Grund, auch den Präsi-<br />

52 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

denten der VDFG (Vereinigung Deutsch-<br />

Französischer Gesellschaften für Europa<br />

e.V.) Gereon Fritz in die Stadt Heinrichs des<br />

Löwen einzuladen.<br />

Bürgermeisterin:<br />

„Freundschaft fördert Verständigung.“<br />

Bürgermeisterin Friederike Harlfi nger erinnerte<br />

in ihrem Grußwort an den Beitrag<br />

der DFG zur Völkerverständigung, aber<br />

auch an die Städtepartnerschaft der Stadt<br />

<strong>Braunschweig</strong> mit der Stadt Nìmes aus<br />

Frankreich, die ebenfalls 1961 bzw. 1962<br />

ins Leben gerufen wurde, seitdem vielfältige<br />

Begegnungen ermögliche und das gegenseitige<br />

Verständnis fördere.<br />

VDFG Präsident:<br />

„Zur Freundschaft gehört Offenheit.“<br />

Gereon Fritz sagte, dass es zu einer Freundschaft<br />

gehöre, auch Kontroverses – wenn<br />

zum Beispiel „Sand im Getriebe“ sei – offen<br />

zur Sprache zu bringen, um Klärung zu<br />

schaffen. „Man zankt und hinterher verträgt<br />

Amtsgerichtspräsident a. D. Peter Brackhahn, Bürgermeisterin Friederike Harlfi nger, Domprediger<br />

Joachim Hempel sowie Dr. Annette Boldt-Stülzebach vom <strong>Braunschweig</strong>er Kulturinstitut (v. l .n. r.).


man sich wieder“, sagte der VDFG Präsident.<br />

Die Politik müsse die Chancen, die die<br />

Gesellschaften eröffneten, wahrnehmen,<br />

damit sie selbst nicht „wurzellos“ würde.<br />

Deutschlandexperte:<br />

„Freundschaft hat sich entwickelt.“<br />

Auf diesen Gedanken wies auch der Festredner<br />

Prof. Dr. Henri Menudier von der<br />

Universität Sorbonne Nouvelle Paris hin. Der<br />

Politikwissenschaftler, der zum Thema „Le<br />

couple franco-allemand – Quo vadis?“<br />

sprach, sagte, dass nicht nur Vertreter der<br />

Politik und der Wirtschaft für das deutschfranzösische<br />

Verhältnis wichtig seien, sondern<br />

auch die Vertreter der Zivilgesellschaft<br />

bzw. der DFG, „um dem Verhältnis ein<br />

menschliches Gesicht zu geben.“ In seinem<br />

historischen Rückblick zeigte der Deutschlandexperte<br />

aus Paris auf, dass die Freundschaft<br />

nicht von selbst gekommen ist. In<br />

den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

gehörte zur französischen Politik die<br />

„Sicherheit vor Deutschland“ und die „Ablehnung<br />

der deutschen Einheit.“ Erst der die<br />

„Hinweise auf Europa und auf den Frieden“<br />

in der Präambel des Grundgesetzes, die „Vision<br />

eines geeinten Europas“ von Robert<br />

Schumann im Jahr 1950, die bis heute aktuell<br />

geblieben sei und der deutsch-französische<br />

Freundschaftsvertrag (Élysée- Vertrag)<br />

aus dem Jahr 1963, der die Zusammenarbeit<br />

institutionalisiert habe, sowie insbesondere<br />

das Engagement des damaligen Bundeskanzlers<br />

Konrad Adenauer hätten die<br />

entscheidenden neuen Grundlagen gelegt.<br />

„Herausforderungen der<br />

Freundschaft.“<br />

Heute sei auf politischer Ebene die Zusammenarbeit<br />

schwierig geworden. Frankreichs<br />

Präsident Nikolas Sarkozy und Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel, die den Zweiten Weltkrieg<br />

selbst nicht erlebt haben, seien unterschiedliche<br />

Persönlichkeiten: Sarkozy „extravertiert<br />

und nervös“, Merkel „introvertiert<br />

und beherrscht“. Beide seien jedoch „Macht-<br />

menschen und Pragmatiker“: „Visionen sind<br />

beiden unbekannt“, meinte der Politikwissenschaftler<br />

feststellen zu können. Darüber<br />

hinaus gehöre zu den Schwierigkeiten des<br />

Verhältnisses die unterschiedlichen Strukturen:<br />

Frankreich als zentralistischer Staat und<br />

Deutschland als ein Staat, der auf 16 Länder<br />

Rücksicht nehmen müsse. Spannungen zwischen<br />

beiden Staaten hätte es gegeben wegen<br />

der Fragen der Zusammenarbeit mit<br />

den Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes<br />

2007/ 2008 („Sarkozy musste nachgeben.“),<br />

der Nuklearpolitik („Deutschland hat<br />

keine deutsch-französischen Gespräche geführt.“),<br />

in der Libyen-Politik („Frankreich<br />

hat sich bei der Unterstützung der Aufständischen<br />

zunächst nicht mit Deutschland abgestimmt;<br />

Deutschland hat sich im UN-Sicherheitsrat<br />

der Stimme enthalten.“).<br />

„Freundschaft muss sich bewähren.“<br />

Aber nicht nur Deutschland wirke wie ein<br />

„Wirtschaftsriese“, der zugleich „politischer<br />

Zwerg“ sei. Auch die Europäische Union<br />

müsse noch die Vision einer politischen Union<br />

wahr werden lassen. Zur zukunftsorientierten<br />

Zusammenarbeit gehörten u. a. die<br />

Frage des Umgangs mit den islamischen<br />

Staaten, eine gemeinsame Sicht der Geschichte,<br />

ein besserer Ausgleich der Macht<br />

in der EU, um die Bedeutung der EU in der<br />

Welt zu stärken, eine engere Zusammenarbeit<br />

mit Polen, eine neue Mittelmeerpolitik,<br />

eine europäische Sicherheitspolitik. Dass es<br />

bei einem Freundschaftsverhältnis nicht nur<br />

um politische Bildung und einen wissenschaftlichen<br />

Dialog geht, sondern auch um<br />

etwas Kulturelles und ganz Menschliches,<br />

zeigten Pompilia Lemperle (Gesang) und<br />

Burkhard Bauche (Piano), die mit ihren musikalischen<br />

Beiträgen, die deutschen Herzen<br />

und Köpfe mit französischem Temperament<br />

und Charme im emotionalen und künstlerischem<br />

Sturm eroberten. Auch diese Begeisterung<br />

stärkt und erneuert eine Freundschaft,<br />

die etwas Kostbares bleibt.<br />

Burkhard Budde<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

53


„Aus der Vergangenheit lernen,<br />

um sie nicht zu vergessen!“<br />

Von einer Studienreise nach Auschwitz/Birkenau bereichtet Erika Ulrich<br />

„Aus der Vergangenheit lernen, um sie<br />

nicht zu vergessen“, das war keine leichte<br />

Aufgabe. 21 Personen im Alter von 14 bis<br />

78 Jahren stellten sich dieser Aufgabe und<br />

diesem Thema unter Leitung von Pastor<br />

Dirk Westphal sowie Lutz U. Jordan, der<br />

sein Fachwissen, Ortskenntnisse und Beziehungen<br />

in Polen gerne an uns weiter gab.<br />

Pastor Dirk Westphal schrieb im Gemeindebrief<br />

(Nr. 87) zu dieser Reise: „Darum bin<br />

ich sehr dankbar für einen jeden, der sich<br />

dieser Fahrt stellt und den Blick nicht abwendet,<br />

sondern hinschaut, um zu lernen,<br />

um zu wachsen, um zu verändern und<br />

wachsam zu sein. Manchmal muss man<br />

das, was man eigentlich nicht glauben<br />

kann mit eigenen Augen sehen, um sich<br />

den Realitäten zu stellen, denn sehr treffend<br />

hat einmal ein damaliger Zeitzeuge<br />

der nationalistischen Zeit von sich gesagt:<br />

„Ich wusste es, aber ich konnte es nicht<br />

glauben. Also wusste ich es nicht!“<br />

Das Konzentrationslager Birkenau war das<br />

größte deutsche Vernichtungslager wäh-<br />

54 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Rampe von Birkenau<br />

rend der Zeit des Nationalsozialismus. Es<br />

wurde 1941 drei Kilometer entfernt vom<br />

Stammlager Auschwitz 1 gebaut und befand<br />

sich nahe der in Auschwitz umbenannten<br />

Stadt Oswecim. In Birkenau wurden<br />

etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet.<br />

Der Name Auschwitz wurde zum Symbol<br />

für den Holocaust. In Auschwitz-Birkenau<br />

nahm die SS im September 1941 die ersten<br />

Vergasungen vor. Später (1944) wurden<br />

hier bis zu 24.000 Menschen täglich getötet<br />

und verbrannt.<br />

Wir waren am Tatort – und waren erschüttert,<br />

jeder auf seine Art und Weise. Man<br />

hatte sich gut durch unterschiedliche Materialien<br />

für diese Reise nach Auschwitz-Birkenau<br />

vorbereitet gehabt, aber da gewesen<br />

zu sein, an den Orten des Schreckens,<br />

war – ja wie soll ich es ausdrücken –<br />

manchmal geradezu gespenstig, unheimlich.<br />

Man begriff erst jetzt sehr deutlich,<br />

welche Schrecken, welche Grausamkeiten<br />

dort geschehen sind.


Über dem Eingangsportal zum Stammlager<br />

Auschwitz steht der Satz: „Arbeit macht<br />

frei“; der Mensch war nichts mehr wert.<br />

KZ Auschwitz<br />

Das KZ Auschwitz gehört seit 1979 zur<br />

Unesco-Liste des Weltkulturerbes und führte<br />

dort zunächst den Namen „Konzentrationslager<br />

Auschwitz“.<br />

Um eine Identifi kation mit seiner Lage in<br />

Polen auszuschließen, beschloss das Weltkulturkomitee<br />

2007, die offi zielle Bezeichnung<br />

in „Auschwitz-Birkenau – deutsches<br />

nationalsozialistisches Konzentrationslager<br />

und Vernichtungslager (1940 – 1945)“ abzuändern.<br />

Gleichzeitig wurde ein Text zur<br />

besonderen Bedeutung des Lagers verabschiedet.<br />

Der Text am Denkmal im Vernichtungslager<br />

Birkenau, das 1967 auf Initiative<br />

des internationalen Auschwitz Komitees errichtet<br />

wurde, lautet:<br />

„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der<br />

Verzweifl ung und Mahnung an die<br />

Menschheit. Hier ermordeten die Nazis<br />

über anderthalb Millionen Männer, Frauen<br />

und Kinder. Die meisten waren Juden aus<br />

verschiedenen Ländern Europas.“<br />

Am Abend nach unserem Besuch in Auschwitz<br />

hatten wir die Begegnung mit einem<br />

Zeitzeugen. Herr Smoleen ist 94 Jahre alt.<br />

Er hat Auschwitz-Birkenau überlebt. Nach<br />

seiner Befreiung 1945 studierte er Jura und<br />

trat als Zeuge auf in den Auschwitz-Prozessen<br />

in Frankfurt am Main. Herr Smoleen<br />

sagte unter anderem: „Die Aufnahmeprozedur<br />

trennte den Häftling brutal von seiner<br />

Lebensgeschichte, entwertete seine<br />

Vergangenheit mit einem Schlag und programmierte<br />

ihn zum Lagerinsassen. Der<br />

Raub aller Besitztümer war ein materieller<br />

und symbolischer Verlust. Der Raub des Eigennamens<br />

gehört zu den tiefgreifendsten<br />

Verstümmelungen des Selbst.<br />

Das KZ Auschwitz-Birkenau war das einzige<br />

KZ, wo jeder Häftling eine Nummer eintätowiert<br />

bekam. Auch die Kinder bekamen<br />

eine Nummer eintätowiert.“<br />

Er sagte weiter: „Er verspüre keinen Hass<br />

auf die Täter, aber vergeben könne er<br />

nicht. Von den Opfern lebe bald niemand<br />

mehr. Darum nehme er all seine Kraft zusammen<br />

und erzähle von damals. Gerade<br />

junge Leute sollten das hören um nicht zu<br />

vergessen. So etwas darf nie wieder geschehen.“<br />

Vernichtungslager Birkenau<br />

Birkenau kann man nicht beschreiben, man<br />

muss dort gewesen sein. Nach der offi ziellen<br />

Führung durch das Lager fuhren wir am<br />

Nachmittag noch einmal dort hin. Herr Jordan<br />

hatte für alle Reiseteilnehmer eine rote<br />

Rose besorgt. Wir überlegten nicht lange.<br />

Wir waren uns alle einig die Blumen in der<br />

Kinderbaracke nieder zu legen. Die vielen<br />

Kinder, die dort umgebracht worden sind,<br />

man kann es in Worten nicht wieder geben.<br />

Pastor Dirk Westphal hielt an diesem<br />

Ort eine Andacht und jeder von uns legte<br />

mit einem stillen Gebet eine Rose in einer<br />

der Kojen ab. Jeder hatte Tränen in den<br />

Augen. Dieser Tag endete für uns alle in<br />

gedrückter Stimmung, der Eine still in sich<br />

gekehrt, ein Anderer sprach es emotional<br />

aus, was er empfand. Es brauchte viel<br />

Kraft, um die Sinnlosigkeit des Geschehens<br />

zu begreifen. Birkenau war der absolute<br />

Wahnsinn des Völkermordes.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

55


Jugendbegegnungsstätte<br />

Die internationale Jugendbegegnungsstätte<br />

(IJBS) in Oswiecim/Auschwitz entstand 1986<br />

aus einer Initiative der Aktion Sühnezeichen<br />

und der Unterstützung der Stadt Oswiecim,<br />

dank der Einsatzbereitschaft vieler Menschen<br />

und Institutionen aus Deutschland<br />

und Polen, die an dem Prozess der deutschpolnischen<br />

Versöhnung und des christlichjüdischen<br />

Dialogs beteiligt waren.<br />

Die Arbeit der IJBS beruht auf zwei Säulen:<br />

– Auschwitz war eine zu schmerzliche Erfahrung<br />

für die Menschheit als dass<br />

man sie vergessen könnte<br />

– Aus der Geschichte lassen sich für die<br />

Zukunft von uns allen Lehren ziehen<br />

Auch das VW-Werk Wolfsburg ist an der<br />

IJBS fi nanziell beteiligt. Jährlich fahren etwa<br />

60 Auszubildende nach Auschwitz. Sie<br />

nehmen an Seminaren in der IJBS teil und<br />

arbeiten im Museum Auschwitz. Während<br />

unseres Aufenthaltes dort, wurden wir von<br />

einem jungen Mann aus Österreich betreut.<br />

Er machte in Auschwitz seinen Ersatzzivildienst.<br />

In seiner Rede 1993 in Jerusalem<br />

sagte der ehemalige österreichische Bundeskanzler<br />

Franz Vranitzky:<br />

56 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

„Jede Generation muss sich der Schrecken<br />

einer vergangenen Zeit bewusst werden,<br />

um mitbauen zu können an einer Welt des<br />

Friedens und der Achtung der Menschenrechte.<br />

Das Projekt „Gedenkdienst“ dient<br />

dieser wichtigen Aufgabe der Bewusstseinsbildung<br />

im Sinne des Wortes „Niemals<br />

Vergessen!“<br />

Wir haben diese Reise in die Vergangenheit<br />

bewusst erlebt und als sehr wichtig empfunden,<br />

Auschwitz-Birkenau mit eigenen<br />

Augen gesehen zu haben. Ziel unserer Reise<br />

war: „Aus der Vergangenheit lernen, um<br />

sie nicht zu vergessen!“<br />

Wir haben mit etlichen Menschen, Verwandten,<br />

Bekannten und Freunden über<br />

unsere Eindrücke von Auschwitz-Birkenau<br />

gesprochen. Betroffen war jeder, jeder unterschiedlich<br />

auf seine Art und Weise. Darum<br />

möchte ich meinen Bericht schließen<br />

mit Worten von Pastor Dirk Westphal aus<br />

dem Begleitheft zu unserer Reise: „Das<br />

wichtigste Gebet an der Schwelle von<br />

Auschwitz ist – Schweigen.“ Schweigen –<br />

Hören – Suchen. Die Stimme von Auschwitz.<br />

Die Stimme des eigenen Herzens. Die<br />

Stimme des Anderen. Die Stimme Gottes.<br />

Erika Ulrich<br />

Diakonische Schwester des <strong>Marienstift</strong>s<br />

„Trotzdem…“<br />

„Es ist ein Wunder, dass ich nicht alle Erwartungen aufgegeben habe,<br />

denn sie scheinen absurd und unausführbar. Trotzdem halte ich an<br />

ihnen fest, trotz allem, weil ich noch immer an das Gute im Menschen<br />

glaube.“<br />

Anne Frank, eigentlich Annelies Marie Frank<br />

War ein jüdisches Mädchen, das in Deutschland geboren kurz vor dem Kriegsende<br />

dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fi el.<br />

* 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main (Hessen), Deutschland<br />

† März. 1945 in Bergen (Niedersachsen), Deutschland


Unser Krankenhaus<br />

Die Dienstleistungen im Überblick<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Auch das Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist eine besondere Welt. Es braucht immer etwas<br />

Zeit, um sich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Doch ein Patient wird bald erfahren,<br />

wie viele Menschen sich um seine Genesung und um sein Wohlbefi nden bemühen.<br />

Angestrebt wird eine bestmögliche medizinische und pfl egerische Versorgung, aber auch<br />

qualifi zierte seelsorgerliche und soziale Angebote sowie wichtige Dienst- und Serviceleistungen<br />

werden gemacht.<br />

Zum Krankenhaus gehören:<br />

Der Pfl egedienst (Leitung: Monika Gr<strong>ev</strong>elt)<br />

Die Innere Klinik (Leitung: Dr. Rainer Prönneke).<br />

Die Palliativstation (Leitung: Dr. Simone Giller).<br />

Die Chirurgische Klinik (Leitung: Dr. Reinhold Mäueler).<br />

Die Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen<br />

(Leitung: Dr. Niels Benatar).<br />

Die Klinik für Anästhesie (Leitung: Dr. Jan Halatek und Dr. Udo R. Schwippel).<br />

Frauenklinik Eben-Ezer mit Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

(Leitung: Dr. Branko Milkanovic).<br />

Alle Mitarbeiter des <strong>Marienstift</strong>es arbeiten auf der Grundlage einer christlichen Grundordnung.<br />

Dazu zählen folgende Verhaltensgrundsätze:<br />

Jeder soll vorurteilslos beachtet und geachtet werden.<br />

Jeder soll herzlich und freundlich aufgenommen werden.<br />

Jeder soll in Liebe behandelt und zur Liebe befähigt werden.<br />

Jeder soll Achtung und Ehrfurcht vor Gewissensentscheidungen anderer haben.<br />

Jeder soll ehrlich und aufrichtig um gemeinsame Lösungen und um Versöhnung ringen.<br />

Jeder soll seine persönliche Mitverantwortung wahrnehmen.<br />

Wir hoffen, dass sich in der Nächstenliebe Gottesliebe ereignet.<br />

Der Vorstand<br />

Dr. Burkhard Budde Ralf Benninghoff Angela Tiemann<br />

Vorsitzender<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

57


Aufnahme in unserem Krankenhaus<br />

Normalerweise erfolgt die Aufnahme über eine Einweisung eines Hausarztes.<br />

Im Notfall werden kranke Menschen selbstverständlich auch ohne Einweisung versorgt.<br />

Bei Bestellung eines Krankentransportdienstes kann jeder Betroffene sein gewünschtes<br />

Krankenhaus nennen.<br />

Das Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist rund um die Uhr an allen Tagen der Woche<br />

geöffnet und aufnahmebereit.<br />

In Absprache mit anderen Krankenhäusern in <strong>Braunschweig</strong> wird zusätzlich in der Zeit<br />

von Dienstag 16.30 Uhr bis Mittwoch früh 8.00 Uhr eine spezielle Aufnahmezeit für alle<br />

Notfallpatienten in <strong>Braunschweig</strong> vorgehalten.<br />

In der Regel erfolgt in der Inneren Klinik die Untersuchung und Aufnahme in der Aufnahmeeinheit<br />

auf der Station M 1 im Erdgeschoss (24 Stunden Telefonbereitschaft: Tel.<br />

05 31 / 70 11 -200).<br />

Der diensthabende Arzt ist über die Information in der Eingangshalle<br />

(24 Stunden) erreichbar Tel. 0531 / 70110.<br />

Ärztliche Behandlung<br />

58 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Wir möchten,<br />

dass Sie bald<br />

wieder gesund<br />

werden. Wir<br />

Ärzte tun alles,<br />

was in ihren<br />

Kräften steht,<br />

um Ihnen zu<br />

helfen.<br />

Der Arzt ist gern bereit, Fragen zu Ihrer<br />

Erkrankung und deren Behandlung<br />

während der täglichen Visiten<br />

oder auch nach Vereinbarung zu beantworten.<br />

Richtschnur unseres Handels<br />

ist das christliche Leitbild des <strong>Marienstift</strong>es.<br />

Unser Ärztlicher Direktor ist<br />

Dr. Udo R. Schwippel.<br />

Tel.: 05 31 / 70 11 -2 10<br />

Fax: 05 31 / 70 11 -52 10<br />

E-Mail: ur.schwippel@marienstiftbraunschweig.de<br />

Gesundheits- und Krankenpfl ege<br />

Die Pfl egephilosophieorientiert<br />

sich an unseremchristlichenMenschenbild.<br />

Wir sind bemüht,Kranken-<br />

pflege pfl ege als ganzheitlic<br />

ganzheitlichen Prozess zu<br />

verwirklichen und eine Pfl ege zu erbringen,<br />

die die Beziehung zum Menschen<br />

in den Mittelpunkt stellt. Mit einem<br />

selbst erarbeiteten Pfl egeleitbild haben<br />

wir uns Regeln für unser pfl egerisches<br />

Handeln gegeben. Diese sind für uns<br />

Orientierung und Auftrag zugleich.<br />

Unsere Pfl egedienstleiterin ist<br />

Monika Gr<strong>ev</strong>elt.<br />

Tel.: 05 31 / 70 11 -2 01<br />

Fax: 05 31 / 70 11 -52 01<br />

E-Mail: m.gr<strong>ev</strong>elt@marienstiftbraunschweig.de


Innere Klinik<br />

Leistungsspektrum der Inneren Klinik<br />

Der Patient im Mittelpunkt<br />

Wir verstehen das Krankwerden und Kranksein als eine einschneidende Lebenskrise, die<br />

den Menschen immer als „Ganzes“ trifft. Betroffene brauchen in ihrer geschwächten Lage<br />

einen geschützten und sicheren Raum, den wir aus dem christlichen Selbstverständnis bereit<br />

halten.<br />

Angehörige werden einbezogen<br />

Die Familie und nahe Bezugspersonen sind immer mitbetroffen. Viele leiden mit und tragen<br />

Verantwortung für ihren kranken Angehörigen. Alle Mitarbeiter stehen für Gespräche mit<br />

Angehörigen zur Verfügung, wenn der Patient damit einverstanden ist. Selbstverständlich<br />

beziehen wir Patientenverfügungen in unsere Behandlungsempfehlungen mit ein.<br />

Der Kontakt mit den Hausärzten ist uns wichtig<br />

Es ist häufi g notwendig und sinnvoll, dass wir uns mit dem Hausarzt über die Behandlung<br />

und Versorgung des Patienten abstimmen, weil er ihn in der Regel besser kennt.<br />

Welche Krankheiten werden in der Inneren Klinik behandelt?<br />

Wir stehen für Patienten mit allen Krankheiten aus dem Bereich der Inneren Medizin<br />

zur Verfügung: So werden Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, des Herz-Kreislaufes,<br />

der Lunge, des Stoffwechsels, des Blutes und Infektionen behandelt, auch aus der besonderen<br />

Perspektive des älteren Betroffenen. Ganz speziell befassen wir uns im Rahmen<br />

der Palliativmedizin mit chronischen Schmerzzuständen und schweren Erkrankungen,<br />

bei denen die Linderung im Vordergrund steht.<br />

Folgende Untersuchungen werden in der Inneren Klinik durchgeführt:<br />

Spiegelungen im Endoskopiezentrum von Speiseröhre, Magen, Zwölffi ngerdarm, Darm,<br />

Bronchien, Gallengänge mit Steinentfernung<br />

Anlagen von Magensonden über die Bauchdecke<br />

Untersuchung und Behandlung von Hämorrhoiden<br />

Ultraschalluntersuchungen des Herzens, des Bauches, der Schilddrüse, der Blutgefäße<br />

Schrittmacheranlagen (Einkammer- und Zweikammerschrittmacher) und Kontrollen<br />

alle gängigen Röntgenuntersuchungen<br />

Punktionen und Gewebeprobeabnahmen von Bauchhöhle, Brusthöhle und Organen wie<br />

die Leber<br />

Untersuchungen des Knochenmarks<br />

alle üblichen Laboruntersuchungen<br />

Anlage von Urinkathetern (auch durch die Bauchdecke)<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

59


Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruckmessung<br />

Lungenfunktion<br />

Laktosetoleranztest (Milchsäureunverträglichkeit)<br />

Atemtest auf Magenbakterien (Helicobacter pylori)<br />

Stationen<br />

Intensivstation, Station M 1, M 2, M3 (mit Palliativstation),<br />

Mitbelegung von C 1<br />

Chefarzt<br />

Dr. Rainer Prönneke<br />

60 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Oberarzt<br />

Thomas Edelhoff<br />

Oberärztin<br />

Dr. Simone Giller<br />

Funktionsoberarzt<br />

Jörg Mayer


Das SAPV-Team am<br />

Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es<br />

SAPV bedeutet „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung“.<br />

Das SAPV-Team am Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist Bestandteil eines Versorgungsnetzes,<br />

welches sich mit der Verbesserung der Lebensqualität sterbenskranker Menschen befasst.<br />

Dies bedeutet ein Leben und Sterben, möglichst ohne Schmerzen, Luftnot oder Angst in<br />

häuslicher Umgebung zu ermöglichen.<br />

Die Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der letzten Lebensphase seitens der Patientinnen<br />

und Patienten sowie deren Zugehörige sind Leitlinie unseres Handelns.<br />

Gern stehen wir Ihnen für ausführliche Beratungsgespräche zur Verfügung. Bitte vereinbaren<br />

Sie dafür telefonisch einen Termin.<br />

Das Team versteht sich als Kooperationspartner im Gesundheitswesen und will das bereits<br />

bestehende Versorgungssystem aus Haus- und Facharzt, Pfl egedienst und anderen gezielt<br />

unterstützen.<br />

Dies geschieht in Form von Beratung und Koordination, aber auch in der Durchführung von<br />

für die Behandlung rel<strong>ev</strong>anten Verordnungen, die <strong>ev</strong>tl. von den bestehenden Diensten nicht<br />

oder nur durch Praxisanleitung durchgeführt werden können.<br />

Unsere Kooperationspartner sind Hausärzte, Fachärzte, Pfl egedienste, ambulante Hospizdienste,<br />

das stationäre Hospiz, die Palliativstation am Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es und<br />

andere Krankenhäuser, Apotheken, Seelsorger, Sozialarbeiter und Psychologen.<br />

Unser Angebot stellt für Betroffene ein Versorgungsnetz sicher, das für Wohlbefi nden in<br />

der letzten Lebensphase sorgen kann.<br />

Sie erreichen uns 24 Stunden am Tag, auch an<br />

Sonn- und Feiertagen unter der Notrufnummer<br />

0176 62 88 69 32<br />

Helmstedter Straße 35 · 38102 <strong>Braunschweig</strong><br />

Zimmer 301 und 304<br />

Telefon: 05 31 / 70 11-5050 oder 05 31 / 70 11-5051<br />

Fax: 05 31 / 70 11-5059 Notruf: 01 76 / 62 88 69 32<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

61


Chirurgische Klinik<br />

Schwerpunkte:<br />

Operative Behandlung von Erkrankungen des gesamten Bauchrau mes<br />

Proktologie (Behandlung von Erkrankungen des Analkanals und des Enddarmes)<br />

Schilddrüsenchirurgie<br />

Venenchirurgie<br />

Chirurgie degenerativer Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems<br />

Weichteiltumore<br />

Behandlung von Beckenbodenschwäche und Inkontinenz<br />

Minimal-invasive Chirurgie („Schlüsselloch-Chirurgie“):<br />

Gallenblasenoperation<br />

Dickdarmteilentfernungen bei entzündlichen Erkrankungen und Karzinomen (bösartige<br />

Krebsgeschwulst, sämtliche Stadien, sämtliche Abschnitte des Dickdarmes, vom Blinddarm<br />

bis zum Enddarm)<br />

Wurmfortsatzentfernung<br />

Leistenbruchoperationen<br />

Eingriffe an der Leber<br />

Verwachsungslösungen an Därmen<br />

Zwerchfellbruchoperation<br />

Schilddrüsenoperationen<br />

Besondere Einrichtungen:<br />

Eigene Vorrichtung zur Sonographie (Ultraschalluntersuchung) auch intraoperativ (auch<br />

während der Operation)<br />

Endosonographie des Enddarmes<br />

Koloskopie (Dickdarmspiegelung) einschließlich interventioneller Koloskopie (Polypenabtragung,<br />

Abtragung der Gewulst der Schleimhäute, Dehnung von Darmverengungen)<br />

Spezialsprechstunden:<br />

Proktologie (Enddarmerkrankungen) Di 15.00 – 16.00 Uhr<br />

Beckenbodenschwäche und Inkontinenz Mo 15.00 – 16.00 Uhr<br />

Chefarzt<br />

Dr. Reinhold Mäueler<br />

62 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Oberarzt<br />

Dr. Thomas Wimmer<br />

Oberärztin<br />

Dr. Bettina Kölling


Interdisziplinäres Zentrum<br />

für Kontinenz und Beckenboden<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Kontinenz- und Beckenbodenzentren haben<br />

eine besondere Expertise in der Behandlung<br />

von Stuhl- und Urinhalteschwächen,<br />

sowie von Erkrankungen des Beckenbodens.<br />

Funktionsstörungen der Beckenbodenstrukturen<br />

sind häufi g. In Deutschland leiden<br />

etwa vier Millionen<br />

Menschen an<br />

einer versorgungsbedürftigenHarninkontinenz.<br />

Die<br />

Ur sachen sind dabei<br />

so vielfältig,<br />

wie die Erkrankung<br />

selbst. Oft sind eine<br />

Bindegewebs-<br />

und Beckenbodenschwäche,schwierige<br />

Geburten/ Geburtsverletzungen<br />

oder andere ErkrankungenMitverursa-<br />

cher des Lei dens. In<br />

den meisten Fällen<br />

folgt der Harninkontinenz<br />

ein Rückzug der meist älteren Menschen<br />

aus dem gesellschaftlichen Leben. Dies<br />

stellt häufi g einen Auslöser von schweren<br />

Depressionen dar, die auch das soziale Umfeld<br />

überfordern und oft mit einer Einweisung<br />

in ein Pfl egeheim enden.<br />

Das Zentrum soll Anlaufstelle für alle Patientinnen<br />

und Patienten sein, die unter<br />

Stuhl- und Blasen entleerungs störungen,<br />

sowie Funktionsstörungen des Beckenbodens<br />

leiden und ihnen eine umfassende Betreuung,<br />

von der Diagnostik über die Therapie<br />

bis zur Rehabilitation anbieten und<br />

sie wollen bei den häufi g chronischen Er-<br />

Dr. Branko Milkanovic und<br />

Dr. Reinhold Mäueler (r.)<br />

krankungen auch für die alltägliche Betreuung<br />

in Zusammenarbeit mit den Hausärzten<br />

dasein.<br />

Vielen Betroffenen ist dabei nicht bekannt,<br />

dass die meisten Formen der Inkontinenz<br />

behandelt werden können und nicht eine<br />

lebenslange Last darstellen müssen. Um<br />

dieses Leiden zu lindern, müssen alle präventiven<br />

und therapeutischen sowie pfl egerischenBehandlungsmethoden<br />

zur<br />

Anwendung kommen.<br />

Dafür steht ein<br />

interdisziplinäres<br />

Team an Spezialisten<br />

zur Verfügung,<br />

Ihnen bei der Diagnostik,<br />

Therapie<br />

und Weiterbehandlung<br />

Ihres Leidens,<br />

möglichst in Zusammenarbeit<br />

mit<br />

Ihren betreuenden<br />

Ärzten (Hausarzt,<br />

Frauenarzt) weiterzuhelfen.<br />

In unserem Haus haben wir Krankenschwestern,<br />

die speziell für die Mitbetreuung<br />

von Patienten mit Beckenbodenerkrankungen<br />

und Blasen- und Mastdarm schwäche<br />

ausgebildet sind. Ebenso haben unser<br />

Physiotherapeuten eine entsprechende Expertise.<br />

Herzliche Grüße<br />

Dr. Reinhold Mäueler Dr. Branko Milkanovic<br />

Chefarzt Chefarzt<br />

Chirugische Klinik Frauenklinik Eben-Ezer<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

63


Diagnostische Möglichkeiten<br />

in der Chirurgie:<br />

Anale Manometrie – Duckmessung im<br />

Bereich des Analkanales und des Enddarmes.<br />

Prokto-/Rektoskopie – Spiegelung des<br />

Analkanales und des Enddarmes.<br />

Endosonographie – Ultraschalluntersuchung<br />

von Analkanal und Enddarm.<br />

Coloskopie – Spiegelung des gesamten<br />

Darmes.<br />

In Zusammenarbeit mit Radiologen:<br />

Defäkographie – radiologische Darstellung<br />

der Funktion des Enddarmes.<br />

Magnetresonanztomographie – kernspintomographische<br />

Darstellung der<br />

Funktion von Enddarm und Analkanal.<br />

Therapie:<br />

Hämorrhoidenoperation.<br />

Entfernung von Tumoren des Analkanals<br />

und des Rektums.<br />

Operation von Perianalfi steln und -abszessen<br />

Operative Behandlung des Enddarmvorfalles<br />

(mit und ohne Baucheröffnung).<br />

Operation am Schließmuskel (Naht von<br />

Rissen, Raffung).<br />

Bald: Sakrale Nervenstimulation.<br />

64 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Diagnostische Möglichkeiten<br />

in der Frauenklinik:<br />

Urogynäkologische Sprechstunde/<br />

ärztliche Kontinenzsprechstunde in der<br />

Gynäkologie nach Voranmeldung mit<br />

Überweisung Ihres Frauenarztes montags<br />

vormittags<br />

Urodynamik – Druckmessung der Blase<br />

und Harnröhre<br />

Cystoskopie – Spiegelung der Harnblase<br />

Urogynäkologische Sonografi e – Dynamische<br />

Ultraschalluntersuchung von<br />

Harnblase und Harnröhre<br />

MRT – Kernspintomografi sche Darstellung<br />

der Funktion des Beckenbodens<br />

Therapie<br />

Konservative Therapiemöglichkeiten mittels<br />

Beckenbodentraining oder Biofeedbacktraining<br />

Medikamentöse Therapie<br />

Operation von Senkungszuständen<br />

am Beckenboden<br />

Spezielle Operationen der Harninkontinenz<br />

(z. B. TVT-Band-Einlage)<br />

– Gemeinsame Sprechstunde am Montag 15 bis 16 Uhr –<br />

Kontakt: Annette Frasca, Telefon: 0531 / 7011 5570,<br />

E-Mail: kontinenzzentrum@marienstift-braunschweig.de, Mo. bis Fr. 8 bis 17 Uhr


Frauenklinik Eben-Ezer<br />

Geburtshilfe:<br />

Familienorientierte Geburtshilfe unter Berücksichtigung insbesondere der persönlichen<br />

Wünsche der werdenden Mütter<br />

Möglichkeit der ambulanten Geburt<br />

Möglichkeit der Wassergeburt<br />

Vaginale Entbindung bei Beckenendlage<br />

Versuch der äußeren Wendung bei Beckenendlage/Querlage<br />

Hebammensprechstunde<br />

Babytreff (Mütter und Neugeborene)<br />

Akupunktur und Homöopathie<br />

Softlasertherapie oberfl ächlicher Wunden (Brustentzündung)<br />

Geburtshilfl iche Kurse<br />

Frauenheilkunde:<br />

Schwerpunkt mikroinvasive Chirurgie („Knopfl ochtechnik“), z. B. Ovarialcysten, Gebärmutterentfernung<br />

Vaginale Gebärmutterentfernung<br />

Konservative Behandlung, z. B. Eierstockentzündung<br />

Urogynäkologische Diagnostik (Untersuchung bei Blasenfunktionsstörungen sowie Senkungszuständen)<br />

sowie konservative und operative Therapie (z. B. TVT-O, Tension-free<br />

Vaginal Tape, Band zur Stabilisierung der mittleren Harnröhre)<br />

Operationen zur Beckenbodenrekonstruktion, auch unter Einsatz von Kunststoffnetzen<br />

Gynäkologische Krebs-Chirurgie<br />

Mamma Chirurgie (Brustchirurgie)<br />

Lasertherapie<br />

Behandlung von Beckenbodenschwäche und Inkontinenz<br />

Chefarzt<br />

Dr. Branko Milkanovic<br />

Oberärztin<br />

Gülhan Celikkaya<br />

Oberärztin<br />

Dr. Janine Kreiss-Sender<br />

Oberärztin<br />

Dr. Judith Bollmann<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

65


Klinik für Handchirurgie<br />

und angeborene Handfehlbildungen<br />

Leistungsspektrum<br />

Unser Angebot umfasst die gesamte ausschließlich elektive Handchirurgie, d. h. die planbaren<br />

und nicht notfallmäßigen Operationen an der Hand:<br />

Die konservative bzw. operative Behandlung von erworbenen Erkrankungen an der<br />

Hand und an der oberen Extremität, alle Nervenkompressionssyndrome (Nervenengpässe),<br />

Tendovaginitiden (Sehnenscheidenentzündungen), Weichteil- und Knochentumore,<br />

die Dupuytrenschen Kontraktur, Arthrosen im Handgelenk (Gelenkverschleiß) und an der<br />

Hand,<br />

und die konservative bzw. operative Behandlung von posttraumatischen, nach einer Verletzung<br />

auftretenden Folgezuständen an der Hand und an der oberen Extremität, auch<br />

durch aufwendige Sekundärrekonstruktionen mit Knochen-, Sehnen-, Nerventransplantationen<br />

und Sehnenumlagerungen.<br />

Unser besonderer überregionaler Schwerpunkt ist die konservative bzw. operative Behandlung<br />

und langjährige Nachsorge von Kindern mit angeborenen Handfehlbildungen.<br />

Chefarzt<br />

Dr. Niels Benatar<br />

66 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Oberärztin<br />

Dr. Silke Juras


Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin<br />

und Schmerztherapie<br />

Vom Leitenden Arzt Dr. Udo R. Schwippel<br />

In der Anästhesiologischen Klinik unterscheiden wir „Anästhesiologie – Intensivmedizin –<br />

Schmerztherapie.“<br />

Anästhesiologie (Schmerzbetäubung)<br />

Zunächst sind wir für die anästheologische Betreuung und Versorgung der zu operierenden<br />

Patienten zuständig.<br />

Dies beinhaltet zum einen die Risikoabschätzung eines jeden Patienten einschließlich der<br />

notwendigen Voruntersuchungen als auch ein ausführliches anästhesiologisches Gespräch.<br />

Auf Grund dieses Vorgesprächs entscheidet der Anästhesist, welche Art der Narkose für<br />

den Patienten geeignet ist, so dass er dann möglichst mit dem geringsten Risiko und ein<br />

höchstmögliches Maß an Komfort anästhesiologisch versorgt und betreut werden kann.<br />

Zur Anwendung kommen bei uns heute alle in der modernen Anästhesie üblichen Techniken<br />

wie z. B. die Total Intravenöse Anästhesie (TIVA), die Inhalationsanästhesie (ITN) in der<br />

Low- bzw. Minimal-Flow-Technik, komplizierte Anästhesi<strong>ev</strong>erfahren und regionale Anästhesiemethoden.<br />

Alle Anästhesi<strong>ev</strong>erfahren werden auf einem hohen Sicherheits- und Überwachungsniveau<br />

durchgeführt. So kommen bei größeren operativen Eingriffen bzw. bei Hochrisiko-Patienten<br />

neben den „normalen“ nicht invasiven Überwachungsmethoden auch invasive Verfahren<br />

wie die direkte Blutdruck- und Herzleistungsmessung zur Anwendung. Durch die kontinuierliche<br />

Registrierung von Hirnstromkurvenableitungen (EEG) kann eine zusätzliche Optimierung<br />

der Anästhesietiefe erreicht werden.<br />

Die anästhesiologische Betreuung unserer Patienten hört nicht mit dem Ende der Operation<br />

bzw. Narkose auf, sondern wird durch die Betreuung im „Aufwachraum“ fortgesetzt. Hier<br />

kann der Patient seine Vitalfunktion unter kontrollierten Rahmenbedingungen wiedererlangen,<br />

so dass er hiernach ohne Risiko auf eine normale Pfl egestation verlegt werden kann.<br />

Sollten sich im Verlauf der postoperativen Überwachungsphase Unregelmäßigkeiten einstellen,<br />

kann der Patient auf unserer operativen Intensivstation jederzeit ebenso weiter betreut<br />

werden – wie Patienten, die nach großen operativen Eingriffen zur Überwachung und Wiedererlangung<br />

ihrer Vitalfunktionen direkt auf der Intensivstation aufgenommen werden.<br />

Intensivmedizin<br />

Auf der Intensivstation können unsere Patienten entsprechend ihres Grundleidens weiter überwacht<br />

bzw. behandelt werden. Hier kann auf Grund der vorhandenen intensivmedizinischen<br />

Überwachungs- und Diagnosemethoden rechtzeitig das Krankheitsbild erkannt und entsprechend<br />

den uns intensivmedizinisch zur Verfügung stehenden Methoden behandelt werden.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

67


Schmerztherapie<br />

Die dritte Säule der anästhesiologischen Arbeit bildet die Schmerztherapie. Sie umfasst<br />

nicht nur die Maßnahmen, die in Verbindung mit den akut postoperativ auftretenden Operationsschmerzen<br />

zu tun hat, sondern auch die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten<br />

im Krankenhaus einschließlich der schmerztherapeutisch fl ankiert betreuten palliativmedizinischen<br />

Patienten.<br />

Patienten, die während ihres stationären Aufenthaltes im <strong>Marienstift</strong> schmerztherapeutisch<br />

behandelt wurden, können sich im Anschluss der Krankenhausbehandlung in unserer<br />

Schmerzambulanz Rat holen und gegebenenfalls behandeln lassen.<br />

In der Schmerzambulanz kommen bei uns neben der klassisch medikamentösen Schmerztherapie<br />

auch periphere rückenmarksnahe und zentrale Nervenblockaden als auch alternative<br />

schmerztherapeutische Verfahren zur Anwendung (Neural- und manuelle Therapie, verschiedene<br />

Akupunkturtechniken, die klassische Störfeldtherapie mit Austestung homöopathischer<br />

Schadstoffbelastungen und Unverträglichkeiten).<br />

In den Bereich der Schmerztherapie fällt außerdem auch die anästhesiologische Betreuung<br />

der entbindenden Patientinnen im Kreissaal. Hier können sie die so genannte patientenkontrollierte<br />

Schmerzausschaltung mittels Periduralanästhesie (Walking-PDA) zur Erlangung einer<br />

schmerzarmen Geburt wahrnehmen.<br />

Die Leitenden Ärzte der Klinik verfügen über eine umfangreiche Weiterbildung im Bereich<br />

der ausgeführten Therapie- und Diagnos<strong>ev</strong>erfahren und sind zur Weiterbildung im Fach für<br />

Anästhesiologie für drei Jahre und im Bereich der anästhesiologischen Intensivmedizin für<br />

ein Jahr ermächtigt.<br />

Im Rahmen der täglich durchgeführten Anästhesiesprechstunde können sich auch die Patienten<br />

über die durchgeführten Behandlungsmethoden informieren und einen Einblick in<br />

die Abläufe eines Behandlungsfalles erhalten.<br />

Ltd. Arzt<br />

Dr. Udo Schwippel<br />

68 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Ltd. Arzt<br />

Dr. Jan Halatek, DB<br />

Oberarzt<br />

Wilfried Metzger<br />

Oberarzt<br />

Arne Twelmeier


Beleg- und Honorarärzte des Krankenhauses<br />

Belegarzt des Krankenhauses<br />

Dr. Andreas Bodlien<br />

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,<br />

Plastische Operationen<br />

Member of EAFPS (European Academie of Facial Plastic Surgery)<br />

Tel.: 05 31 / 12 59 93<br />

Belegarzt des Krankenhauses<br />

Dr. Erich Koch<br />

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Chirotherapie<br />

Tel.: 05 31 / 4 52 78<br />

Internet: www.mein-hno-braunschweig.de<br />

Belegarzt des Krankenhauses<br />

Dr. Marc Kassuhn<br />

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />

Tel.: 05 31 / 12 59 93<br />

Belegarzt des Krankenhauses<br />

Dr. Wolfgang Schwartz<br />

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />

Tel.: 05 31 / 79 92 79<br />

Homepage: www.hno-schwartz.de<br />

E-Mail: info@hno-schwartz.de<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. Ralf Lorenz<br />

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />

Tel.: 05 31 / 1 60 24<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

69


70 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. Bernd Roloff<br />

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />

Tel.: 05 31 / 4 56 86<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. André Szczes<br />

Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />

Tel.: 05 31 / 4 94 98<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. Wolfgang Fiedler<br />

Facharzt für Orthopädie<br />

Tel.: 05 31 / 4 10 14<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. Tobias Gräber<br />

Facharzt für Orthopädie<br />

Tel.: 05 31 / 4 10 14<br />

Honorararzt des Krankenhauses<br />

Dr. Martin Heimberg<br />

Facharzt für Orthopädie<br />

Tel.: 05 31 / 4 10 14


Soziale Verantwortung der Unternehmen<br />

Diskussion über die Bedeutung von Stiftungen<br />

Mit Frankfurt am Main verbinden viele Menschen<br />

„Macht, Geld und Ruhm“, aber auch<br />

die „Wiege der Demokratie“ sowie „Kunst-,<br />

Kultur- und Bankenmetropole.“ Für die Altstipendiaten<br />

der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

e.V.(KAS) aus ganz Deutschland, die vom 2.<br />

bis 5. Juni in dieser Stadt ihre Jahrestagung<br />

durchführten, war und ist Frankfurt „Knotenpunkt<br />

für Kaiser, Kultur und Kommerz.“<br />

Aber welche Rolle können Stiftungen in diesem<br />

Spannungsfeld spielen? Eine Podiumsdiskussion<br />

in den neuen Zwillingstürmen der<br />

Deutschen Bank suchte eine Antwort.<br />

Unternehmerbürgertum<br />

Jens Michael Otte von der Deutschen Bank<br />

AG, Leiter Öffentlicher Sektor Deutschland,<br />

sagte „Stiftungen sind Ausdruck des Unternehmerbürgertums,<br />

das eine Gesellschaft<br />

unbedingt braucht.“ Diplom-Kaufmann Michael<br />

Münch, Leiter „Gesellschaftliche Verantwortung“<br />

von der Deutschen Bank, ergänzte:<br />

„Unsere Stiftung hat im Jahr 2010<br />

100 Mio. Euro in die Gesellschaft investiert,“<br />

was natürlich auch den Interessen<br />

des Unternehmens diene.<br />

Soziale Verantwortung<br />

Der Frankfurter Unternehmer Senator Professor<br />

Carlo Giersch erinnerte an die soziale<br />

Verantwortung der Unternehmen. Es<br />

gehe nicht darum, sich ein Denkmal zu setzen,<br />

vielmehr Mitarbeitern eine Zukunft zu<br />

geben und wichtige Aktivitäten für die Ent-<br />

wicklung einer Stadt und des Gemeinwesens<br />

zu unterstützen. In der Stadt Franfurt<br />

mit ihren 680 000 Einwohnern gebe es allein<br />

10 000 Menschen , die jährlich über<br />

300 000 Euro verdienten. Auch sie könnten<br />

gezielt und konkret helfen, nicht nur die<br />

400 ansässigen Frankfurten Stiftungen.<br />

Mehr Bildung<br />

Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige<br />

Forschungsminister Prof. Dr. Heinz Riesenhuber<br />

ermutigte, „in die Politik zu gehen<br />

und nicht nur mit Leidenschaft über die Politik<br />

zu reden.“ Die Gesellschaft brauche vor<br />

allem mehr Bildungs- und Forschungsangebote.<br />

Denn mangelnde Intelligenz könne<br />

man auch durch mehr Geld nicht ersetzen.<br />

Anstiften zum Selbststiften<br />

Professor Dr. Klaus Ring, Präsident der Polytechnischen<br />

Gesellschaft in Frankfurt, betonte<br />

die Notwendigkeit des Anstiftens zum<br />

Selbststiften. Eine frühe Hinführung zur Bildungsfähigkeit<br />

zum Beispiel durch Sprachförderung<br />

von Kindern sei zu stärken. Der<br />

Staat mache viel, entdecke aber dennoch<br />

nicht viel Neues. Stiftungen suchten die Lücken,<br />

in denen etwas geschehen müsse.<br />

Deutlich wurde: Nicht nur Altstipendiaten<br />

der KAS können ein Kompetenz-Netzwerk<br />

und eine Vielfalt von Wissen und Erfahrungen<br />

bilden, sondern auch die über 18 000<br />

Stiftungen in ganz Deutschland.<br />

Beim Empfang der Landesregierung; in der Mitte der ehemalige Präsident des Europaparlaments<br />

und jetzige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering.<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

71


Spuren der Liebe mitten im Alltag<br />

Vertrauen als Schlüssel<br />

Die Liebe bleibt stets ein letztes Geheimnis.<br />

Dennoch können mitten im Leben Spuren<br />

der Liebe entdeckt werden. Als unvergängliche<br />

Mitte und schöpferische Urquelle<br />

allen Lebens ermöglicht und schafft sie<br />

neues Leben.<br />

Der Schlüssel zur Liebe ist das Vertrauen.<br />

Vertrauen<br />

Die Spur des Grund-Vertrauens: Vertrauen<br />

kann durch Vertrautes wachsen, wenn erfahrbar<br />

wird, dass zum Beispiel eine Person<br />

vorurteilsfrei und verständnisvoll, aufrichtig<br />

und verschwiegen, zuverlässig und glaubwürdig<br />

ist. Bei Transparenz und Kommunikation,<br />

Kompetenz und Menschlichkeit<br />

wird ein Vorschuss an Vertrauen leichter<br />

ge währt.<br />

Verantwortung<br />

Die Spur der letzten Verantwortung: Vertrauen<br />

kann durch Verantwortung wachsen,<br />

wenn erfahrbar wird, dass zum Beispiel<br />

eine Person, der man vertraut, antworten<br />

kann, für was sie sich persönlich<br />

wem gegenüber und letztlich vor welcher<br />

Instanz verantwortlich weiß. Jeder, der eine<br />

Teilverantwortung trägt, ist auch Träger einer<br />

gewissen Gesamtverantwortung. Und<br />

jeder, der für das Ganze verantwortlich ist,<br />

hat auch eine Verantwortung für ein gewisses<br />

Teil. Im Zweifelsfall steht jedoch die<br />

Gesamtverantwortung vor der Teilverantwortung.<br />

Vernunft<br />

Die Spur der Ur-Vernunft: Vertrauen kann<br />

durch Vernunft wachsen, wenn erfahrbar<br />

wird, dass zum Beispiel eine Person nachdenklich<br />

und (selbst-)kritisch, informiert<br />

und wissend ist, eine Unterscheidungs-<br />

72 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

und Urteilskraft hat und sich damit mündig<br />

und unabhängig verhält, die Vernunft<br />

zur Vernunft bringen kann. Die gebildete<br />

Vernunft legt ein Veto ein, wenn schwärmerische<br />

oder erkaltete Gefühle, Neid-,<br />

Rache- oder Angstgefühle die Person zur<br />

Unvernunft verführen wollen oder Werturteile<br />

nicht stimmig und nicht folgerichtig<br />

sind.<br />

Versöhnung<br />

Die Spur der göttlichen Versöhnung: Vertrauen<br />

kann durch Versöhnung wachsen,<br />

wenn erfahrbar wird, dass zum Beispiel<br />

eine Person lernfähig und lernbereit ist,<br />

sich glaubwürdig entschuldigen und verzeihen<br />

kann, die unverlierbare Würde sowie<br />

die Gleichwertigkeit aller achtet und<br />

die Unvollkommenheit sowie Vergänglichkeit<br />

aller beachtet. Die versöhnte Verschiedenheit<br />

ermöglicht unterschiedliche Neuanfänge<br />

und weiß um die Notwendigkeit<br />

personen- und situationsbezogener Lösungen.<br />

Die Triebfeder des Dankens im Blick auf<br />

die geschenkte Ebenbildlichkeit/Würde<br />

ermöglicht das Leben; die des Denkens<br />

im Blick auf die Geschaffenheit bewusstes<br />

Leben; die des Wollens im Blick auf<br />

die Gemeinschaftsfähigkeit gezieltes Leben;<br />

die des Fühlens im Blick auf die<br />

Menschlichkeit ganzheitliches Leben bis<br />

diese Entwicklung sich in der Glückseligkeit<br />

und der unverdienbaren, grenzenlosen<br />

und bedingungslosen Liebe Gottes<br />

vollendet.<br />

Denn „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe<br />

bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“<br />

(1 Joh 4,16)<br />

Burkhard Budde


Spuren der Liebe<br />

Von Dr. Burkhard Budde<br />

fühlen<br />

danken denken<br />

VERTRAUEN<br />

VERSÖHNUNG VERANTWORTUNG<br />

LIEBE<br />

VERNUNFT<br />

wollen<br />

<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

73


Über das „Mitbauen Gottes“<br />

„Neue Tür zum Leben“<br />

NISI DOMINUS FRUSTA. So<br />

lautet die Inschrift auf dem<br />

historischen Portal über der<br />

Eingangstür des Diakonischen<br />

Werkes in Riddagshausen.<br />

Wörtlich übersetzt<br />

bedeutet die Inschrift aus<br />

dem Jahr 1591 “Wenn nicht<br />

/ der Herr / Vergeblich.“ Diese<br />

Worte erinnern an den<br />

Psalm 127, Vers 1: „Wenn<br />

nicht der Herr das Haus<br />

baut, so mühen sich umsonst,<br />

die daran bauen.“<br />

Diese biblische Botschaft war auch Anknüpfungspunkt, Grundlage und Zielvorgabe<br />

der Predigt von Dr. Lothr Stempin, die er im Gottesdienst zu seiner Verabschiedung in<br />

der Klosterkirche in Riddagshausen am 10. Juni 2011 hielt.<br />

„Wie weit reicht unser Vermögen und Tun, wo setzt Gottes Handeln ein?“ fragte der<br />

Prediger. Der Beter des Psalms – „ein Wanderer und Hirte, der sesshaft geworden ist“<br />

– sei sich gewiss, dass das Bauen, Hüten und Tun des Menschen nicht in der Gottesferne<br />

geschehe, sondern dass „der Heilige stets da ist.“<br />

Der unbekannte Bauherr im Jahre 1591 – das Portal gehörte ursprünglich zum Zugang<br />

eines <strong>Braunschweig</strong>er Bürgerhauses – habe offensichtlich das „Hin- und Her“<br />

von Bürgerstolz über das menschliche Gelingen und notwendiger Demut für das<br />

göttliche Geschenk des Gelingens zum Ausdruck bringen wollen.<br />

Viele Menschen würden heute, so Lothar Stempin, das „Mitbauen Gottes“ nicht<br />

wahrnehmen oder von ihm reden. Die „autonome Vernunft“ habe „fl exible Menschen“<br />

geschaffen: Meinungen würden wie das Hemd gewechselt. Vernünftig sei,<br />

was sich rechne. Die Hautsache sei, dass Geld in die Kassen komme. Die Unentschlossenheit<br />

sei ein Merkmal der Gesellschaft. Man wasche sich lieber die Hände in<br />

Unschuld und wolle die Folgen nicht begreifen.<br />

Die „neue Tür zum Leben“ jedoch öffne sich von selbst. Gott stehe neben uns. „Und<br />

in dieser Zuversicht kann man Fragen und Widersprüche aushalten,“ sagte Stempin.<br />

Dann werde sich auch die „segnende Gegenwart Gottes“ einstellen.<br />

Der Prediger schloss mit dem Wunsch, dass das Diakonische Werk zu einem Ort der<br />

Barmherzigkeit werde, weil Barmherzigkeit die Kulturkraft sei, die die Liebe und<br />

Freundschaft der Menschen wecke.<br />

74 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />

Inschrift am Eingangsportal des Diakonischen Werkes.


„Leben leben“<br />

Leben leben<br />

Atem verspüren<br />

von Burkhard Budde<br />

mit Bildern von<br />

Marie-Luise Schulz<br />

Denkanstöße<br />

04.03.2011 9:13:24 Uhr<br />

„Suchen und Finden“<br />

Burkhard Budde<br />

Suchen<br />

und<br />

Finden<br />

Christliche Werte bewegen<br />

mit Bildern von<br />

Marie-Luise Schulz<br />

Das Buch „Leben leben“ kann im <strong>Marienstift</strong> für 5,00 Euro bestellt werden; das Buch<br />

„Suchen und Finden“ für 4,50 Euro.<br />

Sekretariat des Vorstandsvorsitzenden, Heike Otto, Tel: 0531 7011-304, Fax: 0531<br />

70115304, E-Mail: vorstand.direktor@marienstift-braunschweig.de

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