doppelpunkt: - ev.-luth. Diakonissenanstalt Marienstift Braunschweig
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<strong>doppelpunkt</strong>:<br />
Nr. 3/2011<br />
www.marienstift-braunschweig.de<br />
Aus dem Inhalt:<br />
– Neuer Seelsorger<br />
Pastor Karl-Peter Schrapel<br />
– Dr. Udo R. Schwippel<br />
über Hygiene im<br />
Krankenhaus<br />
– MdB Dr. Carola Reimann<br />
über Gesundheitspolitik<br />
– Lektorin Karin-Heide Rütters<br />
über das „Glück im<br />
Gottesdienst“<br />
– Bewohnerin Helge Makrutzki<br />
erinnert an Loriot<br />
– MdL Heidemarie Mundlos<br />
über das neue Heimgesetz“<br />
– Propst i. R. Armin Kraft<br />
über 70 Jahre Kirche<br />
– Dr. Burkhard Budde über<br />
Spuren der Liebe
Aus dem Inhalt:<br />
6 Pastor Karl-Peter Schrapel neuer Seelsorger<br />
12 Dr. Udo R. Schwippel über Hygiene im Krankenhaus<br />
20 Dr. Carola Reimann über Gesundheitspolitik<br />
28 Sommerfest in Bethanien<br />
33 Lektorin Karin-Heide Rütters vom Glück Gottesdienst halten zu dürfen<br />
40 Heidemarie Mundlos über das neue Heimgesetz<br />
44 Ein Blick in die Diakonische Galerie<br />
48 Propst i. R. Armin Kraft über die Kirche<br />
Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung zu diesem „<strong>doppelpunkt</strong>“<br />
oder auch zu einem Artikel unter<br />
E-Mail: b.budde@marienstift-braunschweig.de bzw. unter Fax: 0531 7011-5304 oder<br />
Redaktion „<strong>doppelpunkt</strong>“, <strong>Marienstift</strong>, Helmstedter Str. 35, 38102 <strong>Braunschweig</strong>.<br />
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Herausgeber: Evangelisch-<strong>luth</strong>erische <strong>Diakonissenanstalt</strong> <strong>Marienstift</strong> in <strong>Braunschweig</strong><br />
Verantwortlich iSdP: Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde<br />
Redaktionskreis: Heike Otto, Schwester Wanda Elsner, Oberin i. R. Karin Hille<br />
Helmstedter Straße 35, 38102 <strong>Braunschweig</strong>,<br />
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Internet-Adresse: www.marienstift-braunschweig.de<br />
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Sommerfest als sonnige „Sause“<br />
Von Mitarbeitern für Mitarbeiter im Park des <strong>Marienstift</strong>es<br />
Marianne Streithoff und Ulrich Furth (r.) von der Mitarbeitervertretung bei der Begrüßung.<br />
Die Bereichsleitung<br />
der<br />
Anästhesie<br />
Schwester Karin<br />
Grüter und<br />
HNO-Belegarzt<br />
Dr. Wolfgang<br />
Schwartz.<br />
Im schönen Park vor den Ausbildungsstätten<br />
des <strong>Marienstift</strong>es fand am 2. September<br />
2011 erstmalig die „Sommersause“ der<br />
Mitarbeitervertretung( MAV) der kirchlichen<br />
Einrichtung statt. Mitarbeiter, Angehörige<br />
und Freunde des Hauses waren sich einig:<br />
Das Wetter stimmte, die Atmosphäre, die<br />
Gemeinschaft und die vielfältigen Begegnungen.<br />
Aber auch das Essen und die Getränke<br />
hielten Leib und Seele zusammen.<br />
Ulrich Furth und Marianne Streithoff von der<br />
Mitarbeitervertretung begrüßten die Gäste,<br />
unter ihnen der gesamte Vorstand mit Dr.<br />
Burkhard Budde, Ralf Benninghoff und Angela<br />
Tiemann, sowie der Küchenleiter Ekkehard<br />
Haase, der Leiter der Personalabteilung<br />
Dennis Berger, die Seelsorgerin Ruth Berger,<br />
die Oberärzte Dr. Simone Giller, Wilfried<br />
Metzger und Dr. Janine Kreiss-Sender sowie<br />
der Belegarzt Dr. Wolfgang Schwartz.<br />
Zur MAV, die das Fest ausgerichtet hatte,<br />
gehören Ulrich Furth (Vorsitzender), Marianne<br />
Streithoff (Stellvertretende Vorsitzende),<br />
Jens Vollbrecht, Carola Fenske, Guido Berger,<br />
Dr. Kreiss-Sender, Jadwiga Hübner, Gi-<br />
Oberarzt<br />
Wilfried Metzger<br />
mit seinem Sohn<br />
Jan Michael.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
3
sela Goette, Alexander Rutter, Rudolf Tyslik,<br />
Gudrun Dobrick und Ursula Mehr (Schwerbehindertenvertretung).<br />
Der Erlös der „Sause“ – 564,51 Euro, vom<br />
Vorstand auf eine Spendensumme von<br />
1000 Euro aufgestockt – ist für das Matya-<br />
4 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Mitarbeiter, Angehörige und Kinder.<br />
Gut gelaunte Mitarbeiterinnen.<br />
zo Hospital – ein 100 Betten Krankenhaus<br />
in Tansania – bestimmt. Dort arbeitet die<br />
ehemalige Oberärztin des <strong>Marienstift</strong>es Dr.<br />
Ute Trautwein, die im November während<br />
ihrer Urlaubszeit nach <strong>Braunschweig</strong> kommen<br />
will, um im <strong>Marienstift</strong> einen Vortrag<br />
über ihre Arbeit zu halten.<br />
„Romantische Atmosphäre“ im Park vor dem Florence-Nightingale-Haus.
Diakonissen und Mitglieder der Diakonischen Gemeinschaft.<br />
Verwaltungsmitarbeiterin Miriam Greulich, Student Fabian Sander, Leiter der Personalabteilung<br />
Dennis Berger, Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde, stv. Vorstandsvorsitzender Ralf<br />
Benninghoff und Verwaltungsmitarbeiterin Marianne Streihoff (v. l. n. r.).<br />
Gute Stimmung bis zum Ende des Festes.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
5
Neuer Seelsorger im <strong>Marienstift</strong><br />
Stärkung des Diakonischen Profi ls<br />
Pastor Karl-Peter Schrapel<br />
(50) ist ab 1. September<br />
2011 als Seelsorger<br />
im <strong>Marienstift</strong><br />
tätig. In der Mitarbeiterandacht<br />
in der<br />
Karl-Peter Schrapel<br />
Fliedner-Kirche wurde<br />
er am 6. September<br />
2011 gemeinsam mit<br />
anderen neuen Mitarbeitern<br />
vom Vorstand<br />
in die christliche Dienstgemeinschaft aufgenommen.<br />
Die Kirchenregierung der Ev.- <strong>luth</strong>. Landeskirche<br />
in <strong>Braunschweig</strong> hatte im August beschlossen,<br />
Pfarrer Schrapel eine Stelle in der<br />
kirchlichen Stiftung <strong>Marienstift</strong> im Umfang<br />
von 75 Prozent einer vollen Pfarrstelle zu<br />
übertragen. Darüber hinaus behält er seinen<br />
Zusatzauftrag von 25 Prozent im Blick auf<br />
den pastoralpsychologischen Dienst in der<br />
Landeskirche. Karl-Peter Schrapel war seit<br />
2004 als Krankenhausseelsorger im Krankenhaus<br />
St. Marienberg in Helmstedt tätig.<br />
Der Vorstandsvorsitzende des <strong>Marienstift</strong>es,<br />
Dr. Burkhard Budde, der gemeinsam mit seinen<br />
Vorstandskollegen Ralf Benninghoff und<br />
Angela Tiemann die offi zielle Aufnahme der<br />
neuen Mitarbeiter in die Dienstgemeinschaft<br />
6 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
vornahm, sagte, dass alle etwa 650 Mitarbeiter<br />
eine Verantwortung für das „Diakonische<br />
Profi l“ tragen würden. Ein hauptamtlicher<br />
Seelsorger könne jedoch in besonderer<br />
Weise dazu beitragen, „dass der Mensch im<br />
Mittelpunkt aller Dienst- und Managementaufgaben<br />
steht, weil Gott selbst die Mitte allen<br />
Lebens darstellt.“ In der Andacht, die einmal<br />
im Monat durchgeführt wird und in die<br />
Zimmer des Krankenhauses und des Altenpfl<br />
egeheimes Bethanien per Bild und Ton<br />
übertragen wird, erhielten die neuen Mitarbeiter<br />
die <strong>Marienstift</strong>snadel als ein Zeichen<br />
der Zugehörigkeit zum Haus überreicht; die<br />
Organistin Gisela Berger erhielt ein Geschenk,<br />
da sie am 6. September Geburtstag hatte.<br />
Die neuen Mitarbeiter sind Heike Fuhrmeister-Plath<br />
(Krankenschwester), Jens-Uwe<br />
Müller (Verwaltung), Dr. Gesa Meyer-Bekel<br />
(Innere Klinik), Sarah Behrens (Freiwilliges<br />
Soziales Jahr), Katharina Viktoria Wasmus<br />
(Auszubildende in der Verwaltung), Kira Janine<br />
Waldmann (Auszubildende in der Verwaltung),<br />
Anja Müller (Medizinische Schreibkraft),<br />
Dominik Mäule (Mitarbeiter der Verwaltung),<br />
David Winterfeld (Freiwilliges Soziales<br />
Jahr), Sabine Ferl (Medizinische Schreibkraft),<br />
Ärztin Monika Wopp (Innere Klinik),<br />
Pastor Karl-Peter Schrapel (Seelsorge).<br />
Neue Mitarbeiter gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern im Altarraum der Fliedner-Kirche.<br />
Fotos: Heike Otto
Ausstellung „Überleben von Kindern sichern“<br />
„Kindern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen“<br />
„Unicef hat sich für Kinder stark gemacht“,<br />
sagte Angela Tiemann, Vorstandsmitglied<br />
des <strong>Marienstift</strong>es, anlässlich der Eröffnung<br />
der unicef-Ausstellung „Überleben von Kindern<br />
sichern“ am 5. Juli 2011 im Café<br />
„Parkblick“ des Altenpfl egeheimes Bethanien.<br />
„Wir machen uns im <strong>Marienstift</strong> für<br />
kranke, schwache und alte Menschen stark.<br />
Das eint“, betonte Angela Tiemann. Die<br />
Ausstellung, die die Ursachen der hohen<br />
Kindersterblichkeit und Lösungsansätze von<br />
unicef aufzeigt, passe sehr gut in das Diako-<br />
Angela Tiemann (l.) mit Hannelore Hesse.<br />
nische Profi l der kirchlichen Einrichtung. Um<br />
Kindern ein menschenwürdiges Leben zu<br />
ermöglichen, brauche es Erwachsene.<br />
Hannelore Hesse von unicef <strong>Braunschweig</strong>,<br />
die die Ausstellung angeregt hatte, berichtete<br />
über die Aktivitäten des Kinderhilfswerkes<br />
der Vereinten Nationen. Das Werk, das<br />
unabhängig etwa von Hautfarbe, vom Geschlecht<br />
oder von der Sprache, Religion<br />
oder ethnischer Zugehörigkeit tätig ist, versorge<br />
jedes zweite Kind weltweit mit Impf-<br />
Stiftungsratsmitglied Eberhard Sieber (r.) mit dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung Ulrich<br />
Furth. Fotos: Susanne Schlinker-Thiel<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
7
stoffen, baue Brunnen und stelle Schulmaterial<br />
für Kinder bereit. Gleichzeitig setze<br />
sich unicef politisch ein, um die Lebenssituationen<br />
der Kinder nachhaltig zu verbessern<br />
– auch in Deutschland, wo 8 000 ehrenamtliche<br />
Helfer in 130 Gruppen aktiv sind.<br />
8 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Besuchen Sie unsere<br />
DIAKONISCHE GALERIE<br />
– im Mutterhaus, erste Etage –<br />
„Leben mit dem Kreuz“<br />
in Geschichte und Gegenwart<br />
Öffnungszeiten: Montags bis Freitags<br />
von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr<br />
und nach Vereinbarung.<br />
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen<br />
„Unicef“ wurde 1946 von der Generalversammlung<br />
der Vereinten Nationen<br />
gegründet; die Abkürzung steht für „United<br />
Nations (International) Children`s<br />
(Emergency) Fund“.<br />
Ältere und jüngere Menschen setzen sich für Kinder ein.<br />
Führungen: Interessierte Einzelpersonen oder Gruppen<br />
werden gebeten, sich im Blick auf Führungen<br />
im Sekretariat des Vorstandsvorsitzenden<br />
des <strong>Marienstift</strong>es bei Heike Otto anzumelden.<br />
Tel.: 0531 7011-0 oder 7011-304;<br />
Fax: 0531 7011-5304<br />
E-Mail: vorstand.direktor@marienstift-braunschweig.de
Eine Skulptur zum Thema „Leben“<br />
Zur Begrüßung eines geliebten Menschen<br />
Als Steinmetz- und Bildhauermeister habe<br />
ich mit meiner Frau sehr oft den Kontakt<br />
zu Angehörigen, die einen lieben Menschen<br />
aus ihrer Familie verabschiedet haben.<br />
Um den Davongegangenen ein würdiges<br />
Andenken in Form eines Denkmales zu<br />
gestalten, erfordert dies eine<br />
fundierte Handwerksausbildung,<br />
den Meisterschulabschluss<br />
zum Steinmetz- und<br />
Bildhauermeister, eine fast<br />
tagtägliche gestalterische Beschäftigung<br />
zum Thema sowie<br />
der rege fachliche Austausch<br />
mit lieben Kollegen.<br />
Abschiednehmen, Andenken,<br />
Rückblicke auf das gelebte<br />
Leben – dies sind Themen,<br />
die uns als selbstständige Ge-<br />
stalter vor Aufgaben stellen,<br />
für die wir bis zum heutigen<br />
Tag auch durch den intensiven<br />
Austausch mit den Angehörigen immer<br />
eine aussagekräftige und würdige gestalterische<br />
Lösung gefunden haben.<br />
Doch wie sieht ein Denkmal aus, welches<br />
wir zur Begrüßung eines geliebten Menschen<br />
gestalten wollen? Welches den Tag<br />
unseres Glückes festhält und stellvertretend<br />
für das Wunder des Lebens steht?<br />
Diese Fragen beschäftigen mich seit genau<br />
12.41 Uhr, 8. Juni 2011. An jenem Tag wurde<br />
unser Sohn Hans im <strong>Marienstift</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
geboren und ist mit viel Liebe und<br />
Fürsorge vom ganzen Team der Frauenklinik<br />
Eben-Ezer auf unserer Welt begrüßt worden.<br />
Ein Mensch ist geboren und für uns<br />
schloss sich der Kreislauf des Lebens. Kommen<br />
und Gehen, so natürlich wie sich das<br />
anhört, ist es doch immer etwas ganz Besonderes<br />
und das Gewicht der Abschiednahme<br />
bekommt ein genauso großes Gegengewicht...die<br />
Willkommensfreude.<br />
Lutz Scheibner mit<br />
seinem Sohn Hans.<br />
Die Eindrücke, welche ich bei meinen Besuchen<br />
in der Frauenklinik gewonnen hatte,<br />
lassen mich einfach nicht mehr los. Diese<br />
Glückseligkeit im Gesicht meiner lieben<br />
Frau, die Ausstrahlung der jungen Mütter<br />
in der ganzen Klinik und die stolzen Väter<br />
erst, alles war so intensiv,<br />
dass in mir als Bildhauer der<br />
Gedanke reifte, dieses Erlebnis<br />
im Stein festhalten zu<br />
wollen. Die Skulptur soll natürlich<br />
fein und zerbrechlich<br />
wirken, Ausdruck von Leichtigkeit<br />
haben, rein und unschuldig<br />
sein, sowie die ersten<br />
Momente im Leben eines<br />
Menschen darstellen, der von<br />
uns gehalten und beschützt<br />
wird. In meinen Gedanken<br />
formt sich schon ein erster<br />
Entwurf und ich bin schon<br />
sehr ungeduldig, meinen Gefühlen<br />
im Stein freien Lauf zu lassen.<br />
Doch erst einmal möchte ich mich auch im<br />
Namen meiner Frau Tina und unseres Sohnes<br />
Hans bei allen Mitarbeitern der Frauenklinik<br />
für die ruhige und bedachte Betreuung,<br />
die medizinische Kompetenz und Fürsorge,<br />
die familiäre Atmosphäre und des<br />
ständigen Gefühls „Wir sind für Euch da.“<br />
von ganzem Herzen bedanken.<br />
Wir hatten nicht den Eindruck, in einem<br />
Krankenhaus zu sein und übrigens das Essen<br />
wäre es auch wert, auf Porzellan aufgedeckt<br />
zu werden.<br />
Mit meiner Skulptur möchte ich Sie auf<br />
dem Laufenden halten und verbleibe bis<br />
dahin mit großem Dank<br />
Ihr<br />
Lutz Scheibner.<br />
Steinmetz- und Bildhauermeister.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
9
10 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Die neue Freiheit einer<br />
Marionette<br />
Eine Marionette wird fremdbestimmt.<br />
Der Geiz bewirkt, nicht mehr teilen zu können. Avaritia.<br />
Der Neid, nicht mehr anerkennen zu können. Invidia.<br />
Der Hochmut, nicht mehr lieben zu können. Superbia.<br />
Die Wollust, nicht mehr denken zu können. Luxuria.<br />
Die Völlerei, nicht mehr genießen zu können. Gula.<br />
Der Zorn, nicht mehr überzeugen zu können. Ira.<br />
Die Faulheit, sich nicht mehr freuen zu können. Acedia.<br />
Der Mensch ist jedoch mehr als eine Gliederpuppe.<br />
Er kann die Fäden selbst in der Hand behalten.<br />
Abgeben und loslassen.<br />
Andere stärken und fördern.<br />
Eine Beziehung auf Augenhöhe eingehen.<br />
Rücksicht nehmen und mit Leidenschaft lieben.<br />
Maß halten und Neues entdecken.<br />
Argumentieren und sich entschuldigen.<br />
Einsatz zeigen und Gefühle aufbauend gestalten.<br />
Doch die Puppenspieler leben weiter.<br />
Avaritia und Individia denken nur an sich.<br />
Suberbia und Luxuria sind in sich selbst verliebt.<br />
Gula, Ira und Acedia bleiben oberfl ächlich.<br />
Doch der Mensch behält seine Würde,<br />
wenn er den weiten Horizont,<br />
die Liebe und die Vernunft,<br />
die Tiefe und das Leben wählt.<br />
Und den inneren und äußeren Marionettenspielern<br />
immer wieder neu die Fäden aus der Hand nimmt.<br />
Burkhard Budde
Examen bestanden: Freude und Anerkennung<br />
15 neue Gesundheits- und Krankenpfl egerinnen<br />
Die Examinierten mit dem Vorstand und der Seelsorgerin Heidrun Schäfer (l.)<br />
Zum bestandenen Gesundheits- und Krankenpfl<br />
egeexamen gratulierten Lehrer und<br />
Dozenten, Eltern und Angehörige, Freunde<br />
und Partner, aber auch der Vorstand des<br />
<strong>Marienstift</strong>es. In der Fliedner-Kirche und<br />
beim anschließendem Empfang im Mutterhaus<br />
sah man am 6. September 2011 nur<br />
freundliche und glückliche Gesichter. Vorstandsmitglied<br />
Angela Tiemann würdigte<br />
die Leistung: „Sie können jetzt positive<br />
Spuren einer ausgezeichneten Pfl ege und<br />
zugleich Menschlichkeit hinterlassen.“ Die<br />
Fünf Männer und die 10 Frauen, die ihr Examen<br />
bestanden hatten, sollten ihre Kenntnisse<br />
vermehren sowie ihre „Geduld, Kompetenz<br />
und ihren Idealismus“ behalten.<br />
Frau Tiemann wies darauf hin, dass die<br />
Schüler im <strong>Marienstift</strong> die diakonische Arbeit<br />
auf der Grundlage des christlichen<br />
Menschenbildes kennengelernt haben –<br />
„einen positiven Mehrwert, eine besondere<br />
innere Haltung sowie eine empathische<br />
Aufmerksamkeit.“ Gemeinsam mit der<br />
Schulleiterin Margrit Weithäuser zeichnete<br />
sie Anna Saidok und Janine Ulrich für besondere<br />
Leistungen aus.<br />
In der vorangegangenen Andacht, die die<br />
Seelsorgerin Heidrun Schäfer leitete und<br />
musikalisch von der Organistin Bettina<br />
Kleemeyer gestaltet wurde, wurde an die<br />
Bedeutung des Segens Gottes erinnert.<br />
Vorstandsmitglied Angela Tiemann (r.) zeichnete gemeinsam mit der Schulleiterin Margrit Weithäuser<br />
(l.) die Schülerinnen Anna Saidok und Janine Ulrich (2. v. r.) für besondere Leistungen aus.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
11
Hygiene im Krankenhaus<br />
Vom Leitenden Arzt Dr. Udo R. Schwippel<br />
Hygiene, ein immer<br />
wieder aktuelles Problem.<br />
Und das nicht<br />
erst seitdem die Bundesregierungaufgrund<br />
der Zunahme<br />
an Krankenhausinfektionen<br />
einen neuen<br />
Gesetzesentwurf zur<br />
Verbesserung der<br />
Krankenhaushygiene auf den Weg gebracht<br />
hat. Ziel des Gesetzes ist es, einen möglichst<br />
großen Teil dieser Infektionen und der dadurch<br />
bedingten Todesfälle durch geeignete<br />
Präventionsmaßnahmen zu verhindern.<br />
Viele Infektionen<br />
Nach Angaben des Robert Koch Instituts<br />
erkranken jährlich zwischen 3 bis 5 Prozent<br />
aller behandelten Patienten, das sind<br />
400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten,<br />
an Krankenhausinfektionen und<br />
wahrscheinlich versterben 0,5 bis 1 Prozent<br />
der Patienten, also 7.500 bis 15.000 Menschen<br />
an den Folgen dieser Infektionen. (2)<br />
Nach Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes<br />
(NLGA) könnten 20<br />
bis 30 Prozent der im Krankenhaus erworbenen<br />
“behandlungsassoziierten“ (nosokomialen)<br />
Infektionen durch sorgfältige Organisation<br />
der Abläufe in den Krankenhäusern<br />
und durch geeignete hygienische<br />
Maßnahmen vermieden werden. (1) Aufgrund<br />
von vergleichbaren Ergebnisse, die<br />
vom bundeseigenen Robert Koch Institut<br />
erhoben wurden, hielt es die Bundesregierung<br />
für notwendig, ein neues, den allgemeinen<br />
Erfordernissen angepasstes Gesetz<br />
12 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Der ärztliche Rat<br />
zur Verbesserung der Krankenhaushygiene<br />
auf den Weg zu bringen, mit dem Ziel,<br />
durch geeignete Präventionsmaßnahmen<br />
die Zahl dieser Infektionen zu senken.<br />
Erfolgeiche Verbesserung<br />
Dass eine Verbesserung der Hygiene häufi g<br />
gleichzusetzen ist mit einer Verbesserung<br />
des medizinischen Erfolges, zeigt schon<br />
eine kurze Betrachtung der geschichtlichen<br />
Entwicklung des Fachgebietes der Hygiene.<br />
Begriff „Hygiene“<br />
Das Wort „Hygiene“ kommt aus dem Griechischen<br />
und leitet sich von der griechischen<br />
Göttin der Gesundheit „Hygieia“ ab<br />
und bedeutet „gesund“.<br />
Heute fassen wir unter dem Begriff der Hygiene<br />
alle Maßnahmen zur Vorbeugung<br />
von Infektionskrankheiten, insbesondere<br />
Reinigung, Desinfektion und Sterilisation<br />
zusammen.<br />
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Hygiene<br />
auch häufi g als Synonym für „Sauberkeit“<br />
verwendet, wobei das nur einen kleinen,<br />
wenn auch nicht unwesentlichen Bereich<br />
dieses Aufgabenkomplexes abgebildet.<br />
Die Bedeutung von Sauberkeit (Hygiene)<br />
für den Heilungsverlauf von Wunden ist<br />
schon aus biblischen Zeiten bekannt. Den<br />
wissenschaftlichen Durchbruch erlangte sie<br />
jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,<br />
wobei gezeigt werden konnte,<br />
dass durch alleiniges Waschen und Reinigen<br />
von Operationsinstrumenten die Zahl<br />
der Wundinfektionen reduziert wird.
Händedesinfektion<br />
Ignaz Semmelweis zeigte 1840 erstmals,<br />
dass durch Desinfektion der Hände die<br />
Übertragung von Krankheiten eingedämmt<br />
werden kann. Max von Pettenkofer erhielt<br />
1865 den ersten deutschen Lehrstuhl für<br />
Hygiene. Robert Koch entdeckte den Erreger<br />
der Tuberkulose und erhielt 1905 dafür<br />
den Medizinnobelpreis. Er zählt neben Louis<br />
Pasteur zu den Begründern der modernen<br />
Bakteriologie und Mikrobiologie.<br />
Aktuelle Situation<br />
Wie ist nun die aktuelle Situation unserer<br />
Krankenhäuser? Die Ziele der Hygiene sind<br />
heute noch die gleichen wie eh und je, nur<br />
hat sich das Aufgabenfeld gewaltig erweitert.<br />
So ist heute die Hygiene als ein Teilbereich<br />
des Fachgebietes der Präventionsmedizin<br />
anzusehen und beschäftigt sich mit<br />
den Mechanismen der Wechselbeziehung<br />
des menschlichen Organismus mit seiner<br />
Umwelt. Im Gegensatz zur kurativen Medizin,<br />
die sich mit der Linderung und Heilung<br />
von Krankheiten beim Menschen beschäftigt,<br />
bemüht sich die Hygiene, die Entstehung<br />
von Erkrankungen durch geeignete<br />
Maßnahmen bereits im Vorfeld zu verhindern.<br />
(1)<br />
„Multiresistente Keime“<br />
Die in den Krankenhäusern, aber auch in<br />
ambulanten Versorgungszentren, operativen<br />
Zentren und Altenpfl egeheimen erworbenen<br />
Infektionen werden mittlerweile viele<br />
Infektionen durch resistente Erreger verursacht.<br />
Diese Erkrankungen sind schwieriger<br />
zu behandeln, führen sehr häufi g zu<br />
einer verlängerten Behandlungsdauer, damit<br />
zu höheren Behandlungskosten und<br />
auch zu einer erhöhten Sterblichkeit. Die<br />
Zunahme sogenannter „multiresistenter<br />
Keime“ bei bestimmten, insbesondere “behandlungsassoziierten“<br />
(nosokomialen)<br />
Krankheitserregern stellt, besonders vor<br />
dem Hintergrund der ständig steigenden<br />
Zahl an älteren Menschen, die immer häufi<br />
ger medizinische Maßnahmen in Anspruch<br />
nehmen, die Medizin vor immer<br />
größere Probleme. Diese neu entstandenen<br />
multiresistenten Keime bedeuten für die<br />
tägliche Praxis eine noch größere therapeutische<br />
Herausforderung, als die ohnehin<br />
schon bekannten Infektionen, zumal die<br />
Therapiemöglichkeiten durch die nur begrenzt<br />
zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen<br />
eingeschränkt sind. So ist<br />
eine kausale Behandlung immer häufi ger<br />
nicht mehr möglich. Aus diesem Grund bekommen<br />
alternative Therapieansätze wie<br />
die Prävention einen immer größeren Stellenwert.<br />
Präventionsmaßnahmen<br />
Unter diesen sogenannten Präventionsmaßnahmen<br />
verstehen wir neben einer<br />
sachgerechten Verordnung von Antibiotika<br />
– die Verbesserung der Hygien<strong>ev</strong>orschriften<br />
und ihre Einhaltung,<br />
– die Erhöhung und Transparenz der Hygiene<br />
in medizinischen Einrichtungen,<br />
– sowie eine Vernetzung der verschiedenen<br />
medizinischen Einrichtungen und<br />
den Austausch von entsprechenden Informationen.<br />
Verantwortung des Patienten<br />
Meiner Meinung nach reichen jedoch allein<br />
eine Verknüpfung aller die Patienten betreuenden<br />
Einrichtungen und Personen<br />
nicht aus. Vielmehr muss der Patient selbst,<br />
seine direkte Umgebung sowie jede einzelne<br />
Person, die mit dem Gesundheitssystem<br />
in Kontakt tritt, in das Hygienenetzwerk<br />
eingeschlossen werden. Jedes Mitglied unserer<br />
Gesellschaft trägt hiermit ein Stück<br />
Verantwortung. Durch verbessertes hygienisches<br />
Verhalten von ärztlichem, pfl egendem<br />
und unterstützendem Personal, aber<br />
auch durch allgemeine Hygienemaßnahmen<br />
von Personen, die eine medizinische<br />
Einrichtung einfach nur besuchen, kann die<br />
Übertragung von Krankheitserregern und<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
13
damit eine mögliche Infektion verhindert<br />
werden.<br />
Uns sollte bekannt sein, dass ein sonst gesunder<br />
und in seiner Abwehrlage nicht beeinträchtigter<br />
Mensch normalerweise durch<br />
so eine Infektion nicht gefährdet ist, jedoch<br />
durchaus asymptomatischer Träger und damit<br />
potentieller Überträger eines Keimes<br />
sein kann. Aus diesem Grund sollte jeder<br />
die empfohlenen Hygienemaßnahmen einhalten<br />
bzw. selbst darauf achten, dass er<br />
durch Einhaltung einfacher Hygienemaßnahmen<br />
eine mögliche Übertragung bzw.<br />
Verbreitung von Keimen vorbeugen kann.<br />
Hierzu zählt unter anderem das regelmäßige<br />
desinfi zieren bzw. gründliche Waschen<br />
der Hände vor und nach dem Kontakt zu<br />
hospitalisierten Patienten.<br />
Situation im <strong>Marienstift</strong><br />
Wie gehen wir im <strong>Marienstift</strong> mit dieser Situation<br />
um? Im Krankenhaus werden heute,<br />
um rechtzeitig gefährliche multiresistente<br />
Keime zu erkennen, Patienten, die zu<br />
dem gefährdeten Personenkreis gehören,<br />
bei Krankenhausaufnahme auf eine mögliche<br />
Infektion hin untersucht und bei Bestätigung<br />
des Verdachts entsprechend isoliert<br />
bzw. behandelt, um so einer weiteren Ausbreitung<br />
entgegen zu wirken.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es nach<br />
Feststellung der Erkrankung standardisierte<br />
Vorgehensweisen, die unter anderem folgende<br />
Schritte beinhalten:<br />
– die Einführung von sogenannten Screeninguntersuchungen<br />
zur Früherkennung<br />
spezieller Infektionen,<br />
– die konsequente Isolierung besiedelter-<br />
und infi zierter Personen,<br />
– ihre Kennzeichnung und die Weitergabe<br />
der Information bei Verlegung in eine<br />
andere Einrichtung/Station,<br />
– ein umfangreiches Hygieneregime,<br />
– und die strikte Einhaltung der für diese<br />
Infektion erforderlichen Hygienemaßnahmen,<br />
14 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
– den zielgerechten und kontrollierten<br />
Umgang/Einsatz von Antibiotika,<br />
– und nicht zuletzt die eingehende Schulung<br />
des Personals.<br />
Einsatz von Fachkräften<br />
Hinzu kommen selbstverständlich eine Vielzahl<br />
von weiteren vorbeugenden Maßnahmen<br />
und die Gewährleistung eines sicheren<br />
Standards. Zur Einhaltung dieses Qualitätsstandards<br />
gibt es Hygienefachkräfte vor<br />
Ort sowie überregionale Zusammenschlüsse<br />
wie das Hygienenetzwerk Süd-Ostniedersachsen,<br />
dem wir angehören, um so gemeinsam<br />
mit den anderen Einrichtungen in<br />
der Region speziellen Problemen angehen<br />
und lösen zu können.<br />
Zentrale Sterilisation<br />
Durch krankenhaushygienische Untersuchungen<br />
von Patienten, von Umgebungsproben<br />
und durch Überprüfung der Desinfektions-<br />
und Sterilisationsleistungen von<br />
Geräten im <strong>Marienstift</strong> versuchen wir den<br />
ständig wachsenden Anforderungen gerecht<br />
zu werden. Mit dem Neubau einer<br />
zentralen Sterilisation werden wir unseren<br />
Sicherheitsstandard im technischen Bereich<br />
weiter ausbauen können.<br />
Wachsamkeit des Einzelnen<br />
Wichtig ist und bleibt jedoch auch weiterhin<br />
die Wachsamkeit des Einzelnen, dass<br />
sich nicht immer „Blinde“ verlassen auf die<br />
vorgetäuschte, vermeintliche Sicherheit<br />
durch nach außen sichtbar gemachte sterile<br />
Produkte und das Vertrauen darin, dass<br />
bei Eintritt einer Erkrankung auch immer<br />
eine Behandlungsoption besteht. Vorbeugen<br />
ist besser als Heilen und Sterilität fängt<br />
bei jedem selber an.<br />
Die abschließende Tabelle fasst noch einmal<br />
das Gesagte zusammen und gibt zugleich<br />
einen Überblick über den Stand des<br />
aktuellen Hygienemanagements.
Tab. 1 Elemente des Hygienemanagements in medizinischen Einrichtungen<br />
Wesentlich sind Aspekte<br />
der Krankenhaushygiene<br />
Präsenz einer angemessenen<br />
Zahl von Hy gienefachpersonal<br />
(Infection control nurse;<br />
Infection control doctor)<br />
Surveillance nosokomialer<br />
Infektionen<br />
Monitoring der Compliance<br />
mit den Hände hygieneregimen<br />
der mikrobiologischen<br />
Diagnostik<br />
Defi nition von<br />
Problemerregern<br />
Screening von Risikopatienten<br />
auf defi nierte Problemerreger.<br />
Erstellen regelmäßiger<br />
Erreger- und Resistenzstatistiken<br />
Verfügbarkeit/Zugang zu<br />
geeigneten Laboratorien für<br />
die klinisch-mikrobiologische<br />
Diagnostik<br />
des Einsatzes von<br />
Antibiotika<br />
Erfassung und Rückkopplung<br />
des Anti biotikaverbrauchs<br />
Vorgaben zum Einsatz von<br />
Antibiotika zur perioperativen<br />
Prophylaxe<br />
Therapiestandards zur<br />
Vermeidung nicht indizierter<br />
Antibiotikagaben<br />
Schulungsprogramm für das Adäquate mikrobiologische Diagnostik vor Antibiotika abgaben<br />
Personal<br />
Regelmäßige Auditierung der Strategien und Präventionsstandards<br />
Aus Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI.<br />
1 www.niga.niedersachsen.de<br />
2 www.rki.de<br />
3 www.mrsa-netzwerke niedersachsen.de<br />
Weise<br />
Vorsichtig versuche ich, auf eigenen Füßen zu stehen.<br />
Umsichtig erkunde ich immer neue Welten.<br />
Nachsichtig verzeihe ich anderen und mir selbst.<br />
Weitsichtig bedenke ich meine Grenzen und Endlichkeit.<br />
Einsichtig bleibe ich frei, verantwortlich und barmherzig.<br />
Was ist wirklich wichtig, wesentlich und lebensdienlich?<br />
Was ich weiß, muss erneuert werden.<br />
Was sich erneuert, verschmilzt mit Altem.<br />
Das Ganze ist immer nur ein Teil.<br />
Und ein Teil gehört stets zum Ganzen.<br />
Im Eiltempo wird alles trübe und oberfl ächlich.<br />
Klarheit und Sinn gibt es erst,<br />
wenn mein Leben in der Mitwelt und für die Nachwelt<br />
in liebender Vernunft reift.<br />
4 Kurzinformation über MRSA – Patienteninformation<br />
im <strong>Marienstift</strong><br />
5 Hygieneinformation auf der Homepage des<br />
<strong>Marienstift</strong>es www.marienstift-braunschweig.de<br />
Burkhard Budde<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
15
Wie gut misst die Medizin?<br />
<strong>Braunschweig</strong>er QI-Tage: „angeMESSEN!“<br />
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt<br />
(PTB) hatte am 16. Mai 2011 zum Thema<br />
„Gesundheit“ zu den „<strong>Braunschweig</strong>er QI-<br />
Tage: angeMESSEN!“ ins <strong>Braunschweig</strong>er<br />
Landesmuseum eingeladen. Drei Fragen, so<br />
der Moderator der Veranstaltung Henning<br />
Noske von der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung,<br />
sollten im Mittelpunkt stehen: Wie viel<br />
Qualitätsinfrastruktur (QI) ist für die Gesundheitsstruktur<br />
nötig? Wie zuverlässig<br />
sind Laborwerte? Welche technischen Untersuchungsmethoden<br />
werden für die richtige<br />
Diagnose und Therapie benötigt?<br />
In ihrer Begrüßung wies die Direktorin des<br />
<strong>Braunschweig</strong>ischen Landesmuseum Dr. Heike<br />
Pöppelmann darauf hin, dass im <strong>Braunschweig</strong>er<br />
Raum bereits vor 5300 Jahre eine<br />
„Neurochirurgie der Steinzeit“ existiert<br />
habe. 15 Operationen an einem Teil des<br />
Schädelknochens mit einer „messerscharfen<br />
Feiersteinklinge“ seien bekannt. Mit einer<br />
Ausnahme hätten alle die OP überlebt.<br />
„PTB als global Player“<br />
Der Präsident der PTB, Prof. Dr. Ernst O.<br />
Göbel, der das nationale Metrologieinstitut<br />
Deutschlands mit 1800 Mitarbeitern an<br />
den Stadtorten <strong>Braunschweig</strong> und Berlin<br />
leitet, sagte, dass die QI keine national beschränkte<br />
Angelegenheit sei, sondern eine<br />
16 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
globale Bedeutung habe. Die PTB sei, so<br />
heißt es in der Einladung, ein „global player“<br />
in der Welt der Messtechnik. Der Fachbereich<br />
Technische Zusammenarbeit der<br />
PTB ist weltweit tätig.<br />
„Gesundheit als Menschenrecht“<br />
In ihrem Grußwort betonte Dr. Evita Schmieg<br />
vom Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ),<br />
das Projekte der PTB fi nanziert, dass Gesundheit<br />
die Voraussetzung für Entwicklung<br />
sei. Das Recht auf Gesundheit zähle<br />
zu den Menschenrechten. Deutschland<br />
habe Gelder in Höhe von 750 000 Euro im<br />
Jahr 2009 für die Verbesserung der Gesundheit<br />
in den Entwicklungsländern zur<br />
Verfügung gestellt. Die Kindersterblichkeit<br />
sei von 1990 bis 2009 um ein Drittel zurückgegangen.<br />
Die internationale Arbeit<br />
der PTB mache deutlich: Wissenschaftliche<br />
Fragestellungen seien zugleich „hoch politisch“.<br />
Und politische Herausforderungen<br />
müssten „auf wissenschaftliche Fragen heruntergebrochen<br />
werden.“<br />
„Das Richtige messen.“<br />
Schüler gestaltet den musikalischen Rahmen der Gesundheitstage.<br />
Mit dem Thema „Wie gut misst die Medizin?“<br />
beschäftigte sich Prof. Dr. Hans Koch,<br />
Leiter der Abteilung Medizinphysik und
metrologische Informationstechnik der PTB.<br />
Am Beispiel des Tonometer-Vergleichs, der<br />
Messung des Innendrucks des Auges, verdeutlichte<br />
er, dass zwei verschiedene Messgeräte<br />
zu verschiedenen Messergebnissen<br />
kommen können. Es müsse nicht nur genauer<br />
und vergleichbarer gemessen werden,<br />
sondern auch das Richtige, „was für<br />
die Gesundheit wichtig ist.“<br />
An weiteren Beispielen wie die Pumpfunktion<br />
des Herzens, die Klinische Chemie und<br />
die Medikamentenzulassung verdeutlichte<br />
er die medizinische Brisanz und die Folgen,<br />
Ritterschlag im Alltag<br />
Großes geschieht im Großen.<br />
wenn durch falsche oder ungenaue Messungen<br />
Patienten falsch oder gar nicht behandelt<br />
würden. Festgestellte Messunsicherheiten<br />
seien nur die „Spitze des Sahnehäubchens“.<br />
Auch gebe es unterschiedliche<br />
Messwerte durch unterschiedliche<br />
Messmethoden. Allerdings sei es für die<br />
Medizin nicht immer einfach, „weil die<br />
menschliche Natur individuell ist und viele<br />
Fallstricke kennt.“ Dennoch müsse das Ziel<br />
bleiben, genau, vergleichbar und richtig zu<br />
messen, betonte Koch. Eine Vision, die<br />
Kosten spart, aber vor allem dem Menschen<br />
helfen kann.<br />
Ein großer Rahmen kann ein kleines Bild in ein neues Licht rücken.<br />
Aber auch im Kleinen kann Großes entdeckt werden.<br />
Moment mal…<br />
Der Soldat Martin, der 331/32 „nur“ seinen Mantel in Amiens mit einem Bettler geteilt<br />
hatte, wurde zum lebendigen Zeichen der Nächstenliebe, die immer noch „große“<br />
Spuren hinterlässt.<br />
Liebe kann vielfältig geschehen:<br />
Aus Einsicht, weil aus einem Ritter ein Bettler werden kann. Wer hoch zu Ross daherkommt,<br />
kann tief fallen. Wer selbst Hilfe erwartet, sollte bereit zur Hilfe sein.<br />
Aus Klugheit, weil ein Ritter ein Raubritter sein kann. Das Geschäft mit dem Mitleid<br />
darf kein Grund sein, die Solidarität mit den wirklich Bedürftigen und die aktivierende<br />
Hilfe zur Selbsthilfe an den Rand zu drängen.<br />
Aus Weitsicht, weil aus einem Bettler ein Ritter werden kann. Wenn ein Bettler die<br />
reale Chance hat, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass er auf Dauer auf eigenen<br />
Füßen steht, sich selbst und eines Tages auch anderen Menschen helfen kann.<br />
Warum sollte nicht aus einem halben Mantel ein ganzer Mantel und aus einem ganzen<br />
Mantel eine Mantelfabrik werden?<br />
Aus Weisheit, weil der eigentliche Ritterschlag im Alltag geschieht. Es gibt viele mutige<br />
Ritter, die auf leisen Sohlen helfen; zum Beispiel ihren Kindern oder Eltern, den<br />
kranken, pfl egebedürftigen und sterbenden Mitmenschen. Besonders jetzt leuchtet<br />
in der Nächstenliebe die Gottesliebe auf.<br />
Sowohl im Kleinen als auch im Großen erscheint ein menschliches Gesicht.<br />
Burkhard Budde<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
17
Steuerung des Gesundheitssystems<br />
Ministerialrat Becker über Reformschritte der Bundesregierung<br />
Ministerialrat Jochen Becker (3. v. r.) mit den Referenten der Tagung.<br />
Über die Steuerung und Finanzierung des<br />
Gesundheitssystems aus der Sicht der Bundesregierung<br />
sprach Ministerialrat Joachim<br />
Becker vom Bundesministerium für Gesundheit<br />
am 6. August 2011 auf einer Veranstaltung<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
im Schloss Eichholz bei Köln. Ziel der Politik<br />
sei es, mehr Wettbewerb, mehr Freiheit<br />
und mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen,<br />
damit das Gesundheitssystem dauerhaft<br />
leistungsfähig und stabil bleiben könne.<br />
Hintergrund sei die demografi sche Entwicklung<br />
sowie der medizinische und medizinisch-technische<br />
Fortschritt.<br />
Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes<br />
gefährde weder den Standort<br />
Deutschland noch die Forschung in<br />
Deutschland. Vielmehr werde die marktwirtschaftliche<br />
Ordnung gestärkt, wenn bei<br />
der Preisbildung eines Medikamentes sein<br />
Nutzen beachtet werden müsse. darüber<br />
hinaus diene das Reformgesetz der Deregulierung<br />
und dem Bürokratieabbau.<br />
Das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen<br />
Finanzierung der Gesetzlichen<br />
Krankenversicherung stärke den Wettbewerb<br />
zwischen den Krankenkassen zugunsten<br />
der Versicherten, die Wahlmöglichkeiten<br />
18 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
hätten und von Innovationen profi tieren<br />
würden. Allerdings sei im Gesundheitswesen<br />
nur ein „regulativer Wettbewerb“ zu<br />
verantworten, weil sonst eine Risikoselektion<br />
drohe: Kein Wettbewerb im Blick auf<br />
Leistungskataloge sowie auf den Zugang<br />
der Leistungen, wohl aber Wettbewerb, was<br />
die Ausgestaltung der Leistungen angehe.<br />
Es sei weder an Steuererhöhungen noch an<br />
Sondersteuer gedacht. Auch werde es keine<br />
Leistungsreduzierungen oder eine Erhöhung<br />
der Zuzahlungen bzw. Eigenbeteiligungen<br />
geben. Zwischen der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
und der Privaten Krankenversicherung<br />
würden „faire Wettbewerbsbedingungen“<br />
gestärkt. Allerdings gebe es<br />
bereits eine „schleichende Annäherung“<br />
beider Systeme.<br />
Das Versorgungsstrukturgesetz ziele auf die<br />
„Landarztförderung“ bzw. auf die Sicherung<br />
der künftigen vertragsärztlichen Versorgung.<br />
Die ärztliche Bedarfsplanung werde<br />
fl exibilisiert, die Gestaltungsverantwortung<br />
der Länder gestärkt. Es gebe keine<br />
„Residenzpfl icht“ der Ärzte mehr. Die Rahmenbedingungen<br />
für Medizinische Versorgungszentren<br />
als Versorgungsträger würden<br />
weiterentwickelt.
An der Tagung, die von Dr. Angelika Bucerius<br />
und Dr. Frank Müller von der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung geleitet wurde, nahmen<br />
u. a. teil auch Dr. Judith Kerschbaumer von<br />
der Bundesverwaltung Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft<br />
ver.di, Dr. Natalie Brall<br />
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
und Monsignore Bernhard Appel, Diözesan-Caritasdirektor<br />
aus Freiburg. Dr.<br />
Erinnerungen an Loriot<br />
Brief an Helge Makrutzki<br />
Loriot ist tot. Aber in den Gedanken,<br />
Gefühlen und Erinnerungen vieler Menschen<br />
ist der Humorist, Karikaturist, Regisseur<br />
und Schauspieler lebendig. Stolz<br />
zeigt Helge Makrutzki (87), seit April<br />
2009 Bewohnerin des Altenpfl egeheims<br />
Bethanien, einen Brief Loriots vom<br />
1. 3. 2004. Dort schreibt Loriot bzw. Vicco<br />
von Bülow: „Liebe Frau Makrutzki.<br />
Sie haben mir eine solche Freude gemacht!<br />
Ihre wunderbaren Naturbilder<br />
sind so schön und was Sie alles zusammengetragen<br />
haben an Weisheit und<br />
lieb<strong>ev</strong>ollem Zuspruch ist einfach ein großes,<br />
erhebendes Vergnügen. Ich danke<br />
Ihnen sehr, sehr herzlich.“<br />
Man muss wissen, dass Helge Makrutski<br />
seit vielen Jahren als leidenschaftliche<br />
Hobbykünstlerin Blumen, Pfl anzen und<br />
Bäume beobachtet und entdeckt hat,<br />
dass die Natur „Trost spendet, wo sie<br />
selber leidet.“<br />
Im Jahre 2006 hat sie ein Buch „Pfl anzenschicksale,<br />
die uns bewegen“ als<br />
„Trostbuch für kranke Menschen“ herausgegeben.<br />
Bis heute verschenkt sie<br />
Karten mit gepressten Blumen, um Menschen<br />
zu trösten, aber auch zu erfreuen.<br />
Loriot schreibt in seinem Brief – mit genauer<br />
Adresse, Telefon- und Faxnummer<br />
Burkhard Budde, Vorstandsvorsitzender des<br />
<strong>Marienstift</strong>es, sprach zum Thema „Christliches<br />
Management“.<br />
Am Sonntag, 7. August, gestalteten Bernhard<br />
Appel und Burkhard Budde eine Ökumenische<br />
Andacht, die ein positives Echo<br />
bei den Teilnehmern – viele von ihnen angehende<br />
Ärzte und Juristen – fanden.<br />
Helge Makrutzki mit ihrem<br />
selbsthergestellten Buch im Jahr 2006.<br />
– an Helge Makrutzki weiter: „Wenn Ihnen<br />
mal etwas einfällt, was ich auf meine<br />
alten Tage noch für Sie machen<br />
kann, dann melden Sie sich.“ Und die<br />
Grußformel mit handgeschriebener Unterschrift<br />
lautet: „Mit allen guten Wünschen<br />
für Gesundheit, Glück und Zufriedenheit,<br />
herzlichen Grüßen und tiefem<br />
Dank bin ich Ihr alter „LORIOT“.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
19
Fast zwei Jahre ist die<br />
schwarz-gelbe Bundesregierung<br />
nun im<br />
Amt. Sie ist mit hohen<br />
Ansprüchen gestartet<br />
– auch in der<br />
Gesundheitspolitik.<br />
Doch wie in anderen<br />
Politikbereichen fällt<br />
die Zwischenbilanz<br />
auch im Bereich Gesundheit mehr als enttäuschend<br />
aus. Über die schwarz-gelben<br />
Reformen konnten sich bisher allein die<br />
Versicherungsunternehmen und die Pharmakonzerne<br />
freuen. Die Versicherten dagegen<br />
– gesetzlich wie privat – schauen in die<br />
Röhre.<br />
Die Folgen schwarz-gelber Gesundheitspolitik<br />
sind für sie seit dem 1. Januar 2011<br />
deutlich zu spüren: Der Beitragssatz für die<br />
gesetzliche Krankenkasse stieg von 14,9<br />
auf 15,5 Prozent. Während die Versicherten<br />
weitere Steigerungen beim derzeitigen<br />
Arbeitnehmerbeitrag von 8,2 Prozent<br />
fürchten müssen, können sich die Arbeitgeber<br />
freuen: Ihr Anteil wird bei 7,3 Prozent<br />
eingefroren. Künftige Kostensteigerungen<br />
werden somit allein auf die Versicherten<br />
abgewälzt.<br />
Doch damit nicht genug: Seit Beginn 2011<br />
können die Krankenkassen auch eine beliebig<br />
hohe Kopfpauschale von den Versicherten<br />
verlangen. Die staatliche Unterstützung<br />
für Geringverdiener greift erst,<br />
wenn der durchschnittliche Zusatzbeitrag<br />
aller Kassen die Grenze von zwei Prozent<br />
des Bruttoeinkommens übersteigt. Wie der<br />
Versicherte bei solch undurchsichtigen Re-<br />
20 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Der Kommentar<br />
„Gesundheitspolitik auf dem Prüfstand“<br />
Von Dr. Carola Reimann, Mitglied des Bundestages<br />
gelungen noch den Durchblick behalten<br />
soll, bleibt das Geheimnis der schwarz-gelben<br />
Gesundheitsreformer um Minister<br />
Bahr. In einem Punkt können sich die Versicherten<br />
aber sicher ein: Es wird teurer<br />
ohne Verbesserung bei Qualität und Versorgung.<br />
System ohne Zukunft?!<br />
Auch Privatversicherte müssen weiterhin<br />
mit enormen Beitragssteigerungen rechnen.<br />
Häufi g werden sie mit günstigen Einsteigertarifen<br />
gelockt. Im Alter und bei<br />
chronischen Erkrankungen steigen die Beiträge<br />
dann rasant an, Kinder und Ehepartner<br />
brauchen Extra-Versicherungen. Nicht<br />
wenige tappen in diese Beitragsfalle, weil<br />
sie kurzfristig auf niedrige Beiträge gesetzt<br />
haben.<br />
Mit dem erleichterten Wechsel in die private<br />
Krankenversicherung hat Schwarz-Gelb<br />
dafür gesorgt, dass künftig noch mehr Versicherte<br />
in diese Falle tappen! Seit Jahren<br />
warnen Experten davor, dass die Beitragsentwicklung<br />
bei den Privaten aus dem Ruder<br />
läuft und dieses Geschäftsmodell auf<br />
Dauer nicht zukunftsfähig ist. Mit dem Protegieren<br />
der PKV setzt Schwarz-Gelb auf<br />
ein System ohne Zukunft. Bezahlen müssen<br />
das letztlich die Versicherten, egal ob privat<br />
oder gesetzlich.<br />
Strukturprobleme<br />
Im letzten Jahr hat die Bundesregierung<br />
mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />
(AMNOG) und dem GKV-Finanzierungsgesetz<br />
(GKV-Fin) zwei Gesetze verab-
schiedet, die kein einziges Strukturproblem<br />
gelöst haben und keine einzige Verbesserung<br />
in der Versorgung gebracht haben.<br />
Statt dessen wurde das System für die Versicherten<br />
komplizierter und teurer. Die soziale<br />
Schiefl age bei der Finanzierung und die<br />
unverständlichen Kopfpauschalenregelungen<br />
wurden ja schon genannt. Ein weiteres<br />
Beispiel für eine verbraucherfeindliche Neuregelung<br />
ist die künftige Aufzahlung bei<br />
den Generika. Unter dem Deckmantel angeblicher<br />
zusätzlicher Wahlmöglichkeiten<br />
für die Versicherten wird der Pharmaindustrie<br />
die Möglichkeit gegeben, teurere Arzneimittel<br />
ohne Zusatznutzen unters Volk zu<br />
bringen.<br />
Für 2011 hatte sich die schwarz-gelbe Regierung<br />
vorgenommen, weitere Reformgesetze<br />
auf den Weg zu bringen. Wer nun<br />
aber darauf gehofft hat, dass 2011 das Jahr<br />
der großen Strukturreformen wird, der wurde<br />
auch dieses Mal enttäuscht. Schwarz-<br />
Gelb belässt es bei der Versorgung bei kleinen<br />
kosmetischen Korrekturen und bei der<br />
Pfl ege wird sie auf die Privatisierung der Lebensrisiken<br />
setzen.<br />
Bürgerversicherung<br />
Die SPD dagegen setzt auf eine grundlegende<br />
Reform, die Einführung der Bürgerversicherung.<br />
Wir wollen keine Einheitskasse,<br />
wie uns Kritiker gerne vorwerfen, sondern<br />
gleiche Wettbewerbsbedingungen für<br />
alle Krankenkassen. Damit kommen alle in<br />
den Genuss einer umfassenden, solidarischen<br />
Krankenversicherung. Es muss<br />
Schluss sein mit den falschen Anreizen, die<br />
zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten<br />
führen. Das grundlegende Ziel der<br />
Bürgerversicherung ist eine bessere Versorgung<br />
aller Bürgerinnen und Bürger. In einem<br />
einheitlichen Krankenversicherungssystem<br />
haben alle die gleichen Rechte. Niemand<br />
soll aufgrund seines Versicherungsstatus<br />
als Privat- oder Vorkassepatient b<strong>ev</strong>orzugt<br />
behandelt werden: Über die<br />
Terminvergabe und den Umfang der Be-<br />
handlung darf allein die Schwere der Erkrankung<br />
bestimmen.<br />
Versorgungsgesetz<br />
Anfang August wurde der Entwurf des<br />
GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom Kabinett<br />
verabschiedet. Dieses Gesetz wird<br />
die Gesundheitsversorgung in Deutschland<br />
nicht verbessern. Das Einzige, mit dem fest<br />
zu rechnen ist, sind höhere Honorare für<br />
Ärzte und steigende Kosten für die Versicherten.<br />
Es bleibt also alles wie gehabt in<br />
der schwarz-gelben Gesundheitspolitik.<br />
Ärztliche Versorgung<br />
Bundesgesundheitsminister Bahr will die<br />
Unterversorgung durch Mehrausgaben für<br />
die ärztliche Versorgung beseitigen, in der<br />
Hoffnung, dass diese durch Einsparungen<br />
aufgrund weniger Krankenhauseinweisungen<br />
ausgeglichen werden. Doch es fehlen<br />
dazu belastbare Zahlen wie wirkungsvolle<br />
Maßnahmen, die den Abbau bestehender<br />
Überversorgung in wirtschaftlich attraktiven<br />
Regionen fördern. Dabei ließen sich auf diese<br />
Weise Kosten einsparen, ohne Einschnitte<br />
in die Versorgung zu verursachen.<br />
Mehrkosten?!<br />
Das Versorgungsgesetz wird Mehrkosten<br />
deutlich über den vom Bundesministerium<br />
für Gesundheit veranschlagten 200 Millionen<br />
verursachen. Finanzminister Schäuble<br />
hat in einem Schreiben an das BMG vor<br />
ausufernden Kosten gewarnt. Es wurden<br />
daraufhin aber keine substanziellen Änderungen<br />
zur Eindämmung der Ausgaben getroffen.<br />
Stattdessen wurde eine Klausel eingefügt,<br />
die dafür sorgt, dass die Mehrausgaben<br />
nicht durch Steuerzuschüsse, sondern<br />
direkt über weiter steigende Zusatzbeiträge<br />
der Bürgerinnen und Bürger<br />
ausgeglichen werden. Damit hat sich das<br />
Versprechen, der Sozialausgleich werde<br />
steuerfi nanziert, endgültig als Lüge entpuppt.<br />
In Wirklichkeit werden die Beitrags-<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
21
zahler den Sozialausgleich selbst aus Beitragsmitteln<br />
fi nanzieren müssen.<br />
Die Herausforderungen, die sich durch unsere<br />
immer älter werdende Gesellschaft mit<br />
immer mehr chronisch Kranken stellen, erfordern<br />
eine stärkere Kooperation aller<br />
Leistungserbringer. Es ist notwendig, alles<br />
zu tun, um die Zusammenarbeit vom ambulanten<br />
und stationären Bereich sowie<br />
Ärzten und nicht-ärztlichen Heilberufl ern<br />
zu fördern. Dies gilt besonders für strukturschwache<br />
Regionen. Der von Minister Bahr<br />
vorgelegte Gesetzentwurf stellt hierfür keinesfalls<br />
die Weichen, sondern setzt Fehlanreize<br />
zur Mengenexpansion und Konkurrenzkämpfen<br />
zwischen den Sektoren.<br />
Das Versorgungsgesetz wird aufgrund gravierender<br />
Mängel seiner Aufgabe der Sicherung<br />
einer guten medizinischen Versorgung<br />
nicht gerecht.<br />
Pfl egereform<br />
Hoher Reformbedarf besteht auch bei der<br />
Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung. Das zeigen die Zahlen<br />
des Statistischen Bundesamtes: Weit über<br />
drei Millionen Pfl egebedürftige im Jahr<br />
2030 und bis zu 4,5 Millionen im Jahr<br />
2050. Die Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung muss zukunftsfest<br />
gemacht werden. Menschenwürdige<br />
Pfl ege muss in unserer Gesellschaft etwas<br />
wert sein, dabei müssen die Belastungen<br />
aber auch gerecht verteilt werden.<br />
„Jahr der Pfl ege“?!<br />
Die Regierungskoalition schiebt die von ihr<br />
groß angekündigte Pfl egereform jedoch<br />
weiter vor sich her. Mit dem “Jahr der Pfl ege”<br />
hat der damalige Bundesgesundheitsminister<br />
Rösler im Herbst letzten Jahres Erwartungen<br />
geweckt, die sein Nachfolger<br />
Bahr nicht erfüllen kann. Waren vor kurzem<br />
noch Eckpunkte für Ende September vorgesehen,<br />
sollen diese nach aktuellen Ankündigungen<br />
nun doch erst im Oktober vorliegen.<br />
Erst jetzt fällt Schwarz-Gelb ein, dass<br />
22 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
sie mehr Expertise benötigen und berufen<br />
deshalb den Pfl ege-Beirat, der bis 2009 gearbeitet<br />
hat, wieder ein. Dies klingt nach einer<br />
weiteren Maßnahme, um Zeit zu gewinnen.<br />
Die Vorschläge des Beirats zur Überprüfung<br />
der Pfl egebedürftigkeitsbegriffs sowie<br />
Umsetzungsszenarien liegen bereits seit<br />
2009 auf dem Tisch. Die Pfl egebedürftigen<br />
und ihre Angehörigen warten dringend auf<br />
die Umsetzung des neuen Pfl egebedürftigkeitsbegriffs<br />
und können weitere Aufschiebungen<br />
der Regierung nicht gebrauchen.<br />
Neue Vorschläge<br />
Die Regierungskoalition kann sich offenbar<br />
nicht entscheiden, wie sie die Pfl egereform<br />
fi nanzieren soll. Ständig geistern neue Vorschläge<br />
durch die Presse. Nun wollen Union<br />
und FDP den Beitragssatz für die Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />
erhöhen und die Beiträge in einen<br />
individuellen Kapitalstock einspeisen,<br />
der von der gesetzlichen und privaten Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />
gemeinsam verwaltet werden<br />
soll. Dieses Modell wirft viele rechtliche<br />
Fragen auf und klingt eher nach einer Luftnummer<br />
als nach einem seriösen, umsetzbaren<br />
Vorschlag.<br />
Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung<br />
Die Sozialdemokraten dagegen wollen die<br />
bewährte solidarische Finanzierung in der<br />
Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung weiterentwickeln und<br />
wie in der Krankenversicherung die private<br />
Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung in das solidarische System<br />
einbeziehen. Mit der Bürgerversicherung<br />
Pfl ege schaffen wir ein gerechteres<br />
System, das alle entsprechend ihrer fi nanziellen<br />
Leistungsfähigkeit einbezieht und die<br />
Lasten fair verteilt. Allein mit einer Reform<br />
der Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherung ist es aber nicht getan.<br />
Die Weiterentwicklung der Pfl ege ist<br />
eine umfassende gesellschaftliche Aufgabe.<br />
Sie reicht von der Einführung eines neuen<br />
Pfl egebedürftigkeitsbegriffs, über die Verbesserung<br />
der Arbeitssituation und Ausbildung<br />
in der Pfl ege bis zur Stärkung der<br />
Prävention und Rehabilitation im Alter.
Treffpunkte<br />
Pastorin Antje Tiemann von der Johannisgemeinde in <strong>Braunschweig</strong> tauft ein Kind am Kennelbad.<br />
„BZ“-Redakteur Jörn Stachura (M.) im Gespräch mit dem Ehepaar Erhard und Marlise Fischer.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
23
Die Mitarbeiter der Information im Park hinter Bethanien.<br />
Prof. Dr. Alexander Kaul (l.) mit Frau im Gespräch mit Uwe Birker (2. v. l.) und Dr. Olaf Rödiger.<br />
Trafen sich im Diakonischen Werk (v. l. n. r.) Thomas und Anke Kaphammel, Direktor Andreas<br />
Seifert und Dr. Burkhard Budde.<br />
24 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011
Die Labormitarbeiterinnen Ulrike Luttmann, Friederike Mette-Eßmann und Karin Holz (v. l. n. r.).<br />
Sozialdezernent Ulrich Markurth und Landtagsabgeordneter Klaus Bachmann (r.).<br />
Schüler der Oberstufe der Christophorusschule mit den Lehrern Rita Scholz, Silvia Paiovich, und<br />
Jaime Ramon Garcia Rodriguez (l.).<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
25
Heimleiterkonferenz verabschiedete Klaus Germer<br />
Dank für „zuverlässige und qualifi zierte Mitarbeit“<br />
Zum letzten Mal nahm Klaus Germer, seit 1989 Stiftungsvorstand der Grotjahn-Stiftung zu<br />
Schladen am Harz, am 16. Juni an der Heimleiterkonferenz des Diakonischen Werkes der<br />
Ev.-<strong>luth</strong>. Landeskirche in <strong>Braunschweig</strong> teil. Die Geschäftführungen und Heimleiter aus dem<br />
Bereich der Diakonie in der Region <strong>Braunschweig</strong> trafen sich deshalb auch in Schladen.<br />
Der Vorsitzende der Konferenz, Dr. Burkhard Budde vom <strong>Braunschweig</strong>er <strong>Marienstift</strong>, dankte<br />
ihm für seine zuverlässige und qualifi zierte Mitarbeit. Anke Grewe, Bereichsleitung Soziale<br />
Arbeit im Diakonischen Werk, berichtete insbesondere über die Situation des Mitglieder-<br />
und Spitzenverbandes sowie über mögliche neue Arbeitsstrukturen der Heimleiterkonferenz;<br />
Käthe Kolkmann vom Diakonischen Werk über Aktuelles zu den Themen Pfl eg<strong>ev</strong>ersicherungsreform<br />
2011/2012, Expertenstandards, Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen<br />
und Qualitätsmanagement.<br />
Mitglieder der Heimleiterkonferenz des Diakonischen Werkes.<br />
Neue Heimleitung für Bethanien<br />
26 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Der Vorstand des<br />
<strong>Marienstift</strong>es hat<br />
Monika Gladbach-<br />
Geitebrügge aus<br />
Solingen zur Heimleiterin<br />
des Altenpfl<br />
egeheimes Bethanien<br />
gewählt.<br />
Zuletzt war die<br />
54-jährige Monika Gladbach-Geitebrügge<br />
in der Einrichtungsleitung eines Altenzentrums<br />
mit 170 stationären und neun<br />
Kurzzeitpfl egeplätzen, 35 Appartements<br />
„Betreutes Wohnen“, einer Kindertageseinrichtung<br />
sowie mit ambulanten Praxen<br />
für Physio- und Ergotherapie tätig.<br />
In Solingen hat sie 1977 ihr Krankenpfl egeexamen<br />
gemacht; in Duisburg 1989<br />
wurde sie Lehrerin für Pfl egeberufe. Ein<br />
Studium der Betriebswirtschaft für Krankenhaus-<br />
und Sozialwesen schloss sie<br />
2001 mit dem Diplom (FH) ab. Monika<br />
Gladbach-Geitebrügge ist verheiratet,<br />
hat zwei Kinder und ist <strong>ev</strong>angelisch.
Soziale Verantwortung der kirchlichen Stiftung<br />
24 Altenpfl egeschüler haben mit der Ausbildung begonnen<br />
24 Schüler der staatlich anerkannten Berufsfachschule<br />
Altenpfl ege des <strong>Braunschweig</strong>er<br />
<strong>Marienstift</strong>es haben am 1. September 2011<br />
ihre dreijährige Ausbildung begonnen. In einem<br />
feierlichen Gottesdienst, der von dem<br />
Altenpfl egekurs 3 unter der Leitung des<br />
Lehrers Horst Frede gestaltet wurde, wurden<br />
sie in der hauseigenen Theodor-Fliedner-Kir-<br />
che begrüßt. Das Thema des Gottesdienstes<br />
lautete „In guten Händen.“ Die Schülerin<br />
Charlotte Schleier, die die Predigt hielt, sagte<br />
in der vollbesetzten Kirche: „Es gibt nicht<br />
nur die Erfahrung der Hand Gottes, seiner<br />
Nähe, Geborgenheit und Sicherheit, sondern<br />
auch die Notwendigkeit, mit eigenen<br />
Händen den Alltag zu gestalten.“ Wer beispielsweise<br />
Freundlichkeit säe, werde in der<br />
Regel auch Freundlichkeit ernten.<br />
Der Vorstandsvorsitzende des <strong>Marienstift</strong>es,<br />
Dr. Burkhard Budde, erklärte, dass nicht<br />
nur kirchliche Einrichtungen, sondern auch<br />
die Gesellschaft insgesamt immer mehr<br />
qualifi zierte und engagierte Altenpfl ege<br />
angesichts der demographischen Entwicklung<br />
brauche. Die Stiftung nehme ihre soziale<br />
und gesellschaftliche Verantwortung<br />
wahr, indem sie „Hoffnungs- und Verantwortungsträger“<br />
fördere. Darin zeige sich<br />
das Diakonische Profi l, aber auch im Blick<br />
auf eine würd<strong>ev</strong>olle Pfl ege, die den ganzen<br />
Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen,<br />
seiner Selbstbestimmung sowie<br />
Wunsch- und Wahlfreiheit auf der Grundlage<br />
des christlichen Menschenbildes wahr-<br />
Die neuen Altenpfl egeschüler mit dem Vorstand und der Schulleiterin in der Fliedner-Kirche.<br />
Foto: Heike Otto<br />
und ernst nehme. Als ein Zeichen der Zugehörigkeit<br />
zur christlichen Dienstgemeinschaft<br />
erhielten die neuen Schüler die <strong>Marienstift</strong>snadeln<br />
von seinen Vorstandskollegen<br />
Ralf Benninghoff und Angela Tiemann<br />
überreicht. Der Gottesdienst, der musikalisch<br />
von Bettina Kleemeyer an der Orgel<br />
begleitet wurde, wurde wieder mit Hilfe<br />
der Übertragungsanlage per Bild und Ton<br />
in die Zimmer des Krankenhauses und des<br />
Altenpfl egeheimes übertragen.<br />
Zum <strong>Marienstift</strong> gehört u. a. ein Krankenhaus,<br />
das Altenpfl egeheim Bethanien und<br />
Ausbildungsstätten, die von Margrit Weithäuser<br />
geleitet werden. Seit 1980 gibt es<br />
die Fachschule für Altenpfl ege; 1909 wurde<br />
die Gesundheits- und Krankenpfl egeschule<br />
– heute 60 Ausbildungsplätze – eröffnet.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
27
Gemeinschaft mit „glücklichen Gesichtern“<br />
Sommerfest in Bethanien mit über 200 Teilnehmern<br />
Die Mitarbeiterinnen Cornelia Wöhler (l.) und Ursula Stadler (r.) mit Jennifer und Ingo Walter<br />
von Zauberzirkus <strong>Braunschweig</strong>.<br />
Viele glückliche Gesichter sah man auf dem<br />
Sommerfest des Altenpfl egeheimes Bethanien.<br />
Über 200 Bewohner und ihre Angehörigen<br />
erlebten am 24. August 2011 im<br />
Wilhelm-Löhe-Saal, aber auch im „Grünen<br />
Wohnzimmer“ des Parks der diakonischen<br />
Einrichtung ein buntes Programm „mit<br />
Herz und Kopf“.<br />
Die Pfl egedienstleiterin Beate Bachmann lobte<br />
die Mitarbeiterin Ursula Stadler, die mit Hilfe<br />
von „Grünen Damen und Herren“, Alltagsbegleitern,<br />
der Seelsorgerin Ruth Berger und<br />
weiteren Mitarbeitern alles organisiert hatte.<br />
Der Musiker Lothar Steppke führte durch<br />
eine „Hitparade“, Jennifer und Ingo Walter<br />
vom Zauberzirkus <strong>Braunschweig</strong> erfreuten<br />
mit „pfi ffi gen Tricks“, eine eigens für den<br />
28 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Nachmittag gebildete Tanzgruppe aus Mitarbeitern<br />
zeigte „ästhetische Künste“.<br />
Vorstandsvorsitzender Dr. Burkhard Budde<br />
sprach über das Traumleben, das den Lebenstraum<br />
nach Glück, Sicherheit und Geborgenheit<br />
auch in einem Altenpfl egeheim<br />
stärken könne.<br />
„Grüne Damen und Herren“, die eigene<br />
Waffeln backten, sowie Mitarbeiter aus<br />
den Küche und der Hauswirtschaft, die sich<br />
um Bratwurst, Bouletten, Kartoffel salat<br />
und Getränke kümmerten, sorgten für die<br />
„besondere Einheit von Leib und Seele“.<br />
Die Sonne meinte es (zu?) gut; auf jeden<br />
Fall blickte sie in Gesichter voller Glanz und<br />
Glück.
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
29
Bewohner und<br />
Angehörige zu<br />
Beginn des Festes.<br />
30 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Tanzvorführung der<br />
Mitarbeiter.<br />
Die Leiterin der<br />
Hans-Georg-Karg-<br />
Grundschule Hella<br />
Schlüter mit Ihrer<br />
Mutter Johanne Ude.
Besondere Atmosphäre bietet der Brunnen im Park von Bethanien.<br />
Immer gern gesehene Teilnehmerinnen bei Festen sind die Diakonissen.<br />
Bunte Gemeinschaft unter freiem Himmel.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
31
Kultur-Arche: Für junge und alte Menschen<br />
Ein besonderes Angebot des Altenpfl egeheimes<br />
CJD-Lehrer Matthias Muschick (r.) mit seinen Schülern.<br />
Wenn junge und alte Menschen gemeinsam<br />
singen und musizieren, dann wird es bunt<br />
und lebendig. Im <strong>Marienstift</strong> trafen sich 97<br />
Senioren und Jugendliche, um gemeinsam<br />
Lieder zu singen. Der Wilhelm-Löhe-Saal im<br />
Altenpfl egeheim Bethanien war am 23. Juni<br />
2011 bis auf den letzten Platz gefüllt. Eingeladen<br />
hatte das Projekt „Kultur-Arche im<br />
<strong>Marienstift</strong>.“ Hier begegnen sich junge und<br />
alte Menschen in einem Singkreis, einer<br />
Band, einem Gitarrenkreis und einer Technik-<br />
AG. Gemeinsam gestalten die 25 Jugendlichen<br />
und 50 Senioren Aufführungen, bei<br />
den Menschen aus der Region <strong>Braunschweig</strong><br />
mitmachen können. Angehörige und Eltern<br />
waren bei dieser Aufführung mit dabei und<br />
durften mitmachen, singen und tanzen. Der<br />
Auch ein kleiner Imbiss gehört zum Angebot der „Kultur-Arche“.<br />
Der Gitarrenkreis unter der Leitung Roland Friedrich (l.).<br />
32 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Gitarrenkreis und eine Band, in der Senioren<br />
und Jugendliche gemeinsam musizierten,<br />
sorgte für gute Stimmung und Musik.<br />
Schwester Ursula Stadler brachte mit einem<br />
Sitztanz Bewegung in die Runde. Nach der<br />
Musik gab es lecker duftende Bratwürste<br />
für alle. Die Jugendlichen der Technik-AG<br />
hatten nicht nur die Instrumente, Mischpulte<br />
und Verstärker aufgebaut, sie grillten für<br />
alle und brachten vielen Senioren die Bratwurst<br />
an den Platz. Mitarbeiterinnen des<br />
<strong>Marienstift</strong>s sorgten für Getränke und nach<br />
einer Stunde mit viel Singen und Bewegung<br />
gingen alle satt und zufrieden nach<br />
Hause oder auf die Wohnbereiche zurück.<br />
Christian Werner
Vom Glück Gottesdienst halten zu dürfen<br />
Ältere Menschen als Hoffnungsträger<br />
Sonntagmorgen – die Sonne blinzelt an<br />
der Gardine vorbei einen Spalt breit zu<br />
mir auf mein Kopfkissen. Im Halbwachsein<br />
fühle ich ein glückliches Gefühl in<br />
meinen Herzen: Warum? Ich darf heute<br />
wieder den Sonntagsgottesdienst im Altenpfl<br />
egeheim des <strong>Marienstift</strong>es<br />
„BE THA NIEN“<br />
halten!<br />
Freude<br />
Ich freue mich auf all<br />
die mir inzwischen<br />
schon vertrauten Gesichter,<br />
die mich ansehen<br />
werden. Sie gehören<br />
zu ungefähr 30 bis<br />
40 Frauen und Männern,<br />
die jeden Sonntag<br />
um 11.00 Uhr in den<br />
Wilhelm-Löhe-Saal des<br />
<strong>Marienstift</strong>es zum Gottesdienst<br />
kommen – so treu und anhänglich!<br />
Lächeln<br />
Als ich vor knapp vier Jahren zum ersten<br />
Mal hier Gottesdienst halten durfte, fragte<br />
mich ein älterer Herr: „Wann kommt<br />
denn endlich der Pastor?“ Inzwischen<br />
hat er mich akzeptiert und lächelt mir immer<br />
freundlich zu, wenn wir uns sehen.<br />
Mut<br />
Im Laufe der Gottesdienste habe ich in die<br />
Predigten oft persönliche Erlebnisse meines<br />
Lebens auf und ab einfl ießen lassen.<br />
Ich fühle, dass dadurch Nähe zu den Zuhörern<br />
entsteht und sie mich besser kennenlernen<br />
können. Ob ich nun von der Flucht<br />
Lektorin Karin-Heide Rütters.<br />
1945 aus Danzig oder der ersten Begegnung<br />
mit der Bibel auf Großmutters Schoß<br />
erzählte, immer gab es beim Abschied<br />
nach dem Gottesdienst Dankesworte wie:<br />
„Ihre Predigt hat mir Mut gemacht.“ oder<br />
„Ich bin auch aus Danzig, danke, dass Sie<br />
an die Kriegszeit erinnert<br />
haben, sie hat uns Ältere<br />
doch sehr geprägt!“<br />
Worte<br />
Ich betrete schon immer<br />
eine halbe Stunde vor<br />
Gottesdienstbeginn den<br />
Andachtsraum und werde<br />
bereits von einigen<br />
Gottesdienstbesuchern<br />
erwartet, die ihre gewohnten<br />
Plätze eingenommen<br />
haben, auch<br />
einige Rollstuhlfahrer<br />
sind schon von den fürsorglichen<br />
Pfl egerinnen auf ihre angestammten<br />
Plätze geschoben worden. Die<br />
herzliche Begrüßung des Einzelnen ist mir<br />
immer eine große Freude, ist es doch, als<br />
komme ich zu einem Familientreffen, da<br />
„wir“ uns fast alle inzwischen schon<br />
recht gut kennen. So viel Freundlichkeit,<br />
herzlicher Händedruck und liebe Worte<br />
werden mir geschenkt, dass ich ganz gerührt<br />
bin. In den alten Damen sehe ich<br />
immer irgendwie meine eigene Mutter in<br />
ihren letzten Lebensjahren wieder und<br />
muss sie einfach lieb haben.<br />
Gespräche<br />
Es ist gut, dass ich vor Beginn des Gottesdienstes<br />
auch noch ein wenig Zeit<br />
habe für kurze persönliche Gespräche.<br />
So erfahre ich, wie wichtig der Sonntags-<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
33
gottesdienst ist, um Kraft und Mut durch<br />
Gottes Wort und den Segen für die neue<br />
Woche zu bekommen. Die oft schon<br />
weit über 80 Jahre bis zu fast 100 Jahre<br />
alten Frauen und Männer geben mir die<br />
Gewissheit, dass im Vertrauen auf Gottes<br />
Begleitung durch das Leben auch das Älterwerden<br />
und Altsein noch schöne Seiten<br />
hat. Es rührt mir das Herz an, wenn<br />
ich sehe, wie gebrechlich einige meiner<br />
Gottesdienstbesucher sind und vielleicht<br />
auch Schmerzen haben, – und trotzdem<br />
sagt mir eine fast 100jährige Dame ein<br />
Gebet auf, das sie jeden Morgen voller<br />
Dankbarkeit für den neuen Tag betet.<br />
Trost<br />
Oder eine andere zarte, feine Dame tröstet<br />
mich, als ich sie wegen ihres steifen<br />
Arms und der Hand bedauere. Sie sagt:<br />
„Ich habe doch noch die andere Hand,<br />
es geht schon!“ und lächelt dabei. Ein<br />
älterer Herr erzählt mir von dem Kruzifi x,<br />
das in seinem Zimmer an der Wand<br />
hängt und vor dem er betet. Auch alle,<br />
die ihn besuchen, würden sich an dem<br />
schönen Kreuz erfreuen.<br />
Singen<br />
Und ich darf nicht vergessen zu erwähnen,<br />
wie viel Freude das gemeinsame<br />
34 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Singen der meist alten Kirchenlieder<br />
z. B. von Paul Gerhardt macht, wenn<br />
auch nicht jeder mehr mitsingen kann,<br />
da die Kraft und die Stimme versagen.<br />
Dafür singen manch andere umso lauter<br />
und können ganze Lieder auswendig.<br />
Vertrauen<br />
Für mich ist es wunderbar zu erleben,<br />
wie der Glaube und das Vertrauen in<br />
Gott, unseren himmlischen Vater, die alten<br />
Menschen demütig ihr Altwerden ertragen<br />
lässt und trotzdem neue Kraft für<br />
jeden Tag gibt. Sie sind Hoffnungsträger<br />
für mein eigenes Altwerden und ich<br />
möchte mich bei all den Gottesdienstbesuchern<br />
in BETHANIEN ganz herzlich bedanken.<br />
Danke<br />
Auch ein großes Dankeschön an Frau<br />
Oberin Tiemann und Herrn Pastor Dr.<br />
Budde, die mir vertrauensvoll die Gestaltung<br />
vieler schöner Gottesdienste im<br />
Wilhelm-Löhe-Saal übertragen haben.<br />
Herzlichst<br />
Ihre<br />
Karin-Heide Rütters<br />
„So viel Freundlichkeit, herzlicher Händedruck und liebe Worte werden<br />
mir geschenkt, dass ich ganz gerührt bin. In den alten Damen sehe ich<br />
immer irgendwie meine eigene Mutter in ihren letzten Lebensjahren<br />
wieder und muss sie einfach lieb haben.“<br />
Karin-Heide Rütters
Bewohnerausfl ug nach Celle<br />
Von Ursula Stadler, Mitarbeiterin<br />
Bewohner, „Grüne Damen und Herren“, Angehörige und Mitarbeiter.<br />
Die Residenzstadt Celle war das zweite<br />
Ausfl ugsziel des Altenpfl egeheimes Bethanien<br />
in diesem Jahr: Am 2. und 3. August<br />
2011 machten sich insgesamt 45 Bewohner<br />
mit ihren Begleitpersonen – Altenpfl egeschüler,<br />
Angehörige, Alltagsbegleiter<br />
und „Grüne Damen“ – auf den Weg. Für<br />
Bewohner im Rollstuhl wurde ein „Rollibus“<br />
eingesetzt. Dadurch ist ein Veranstalter<br />
in der Lage, auch Bewohnern, die keine<br />
Stufen mehr steigen können, die Teilnahme<br />
zu ermöglichen.<br />
In der „CONGRESS UNION“ wurden die<br />
Bewohner mit Kaffee und Kuchen verwöhnt.<br />
Das warme sonnige Wetter lud an-<br />
„Verschnaufpause“ im Grünen.<br />
schließend zu einem Spaziergang in die Innenstadt<br />
und in den Schlosspark ein. Prägend<br />
für den Schlosspark sind die Wasserfl<br />
ächen. Der alte Baumbestand, mit Bäumen<br />
aus dem 19. Jahrhundert, weite<br />
Ra senfl ächen und Wechselpfl anzungen<br />
prägen den Park. In der Innenstadt wurden<br />
die „sprechenden La ternen“ bewundert.<br />
Die Laternen sind eine Gruppe von Lichtfi -<br />
guren in der historischen Altstadt. Einige<br />
Bewohner besichtigten die Stadtkirche St.<br />
Marien, die im 13. Jahr hun dert gebaut<br />
wurde. Pünktlich zum Abendbrot kamen<br />
die Bewohner wieder in Bethanien an. Alle<br />
waren der Meinung, einen schönen Nachmittag<br />
erlebt zu haben.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
35
Blasorchester bereitete Freude<br />
Dank für Genesung und Freude für die Mitmenschen<br />
Aufmerksame Zuhörer.<br />
Begeisterte Zuhörer.<br />
36 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Blasorchester in der „Arche Noah“.<br />
Das Bortfelder – Bettmarer Blasmusikorchester<br />
lud im Juli 2011 die Bewohner vom<br />
Altenpfl egeheim Bethanien in den <strong>Marienstift</strong>s<br />
– Garten, der einen besonderen Charakter<br />
durch die„Arche Noah“ sowie durch<br />
die altersgerechte Gestaltung hat, zu einem<br />
musikalischen Nachmittag ein. Bei trockenem<br />
Wetter sangen und schunkelten<br />
100 Bewohner mit. Einige Bewohner beobachteten<br />
das Geschehen von ihren Balkonen<br />
aus. Zum Abschluss gab es noch einen<br />
kleinen Imbiss.<br />
Die Idee, ein kostenloses Konzert zu geben,<br />
kam von Herrn Holzmann, der ebenfalls<br />
dem Orchester angehört. Er war im letzten<br />
Jahr als Patient im Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es.<br />
„Meine Gesundheit wurde wieder<br />
so hergestellt, dass es mir wieder möglich<br />
ist, im Orchester mitzuspielen,“ sagte<br />
der über 80jährige rüstige Senior. Vor allem<br />
wollte er der Mutter seiner Lebensgefährtin<br />
und den Bewohnern in Bethanien eine<br />
Freude machen.
Bewohner unterwegs<br />
Ausfl ug der Bewohner nach Bad Gandersheim<br />
Gemeinsam unterwegs.<br />
Gelungenes Gespräch.<br />
Bunte Gemeinschaft.<br />
Entspannte Atmosphäre.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
37
Altenpfl ege mit Herz und Kopf<br />
Von Cornelia Steiner, Redakteurin der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung<br />
Wenn Olaf Stilzebach über seinen Beruf<br />
spricht, dann fallen Sätze wie diese: „In der<br />
Altenpfl ege erfahren wir unglaublich viel<br />
Dankbarkeit und Herzlichkeit. Unsere Bewohner<br />
schenken uns so oft ein Lächeln,<br />
ein zufriedenes Nicken oder auch mal eine<br />
Blume aus dem Park. Dieser Beruf ist erfüllend,<br />
und er macht Spaß.“<br />
Für bessere Bezahlung<br />
Olaf Stilzebach ist Wohn- und Pfl egebereichsleiter<br />
im Altenpfl egeheim Bethanien<br />
des <strong>Marienstift</strong>s in <strong>Braunschweig</strong>, und<br />
wenn er über seinen Beruf spricht, dann fallen<br />
auch solche Sätze: „Die Belastung in der<br />
Pfl e ge nimmt zu, zum Beispiel durch die<br />
not wendige Dokumentation – es bleibt weniger<br />
Zeit für die Bewohner, mehr Personal<br />
ist nicht fi nanzierbar. Wir leisten viel mehr,<br />
als wir bezahlt bekommen: Für Gespräche<br />
gibt es nicht einen Cent, so etwas kann<br />
man nicht abrechnen wie Waschen und Anziehen.<br />
Die Bezahlung in der Altenpfl ege ist<br />
verglichen mit anderen Branchen eher<br />
schlecht.“ Finanzierung und Bezahlung der<br />
Pfl ege – diese beiden Aspekte sind seit Jahren<br />
in der Diskussion. Dabei dreht sich alles<br />
38 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
um die Pfl egesätze, die die Heime erhalten.<br />
Sie werden zwischen den Pfl egekassen, den<br />
Kommunen und den Heimträgern ausgehandelt.<br />
Im Bundesvergleich fallen zwei<br />
Dinge auf: Die Ost-Bundesländer haben die<br />
niedrigsten Pfl egesätze, und im Westen ist<br />
Niedersachsen das Schlusslicht. Das heißt:<br />
Den Heimen in Niedersachsen steht weniger<br />
Geld für Personal und Sachkosten zur<br />
Verfügung als Heimen in Bayern oder Nordrhein-<br />
Westfalen. Ein Grund dafür ist der relativ<br />
hohe Anteil privater Pfl egeanbieter: In<br />
Niedersachsen werden rund 60 Prozent aller<br />
Heime privat betrieben, während sich<br />
bundesweit nur knapp 40 Prozent aller Heime<br />
in privater Trägerschaft befi nden. Bei<br />
den Verhandlungen über Pfl egesätze galt<br />
bislang, vereinfacht gesagt, dass sich deren<br />
Höhe nicht an den tatsächlich anfallenden<br />
Kosten einer Einrichtung orientiert. sondern<br />
am Pfl egesatzniveau der Region. Weil<br />
private Träger seltener Tarifl öhne zahlen,<br />
drücken sie das Niveau.<br />
Für Qualitätswettbewerb<br />
Burkhard Budde, Vorsitzender des Niedersächsischen<br />
Evangelischen Verbandes für<br />
Redakteurin Cornelia Steiner mit dem Mitarbeiter Olaf Stilzebach.
Altenpfl ege, sagt: „Wir befürworten einen<br />
Leistungs- und Qualitätswettbewerb, aber<br />
wir haben Sorge vor diesem Lohndumping.<br />
Die derzeitige Unterfi nanzierung gefährdet<br />
nicht nur die Qualität der Pfl ege, sondern<br />
schadet auch der Wirtschaftlichkeit der<br />
Häuser, die ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen.“<br />
Er sieht die Landesregierung in<br />
der Pfl icht, bei den Pfl egesatzverhandlungen<br />
einzugreifen. „Aber das Sozialministerium<br />
macht es sich einfach und weist die<br />
Zuständigkeit von sich“, fügt Budde hinzu.<br />
Für politische Beteiligung<br />
Ministeriumssprecher Thomas Spieker sagte<br />
gestern auf Anfrage, dass sich das Land<br />
durchaus an den Beratungen beteilige. So<br />
sollen die zuständigen Fachgremien analysieren,<br />
ob es in bestimmten Regionen<br />
Handlungsbedarf bei den Pfl egesätzen gibt.<br />
Spieker verweist auf große Unterschiede: So<br />
liege das Pfl egesatzniveau in Ballungsräumen<br />
wie Hannover und Osnabrück im Bundesdurchschnitt<br />
– in ländlich geprägten Regionen<br />
liege es hingegen unterhalb des niedersächsischen<br />
Durchschnitts.<br />
Für höhere Pfl egesätze<br />
Immenroth von der Ostfalia-Hochschule in<br />
Wolfsburg hält die Pfl egesätze in Niedersachsen<br />
für zu niedrig. Er ist Pfl egeexperte<br />
und Dozent an der Fakultät Gesundheitswesen.<br />
„Die Pfl egesätze lassen den Heimen<br />
nur einen sehr geringen Spielraum, um beispielsweisePersonalentwicklungsmaßnahmen<br />
oder familienfreundliche Modalitäten<br />
wie Betriebskindergartenplätze zu realisieren“,<br />
sagt er. „Gerade diese Maßnahmen<br />
sind aber enorm wichtig, damit die Heime<br />
die Herausforderungen über- haupt bewältigen<br />
können.“ Aus seiner Sicht muss es<br />
den Einrichtungsträgern schnellstmöglich<br />
gelingen, bei den Pfl egekassen und den Sozialhilfeträgern<br />
höhere Pfl egesätze durchzusetzen,<br />
um eine qualitativ hochwertige und<br />
fl ächendeckende Pfl ege aufrechtzuerhalten.<br />
„Das ist notwendig, weil auch die Quali-<br />
tätsanforderungen an die Pfl ege steigen.<br />
Der Beruf akademisiert sich immer stärker –<br />
nicht nur auf der Leitungsebene, sondern<br />
auch an der Basis“, erklärt er.<br />
Für mehr Bildung<br />
Die Ostfalia bietet zum Beispiel ab September<br />
erstmals einen berufsbegleitenden Studiengang<br />
Pfl ege an. Neben Österreich und<br />
Luxemburg sei Deutschland das einzige EU-<br />
Land, wo die Erstausbildung an der Berufsschule‘<br />
angesiedelt ist und nicht an der<br />
Hochschule. „Pfl ege wird anspruchsvoller<br />
und immer spezialisierter – das ist nur bei<br />
entsprechender Bezahlung der Fachkräfte<br />
durchzuhalten.“ Schon jetzt mangele es an<br />
Fachkräften, vor allem im Leitungsbereich<br />
würden dringend Fachleute benötigt. Mitarbeiter<br />
aus dem europäischen Ausland<br />
hält er für zwingend notwendig, weist aber<br />
zugleich darauf hin, dass sich das Problem<br />
damit möglicherweise nur verlagere: „Die<br />
demografi sche Veränderung betrifft auch<br />
die anderen Staaten. Wenn wir deren Fachkräfte<br />
zu uns holen, fehlen sie in wenigen<br />
Jahren dort.“<br />
Für bessere Auslastung<br />
Immenroth zeigt noch ein weiteres Problem:<br />
Der Statistik zufolge sind die Altenpfl<br />
egeheime in Niedersachsen im Schnitt zu<br />
fast 89 Prozent ausgelastet, es gibt starke<br />
regionale Unterschiede. „Ein Heim ist im<br />
Jahresmittel nie zu 100 Prozent auslastbar,<br />
aber bis zu 95 Prozent sind realistisch erreichbar.<br />
Wenn zu viele Betten da sind,<br />
geht der Preis runter. Und genau das erleben<br />
wir im Moment: Wir haben ein punktuelles<br />
Überangebot durch eine rege Bautätigkeit<br />
privater Anbieter,“ sagt er. Dies geschehe<br />
zum Beispiel dann, wenn mit dem<br />
Betrieb von Altenpfl egeheimen primär eine<br />
Rendite erwirtschaftet werden soll und<br />
branchenfremde Interessenträger wie Immobilenfonds<br />
ins Spiel kommen.<br />
(„BZ“ vom 3. August 2011)<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
39
Kommentiert<br />
Neues Heimgesetz –<br />
mehr Freiheit und Solidarität?!<br />
Von Heidemarie Mundlos, Mitglied des Landtages<br />
Der Niedersächsische<br />
Landtag hat während<br />
seiner Sitzung des<br />
Juni-Plenums das<br />
neue Niedersächsische<br />
Heimgesetz verabschiedet.<br />
Es greift<br />
die sich aus der demographischenEntwicklung<br />
ergebenden<br />
Herausforderungen auf; denn fest steht,<br />
dass die Zahl der älteren Menschen in der<br />
Gesellschaft zunehmen wird. Diese Entwicklung<br />
wirkt sich natürlich auch auf das<br />
Wohnen im Alter und die Pfl ege aus. Ein<br />
hohes Alter bzw. Pfl egebedürftigkeit führen<br />
oft dazu, dass Menschen auf fremde Hilfe<br />
angewiesen sind. Wird eine umfangreiche<br />
Betreuung erforderlich, dann bekommen<br />
Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben eine ganz andere Bedeutung.<br />
Mit einer Unterbringung im Heim ändert<br />
sich für die Menschen der Tagesablauf,<br />
es gibt zeitliche Vorgaben und Einschränkungen.<br />
Selbstständigkeit und Selbstbestimmung<br />
werden infolge von Hilfe- und<br />
Pfl egebedürftigkeit eingeschränkt. Deshalb<br />
ist die Gewährung von Schutz und die Berücksichtigung<br />
der individuellen Bedürfnisse<br />
der Heimbewohner ein Hauptzweck des<br />
Heimgesetzes. Beide Aspekte sind Ausdruck<br />
einer modernen Sozialpolitik. Im Folgenden<br />
möchte ich auf die wesentlichen Aspekte<br />
des Heimgesetzes näher eingehen.<br />
Viele Angebote<br />
Die Pfl egelandschaft hat sich in den vergangenen<br />
Jahren rasant weiterentwickelt.<br />
Den älteren und hilfebedürftigen Men-<br />
40 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
schen stehen heutzutage vielfältige Betreuungs-<br />
und Wohnangebote zur Verfügung.<br />
Insbesondere die ambulant betreuten<br />
Wohngemeinschaften und integriertes<br />
Wohnen gewinnen zunehmend an Bedeutung,<br />
da sich viele Menschen wünschen,<br />
solange wie möglich in ihrer gewohnten<br />
Umgebung zu bleiben und den Schritt ins<br />
stationäre Heim möglichst lange vermeiden<br />
wollen. Die alternativen Wohnformen helfen<br />
diesen Menschen, ihren Alltag selbstbestimmter<br />
zu bewältigen. Dies wollen wir<br />
fördern. Das neue Heimgesetz eröffnet die<br />
Möglichkeit, neue Wohnformen leichter zu<br />
erproben und sieht für mehrere Jahre Befreiungen<br />
zur Erprobung vor. Damit tragen<br />
wir den individuellen Bedürfnissen der<br />
Heimbewohner Rechnung und kommen<br />
deren Wunsch nach mehr Selbstverantwortung<br />
und Selbstbestimmung bei den Formen<br />
des gemeinschaftlichen Wohnens im<br />
Alter nach.<br />
Selbstbestimmung<br />
Selbstbestimmung bedeutet auch, dass die<br />
Heimbewohnerinnen und Heimbewohner<br />
an Entscheidungen, die sie selbst betreffen,<br />
beteiligt werden. Hierfür sieht das Heimgesetz<br />
vor, dass diese in Angelegenheiten des<br />
Heimbetriebs wie Unterkunft, Verpfl egung,<br />
Aufenthaltsbedingungen, Betreuung oder<br />
Freizeitgestaltung durch eine Bewohnervertretung<br />
mitwirken. Die Bewohner können<br />
ihren Heimalltag somit aktiv mitbestimmen.<br />
Geltungsbereich<br />
Das neue Heimgesetz nimmt auch eine<br />
klare Abgrenzung zwischen den klassi-
schen Heimen und den ambulant betreuten<br />
Wohngemeinschaften vor. In diesem<br />
Bereich war es beim vorher geltenden<br />
Bundesheimrecht oftmals zu Abgrenzungsproblemen<br />
gekommen. Der Geltungsbereich<br />
des Heimgesetzes umfasst<br />
die bewährten stationären Einrichtungen,<br />
in denen ältere, pfl egebedürftige volljährige<br />
oder behinderte volljährige Menschen<br />
wohnen und betreut werden, ebenso wie<br />
die nicht selbstbestimmten Wohngemeinschaften.<br />
Weiterhin gilt das Gesetz für bestimmte<br />
Formen des betreuten Wohnens<br />
sowie Einrichtungen der Tagespfl ege.<br />
Denn gerade die Tagespfl ege ist ein Bereich<br />
mit einer enormen Wachstumsrate –<br />
allein in den letzten Jahren war ein Anstieg<br />
um 25 Prozent zu verzeichnen. Keine<br />
Anwendung fi ndet das Gesetz auf ambulant<br />
betreute Wohngemeinschaften pfl egebedürftiger<br />
Menschen, die selbstbestimmt<br />
sind. Grund für diese Differenzierung<br />
ist, dass hier ein strukturelles Abhängigkeitsverhältnis<br />
gegenüber einem Dritten<br />
nicht besteht und das Schutzbedürfnis<br />
somit nicht vergleichbar zu den Menschen<br />
in nicht selbstbestimmten Wohngemeinschaften<br />
ist.<br />
Rahmenbedingungen<br />
Mit diesem Gesetz schaffen wir weiterhin<br />
neue und zukunftsweisende Rahmenbedingungen<br />
für die in der Pfl ege tätigen Menschen,<br />
deren Leistungen wir anerkennen und<br />
würdigen. Gleichzeitig tragen die neuen Regelungen<br />
zur Entlastung der Träger bei. Die<br />
Anzeigepfl ichten werden auf ein angemessenes<br />
Maß reduziert, ohne dass der Bewohnerschutz<br />
beeinträchtigt wird. So kann z. B. der<br />
Abstand der heimaufsichtlichen Prüfung auf<br />
bis zu zwei Jahre verlängert und können<br />
Doppelprüfungen vermieden werden.<br />
Mit dem Heimgesetz haben wir ein zukunftsweisendes<br />
Gesetz für Niedersachsen,<br />
das die individuellen Bedürfnisse der Menschen<br />
optimal berücksichtigt und schaffen<br />
zuverlässige Rahmenbedingungen für alle<br />
in der Pfl ege beteiligten Akteure. Wir wissen<br />
um die Herausforderungen und nehmen<br />
diese mit dem Heimgesetz an.<br />
(Heidemarie Mundlos ist stellvertretende<br />
CDU-Fraktionsvorsitzende für den Bereich<br />
Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und<br />
Integration im Niedersächsischen Landtag)<br />
Singen mit dem Collegium vocale <strong>Braunschweig</strong><br />
Geistliche und weltliche Lieder<br />
Das Collegium vocale ist ein gemischter Chor mit musikbegeisterten Damen und Herren.<br />
Das Repertoire aus der geistlichen und weltlichen Chor-Literatur erstreckt sich<br />
vom leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad.<br />
Die Übungsabende fi nden dienstags von 19 bis 21 Uhr im Großen Saal des Mutterhauses<br />
des <strong>Marienstift</strong>es an der Helmstedter Straße 35 statt.<br />
Das Collegium vocale ist kein Verein Der Chor lädt beitragsfrei sowie ohne Vorsingen<br />
zum Mitmachen ein. Weitere Information erteilt gern die Chorleiterin Ingeborg Herrmann<br />
(Kontakt: Telefon 0531 7011-0).<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
41
Ein Blick in die Diakonische Galerie<br />
Harald Eitge (r.), Leiter der Arge <strong>Braunschweig</strong>, mit Ehefrau Karin Eitge und Dr. Burkhard Budde.<br />
42 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Gertrud und Rainer Kretschmer beim Filmen für das Idea-Fernsehen.
Direktor Pastor Andreas Seifert vom Diakonischen<br />
Werk <strong>Braunschweig</strong>.<br />
Anke Grewe von Diakonischen Werk<br />
<strong>Braunschweig</strong>.<br />
Nele Rein vom NDR. Kaufmann Helmut Haase aus <strong>Braunschweig</strong>.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
43
44 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Heimleiterin Monika Gladbach-Geitebrügge mit Familie.<br />
Kaufmann Carl Langerfeldt aus <strong>Braunschweig</strong>.<br />
Geschäftsführer der Jungen Union aus ganz Deutschland in der Diakonischen Galerie.
Für eine lebensfreundliche Gesellschaft<br />
Vertreter der Kriminalpolizei besuchten das Babykörbchen am <strong>Marienstift</strong><br />
Ulf Küch, Dr. Burkhard Budde und Christian Mehner (v. l. n. r.).<br />
Über den Einsatz für das Leben sowie über<br />
Kindesmisshandlung und Kindestötung<br />
sprachen Kriminaldirektor Ulf Küch und Kriminalhauptkommissar<br />
Christian Mehner von<br />
der Kriminalpolizei <strong>Braunschweig</strong> mit dem<br />
Vorstandsvorsitzenden des <strong>Braunschweig</strong>er<br />
<strong>Marienstift</strong>es, Dr. Burkhard Budde, am 8.<br />
August 2011 in der kirchlichen Einrichtung.<br />
Anlass war die Besichtigung des Babykörbchens<br />
an der Frauenklinik Eben-Ezer, das<br />
seit 2001 existiert und bereits vier Babys das<br />
Leben gerettet hat. Gleichzeitig übergaben<br />
die beiden Beamten die neueste Ausgabe<br />
„der kriminalist“, die Fachzeitung Bund<br />
deutscher Kriminalbeamter, die einen Artikel<br />
über das Thema „Kindestötung“ mit einem<br />
Hinweis auf das <strong>Braunschweig</strong>er Babykörbchen<br />
veröffentlicht hat. Die Vertreter<br />
der Kriminalpolizei begrüßten die Einrichtung<br />
der „Babyklappe“, weil die Alternative<br />
unter Umständen die Kindestötung darstellt.<br />
Die Gesprächspartner waren sich einig,<br />
dass dieses „letzte Angebot“ für Frauen<br />
in einer extremen Notlage auch eine<br />
ständige Erinnerung für alle darstellt, sich<br />
für eine lebensfreundliche Gesellschaft für<br />
Kinder, Frauen und Männer einzusetzen.<br />
Dies habe auch positive Auswirkungen auf<br />
den notwendigen würd<strong>ev</strong>ollen Umgang mit<br />
älteren und pfl egebedürftigen Menschen.<br />
Im <strong>Marienstift</strong> haben in diesem Jahr bislang<br />
460 Kinder das Licht der Welt erblickt; jährlich<br />
sind es etwa um 800 Kinder.<br />
Nele Rein vom „NDR“.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
45
Kripo-Chef befürwortet Babykörbchen<br />
Von Bettina Thoenes, Redakteurin der <strong>Braunschweig</strong>er Zeitung<br />
In der Debatte um die umstrittenen Babyklappen<br />
bekennen sich auch Vertreter der<br />
<strong>Braunschweig</strong>er Polizei zur Möglichkeit<br />
der anonymen Abgabe Neugeborener. Aktueller<br />
Anlass ist der Fund einer Babyleiche<br />
im Mai in einem <strong>Braunschweig</strong>er Müllcontainer.<br />
„Leben retten“<br />
„Babyklappen können Leben retten“, betonte<br />
Kripochef Ulf Küch anlässlich eines<br />
Besuchs im <strong>Marienstift</strong> an der Helmstedter<br />
Straße, an dessen Frauenklinik vor zehn<br />
Jahren das regional bislang einzige Babykörbchen<br />
eingerichtet wurde. Laut <strong>Marienstift</strong>-Vorstand<br />
Burkhard Budde wurden<br />
seither vier Babys anonym abgegeben. In<br />
einem Fall holte die Mutter das Kind zu<br />
sich zurück – was bis zu acht Wochen<br />
nach Abgabe des Kindes ebenfalls unter<br />
Wahrung ihrer Anonymität möglich ist. Die<br />
drei übrigen Kinder leben inzwischen in<br />
Adoptivfamilien. Seit rund zwei Jahren<br />
wurde kein Baby mehr in das vorgewärmte<br />
Körbchen gelegt. Für Budde ein Hinweis<br />
darauf, dass die Existenz des Babykörbchen<br />
keine Nachfrage erzeuge. „Ohne<br />
existenzielle Not gibt keine Frau ihr Kind<br />
ab“, ist Budde überzeugt und betont: „Die<br />
Babyklappe ist als Ergänzung zu Beratungsangeboten<br />
gedacht, als letztes Mittel<br />
vor Aussetzen eines Kindes.“<br />
Die <strong>Braunschweig</strong>er Kriminalbeamten Ulf<br />
Küch und Christian Mehner – beide engagiert<br />
im Bund Deutscher Kriminalbeamter –<br />
widersprechen ebenso wie Budde dem Appell<br />
des Deutschen Ethikrates, die rund 100<br />
Babyklappen in Deutschland zu schließen.<br />
Der Ethikrat zweifelt an dem Argument,<br />
die Klappen könnten Kindstötungen verhindern.<br />
Dagegen hätten Kinder womöglich<br />
ihr Leben lang unter der Anonymität<br />
ihrer Herkunft zu leiden. Stattdessen soll-<br />
46 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
ten unter anderem Hilfsangebote gestärkt<br />
werden.<br />
Küch verweist dagegen auf rund 1000<br />
Neugeborene, die in den vergangenen Jahren<br />
deutschlandweit getötet worden seien.<br />
„Und wenn nur einige wenige Kinder<br />
durch Babyklappen gerettet werden können,<br />
haben sie sich schon gelohnt“, spricht<br />
er sich für eine Legalisierung der anonymen<br />
Geburt und den Ausbau von Babyklappen<br />
aus.<br />
„In Schule publik machen“<br />
In <strong>Braunschweig</strong> hat die Staatsanwaltschaft<br />
erst vor wenigen Wochen im Fall des so genannten<br />
Waller Babymordes gegen eine 36<br />
Jahre alte <strong>Braunschweig</strong>erin Anklage wegen<br />
zweifachen Totschlags erhoben. Neugeborenes<br />
soll in Badewanne ertrunken<br />
sein. Vor sechs Jahren soll die Frau ihrer<br />
neugeborenen Tochter die Kehle durchgeschnitten<br />
und die Leiche am Waller See im<br />
Landkreis Gifhorn vergraben haben. Jahrelang<br />
fahndete die Polizei nach der Täterin.<br />
Nach ihrer Festnahme entdeckten die Ermittler<br />
im vergangenen Mai in einem Müllcontainer<br />
an der Berliner Heerstraße in<br />
<strong>Braunschweig</strong> eine weitere Babyleiche. Ein<br />
weiteres Mädchen, das die 36-Jährige kurz<br />
vor ihrer Verhaftung entbunden hatte, soll<br />
kurz nach seiner Geburt in der Badewanne<br />
ertrunken sein. Kriminaldirektor Küch und<br />
Kriminalhauptkommissar Mehner halten es<br />
auch angesichts solcher Taten auch für<br />
wichtig, die Existenz von Babyklappen und<br />
Hilfsangeboten schon in der Schule publik<br />
zu machen – damit auch junge und unerfahrene<br />
Mädchen die notwendigen Informationen<br />
erhielten.<br />
(aus: BZ 12.8.2011)
Hilfe in auswegloser Lage<br />
Ein Kommentar von Silke Stuckenberg<br />
Die Existenz der Babyklappen ist umstritten: retten sie Leben und verhindern sogar<br />
die Tötung eines Kindes oder verletzen sie Menschenrechte, weil das Kind nie eine<br />
Antwort auf seine Herkunft erhält? Eltern werde es mit dem Angebot einer Babyklappe<br />
zu leicht gemacht, sich der Sorge- und Unterhaltspfl icht zu entziehen, argumentieren<br />
die Gegner von Babyklappen. Obwohl die Zahl getöteter und ausgesetzter Kinder<br />
seit zehn Jahren gesunken ist, fordern sie eine Abschaffung der Babyklappen und<br />
eine Aufstockung des Personals für Beratungsstellen. Das <strong>Braunschweig</strong>er <strong>Marienstift</strong><br />
teilt diese Kritiken nicht und hält an der Existenz des Babykörbchens fest. Das Babykörbchen<br />
ist als eine Notfalleinrichtung für Mütter, die sich in einer ausweglosen Situation<br />
befi nden, zu verstehen.<br />
Denn die Geburt eines Babys ist nicht für alle Mütter ein Grund zur Freude: Mütter,<br />
die sich illegal in Deutschland aufhalten, obdachlos sind, Angst vor der Gewalt des<br />
Partners oder gar keinen Partner haben, und keinen anderen Ausweg wissen, sind<br />
möglicherweise dankbar, dass sie ihr Kind auf diesem Wege anonym zur Adoption<br />
freigeben können. Natürlich wäre es besser, wenn die Mutter sich vor der Entbindung<br />
beraten ließe, um sich einen Weg aufzeigen zu lassen, damit sie ihr Baby behalten<br />
kann. Oft empfi ndet eine Mutter ihre Situation aber als so ausweglos, dass sie eine<br />
Beratungsstelle erst gar nicht in Betracht zieht.<br />
Wenn eine Mutter in einer Notsituation ihr Kind in eine Babyklappe gibt, darf man<br />
dieses nicht als lieblos oder gar verantwortungslos bewerten. Das Kind wird zwar in<br />
fremde Hände gegeben, aber die Mutter kann sich sicher sein, dass die Schwestern<br />
der Frauenklinik es gut versorgen und dass die Zukunft des Kindes gesichert ist. Diese<br />
Mütter sind nicht zu verurteilen, vielmehr sollte verstärkt Öffentlichkeitsarbeit geleistet<br />
werden, damit die Vorurteile abgebaut werden und das Angebot an Babyklappen<br />
erweitert wird. Wenn mit der Babyklappe das Leben eines einzigen Neugeborenen<br />
gerettet und ein Babymord<br />
wie am Waller See<br />
verhindert werden kann,<br />
ist eine Diskussion um<br />
die Daseinsberechtigung<br />
von Babyklappen überfl<br />
üssig.<br />
(Aus: „braunschweig report“<br />
17.8. 2011)<br />
Silke Stuckenberg vom<br />
„braunschweig-report“<br />
mit Schwester<br />
Margrit Engel (l.).<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
47
70 Jahre in und mit der Kirche<br />
Von Propst i.R. Armin Kraft<br />
Im Krieg geboren lernte ich sehr schnell<br />
Menschen kennen, die mir sagten: „Not<br />
lehrt beten und fl uchen.“ Sehr früh erlebte<br />
ich Angst und Leiden. Zu spät gefl üchtet<br />
brachte ich insgesamt zwei Jahre in Flüchtlingslagern<br />
zu (Bautzen und Zwickau). Hier<br />
lernte ich viel und früh auswendig – zum<br />
Beispiel: „Dennoch ist ein gutes Wort, dennoch<br />
heißt mein Glaube, dennoch sag ich<br />
hier und dort, ob ich lieg im Staube oder<br />
steh´ auf der Höh´ in des Glückes Schimmer,<br />
dennoch sag ich<br />
immer.“ Ich wusste<br />
zunächst nicht, dass<br />
es hierbei um den 73.<br />
Psalm geht. Die Symbolsprache<br />
habe ich<br />
bald gelernt. „Weil<br />
ich Jesu Schäfl ein<br />
bin… Führe mich, o<br />
Herr, und leite…“ Ich<br />
konnte vieles bald<br />
auswendig: Gesangbuchverse,Bibelworte…<br />
Und immer wieder<br />
bin ich auf für<br />
mich vorbildliche Mitmenschen<br />
gestoßen. Weil Menschen Menschen<br />
brauchen, sind mir diese Erfahrungen<br />
der Zuneigung und Freundschaft wichtig<br />
geblieben.<br />
Leben im Pfarrhaus<br />
Dann kam das Leben im Pfarrhaus in Groß<br />
Dahlum. Ich war Einzelkind und von allen<br />
beobachteter Pfarrerssohn! Sehr früh bemerkte<br />
ich die Kluft zwischen theologischem<br />
Anspruch und der Wirklichkeit in<br />
der Kirchengemeinde. Der Graben zwischen<br />
theologischer Absicht und Verstehensmöglichkeiten<br />
war zeitweilig schmerzlich<br />
tief. „Die in die Kirche gehen, sind<br />
auch nicht besser – aber sie sind besser<br />
dran.“<br />
48 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Die Schulzeit<br />
Armin Kraft (2. v. r.) mit dem ehemaligen<br />
General intendanten des Staatstheaters<br />
<strong>Braunschweig</strong> Wolfgang Gropper und Frau<br />
sowie Erika Borek (r.).<br />
Während der Schulzeit in Schöningen – besonders<br />
im Religionsunterricht – wurde mir<br />
klar: der Geruch der Ehrlichkeit ist wichtiger<br />
als jeglicher theologischer „Schmus“. Ich<br />
erlebte, wie schwierig es ist, den christlichen<br />
Glauben an die nächste Generation<br />
weiterzugeben. Die Auseinandersetzungen<br />
darüber waren aber auch anregend, manchmal<br />
sogar aufregend. Ich lernte früh: „Du<br />
sollst die Bibel nicht<br />
wörtlich, aber beim<br />
Wort nehmen.“ So<br />
wurde mir schnell<br />
klar, zwischen Jesus<br />
und Christus zu unterscheiden.<br />
Die historischen<br />
Bezüge waren<br />
mir weniger wichtig,<br />
wohl aber Christus<br />
als „die menschli-<br />
Das Studium<br />
che Seite Gottes“, als<br />
das „Neue Sein für<br />
das Leben und das<br />
Sterben“.<br />
Im Studium hatte ich Glück, dass ich auf<br />
prägende Lehrer stieß: Zum Beispiel Conzelmann<br />
in Göttingen, von Rad in Heidelberg,<br />
Tillich und Ebeling in Zürich. Es tat gut zu<br />
erleben, dass der christliche Glaube überhaupt<br />
nicht weltfremd oder gar einfältig<br />
sein muss. Die großen Lehrer waren zugleich<br />
auch Menschen, die in der Kirche Reformen<br />
anstoßen konnten. „Nichts anderes<br />
predigen, sondern anders predigen! Nicht<br />
überreden, sondern überzeugen.“ Die Maskerade<br />
der Beliebtheit bringt die <strong>ev</strong>angelische<br />
Botschaft nur durcheinander. Es geht<br />
ihr um Ermutigung und Trost, um Mitmenschlichkeit<br />
und Hoffnung. „Gott kennt<br />
auch dich und hat dich lieb“ – das gilt für
jeden Tag. Das ist die Rechtfertigungsbotschaft.<br />
Sie hat recht! Fertig! Keine Floskeln!<br />
Im Pfarramt<br />
In Riddagshausen lernte ich als Pfarrerssohn<br />
vom Dorf nun allerdings mit 27 Jahren<br />
neue Dorfstrukturen kennen! Das Bauen<br />
in vielfältiger Hinsicht (Klosterkirche-<br />
und Gemeindeaufbau), Natur- und Umweltschutz<br />
waren jetzt wichtig und nötig.<br />
Dazu der Bezug zu den Vereinen, neue<br />
Gottesdienstzeiten und liturgische Formen,<br />
„Ruinen-Gottesdienst“, neue „Impulse“<br />
durch Gemeindebriefe, Fahrten, Jubiläumsfeste<br />
– und immer wieder Hausbesuche.<br />
Die Haustürglocke ist wichtiger als die<br />
Kirchturmglocke.<br />
Tätigkeit am Dom<br />
Am Dom ging es um die Innenstadt und –<br />
ganz neu – um die Gemeinde ohne „Straßenbezug“!<br />
Wie wirken dieser Kirchenraum<br />
und die Vorbeigehende aufeinander?<br />
Viele neue Fragen tauchten auf. Was heißen<br />
kirchliche Cityarbeit, Kirchenmusik heute,<br />
Bibelschule…? Ich lernte: es gibt „Lebenslangchristen“,<br />
„U-Bootchristen“, die<br />
nur zur Taufe, Konfi rmation oder Hochzeit<br />
auftauchen, „Jahreszeitchristen“, denen<br />
der Karfreitag oder der Heilige Abend wichtig<br />
ist, „Zufallschristen“, die einfach reinschneien,<br />
„Zeitplanchristen“, die sich bestimmte<br />
kulturelle Veranstaltungen herauspicken,„5-Minuten-Andachtsbesucherinnen“,<br />
u. a. m. Ich habe diese Menschen in<br />
ihrer Verschiedenheit immer ernst genommen<br />
und auch die Distanzierten niemals als<br />
„liebe Gäste“, sondern gern als „liebe<br />
Sterbliche“ (H.-D. Hüsch) angeredet. Dieses<br />
Leben „auf der Grenze“ ist mir seit Kindesbeinen<br />
vertraut geblieben. Die Angebote<br />
aus dem Evangelium sind wirkliche Hilfen<br />
zur besseren Bewältigung des Lebens, von<br />
der Schule – 25 Jahre unterrichtete ich im<br />
Wilhelm-Gymnasium – bis zum Service-<br />
Club, von der Taufe bis zur Beerdigung, von<br />
der Domsingschule bis zum Hospiz. Dazu<br />
sind Mitarbeiterinnen nötig; sie sind zu suchen,<br />
zu pfl egen und zu erhalten und loszulassen.<br />
Diese Aufgabe brachte auch manche<br />
Niederlage mit sich. „Weshalb lohnt es<br />
sich, in der Kirche zu sein und zu bleiben?“<br />
Antworten auf diese Frage bewegen mich<br />
bis heute. In den Gottesdiensten, in Rundfunk-<br />
und Fernsehsendungen, als Wort zum<br />
Alltag oder als „Kraftworte“ in der Presse –<br />
immer wieder habe ich versucht, mich gerade<br />
auch in zweifelnde Mitmenschen hineinzuversetzen.<br />
Verantwortung als Propst<br />
Diese Haltung war in meiner langen Tätigkeit<br />
als Propst besonders gefragt, vor allem in<br />
Gesprächen mit Kommunalpolitikern, Verantwortlichen<br />
aus der Wirtschaft und dem<br />
Sozialbereich, mit Ausgetretenen, deren Zahl<br />
in <strong>Braunschweig</strong> erschreckend hoch ist.<br />
Während dieser Zeit ging es oft um Verwaltungs-<br />
und Strukturfragen. Die Institution<br />
Kirche ist wie ein Glas, aus dem ich trinken<br />
will, andere auch – es darf nicht zerspringen.<br />
Ja, in dieser Kirche menschelt es immer<br />
wieder! Das macht manche Tage schwer –<br />
aber diese Erkenntnis entlastet auch: die<br />
Kirche ist nicht das Reich Gottes auf Erden,<br />
sondern ein Hinweis darauf. Und viele<br />
Schwierigkeiten in der Kirche sind nicht<br />
Gottes, sondern der Menschen Werk. Zum<br />
Beispiel: die Fragen um das gemeinsame<br />
Abendmahl. Wenn klar ist, wer dazu einlädt,<br />
nämlich Christus („Ich bin das Brot<br />
des Lebens“), dann werden die ausschließenden<br />
Begründungen entlarvt.<br />
Aber dieser kirchliche Prozess ist schwierig,<br />
er hängt mit der Geschichtlichkeit, aber auch<br />
mit dogmatischer Verbohrtheit zusammen.<br />
Aber das Glas – siehe oben – ist wichtig.<br />
Im Ruhestand<br />
Die Zeit im Ruhestand (i. R. als „in Reichweite“<br />
übersetzt) führt dankenswerterweise<br />
zu neuen Gaben und Aufgaben. Und die<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
49
Weisheit kommt dazu. Das Leben – nichts<br />
ist wichtiger, nichts ist schwieriger… Es<br />
kann täglich glücken, misslingen, es ist zu<br />
erleben. Als Großeltern haben wir noch<br />
einmal die „zweite Chance“ bekommen,<br />
mit den fünf Enkeln christliche Erziehung<br />
zu üben. „Wohin ziehen wir und warum?“<br />
„Kultur- und Energielandschaft“<br />
Stärkung des regionalen Dialogs<br />
Henning Noske, Redakteur der <strong>Braunschweig</strong>er<br />
Zeitung, moderierte den regionalen<br />
Dialog, zu dem die Rotary-Clubs<br />
Helmstedt, Wolfsburg und <strong>Braunschweig</strong><br />
am 16. September 2011 ins Kraftwerk<br />
Buschhaus nach Helmstedt eingeladen hatten.<br />
Reiner Schmidt, Präsident des Rotary-<br />
Clubs Helmstedt, konnte zum Thema „Kultur-<br />
und Energielandschaften der Zukunft“<br />
viele Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Gesellschaft begrüßen.<br />
Walter Hirche, Präsident der Deutschen<br />
UNESCO Kommission, setzte sich für<br />
„Nachhaltigkeit“ ein: „Nachhaltigkeit bedeutet<br />
keine Stagnation oder ein Festhalten<br />
an dem, was da ist, sondern Erzeugung<br />
von Dynamik und Wandel.“ Sie sei ein<br />
Nachdenken über die Folgen des eigenen<br />
Tuns; bei den täglichen Interessen Rücksicht<br />
auf die Folgen für Mitwelt, Umwelt<br />
und Nachwelt zu nehmen; so zu leben,<br />
„dass man die Freiheit und das Leben der<br />
Kinder nicht unnötigerweise einschränkt.“<br />
In der Region müssten insbesondere die<br />
Themen Grundlagenforschung, Ingenieurausbildung,<br />
Entwicklung der Wissenschafts-,<br />
Forschungs- und Bildungsinstitutionen,<br />
Geopark, Mobilität „nachhaltig“ gestärkt<br />
werden. „Kann das Energie-Forschungszentrum<br />
Niedersachsen in Goslar<br />
nicht über die bislang ungelöste Frage der<br />
Endlagerung von Atommüll in der Region,<br />
in Deutschland und Europa konkret forschen?“<br />
fragte Hirche.<br />
50 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Ja, und dann der nahende Abschied. Hier<br />
helfen mir wieder die Symbole: Eine brennende<br />
Kerze in der Kirche zurückgelassen,<br />
sagt mir: Es ist etwas da, auch wenn ich<br />
schon weggegangen bin.<br />
Es bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe…<br />
IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid (l.)<br />
und Bürgermeister Michael Kessler aus Peine.<br />
Daniel Bresser (l.), Mitglied des Vorstandes<br />
des Bankhauses Löbbecke und<br />
Dr. Burkhard Budde (r.)
Der letzte Zivi…<br />
Infos über Freiwilligendienste<br />
Ende August diesen Jahres verließ der letzte Zivildienstleistende das <strong>Marienstift</strong>. Seit<br />
dem 1. Juli 2011 ist der Bundesfreiwilligendienst an die Stelle der Wehrpfl icht und<br />
des Zivildienstes getreten und bietet allen Menschen unterschiedlicher Altersgruppen<br />
die Möglichkeit, sich zum Beispiel in sozialen Einrichtungen zu engagieren. Dabei<br />
sind die Beweggründe für den Bundesfreiwilligendienst unterschiedlich. Neben der<br />
berufl ichen Orientierung, der Erweiterung des eigenen Horizonts, einer Übergangsmöglichkeit<br />
zum Studium oder dem reinen sozialen Engagement bietet der Freiwilligendienst<br />
vielfältige Möglichkeiten.<br />
Stellen im <strong>Marienstift</strong><br />
Das FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) und der BFD (Bundesfreiwilligendienst) sind die beiden<br />
Freiwilligendienste, die im <strong>Marienstift</strong> angetreten werden können. Sie sind ähnlich<br />
aufgebaut und unterscheiden sich nur geringfügig. Träger des BFD ist der Bund<br />
mit den damaligen Strukturen des Zivildienstes. Hingegen sind beim FSJ die vom Land<br />
anerkannten Stellen die Träger. Das FSJ kann nur in jungen Jahren und zwar bis zum<br />
27. Lebensjahr angetreten werden. Beim BFD ist dies ohne Alterbeschränkung möglich.<br />
Grundsätzlich können Bürgerinnen und Bürger, die die Pfl ichtschulzeit hinter sich<br />
gebracht haben, am Freiwilligendienst teilhaben. Die Dauer beträgt 6 bis 18 Monate<br />
und wird im Regelfall in Vollzeit abgeleistet. Während dieser Zeit erhalten die Freiwilligen<br />
Taschengeld, sind in der gesetzlichen Sozialversicherung und haben einen Urlaubsanspruch.<br />
Der Eintrittszeitpunkt ist regulär zwischen August und September jeden<br />
Jahres, kann aber auch in Einzelfällen abweichen. Nach derzeitigem Stand werden<br />
sieben Freiwillige im FSJ und drei im BFD ihren Dienst im <strong>Marienstift</strong> bis Ende<br />
September begonnen haben.<br />
Diakonisches Werk als Träger<br />
Als anerkannte Einsatzstelle für FSJ und BFD arbeitet das Marinstift dabei eng mit<br />
dem Diakonischen Werk <strong>Braunschweig</strong> als Träger der Freiwilligendienste zusammen.<br />
Neben der pädagogischen Begleitung und der Abwicklung des Bewerbungsverfahrens<br />
steht das Diakonische Werk für alle organisatorischen Fragen zur Verfügung. Ansprechpartner<br />
für die Einsatzmöglichkeiten im <strong>Marienstift</strong> ist die Personalabteilung,<br />
die ebenfalls für alle Fragen und Hinweise gerne zur Verfügung steht.<br />
Interessierte Personen können sich gerne an das Diakonische Werk oder direkt an das<br />
<strong>Marienstift</strong> wenden.<br />
(Leiter der Personalabteilung Dennis Berger, Telefon: 0531 7011 390;<br />
E-Mail: d.berger@marienstift-braunschweig.de)<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
51
Deutsch-französische Freundschaft in<br />
der Stadt Heinrichs des Löwen<br />
50jähriges Jubiläum der Deutsch-Französischen Gesellschaft<br />
Ist sie Opfer ihres eigenen Erfolges geworden?<br />
Nur noch ein selbstverständlicher Gemeinplatz?<br />
Oder doch etwas Kostbares,<br />
das immer noch begeistern kann? Die Rede<br />
ist von der deutsch-französischen Freundschaft.<br />
Anlässlich des 50jährigen Jubiläums<br />
der Deutsch-Französischen Gesellschaft<br />
<strong>Braunschweig</strong> (DFG <strong>Braunschweig</strong>) hat ein<br />
Festakt am 17. Juni 2011 in der Dornse des<br />
Altstadtrathauses in <strong>Braunschweig</strong> das Besondere<br />
und das Begeisterungsfähige des<br />
deutsch-französischen Verhältnisses deutlich<br />
gemacht.<br />
Die seit 2004 amtierende Präsidentin der<br />
<strong>Braunschweig</strong>er DFG Gisela Brackhahn<br />
konnte viele Freunde und Förderer begrüßen,<br />
u. a. die Bürgermeisterin Friederike<br />
Harlfi nger, die Bundestagsabgeordnete Dr.<br />
Carola Reimann und den Ehrenbürger der<br />
Stadt <strong>Braunschweig</strong> Friedrich Theodor<br />
Kohl, der zum ersten gewählten Vorstand<br />
der Gesellschaft gehörte. Die <strong>Braunschweig</strong>er<br />
DFG gehört zu einem Netzwerk von<br />
etwa 130 Gesellschaften in ganz Deutschland.<br />
Ein wichtiger Grund, auch den Präsi-<br />
52 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
denten der VDFG (Vereinigung Deutsch-<br />
Französischer Gesellschaften für Europa<br />
e.V.) Gereon Fritz in die Stadt Heinrichs des<br />
Löwen einzuladen.<br />
Bürgermeisterin:<br />
„Freundschaft fördert Verständigung.“<br />
Bürgermeisterin Friederike Harlfi nger erinnerte<br />
in ihrem Grußwort an den Beitrag<br />
der DFG zur Völkerverständigung, aber<br />
auch an die Städtepartnerschaft der Stadt<br />
<strong>Braunschweig</strong> mit der Stadt Nìmes aus<br />
Frankreich, die ebenfalls 1961 bzw. 1962<br />
ins Leben gerufen wurde, seitdem vielfältige<br />
Begegnungen ermögliche und das gegenseitige<br />
Verständnis fördere.<br />
VDFG Präsident:<br />
„Zur Freundschaft gehört Offenheit.“<br />
Gereon Fritz sagte, dass es zu einer Freundschaft<br />
gehöre, auch Kontroverses – wenn<br />
zum Beispiel „Sand im Getriebe“ sei – offen<br />
zur Sprache zu bringen, um Klärung zu<br />
schaffen. „Man zankt und hinterher verträgt<br />
Amtsgerichtspräsident a. D. Peter Brackhahn, Bürgermeisterin Friederike Harlfi nger, Domprediger<br />
Joachim Hempel sowie Dr. Annette Boldt-Stülzebach vom <strong>Braunschweig</strong>er Kulturinstitut (v. l .n. r.).
man sich wieder“, sagte der VDFG Präsident.<br />
Die Politik müsse die Chancen, die die<br />
Gesellschaften eröffneten, wahrnehmen,<br />
damit sie selbst nicht „wurzellos“ würde.<br />
Deutschlandexperte:<br />
„Freundschaft hat sich entwickelt.“<br />
Auf diesen Gedanken wies auch der Festredner<br />
Prof. Dr. Henri Menudier von der<br />
Universität Sorbonne Nouvelle Paris hin. Der<br />
Politikwissenschaftler, der zum Thema „Le<br />
couple franco-allemand – Quo vadis?“<br />
sprach, sagte, dass nicht nur Vertreter der<br />
Politik und der Wirtschaft für das deutschfranzösische<br />
Verhältnis wichtig seien, sondern<br />
auch die Vertreter der Zivilgesellschaft<br />
bzw. der DFG, „um dem Verhältnis ein<br />
menschliches Gesicht zu geben.“ In seinem<br />
historischen Rückblick zeigte der Deutschlandexperte<br />
aus Paris auf, dass die Freundschaft<br />
nicht von selbst gekommen ist. In<br />
den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
gehörte zur französischen Politik die<br />
„Sicherheit vor Deutschland“ und die „Ablehnung<br />
der deutschen Einheit.“ Erst der die<br />
„Hinweise auf Europa und auf den Frieden“<br />
in der Präambel des Grundgesetzes, die „Vision<br />
eines geeinten Europas“ von Robert<br />
Schumann im Jahr 1950, die bis heute aktuell<br />
geblieben sei und der deutsch-französische<br />
Freundschaftsvertrag (Élysée- Vertrag)<br />
aus dem Jahr 1963, der die Zusammenarbeit<br />
institutionalisiert habe, sowie insbesondere<br />
das Engagement des damaligen Bundeskanzlers<br />
Konrad Adenauer hätten die<br />
entscheidenden neuen Grundlagen gelegt.<br />
„Herausforderungen der<br />
Freundschaft.“<br />
Heute sei auf politischer Ebene die Zusammenarbeit<br />
schwierig geworden. Frankreichs<br />
Präsident Nikolas Sarkozy und Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel, die den Zweiten Weltkrieg<br />
selbst nicht erlebt haben, seien unterschiedliche<br />
Persönlichkeiten: Sarkozy „extravertiert<br />
und nervös“, Merkel „introvertiert<br />
und beherrscht“. Beide seien jedoch „Macht-<br />
menschen und Pragmatiker“: „Visionen sind<br />
beiden unbekannt“, meinte der Politikwissenschaftler<br />
feststellen zu können. Darüber<br />
hinaus gehöre zu den Schwierigkeiten des<br />
Verhältnisses die unterschiedlichen Strukturen:<br />
Frankreich als zentralistischer Staat und<br />
Deutschland als ein Staat, der auf 16 Länder<br />
Rücksicht nehmen müsse. Spannungen zwischen<br />
beiden Staaten hätte es gegeben wegen<br />
der Fragen der Zusammenarbeit mit<br />
den Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes<br />
2007/ 2008 („Sarkozy musste nachgeben.“),<br />
der Nuklearpolitik („Deutschland hat<br />
keine deutsch-französischen Gespräche geführt.“),<br />
in der Libyen-Politik („Frankreich<br />
hat sich bei der Unterstützung der Aufständischen<br />
zunächst nicht mit Deutschland abgestimmt;<br />
Deutschland hat sich im UN-Sicherheitsrat<br />
der Stimme enthalten.“).<br />
„Freundschaft muss sich bewähren.“<br />
Aber nicht nur Deutschland wirke wie ein<br />
„Wirtschaftsriese“, der zugleich „politischer<br />
Zwerg“ sei. Auch die Europäische Union<br />
müsse noch die Vision einer politischen Union<br />
wahr werden lassen. Zur zukunftsorientierten<br />
Zusammenarbeit gehörten u. a. die<br />
Frage des Umgangs mit den islamischen<br />
Staaten, eine gemeinsame Sicht der Geschichte,<br />
ein besserer Ausgleich der Macht<br />
in der EU, um die Bedeutung der EU in der<br />
Welt zu stärken, eine engere Zusammenarbeit<br />
mit Polen, eine neue Mittelmeerpolitik,<br />
eine europäische Sicherheitspolitik. Dass es<br />
bei einem Freundschaftsverhältnis nicht nur<br />
um politische Bildung und einen wissenschaftlichen<br />
Dialog geht, sondern auch um<br />
etwas Kulturelles und ganz Menschliches,<br />
zeigten Pompilia Lemperle (Gesang) und<br />
Burkhard Bauche (Piano), die mit ihren musikalischen<br />
Beiträgen, die deutschen Herzen<br />
und Köpfe mit französischem Temperament<br />
und Charme im emotionalen und künstlerischem<br />
Sturm eroberten. Auch diese Begeisterung<br />
stärkt und erneuert eine Freundschaft,<br />
die etwas Kostbares bleibt.<br />
Burkhard Budde<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
53
„Aus der Vergangenheit lernen,<br />
um sie nicht zu vergessen!“<br />
Von einer Studienreise nach Auschwitz/Birkenau bereichtet Erika Ulrich<br />
„Aus der Vergangenheit lernen, um sie<br />
nicht zu vergessen“, das war keine leichte<br />
Aufgabe. 21 Personen im Alter von 14 bis<br />
78 Jahren stellten sich dieser Aufgabe und<br />
diesem Thema unter Leitung von Pastor<br />
Dirk Westphal sowie Lutz U. Jordan, der<br />
sein Fachwissen, Ortskenntnisse und Beziehungen<br />
in Polen gerne an uns weiter gab.<br />
Pastor Dirk Westphal schrieb im Gemeindebrief<br />
(Nr. 87) zu dieser Reise: „Darum bin<br />
ich sehr dankbar für einen jeden, der sich<br />
dieser Fahrt stellt und den Blick nicht abwendet,<br />
sondern hinschaut, um zu lernen,<br />
um zu wachsen, um zu verändern und<br />
wachsam zu sein. Manchmal muss man<br />
das, was man eigentlich nicht glauben<br />
kann mit eigenen Augen sehen, um sich<br />
den Realitäten zu stellen, denn sehr treffend<br />
hat einmal ein damaliger Zeitzeuge<br />
der nationalistischen Zeit von sich gesagt:<br />
„Ich wusste es, aber ich konnte es nicht<br />
glauben. Also wusste ich es nicht!“<br />
Das Konzentrationslager Birkenau war das<br />
größte deutsche Vernichtungslager wäh-<br />
54 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Rampe von Birkenau<br />
rend der Zeit des Nationalsozialismus. Es<br />
wurde 1941 drei Kilometer entfernt vom<br />
Stammlager Auschwitz 1 gebaut und befand<br />
sich nahe der in Auschwitz umbenannten<br />
Stadt Oswecim. In Birkenau wurden<br />
etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet.<br />
Der Name Auschwitz wurde zum Symbol<br />
für den Holocaust. In Auschwitz-Birkenau<br />
nahm die SS im September 1941 die ersten<br />
Vergasungen vor. Später (1944) wurden<br />
hier bis zu 24.000 Menschen täglich getötet<br />
und verbrannt.<br />
Wir waren am Tatort – und waren erschüttert,<br />
jeder auf seine Art und Weise. Man<br />
hatte sich gut durch unterschiedliche Materialien<br />
für diese Reise nach Auschwitz-Birkenau<br />
vorbereitet gehabt, aber da gewesen<br />
zu sein, an den Orten des Schreckens,<br />
war – ja wie soll ich es ausdrücken –<br />
manchmal geradezu gespenstig, unheimlich.<br />
Man begriff erst jetzt sehr deutlich,<br />
welche Schrecken, welche Grausamkeiten<br />
dort geschehen sind.
Über dem Eingangsportal zum Stammlager<br />
Auschwitz steht der Satz: „Arbeit macht<br />
frei“; der Mensch war nichts mehr wert.<br />
KZ Auschwitz<br />
Das KZ Auschwitz gehört seit 1979 zur<br />
Unesco-Liste des Weltkulturerbes und führte<br />
dort zunächst den Namen „Konzentrationslager<br />
Auschwitz“.<br />
Um eine Identifi kation mit seiner Lage in<br />
Polen auszuschließen, beschloss das Weltkulturkomitee<br />
2007, die offi zielle Bezeichnung<br />
in „Auschwitz-Birkenau – deutsches<br />
nationalsozialistisches Konzentrationslager<br />
und Vernichtungslager (1940 – 1945)“ abzuändern.<br />
Gleichzeitig wurde ein Text zur<br />
besonderen Bedeutung des Lagers verabschiedet.<br />
Der Text am Denkmal im Vernichtungslager<br />
Birkenau, das 1967 auf Initiative<br />
des internationalen Auschwitz Komitees errichtet<br />
wurde, lautet:<br />
„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der<br />
Verzweifl ung und Mahnung an die<br />
Menschheit. Hier ermordeten die Nazis<br />
über anderthalb Millionen Männer, Frauen<br />
und Kinder. Die meisten waren Juden aus<br />
verschiedenen Ländern Europas.“<br />
Am Abend nach unserem Besuch in Auschwitz<br />
hatten wir die Begegnung mit einem<br />
Zeitzeugen. Herr Smoleen ist 94 Jahre alt.<br />
Er hat Auschwitz-Birkenau überlebt. Nach<br />
seiner Befreiung 1945 studierte er Jura und<br />
trat als Zeuge auf in den Auschwitz-Prozessen<br />
in Frankfurt am Main. Herr Smoleen<br />
sagte unter anderem: „Die Aufnahmeprozedur<br />
trennte den Häftling brutal von seiner<br />
Lebensgeschichte, entwertete seine<br />
Vergangenheit mit einem Schlag und programmierte<br />
ihn zum Lagerinsassen. Der<br />
Raub aller Besitztümer war ein materieller<br />
und symbolischer Verlust. Der Raub des Eigennamens<br />
gehört zu den tiefgreifendsten<br />
Verstümmelungen des Selbst.<br />
Das KZ Auschwitz-Birkenau war das einzige<br />
KZ, wo jeder Häftling eine Nummer eintätowiert<br />
bekam. Auch die Kinder bekamen<br />
eine Nummer eintätowiert.“<br />
Er sagte weiter: „Er verspüre keinen Hass<br />
auf die Täter, aber vergeben könne er<br />
nicht. Von den Opfern lebe bald niemand<br />
mehr. Darum nehme er all seine Kraft zusammen<br />
und erzähle von damals. Gerade<br />
junge Leute sollten das hören um nicht zu<br />
vergessen. So etwas darf nie wieder geschehen.“<br />
Vernichtungslager Birkenau<br />
Birkenau kann man nicht beschreiben, man<br />
muss dort gewesen sein. Nach der offi ziellen<br />
Führung durch das Lager fuhren wir am<br />
Nachmittag noch einmal dort hin. Herr Jordan<br />
hatte für alle Reiseteilnehmer eine rote<br />
Rose besorgt. Wir überlegten nicht lange.<br />
Wir waren uns alle einig die Blumen in der<br />
Kinderbaracke nieder zu legen. Die vielen<br />
Kinder, die dort umgebracht worden sind,<br />
man kann es in Worten nicht wieder geben.<br />
Pastor Dirk Westphal hielt an diesem<br />
Ort eine Andacht und jeder von uns legte<br />
mit einem stillen Gebet eine Rose in einer<br />
der Kojen ab. Jeder hatte Tränen in den<br />
Augen. Dieser Tag endete für uns alle in<br />
gedrückter Stimmung, der Eine still in sich<br />
gekehrt, ein Anderer sprach es emotional<br />
aus, was er empfand. Es brauchte viel<br />
Kraft, um die Sinnlosigkeit des Geschehens<br />
zu begreifen. Birkenau war der absolute<br />
Wahnsinn des Völkermordes.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
55
Jugendbegegnungsstätte<br />
Die internationale Jugendbegegnungsstätte<br />
(IJBS) in Oswiecim/Auschwitz entstand 1986<br />
aus einer Initiative der Aktion Sühnezeichen<br />
und der Unterstützung der Stadt Oswiecim,<br />
dank der Einsatzbereitschaft vieler Menschen<br />
und Institutionen aus Deutschland<br />
und Polen, die an dem Prozess der deutschpolnischen<br />
Versöhnung und des christlichjüdischen<br />
Dialogs beteiligt waren.<br />
Die Arbeit der IJBS beruht auf zwei Säulen:<br />
– Auschwitz war eine zu schmerzliche Erfahrung<br />
für die Menschheit als dass<br />
man sie vergessen könnte<br />
– Aus der Geschichte lassen sich für die<br />
Zukunft von uns allen Lehren ziehen<br />
Auch das VW-Werk Wolfsburg ist an der<br />
IJBS fi nanziell beteiligt. Jährlich fahren etwa<br />
60 Auszubildende nach Auschwitz. Sie<br />
nehmen an Seminaren in der IJBS teil und<br />
arbeiten im Museum Auschwitz. Während<br />
unseres Aufenthaltes dort, wurden wir von<br />
einem jungen Mann aus Österreich betreut.<br />
Er machte in Auschwitz seinen Ersatzzivildienst.<br />
In seiner Rede 1993 in Jerusalem<br />
sagte der ehemalige österreichische Bundeskanzler<br />
Franz Vranitzky:<br />
56 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
„Jede Generation muss sich der Schrecken<br />
einer vergangenen Zeit bewusst werden,<br />
um mitbauen zu können an einer Welt des<br />
Friedens und der Achtung der Menschenrechte.<br />
Das Projekt „Gedenkdienst“ dient<br />
dieser wichtigen Aufgabe der Bewusstseinsbildung<br />
im Sinne des Wortes „Niemals<br />
Vergessen!“<br />
Wir haben diese Reise in die Vergangenheit<br />
bewusst erlebt und als sehr wichtig empfunden,<br />
Auschwitz-Birkenau mit eigenen<br />
Augen gesehen zu haben. Ziel unserer Reise<br />
war: „Aus der Vergangenheit lernen, um<br />
sie nicht zu vergessen!“<br />
Wir haben mit etlichen Menschen, Verwandten,<br />
Bekannten und Freunden über<br />
unsere Eindrücke von Auschwitz-Birkenau<br />
gesprochen. Betroffen war jeder, jeder unterschiedlich<br />
auf seine Art und Weise. Darum<br />
möchte ich meinen Bericht schließen<br />
mit Worten von Pastor Dirk Westphal aus<br />
dem Begleitheft zu unserer Reise: „Das<br />
wichtigste Gebet an der Schwelle von<br />
Auschwitz ist – Schweigen.“ Schweigen –<br />
Hören – Suchen. Die Stimme von Auschwitz.<br />
Die Stimme des eigenen Herzens. Die<br />
Stimme des Anderen. Die Stimme Gottes.<br />
Erika Ulrich<br />
Diakonische Schwester des <strong>Marienstift</strong>s<br />
„Trotzdem…“<br />
„Es ist ein Wunder, dass ich nicht alle Erwartungen aufgegeben habe,<br />
denn sie scheinen absurd und unausführbar. Trotzdem halte ich an<br />
ihnen fest, trotz allem, weil ich noch immer an das Gute im Menschen<br />
glaube.“<br />
Anne Frank, eigentlich Annelies Marie Frank<br />
War ein jüdisches Mädchen, das in Deutschland geboren kurz vor dem Kriegsende<br />
dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fi el.<br />
* 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main (Hessen), Deutschland<br />
† März. 1945 in Bergen (Niedersachsen), Deutschland
Unser Krankenhaus<br />
Die Dienstleistungen im Überblick<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Auch das Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist eine besondere Welt. Es braucht immer etwas<br />
Zeit, um sich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Doch ein Patient wird bald erfahren,<br />
wie viele Menschen sich um seine Genesung und um sein Wohlbefi nden bemühen.<br />
Angestrebt wird eine bestmögliche medizinische und pfl egerische Versorgung, aber auch<br />
qualifi zierte seelsorgerliche und soziale Angebote sowie wichtige Dienst- und Serviceleistungen<br />
werden gemacht.<br />
Zum Krankenhaus gehören:<br />
Der Pfl egedienst (Leitung: Monika Gr<strong>ev</strong>elt)<br />
Die Innere Klinik (Leitung: Dr. Rainer Prönneke).<br />
Die Palliativstation (Leitung: Dr. Simone Giller).<br />
Die Chirurgische Klinik (Leitung: Dr. Reinhold Mäueler).<br />
Die Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen<br />
(Leitung: Dr. Niels Benatar).<br />
Die Klinik für Anästhesie (Leitung: Dr. Jan Halatek und Dr. Udo R. Schwippel).<br />
Frauenklinik Eben-Ezer mit Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
(Leitung: Dr. Branko Milkanovic).<br />
Alle Mitarbeiter des <strong>Marienstift</strong>es arbeiten auf der Grundlage einer christlichen Grundordnung.<br />
Dazu zählen folgende Verhaltensgrundsätze:<br />
Jeder soll vorurteilslos beachtet und geachtet werden.<br />
Jeder soll herzlich und freundlich aufgenommen werden.<br />
Jeder soll in Liebe behandelt und zur Liebe befähigt werden.<br />
Jeder soll Achtung und Ehrfurcht vor Gewissensentscheidungen anderer haben.<br />
Jeder soll ehrlich und aufrichtig um gemeinsame Lösungen und um Versöhnung ringen.<br />
Jeder soll seine persönliche Mitverantwortung wahrnehmen.<br />
Wir hoffen, dass sich in der Nächstenliebe Gottesliebe ereignet.<br />
Der Vorstand<br />
Dr. Burkhard Budde Ralf Benninghoff Angela Tiemann<br />
Vorsitzender<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
57
Aufnahme in unserem Krankenhaus<br />
Normalerweise erfolgt die Aufnahme über eine Einweisung eines Hausarztes.<br />
Im Notfall werden kranke Menschen selbstverständlich auch ohne Einweisung versorgt.<br />
Bei Bestellung eines Krankentransportdienstes kann jeder Betroffene sein gewünschtes<br />
Krankenhaus nennen.<br />
Das Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist rund um die Uhr an allen Tagen der Woche<br />
geöffnet und aufnahmebereit.<br />
In Absprache mit anderen Krankenhäusern in <strong>Braunschweig</strong> wird zusätzlich in der Zeit<br />
von Dienstag 16.30 Uhr bis Mittwoch früh 8.00 Uhr eine spezielle Aufnahmezeit für alle<br />
Notfallpatienten in <strong>Braunschweig</strong> vorgehalten.<br />
In der Regel erfolgt in der Inneren Klinik die Untersuchung und Aufnahme in der Aufnahmeeinheit<br />
auf der Station M 1 im Erdgeschoss (24 Stunden Telefonbereitschaft: Tel.<br />
05 31 / 70 11 -200).<br />
Der diensthabende Arzt ist über die Information in der Eingangshalle<br />
(24 Stunden) erreichbar Tel. 0531 / 70110.<br />
Ärztliche Behandlung<br />
58 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Wir möchten,<br />
dass Sie bald<br />
wieder gesund<br />
werden. Wir<br />
Ärzte tun alles,<br />
was in ihren<br />
Kräften steht,<br />
um Ihnen zu<br />
helfen.<br />
Der Arzt ist gern bereit, Fragen zu Ihrer<br />
Erkrankung und deren Behandlung<br />
während der täglichen Visiten<br />
oder auch nach Vereinbarung zu beantworten.<br />
Richtschnur unseres Handels<br />
ist das christliche Leitbild des <strong>Marienstift</strong>es.<br />
Unser Ärztlicher Direktor ist<br />
Dr. Udo R. Schwippel.<br />
Tel.: 05 31 / 70 11 -2 10<br />
Fax: 05 31 / 70 11 -52 10<br />
E-Mail: ur.schwippel@marienstiftbraunschweig.de<br />
Gesundheits- und Krankenpfl ege<br />
Die Pfl egephilosophieorientiert<br />
sich an unseremchristlichenMenschenbild.<br />
Wir sind bemüht,Kranken-<br />
pflege pfl ege als ganzheitlic<br />
ganzheitlichen Prozess zu<br />
verwirklichen und eine Pfl ege zu erbringen,<br />
die die Beziehung zum Menschen<br />
in den Mittelpunkt stellt. Mit einem<br />
selbst erarbeiteten Pfl egeleitbild haben<br />
wir uns Regeln für unser pfl egerisches<br />
Handeln gegeben. Diese sind für uns<br />
Orientierung und Auftrag zugleich.<br />
Unsere Pfl egedienstleiterin ist<br />
Monika Gr<strong>ev</strong>elt.<br />
Tel.: 05 31 / 70 11 -2 01<br />
Fax: 05 31 / 70 11 -52 01<br />
E-Mail: m.gr<strong>ev</strong>elt@marienstiftbraunschweig.de
Innere Klinik<br />
Leistungsspektrum der Inneren Klinik<br />
Der Patient im Mittelpunkt<br />
Wir verstehen das Krankwerden und Kranksein als eine einschneidende Lebenskrise, die<br />
den Menschen immer als „Ganzes“ trifft. Betroffene brauchen in ihrer geschwächten Lage<br />
einen geschützten und sicheren Raum, den wir aus dem christlichen Selbstverständnis bereit<br />
halten.<br />
Angehörige werden einbezogen<br />
Die Familie und nahe Bezugspersonen sind immer mitbetroffen. Viele leiden mit und tragen<br />
Verantwortung für ihren kranken Angehörigen. Alle Mitarbeiter stehen für Gespräche mit<br />
Angehörigen zur Verfügung, wenn der Patient damit einverstanden ist. Selbstverständlich<br />
beziehen wir Patientenverfügungen in unsere Behandlungsempfehlungen mit ein.<br />
Der Kontakt mit den Hausärzten ist uns wichtig<br />
Es ist häufi g notwendig und sinnvoll, dass wir uns mit dem Hausarzt über die Behandlung<br />
und Versorgung des Patienten abstimmen, weil er ihn in der Regel besser kennt.<br />
Welche Krankheiten werden in der Inneren Klinik behandelt?<br />
Wir stehen für Patienten mit allen Krankheiten aus dem Bereich der Inneren Medizin<br />
zur Verfügung: So werden Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, des Herz-Kreislaufes,<br />
der Lunge, des Stoffwechsels, des Blutes und Infektionen behandelt, auch aus der besonderen<br />
Perspektive des älteren Betroffenen. Ganz speziell befassen wir uns im Rahmen<br />
der Palliativmedizin mit chronischen Schmerzzuständen und schweren Erkrankungen,<br />
bei denen die Linderung im Vordergrund steht.<br />
Folgende Untersuchungen werden in der Inneren Klinik durchgeführt:<br />
Spiegelungen im Endoskopiezentrum von Speiseröhre, Magen, Zwölffi ngerdarm, Darm,<br />
Bronchien, Gallengänge mit Steinentfernung<br />
Anlagen von Magensonden über die Bauchdecke<br />
Untersuchung und Behandlung von Hämorrhoiden<br />
Ultraschalluntersuchungen des Herzens, des Bauches, der Schilddrüse, der Blutgefäße<br />
Schrittmacheranlagen (Einkammer- und Zweikammerschrittmacher) und Kontrollen<br />
alle gängigen Röntgenuntersuchungen<br />
Punktionen und Gewebeprobeabnahmen von Bauchhöhle, Brusthöhle und Organen wie<br />
die Leber<br />
Untersuchungen des Knochenmarks<br />
alle üblichen Laboruntersuchungen<br />
Anlage von Urinkathetern (auch durch die Bauchdecke)<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
59
Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruckmessung<br />
Lungenfunktion<br />
Laktosetoleranztest (Milchsäureunverträglichkeit)<br />
Atemtest auf Magenbakterien (Helicobacter pylori)<br />
Stationen<br />
Intensivstation, Station M 1, M 2, M3 (mit Palliativstation),<br />
Mitbelegung von C 1<br />
Chefarzt<br />
Dr. Rainer Prönneke<br />
60 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Oberarzt<br />
Thomas Edelhoff<br />
Oberärztin<br />
Dr. Simone Giller<br />
Funktionsoberarzt<br />
Jörg Mayer
Das SAPV-Team am<br />
Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es<br />
SAPV bedeutet „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung“.<br />
Das SAPV-Team am Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es ist Bestandteil eines Versorgungsnetzes,<br />
welches sich mit der Verbesserung der Lebensqualität sterbenskranker Menschen befasst.<br />
Dies bedeutet ein Leben und Sterben, möglichst ohne Schmerzen, Luftnot oder Angst in<br />
häuslicher Umgebung zu ermöglichen.<br />
Die Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der letzten Lebensphase seitens der Patientinnen<br />
und Patienten sowie deren Zugehörige sind Leitlinie unseres Handelns.<br />
Gern stehen wir Ihnen für ausführliche Beratungsgespräche zur Verfügung. Bitte vereinbaren<br />
Sie dafür telefonisch einen Termin.<br />
Das Team versteht sich als Kooperationspartner im Gesundheitswesen und will das bereits<br />
bestehende Versorgungssystem aus Haus- und Facharzt, Pfl egedienst und anderen gezielt<br />
unterstützen.<br />
Dies geschieht in Form von Beratung und Koordination, aber auch in der Durchführung von<br />
für die Behandlung rel<strong>ev</strong>anten Verordnungen, die <strong>ev</strong>tl. von den bestehenden Diensten nicht<br />
oder nur durch Praxisanleitung durchgeführt werden können.<br />
Unsere Kooperationspartner sind Hausärzte, Fachärzte, Pfl egedienste, ambulante Hospizdienste,<br />
das stationäre Hospiz, die Palliativstation am Krankenhaus des <strong>Marienstift</strong>es und<br />
andere Krankenhäuser, Apotheken, Seelsorger, Sozialarbeiter und Psychologen.<br />
Unser Angebot stellt für Betroffene ein Versorgungsnetz sicher, das für Wohlbefi nden in<br />
der letzten Lebensphase sorgen kann.<br />
Sie erreichen uns 24 Stunden am Tag, auch an<br />
Sonn- und Feiertagen unter der Notrufnummer<br />
0176 62 88 69 32<br />
Helmstedter Straße 35 · 38102 <strong>Braunschweig</strong><br />
Zimmer 301 und 304<br />
Telefon: 05 31 / 70 11-5050 oder 05 31 / 70 11-5051<br />
Fax: 05 31 / 70 11-5059 Notruf: 01 76 / 62 88 69 32<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
61
Chirurgische Klinik<br />
Schwerpunkte:<br />
Operative Behandlung von Erkrankungen des gesamten Bauchrau mes<br />
Proktologie (Behandlung von Erkrankungen des Analkanals und des Enddarmes)<br />
Schilddrüsenchirurgie<br />
Venenchirurgie<br />
Chirurgie degenerativer Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems<br />
Weichteiltumore<br />
Behandlung von Beckenbodenschwäche und Inkontinenz<br />
Minimal-invasive Chirurgie („Schlüsselloch-Chirurgie“):<br />
Gallenblasenoperation<br />
Dickdarmteilentfernungen bei entzündlichen Erkrankungen und Karzinomen (bösartige<br />
Krebsgeschwulst, sämtliche Stadien, sämtliche Abschnitte des Dickdarmes, vom Blinddarm<br />
bis zum Enddarm)<br />
Wurmfortsatzentfernung<br />
Leistenbruchoperationen<br />
Eingriffe an der Leber<br />
Verwachsungslösungen an Därmen<br />
Zwerchfellbruchoperation<br />
Schilddrüsenoperationen<br />
Besondere Einrichtungen:<br />
Eigene Vorrichtung zur Sonographie (Ultraschalluntersuchung) auch intraoperativ (auch<br />
während der Operation)<br />
Endosonographie des Enddarmes<br />
Koloskopie (Dickdarmspiegelung) einschließlich interventioneller Koloskopie (Polypenabtragung,<br />
Abtragung der Gewulst der Schleimhäute, Dehnung von Darmverengungen)<br />
Spezialsprechstunden:<br />
Proktologie (Enddarmerkrankungen) Di 15.00 – 16.00 Uhr<br />
Beckenbodenschwäche und Inkontinenz Mo 15.00 – 16.00 Uhr<br />
Chefarzt<br />
Dr. Reinhold Mäueler<br />
62 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Oberarzt<br />
Dr. Thomas Wimmer<br />
Oberärztin<br />
Dr. Bettina Kölling
Interdisziplinäres Zentrum<br />
für Kontinenz und Beckenboden<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Kontinenz- und Beckenbodenzentren haben<br />
eine besondere Expertise in der Behandlung<br />
von Stuhl- und Urinhalteschwächen,<br />
sowie von Erkrankungen des Beckenbodens.<br />
Funktionsstörungen der Beckenbodenstrukturen<br />
sind häufi g. In Deutschland leiden<br />
etwa vier Millionen<br />
Menschen an<br />
einer versorgungsbedürftigenHarninkontinenz.<br />
Die<br />
Ur sachen sind dabei<br />
so vielfältig,<br />
wie die Erkrankung<br />
selbst. Oft sind eine<br />
Bindegewebs-<br />
und Beckenbodenschwäche,schwierige<br />
Geburten/ Geburtsverletzungen<br />
oder andere ErkrankungenMitverursa-<br />
cher des Lei dens. In<br />
den meisten Fällen<br />
folgt der Harninkontinenz<br />
ein Rückzug der meist älteren Menschen<br />
aus dem gesellschaftlichen Leben. Dies<br />
stellt häufi g einen Auslöser von schweren<br />
Depressionen dar, die auch das soziale Umfeld<br />
überfordern und oft mit einer Einweisung<br />
in ein Pfl egeheim enden.<br />
Das Zentrum soll Anlaufstelle für alle Patientinnen<br />
und Patienten sein, die unter<br />
Stuhl- und Blasen entleerungs störungen,<br />
sowie Funktionsstörungen des Beckenbodens<br />
leiden und ihnen eine umfassende Betreuung,<br />
von der Diagnostik über die Therapie<br />
bis zur Rehabilitation anbieten und<br />
sie wollen bei den häufi g chronischen Er-<br />
Dr. Branko Milkanovic und<br />
Dr. Reinhold Mäueler (r.)<br />
krankungen auch für die alltägliche Betreuung<br />
in Zusammenarbeit mit den Hausärzten<br />
dasein.<br />
Vielen Betroffenen ist dabei nicht bekannt,<br />
dass die meisten Formen der Inkontinenz<br />
behandelt werden können und nicht eine<br />
lebenslange Last darstellen müssen. Um<br />
dieses Leiden zu lindern, müssen alle präventiven<br />
und therapeutischen sowie pfl egerischenBehandlungsmethoden<br />
zur<br />
Anwendung kommen.<br />
Dafür steht ein<br />
interdisziplinäres<br />
Team an Spezialisten<br />
zur Verfügung,<br />
Ihnen bei der Diagnostik,<br />
Therapie<br />
und Weiterbehandlung<br />
Ihres Leidens,<br />
möglichst in Zusammenarbeit<br />
mit<br />
Ihren betreuenden<br />
Ärzten (Hausarzt,<br />
Frauenarzt) weiterzuhelfen.<br />
In unserem Haus haben wir Krankenschwestern,<br />
die speziell für die Mitbetreuung<br />
von Patienten mit Beckenbodenerkrankungen<br />
und Blasen- und Mastdarm schwäche<br />
ausgebildet sind. Ebenso haben unser<br />
Physiotherapeuten eine entsprechende Expertise.<br />
Herzliche Grüße<br />
Dr. Reinhold Mäueler Dr. Branko Milkanovic<br />
Chefarzt Chefarzt<br />
Chirugische Klinik Frauenklinik Eben-Ezer<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
63
Diagnostische Möglichkeiten<br />
in der Chirurgie:<br />
Anale Manometrie – Duckmessung im<br />
Bereich des Analkanales und des Enddarmes.<br />
Prokto-/Rektoskopie – Spiegelung des<br />
Analkanales und des Enddarmes.<br />
Endosonographie – Ultraschalluntersuchung<br />
von Analkanal und Enddarm.<br />
Coloskopie – Spiegelung des gesamten<br />
Darmes.<br />
In Zusammenarbeit mit Radiologen:<br />
Defäkographie – radiologische Darstellung<br />
der Funktion des Enddarmes.<br />
Magnetresonanztomographie – kernspintomographische<br />
Darstellung der<br />
Funktion von Enddarm und Analkanal.<br />
Therapie:<br />
Hämorrhoidenoperation.<br />
Entfernung von Tumoren des Analkanals<br />
und des Rektums.<br />
Operation von Perianalfi steln und -abszessen<br />
Operative Behandlung des Enddarmvorfalles<br />
(mit und ohne Baucheröffnung).<br />
Operation am Schließmuskel (Naht von<br />
Rissen, Raffung).<br />
Bald: Sakrale Nervenstimulation.<br />
64 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Diagnostische Möglichkeiten<br />
in der Frauenklinik:<br />
Urogynäkologische Sprechstunde/<br />
ärztliche Kontinenzsprechstunde in der<br />
Gynäkologie nach Voranmeldung mit<br />
Überweisung Ihres Frauenarztes montags<br />
vormittags<br />
Urodynamik – Druckmessung der Blase<br />
und Harnröhre<br />
Cystoskopie – Spiegelung der Harnblase<br />
Urogynäkologische Sonografi e – Dynamische<br />
Ultraschalluntersuchung von<br />
Harnblase und Harnröhre<br />
MRT – Kernspintomografi sche Darstellung<br />
der Funktion des Beckenbodens<br />
Therapie<br />
Konservative Therapiemöglichkeiten mittels<br />
Beckenbodentraining oder Biofeedbacktraining<br />
Medikamentöse Therapie<br />
Operation von Senkungszuständen<br />
am Beckenboden<br />
Spezielle Operationen der Harninkontinenz<br />
(z. B. TVT-Band-Einlage)<br />
– Gemeinsame Sprechstunde am Montag 15 bis 16 Uhr –<br />
Kontakt: Annette Frasca, Telefon: 0531 / 7011 5570,<br />
E-Mail: kontinenzzentrum@marienstift-braunschweig.de, Mo. bis Fr. 8 bis 17 Uhr
Frauenklinik Eben-Ezer<br />
Geburtshilfe:<br />
Familienorientierte Geburtshilfe unter Berücksichtigung insbesondere der persönlichen<br />
Wünsche der werdenden Mütter<br />
Möglichkeit der ambulanten Geburt<br />
Möglichkeit der Wassergeburt<br />
Vaginale Entbindung bei Beckenendlage<br />
Versuch der äußeren Wendung bei Beckenendlage/Querlage<br />
Hebammensprechstunde<br />
Babytreff (Mütter und Neugeborene)<br />
Akupunktur und Homöopathie<br />
Softlasertherapie oberfl ächlicher Wunden (Brustentzündung)<br />
Geburtshilfl iche Kurse<br />
Frauenheilkunde:<br />
Schwerpunkt mikroinvasive Chirurgie („Knopfl ochtechnik“), z. B. Ovarialcysten, Gebärmutterentfernung<br />
Vaginale Gebärmutterentfernung<br />
Konservative Behandlung, z. B. Eierstockentzündung<br />
Urogynäkologische Diagnostik (Untersuchung bei Blasenfunktionsstörungen sowie Senkungszuständen)<br />
sowie konservative und operative Therapie (z. B. TVT-O, Tension-free<br />
Vaginal Tape, Band zur Stabilisierung der mittleren Harnröhre)<br />
Operationen zur Beckenbodenrekonstruktion, auch unter Einsatz von Kunststoffnetzen<br />
Gynäkologische Krebs-Chirurgie<br />
Mamma Chirurgie (Brustchirurgie)<br />
Lasertherapie<br />
Behandlung von Beckenbodenschwäche und Inkontinenz<br />
Chefarzt<br />
Dr. Branko Milkanovic<br />
Oberärztin<br />
Gülhan Celikkaya<br />
Oberärztin<br />
Dr. Janine Kreiss-Sender<br />
Oberärztin<br />
Dr. Judith Bollmann<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
65
Klinik für Handchirurgie<br />
und angeborene Handfehlbildungen<br />
Leistungsspektrum<br />
Unser Angebot umfasst die gesamte ausschließlich elektive Handchirurgie, d. h. die planbaren<br />
und nicht notfallmäßigen Operationen an der Hand:<br />
Die konservative bzw. operative Behandlung von erworbenen Erkrankungen an der<br />
Hand und an der oberen Extremität, alle Nervenkompressionssyndrome (Nervenengpässe),<br />
Tendovaginitiden (Sehnenscheidenentzündungen), Weichteil- und Knochentumore,<br />
die Dupuytrenschen Kontraktur, Arthrosen im Handgelenk (Gelenkverschleiß) und an der<br />
Hand,<br />
und die konservative bzw. operative Behandlung von posttraumatischen, nach einer Verletzung<br />
auftretenden Folgezuständen an der Hand und an der oberen Extremität, auch<br />
durch aufwendige Sekundärrekonstruktionen mit Knochen-, Sehnen-, Nerventransplantationen<br />
und Sehnenumlagerungen.<br />
Unser besonderer überregionaler Schwerpunkt ist die konservative bzw. operative Behandlung<br />
und langjährige Nachsorge von Kindern mit angeborenen Handfehlbildungen.<br />
Chefarzt<br />
Dr. Niels Benatar<br />
66 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Oberärztin<br />
Dr. Silke Juras
Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin<br />
und Schmerztherapie<br />
Vom Leitenden Arzt Dr. Udo R. Schwippel<br />
In der Anästhesiologischen Klinik unterscheiden wir „Anästhesiologie – Intensivmedizin –<br />
Schmerztherapie.“<br />
Anästhesiologie (Schmerzbetäubung)<br />
Zunächst sind wir für die anästheologische Betreuung und Versorgung der zu operierenden<br />
Patienten zuständig.<br />
Dies beinhaltet zum einen die Risikoabschätzung eines jeden Patienten einschließlich der<br />
notwendigen Voruntersuchungen als auch ein ausführliches anästhesiologisches Gespräch.<br />
Auf Grund dieses Vorgesprächs entscheidet der Anästhesist, welche Art der Narkose für<br />
den Patienten geeignet ist, so dass er dann möglichst mit dem geringsten Risiko und ein<br />
höchstmögliches Maß an Komfort anästhesiologisch versorgt und betreut werden kann.<br />
Zur Anwendung kommen bei uns heute alle in der modernen Anästhesie üblichen Techniken<br />
wie z. B. die Total Intravenöse Anästhesie (TIVA), die Inhalationsanästhesie (ITN) in der<br />
Low- bzw. Minimal-Flow-Technik, komplizierte Anästhesi<strong>ev</strong>erfahren und regionale Anästhesiemethoden.<br />
Alle Anästhesi<strong>ev</strong>erfahren werden auf einem hohen Sicherheits- und Überwachungsniveau<br />
durchgeführt. So kommen bei größeren operativen Eingriffen bzw. bei Hochrisiko-Patienten<br />
neben den „normalen“ nicht invasiven Überwachungsmethoden auch invasive Verfahren<br />
wie die direkte Blutdruck- und Herzleistungsmessung zur Anwendung. Durch die kontinuierliche<br />
Registrierung von Hirnstromkurvenableitungen (EEG) kann eine zusätzliche Optimierung<br />
der Anästhesietiefe erreicht werden.<br />
Die anästhesiologische Betreuung unserer Patienten hört nicht mit dem Ende der Operation<br />
bzw. Narkose auf, sondern wird durch die Betreuung im „Aufwachraum“ fortgesetzt. Hier<br />
kann der Patient seine Vitalfunktion unter kontrollierten Rahmenbedingungen wiedererlangen,<br />
so dass er hiernach ohne Risiko auf eine normale Pfl egestation verlegt werden kann.<br />
Sollten sich im Verlauf der postoperativen Überwachungsphase Unregelmäßigkeiten einstellen,<br />
kann der Patient auf unserer operativen Intensivstation jederzeit ebenso weiter betreut<br />
werden – wie Patienten, die nach großen operativen Eingriffen zur Überwachung und Wiedererlangung<br />
ihrer Vitalfunktionen direkt auf der Intensivstation aufgenommen werden.<br />
Intensivmedizin<br />
Auf der Intensivstation können unsere Patienten entsprechend ihres Grundleidens weiter überwacht<br />
bzw. behandelt werden. Hier kann auf Grund der vorhandenen intensivmedizinischen<br />
Überwachungs- und Diagnosemethoden rechtzeitig das Krankheitsbild erkannt und entsprechend<br />
den uns intensivmedizinisch zur Verfügung stehenden Methoden behandelt werden.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
67
Schmerztherapie<br />
Die dritte Säule der anästhesiologischen Arbeit bildet die Schmerztherapie. Sie umfasst<br />
nicht nur die Maßnahmen, die in Verbindung mit den akut postoperativ auftretenden Operationsschmerzen<br />
zu tun hat, sondern auch die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten<br />
im Krankenhaus einschließlich der schmerztherapeutisch fl ankiert betreuten palliativmedizinischen<br />
Patienten.<br />
Patienten, die während ihres stationären Aufenthaltes im <strong>Marienstift</strong> schmerztherapeutisch<br />
behandelt wurden, können sich im Anschluss der Krankenhausbehandlung in unserer<br />
Schmerzambulanz Rat holen und gegebenenfalls behandeln lassen.<br />
In der Schmerzambulanz kommen bei uns neben der klassisch medikamentösen Schmerztherapie<br />
auch periphere rückenmarksnahe und zentrale Nervenblockaden als auch alternative<br />
schmerztherapeutische Verfahren zur Anwendung (Neural- und manuelle Therapie, verschiedene<br />
Akupunkturtechniken, die klassische Störfeldtherapie mit Austestung homöopathischer<br />
Schadstoffbelastungen und Unverträglichkeiten).<br />
In den Bereich der Schmerztherapie fällt außerdem auch die anästhesiologische Betreuung<br />
der entbindenden Patientinnen im Kreissaal. Hier können sie die so genannte patientenkontrollierte<br />
Schmerzausschaltung mittels Periduralanästhesie (Walking-PDA) zur Erlangung einer<br />
schmerzarmen Geburt wahrnehmen.<br />
Die Leitenden Ärzte der Klinik verfügen über eine umfangreiche Weiterbildung im Bereich<br />
der ausgeführten Therapie- und Diagnos<strong>ev</strong>erfahren und sind zur Weiterbildung im Fach für<br />
Anästhesiologie für drei Jahre und im Bereich der anästhesiologischen Intensivmedizin für<br />
ein Jahr ermächtigt.<br />
Im Rahmen der täglich durchgeführten Anästhesiesprechstunde können sich auch die Patienten<br />
über die durchgeführten Behandlungsmethoden informieren und einen Einblick in<br />
die Abläufe eines Behandlungsfalles erhalten.<br />
Ltd. Arzt<br />
Dr. Udo Schwippel<br />
68 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Ltd. Arzt<br />
Dr. Jan Halatek, DB<br />
Oberarzt<br />
Wilfried Metzger<br />
Oberarzt<br />
Arne Twelmeier
Beleg- und Honorarärzte des Krankenhauses<br />
Belegarzt des Krankenhauses<br />
Dr. Andreas Bodlien<br />
Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,<br />
Plastische Operationen<br />
Member of EAFPS (European Academie of Facial Plastic Surgery)<br />
Tel.: 05 31 / 12 59 93<br />
Belegarzt des Krankenhauses<br />
Dr. Erich Koch<br />
Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Chirotherapie<br />
Tel.: 05 31 / 4 52 78<br />
Internet: www.mein-hno-braunschweig.de<br />
Belegarzt des Krankenhauses<br />
Dr. Marc Kassuhn<br />
Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />
Tel.: 05 31 / 12 59 93<br />
Belegarzt des Krankenhauses<br />
Dr. Wolfgang Schwartz<br />
Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde<br />
Tel.: 05 31 / 79 92 79<br />
Homepage: www.hno-schwartz.de<br />
E-Mail: info@hno-schwartz.de<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. Ralf Lorenz<br />
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
Tel.: 05 31 / 1 60 24<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
69
70 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. Bernd Roloff<br />
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
Tel.: 05 31 / 4 56 86<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. André Szczes<br />
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
Tel.: 05 31 / 4 94 98<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. Wolfgang Fiedler<br />
Facharzt für Orthopädie<br />
Tel.: 05 31 / 4 10 14<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. Tobias Gräber<br />
Facharzt für Orthopädie<br />
Tel.: 05 31 / 4 10 14<br />
Honorararzt des Krankenhauses<br />
Dr. Martin Heimberg<br />
Facharzt für Orthopädie<br />
Tel.: 05 31 / 4 10 14
Soziale Verantwortung der Unternehmen<br />
Diskussion über die Bedeutung von Stiftungen<br />
Mit Frankfurt am Main verbinden viele Menschen<br />
„Macht, Geld und Ruhm“, aber auch<br />
die „Wiege der Demokratie“ sowie „Kunst-,<br />
Kultur- und Bankenmetropole.“ Für die Altstipendiaten<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
e.V.(KAS) aus ganz Deutschland, die vom 2.<br />
bis 5. Juni in dieser Stadt ihre Jahrestagung<br />
durchführten, war und ist Frankfurt „Knotenpunkt<br />
für Kaiser, Kultur und Kommerz.“<br />
Aber welche Rolle können Stiftungen in diesem<br />
Spannungsfeld spielen? Eine Podiumsdiskussion<br />
in den neuen Zwillingstürmen der<br />
Deutschen Bank suchte eine Antwort.<br />
Unternehmerbürgertum<br />
Jens Michael Otte von der Deutschen Bank<br />
AG, Leiter Öffentlicher Sektor Deutschland,<br />
sagte „Stiftungen sind Ausdruck des Unternehmerbürgertums,<br />
das eine Gesellschaft<br />
unbedingt braucht.“ Diplom-Kaufmann Michael<br />
Münch, Leiter „Gesellschaftliche Verantwortung“<br />
von der Deutschen Bank, ergänzte:<br />
„Unsere Stiftung hat im Jahr 2010<br />
100 Mio. Euro in die Gesellschaft investiert,“<br />
was natürlich auch den Interessen<br />
des Unternehmens diene.<br />
Soziale Verantwortung<br />
Der Frankfurter Unternehmer Senator Professor<br />
Carlo Giersch erinnerte an die soziale<br />
Verantwortung der Unternehmen. Es<br />
gehe nicht darum, sich ein Denkmal zu setzen,<br />
vielmehr Mitarbeitern eine Zukunft zu<br />
geben und wichtige Aktivitäten für die Ent-<br />
wicklung einer Stadt und des Gemeinwesens<br />
zu unterstützen. In der Stadt Franfurt<br />
mit ihren 680 000 Einwohnern gebe es allein<br />
10 000 Menschen , die jährlich über<br />
300 000 Euro verdienten. Auch sie könnten<br />
gezielt und konkret helfen, nicht nur die<br />
400 ansässigen Frankfurten Stiftungen.<br />
Mehr Bildung<br />
Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige<br />
Forschungsminister Prof. Dr. Heinz Riesenhuber<br />
ermutigte, „in die Politik zu gehen<br />
und nicht nur mit Leidenschaft über die Politik<br />
zu reden.“ Die Gesellschaft brauche vor<br />
allem mehr Bildungs- und Forschungsangebote.<br />
Denn mangelnde Intelligenz könne<br />
man auch durch mehr Geld nicht ersetzen.<br />
Anstiften zum Selbststiften<br />
Professor Dr. Klaus Ring, Präsident der Polytechnischen<br />
Gesellschaft in Frankfurt, betonte<br />
die Notwendigkeit des Anstiftens zum<br />
Selbststiften. Eine frühe Hinführung zur Bildungsfähigkeit<br />
zum Beispiel durch Sprachförderung<br />
von Kindern sei zu stärken. Der<br />
Staat mache viel, entdecke aber dennoch<br />
nicht viel Neues. Stiftungen suchten die Lücken,<br />
in denen etwas geschehen müsse.<br />
Deutlich wurde: Nicht nur Altstipendiaten<br />
der KAS können ein Kompetenz-Netzwerk<br />
und eine Vielfalt von Wissen und Erfahrungen<br />
bilden, sondern auch die über 18 000<br />
Stiftungen in ganz Deutschland.<br />
Beim Empfang der Landesregierung; in der Mitte der ehemalige Präsident des Europaparlaments<br />
und jetzige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering.<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
71
Spuren der Liebe mitten im Alltag<br />
Vertrauen als Schlüssel<br />
Die Liebe bleibt stets ein letztes Geheimnis.<br />
Dennoch können mitten im Leben Spuren<br />
der Liebe entdeckt werden. Als unvergängliche<br />
Mitte und schöpferische Urquelle<br />
allen Lebens ermöglicht und schafft sie<br />
neues Leben.<br />
Der Schlüssel zur Liebe ist das Vertrauen.<br />
Vertrauen<br />
Die Spur des Grund-Vertrauens: Vertrauen<br />
kann durch Vertrautes wachsen, wenn erfahrbar<br />
wird, dass zum Beispiel eine Person<br />
vorurteilsfrei und verständnisvoll, aufrichtig<br />
und verschwiegen, zuverlässig und glaubwürdig<br />
ist. Bei Transparenz und Kommunikation,<br />
Kompetenz und Menschlichkeit<br />
wird ein Vorschuss an Vertrauen leichter<br />
ge währt.<br />
Verantwortung<br />
Die Spur der letzten Verantwortung: Vertrauen<br />
kann durch Verantwortung wachsen,<br />
wenn erfahrbar wird, dass zum Beispiel<br />
eine Person, der man vertraut, antworten<br />
kann, für was sie sich persönlich<br />
wem gegenüber und letztlich vor welcher<br />
Instanz verantwortlich weiß. Jeder, der eine<br />
Teilverantwortung trägt, ist auch Träger einer<br />
gewissen Gesamtverantwortung. Und<br />
jeder, der für das Ganze verantwortlich ist,<br />
hat auch eine Verantwortung für ein gewisses<br />
Teil. Im Zweifelsfall steht jedoch die<br />
Gesamtverantwortung vor der Teilverantwortung.<br />
Vernunft<br />
Die Spur der Ur-Vernunft: Vertrauen kann<br />
durch Vernunft wachsen, wenn erfahrbar<br />
wird, dass zum Beispiel eine Person nachdenklich<br />
und (selbst-)kritisch, informiert<br />
und wissend ist, eine Unterscheidungs-<br />
72 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
und Urteilskraft hat und sich damit mündig<br />
und unabhängig verhält, die Vernunft<br />
zur Vernunft bringen kann. Die gebildete<br />
Vernunft legt ein Veto ein, wenn schwärmerische<br />
oder erkaltete Gefühle, Neid-,<br />
Rache- oder Angstgefühle die Person zur<br />
Unvernunft verführen wollen oder Werturteile<br />
nicht stimmig und nicht folgerichtig<br />
sind.<br />
Versöhnung<br />
Die Spur der göttlichen Versöhnung: Vertrauen<br />
kann durch Versöhnung wachsen,<br />
wenn erfahrbar wird, dass zum Beispiel<br />
eine Person lernfähig und lernbereit ist,<br />
sich glaubwürdig entschuldigen und verzeihen<br />
kann, die unverlierbare Würde sowie<br />
die Gleichwertigkeit aller achtet und<br />
die Unvollkommenheit sowie Vergänglichkeit<br />
aller beachtet. Die versöhnte Verschiedenheit<br />
ermöglicht unterschiedliche Neuanfänge<br />
und weiß um die Notwendigkeit<br />
personen- und situationsbezogener Lösungen.<br />
Die Triebfeder des Dankens im Blick auf<br />
die geschenkte Ebenbildlichkeit/Würde<br />
ermöglicht das Leben; die des Denkens<br />
im Blick auf die Geschaffenheit bewusstes<br />
Leben; die des Wollens im Blick auf<br />
die Gemeinschaftsfähigkeit gezieltes Leben;<br />
die des Fühlens im Blick auf die<br />
Menschlichkeit ganzheitliches Leben bis<br />
diese Entwicklung sich in der Glückseligkeit<br />
und der unverdienbaren, grenzenlosen<br />
und bedingungslosen Liebe Gottes<br />
vollendet.<br />
Denn „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe<br />
bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“<br />
(1 Joh 4,16)<br />
Burkhard Budde
Spuren der Liebe<br />
Von Dr. Burkhard Budde<br />
fühlen<br />
danken denken<br />
VERTRAUEN<br />
VERSÖHNUNG VERANTWORTUNG<br />
LIEBE<br />
VERNUNFT<br />
wollen<br />
<strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
73
Über das „Mitbauen Gottes“<br />
„Neue Tür zum Leben“<br />
NISI DOMINUS FRUSTA. So<br />
lautet die Inschrift auf dem<br />
historischen Portal über der<br />
Eingangstür des Diakonischen<br />
Werkes in Riddagshausen.<br />
Wörtlich übersetzt<br />
bedeutet die Inschrift aus<br />
dem Jahr 1591 “Wenn nicht<br />
/ der Herr / Vergeblich.“ Diese<br />
Worte erinnern an den<br />
Psalm 127, Vers 1: „Wenn<br />
nicht der Herr das Haus<br />
baut, so mühen sich umsonst,<br />
die daran bauen.“<br />
Diese biblische Botschaft war auch Anknüpfungspunkt, Grundlage und Zielvorgabe<br />
der Predigt von Dr. Lothr Stempin, die er im Gottesdienst zu seiner Verabschiedung in<br />
der Klosterkirche in Riddagshausen am 10. Juni 2011 hielt.<br />
„Wie weit reicht unser Vermögen und Tun, wo setzt Gottes Handeln ein?“ fragte der<br />
Prediger. Der Beter des Psalms – „ein Wanderer und Hirte, der sesshaft geworden ist“<br />
– sei sich gewiss, dass das Bauen, Hüten und Tun des Menschen nicht in der Gottesferne<br />
geschehe, sondern dass „der Heilige stets da ist.“<br />
Der unbekannte Bauherr im Jahre 1591 – das Portal gehörte ursprünglich zum Zugang<br />
eines <strong>Braunschweig</strong>er Bürgerhauses – habe offensichtlich das „Hin- und Her“<br />
von Bürgerstolz über das menschliche Gelingen und notwendiger Demut für das<br />
göttliche Geschenk des Gelingens zum Ausdruck bringen wollen.<br />
Viele Menschen würden heute, so Lothar Stempin, das „Mitbauen Gottes“ nicht<br />
wahrnehmen oder von ihm reden. Die „autonome Vernunft“ habe „fl exible Menschen“<br />
geschaffen: Meinungen würden wie das Hemd gewechselt. Vernünftig sei,<br />
was sich rechne. Die Hautsache sei, dass Geld in die Kassen komme. Die Unentschlossenheit<br />
sei ein Merkmal der Gesellschaft. Man wasche sich lieber die Hände in<br />
Unschuld und wolle die Folgen nicht begreifen.<br />
Die „neue Tür zum Leben“ jedoch öffne sich von selbst. Gott stehe neben uns. „Und<br />
in dieser Zuversicht kann man Fragen und Widersprüche aushalten,“ sagte Stempin.<br />
Dann werde sich auch die „segnende Gegenwart Gottes“ einstellen.<br />
Der Prediger schloss mit dem Wunsch, dass das Diakonische Werk zu einem Ort der<br />
Barmherzigkeit werde, weil Barmherzigkeit die Kulturkraft sei, die die Liebe und<br />
Freundschaft der Menschen wecke.<br />
74 <strong>doppelpunkt</strong> 3/ 2011<br />
Inschrift am Eingangsportal des Diakonischen Werkes.
„Leben leben“<br />
Leben leben<br />
Atem verspüren<br />
von Burkhard Budde<br />
mit Bildern von<br />
Marie-Luise Schulz<br />
Denkanstöße<br />
04.03.2011 9:13:24 Uhr<br />
„Suchen und Finden“<br />
Burkhard Budde<br />
Suchen<br />
und<br />
Finden<br />
Christliche Werte bewegen<br />
mit Bildern von<br />
Marie-Luise Schulz<br />
Das Buch „Leben leben“ kann im <strong>Marienstift</strong> für 5,00 Euro bestellt werden; das Buch<br />
„Suchen und Finden“ für 4,50 Euro.<br />
Sekretariat des Vorstandsvorsitzenden, Heike Otto, Tel: 0531 7011-304, Fax: 0531<br />
70115304, E-Mail: vorstand.direktor@marienstift-braunschweig.de