Carnevalis

schlurfte. Sein Gang wirkte gebrechlich und gezeichnet von
Gliederschmerzen. Thea fürchtete, dass er wohl schon bei
der nächsten Unachtsamkeit hinfallen könnte. Sein Begleiter
schlenderte langsam hinter ihm her, und auch der Mann mit
der Trekkingjacke schien den gleichen Heimweg zu haben.
Thea kramte ihr Handy hervor, die Notrufnummer abrufbereit.
Zaghaft nahmen sie die Verfolgung auf, hielten stets
einen angemessenen Abstand zum Alten. Dieser bog in die
nächste Seitenstrasse ein, vorbei an der Rückseite einer weiss
getünchten Kirche und dem angrenzenden Hof. Er erwiderte
den Gruss eines Passanten und blieb kurz stehen. Es schien,
als nutze er den Unterbruch, um frische Kräfte zu sammeln.
Da drehte er sich überraschend um.
Thea fühlte sich ertappt. Verlegen schmiegte sie sich an
Kerstins Ledermantel. Auch Kerstin wankte. Thea hatte sie
auf dem falschen Fuss erwischt, und zwang sie zu einem Ausfallschritt.
Der Alte hatte die beiden Jugendlichen sicherlich
bemerkt. Er festigte den Griff um seinen Stock und ging
bedächtig weiter. Kerstin spürte, wie Thea aufatmete. Doch
da war noch etwas anderes. Kerstin geriet ins Grübeln. Die
Situation war aus einem weiteren Grund sonderbar gewesen.
Sie hatte aus dem Augenwinkel noch etwas anderes registriert.
Sie liess die letzten fünf Sekunden noch einmal Revue
passieren: Der Alte hatte sich also umgedreht, Thea war
abrupt stehen geblieben und sie selbst wäre fast gegen eine
Mauer gekippt. Soweit war alles schlüssig. Aber da war noch
eine andere Bewegung. Fast synchron sozusagen, wie eine
Verdoppelung. Sie reflektierte die Situation nochmals: Sie
sah den Alten mit dem verdriesslichen Blick. Das war die erste
Bewegung. Thea war die zweite. Und die dritte? Kerstin
blinzelte und fasste nun den Mann hinter dem Alten genauer
ins Auge. Der Kragen seiner Trekkingjacke war so weit hoch
geschlagen, dass sie nur die obere Hälfte seines Hinterkopfes
sah. Dieser Mann hatte ebenfalls reagiert. Ist das möglich?
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