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KOMpass – Ausgabe 13/2016

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SOZIALDEMOKRATISCHER COUP<br />

GEGEN DIE WERKTÄTIGEN<br />

FRANKREICHS<br />

Der seit Anfang März anhaltende Widerstand gegen<br />

das sozialreaktionäre Arbeitsrechtspaket der französischen<br />

Regierung entwickelte sich zum größten<br />

Arbeitskampf des Landes seit Jahren.<br />

Mit den mächtigen gewerkschaftlichen Aktionstagen, die Hunderttausende<br />

auf die Straßen Frankreichs gegen den Frontalangriff<br />

der Regierung mobilisierten, setzten die Gewerkschaften<br />

umgehend ein kraftvolles Zeichen gegen diesen Affront und<br />

nahmen die Arbeitenden und Massen der „Grande Nation“ den<br />

Kampf auf. Aus diesen Märztagen ging zugleich die vorrangig<br />

von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragene Protestbewegung<br />

„Nuit Debout“ („die Nacht über wach sein“) hervor, die<br />

sich gegen die Vorzeichen „mehr arbeiten, weniger verdienen,<br />

leichter entlassen werden“ quer über das Land entspann. Fortgeführt<br />

mit hunderten Großkundgebungen, Demonstrationen<br />

und Streikaktionen in ganz Frankreich, erhöhte allem voran der<br />

kampferprobte, linke „Allgemeine Gewerkschaftsbund“ CGT<br />

den Druck gegen die Arbeitsrechtsnovelle mit einem Reigen<br />

weiterer landesweiter Aktionstage. Mit der Bestreikung des öffentlichen<br />

Nah- und Fernverkehrs, der Raffinerien und Atomkraftwerke<br />

sowie gezielten Blockaden von Treibstoffdepots, Hafenzufahrten<br />

und wichtigen Verkehrsknotenpunkten hat sich die<br />

Auseinandersetzung um die geplante Arbeitsmarktreform zum<br />

härtesten Arbeitskampf des Landes der letzten Jahre entwickelt.<br />

Ein Kampf ums Eingemachte<br />

Ein Kampf, in dem es allerdings in der Tat ums Eingemachte<br />

geht. Das von Staatspräsident Francois Hollande und seinem<br />

Premier Manuel Valls mit aller Macht forcierte Arbeitsrechtspaket<br />

wurde vom Vorsitzenden der an der Spitze des Widerstands<br />

stehenden CGT, Philipe Martinez zurecht als eine „Rückkehr<br />

ins 19. Jahrhundert“ charakterisiert:<br />

Die einst schwer errungene 35-Stunden-Woche soll per<br />

arbeitsrechtlichen Neuregelungen unterminiert resp. defacto<br />

geschliffen werden<br />

eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf bis zu<br />

60 Std. <strong>–</strong> in Ausnahmefällen sogar 72 Std. <strong>–</strong> durchgesetzt<br />

werden<br />

der 12-Stunden-Tag Einzug halten<br />

der Kündigungsschutz soll „zur Sicherung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit“ gelockert werden<br />

betriebsbedingte Kündigungen deutlich erleichtert werden<br />

per betrieblichen Vereinbarungen die Löhne zur<br />

„Sicherung der Arbeitsplätze“ auch unter das Niveau des<br />

gesetzlichen Mindestlohns gesenkt werden können<br />

die finanziellen Abfindung bei Massenkündigungen<br />

sollen in ihrer Höhe drastisch zugunsten der Unternehmer<br />

gedeckelt werden<br />

die bisherigen obligatorischen Ruhezeitregelungen<br />

zwischen Schichten fallen<br />

die Einführung neuer prekärer Arbeitsverträge forciert<br />

werden …<br />

Last but not least aber soll vor allem der Einfluss der Gewerkschaften<br />

zurückgedrängt werden und unter der Doktrin des<br />

Gesetzesartikels „Umkehrung der Hierarchie der Normen“<br />

Vereinbarungen auf Betriebsebene hinkünftig den Vorrang vor<br />

Branchen- und Flächenkollektivverträgen, ja sogar vor dem Arbeitsgesetz<br />

erhalten.<br />

Daran ändern auch die aufgrund des massiven gesellschaftlichen<br />

Drucks partiellen „homöopatische Korrekturen“ (Martinez)<br />

in Details nichts. Mit diesem Radikalumbau der Arbeitsrechtsgestaltung<br />

wird die etablierte Rangordnung ‚Arbeitsrechtsgesetze<br />

<strong>–</strong> Kollektivverträge <strong>–</strong> Betriebsvereinbarung’ geradezu<br />

auf den Kopf gestellt, die Kollektivvertragsvereinbarungen<br />

unterlaufen bis gänzlich ausgehebelt und das in historischen<br />

Kämpfen errungene französische Arbeitsgesetz zur Makulatur<br />

degradiert. „Jedem Unternehmen sein eigenes Arbeitsrecht!“,<br />

brachte es ein Kommentator auf den Punkt.<br />

Dieser, weitgehend die Handschrift des Unternehmerverbandes<br />

MEDEF tragende bzw. seinem Forderungskatalog entstammende<br />

sowie auf die damit im Gleichklang verlaufenden „Empfehlungen“<br />

der EU-Kommission an Paris zum „Europäischen Semester“<br />

zurückgehende, Text ist für die CGT sonach denn auch<br />

„nicht verbesserungsfähig“; „er gehört zurückgezogen.“<br />

Auf Biegen und Brechen<br />

Zur Durchsetzung dieser Arbeitsrechtsderegulierung und Billiglohnstrategie<br />

sind den sozialdemokratischen Eliten an der<br />

Seine allerdings alle Mittel recht. So schaltete Regierungschef<br />

Valls angesichts der breiten Protestwelle, wie fraglichen Mehrheit<br />

in den eigenen Parlamentsreihen, und um die rund 5.000<br />

Abänderungsanträge abzuwehren, in Rückgriff auf den Ermächtigungsartikel<br />

49, Absatz 3 der französischen Verfassung<br />

kurzerhand das Parlament aus und verabschiedet die Arbeitsmarktreform<br />

in erster Lesung per Dekret. Eine Verfassungskeule,<br />

die es dem Premier einmal pro Amtszeit erlaubt Gesetzesvorhaben<br />

ohne Parlamentsabstimmung zu verabschieden.<br />

In enger Symbiose mit dem MEDEF wird die neoliberale Konter-Novelle<br />

so, koste es was es wolle, durchgeboxt. „Das Gesetz<br />

zur Arbeitsreform wird nicht zurückgezogen und in seinen<br />

8 <strong>KOMpass</strong>

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