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WERKSTÜCK 2017

Dritte Ausgabe der Firmenzeitung mit dem Namen "Werkstück 2017"

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Wie funktioniert der Alltag und was sind die<br />

größten Herausforderungen?<br />

Es gibt viele Barrieren – die größte von allen ist wohl die Kommunikationsbarriere.<br />

Seien es Arztbesuche, Einkäufe oder<br />

Zugfahrten – die Verständigung erweist sich oftmals als äußerst<br />

schwierig. Für Behördengänge oder ähnliche Sachen gibt es zum<br />

Glück GebärdensprachdolmetscherInnen. Ohne diese Personen<br />

wäre ein Zugang zur Gesellschaft wohl kaum möglich.<br />

Manchmal dolmetscht auch meine älteste Tochter für mich.<br />

Meine drei Kinder haben keine Hörschädigung. Gehörlosigkeit<br />

kann vererblich sein, muss es aber nicht.<br />

Das Miteinander<br />

macht den Erfolg<br />

In Österreich leben etwa 10.000 Gehörlose, 450.000<br />

sind von einer Hörbehinderung betroffen.<br />

Gehörlose möchten als vollwertige Menschen<br />

angenommen werden und wünschen sich mehr<br />

Akzeptanz, jedoch ist der Alltag geprägt von Hindernissen<br />

und Herausforderungen, die nicht immer leicht zu<br />

meistern sind.<br />

Während die Kommunikation unter gebärdenden Gehörlosen<br />

kein Problem darstellt, ist die Unterhaltung mit Hörenden in<br />

der Regel anstrengend und kann für beide Seiten verunsichernd<br />

sein. Oftmals kapseln sich die Gehörlosen dadurch ab – ganz<br />

unwillkürlich entsteht eine Gruppenbildung. Um diesen Problemen<br />

entgegenzuwirken und eine Symbiose zwischen Hörenden<br />

und Gehörlosen zu schaffen, hat man sich dazu entschlossen,<br />

für interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – besonders<br />

für jene, die eng mit Gehörlosen zusammenarbeiten – einen<br />

Anfängerkurs für Gebärdensprache anzubieten.<br />

Insgesamt sind in der Geschützten Werkstätte Tirol dreizehn<br />

Gehörlose Menschen beschäftigt, davon fünf weibliche und<br />

acht männliche, dies entspricht rund fünf Prozent des gesamten<br />

Mitarbeiterstandes. Eine respektvolle und adäquate Kommunikation<br />

zwischen hörenden und gehörlosen MitarbeiterInnen im<br />

Arbeitsalltag erleichtert die Zusammenarbeit und fördert das<br />

Arbeitsklima.<br />

Bei der Gebärdensprache handelt es sich um ein ausgeklügeltes<br />

System aus Zeichen und Gesichtsausdrücken. Mariya Menner,<br />

selbst seit Geburt an taub und Mutter von drei hörenden<br />

Kindern, unterrichtet seit 2011 Gebärdensprache an der Volkshochschule.<br />

Mariyas Mann, Markus, arbeitet seit 2013 in der GW<br />

Tirol Standort Vomp. Markus ist Tischler und sehr zufrieden mit<br />

seinem Arbeitsplatz in der GW Tirol. Demzufolge war Mariya<br />

von dem Angebot, einen Gebärdensprachkurs direkt vor Ort in<br />

der Geschützten Werkstätte abzuhalten, sofort begeistert.<br />

Dieser Kurs wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

so gut angenommen, dass für das Frühjahr <strong>2017</strong> ein weiterer<br />

Block geplant ist. Zwei MitarbeiterInnen haben sich sogar für<br />

den Fortgeschrittenenkurs angemeldet.<br />

Mariya schenkt uns einen Einblick in ihre zwar stumme, trotzdem<br />

aber bunte und lebensfrohe Welt.<br />

Du bist Gebärdensprachlehrerin. Warum<br />

sollte jeder einen solchen Kurs machen?<br />

Das ist schnell erklärt: Um die Kommunikation zu vereinfachen.<br />

Viele Menschen glauben, wir können von den Lippen ablesen,<br />

aber leider funktioniert das nur zum Teil. Worte, wie z.B. Mutter<br />

und Butter, kann man nicht unterscheiden, was leider häufig zu<br />

Missverständnissen führt.<br />

Ich hatte großes Glück, denn leider haben nur wenige Menschen<br />

ohne Gehör Chancen, sich zu bilden oder gar zu studieren.<br />

Aufgrund der sprachlichen Barriere gibt es kaum Ausbildungsmöglichkeiten.<br />

Hier besteht wirklich Handlungsbedarf.<br />

Was hat dich dazu bewogen, Kurse zu geben?<br />

Da ich seit Geburt an gehörlos bin, ist die Österreichische Gebärdensprache<br />

– ÖGS – meine Muttersprache. Diese möchte ich<br />

gerne möglichst vielen Menschen weiter vermitteln. Das Unterrichten<br />

an der Volkshochschule macht mir riesengroßen Spaß.<br />

Es ist nicht ganz einfach, Gebärdensprache zu lernen. Um alles<br />

exakt zu beherrschen, benötigt man etwa drei Jahre.<br />

Was bedeutet Entwicklung und Modernisierung<br />

für Gehörlose?<br />

Soziale Netzwerke wie Internet, Facebook, WhatsApp usw. sind<br />

für uns Gehörlose nicht mehr wegzudenken. Doch Entwicklung<br />

und Innovation bringen nicht nur Dynamik, sondern auch Gefahren<br />

mit sich. Nicht alle Neuerungen sind ideal für Gehörlose.<br />

Ich denke da z.B. an Elektroautos – einerseits freut man sich über<br />

geräuscharme und umweltschonende Fahrzeuge, andererseits<br />

waren PKWs für Menschen mit geringen bis mittelgradigen<br />

Hörschädigungen noch wahrzunehmen, doch Elektroautos<br />

sind auch für diese Personen keinesfalls hörbar und somit eine<br />

versteckte Gefahr.<br />

Was wünschst du dir für die Zukunft?<br />

Es hat sich in den letzten Jahren erstaunlich viel getan, doch<br />

leider stellen Gehörlose immer noch eine Minderheit dar. Mein<br />

Wunsch für die Zukunft ist Akzeptanz, Toleranz und Respekt,<br />

denn nur das Miteinander macht den Erfolg.<br />

v.l.n.re. Melanie Leitner, Mariya Menner<br />

v.l.n.re. Christa Bischofer, Hildegund Wallner, Rosi Kupfner<br />

Rene Ulrich<br />

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WIR 27

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