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Personal aktuell im öffentlichen Dienst

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Ausgabe 11/2017<br />

PERSONAL <strong>aktuell</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

Wichtige Informationen und Urteile für <strong>Personal</strong>verantwortliche in Ämtern und Behörden<br />

Arbeitsministerin Andrea Nahles<br />

hat endlich den bereits seit langem<br />

versprochenen Gesetzesentwurf für<br />

befristete Teilzeit vorgelegt. Dieser<br />

räumt teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern<br />

einen Rückkehranspruch<br />

in Vollzeit ein. Ich hoffe, dass das<br />

Gesetzesvorhaben nicht dem Bundestagswahlkampf<br />

zum Opfer fällt,<br />

sondern alsbald umgesetzt wird.<br />

Denn bisher gilt für viele Beschäftigte<br />

in Deutschland leider <strong>im</strong>mer noch<br />

„einmal Teilzeit, <strong>im</strong>mer Teilzeit“.<br />

Zwar sieht § 11 TVöD/TV-L ausdrücklich<br />

die Möglichkeit vor, die<br />

Teilzeitbeschäftigung bis zu einer<br />

Dauer von 5 Jahren zeitlich zu befristen.<br />

Dies gilt aber ausweislich der<br />

Tarifvorschrift nur dann, wenn der<br />

Beschäftigte mindestens ein minderjähriges<br />

Kind oder einen pflegebedürftigen<br />

sonstigen Angehörigen<br />

tatsächlich betreut oder pflegt.<br />

Aus meiner Sicht darf aber auch die<br />

Geltendmachung des gesetzlichen<br />

Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG<br />

nicht dazu führen, dass sich der Beschäftigte<br />

in einer Teilzeitfalle wiederfindet,<br />

aus der es für ihn kaum<br />

ein Entrinnen gibt.<br />

Daher mein Appell an die Bundesregierung:<br />

Handeln Sie zügig!<br />

Mit besten Grüßen<br />

Prof. Dr. Boris Hoffmann<br />

Autor<br />

Endlich<br />

Schluss mit der<br />

Teilzeitfalle<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

Welche Änderungen Sie ab<br />

sofort bzw. ab dem 01.01.2018<br />

<strong>im</strong> Mutterschutzrecht<br />

beachten müssen<br />

Am 30.03.2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Neuregelung des<br />

Mutterschutzrechts beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, den bestmöglichen<br />

Gesundheitsschutz für schwangere und stillende Frauen zu gewährleisten.<br />

Die Änderungen auf einen Blick<br />

Längere Schutzfristen (ab sofort)<br />

✓✓4 Monate Kündigungsschutz bei Fehlgeburten nach der<br />

12. Schwangerschaftswoche<br />

✓✓Erweiterung der Schutzfrist auf 12 Wochen nach Geburten von<br />

Kindern mit Behinderung<br />

✓✓Schülerinnen<br />

✓✓Studentinnen<br />

Erweiterung des Mutterschutzes (ab 01.01.2018)<br />

✓✓Freiwilligendienstleistende<br />

✓✓arbeitnehmerähnliche Personen <strong>im</strong> Sinne des EU-Rechts<br />

Hinweis! Zum 01.01.2018 gilt auch für Beamtinnen das gleiche Mutterschutzniveau,<br />

wie es für andere Beschäftigte nach dem MuSchG gilt.<br />

IN DIESER AUSGABE LESEN SIE<br />

Unter welchen Voraussetzungen Sie bei einer beharrlichen Unterschreitung<br />

des zulässigen Gleitzeitsaldos kündigen können................................ Seite 2<br />

Wann eine „Kettenbefristung“ wegen Verstoßes gegen § 242 BGB<br />

rechtsunwirksam ist........................................................... Seite 3<br />

<strong>Dienst</strong>liche Beurteilungen müssen hinreichend <strong>aktuell</strong> sein...................... Seite 4<br />

Wie Sie rechtssicher prüfen, ob die Voraussetzungen einer ordentlichen<br />

verhaltensbedingten Kündigung vorliegen..................................... Seite 5<br />

Was Sie bei einem amtsärztlichen Gutachten berücksichtigen müssen............ Seite 7


Unter welchen Voraussetzungen Sie bei einer<br />

beharrlichen Unterschreitung des zulässigen<br />

Gleitzeitsaldos kündigen können<br />

Flexible Arbeitszeitsysteme steigern häufig die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter. Leider führen Verstöße gegen die<br />

zu beachtenden Arbeitszeitrichtlinien <strong>im</strong>mer wieder zu Konflikten zwischen den betroffenen Beschäftigten und<br />

dem Arbeitgeber. Regelmäßig sehen <strong>Dienst</strong>vereinbarungen „gleitende Arbeitszeitregelungen“ vor. Um Ihren Beschäftigten<br />

eine gewisse planerische Freiheit einzuräumen, geben Sie diesen lediglich einen gewissen zeitlichen<br />

Rahmen vor (sogenanntes Zeitsaldo). Innerhalb dieses Rahmens können Ihre Beschäftigten grundsätzlich unter<br />

Berücksichtigung der dienstlichen Belange eigenverantwortlich disponieren. Das LAG Hamburg hatte sich in seiner<br />

Entscheidung vom 20.11.2016, Az.: 5 Sa 19/16, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die beharrliche Unterschreitung<br />

der zulässigen Zahl von Mindeststunden eine außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) des Arbeitsverhältnisses<br />

rechtfertigen kann.<br />

Der Fall: Der Kläger war tariflich ordentlich unkündbar<br />

(vgl. § 34 Abs. 2 TVöD/TV-L). Die geltende <strong>Dienst</strong>vereinbarung<br />

zur gleitenden Arbeitszeit sah ein max<strong>im</strong>ales<br />

Zeitsaldo von 20 Minus- und 40 Plusstunden vor. Zudem<br />

waren darüber hinausgehende kurzfristige Überschreitungen<br />

des zeitlichen Saldos in Absprache mit dem Vorgesetzten<br />

<strong>im</strong> Einzelfall möglich. Der Kläger wurde wegen<br />

unterschiedlicher Vertragsverstöße, unter anderem wegen<br />

verspäteten <strong>Dienst</strong>antritts bzw. vorzeitiger <strong>Dienst</strong>beendigung<br />

sowie vorzeitigen Verlassens des Arbeitsplatzes, in<br />

der Vergangenheit mehrfach abgemahnt. Trotz diverser<br />

Ermahnungen wies das Gleitzeitsaldo des Klägers zuletzt<br />

insgesamt 59 Minusstunden aus. Eine Abmahnung wegen<br />

der Minusstunden erfolgte allerdings nicht. Die gegen die<br />

daraufhin ausgesprochene außerordentliche Kündigung<br />

erhobene Kündigungsschutzklage hatte letztlich keinen<br />

Erfolg.<br />

Die Entscheidung: Das LAG Hamburg führt in seinen<br />

Entscheidungsgründen aus, dass die Beklagte den Kläger<br />

<strong>im</strong> Vorfeld der außerordentlichen Kündigung bereits<br />

mehrfach „einschlägig“ abgemahnt habe, da alle Abmahnungen<br />

Vertragsverstöße des Klägers gegen dessen<br />

Hauptleistungspflicht beträfen. Zudem sei der Verstoß<br />

gegen die Arbeitspflicht, der zu den steigenden Minussalden<br />

auf dem Arbeitskonto führte, als schwerwiegende<br />

Vertragspflichtverletzung zu qualifizieren. Der Kläger<br />

hätte zudem das Minussaldo durch „einfache“ Mehrarbeit<br />

wieder abbauen können. Zudem sei er hierzu von<br />

der Beklagten auch mehrfach aufgefordert worden. Dementsprechend<br />

sei das Vertrauensverhältnis zwischen den<br />

Vertragsparteien endgültig zerstört. Die ausgesprochene<br />

außerordentliche Kündigung sei damit gerechtfertigt<br />

und entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die<br />

Kündigungsschutzklage sei damit abzuweisen.<br />

Fazit für Sie: Der der Entscheidung des LAG Hamburg<br />

zugrunde liegende Kündigungsgrund ist der von der arbeitsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe<br />

der sogenannten „beharrlichen Arbeitsverweigerung“<br />

zuzuordnen. Eine Kündigung aus diesem Grund setzt<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf das Merkmal der Beharrlichkeit grundsätzlich<br />

eine vorherige Abmahnung voraus. Zwar hat das<br />

LAG Hamburg die Kündigungsschutzklage mit Hinweis<br />

auf die Gleichartigkeit der abgemahnten Pflichtverstöße<br />

abgewiesen. Um sich allerdings keinem unnötigen Prozessrisiko<br />

auszusetzen, rate ich Ihnen, den unzulässigen<br />

Negativsaldo auf dem Arbeitszeitkonto regelmäßig vor<br />

Ausspruch einer Kündigung zunächst abzumahnen. Erfolgt<br />

anschließend keine zeitnahe Reduzierung des Arbeitszeitsaldos,<br />

können Sie das Arbeitsverhältnis unbedenklich<br />

kündigen.<br />

IMPRESSUM<br />

PERSONAL <strong>aktuell</strong> <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Dienst</strong> (PaöD)<br />

Wichtige Informationen und Urteile für <strong>Personal</strong> verantwortliche in<br />

Ämtern und Behörden<br />

ISSN 1863–0626, PVSt: G 72177<br />

Verleger: BWRmed!a, ein Unter nehmens bereich der VNR<br />

Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG<br />

Theodor-Heuss-Str. 2–4, 53095 Bonn<br />

Telefon: 0 22 8 / 9 55 04 99<br />

Telefax: 0 22 8 / 36 96 480<br />

E-Mail: kundendienst@bwrmedia.de<br />

Sitz: Bonn, AG Bonn, HRB 8165<br />

Vorstand: Guido Ems, Helmut Graf, Frederik Palm<br />

Herausgeber: Thomas Müller, Bonn<br />

Verantwortlicher Autor:<br />

Prof. Dr. Boris Hoffmann,<br />

Heidenpfuhl 88, 50129 Berghe<strong>im</strong><br />

Produktmanagerin:<br />

Linda Kirfel, Bonn<br />

Satz: DMTS-Service,<br />

Neckarsteinach<br />

Druck: ADN Offsetdruck<br />

Erscheinungsweise: 14-täglich<br />

Bezug: direkt be<strong>im</strong> Verlag und über den Fachhandel<br />

Alle Angaben in PaöD <strong>Personal</strong> <strong>aktuell</strong> <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

wurden mit äußerster Sorgfalt ermittelt und überprüft. Sie<br />

basieren jedoch auf der Richtigkeit uns erteilter Auskünfte<br />

und unterliegen Verän de rungen. Eine Gewähr kann deshalb<br />

nicht übernommen werden.<br />

© 2017 by BWRmed!a, ein Unternehmens be reich der Verlag für die<br />

Deutsche Wirt schaft AG, Bukarest, Johannesburg, London, Madrid,<br />

Manchester, Melbourne, Paris, Warschau<br />

Ihr Zugang zum Online-Bereich: www.<strong>Personal</strong>-öD.de<br />

Seite 2 Viele Vorlagen und Muster sind dort als Download Au s g a bfür e 11/2017 Sie bereitgestellt.


Welche 2 Stränge Sie seit dem 01.01.2017 bei der<br />

Eingruppierung von Beschäftigten beachten müssen<br />

Das Eingruppierungsrecht hat sich <strong>im</strong> Hinblick auf die bis zum 31.12.2016 geltende Rechtslage an einigen Stellen<br />

verändert. Hier gilt es für Sie, besonders aufzupassen. Zum 01.01.2017 wurden die Eingruppierungsmöglichkeiten<br />

für Beschäftigte <strong>im</strong> Büro-, Buchhalterei- sonstigen Innendienst und <strong>im</strong> Außendienst sowie <strong>im</strong> Kassen- und<br />

Rechnungswesen erweitert. In der Entgeltordnung TVöD-VKA sind nun erstmalig Tätigkeitsmerkmale mit Ausbildungsbezug<br />

vorgesehen (Fallgruppe 1). Darüber hinaus ist wie bisher eine Eingruppierung anhand von Tätigkeitsmerkmalen<br />

möglich, die keinen entsprechenden Ausbildungsbezug aufweisen (Fallgruppe 2).<br />

Beide Fallgruppen stehen selbstständig nebeneinander.<br />

Seit dem 01.01.2017 gelten folgende Grundsätze:<br />

Diese Beschäftigten sind in die Entgeltgruppe 5 eingruppiert:<br />

Fallgruppe 1: Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener<br />

Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf<br />

mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 3 Jahren und<br />

entsprechender Tätigkeit (diese Eingruppierungsmöglichkeit<br />

ist neu!)<br />

Fallgruppe 2: Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche<br />

Fachkenntnisse erfordert (gründliche Fachkenntnisse<br />

erfordern nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder<br />

näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen<br />

usw. des Aufgabenkreises)<br />

Hinweis! Anerkannte Ausbildungsberufe sind nach der<br />

Protokollerklärung Nr. 5 Satz 1 Entgeltordnung TVöD-<br />

VKA nur solche, die auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes<br />

bzw. der Handwerksordnung geregelt sind.<br />

Folgende Beschäftigte sind in die Entgeltgruppe 9b eingruppiert:<br />

Fallgruppe 1: Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulbildung<br />

und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige<br />

Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten<br />

und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben<br />

(diese Eingruppierungsmöglichkeit ist neu!)<br />

Fallgruppe 2: Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche,<br />

umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen<br />

erfordert (gründliche, umfassende Fachkenntnisse<br />

bedeuten gegenüber den in der Entgeltgruppen 6 bis<br />

9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen<br />

eine Steigerung der Tiefe und Breite nach).<br />

Hinweis! Ein abgeschlossenes Hochschulstudium liegt<br />

nach der Protokollerklärung Nr. 4 Entgeltordnung TVöD-<br />

VKA vor, wenn von einer Hochschule ein Diplomgrad<br />

mit dem Zusatz „Fachhochschule“ oder ein Bachelorgrad<br />

verliehen wurde. Der Studiengang muss als Zulassungsvoraussetzung<br />

mindestens das Zeugnis der Hochschulreife<br />

und eine Regelstudienzeit von 6 Semestern vorgeschrieben<br />

haben. Er muss zudem ordnungsgemäß akkreditiert<br />

worden sein.<br />

Zusätzliche Ausbildungs- und Prüfungspflicht<br />

Soweit Ihre Mitarbeiter über keine einschlägige Vorbildung<br />

(Ausbildung oder Hochschulstudium) verfügen,<br />

kommt nur eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5,<br />

Fallgruppe 2 oder in die Entgeltgruppe 9, Fallgruppe 2 in<br />

Betracht.<br />

Dies setzt in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern,<br />

Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,<br />

Saarland und Schleswig-Holstein nach der Vorbemerkung<br />

Nr. 7 Abs. 2 Satz 1 Entgeltordnung TVöD-VKA<br />

allerdings zusätzlich voraus, dass Ihre Mitarbeiter einen<br />

Verwaltungslehrgang erfolgreich absolviert haben.<br />

Danach müssen Ihre Mitarbeiter für eine entsprechende<br />

Eingruppierung folgende Prüfungen erfolgreich abgeschlossen<br />

haben:<br />

• für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppen 5 bis<br />

9a den Verwaltungslehrgang 1 und<br />

• für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppen 9b bis<br />

12 den Verwaltungslehrgang 2.<br />

Soweit Sie Rentner weiterbeschäftigen wollen, müssen Sie<br />

ab dem 01.07.2017 die zum Teil neuen Hinzuverdienstgrenzen<br />

beachten.<br />

Für die Vollrente (§ 34 Abs. 2 SGB VI) gilt weiterhin der<br />

Grenzbetrag von 450 € monatlich. Allerdings gilt er ab<br />

dem 01.07.2017 als Jahres-Hinzuverdienstgrenze. Diese<br />

beträgt damit insgesamt 6.300 € <strong>im</strong> Jahr. Der Höchsthinzuverdienst<br />

kann damit künftig sowohl in 12 als auch in<br />

einem Monat überschritten werden.<br />

Bei einer Teilrente ist die Hinzuverdienstgrenze ab dem<br />

01.07.2017 abhängig von der Rentenhöhe und dem höchsten<br />

Verdienst der letzten 15 Jahren (sogenannter „Hinzuverdienstdeckel“).<br />

Besser verdienende Mitarbeiter können<br />

später nach Renteneintritt auch mehr hinzuverdienen.<br />

Au s g a b e 11/2017 Seite 3


Wann eine „Kettenbefristung“ wegen Verstoßes<br />

gegen § 242 BGB rechtsunwirksam ist<br />

Die Rechtsprechung fordert von Ihnen, dass Sie bei der Befristung von Arbeitsverträgen nicht nur die Vorgaben<br />

des § 14 TzBfG beachten. Vielmehr müssen Sie auch in jedem Einzelfall prüfen, ob die Befristung nach den Grundsätzen<br />

des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) rechtsunwirksam ist.<br />

Der Fall: Der Kläger wurde in der Zeit vom 15.10.2007<br />

bis 07.02.2014 an einem städtischen Gymnasium als Vertretungslehrer<br />

<strong>im</strong> Fach Sport beschäftigt. Er wurde während<br />

dieser Zeit in unterschiedlichen befristeten Arbeitsverhältnissen<br />

tätig. Befristungsgrund war regelmäßig<br />

die „Vertretung“ anderer Lehrer. Der klagende Lehrer<br />

reichte am 22.11.2013 und damit vor Ablauf der letzten<br />

Befristung be<strong>im</strong> zuständigen Arbeitsgericht Klage ein.<br />

Im weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren hat er die<br />

Auffassung vertreten, dass zum einen der Sachgrund der<br />

Vertretung <strong>im</strong> Ergebnis gar nicht vorliege. Zum anderen<br />

sei <strong>im</strong> Hinblick auf die Vielzahl der befristeten Arbeitsverträge<br />

davon auszugehen, dass der Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich<br />

gehandelt habe. Dementsprechend sei die<br />

letzte Befristung unwirksam, sodass er auf Dauer unbefristet<br />

weiterbeschäftigt werden müsse. Das BAG hat in<br />

seiner Entscheidung vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 135/15,<br />

den Befristungskontrollantrag des Lehrers abschließend<br />

und rechtskräftig abgelehnt. Die Entscheidungsgründe<br />

des BAG sind auf alle vergleichbaren Fallkonstellationen<br />

und damit auch auf den Bereich der allgemeinen Verwaltung<br />

übertragbar.<br />

Das Urteil: Das BAG führte zunächst aus, dass der Lehrer<br />

die 3-wöchige Frist des § 17 Satz 2 TzBfG in Verbindung<br />

mit § 7 Halbsatz 1 KSchG gewahrt habe. Es sei<br />

nämlich zulässig, eine Entfristungsklage bereits vor Ablauf<br />

der eigentlichen Befristung des Arbeitsvertrags zu<br />

erheben.<br />

Sachgrund für Vertretung liegt vor<br />

Zudem sei die letzte Befristung durch den Sachgrund der<br />

Vertretung <strong>im</strong> Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TzBfG<br />

gerechtfertigt. Der Grund für die Befristung liege in den<br />

Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu<br />

einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem<br />

Rechtsverhältnis stehe und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters<br />

regelmäßig zu rechnen sei. Damit bestehe für die<br />

Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter<br />

obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft<br />

von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis<br />

(BAG, Urteil vom 24.08.2016, Az.: 7 AZR 41/15). Da<br />

der Lehrer aufgrund des zeitlichen Ausfalls einer Mitarbeiterin<br />

befristet eingestellt worden sei, sei die Befristung<br />

des Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG<br />

gerechtfertigt.<br />

Befristung verstößt nicht gegen das Verbot des<br />

Rechtsmissbrauchs<br />

Darüber hinaus verstoße die Befristung des Arbeitsvertrags<br />

auch nicht gegen das grundsätzliche Verbot des<br />

Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Bei „Vertretungsfällen“<br />

der vorliegenden Art sei in diesem Zusammenhang insbesondere<br />

zu prüfen, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender<br />

befristeter Arbeitsverträge der Deckung eines<br />

zeitweiligen Bedarfs dient oder ob mit den verschiedenen<br />

befristeten Verträgen nicht tatsächlich ein dauerhafter<br />

Vertretungsbedarf des Arbeitgebers gedeckt werden soll.<br />

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitgerbers<br />

liege insoweit nicht vor, da die Gesamtdauer der befristeten<br />

Arbeitsverhältnisse sich nur auf gut 6 Jahre belaufe.<br />

Zudem habe der Arbeitgeber <strong>im</strong> Ergebnis die Befristungen<br />

lediglich 15-mal verlängert.<br />

Fazit für Sie: Beträgt einer der Werte des § 14 Abs. 2<br />

Satz 1 TzBfG, also die 2-jährige Gesamtbefristungsdauer<br />

oder die 3-malige Verlängerungsmöglichkeit, mehr als<br />

das 4fache oder übersteigen beide Werte das 3fache, müssen<br />

Sie <strong>im</strong> Einzelfall prüfen, ob das Arbeitsgericht Ihnen<br />

ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen kann.<br />

Damit besteht in den folgenden Fallkonstellationen für<br />

Sie eine gesteigerte Prüfpflicht:<br />

Fallkonstellationen Ja Nein<br />

Die Gesamtdauer der einzelnen befristeten<br />

Arbeitsverträge beträgt mehr als 8<br />

Jahre.<br />

Sie wollen die Befristung des Arbeitsvertrags<br />

zum 13. Mal verlängern.<br />

Die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge<br />

beträgt mehr als 6 Jahre, und Sie wollen<br />

die Befristung zum 10. Mal verlängern.<br />

Bei der Best<strong>im</strong>mung der Schwelle eines institutionellen<br />

Rechtsmissbrauchs müssen Sie <strong>im</strong> Rahmen einer Einzelfallprüfung<br />

<strong>im</strong>mer folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:<br />

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Seite 4 Au s g a b e 11/2017


Checkliste: Rechtsmissbrauchskontrolle<br />

Prüfungspunkte<br />

Zeitliche Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG<br />

(Gesamtdauer der sachgrundlosen Befristung<br />

beträgt 2 Jahre; innerhalb dieser Zeit kann die<br />

Befristung 3-mal verlängert werden) werden<br />

alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten<br />

(BAG, Urteil vom 18.03.2015, Az.: 7<br />

AZR 115/13).<br />

Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge<br />

(BAG, Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 135/15)<br />

Anzahl der einzelnen Vertragsverlängerungen<br />

(BAG, a. a. O.)<br />

Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz<br />

(BAG, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 7 AZR<br />

260/12)<br />

Beschäftigung mit denselben oder wechselnden<br />

Arbeitsaufgaben (BAG, a. a. O.)<br />

Laufzeit der Verträge bleibt hinter Vertretungsbedarf<br />

zurück, ohne dass ein berechtigtes<br />

Interesse des Arbeitgebers erkennbar<br />

ist (BAG Urteil vom 18.07.2012, Az.: 7 AZR<br />

443/09).<br />

Art der Vertretung – mittelbare Vertretung<br />

und Zuordnungsvertretung sprechen eher<br />

für einen Rechtsmissbrauch als unmittelbare<br />

Vertretung (BAG, Urteil vom 07.10.2015, Az.: 7<br />

AZR 944/13).<br />

Anzahl und Dauer der Unterbrechungen zwischen<br />

den befristeten Arbeitsverträgen (BAG,<br />

Urteil vom 10.07.2013, Az.: 7 AZR 761/11)<br />

Notizen<br />

Überschreiten Sie die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten<br />

Grenzen alternativ oder kumulativ in besonders gravierendem<br />

Ausmaß, müssen Sie sich den Vorwurf des<br />

rechtsmissbräuchlichen Verhaltens grundsätzlich gefallen<br />

lassen. Nach der Rechtsprechung des BAG liegen diese<br />

Voraussetzungen vor, wenn<br />

• durch die befristeten Verträge einer der Werte des § 14<br />

Abs. 2 Satz 1 TzBfG um mehr als das 5fache überschritten<br />

wird oder<br />

• beide Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG mehr als das<br />

jeweils 4fache betragen (BAG, Urteil vom 29.04.2015,<br />

Az.: 7 AZR 310/13).<br />

Damit handeln Sie in folgenden Fallkonstellationen regelmäßig<br />

rechtsmissbräuchlich:<br />

Checkliste: Fälle des Rechtsmissbrauchs<br />

Fallkonstellationen Ja Nein<br />

Die Gesamtdauer der Arbeitsverhältnisse<br />

überschreitet 10 Jahre.<br />

Sie haben mit Ihrem Mitarbeiter mehr als<br />

15 Vertragsverlängerungen vereinbart.<br />

Es liegen mehr als 12 Vertragsverlängerungen<br />

bei einer Gesamtdauer von mehr als 8<br />

Jahren vor.<br />

Die Tabellen finden Sie auch zum Sofort-<br />

Download unter www.personal-öd.de<br />

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<strong>Dienst</strong>liche Beurteilungen müssen hinreichend <strong>aktuell</strong> sein<br />

Damit Sie dienstliche Beurteilungen für eine Auswahlentscheidung heranziehen können, müssen die zu vergleichenden<br />

dienstlichen Beurteilungen hinreichend <strong>aktuell</strong> sein (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.08.2016,<br />

Az.: 2 BvR 1287/16).<br />

Es besteht in der Rechtsprechung Einigkeit, dass eine Regelbeurteilung<br />

so lange für eine Auswahlentscheidung<br />

<strong>aktuell</strong> ist, wie der Regelbeurteilungszeitraum reicht. Als<br />

angemessener Regelbeurteilungszeitraum wird grundsätzlich<br />

ein 3-Jahres-Zeitraum angesehen (BVerwG, Beschluss<br />

vom 24.05.2011, Az.: 1 WB 59.10; OVG Münster,<br />

Beschluss vom 07.11.2013, Az.: 6 B 1035/13).<br />

Auf Bundesebene hat der Gesetzgeber diesen 3-Jahres-Zeitraum<br />

verbindlich in § 22 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz<br />

festgeschrieben.<br />

Müssen Sie in einem Auswahlverfahren Regel- mit Anlassbeurteilungen<br />

vergleichen, so müssen Sie auf zweierlei<br />

achten:<br />

1. Regel- und Anlassbeurteilungen müssen zumindest<br />

zu gewissen Teilen denselben Beurteilungszeitraum<br />

abdecken. Ausreichend ist regelmäßig ein Überschneidungszeitraum<br />

von einem Jahr (OVG Bremen, Beschluss<br />

vom 19.02.1999, Az.: 2 B 11/19).<br />

2. Die Enddaten der jeweiligen Beurteilungszeiträume<br />

sollten nicht mehr als ein Jahr auseinanderliegen (OVG<br />

Lüneburg, Beschluss vom 18.02.2016, Az.: 5 ME 2/16).<br />

Au s g a b e 11/2017 Seite 5


Wie Sie rechtssicher prüfen, ob die Voraussetzungen einer<br />

ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vorliegen<br />

Soweit Ihr Mitarbeiter auch ordentlich kündbar ist, nutzen Sie die Vorgaben des BAG, um rechtsicher die Rechtmäßigkeit<br />

einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung zu überprüfen. Das BAG geht hier in 4 Schritten vor:<br />

1. Die steuerbare Vertragspflichtverletzung<br />

Sie müssen <strong>im</strong> ersten Schritt zunächst eine steuerbare<br />

Vertragspflichtverletzung Ihres Mitarbeiters nachweisen.<br />

In Betracht kommen hier Verstöße gegen die Hauptleistungspflicht,<br />

etwa Schlechtleistungen oder Verspätungen,<br />

sowie Verletzungen von arbeits- und tarifvertraglichen<br />

Nebenpflichten. In diesem Kontext müssen Sie insbesondere<br />

die Pflicht Ihres Mitarbeiters zur Rücksichtnahme<br />

(§ 241 Abs. 2 BGB) in den Blick nehmen. Ihr Mitarbeiter<br />

verstößt etwa in folgenden Fällen gegen das Rücksichtsnahmegebot:<br />

Beleidigungen, Mobbing, Vermögenstraftaten<br />

zu Ihren Lasten.<br />

Die steuerbare Vertragspflichtverletzung<br />

Fallgruppen<br />

Hauptleistungspflicht<br />

Nebenpflichten<br />

− Schlechtleitung<br />

− Verspätungen<br />

− Pausenzeiten<br />

− Arbeitsverweigerung<br />

arbeitsvertragliche<br />

Verstöße gegen betriebliche Ordnung<br />

− Alkohol- oder Rauchverbot<br />

− Kleidungsvorschriften<br />

tarifvertragliche<br />

− Verschwiegenheitspflicht<br />

− keine Annahme von Geschenken<br />

− Anzeigepflicht bei NT<br />

− Bekenntnis zum Grundgesetz<br />

Rücksichtnahmegebot: $ 241 Abs. 2 BGB<br />

− Vermögensstraftaten zu Lasten des AG<br />

− Beleidigungen<br />

− außerdienstliche Straftaten<br />

2. Das Prognoseprinzip<br />

Im 2. Prüfungsschritt müssen Sie beachten, dass für eine<br />

verhaltensbedingte Kündigung das Prognoseprinzip gilt.<br />

Die von Ihrem Mitarbeiter begangene steuerbare Pflichtverletzung<br />

muss sich daher auch zukünftig auf das Arbeitsverhältnis<br />

belastend auswirken.<br />

Tipp! Aufgrund des zu beachtenden Prognoseprinzips<br />

müssen Sie Vertragsverstöße Ihrer Mitarbeiter zunächst<br />

regelmäßig abmahnen. Verletzt Ihr Mitarbeiter trotz ausgesprochener<br />

Abmahnung erneut und in gleicher Weise<br />

arbeitsvertragliche Pflichten, so gilt das Arbeitsverhältnis<br />

auch zukünftig als hinreichend belastet.<br />

Sie müssen eine Abmahnung hinreichend konkret formulieren.<br />

Hierbei müssen Sie<br />

• das konkrete Fehlverhalten benennen,<br />

• das gebotene Verhalten aufzeigen und<br />

• Ihren Mitarbeiter darauf hinweisen, dass ein erneutes<br />

Fehlverhalten nicht toleriert werden wird.<br />

Beispiel eines Abmahnungsschreibens<br />

Sehr geehrter Herr …,<br />

am 13.04.2017 haben Sie ausweislich des Zeiterfassungssystems<br />

Ihre Arbeit erst um 9:15 Uhr aufgenommen (einen<br />

entsprechenden Ausdruck habe ich dieser Abmahnung als<br />

Anlage beigefügt).<br />

Entsprechend der gültigen und Ihnen am 01.02.2016 bekannt<br />

gemachten <strong>Dienst</strong>vereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit<br />

vom 13.05.2014 hätten Sie Ihre Arbeit jedoch vertragsgemäß<br />

spätestens um 9 Uhr aufnehmen müssen. Damit<br />

haben Sie Ihre Arbeit 15 Minuten zu spät aufgenommen. Sie<br />

haben damit gegen Ihre Pflicht, Ihre Arbeit innerhalb des<br />

in der <strong>Dienst</strong>vereinbarung vorgegebenen Gleitzeitrahmens<br />

täglich von 6 bis 9 Uhr aufzunehmen, verstoßen.<br />

Ich mahne Sie daher wegen dieses Arbeitszeitverstoßes hiermit<br />

ab.<br />

Ich weise Sie darauf hin, dass ich <strong>im</strong> Wiederholungsfall weitere<br />

arbeitsrechtliche Schritte bis zur Kündigung einleiten werde.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Seite 6 Au s g a b e 11/2017


Hinweis! Eine Abmahnung kann <strong>im</strong> Einzelfall entbehrlich<br />

sein. Sie müssen das Fehlverhalten Ihres Mitarbeiters<br />

insbesondere dann nicht abmahnen, wenn<br />

• Sie eine Verhaltensänderung Ihres Mitarbeiters zukünftig<br />

nicht erwarten können, etwa weil Ihr Mitarbeiter<br />

völlig uneinsichtig ist, oder<br />

• die Pflichtverletzung derart schwerwiegend ist (z. B.<br />

Vermögensstraftaten zu Ihren Lasten), dass Sie das Arbeitsverhältnis<br />

nach § 626 BGB außerordentlich kündigen<br />

können.<br />

3. Das mildere Mittel<br />

Im 3. Schritt müssen Sie prüfen, ob Sie die Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses durch ein „milderes Mittel“ umgehen<br />

können. Sie müssen Ihrem Mitarbeiter insbesondere<br />

<strong>im</strong> Wege des Ihnen zustehenden Direktionsrechts<br />

(§§ 6 Abs. 2, 106 Satz 1 GewO) anderweitige Tätigkeiten<br />

übertragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der<br />

Übertragung dieser Tätigkeiten zukünftig keine weiteren<br />

Pflichtverletzungen zu erwarten sind.<br />

Fallbeispiel: Ihr Mitarbeiter, der sich jahrelang <strong>im</strong> <strong>Personal</strong>amt<br />

bewährt hat, wurde auf eigenen Wunsch in Ihr<br />

Bauamt umgesetzt. Die dort erbrachten Leistungen Ihres<br />

Mitarbeiters sind derart fehlerhaft, dass Sie – nachdem<br />

Sie <strong>im</strong> Vorfeld bereits erfolglos entsprechende Mitarbeitergespräche<br />

geführt haben – das gezeigte Verhalten ordnungsgemäß<br />

abmahnen. Trotz der geführten Gespräche<br />

und der ausgesprochenen Abmahnung ist die Arbeit Ihres<br />

Mitarbeiters weiterhin durch viele haarstäubende Fehler<br />

gekennzeichnet. Auf Nachfrage gibt Ihr Mitarbeiter zu,<br />

dass er mit der Arbeit <strong>im</strong> Bauamt fachlich überfordert sei.<br />

Mit einer Besserung seiner Arbeitsergebnisse sei damit<br />

zukünftig nicht zu rechnen.<br />

Sie können das Arbeitsverhältnis zunächst nicht ordentlich<br />

kündigen. Vielmehr sind Sie verpflichtet, eine Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung „aktiv“<br />

zu vermeiden, indem Sie Ihren Mitarbeiter wieder in das<br />

<strong>Personal</strong>amt (rück)umsetzen und ihm dort entsprechende<br />

Tätigkeiten übertragen.<br />

4. Die Interessenabwägung<br />

Im 4. Schritt müssen Sie eine Interessenabwägung vornehmen.<br />

Hierbei müssen Sie die Vorgaben der Rechtsprechung<br />

des BAG beachten (vgl. etwa BAG, Urteil vom<br />

10.06.2010, Az.: 2 AZR 541/09, sogenannte „Emmely-Entscheidung“).<br />

Danach müssen Sie <strong>im</strong> Rahmen der Interessenabwägung<br />

insbesondere folgende Parameter berücksichtigen:<br />

Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter und<br />

Unterhaltsverpflichtungen Ihres Mitarbeiters, Schwere<br />

der Pflichtverletzungen. Zudem: besteht eine ungestörte<br />

Vertrauensbeziehung oder ist das Arbeitsverhältnis bereits<br />

durch Vorfälle in der Vergangenheit belastet?<br />

Damit ergibt sich für Sie folgender Prüfungsaufbau in<br />

4 Schritten:<br />

Die verhaltensbedingte Kündigung<br />

Tatbestandsvoraussetzungen<br />

❶<br />

steuerbare<br />

Vertragspflichtverletzungen<br />

➋<br />

negative Prognose<br />

➌<br />

Verhältnismäßigkeit<br />

betroffen sein können<br />

positive Beeinflussung<br />

des Verhaltens<br />

anderweitige Beschäftigung<br />

die Hauptleistungspflicht<br />

Androhung von Folgen<br />

für Bestand des AV<br />

Weisungsrecht<br />

oder<br />

in der Regel<br />

oder<br />

Arbeits- oder tarifvertragliche<br />

Nebenpflichten<br />

Abmahnung<br />

Anderungskündigung<br />

➍<br />

Interessenabwägung<br />

Schwere der Pflichtverletzung<br />

Alter, Betriebszugehörigkeitsdauer,<br />

Unterhaltsverpflichtungen<br />

Tipp: in der<br />

Regel pro AG<br />

Au s g a b e 11/2017 Seite 7


Sie können einem Bewerber <strong>im</strong> Rahmen eines strukturierten<br />

Auswahlgesprächs weiterhin Fachfragen stellen<br />

Leserfrage: „Auf einer Schulung wurde uns mitgeteilt, dass<br />

es nicht mehr möglich sein soll, das Bewerberfeld – soweit<br />

dieses zumindest auch für Beamte geöffnet ist – durch ein<br />

zwingendes Anforderungsprofil <strong>im</strong> Vorfeld einzugrenzen.<br />

Damit soll es auch unzulässig sein, von einem Bewerber <strong>im</strong><br />

Rahmen eines Anforderungsprofils konkrete Fachkenntnisse<br />

zu fordern. Wenn das st<strong>im</strong>men sollte, ist es uns dann<br />

auch untersagt, Fachfragen in einem strukturierten Auswahlgespräch<br />

zu stellen?“<br />

Antwort von Prof. Dr. Boris Hoffmann: Die von Ihnen<br />

aufgeworfene Problematik ist mir bekannt. Hier stellt sich<br />

die Frage, ob für Ihre Auswahlentscheidung die Aufgaben,<br />

die auf dem konkret zu besetzenden <strong>Dienst</strong>posten zu erledigen<br />

sind, tatsächlich relevant sind. Diese Frage werden<br />

die meisten mit einem überzeugenden Ja beantworten.<br />

Die Wahrheit sieht jedoch differenzierter aus. Zunächst<br />

müssen Sie wissen, dass Sie <strong>im</strong>mer dann die „strengeren“<br />

Vorgaben des BVerwG beachten müssen, wenn Sie das Bewerberfeld<br />

(auch) für Beamte öffnen.<br />

Einengung des Bewerberfeldes durch ein fakultatives<br />

Anforderungsprofil ist nicht erlaubt<br />

Das BVerwG hat bereits in seiner Entscheidung vom<br />

20.06.2013, Az.: 2 VR 1.13, festgestellt, dass Bezugspunkt<br />

einer Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht<br />

die Funktionsbeschreibung des konkreten <strong>Dienst</strong>postens,<br />

sondern das vom Beamten angestrebte Statusamt ist. Damit<br />

ist die Einengung des Bewerberfeldes durch ein zwingendes<br />

Anforderungsprofil, welches spezifisch dienstpostenbezogene<br />

Kriterien beinhaltet, mit Art. 33 Abs. 2 GG<br />

nicht vereinbar. Das BVerwG verweist zur Begründung<br />

seiner Auffassung auf das Laufbahnprinzip. Danach kann<br />

ein Beamter aufgrund seiner laufbahnrechtlichen Befähigung<br />

jedenfalls diejenigen <strong>Dienst</strong>posten ausfüllen, die<br />

seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren<br />

Statusamt zugeordnet sind. Damit können Sie von Ihren<br />

Beamten grundsätzlich erwarten, dass diese sich in die<br />

Aufgaben entsprechender <strong>Dienst</strong>posten einarbeiten können.<br />

Damit können Sie zukünftig die Bewerberauswahl<br />

grundsätzlich nicht mehr durch sogenannte fakultative<br />

Anforderungsprofile steuern.<br />

Wechsel der Blickrichtung <strong>im</strong> laufenden<br />

Auswahlverfahren<br />

Sie müssen die Aufgaben des zu besetzenden <strong>Dienst</strong>postens<br />

allerdings nicht <strong>im</strong> gesamten Auswahlverfahren<br />

außen vor lassen. Vielmehr kann der Bezugspunkt Ihrer<br />

Auswahlentscheidung wechseln, je nachdem, in welchem<br />

Teil Ihres Auswahlverfahrens Sie sich befinden. Damit<br />

kann sowohl das Amt <strong>im</strong> statusrechtlichen Sinn als auch<br />

das Amt <strong>im</strong> konkret-funktionellen Sinn, d. h. die konkret<br />

auf dem zu besetzenden <strong>Dienst</strong>posten zu erledigenden<br />

Aufgaben, maßgebend für Ihre Auswahlentscheidung<br />

sein. Danach gilt nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg<br />

(Beschluss vom 01.12.2016, Az.: 5 ME 153/16) und<br />

des OVG Bremen (Beschluss vom 22.09.2016, Az.: 2 B<br />

123/16) Folgendes:<br />

1. Maßstab für das Anforderungsprofil ist das statusrechtliche<br />

Amt.<br />

2. Bezugspunkt für den vorzunehmenden Vergleich der<br />

Gesamturteile der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen<br />

ist das jeweilige Statusamt.<br />

3. Die <strong>im</strong> Falle eines „Leistungsgleichstands“ vorzunehmende<br />

Binnendifferenzierung/Ausschärfung der<br />

dienstlichen Beurteilung ist ebenfalls statusamtsbezogen.<br />

4. Können Sie sodann <strong>im</strong>mer noch keinen Leistungsvorsprung<br />

eines Bewerbers feststellen, können Sie <strong>im</strong> weiteren<br />

Verlauf des Auswahlverfahrens auf das Amt <strong>im</strong><br />

konkret-funktionellen Sinne abstellen.<br />

Ihre Frage ist damit wie folgt zu beantworten: Strukturierte<br />

Auswahlgespräche sind – soweit das Bewerberfeld<br />

(auch) für Beamte eröffnet ist – erst dann zulässig, wenn<br />

Sie anhand der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen<br />

einen Leistungsvorsprung eines Bewerbers nicht feststellen<br />

können. Im Rahmen eines dann zulässigen Auswahlgesprächs<br />

sind Bezugspunkt für Ihre Auswahlentscheidung<br />

die auf dem zu besetzenden freien <strong>Dienst</strong>posten<br />

konkret zu erledigenden Aufgaben. Fachfragen sind damit<br />

in diesem Stadium des Auswahlverfahrens „erstmalig“<br />

zulässig.<br />

IN DER NÄCHSTEN AUSGABE LESEN SIE UNTER ANDEREM<br />

• Wie Sie dienstliche Beurteilungen in einem Auswahlverfahren rechtssicher miteinander vergleichen<br />

Seite 8 Au s g a b e 11/2017

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