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Ausgabe Nr. 21/2017<br />

Überstunden<br />

Günter Stein, Chefredakteur<br />

Der Inhalt<br />

AUS DER RECHTSPRECHUNG<br />

Formulierung: Welches das gefährlichste Wort<br />

überhaupt ist S. 2<br />

Ausschlussklauseln: Manchmal steckt der Teufel dann<br />

doch nicht im Detail S. 2<br />

Konkurrenz: Was Sie sich von Ihrem Mitarbeiter<br />

gefallen lassen müssen – und was nicht S. 4<br />

NEWS<br />

Fachkräfte: 4 Schritte, wie Sie Ihre Spitzenleute<br />

halten S. 4<br />

LESERFRAGE DER WOCHE<br />

Befristung: „Dürfen wir nach Ablauf der Frist die<br />

Arbeitszeit reduzieren?“ S. 5<br />

TIPP DER WOCHE<br />

Schäden: So nehmen Sie Mitarbeiter in Regress S. 6<br />

Hier sind die neuen Bundesländer<br />

vorne<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

eine neue Studie zeigt: Arbeitnehmer in den neuen<br />

Bundesländern machen tendenziell mehr Überstunden<br />

als Beschäftigte in den „alten“ Bundesländern.<br />

Während in Berlin und Leipzig besonders viele Überstunden<br />

anfallen, sind es rund um Nürnberg besonders<br />

wenige, wie der neue „Arbeitszeitmonitor<br />

2017“ zeigt. Sind die Nürnberger also besonders<br />

faul?<br />

Eher nicht. Es kommt natürlich sehr auf die Branchen<br />

an. Da gibt es teilweise starke Unterschiede, die sich<br />

dann auch regional auswirken. Spannender ist da<br />

eine andere Frage: Gibt es Altersunterschiede? Ja!<br />

Laut der Analyse steigt erst mit dem Alter auch die<br />

Zahl der Überstunden. Beschäftigte unter 20 arbeiten<br />

im Schnitt 2 Stunden pro Woche extra. Bei den<br />

40-Jährigen sind es bereits 3,4 Stunden. Noch mehr<br />

Überstunden machen die über 59-Jährigen – sie<br />

bleiben im Schnitt 3,6 Stunden in der Woche länger.<br />

Übrigens: Für mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer<br />

sind Überstunden der Normalfall: Im<br />

Schnitt gehen rund 59 % nicht pünktlich nach Hause.<br />

Mit Blick auf die Arbeitgeberattraktivität und den<br />

Fachkräftemangel (siehe „News“)= nicht ganz unproblematisch.<br />

Doch bitte, lesen Sie selbst …<br />

Mit besten Grüßen<br />

Günter Stein, Chefredakteur<br />

AKTUELLES<br />

Diese Ausgabe und die neuesten Fachbeiträge, Urteile und Musterverträge<br />

finden Sie auch im Internet:<br />

www.arbeitsrecht-premium.de<br />

Das Passwort lautet: Lohn


++Aus der Rechtsprechung++<br />

Formulierung<br />

Welches das gefährlichste Wort überhaupt ist<br />

In seinem Arbeitsvertrag, den er mit dem Arbeitnehmer vereinbarte, schrieb ein Arbeitgeber: „Die Gewährung<br />

einer Jahresleistung/Sonderzahlung erfolgt auf der Basis eines Tarifgrundentgeltes.“ Weiter hieß es in<br />

der Vereinbarung: „Die Zahlung […] erfolgt auf freiwilliger Basis. Auch aus einer mehrfach erfolgenden zusätzlichen<br />

freiwilligen Zahlung der Jahresleistung können keine Rechtsansprüche für die Zukunft abgeleitet<br />

werden.“ Schon hatte die Falle zugeschlagen:<br />

„Gewähren“ und „freiwillig“ – das schließt sich aus. Entweder – oder. Und das heißt: Nach Auffassung des<br />

Arbeitsgerichts (ArbG) Düsseldorf ist diese Klausel damit nicht transparent – und folgerichtig unwirksam. Der<br />

Arbeitgeber muss nun Jahr für Jahr die „Jahresleistung“ zahlen, ob er nun will oder nicht (ArbG Düsseldorf,<br />

jetzt veröffentlichtes Urteil vom 8.3.2017, Az. 8 Ca 6862/16).<br />

Meine Empfehlung:<br />

Um zu verhindern, dass aus wiederholten freiwilligen Sonderzahlungen durch die sogenannte betriebliche<br />

Übung Rechtsansprüche Ihrer Mitarbeiter erwachsen, sollten Sie die Leistung stets unter Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

stellen. Beim Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht nie ein Anspruch Ihrer Arbeitnehmer. Wichtig ist aber, dass<br />

diese Regelung transparent formuliert ist, also eindeutig und nicht etwa widersprüchlich.<br />

Achtung:<br />

Wollen Sie sich bei regelmäßigen Vergütungsbestandteilen nicht ewig binden, bleibt Ihnen nur der Anrechnungs-<br />

oder der Widerrufsvorbehalt.<br />

Musterformulierung<br />

§ … Freiwilligkeitsvorbehalt<br />

Geldwerte Leistungen, insbesondere … (z. B. Weihnachtsgeld), zu denen der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist,<br />

werden ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht. Aus der tatsächlichen Erbringung solcher Leistungen<br />

können keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Leistung<br />

mehrfach und ohne ausdrücklichen Hinweis darauf erfolgt, dass aus der Leistung für die Zukunft keine Rechtsansprüche<br />

entstehen können.<br />

Achtung:<br />

Ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag ist in der Praxis durchaus üblich. Allerdings ist ein allgemeiner<br />

Vorbehalt ohne Nennung der erfassten freiwilligen Leistung intransparent und damit unwirksam. Konkretisieren<br />

Sie deshalb in der Klausel, worauf sich der Vorbehalt bezieht. Auf der sicheren Seite sind Sie in jedem Fall,<br />

wenn Sie zusätzlich zur arbeitsvertraglichen Regelung auch bei jeder Sonderzahlung schriftlich und nachweisbar<br />

nochmals darauf hinweisen, dass aus der Leistung keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden<br />

können.<br />

Ausschlussklauseln<br />

Manchmal steckt der Teufel dann doch nicht im Detail<br />

Ausschlussklauseln sind eine prima Sache. Damit stellen Sie sicher, dass gegenseitige Ansprüche aus dem<br />

Arbeitsverhältnis nicht ewig geltend gemacht werden können, sondern nur innerhalb einer bestimmten<br />

Frist – mindestens 3 Monate (kürzere Ausschlussfristen sind unwirksam).<br />

Seite<br />

2 21 / 2017


Doch wie exakt muss die Klausel abgefasst sein?<br />

Mit dieser Frage hat sich in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 9.2.2017 das Arbeitsgericht Nürnberg beschäftigt<br />

(Az. 11 Ca 340/16). Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart,<br />

dass Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht werden<br />

müssen. Als der Arbeitnehmer ausschied, verpasste er die 3-Monats-Frist bei der Geltendmachung angeblich<br />

noch bestehender Urlaubsansprüche, die ihm der Arbeitgeber noch auszuzahlen hätte. Doch mit Hinweis auf<br />

die Ausschlussfrist meldete der Arbeitgeber: „3-Monats-Frist verpasst, ich brauche nicht zu zahlen.“<br />

Arbeitnehmer klagte<br />

Dass der Arbeitnehmer ein Nein nicht einfach hinnehmen wollte, liegt auf der Hand. Also klagte er. Die Ausschlussklausel<br />

sei unwirksam, da sie zu pauschal sei. Sie müsste auch eine Regelung enthalten, wonach sie<br />

aufgrund einer Vorsatzhaftung und in Bezug auf Ansprüche auf nicht gezahlten Mindestlohn nicht gelten sollte.<br />

Doch das Gericht wies die Klage ab. Die entsprechende Klausel sei wirksam, obwohl sie nach ihrem Wortlaut<br />

weder Ansprüche bei Vorsatzhaftung noch auf den Mindestlohn ausdrücklich ausnehme. Die Klausel sei<br />

vielmehr dahingehend auszulegen, dass die Ausschlussfrist nur die von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für<br />

reglungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen solle. Ohne besondere Hinweise sei eine Anwendung auch auf die<br />

Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt seien, regelmäßig gerade nicht gewollt.<br />

Außerdem sei der Arbeitsvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als das Mindestlohngesetz noch<br />

nicht in Kraft getreten war.<br />

Meine Empfehlung:<br />

Ansprüche Ihrer Mitarbeiter verjähren üblicherweise erst nach 3 Jahren. Das ist ein ganz schön langer Zeitraum,<br />

in dem Sie mit Ansprüchen ehemaliger Mitarbeiter rechnen müssen. Vor solchen Situationen können<br />

Sie sich durch eine Ausschlussfrist (= Verfallsfrist) schützen. Sie geben Ihrem Mitarbeiter eine gewisse Zeitspanne<br />

vor, innerhalb derer er seine Ansprüche geltend machen muss. Macht Ihr Mitarbeiter seine Ansprüche<br />

nicht binnen des in der Ausschlussfristenklausel vorgesehenen Zeitraums geltend, verfallen diese.<br />

Wichtig:<br />

Ausschlussfristen sind rechtlich zulässig, wenn die Voraussetzungen der Rechtsprechung eingehalten werden<br />

(Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16.1.2013, Az. 10 AZR 863/11). Mindestens 3 Monate muss die Frist<br />

betragen, damit sie rechtswirksam ist (BAG, Urteil vom 28.9.2005, Az. 5 AZR 52/05).<br />

Mit einer 2-stufigen Ausschlussfrist fahren Sie am sichersten. Hier gibt es eine Frist, innerhalb derer die Forderung<br />

angemeldet werden muss, und eine Frist, innerhalb derer sie ggf. gerichtlich durchgesetzt werden kann:<br />

So könnte Ihre Ausschlussfristenklausel aussehen:<br />

1. Die Arbeitsvertragsparteien können Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer<br />

Ausschlussfrist von 3 Monaten ab Fälligkeit geltend machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist<br />

vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber geltend gemacht werden, verfallen, es sei denn, der Anspruchsb e-<br />

rechtigte war trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt darin gehi n-<br />

dert, diese Frist einzuhalten.<br />

2. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen<br />

nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der<br />

Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.<br />

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3 21 / 2017


Konkurrenz<br />

Was Sie sich von Ihrem Mitarbeiter gefallen lassen müssen – und was nicht<br />

Solange Ihr Mitarbeiter für Sie tätig ist, darf er keiner Konkurrenztätigkeit nachgehen. Es sei denn, Sie würden<br />

ihm dies ausdrücklich erlauben (aber warum sollten Sie das tun?). Doch nun hat das Landesarbeitsgericht<br />

Mecklenburg-Vorpommern entschieden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.4.2017, Az. 3 SaGa<br />

7/16): Die Aufnahme einer Tätigkeit bei einem potenziellen Wettbewerber während eines bestehenden<br />

Arbeitsverhältnisses ist nicht immer wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 60 und 61 Handelsgesetzbuch<br />

(HGB). Dann nämlich nicht, wenn die eigentliche Tätigkeit nicht „unmittelbar“ konkurrenzfähig ist.<br />

Im entschiedenen Fall hatte der Lehrer eines Gymnasiums eine „vorfristige“ Kündigung erhalten – was nicht<br />

möglich war. Die Kündigung war also rechtswidrig. Das (befristete) Arbeitsverhältnis hätte noch länger laufen<br />

müssen. Der Lehrer nahm eine neue Stelle als Berufsschullehrer an. Das wollte der Arbeitgeber untersagen –<br />

und zwar dem neuen Arbeitgeber. Aber ohne Erfolg: Es fehlt schlicht an einer echten Konkurrenztätigkeit.<br />

Gymnasium und Berufsschule sind nicht identisch. Dazu das Gericht: „Die Tätigkeiten sind derart unterschiedlich,<br />

sodass es an einer Vergleichbarkeit fehlt.“<br />

Meine Empfehlung:<br />

Ihr Arbeitnehmer darf während des laufenden Arbeitsverhältnisses Vorbereitungshandlungen für eine spätere<br />

(Konkurrenz-)Tätigkeit durchführen. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung unterscheidet hier zwischen noch<br />

zulässiger Vorbereitungshandlung und verbotener Konkurrenztätigkeit. Der Übergang wird allerdings oft fließend<br />

verlaufen. Das neue Urteil macht aber deutlich: Konkurrent ist nur, wer vergleichbar ist.<br />

Nichtsdestotrotz: Sorgen Sie für Klarheit im Arbeitsvertrag – mit dieser Regelung:<br />

Musterformulierung: Wettbewerbsverbot<br />

§ … Wettbewerbsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis<br />

(1) Der Mitarbeiter darf kein Handelsgewerbe im Geschäftszweig des Arbeitgebers betreiben.<br />

(2) In diesem Rahmen ist auch das Geschäftemachen, sei es auf eigene oder fremde Rechnung, untersagt.<br />

(3) Die mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an Konkurrenzunternehmen, die über bloße Finanzbeteiligung<br />

hinausgeht, ist unzulässig.<br />

(4) Spricht der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus und wendet sich der Mitarbeiter hiergegen<br />

durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage, so besteht das Konkurrenzverbot bis zur gerichtlichen Klärung<br />

der Wirksamkeit der Kündigung fort.<br />

++News++<br />

Fachkräfte<br />

4 Schritte, wie Sie Ihre Spitzenleute halten<br />

Alleine im technischen Bereich sind aktuell 400.000 Stellen unbesetzt. 1,1 Millionen Fachkräfte fehlen<br />

deutschlandweit. Die aktuellen Zahlen zum Fachkräftemangel sind mehr als alarmierend. Umso wichtiger,<br />

dass Sie den Fachkräftemangel im eigenen Haus nicht noch durch Fluktuation erhöhen. Denn an einer Tatsache<br />

gibt es keinen Zweifel mehr: Spitzenleute sind selten geworden. Auf dem Arbeitsmarkt tobt ein<br />

Kampf um die besten Fachkräfte.<br />

Mit diesen 4 Schritten bleiben „High Performer“ treu<br />

Spitzenleute für Ihr Unternehmen dauerhaft zu sichern ist ein Kinderspiel. Das Rezept: Halten Sie die Motivation<br />

hoch! Mit den folgenden 4 Schritten gelingt dies ganz einfach:<br />

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1. Schritt: Geben Sie Ihren Mitarbeitern eine Perspektive<br />

Hoch qualifizierte Mitarbeiter möchten sich weiter entwickeln. Führen Sie daher mit entsprechenden Mitarbeitern<br />

regelmäßig Personalgespräche, in denen Sie konkret nach dem Fortbildungsinteresse fragen. Zeigt Ihr<br />

Mitarbeiter Interesse an weiteren Qualifizierungsmaßnahmen, sollten Sie ihm die Teilnahme an entsprechenden<br />

Seminaren ermöglichen. Unter Umständen kommt auch eine Reduzierung der Arbeitszeit in Betracht,<br />

wenn Ihr Mitarbeiter beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium absolvieren möchte.<br />

2. Schritt: Setzen Sie auf soziale Kompetenz<br />

Spitzenleute haben soziale Kompetenz. Sie verfügen über besondere Qualitäten, die sich vor allen Dingen in<br />

der Teamarbeit zeigen. Führungskräfte können motivieren, die Harmonie im Team fördern und Konflikte lösen.<br />

Nutzen Sie diese Stärken hoch qualifizierter Mitarbeiter vor allem bei<br />

der Klärung teaminterner Fragen,<br />

der Einrichtung von Arbeitsgruppen,<br />

der Integration neuer Mitarbeiter und<br />

der Lösung zwischenmenschlicher Konflikte.<br />

3. Schritt: Spitzenleute suchen Selbstverwirklichung<br />

Sie haben Freude am Beruf und leben diese auch aus. Diese Eigenschaft von Fachkräften spielt Ihnen als Arbeitgeber<br />

in die Hände: Bei der Verteilung von Aufgaben oder bei der Gestaltung des Arbeitsumfelds sollten<br />

Sie zuerst auf die Wünsche Ihrer besten Mitarbeiter achten. Damit zeigen Sie nicht nur, dass Sie ihre Arbeitsergebnisse<br />

schätzen. Die „Vorzugsbehandlung“ Ihrer Spitzenleute geschieht auch in Ihrem eigenen Interesse:<br />

Durch die besondere Motivation werden bessere Arbeitsergebnisse und höhere Gewinne erzielt. Aber: Halten<br />

Sie Bevorzugungen geheim, damit nicht Neid und Missgunst im Betrieb entstehen.<br />

4. Schritt: Bleiben Sie auf Augenhöhe<br />

Keine Frage, Sie sind der Chef. Das sollten Sie Ihren Führungskräften aber nicht zu oft zeigen. Spitzenleute<br />

wissen, was Hierarchie ist, möchten aber auch, dass Sie als Arbeitgeber ihre Fachautorität respektieren.<br />

Tipp:<br />

Holen Sie sich in Sachfragen also den Rat von Fachkräften ein und nehmen Sie ihn auch an. Spitzenleute wollen<br />

auch Einfluss nehmen. Gelingt ihnen das, steigert das nicht nur die Motivation, sondern auch die Bindung<br />

an Ihr Unternehmen.<br />

++Leserfrage der Woche++<br />

Befristung<br />

„Dürfen wir nach Ablauf der Frist die Arbeitszeit reduzieren?“<br />

Frage: „Wir beschäftigen seit knapp einem Jahr einen Mitarbeiter auf der Basis eines befristeten Arbeitsvertrags.<br />

Die Befristung erfolgte, ohne dass wir einen sachlichen Grund wie z. B. eine Schwangerschaftsvertretung<br />

haben. Wir möchten gerne noch einmal für 12 Monate verlängern – und dann entscheiden, ob wir ihn<br />

endgültig in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen. Der neue Arbeitsvertrag über die Anschlussbefristung<br />

soll aber eine Probezeit von 3 Monaten enthalten. Im alten Vertrag waren es 6 Monate. Man weiß ja<br />

nie! Können wir das machen?“<br />

Günter Stein: Tun Sie es nicht! Sonst wird Ihnen die Entscheidung, die Sie eigentlich erst in einem Jahr treffen<br />

wollten, schon jetzt abgenommen. Denn: Jede Änderung, die Sie als Arbeitgeber bei der Verlängerung eines<br />

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5 21 / 2017


efristeten Arbeitsverhältnisses am Arbeitsvertrag vornehmen, kann zur Unwirksamkeit der Befristung führen.<br />

Hierzu fällt mir ein sehr ähnlicher Fall ein, der vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Cottbus verhandelt worden ist.<br />

Hier machten die Richter einem Chef einen dicken Strich durch die Befristung und stellten fest, dass zwischen<br />

Arbeitgeber und Mitarbeiter per sofort ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Ihr Argument: Durch die<br />

aufgenommene Probezeitregelung ist die 2. Befristung quasi ein neuer Vertragsabschluss – und damit unzulässig<br />

(ArbG Cottbus, Urteil vom 27.4.2010, Az. 6 Sa 86/10).<br />

Ein hartes, aber richtiges Urteil. Zwar ist für die Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags<br />

eine neue schriftliche Vereinbarung nötig. Dabei dürfen Sie aber am bestehenden Arbeitsvertrag – außer eben<br />

der Laufzeit – nichts ändern. Sonst gilt dies als Neuabschluss und damit als Verstoß gegen das Anschlussverbot<br />

(§ 14 Abs. 1 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz). Das untersagt nämlich den Abschluss eines neuen befristeten<br />

Arbeitsvertrags mit einem Mitarbeiter, der schon einmal befristet in Ihrer Firma beschäftigt gewesen ist.<br />

++Tipp der Woche++<br />

Schäden<br />

So nehmen Sie Ihre Mitarbeiter in Regress!<br />

Stellen Sie sich das einmal vor: Sie betreiben eine Reparaturwerkstatt für exklusive Oldtimer. Bei einer Probefahrt<br />

kommt Ihr Mitarbeiter mit einem Mercedes -300-SL-Flügeltürer von der Straße ab und überschlägt<br />

sich. Folge: Totalschaden. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 650.000 €. So ist das kürzlich in einer auf<br />

hochkarätige Fahrzeuge der Marke Mercedes spezialisierten Fachwerkstatt bei Pleidelsheim passiert.<br />

4 Schritte: So bitten Sie Ihre Mitarbeiter zur Kasse<br />

Ein Super-GAU! Aber kein Einzelfall. Täglich verursachen Mitarbeiter ihren Arbeitgebern Schäden in Millionenhöhe.<br />

Das Problem dabei: Für Sie als Arbeitgeber ist es schwierig, Ihre Mitarbeiter schadensersatzpflichtig<br />

zu machen. Trotzdem haben Sie gute Chancen, Ihren Mitarbeiter zumindest für einen Teil des Schadens in<br />

Regress zu nehmen. Denn:<br />

Wer einen Schaden verursacht, muss dafür geradestehen. Das ist die Regel, denn wer vorsätzlich oder fahrlässig<br />

das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist diesem zum Schadensersatz verpflichtet (§ 823<br />

Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).<br />

Nur: Bei Arbeitnehmern gibt es eine Ausnahme! Tatsächlich können Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeiter nur<br />

unter bestimmten Voraussetzungen regresspflichtig machen. Mit diesen 4 Schritten können Sie prüfen, ob Ihr<br />

Mitarbeiter im konkreten Fall für den verursachten Schaden einstehen muss:<br />

1. Schritt: Ohne Pflichtverletzung geht gar nichts<br />

Grundsätzlich muss Ihr Mitarbeiter nach den allgemeinen privatrechtlichen Regeln für Schäden, die durch sein<br />

Fehlverhalten entstehen, Ihnen als Arbeitgeber gegenüber haften. Dazu muss Ihr Mitarbeiter allerdings eine<br />

arbeitsvertragliche Pflicht verletzt haben. Nur dann haben Sie als Arbeitgeber eine Chance, zumindest einen<br />

Teil des Schadens von Ihrem Mitarbeiter ersetzt zu bekommen.<br />

Eine Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn Ihr Mitarbeiter<br />

seine Arbeitsleistung nur mangelhaft erfüllt, indem er sich z. B. nicht an klare Arbeitsweisungen hält,<br />

oder<br />

seine nebenvertraglichen Treuepflichten verletzt, nach denen er ihm anvertraute Materialien, Wer k-<br />

zeuge, Maschinen oder Geräte pfleglich zu behandeln hat.<br />

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„Schadens-Hitliste“: Hier muss Ihr Mitarbeiter zahlen<br />

Die Situationen, in denen Mitarbeiter Schäden verursachen, sind immer dieselben. Das ist die „Praxis-Hitliste“<br />

der Fälle, in denen Ihr Mitarbeiter bei entsprechendem Verschulden für den entstandenen Schaden geradestehen<br />

muss:<br />

fehlerhafte oder unbrauchbare Arbeitsergebnisse<br />

beschädigte Werkzeuge, Arbeitsmaterialien, Fahrzeuge oder sonstige Geräte, die dem Mitarbeiter zur<br />

Erfüllung seiner Arbeitsaufgabe überlassen worden sind<br />

Verletzungen von Überwachungspflichten<br />

Missachten von eindeutigen Arbeitsanweisungen, was unmittelbar zur Folge hat, dass das Eigentum<br />

der Firma einen Schaden erleidet<br />

Verletzungen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder Kunden<br />

Schäden, die aus Verstößen gegen Gesetze, Verordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften resu l-<br />

tieren<br />

Tipp:<br />

Möchten Sie Ihren Mitarbeiter für einen solchen schadensersatzpflichtig machen, tragen Sie rechtlich die Beweislast.<br />

Das bedeutet, dass Sie später vor dem Arbeitsgericht eindeutig nachweisen müssen, dass ein Schaden<br />

entstanden ist, wie hoch er ist und dass der Schaden unmittelbar auf die Pflichtverletzung Ihres Mitarbeiters<br />

zurückzuführen ist. Sobald ein Schaden entstanden ist, sollten Sie also Beweise sammeln. Dazu gehören<br />

z. B. schriftliche Zeugenaussagen und – soweit erforderlich – die Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />

zur Höhe des entstandenen Schadens.<br />

2. Schritt: Kein Regress ohne Verschulden<br />

Rechtlich wird nur für solche Schäden gehaftet, bei denen den Verursacher ein Verschulden trifft. Das gilt<br />

auch für Ihre Mitarbeiter. Ein Verschulden liegt vor, wenn Ihr Arbeitnehmer den Schaden fahrlässig oder vorsätzlich<br />

verursacht hat (§ 276 BGB). <strong>Arbeitsrecht</strong>lich gibt es hier jedoch Einschränkungen:<br />

Verschuldungsgrad<br />

Leichte Fahrlässigkeit<br />

Mittlere Fahrlässigkeit<br />

Grobe Fahrlässigkeit<br />

Haftung<br />

Ihr Mitarbeiter haftet gar nicht.<br />

Ihr Mitarbeiter haftet anteilig.<br />

Ihr Mitarbeiter haftet voll.<br />

In der betrieblichen Praxis übersteigt der entstandene Schaden oft deutlich die finanziellen Möglichkeiten<br />

Ihres Mitarbeiters. Deshalb haben die Arbeitsrichter die Haftung von Mitarbeitern für Schäden eingeschränkt.<br />

Die Haftung erfolgt dann nach dem jeweiligen Grad der Fahrlässigkeit.<br />

Leichte Fahrlässigkeit: Hier tragen Sie als Arbeitgeber alle Kosten, die im Zusammenhang mit dem<br />

Schaden entstanden sind. Klassisches Beispiel: Ihr Mitarbeiter beschädigt aus Unachtsamkeit seinen<br />

Dienstwagen in einer Art und Weise, wie es jedem Verkehrsteilnehmer passieren kann, etwa bei<br />

Glatteis oder bei Aquaplaning.<br />

Mittlere Fahrlässigkeit: Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn Ihr Mitarbeiter einen Unfall verursacht,<br />

der vermeidbar gewesen wäre. Hier hat Ihr Mitarbeiter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt<br />

außer Acht gelassen (§ 276 Abs. 2 BGB). Das ist z. B. der Fall, wenn der Mitarbeiter zu schnell gefa h-<br />

ren ist und einen Unfall verursacht hat. In diesem Fall muss Ihr Mitarbeiter anteilig haften, z. B. in<br />

Höhe der Selbstbeteiligung der Vollkasko-Versicherung.<br />

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Grobe Fahrlässigkeit: Grob fahrlässig handelt Ihr Mitarbeiter, wenn er die im Verkehr erforderliche<br />

Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt und Verhaltensregeln missachtet, die jedem<br />

anderen klar sind.<br />

3. Schritt: So ermitteln Sie die Schadenshöhe<br />

Jetzt geht es nicht mehr um die schuldhafte Pflichtverletzung Ihres Mitarbeiters, sondern um den konkreten<br />

Schaden, der daraus resultiert. Ersatzfähig sind alle unmittelbaren Schäden, beispielweise an Materialien, Geräten,<br />

Maschinen, Gebäuden sowie die im Zusammenhang mit der Schadensbehebung entstandenen Reparaturkosten.<br />

4. Schritt: Alle Schuld bei Ihrem Mitarbeiter<br />

Wichtig für Sie als Arbeitgeber bei der Ermittlung des Schadens, für den Sie Ihren Arbeitnehmer haftbar machen<br />

wollen: die Frage nach einem Mitverschulden Ihrerseits (§ 254 Abs. 1 BGB). Ein solches liegt vor, wenn<br />

Ihr Mitarbeiter nicht allein haftet, weil Sie als Arbeitgeber eine Mitverantwortung am Schadenseintritt trifft,<br />

etwa weil Sie Ihren Mitarbeiter durch viele Überstunden überfordert haben.<br />

So setzen Sie den Regress durch<br />

Einen Schaden durch einen Mitarbeiter zu haben ist das eine, ihn ersetzt zu bekommen etwas ganz anderes.<br />

Diese 2 Möglichkeiten haben Sie, wenn die Höhe des ersatzfähigen Schadens feststeht:<br />

1. Möglichkeit: Die Aufrechnung<br />

Der Königsweg! Verrechnen Sie den Schaden mit dem Gehalt. So können Sie einen Teil des Lohns einbehalten<br />

und damit für einen Schadensausgleich sorgen.<br />

Wichtig:<br />

Das dürfen Sie nur mit dem Nettoauszahlungsbetrag nach Abzug aller Steuern und Abgaben. Außerdem müssen<br />

die Pfändungsschutzvorschriften zugunsten Ihres Mitarbeiters beachtet werden.<br />

2. Möglichkeit: Die Klage<br />

Natürlich können Sie Ihren Mitarbeiter auch auf Schadensersatz verklagen. Dieser Weg empfiehlt sich, wenn<br />

eine Aufrechnung nicht mehr möglich ist, weil etwa Ihr Mitarbeiter nicht mehr in Ihrem Unternehmen beschäftigt<br />

ist. Dann können Sie als Arbeitgeber den Schaden einklagen. Achten Sie in diesem Fall unbedingt auf<br />

arbeits- und tarifvertragliche Ausschlussfristen. Diese erfassen oft auch Schadensersatzansprüche.<br />

Impressum<br />

Verleger: BWRmed!a, ein Unternehmensbereich der VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG<br />

Theodor-Heuss-Str. 2–4, 53095 Bonn; Telefon: 02 28 / 9 55 01 20, Fax: 02 28 / 3 69 60 01<br />

Internet: www.bwrmedia.de, E-Mail: kundendienst@vnr.de<br />

Vorstand: Helmut Graf, Guido Ems, Frederik Palm; Herausgeber: Thomas Müller, Bonn<br />

AG Bonn, HRB 8165<br />

Verantwortlicher Chefredakteur: Günter Stein, Aurach<br />

Gutachterin: Maria Markatou, Rechtsanwältin, München<br />

Produktmanagement: Joanna Kühnle, Bonn<br />

Alle Angaben in „<strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>Premium</strong>“ wurden mit äußerster Sorgfalt ermittelt und überprüft. Sie basieren jedoch auf der Richtigkeit uns erteilter Auskünfte und unterliegen möglichen<br />

Veränderungen. Eine Gewähr für die Richtigkeit der Auskünfte kann deshalb nicht übernommen werden.<br />

© 2017 by Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, Bonn, Bukarest, Johannesburg, London, Madrid, Manchester, Melbourne, Paris, Warschau<br />

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