Arbeitsrecht kompakt
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KW 24–25/2017<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>kompakt</strong><br />
Aktuelle Urteile und<br />
Empfehlungen für Arbeitgeber<br />
Kündigungsvollmacht:<br />
Vollmacht bekannt, Kündigung<br />
auch wirksam. 3<br />
Krankheitsbedingte<br />
Kündigung: Keine negative<br />
Gesundheitsprognose bei vollständig<br />
ausgeheilter Krankheit. 4<br />
Nachtzuschlag: Auch freiwillige<br />
Dauernachtschicht löst Anspruch auf<br />
Nachtzuschlag aus. 5<br />
Tarifvertrag: Arbeitsvertragliche<br />
Bezugnahmeklausel muss eindeutig<br />
und bestimmt sein. 6<br />
Abmahnung: Arbeitgeberweisung<br />
unwirksam – Abmahnung ist aus<br />
Personalakte zu entfernen. 8<br />
Vorsicht! Einmal Bonus,<br />
immer Bonus!?<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
Es gibt viele Möglichkeiten,<br />
mit denen Sie<br />
Ihre Arbeitnehmer zu<br />
Höchstleistungen motivieren<br />
können. Die<br />
effektivste ist sicherlich<br />
eine Sonderzahlung, wie ein Bonus<br />
oder eine Gratifikation. Wenn Sie sich an<br />
diese Form der Zusatzzahlung nicht auf<br />
ewig binden wollen, sollten Sie diese jedoch<br />
nicht im Arbeitsvertrag in Stein<br />
meißeln. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter<br />
besser mündlich darüber, dass in regelmäßigen<br />
Abständen eine Prüfung möglicher<br />
leistungsabhängiger Sonderzahlungen<br />
– evtl. abhängig vom Gewinn des<br />
Unternehmens – erfolgt. Diese sollte dann,<br />
wie ich Ihnen anhand eines Urteils auf<br />
Seite 7 dieser Ausgabe aufzeige, immer<br />
mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden<br />
werden.<br />
Ihr<br />
Prof. Dr. jur. Burkhard Boemke, Chefredakteur<br />
Prof. Dr. jur. Burkhard Boemke ist seit 1998 geschäftsführender<br />
Direktor des Instituts für Arbeits-<br />
und Sozialrecht an der Juristenfakultät der<br />
Universität Leipzig.<br />
Kündigung<br />
Lehrer schickt Pornovideo an<br />
Schülerin: Kündigung rechtmäßig!<br />
Wer sich an Kindern sexuell vergeht, fliegt sofort! Im nachfolgenden Fall hatte der<br />
Arbeitnehmer Glück, dass aus formellen Gründen nur noch eine ordentliche Kündigung<br />
ausgesprochen werden konnte. Er wehrte sich aber auch gegen diese.<br />
Der Fall: Ein angestellter Grundschullehrer nahm zu einer Schülerin über Facebook Kontakt<br />
auf. Irgendwann lenkte der Lehrer die Kommunikation mit der 13-jährigen Schülerin<br />
auf sexuelle Inhalte. Mindestens 2-mal schickte er ihr Videoaufnahmen, auf denen er onanierte.<br />
Am 30.03.2015 erließ das zuständige Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den Lehrer<br />
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Nachdem der Arbeitgeber davon erfuhr, sprach<br />
er die außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die außerordentliche Kündigung<br />
nahm er später aus formellen Gründen zurück. Der Arbeitnehmer klagte, weil er<br />
sich nicht im Dienst strafbar gemacht hätte.<br />
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg Vorpommern hielt die Kündigung<br />
für rechtmäßig. Lehrkräfte müssten Gewähr dafür bieten, dass sie Gefährdungen des<br />
Kindeswohls, insbesondere in Form sexueller Gewalt, entschieden entgegentreten und die<br />
Schüler hiervor nachhaltig schützen. Diese Verpflichtung sei in schwerwiegender Weise<br />
verletzt, wenn von einer Lehrkraft selbst die Gefahr ausgeht. Ob die Handlungen innerhalb<br />
oder außerhalb des Unterrichts stattgefunden haben, sei nicht von Bedeutung (LAG<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.03.2017, Az.: 5 Sa 79/16).<br />
Kündigung wegen privaten Verhaltens: Das gilt sonst<br />
Begeht einer Ihrer Mitarbeiter eine Straftat in Ihrem Betrieb, können Sie verhaltensbedingt<br />
kündigen. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat begeht, die keinen Bezug<br />
zur Tätigkeit aufweist. Hier liegt keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, sondern rein<br />
privates Verhalten vor. Trotzdem kann auch ein solches Freizeitverhalten Ihnen als Arbeitgeber<br />
einen Kündigungsgrund geben, wenn es nämlich zu konkreten betrieblichen Beeinträchtigungen<br />
kommen kann. Dies gilt z. B., wenn durch die Tat oder damit im Zusammenhang<br />
stehende Äußerungen des Mitarbeiters das Ansehen Ihres Unternehmens geschädigt wird.<br />
Checkliste: Kündigung wegen privater Straftat<br />
Wenn Sie alle Fragen der nachfolgenden Checkliste mit Ja beantworten, können Sie einem<br />
straffälligen Mitarbeiter ohne vorherige Abmahnung kündigen:<br />
Checkliste: Kündigung ohne Abmahnung Ja Nein<br />
Handelt es sich um eine schwerwiegende Straftat (nicht: einfache<br />
Körperverletzungen oder „Schwarzfahren“)?<br />
£ £<br />
Hat das private Verhalten des Mitarbeiters auch negative<br />
Auswirkungen auf Ihr Unternehmen (z. B. Rufschädigung)?<br />
£ £<br />
Ist Ihnen deshalb die Weiterbeschäftigung unzumutbar? £ £<br />
Teilurlaubsanspruch<br />
Jahreswechsel führt nicht zum Verfall<br />
Urlaub soll in dem Kalenderjahr genommen werden, in dem der Anspruch darauf entsteht.<br />
Eine Übertragung ist daher nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Der Verfall am<br />
Jahresende ist der Regelfall. Bei Teilurlaub können andere Regeln gelten.<br />
Lesen Sie weiter auf Seite 2<br />
1
Betriebsmittel<br />
Das Handy gibt’s<br />
zurück!<br />
Der Fall: Ein Transportfahrer hatte von<br />
seinem Arbeitgeber ein Diensthandy<br />
mit Kabel und Hülle bekommen. Mehrere<br />
Monate nach Ende des Arbeitsverhältnisses<br />
forderte der Arbeitgeber<br />
die Ausrüstung wieder heraus. Der Fahrer<br />
hielt die Ausschlussfrist des Arbeitsvertrags<br />
entgegen und meinte, er müsse<br />
die Gegenstände nicht mehr herausgeben.<br />
Der Arbeitgeber klagte.<br />
Das Urteil: Landesarbeitsgericht (LAG)<br />
Rheinland-Pfalz gab dem Arbeitgeber<br />
Recht und verurteilte den Fahrer zur<br />
Herausgabe. Handy, Hülle und Ladekabel<br />
seien trotz abgelaufener Ausschlussfrist<br />
herauszugeben (LAG Rheinland-Pfalz,<br />
Urteil vom 08.02.2017,<br />
Az.: 1 Sa 490/16).<br />
Setzen Sie Ihr Herausgabeverlangen<br />
durch<br />
Auch im Rahmen der Abwicklung eines<br />
Arbeitsverhältnisses können sich noch<br />
Rechte und Pflichten ergeben. So ist<br />
Ihr Angestellter verpflichtet, Ihnen alle<br />
Betriebsmittel herauszugeben, die Sie<br />
ihm zur Verfügung gestellt haben. Das<br />
gilt selbst dann, wenn arbeitsvertragliche<br />
Ausschlussfristen bereits abgelaufen<br />
und gegenseitige Ansprüche eigentlich<br />
nicht mehr durchsetzbar sind!<br />
Behält der Arbeitnehmer die Gegenstände<br />
trotzdem, so begeht er damit<br />
verbotene Eigenmacht. Er schuldet ihnen<br />
Nutzungsentschädigung für die<br />
Zeit, in der er die Arbeitsmittel behält.<br />
Daneben können Sie auch Schadensersatz<br />
verlangen und natürlich auf<br />
Herausgabe der Arbeitsmittel klagen.<br />
Fordern Sie alle Arbeitsmittel<br />
heraus<br />
Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses<br />
sollten Sie immer daran denken,<br />
folgende Arbeitsmittel zurückzufordern:<br />
• Schlüssel, Zugangskarten,<br />
Stechkarten,<br />
• Werkzeuge,<br />
• Firmenhandy,<br />
• Notebook,<br />
• Dienstwagen,<br />
• Firmenkreditkarte und Tankkarte,<br />
• Firmenunterlagen.<br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
Der Fall: Ende September nahm ein Küchenchef seine Arbeit auf. Schon im Januar des<br />
Folgejahres trennte sich sein Arbeitgeber wieder von ihm. Der Küchenchef wollte aber<br />
noch Profit aus der Trennung schlagen. Er hatte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses<br />
keinen Tag Urlaub genommen und forderte nun, dass der Arbeitgeber ihm den Urlaub abgelte.<br />
Dafür sah der Arbeitgeber keinen Grund. Immerhin sei ein etwaiger Urlaubsanspruch<br />
mit dem Jahreswechsel verfallen. Der Küchenchef beließ es aber nicht dabei und<br />
klagte auf die Abgeltung.<br />
Das Urteil: Das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) gab dem Küchenchef Recht! Er<br />
habe einen Teilurlaubsanspruch erworben. Dieser Anspruch sei erst mit der Kündigung<br />
entstanden, die erst nach dem Jahreswechsel zugegangen sei. Der Jahreswechsel habe auf<br />
diesen Anspruch keinen Einfluss gehabt, weil sich dieser Teilurlaubsanspruch nicht auf ein<br />
Kalenderjahr beziehe, sondern auf das gesamte (nur sehr kurze) Arbeitsverhältnis (LAG<br />
Thüringen, Urteil vom 09.03.2017, Az.: 6 Sa 242/15).<br />
Bei Teilurlaub gelten Besonderheiten<br />
Nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr<br />
Anspruch auf Erholungsurlaub. Dieser volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach<br />
6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (sog. Wartezeit), § 4 BUrlG.<br />
Das bedeutet aber nicht, dass Ihr Mitarbeiter davor keinen Urlaub erwirbt. In § 5 Abs. 1<br />
BUrlG sind verschiedene Tatbestände geregelt, bei deren Erfüllung ein Arbeitnehmer einen<br />
sogenannten Teilurlaubsanspruch erhält. Einen solchen erlangt Ihr Mitarbeiter etwa,<br />
wenn er die 6 Monate der Wartezeit nicht mehr voll innerhalb des laufenden Kalenderjahrs<br />
erreicht, weil das Arbeitsverhältnis erst in der 2. Jahreshälfte begann, § 5 Abs. 1<br />
Buchst. a) BUrlG. Außerdem entsteht ein Teilurlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer<br />
vor erfüllter Wartezeit wieder aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, etwa durch Kündigung,<br />
§ 5 Abs. 1 Buchst. b) BUrlG.<br />
Der Teilurlaubsanspruch besteht in Höhe von einem Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden<br />
vollen Monat, den das Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Angefangene Monate zählen<br />
bei der Berechnung nicht mit. Bruchteile von Urlaubstagen werden aufgerundet, wenn<br />
sie mindestens einen halben Tag betragen. Eine Abrundung erfolgt jedoch nicht.<br />
Teilurlaub und Jahreswechsel<br />
Ein Teilurlaubsanspruch, der wegen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis nach § 5<br />
Abs. 1 Buchst. b) BUrlG entsteht, kann nicht mit Ablauf des Kalenderjahres verfallen! Voraussetzung<br />
hierfür ist aber, dass zum Jahreswechsel feststeht, dass der Mitarbeiter die<br />
Wartezeit nicht erfüllen wird. Dies hat das LAG vorliegend verkannt. Richtigerweise bestand<br />
ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 lit. a) BUrlG. Dieser wäre nur dann nicht<br />
verfallen, wenn der Arbeitnehmer die Übertragung auf das nächste Kalenderjahr gemäß § 7<br />
Abs. 3 Satz 4 BUrlG verlangt hätte.<br />
Sonderfall Teilurlaub: Das müssen Sie wissen<br />
In folgenden 3 Sonderfällen erhält der Mitarbeiter keinen Anspruch auf den vollen Mindesturlaub,<br />
sondern nur einen Anspruch auf Teilurlaub:<br />
1. Einstellung in der 2. Jahreshälfte: Hier kann die Wartezeit im Einstellungsjahr nicht<br />
mehr erfüllt werden (Einstellung ab 01.07.).<br />
2. Ausscheiden vor Ablauf der Wartezeit von 6 Monaten.<br />
3. Ausscheiden in der 1. Jahreshälfte.<br />
Wichtiger Hinweis<br />
Ausnahmsweise kann der Mindesturlaub hier anteilig gekürzt werden. Haben Sie aber<br />
schon mehr Urlaub gewährt, muss der Arbeitnehmer diese Tage nicht nacharbeiten<br />
und auch das Urlaubsentgelt nicht zurückzahlen.<br />
2 <strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>kompakt</strong> – Aktuelle Urteile und Empfehlungen für Arbeitgeber
KW 24–25/2017<br />
Bevollmächtigung<br />
Vollmacht bekannt, Kündigung wirksam!<br />
Gerade in größeren Unternehmen werden Kündigungen meist nicht vom Geschäftsführer selbst, sondern vielmehr von dafür vorgesehenen<br />
Stellen, wie z. B. der Personalabteilung, ausgesprochen. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist dann eine<br />
Vollmacht. Wird diese bei Kündigungsausspruch nicht im Original vorgelegt, kann der Arbeitnehmer die Kündigung grundsätzlich aus<br />
diesem Grund zurückweisen. Etwas anderes gilt aber, wenn diesem das Bestehen der Vollmacht bekannt ist.<br />
Der Fall: Eine Arbeitnehmerin war für eine Wohnungseigentümergemeinschaft<br />
(WEG) tätig. Im Gebäudekomplex erbrachte sie verschiedene<br />
Hausmeisterdienste. Das Arbeitsverhältnis sollte jedoch<br />
beendet werden. Die von der WEG eingesetzte Hausverwaltung kündigte<br />
daher das Arbeitsverhältnis ordentlich. Die Mitarbeiterin wies<br />
die Kündigung jedoch zurück, weil die Hausverwaltung keine Vollmachtsurkunde<br />
der WEG vorgelegt habe.<br />
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Saarland bestätigte<br />
dennoch die Wirksamkeit der Kündigung und wies die Klage der<br />
Arbeitnehmerin ab. Nach Ansicht des Gerichts konnte die Hausmeisterin<br />
die Kündigung nicht zurückweisen, weil sie von der Bevollmächtigung<br />
der Hausverwaltung durch den Arbeitgeber Kenntnis<br />
hatte. Das Gericht folgerte dies aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis.<br />
Fragen der Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses<br />
wurden stets mit der Hausverwaltung abgewickelt,<br />
sodass die Arbeitnehmerin davon ausgehen konnte, dass der Arbeitgeber<br />
die Hausverwaltung für grundlegende Fragen im Zusammenhang<br />
mit dem Arbeitsverhältnis bevollmächtigt hatte (LAG<br />
Saarland, Urteil vom 22.02.2017, Az.: 2 Sa 38/16).<br />
Vollmachtsurkunde in jedem Fall vorlegen!<br />
Sie müssen als Arbeitgeber nicht jede Kündigung selbst unterzeichnen,<br />
sondern können sich dabei vertreten lassen. In diesem<br />
Fall sollte der Vertreter grundsätzlich immer der Kündigung eine<br />
Originalvollmacht beifügen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn<br />
im Unternehmen bekannt ist, dass die jeweilige Person kündigungsberechtigt<br />
ist. Dies ist beispielsweise bei Personalchefs regelmäßig<br />
gegeben.<br />
Diese Personen sind kündigungsberechtigt<br />
Bei den folgenden Personen besteht kein Recht zur Zurückweisung,<br />
weil diese immer oder typischerweise kündigungsberechtigt sind:<br />
• GmbH-Geschäftsführer, Vorstand einer AG,<br />
• Gesellschafter einer OHG oder GbR,<br />
• Komplementär einer KG,<br />
• Prokuristen.<br />
Besteht nur Gesamtvertretungsbefugnis (z. B. GbR), müssen alle<br />
Vertretungsberechtigten unterschreiben. Anderenfalls ist doch eine<br />
Originalvollmacht erforderlich.<br />
Betriebsübergang<br />
Kein Wechsel des Betriebsinhabers: kein Betriebsübergang<br />
Ein Betriebsübergang nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat viele Voraussetzungen. Eine davon ist, dass der alte Betriebsinhaber<br />
seine Tätigkeit mit Blick auf den Betrieb überhaupt erst einmal komplett einstellt. Erfolgt dies nicht, liegt schon deswegen<br />
kein Betriebsübergang vor.<br />
Der Fall: Ein Arbeitgeber führte mehrere Betriebe im Bereich der<br />
Produktion und Verwaltung. Zukünftig wollte er seine Tätigkeit<br />
auf den Bereich der Vermögensverwaltung beschränken und übertrug<br />
formal die Produktionsbetriebe auf eine Schwestergesellschaft.<br />
Die darin beschäftigten Mitarbeiter wurden über den Übergang<br />
ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB unterrichtet. Eine Arbeitnehmerin<br />
war jedoch der Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis<br />
nicht auf die Tochtergesellschaft übergangen sei. Der „alte Arbeitgeber“<br />
habe weiterhin den Produktionsbetrieb betrieben.<br />
Das Urteil: Das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) sah es genauso.<br />
Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin sei nicht durch<br />
Betriebsübergang auf die Tochtergesellschaft übergegangen. Nach<br />
Ansicht des Gerichts fehlte es dazu an einem Wechsel des Betriebsinhabers.<br />
Eine Voraussetzung für die Anwendung von § 613a BGB<br />
sei, dass der bisherige Betriebsinhaber seine wirtschaftliche Betätigung<br />
in dem Betrieb einstellt und der Übernehmer die Geschäftstätigkeit<br />
tatsächlich weiterführt oder wieder aufnimmt. Der Arbeitgeber<br />
habe jedoch nur formal das Recht an die Tochtergesellschaft<br />
übertragen, den Betrieb zu managen. Tatsächlich habe er diesen<br />
weiterhin selbst geführt (Thüringer LAG, Urteil vom 09.02.2017,<br />
Az.: 3 Sa 403/15).<br />
Formale Wechsel der Inhaberschaft genügt nicht<br />
Einen Betriebsübergang zu bestimmen, fällt nicht immer leicht.<br />
Eine Vielzahl von Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtschau zu<br />
betrachten sind, entscheidet darüber, ob ein solcher gegeben ist.<br />
Ein Betriebsübergang setzt jedoch immer einen Wechsel in der<br />
Person des Inhabers des Betriebs oder Betriebsteils voraus, der<br />
von da an für diesen verantwortlich ist. Verantwortlich in diesem<br />
Sinne ist eine Person dann, wenn sie den Betrieb im eigenen Namen<br />
führt und nach außen als Betriebsinhaber/in auftritt.<br />
Merkmale zur Bestimmung der Betriebsinhaberschaft<br />
Diese Merkmale kennzeichnen nach Ansicht der Arbeitsgerichte<br />
typischerweise die Inhaberschaft eines Betriebs oder Betriebsteils:<br />
• Ausrichtung und Aufstellung der Betriebsabläufe,<br />
• Auftreten im eigenen Namen gegenüber Kunden und Lieferanten,<br />
• Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern,<br />
• Verhandlungen mit Gewerkschaften.<br />
3
Annahmeverzug<br />
Lohnansprüche verjähren<br />
in 3 Jahren<br />
Der Fall: Ein Arbeitnehmer erhielt im<br />
Februar 2011 die fristlose Kündigung<br />
und erhob dagegen Kündigungsschutzklage.<br />
Während des Verfahrens beantragte<br />
er am 27.12.2014 beim Amtsgericht<br />
den Erlass eines Mahnbescheids<br />
hinsichtlich seines Lohnes für 2011.<br />
Dieser wurde nicht zugestellt und das<br />
Verfahren vom Arbeitnehmer nicht<br />
weiter betrieben. Stattdessen stellte er<br />
im Januar 2015 einen entsprechenden<br />
Antrag beim Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber<br />
erhielt den Mahnbescheid<br />
schließlich Mitte Februar 2015. Er berief<br />
sich auf Verjährung.<br />
Das Urteil: Das Arbeitsgericht (ArbG)<br />
Gießen sah dies genauso. Der Anspruch<br />
für 2011 sei mit Ablauf des<br />
31.12.2014 verjährt. Die Zustellung des<br />
Mahnbescheids sei nicht „demnächst“<br />
erfolgt und habe daher die Verjährung<br />
nicht gehemmt (ArbG Gießen, Urteil<br />
vom 02.03.2017, Az.: 7 Ca 157/15).<br />
Wer zu spät kommt, den bestraft<br />
das Leben<br />
Lohnansprüche sind Forderungen Ihrer<br />
Mitarbeiter, für die eine 3-jährige<br />
Verjährungsfrist gilt. Auf Verjährung<br />
müssen Sie sich ausdrücklich berufen.<br />
Der Arbeitnehmer kann die Verjährung<br />
nur abwenden, wenn er rechtzeitig Klage<br />
erhebt oder einen Mahnbescheid<br />
beantragt. Ausreichend ist, wenn der<br />
Antrag oder die Klage rechtzeitig erhoben<br />
werden und die Zustellung an<br />
Sie zeitnah erfolgt. Dies war hier nicht<br />
der Fall, weil der Antrag beim unzuständigen<br />
Amtsgericht gestellt worden war.<br />
Annahmeverzugslohn: Hierauf<br />
sollten Sie achten<br />
An folgende Punkte sollten Sie beim<br />
Annahmeverzug denken:<br />
• Annahmeverzugslohn muss innerhalb<br />
der Verjährungsfrist von 3 Jahren<br />
eingeklagt werden, ansonsten<br />
können Sie sich auf Verjährung<br />
berufen.<br />
• Die Kündigungsschutzklage hemmt<br />
die Verjährung nicht, der Arbeitnehmer<br />
muss Zahlungsklage<br />
erheben oder einen Mahnbescheid<br />
beantragen.<br />
Krankheitsbedingte Kündigung<br />
Keine negative Gesundheitsprognose<br />
bei ausgeheilter Erkrankung<br />
Arbeitnehmer, die häufig aus gesundheitlichen Gründen ausfallen, sind nicht nur eine<br />
finanzielle Belastung für das Unternehmen. Ihre Arbeit muss durch andere Mitarbeiter<br />
aufgefangen werden, was zu Unzufriedenheit unter den Kollegen führt. Eine krankheitsbedingte<br />
Kündigung rechtssicher auszusprechen und zu begründen ist jedoch schwierig.<br />
Maßgeblich ist, welche Prognose für die Zukunft zu stellen ist.<br />
Der Fall: Eine Arbeitnehmerin war seit 2003 bei ihrem Arbeitgeber in der Produktion tätig.<br />
Ab August 2011 kam es bei ihr zu erheblichen Ausfallzeiten wegen verschiedener Erkrankungen.<br />
Bis Februar 2012 lagen 187 Krankheitstage wegen eines Ellenbogenleidens vor.<br />
Im Jahr 2012 kamen dann noch 26 Krankheitstage wegen verschiedener Erkrankungen<br />
hinzu. 2013 waren es 29 Krankheitstage und 2014 59 Krankheitstage. Die Erkrankungen<br />
2015 für 37 Krankheitstage beruhten vor allem auf einer Überlastungsreaktion infolge der<br />
Scheidung der Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeber kündigte schließlich im Oktober 2015<br />
und verwies auf die erheblichen Ausfallzeiten. Diese würden eine negative Gesundheitsprognose<br />
für die Zukunft begründen. Die Arbeitnehmerin gab dagegen an, dass ihr Ellenbogenleiden<br />
ausgeheilt sei und sie die psychischen Probleme überwunden habe. Erhebliche<br />
Ausfallzeiten seien für die Zukunft nicht zu erwarten.<br />
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern gab der Arbeitnehmerin<br />
Recht. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Es hätten zwar in der Vergangenheit<br />
erhebliche Ausfallzeiten wegen Erkrankungen vorgelegen. Eine negative Gesundheitsprognose<br />
für die Zukunft sei aber nicht gegeben. Die Erkrankungen, auf denen die wesentlichen<br />
Ausfallzeiten beruhten, seien ausgeheilt und daher nicht mehr relevant (LAG Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Urteil vom 07.03.2017, Az.: 2 Sa 158/16).<br />
Prognose: Der Zeitpunkt der Kündigung zählt<br />
Entgegen landläufiger Meinung kann auch Krankheit einen Kündigungsgrund darstellen.<br />
Um sozial gerechtfertigt zu sein, setzt eine krankheitsbedingte Kündigung allerdings eine<br />
negative Gesundheitsprognose voraus. Aus dem bisherigen Krankheitsverlauf muss sich<br />
also die Wahrscheinlichkeit ergeben, dass der Mitarbeiter auch zukünftig in erheblichem<br />
Umfang arbeitsunfähig erkranken wird. Bei der Beantwortung dieser Frage können sich<br />
Schwierigkeiten ergeben. Der Arbeitnehmer ist nämlich nicht verpflichtet, Fragen bezüglich<br />
seiner Krankheit und den zukünftigen Aussichten zu beantworten. Die Arbeitsgerichte<br />
lassen es deshalb zunächst ausreichen, wenn Sie als Arbeitgeber die Fehlzeiten in der<br />
Vergangenheit konkret darlegen. Sie dürfen dann davon ausgehen, dass dieser Zustand<br />
auch in der Zukunft fortbestehen wird. Es liegt dann an Ihrem Mitarbeiter, diese Prognose<br />
zu widerlegen. Er muss erklären, worauf die Fehlzeiten beruhen und warum zukünftig<br />
keine Krankmeldungen mehr zu erwarten sind. Zum Nachweis muss er gegebenenfalls<br />
seinen Arzt von der Schweigepflicht befreien. Entscheidend für die Richtigkeit Ihrer Prognose<br />
ist immer der Zeitpunkt der Kündigung. Für deren Wirksamkeit ist es deshalb unerheblich,<br />
wenn später neue Umstände (z. B. eine überraschende Genesung) auftreten.<br />
Diese Gründe reichen nicht aus<br />
Zur Begründung der negativen Gesundheitsprognose sind nur Krankheiten geeignet, denen<br />
eine Aussagekraft für die Wiederholungsgefahr oder Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit<br />
beizumessen ist. Regelmäßig nicht berücksichtigt werden deshalb:<br />
• vollständig ausgeheilte Krankheiten,<br />
• akute Verletzungen (z. B. Arm- oder Beinbruch),<br />
• bereits überstandene Folgen eines Unfalls,<br />
• Sportunfälle, soweit ausgeschlossen ist, dass sie sich wiederholen,<br />
• (auch weiterhin bestehende) Folgen eines Betriebsunfalls,<br />
• Erkrankungen ohne Wiederholungsgefahr (z. B. Blinddarmoperation).<br />
4 <strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>kompakt</strong> – Aktuelle Urteile und Empfehlungen für Arbeitgeber
KW 24–25/2017<br />
Zuschläge nach Tarifvertrag<br />
Dauernachtschicht kann vollen Nachtzuschlag auslösen<br />
Die Arbeit im Schichtsystem ist bei vielen Arbeitnehmern nicht beliebt. Vor allem der ständige Wechsel von Tag- und Nachtschichten<br />
wird häufig als belastend wahrgenommen. Allerdings sehen Tarifverträge als Kompensation zumeist Zuschläge vor. Auch hierüber<br />
kann Streit entstehen, wenn die Regelungen nicht eindeutig sind. Fallen z. B. Zuschläge an, wenn ein Arbeitnehmer freiwillig immer<br />
nachts arbeitet und damit gerade nicht am Wechselschichtmodell teilnimmt?<br />
Der Fall: Ein Arbeitnehmer arbeitete bei seinem Arbeitgeber als<br />
Schichtleiter dauerhaft freiwillig in der Nachtschicht von 20:00 Uhr<br />
bis 6:00 Uhr früh. Der Arbeitgeber zahlte hierfür einen Zuschlag<br />
von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn und verwies auf den anwendbaren<br />
Tarifvertrag. Der Arbeitnehmer war hiermit nicht einverstanden.<br />
Der Tarifvertrag sehe einen Nachtarbeitszuschlag von<br />
50 % vor. Der Arbeitgeber wollte diesen nicht zahlen, schließlich<br />
sei der Arbeitnehmer freiwillig in Dauernachtschicht tätig und<br />
nicht in Wechselschichten.<br />
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) München gab dem<br />
Arbeitnehmer Recht. Der Tarifvertrag sei so auszulegen, dass ein<br />
abgestuftes Zulagensystem gelte. Bei dauerhafter Tagschicht gebe<br />
es keinen Zuschlag, bei Wechselschichten einen Zuschlag von 10 %<br />
für alle geleisteten Stunden. Dagegen sei bei dauerhafter Nachtschicht<br />
ein Zuschlag von 50 % zu zahlen. Auf den Umstand, dass der Arbeitnehmer<br />
freiwillig immer in Nachtschichten arbeite, komme es<br />
nicht an (LAG München, Urteil vom 17.02.2017, Az.: 7 Sa 365/16).<br />
Nachtarbeit: Ohne Ausgleich geht es nicht!<br />
Nachtarbeit wird grundsätzlich bereits vom Gesetzgeber als besonders<br />
belastend angesehen. Daher sieht § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz<br />
(ArbZG) vor, dass Sie Nachtarbeitnehmern für ihre Tätigkeit während<br />
der Nachtzeit eine angemessene Zahl freier Tage oder einen angemessenen<br />
Zuschlag gewähren müssen. Meist sind die entsprechenden<br />
Ausgleichsleistungen tarifvertraglich geregelt. Ist dies nicht der<br />
Fall, sind Sie individuell zum Ausgleich verpflichtet. Dabei können<br />
Sie wählen, ob Sie Ihren Arbeitnehmern den Ausgleich in Freizeit<br />
gewähren oder einen angemessenen Nachtzuschlag zahlen.<br />
Nachtarbeit: Hier besteht eine Ausgleichspflicht<br />
Einen Ausgleich in Freizeit oder einen Zuschlag müssen Sie nur<br />
gewähren, wenn ein Arbeitnehmer als sogenannter Nachtarbeitnehmer<br />
tätig ist. Wann dies der Fall ist, ist gesetzlich geregelt:<br />
• Nachtarbeitnehmer ist, wer in Wechselschichten eingesetzt ist<br />
und dabei zur Nachtzeit mindestens 2 Stunden tätig wird.<br />
• Nachtarbeitnehmer ist auch, wer nicht in Wechselschichten tätig<br />
ist, aber an 48 Tagen im Kalenderjahr zur Nachtzeit arbeitet.<br />
• Nachtzeit ist dabei die Zeit zwischen 23:00 und 06:00 Uhr.<br />
• Ein Tarifvertrag kann den Beginn der Nachtzeit abweichend<br />
auf die Zeit zwischen 22:00 und 24:00 Uhr festlegen (§ 7 Abs. 1<br />
Nr. 5 ArbZG).<br />
Freie Mitarbeit<br />
Sozialversicherung: Krankenschwester ist Arbeitnehmerin<br />
Um die kostspieligen Regelungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts zu umschiffen, schließen viele Arbeitgeber sogenannte<br />
Dienstleistungsverträge mit „freien Mitarbeitern“ ab. Das böse Erwachen folgt meist auf dem Fuß, wenn der Sozialversicherungsträger<br />
diese dennoch als Arbeitnehmer einordnet. Dann ist auch irrelevant, was im Vertrag geschrieben steht.<br />
Der Fall: Eine Krankenschwester für Anästhesie hatte einen „Dienstleistungsvertrag“<br />
mit einem Krankenhaus geschlossen. Festgeschrieben<br />
wurde, dass die Krankenschwester „Dienstleistungen gemäß dem<br />
Berufsbild einer examinierten Kranken- und Gesundheitspflegekraft“<br />
erbringen soll. Zudem wurde festgehalten, dass sie „kein Arbeitnehmer<br />
(…) im Sinne des Sozialversicherungs-, Steuer- und <strong>Arbeitsrecht</strong>s“<br />
sei. Die Sozialversicherungsträger waren der Auffassung,<br />
dass die Krankenschwester dennoch Arbeitnehmerin im Sinne des<br />
Sozialversicherungsrechts und damit sozialversicherungspflichtig<br />
sei. Die Krankenschwester klagte dagegen vor dem Sozialgericht.<br />
Das Urteil: Das Sozialgericht (SG) Heilbronn wies ihre Klage ab!<br />
Zwar stelle der Wille der Parteien zu freier Mitarbeit ein Indiz für<br />
eine selbstständige Tätigkeit dar. Hier sei maßgeblich, dass die Krankenschwester<br />
in die betriebliche Organisation des Krankenhauses<br />
eingebunden gewesen sei. Sie habe Patienten bei Dienstantritt übernommen<br />
und nach Dienstende wieder übergeben. Arztanweisungen<br />
habe sie befolgen müssen und kein wirtschaftliches Risiko getragen<br />
(SG Heilbronn, Urteil vom 01.02.2017, Az.: S 10 R 3237/15).<br />
„Arbeitnehmer“ ist nicht gleich „Arbeitnehmer“<br />
Arbeitnehmer im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist nicht<br />
gleich Arbeitnehmer im Sinne des <strong>Arbeitsrecht</strong>s. Letzteres wird spätestens<br />
von einem Arbeitsgericht unabhängig von einem Statusfeststellungsverfahren<br />
der Sozialversicherungsträger festgestellt.<br />
Die meisten Kriterien, die für die Feststellung des Arbeitnehmerstatus<br />
im Sinne der Sozialversicherung herangezogen werden, gelten<br />
jedoch auch für die Bestimmung der Arbeitnehmerstellung im<br />
Sinne des <strong>Arbeitsrecht</strong>s.<br />
Gehen Sie hier auf Nummer sicher<br />
Treffen einzelne der folgenden Kriterien auf Ihren freien Mitarbeiter<br />
zu, sollten Sie dessen Status sicherheitshalber klären lassen:<br />
• Eingliederung in den Betriebsablauf,<br />
• kein eigener Kapitaleinsatz (keine eigenen Betriebsmittel),<br />
• Tätigkeit im Wesentlichen nur für Sie als Auftraggeber,<br />
• keine eigene Arbeitsorganisation und Marktteilnahme,<br />
• Weisungsabhängigkeit bzgl. Zeit, Art und Ort der Arbeit.<br />
5
Prozessvergleich<br />
Keine Anfechtung bei<br />
Protokollierungsfehler<br />
Der Fall: Ein Arbeitnehmer war als<br />
Verkaufsberater Mobilfunk bei seinem<br />
Arbeitgeber tätig. Als er fristlos, hilfsweise<br />
ordentlich gekündigt wurde, erhob<br />
er Kündigungsschutzklage. Vor<br />
dem Arbeitsgericht wurde dann die<br />
Beendigung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses<br />
in einem Vergleich<br />
geregelt. Dabei protokollierte der Richter<br />
einen Monatslohn fehlerhaft, was<br />
zunächst niemandem auffiel. Schließlich<br />
focht der Arbeitnehmer den Vergleich<br />
an.<br />
Das Urteil: Das Arbeitsgericht (ArbG)<br />
Heilbronn erklärte, dass der Vergleich<br />
das Verfahren wirksam beendet habe.<br />
Die fehlerhafte Protokollierung begründe<br />
keinen anfechtbaren Irrtum.<br />
Der wirkliche Wille der Vertragsparteien<br />
stehe fest und der höhere Lohn<br />
könne (ggf. in einem Folgeverfahren)<br />
geltend gemacht werden (ArbG Heilbronn,<br />
Urteil vom 16.03.2017, Az.: 8<br />
Ca 161/16).<br />
Drum prüfe, wer sich bindet<br />
Gerichtliche Verfahren können zeitund<br />
kostenintensiv werden. Außerdem<br />
kann sich Ihre Einschätzung während<br />
des Verfahrens ändern und die Wahrscheinlichkeit<br />
eines ungünstigen Urteils<br />
steigen. Mit einem Vergleich können<br />
Sie ein Verfahren einvernehmlich<br />
beenden. Dies gilt auch für die Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses, denn<br />
mit der Protokollierung wird die<br />
Schriftform gewahrt. Prüfen Sie allerdings<br />
vor Ihrer Zustimmung den Inhalt<br />
des Vergleiches genau. Von diesem<br />
können Sie sich später nur sehr<br />
schwer wieder lösen.<br />
Prozessvergleich: Hier können<br />
Sie anfechten<br />
In diesen Fällen können Sie einen Prozessvergleich<br />
erfolgreich anfechten:<br />
• Der Arbeitnehmer hat Sie durch<br />
falsche Angaben getäuscht und<br />
damit den Vergleichsschluss herbeigeführt.<br />
• Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer<br />
Sie mit einem Nachteil bedroht<br />
und Sie dadurch zum Abschluss<br />
des Vergleichs genötigt hat.<br />
Bezugnahmeklausel<br />
Beendeter Anerkennungstarifvertrag:<br />
keine Tariflohnerhöhungen mehr<br />
Als Arbeitgeber hat es durchaus Vorteile, wenn in Ihrem Unternehmen ein Tarifvertrag<br />
gilt. Schließlich finden dann einheitliche Arbeitsbedingungen Anwendung und Streit<br />
mit den Arbeitnehmern wird vermieden. Was aber, wenn Sie gar nicht Mitglied im Arbeitgeberverband<br />
sind. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, Tarifwerken Gültigkeit in<br />
Ihrem Unternehmen zu verschaffen.<br />
Der Fall: Ein Arbeitnehmer war seit 1981 bei einem Unternehmen der chemischen Industrie<br />
tätig. Der Arbeitgeber war nicht Mitglied im Arbeitgeberverband. Er vereinbarte allerdings<br />
mit der Gewerkschaft im Jahr 2010 einen Anerkennungstarifvertrag (Haustarifvertrag).<br />
Danach sollten die Regelungen des Tarifwerks der chemischen Industrie im Unternehmen<br />
gelten. Mit den Arbeitnehmern vereinbarte der Arbeitgeber jeweils eine Bezugnahme auf<br />
den Haustarifvertrag. In der Folgezeit wandte der Arbeitgeber das Tarifwerk der chemischen<br />
Industrie an. Mit Wirkung zum 31.12.2011 kündigte der Arbeitgeber den Haustarifvertrag.<br />
Der Arbeitnehmer war jedoch der Auffassung, ihm stünden durch die Bezugnahme<br />
weiterhin die folgenden Tariferhöhungen zu. Als dies der Arbeitgeber ablehnte, erhob<br />
der Arbeitnehmer Klage.<br />
Das Urteil: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitgeber Recht. In Bezug genommen<br />
worden sei nur der Haustarifvertrag. Erst über dessen Geltung sei das Tarifwerk<br />
der chemischen Industrie dynamisch anzuwenden. Dies ende, sobald der Haustarifvertrag<br />
gekündigt sei und nur noch nachwirke. Anzuwenden sei damit lediglich das Tarifwerk der<br />
chemischen Industrie zum Zeitpunkt der Kündigung des Haustarifvertrages (BAG, Urteil<br />
vom 22.03.3017, Az.: 4 AZR 462/16).<br />
Bezugnahmeklausel muss eindeutig und bestimmt sein<br />
Als Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind Sie an die geschlossenen Verbandstarifverträge<br />
gebunden. Ansprüche aus dem Tarifvertrag können zunächst die Arbeitnehmer geltend<br />
machen, die Mitglied der Gewerkschaft sind. Damit das Tarifwerk flächendeckend<br />
für alle Arbeitnehmer gilt, sind Bezugnahmeklauseln für alle Arbeitnehmer in den Arbeitsverträgen<br />
üblich. Diese sollen die Gleichstellung von nicht tarifgebundenen mit tarifgebundenen<br />
Arbeitnehmern herstellen. Sind sie nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes,<br />
haben Sie diese Möglichkeiten, tarifliche Regelungen anzuwenden:<br />
1. Sie schließen mit der Gewerkschaft einen Haustarifvertrag und vereinbaren mit allen<br />
Arbeitnehmern eine Gleichstellungsabrede.<br />
2. Sie vereinbaren mit der Gewerkschaft einen Anerkennungs- bzw. Verweisungstarifvertrag<br />
auf das eigentliche Tarifwerk. Auch hier benötigen Sie eine Bezugnahmeklausel<br />
(Gleichstellungsabrede) in den Arbeitsverträgen aller Mitarbeiter.<br />
3. Sie nehmen eine Bezugnahmeklausel auf das Tarifwerk in Ihre Arbeitsverträge auf.<br />
Der große Vorteil eines Anerkennungstarifvertrages ist es, dass Sie sich durch Kündigung<br />
des Tarifvertrages von der dynamischen Anwendung des Tarifwerkes insgesamt lösen<br />
können. Dies ist bei einer dynamischen Bezugnahmeklausel nur mit einer Änderungskündigung<br />
oder einer einvernehmlichen Regelung möglich.<br />
Bezugnahmeklausel: Das sind Ihre Möglichkeiten<br />
Folgende Arten von Bezugnahmeklauseln müssen Sie unterscheiden:<br />
1. Statische Verweisung: Es gilt nur der jeweilige konkret benannte Tarifvertrag.<br />
2. Dynamische Verweisung: Es gelten ein konkret benannter Tarifvertrag und diesen ergänzende,<br />
ändernde oder ersetzende Tarifverträge.<br />
3. Gleichstellungsabrede: Es gilt jeweils der Tarifvertrag, der für Sie als Arbeitgeber gilt.<br />
6 <strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>kompakt</strong> – Aktuelle Urteile und Empfehlungen für Arbeitgeber
KW 24–25/2017<br />
Gratifikation<br />
Freiwilligkeitsvorbehalt müssen Sie eindeutig formulieren<br />
Hinsichtlich des vereinbarten Arbeitsentgelts haben Ihre Mitarbeiter einen einklagbaren Anspruch. Gewähren Sie dagegen zusätzlich<br />
Einmalzahlungen, sieht es schon ganz anders aus. Diese können unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, wenn sie kein<br />
laufendes Arbeitsentgelt darstellen, sondern z. B. die Betriebstreue honorieren sollen. Der Teufel liegt aber auch hier im Detail. Nur ein<br />
eindeutiger und klarer Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert die Entstehung eines Anspruchs auf die Sonderzahlung.<br />
Der Fall: Ein Arbeitnehmer war bei seinem Arbeitgeber seit Mai 1999<br />
als Kundendiensttechniker tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fanden<br />
tarifliche Regelung der Branche Anwendung. Zudem war im Arbeitsvertrag<br />
die Gewährung einer Jahresleistung/Sonderzahlung<br />
auf Basis eines Tarifgehalts vorgesehen. Es war geregelt, dass es<br />
sich um eine freiwillige, zusätzlich zum tariflichen Anspruch gewährte<br />
Leistung handele. Der Arbeitgeber zahlte die Sonderzahlung<br />
in jedem Jahr mit dem Novembergehalt aus. Im Jahr 2016 gewährte<br />
der Arbeitgeber dann lediglich die tarifliche Sonderleistung, nicht<br />
jedoch die darüber hinausgehende freiwillige Leitung. Der Arbeitnehmer<br />
war hiermit nicht einverstanden und machte die Differenz<br />
geltend. Er habe nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch<br />
darauf. Der Arbeitgeber verwies auf die Regelung im Arbeitsvertrag,<br />
dass es sich um eine freiwillige Zahlung handele.<br />
Das Urteil: Das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf sah dies anders.<br />
Im Arbeitsvertrag sei hinsichtlich der Sonderzahlung kein eindeutiger<br />
Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart worden. Es seien in der<br />
Formulierung die Begriffe „Anspruch“ und „gewähren“ verwendet<br />
worden. Zudem sei die Höhe (ein Monatsgehalt) festgelegt worden.<br />
Der Begriff der Freiwilligkeit sei in diesem Zusammenhang nicht<br />
eindeutig. Er könne auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber<br />
Leistungen über den Tarifvertrag hinaus erbringen wolle<br />
(ArbG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2017, Az.: 4 Ca 7169/16).<br />
Vermeiden Sie widersprüchliche Regelungen<br />
Damit Sie sich für die Zukunft nicht binden, können Sie bei zusätzlichen<br />
Leistungen wie Weihnachtsgeld klarstellen, dass diese<br />
lediglich freiwillig ohne Rechtsanspruch gewährt werden. Auf diese<br />
Weise verhindern Sie das Entstehen einer betrieblichen Übung<br />
aufgrund einer wiederholten gleichförmigen Zahlung. Es entsteht<br />
bereits kein Anspruch, auf den sich Ihre Mitarbeiter zukünftig berufen<br />
könnten. Vorsicht ist allerdings bei der Formulierung des<br />
Freiwilligkeitsvorbehalts geboten. Dieser unterliegt nämlich nach<br />
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Inhaltskontrolle<br />
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Wichtiger Maßstab<br />
ist dabei das sogenannte Transparenzgebot. Ist der Freiwilligkeitsvorbehalt<br />
irreführend oder zu weitläufig formuliert, führt das zur<br />
Unwirksamkeit der Klausel. Widersprüchlich ist die Formulierung<br />
z. B. dann, wenn einerseits die Leistung einer Sonderzahlung versprochen<br />
und diese gleichzeitig unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt<br />
gestellt wird. Eine zu weitläufige Klausel liegt dann vor, wenn der<br />
Vorbehalt keinen genauen Bezugspunkt aufweist und somit den<br />
Anschein erweckt, dass alle Leistungen Ihrerseits an den Arbeitnehmer<br />
ohne Rücksichtnahme auf die Art oder den Entstehungsgrund<br />
erfasst sein sollen. Auch ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der<br />
die laufende Gegenleistung für die Tätigkeit betrifft, unwirksam!<br />
Freiwilligkeitsvorbehalt: Das ist wichtig!<br />
Bei der Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts im Arbeitsvertrag<br />
sollten Sie folgende Punkte besonders beachten:<br />
1. Formulieren Sie eindeutig: Ist die Klausel unklar, ist sie unwirksam<br />
und es wird ein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer<br />
auf die Leistung begründet.<br />
2. Verzichten Sie darauf, die Zahlung an das Erreichen bestimmter<br />
Umsätze oder Gewinne zu koppeln bzw. einen festen Betrag<br />
für die Sonderzuwendung zu definieren. Dies erweckt den Anschein,<br />
dass ein Anspruch begründet werden soll.<br />
3. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht nach Art und Entstehungsgrund<br />
der Zahlung unterscheidet, ist unwirksam, weil er<br />
auch laufende Leistungen umfasst.<br />
4. Es empfiehlt sich, in den Vertrag auch gleich folgende „Verständnisklausel“<br />
aufzunehmen: „Der Mitarbeiter bestätigt hiermit<br />
ausdrücklich, dass er eine Leistungsgewährung des Arbeitgebers<br />
nicht dahingehend versteht, dass dieser sich dazu verpflichten<br />
will, auch in Zukunft gleichartige Leistungen zu erbringen.“<br />
5. Zudem ist empfehlenswert, bei der jeweiligen Zahlung nochmals<br />
darauf hinzuweisen, dass mit der Leistung kein Rechtsanspruch<br />
für die Zukunft begründe wird, und sich dies vom Arbeitnehmer<br />
quittieren zu lassen.<br />
Impressum<br />
Verleger: BWRmed!a, Bonn<br />
Ein Unternehmensbereich der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG<br />
Sitz: Bonn, AG Bonn, HRB 8165 Vorstand: Helmut Graf, Guido Ems, Frederik Palm<br />
Erscheinungsweise: 14-tägig; ISSN: 1439-1449<br />
Herausgeber: Thomas Müller, Bonn<br />
Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. jur. Burkhard Boemke,<br />
Boemke & Partner Rechtsanwälte mbB, Mozartstraße 3, 04107 Leipzig<br />
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ermittelt und geprüft. Es kann jedoch keine Gewähr übernommen werden, eine<br />
Haftung ist ausgeschlossen. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigungen,<br />
auch auszugsweise, nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
wird keine Gewähr übernommen.<br />
7
Abmahnung<br />
Weisung unwirksam: Abmahnung muss entfernt werden<br />
Als mildeste arbeitsrechtliche Maßnahme nach der rechtlich unbedeutenden „Ermahnung“ gilt die Abmahnung. Sinn und Zweck ist<br />
vor allem, den Arbeitnehmer auf seine Pflichtverletzungen hinzuweisen, eine Verhaltensänderung in Zukunft zu bewirken und ihn vor<br />
weiteren Maßnahmen, wie z. B. der Kündigung, zu warnen. Dies setzt jedoch auch tatsächlich eine Pflichtverletzung voraus.<br />
Der Fall: Bei einem Arbeitgeber wurde ein Gruppenkalender<br />
namens „Tram“ eingerichtet. Auf diesen hatten insgesamt 4 Personen<br />
des Arbeitgebers Zugriff. Eines Tages wies der Gruppenleiter<br />
einen der zugriffsberechtigten Arbeitnehmer an, den Gruppenkalender<br />
für die Verwaltung der betrieblichen Termine zu benutzen. Der<br />
Arbeitnehmer lehnte dies ab. Anschließend wies der Arbeitgeber den<br />
Arbeitnehmer mittels Schreiben darauf hin, dass er verpflichtet sei,<br />
den Weisungen seiner Führungskraft nachzukommen. Für den Fall<br />
eines weiteren vergleichbaren Vorfalls kündigte er weitere arbeitsrechtliche<br />
Maßnahmen bis hin zur Kündigung an. Der Arbeitnehmer<br />
klagte auf Entfernung dieser Abmahnung aus der Personalakte.<br />
Das Urteil: Zu Recht! Das entschied das Landesarbeitsgericht<br />
(LAG) Nürnberg. Der Arbeitgeber sei bei der Einrichtung des Kalenders<br />
nicht völlig frei gewesen. Im Betrieb habe nämlich ein Betriebsrat<br />
bestanden, welcher zu beteiligen gewesen wäre. Der<br />
Gruppenkalender stelle eine technische Einrichtung im Sinne des<br />
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dar (LAG<br />
Nürnberg, Urteil vom 21.02.2017, Az.: 7 Sa 441/16).<br />
Abmahnung setzt Pflichtverletzung voraus<br />
Voraussetzung einer Abmahnung ist eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.<br />
Eine solche haben die Richter im dargestellten Fall<br />
nicht gesehen. Sie wiesen darauf hin, dass der Arbeitgeber zwar<br />
grundsätzlich im Rahmen des ihm zustehenden Direktionsrechts<br />
berechtigt sei, dem Arbeitnehmer die Anweisung zu erteilen, den<br />
bei ihr eingerichteten Gruppenkalender zu benutzen. Es handele<br />
sich dabei um eine Anordnung, die die Art und Weise betrifft, wie<br />
der Arbeitnehmer die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung zu<br />
gestalten hat. Aufgrund der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats<br />
durfte der Arbeitnehmer die Nutzung aber verweigern. Ein Verstoß<br />
gegen arbeitsvertragliche Pflichten sei daher nicht gegeben.<br />
Arbeitnehmer kann Entfernung verlangen<br />
Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann der Arbeitnehmer<br />
die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus<br />
seiner Personalakte verlangen, wenn<br />
• die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen<br />
ist,<br />
• sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,<br />
• den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder<br />
• kein schutzwürdiges Interesse am Verbleib der Abmahnung in<br />
der Personalakte mehr besteht (z. B. weil die Wirkungsdauer<br />
abgelaufen ist).<br />
Beschäftigungsanspruch<br />
Trotz Anspruchs keine Weiterbeschäftigung!?<br />
Ihre Arbeitnehmer haben nicht nur einen Lohnanspruch, sondern auch Anspruch darauf, beschäftigt zu werden. Entgegen einer weit<br />
verbreiteten Ansicht hat der Arbeitgeber grundsätzlich auch kein Recht, den Arbeitnehmer einseitig freizustellen, auch nicht unter<br />
Fortzahlung der Bezüge. Hierfür bedarf es guter Gründe.<br />
Der Fall: Ein Ingenieur war bei seinem Arbeitgeber in gehobener<br />
Position als Leiter der Motorenentwicklungsabteilung beschäftigt.<br />
Der Arbeitgeber stellte ihn eines Tages unter Entgeltfortzahlung<br />
von der Arbeit frei. Eine Kündigung erfolgte jedoch nicht. Der Ingenieur<br />
beantragte nun im einstweiligen Verfügungsverfahren die<br />
Weiterbeschäftigung.<br />
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg<br />
ließ ihn abblitzen. Zwar habe der Ingenieur unzweifelhaft einen<br />
Beschäftigungsanspruch. Dieser könne aber nicht im einstweiligen<br />
Verfügungsverfahren durchgesetzt werden. Durch das Verfügungsverfahren<br />
dürfe die Hauptsache nicht vorweggenommen werden.<br />
Dies wäre aber für die Tage der Fall, an denen der Ingenieur aufgrund<br />
der einstweiligen Verfügung wieder eingesetzt würde (LAG<br />
Baden-Württemberg, Urteil vom 16.02.2017, Az.: 21 SaGa 1/16).<br />
Ihre Freistellungsgründe<br />
Möglich ist die einseitige Freistellung, wenn Ihr Interesse an einer<br />
(kurzfristigen) Suspendierung das Interesse des Arbeitnehmers an<br />
einer vertragsgemäßen Beschäftigung überwiegt. Dies ist z. B. der<br />
Fall, wenn<br />
• es keine Einsatzmöglichkeit (z. B. bei einer Betriebsstörung) gibt,<br />
• das Vertrauensverhältnis massiv gestört ist (z. B. bei strafbaren<br />
Handlungen),<br />
• von dem Arbeitnehmer eine Gefahr für andere Arbeitnehmer<br />
oder Kunden ausgeht, z. B. wegen ansteckender Krankheiten,<br />
• das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt worden ist und daher<br />
nur noch für die Dauer der Kündigungsfrist besteht,<br />
• die Kündigungsfrist eher kurz ist, d. h. noch etwa ein bis 3 Monate<br />
dauert, und<br />
• der Arbeitnehmer einen erheblichen, der Kündigungsfrist in<br />
etwa entsprechenden Urlaubsanspruch und/oder Freizeitausgleichsanspruch<br />
hat.<br />
Haben Sie fachliche Fragen?<br />
Schreiben Sie mir:<br />
E-Mail: boemke@bwr-media.de<br />
8 <strong>Arbeitsrecht</strong> <strong>kompakt</strong> – Aktuelle Urteile und Empfehlungen für Arbeitgeber