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Haltung, muskuläre Balance und Training - Biomechanik und ...

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- 62 -<br />

4.3 Untersuchungen zur hiomechanischen Analyse der menschlichen<br />

Körperhaltung<br />

Immer wieder begegnet man in der Literatur der Meinung, der menschliche Körper<br />

könne auch ohne Muskelaktivität aufgr<strong>und</strong> seiner passiven Haltevorrichtungen in einer<br />

aufrechten <strong>Haltung</strong> verbleiben 3 9 Dieser Standpunkt kann jedoch schnell durch den<br />

Versuch, einen ohnmächtigen oder schlafenden Menschen in einer aufrechten Körperstellung<br />

zu fixieren, widerlegt werden4 0<br />

Liegt der Schwerpunkt eines Körperteils nicht senkrecht oberhalb des folgenden kau­<br />

dal gelegenen Gelenkes, muß dem Drehmoment. das die Schwerkraft diesem Körper­<br />

teil verleiht, durch Muskelkraft ein entgegengerichtetes Drehmoment entgegengesetzt<br />

werden. Bei der Untersuchung der Statik der menschlichen Körperhaltung ist zum<br />

einen die Lage des Körperschwerpunktes <strong>und</strong> der Körperteilschwerpunkte <strong>und</strong> zum<br />

anderen die Position der Drehachsen von Interesse. Von der Kenntnis dieser Faktoren<br />

kann auf die Aktivität der Muskulatur geschlossen werden <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

Neben theoretischen Überlegungen <strong>und</strong> Untersuchungen an Modellen (STORCK<br />

1951), innerhalb derer die Lage des Körperschwerpunktes <strong>und</strong> der Körperteilschwer­<br />

punkte berechnet werden. ermöglichen vor allem die Plattform-Standanalyse <strong>und</strong> die<br />

Elektrornyographie wertvolle Erkenntnisse.<br />

Bei der EMG-Analyse im Rahmen der Untersuchung der Körperhaltung werden Mus­<br />

kelaktionsströme gemessen, um das Aktivitätsmuster der Muskulatur unter den ver­<br />

schiedenen <strong>Haltung</strong>sbedingungen qualitativ <strong>und</strong> quantitativ bestimmen zu können. Bei<br />

der Bestimmung, welche Muskeln bei der <strong>Haltung</strong> aktiviert werden, treten Wider­<br />

sprüche auf. Diese resultieren einerseits aus Unterschieden in den Methoden<br />

(GROENEVELD 1976, 31 f.) <strong>und</strong> andererseits aus der Tatsache, daß die Teilschwer­<br />

punkte bei intra- <strong>und</strong> interindividuell unterschiedlichen Körperhaltungen verschieden<br />

große <strong>und</strong> ggf. entgegengerichtete Drehmomente in den entsprechenden kaudal gele­<br />

genen Gelenken verursachen, denen dann mit unterschiedlichen "Gegenschwerge<br />

wichtsrnuskeln" (ASMUSSEN 1960,289) entgegengearbeitet werden muß.<br />

39 "Wir lassen die Muskeln ruhen, wenn das Zusammenspiel von Schwerkraft <strong>und</strong><br />

Haltebändern genügt, um unsere <strong>Haltung</strong> zu sichern." (SCHEDE 1969.50) "Die<br />

tiefe Ruhehaltung ist dadurch gekennzeichnet, daß der Rumpf sich mechanisch<br />

auspendelt, so daß keine aktive Muskelspannung notwendig ist." (MATTHlASS<br />

1977,69) "Der Mensch vermag auch ohne aktive Muskelkraft ruhig zu stehen."<br />

(SCHOLTZMETHNER 1976, 111) Bei SCHIEBLER u.a. (1987,375) wird von<br />

einem "a<strong>muskuläre</strong>n Stand" gesprochen,<br />

40 "As Steindler (1955) showed, a completly passive equilibrium is impossible<br />

because the centres of gravity of the links and the movernent-centres of the joints<br />

between them cannot be all brought to coincide perfectly with the common line of<br />

gravity." (BASMAJIAN 1974, 177)<br />

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ASMUSSEN (1960), ASMUSSEN u.a. (1962), KLAUSEN (1965) <strong>und</strong> KLAUSEN<br />

u.a. (1978) weisen in überzeugender Weise für die Bauch- <strong>und</strong> Rückenmuskeln nach,<br />

daß eine normative Einteilung dieser antagonistischen Rumpfmuskeln in <strong>Haltung</strong>s­<br />

<strong>und</strong> Bewegungsmuskeln weder durch elektromyographische - noch durch Plattform­<br />

Untersuchungen belegt werden kann. Diese Untersuchungen werden aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

zentralen Bedeutung im folgenden ausführlich dargestellt.<br />

ASMUSSEN (1960) wählte unter Bezugnahme auf AKERBLOM (zit. bei AS­<br />

MUSSEN. 279) einen bemerkenswert ideenreichen <strong>und</strong> innovativen Versuchsauf­<br />

bau41, um die horizontale Position der Vertikalen durch den Teilschwerpunkt der<br />

Körpermasse oberhalb des 4. Lendenwirbelkörpers zu bestimmen. Bei diesem Ver­<br />

suchsautbau standen die Probanden in einem Behälter <strong>und</strong> waren bis zum oberen Rand<br />

des Kreuzbeines in Wasser eingetaucht, so daß die darunterliegenden Körperteile<br />

praktisch gewichtslos waren. Durch eine Kraftmeßplane, die sich in dem Behälter be­<br />

fand, konnte die vertikale Position des Oberkörperteilschwerpunktes bestimmt <strong>und</strong> mit<br />

der Vertikalen durch den Gehörgang in Beziehung gesetzt werden. Dabei lag die<br />

Oberkörperschwerpunktlinie im Durchschnitt um 1,3 cm vor der Vertikalen durch den<br />

Gehörgang mit einer Streubreite von -3 cm bis +4,2 cm. Bei einem Meßfehler von<br />

maximal I cm folgerten die Autoren, daß die Oberkörperschwerelinie um mehrere<br />

Zentimeter bzgl. der Vertikalen durch den Gehörgang schwankt. Trotz dieser Un­<br />

sicherheit wurde bei den weiteren Messungen die Vertikale durch den Gehörgang als<br />

beste Annäherung an die Oberkörperschwerpunktlinie zugr<strong>und</strong>egelegt (279).<br />

Die Ergebnisse einer röntgenologischen Studie bewegten den Autor zu der<br />

Annahme42, daß die Oberkörperschwerpunktlinie im Durchschnitt ventral vor dem<br />

4. Lendenwirbel liegt (280).<br />

Bei seinen elektromyographischen Untersuchungen wurde die elektrische Aktivität des<br />

lumhalen Anteils des M. erector spinae <strong>und</strong> des M. rectus abdorninis bei 22 Pro­<br />

banden in Ruhehaltung erfaßt. Die Versuche hatten die folgenden Ergebnisse:<br />

I. Bei den verschiedenen Probanden ließ sich bei der Ruhehaltung jeweils ausschließ­<br />

lich bei einer der beiden antagonistischen Muskelgruppen elektrische Aktivität<br />

nachzuweisen.<br />

2. Dabei waren in 19 Fällen die Rückenstrecker - <strong>und</strong> in 3 Fällen die Bauchmuskeln<br />

aktiv (283).<br />

41 LEGER vertrat 1959 die Meinung, daß sich die Lage der Einzelschwerpunkte<br />

lediglich an Leichen bestimmen ließe (15).<br />

42 ASMUSSEN schreibt: " ... it seems reasonable to assume [m.H.1 that on an<br />

average and for the majority the line of gravity runs ventrally to the center of the<br />

most prominent lumbar vertebra, L 4." (280) Dabei ist das Verb "to assume"<br />

vermutlich eine Konzession an das Verfahren. als Parameter für die<br />

Oberkörperschwerelinie die Vertikale durch den Gehörgang zugr<strong>und</strong>ezulegen.

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