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klangspuren zeitung sept05 - Klangspuren Schwaz Tirol

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spuren<br />

<strong>zeitung</strong> für zeitgenossInnen<br />

September 05 · 2. Ausgabe · <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> · www.<strong>klangspuren</strong>.at · tel +43 5242 73582<br />

WIR ÜBER ANDERE UND UNS Seite 2<br />

URAUFFÜHRUNG VON RITUAL IN GALTÜR Carsten Fastner · Seite 3<br />

DIE GITARRE IN DER NEUEN MUSIK Gunter Schneider · Seite 4, 5<br />

OUR WORK HIS GLORY Barbara Hundegger · Seite 6, 7<br />

NOCH NEBELSPUREN Julia Wallnöfer · Seite 8<br />

LANDESAUSSTELLUNG 05 Nina Schedlmayer · Seite 9<br />

NACHBARSPUREN Karin Pernegger, Michael M. Kasper · Seite 10<br />

SPURENFREUNDE Milena Miller · Seite 11<br />

CHOR UND ZEITGENÖSSISCHE MUSIK Reinhard Schulz · Seite 12<br />

SPUREN VON FEUER Hans Augustin · Seite 13<br />

TRANSART 05 Peter Paul Kainrath · Seite 14<br />

KLANGSPUREN ZUGABE Seite 15<br />

KLANGSPUREN PROGRAMM Seite 16


2<br />

SCHÖNWETTER spuren September 05<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER!<br />

„Hunger auf Kunst und Kultur?“, erscheint<br />

als Frage in satten Zeiten wie diesen deplatziert.<br />

Das Schauspielhaus Wien hat in<br />

Zusammenarbeit mit der österreichischen<br />

Armutskonferenz die Frage in eine gleichnamige<br />

Aktion verwandelt und dafür angesehene<br />

Partner wie das Klangforum Wien,<br />

das Tanzquartier Wien und das Museum<br />

Moderner Kunst Stiftung Ludwig gewonnen:<br />

Menschen, die sich Kultur zurzeit nicht<br />

leisten können, wie Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger<br />

und Flüchtlinge erhalten freien<br />

Zutritt zu Theater- und Konzertveranstaltungen<br />

sowie zu Museen. Ein Bravo dieser Initiative:<br />

die <strong>Klangspuren</strong> werden sich Ähnliches<br />

überlegen. Kunst und Kultur sind ein<br />

soziales Grundbedürfnis – das sollte öfters<br />

klar gesagt werden – und ist als Botschaft<br />

eigentlich interessanter als die zurzeit vielerorts<br />

zu lesenden Bestandsaufnahmen<br />

der zeitgenössischen klassischen Musik:<br />

die deutsche Kulturzeitschrift Der Merkur<br />

glaubt die Bedeutungslosigkeit der zeitgenössischen<br />

Musik feststellen zu müssen,<br />

die Tagespresse sieht im Verdi-Spektakel<br />

der Salzburger Festspiele den letzten Rettungsanker<br />

einer dahinsiechenden Schallplattenindustrie,<br />

die ihre Umsatzmaßstäbe<br />

oft aus der Popbranche nimmt. Jenseits<br />

dieses Geplänkels sieht die Realität zum<br />

Glück viel versprechender aus: das Lucerne<br />

Festival erweitert sein Engagement für<br />

Neue Musik, das Ensemble Modern baut<br />

weiter am Akademiemodell als Vermittler<br />

neuer Spieltechniken samt Musikverständnis,<br />

kleine Labels halten sich mit einem<br />

intelligenten Nischenprogramm immer<br />

noch wacker am Markt, selbstverwaltete<br />

Ensembles wie die Neuen Vocalsolisten<br />

Stuttgart eilen von Erfolg zu Erfolg – um nur<br />

einige Beispiele zu nennen. Die Szene Neuer<br />

Musik ist reich an Inhalten, innovativen<br />

Strategien und intelligenten Initiativen.<br />

Aus der Sicht der <strong>Klangspuren</strong> ist der neue<br />

europäische Osten besonders interessant:<br />

der Lettische Radio-Chor, das Ensemble<br />

Rigas Kamermuziki, der polnische Cellist<br />

Andrzej Bauer, der künstlerische Leiter des<br />

Warschauer Herbstes und Komponist Tadeusz<br />

Wielecki, die junge polnische Komponistin<br />

Joanna Wozny sowie ihr Landsleute<br />

Michael Talma-Sutt, Ewa Trebacz, Cezary<br />

Duchnowski und die lettischen Komponisten<br />

Gundega Smite, Eriks Esenvalds,<br />

Andris Dzenitis, Maija Einfelde – alle sind<br />

sie bei den diesjährigen <strong>Klangspuren</strong> im<br />

Rahmen eines polnisch-lettischen Länderschwerpunktes<br />

zu hören. Das sind europäische<br />

Realitäten, die jahrzehntelang eigene<br />

Wege gehen mussten und jetzt aus dieser<br />

Epochenüberschreitung durch den Beitritt<br />

zur EU ein ganz eigenes Kapitel eröffnen<br />

werden.<br />

Vom Abenteuer der Neuen Musik ist gerne<br />

die Rede – bei den <strong>Klangspuren</strong> ereignet<br />

sich dieses Abenteuer.<br />

Das Team der <strong>Klangspuren</strong><br />

Alpensinfonie<br />

Über eine Woche lang probte das Ensemble<br />

Modern Orchestra mit 135 Musikern in<br />

<strong>Schwaz</strong> für ein Konzert im Rahmen des<br />

Lucerne Festivals. Als Dankeschön an die<br />

<strong>Klangspuren</strong> gab das EMO ein Abschlussprobenkonzert<br />

in der Binder Lagerhalle Jenbach<br />

- siehe auch Artikel Seite 13.<br />

Backbeat Boys<br />

Bei der Eröffnung der Langen Nacht der Musik<br />

am 18. Juni im Wiener Museumsquartier<br />

lockten die Backbeat Boys an die 500 kleine<br />

& große Menschen an, die sich von ihren<br />

Percussion-Klängen begeistern ließen.<br />

Lehrlinge<br />

Viel Applaus ernteten die Lehrlinge der Firma<br />

MPREIS für ihren Auftritt bei der Galanacht<br />

der Lehrlinge am 2. Juni in den Raiffeisensälen<br />

Innsbruck. Gemeinsam mit Stefan Schwarzenberger<br />

und Andreas Schiffer von The Next<br />

Step gaben sie ein Stück für Bananenschachteln<br />

und Fliegenklatschen sowie einen feurigen<br />

Samba, gespielt mit Lebensmitteln und<br />

traditionellen brasilianischen Instrumenten,<br />

zum Besten.<br />

Architekturfahrt<br />

„Der Weg ist das Ziel“ lautete das Motto der<br />

Architekturfahrt, die am 3. Juli von Innsbruck<br />

nach Galtür führte, und auf der gemeinsam mit<br />

Arno Ritter (von aut. architektur und tirol) architektonische<br />

Juwelen im <strong>Tirol</strong>er Oberland – wie<br />

die Pitzenklammbrücke oder die Trisanna- und<br />

Rosanna-Brücken – entdeckt, erklettert und<br />

besichtigt wurden.<br />

Unendlich Schade<br />

20 Generalpassbesitzer haben die Gelegenheit<br />

genutzt zum Menuhin Festival<br />

nach Gstaad in die Schweiz zu fahren. Der<br />

Ausflug war so schön, dass wir vergessen<br />

haben zu fotografieren.<br />

KLANGSPUREN ON AIR<br />

An jedem dritten Dienstag im Monat berichten die <strong>Klangspuren</strong> aus der Welt der neuen Musik:<br />

auf Freirad, 105.9MH. Die nächsten Termine sind 20.9., 18.10., 15.11. und 20.12, jeweils von<br />

11.00-12.00. Das Freie Radio Innsbruck – FREIRAD 105.9MHz fördert die freie Meinungsäußerung,<br />

ist werbefrei, nichtkommerziell und auf Gemeinnützigkeit ausgerichtet. FREIRAD steht<br />

allen Einzelpersonen und Gruppen offen, die das Medium Radio nutzen möchten, vor allem jenen<br />

die sonst schwer oder gar nicht die Öffentlichkeit erreichen. Programmschwerpunkte sind Kultur,<br />

Integration (Fremdsprachenradio) und Demokratiepolitik.<br />

Infos & Programm: www.freirad.at<br />

LÖSUNG DES spuren01 RÄTSELS<br />

In der letzten Ausgabe der „spuren“ fragten wir, welche versteckte <strong>Schwaz</strong>er Sehenswürdigkeit<br />

auf den Fotos auf Seite 16 zu sehen ist. Antwort: Der Dachstuhl der 1502 geweihten<br />

<strong>Schwaz</strong>er Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. Es ist der größte und einzige begehbare und sich<br />

im Originalzustand befindliche Dachstuhl dieser Art in ganz Österreich. Der Gewinner der<br />

Hörfloßfahrt am Inn von Innsbruck nach <strong>Schwaz</strong>, inklusive Abendessen und Konzertbesuch, ist<br />

Mario Maier aus <strong>Schwaz</strong><br />

DIALOGE<br />

Neue, gereinigte Hörerlebnisse, Dialoge zwischen Mozart, der zeitgenössischen Musik, Tanz<br />

und Literatur, zueinander in Beziehung gesetzt durch vier starke Lebensmotive, die Hörer,<br />

Künstler und Kunst unserer Zeit aufs Engste mit Mozart verbinden: das sind die „dialoge“, eine<br />

Veranstaltungsreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg im Mozart-Jahr 2006.<br />

Termine: „religion“ (1. bis 4.12.05), „spiel“ (29.3. bis 2.4.06), „liebe“ (17. bis 21.5.06), „tod“<br />

(1. bisd 5.12.06). Nähere Infos unter www.mozarteum.at, Tel. 0043-662-87 31 54.<br />

CD-TIPPS<br />

Helmut Lachenmann<br />

Mouvement (– vor der Erstarrung); Consolation<br />

II. Klangforum Wien, Hans Zender; SCHO-<br />

LA HEIDELBERG; Walter Nußbaum.<br />

(KAIROS 0012202KAI)<br />

Eine der faszinierendsten Lachenmann-CDs!<br />

„Mouvement“ mit dem exorbitanten Klangforum<br />

Wien erklingt genau in dem Spannungsfeld<br />

zwischen manischer Rhythmik und Leerlauf, in<br />

dem es kompositorisch konzipiert wurde.<br />

Luigi Nono<br />

Streichquartett „Fragmente – Stille, An Diotima“.<br />

Pellegrini Quartett. (BVHAAST CD 9507)<br />

Die Referenzaufnahme dieses Stücks ist<br />

immer noch die Einspielung mit dem LaSalle-Quartett,<br />

mit dem Nono die Uraufführung<br />

wochenlang einstudierte. Inzwischen haben<br />

viele Quartettbesetzungen dieses Stück im<br />

Repertoire. Es ist eine ausgesprochen filigrane,<br />

zerbrechliche und zugleich intensive Quartettkomposition<br />

an der Grenze zwischen Stille<br />

und leiser, tief blickender Regung.<br />

Luigi Nono<br />

Canti per 13. Ensemble UntitledBerlin, Peter<br />

Hirsch. (Wergo WER 6631-2)<br />

Luigi Nono hat sich musikalisch immer am Gesang<br />

orientiert. Die frühe Komposition „Canti<br />

per 13“ von 1955 ist ein streng serielles Stück<br />

mit punktuellen Strukturen (die Instrumente<br />

spielen einen Ton und geben dann die Linie an<br />

andere weiter). Dennoch wächst der Eindruck<br />

kontinuierlichen Singens empor.<br />

Georg Friedrich Haas<br />

Streichquartett Nr. 2. Kairos Quartett. (edition<br />

zeitklang ez-19017)<br />

Der österreichische Komponist Georg Friedrich<br />

Haas arbeitet intensiv mit mikrotonalen<br />

Strukturen in denen der Klang subtil aus<br />

Obertonstrukturen zusammengesetzt wird.<br />

Es gelingt ihm hierbei eine klangliche Sogkraft<br />

zu entwickeln, in die der Hörer unwillkürlich<br />

hineingezogen wird.<br />

Georg Friedrich Haas<br />

natures mortes. SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden<br />

und Freiburg, Sylvain Cambreling.<br />

(col legno WWE 2CD 20230)<br />

In diesem Orchesterwerk von 2003 kombiniert<br />

Haas über weite Strecken differenzierte<br />

spektrale Strukturen mit gleichförmigen rhythmischen<br />

Rastern, die an Maltechniken etwa<br />

eines Roy Lichtenstein denken lassen.<br />

Pierre Boulez<br />

Klaviersonaten 1-3. a. Idil Biret. (Naxos 8.553353)<br />

b. Paavali Jumppainen. (DG 00289 477 5328)<br />

Die drei Klaviersonaten von Pierre Boulez<br />

(1946, 1947-48, 1955-57) sind schon ins<br />

Repertoire einiger Pianisten eingegangen.<br />

Vergleiche sind möglich, etwa zwischen der<br />

nervig gespannten Aufnahme der weit unterschätzten<br />

türkischen Pianistin Idil Biret, die<br />

1995 entstand, mit der von Paavali Jumppainen<br />

von 2005, in der mehr Wert auf klangliche<br />

Delikatesse gelegt wird.<br />

Andreas Dohmen<br />

Portraits und Wiederholung. Neue Vocalsolisten<br />

Stuttgart, Manfred Schreier. (col legno<br />

WWE 1CD 20031)<br />

Spannende Arbeit mit neuen Vokaltechniken<br />

und elektronischen Verzerrungen, durch die<br />

die Stimmen unkenntlich oder teilweise unkenntlich<br />

werden.<br />

Terje Rypdal<br />

Lux aeterna (3. Satz: Escalator). Terje Rypdal<br />

und andere. (ECM 1818)<br />

Musikalischer Schönklang eines Musikers, der<br />

zwischen Jazz, Pop und Avantgarde wandelt<br />

und Crossover als die Ineinander sinnlich<br />

magischer Berührungspunkte aus den unterschiedlichsten<br />

Quellen versteht.<br />

Franui<br />

Ende vom Lied. 2 CDs, Circus Prod, 575 151<br />

(SunnyMoon) FAZ Bestenliste der Schallplattenkritik<br />

Hörproben: Am 8.9 findet um 19.00 Uhr im arcustik – Musik am<br />

Domplatz 3 6020 Innsbruck, T 0512/583586, info@arcustik.at<br />

eine Einführung in das Festivalprogramm der <strong>Klangspuren</strong> durch<br />

Reinhard Schulz statt – CDs dort erhältlich<br />

Herausgeber <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> · <strong>Klangspuren</strong>gasse 1/Ullreichstraße 8a · A 6130 <strong>Schwaz</strong> · Austria · T +43 5242 73582 · F +43 5242 73582-20 · info@<strong>klangspuren</strong>.at · www.<strong>klangspuren</strong>.at · DVR 0096016 · Redaktion Maria-Luise Mayr ·<br />

Anita Moser · Reinhard Schulz · Peter Paul Kainrath · Grafik Lilly Moser · Irene Daz · büro54 · office@buero54.at · www.buero54.at · Fotos ohne Bildunterschrift: <strong>Klangspuren</strong> oder privat · Druck Salzburger Druckerei<br />

Wir bitten im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit um Verständnis, dass auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet wird. Selbstverständlich sind Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen.


September 05<br />

MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND Carsten<br />

Auf dem Flachdach des neuen Themenmuseums<br />

Alpinarium Galtür spielen Stefan<br />

Schwarzenberger und Andreas Schiffer mit<br />

ihren Walkie-Talkies und blödeln in der Pose<br />

des lässigen Funkers. Die beiden Schlagzeuger<br />

vom Percussion-Ensemble The Next<br />

Step haben ausgezeichnete Laune – und ein<br />

Problem: Am nächsten Tag sollen sie für eine<br />

große Freiluftmusik gemeinsam mit zehn Kollegen<br />

aus zweieinhalb Kilometern Entfernung<br />

einen Feldweg entlang in Richtung Alpinarium<br />

marschieren und dabei ihre großen Trommeln<br />

schlagen. Und zwar im Takt. Der wiederum<br />

soll ihnen vom Alpinarium aus als so genannte<br />

Klickspur über Funk zugespielt werden – doch<br />

die gerade erst gelieferten Funkgeräte schalten<br />

sich alle sechzig Sekunden automatisch<br />

ab. Und das ist nicht das einzige technische<br />

Problem, das bei dieser Probe für die Uraufführung<br />

von Georg Friedrich Haas’ „Ritual“ in<br />

Galtür irgendwie gelöst wird.<br />

Am Tag darauf, exakt um 17 Uhr 56 Minuten<br />

und 54 Sekunden, heben auf dem Südhang<br />

des Grießkogel über Galtür die ersten Töne<br />

der Freiluftmusik an, und Schlag neunzehn<br />

Uhr ist klar, dass die Uraufführung dieser in<br />

vielerlei Hinsicht beachtlichen Komposition<br />

gelungen ist. Da sind „Steinadler eins“ und<br />

„Steinadler zwei“ und die anderen Trommler<br />

ganz im Takt auf ihrem Feldweg vor dem<br />

Alpinarium angekommen; da haben sich drei<br />

Blaskapellen mit insgesamt 180 Musikerinnen<br />

und Musikern unter der Regie von vier Haupt-<br />

und 18 Subdirigenten wie geplant kreuz und<br />

quer über den Hang bewegt, unterstützt von<br />

Dutzenden Technikern, Signalgebern, Stoppuhrbetreibern,<br />

beobachtet und belauscht<br />

von über tausend Besuchern. Pünktlich um<br />

neunzehn Uhr haben die Glocken der östlich<br />

gelegenen Pfarrkirche Mariä Geburt den letzten<br />

Abschnitt der Komposition eingeläutet;<br />

sogar der Westwind hat mitgespielt und ist<br />

ein wenig abgeflaut, so dass das finale Geläut<br />

nicht verweht wurde, sondern dem Publikum<br />

auf der Wiese hinter dem Alpinarium deutlich<br />

vernehmbar blieb.<br />

Nur eine Durchlauf- und eine Generalprobe<br />

standen für dieses ungewöhnliche Konzert zur<br />

Verfügung; zuvor hatten sich alle beteiligten<br />

Ensembles über Wochen in eigenen Proben<br />

vorbereitet: die Stadtmusik Landeck-Perjen<br />

mit ihrem Leiter Hermann Delago, die Swarovski<br />

Musik Wattens mit Franz Schieferer,<br />

die Militärmusik Vorarlberg unter Major Karl<br />

Gamper, der anschließend die Gesamtleitung<br />

des musikalischen Großmanövers übernahm.<br />

Eine enorme Leistung der beiden Laienkapellen,<br />

aber auch der Profis vom Bundesheer.<br />

Denn Haas’ filigrane Musik verlangt höchste<br />

Akribie und Gewissenhaftigkeit, schon im<br />

Konzertsaal, erst Recht aber auf nicht nur<br />

akustisch schwierigem Terrain. Vor allem die<br />

sinnlichen Phänomene des Klangs interessieren<br />

den 53-jährigen Komponisten, der international<br />

lange schon als einer der wichtigsten<br />

Vertreter der österreichischen Musikszene<br />

geschätzt wird. Haas experimentiert mit mikrotonalen<br />

Stimmsystemen, mit halb- und vierteltönig<br />

temperierten Skalen, mit Flageoletts und<br />

Obertonreihen, aus denen er von expressiven<br />

Melodien durchwirkte schwebende, schwirrende<br />

Klangflächen gestaltet, feingliedrige,<br />

mal abgedunkelte, mal leuchtend erhellte<br />

Klangstrukturen, die sich aneinander reiben<br />

und in sich drehen, sich kaum merklich<br />

tastend verändern in sanft gleitenden Übergängen.<br />

Klangliche Irritationen, irreal wirkende<br />

Klangsphären einer schillernden Zwischenwelt.<br />

Präzisionsarbeit für die Interpreten.<br />

Für die <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> hat Georg F.<br />

Haas seine musikalischen Konzepte aus dem<br />

Konzertsaal in die freie Natur übertragen.<br />

„Ritual“ ist Musik, die durch die Landschaft<br />

konturiert wird und selbst die Landschaft<br />

belebt, die sich mit ihrer Umgebung symbiotisch<br />

vereinigt. Und die mit der veränderten<br />

Wahrnehmung von Klängen aus ungewohnter<br />

Ferne spielt. Denn die im Konzertsaal gültigen<br />

Gesetze des Raums sind im offenen Gelände<br />

außer Kraft, die Zeit ist kein fester Parameter<br />

mehr: 330 Meter legt der Schall in einer<br />

Sekunde zurück, und Haas hat die Musiker<br />

in einem Areal von zweieinhalb Kilometern<br />

Fastner<br />

DIE URAUFFÜHRUNG EINER FREILUFTMUSIK VON GEORG FRIEDRICH HAAS IN GALTÜR<br />

WAR „RITUAL“ UND REFLEXION ZUGLEICH.<br />

Fotos Dave Bullock<br />

„STEINADLER EINS AN STEINADLER ZWEI, BITTE KOMMEN!“<br />

Ausdehnung verteilt. Dass die Zeit so ihre<br />

Objektivität verliert, wird am besten deutlich<br />

anhand der zwölf Schlagwerker: Sie sind auf<br />

ihrem Weg zum Alpinarium anfangs über<br />

eine Strecke von 1400 Metern aufgestellt,<br />

und wenn sie, geleitet von der Klickspur via<br />

Funk, gleichzeitig auf ihre Trommeln schlagen,<br />

dann haben die Schallwellen dieser Schläge<br />

unterschiedlich lange Wege zu den Ohren<br />

des Publikums. Ein Schlag nach dem anderen<br />

treffen sie ein.<br />

Topografie, Windrichtung, Schallgeschwindigkeit<br />

und Echo: Alles hat Haas bei der Komposition<br />

von „Ritual“ berücksichtigt. In einer<br />

fast hundertseitigen Partitur (Universal Edition<br />

Wien) hat er nicht nur seine Musik notiert,<br />

sondern auch eine ausgeklügelte Choreografie,<br />

nach der er die Musiker über den Hang<br />

des Grießkogel leitet: Aus der diffusen Klangverteilung<br />

der Anfangsaufstellung in einzelnen<br />

Instrumentengruppen formiert er die Interpreten<br />

immer wieder neu, lässt Klangflächen von<br />

hier nach dort tragen, Schallmauern errichten<br />

und wieder zusammenbrechen, Melodien<br />

mal von links, mal von rechts herüberwehen;<br />

unter dem strengen Rhythmus eines Marschfragmentes<br />

führt er die Musiker schließlich in<br />

ihren eigenen Ensembles zusammen; zuletzt<br />

gehen, unter dem Geläut der Galtürer Kirche,<br />

alle getrennter Wege ab.<br />

In einem Publikumsgespräch am Abend vor<br />

der Uraufführung erläuterte Haas ausführlich<br />

seine musikalischen Vorstellungen und Techniken,<br />

gab Einblick in die logistischen und technischen<br />

Schwierigkeiten bei der Umsetzung.<br />

Aber er nahm auch außermusikalisch Bezug<br />

zum konkreten Ort seiner Musik, erzählte,<br />

dass er, selbst in den Bergen aufgewachsen,<br />

von Kind an gelernt habe, „die Natur in ihrer<br />

Gewalt und in ihrer Schönheit zu fürchten und<br />

zu lieben“. Und er erzählt, sichtlich beeindruckt,<br />

eine Geschichte aus dem Vorarlberger<br />

Bergdorf Parthenen: Dort habe es eines Winters<br />

einmal nicht mehr aufgehört zu schneien.<br />

Der kleine Ort sei beinahe schon von der<br />

Außenwelt abgeschnitten gewesen, und dennoch<br />

habe niemand ernsthaft daran gedacht,<br />

Haus und Hof zu verlassen. Bis auf einmal<br />

ein alter Mann die Bewohner zusammenrief<br />

und bestimmte: „Jetzt gemma!“ Kurze Zeit<br />

später ging eine Lawine nieder und zerstörte<br />

das leere Dorf. Haas ist felsenfest davon überzeugt,<br />

dass dieser Mann die drohende Gefahr<br />

gespürt habe, er geht von einer Fähigkeit<br />

jenseits von Naturbeobachtung und Erfahrung<br />

aus: von einem Gefühl für die Natur, ähnlich<br />

dem Instinkt der Tiere, die Gefahren wittern.<br />

Und dieses Gefühl für die Natur, meint Haas,<br />

sei heute nicht nur in den urbanen Zentren,<br />

sondern auch in der tourismusorientierten<br />

Bergwelt verloren gegangen.<br />

Für ihn, betont Haas, sei auch das ein zentraler<br />

spuren ALPIN<br />

3<br />

Gedanke bei der Komposition von „Ritual“<br />

gewesen. Es ist ein bezeichnender Gedanke<br />

für den gesellschaftspolitisch hellwachen<br />

Komponisten, der mit seiner wahrnehmungsintensiven<br />

Musik doch auch Sphären des<br />

Unbewussten erreicht. Sein Stück ist gleichermaßen<br />

„Ritual“ und Reflexion – und das an<br />

besonderer Stelle: Die Musiker spielen mit<br />

dem Rücken zu jener Wand des Grießkogel,<br />

von der am 23. Februar 1999 eine gewaltige<br />

Lawine abging und 31 Menschenleben forderte.<br />

Die Außenmauer des Alpinariums ist<br />

Teil des neu errichteten Lawinenschutzwalls.<br />

An diesem Ort kann „Ritual“ gar nicht anders<br />

gehört werden denn als große Trauermusik.<br />

Deswegen belässt es Haas nicht bei<br />

einer Naturbeschwörung, deswegen fragt<br />

er zugleich nach der Verantwortung des<br />

Raubbau treibenden, Profit maximierenden<br />

Menschen für die Naturkatastrophe – nicht<br />

ohne einen entscheidenden Hinweis auf<br />

das wahre Verhältnis zwischen Mensch und<br />

Natur zu geben: Die geballten sonoren Kräfte<br />

dreier Blaskapellen und eines Dutzends<br />

Schlagwerker nämlich, sie verpuffen auf dieser<br />

Bühne zu vom Winde verwehten Klangschwaden.<br />

Gegen den Berg ist selbst mit<br />

militär-musikalischer Hilfe kein Ankommen.<br />

Carsten Fastner ist Kulturredakteur des<br />

„Falter“, Wien<br />

Mehr zur Entstehungsgeschichte von „Ritual“:<br />

www.<strong>klangspuren</strong>.at/fortsetzung.php


4 SCHWERPUNKT spuren September 05<br />

DIE GITARRE IN DER NEUEN MUSIK Gunter<br />

STREIFZÜGE UND MOMENTAUFNAHMEN<br />

Salut für Caudwell, Helmut Lachenmann<br />

Um 1900 galt die Gitarre den meisten<br />

Menschen in Mitteleuropa als großteils<br />

anspruchsloses volkstümliches Begleitinstrument.<br />

Das ganze 19. Jahrhundert<br />

hindurch hatten ernsthafte Komponisten,<br />

gewiss auch wegen der nur dem aktiven<br />

Ko-Tha, Giacinto Scelsi<br />

Spieler zugänglichen Handhabung, die Gitarre<br />

gemieden, sie höchstens zur Begleitung<br />

einfacher romantischer Lieder im Volkston<br />

(Beethoven, Schubert, Weber) oder zur<br />

koloristischen Einfärbung eines Ständchens<br />

in der Oper (Rossini) verwendet und sie<br />

Schneider<br />

im Übrigen den artistischen Darbietungen<br />

von Virtuosen wie Sor, Giuliani und Mertz<br />

überlassen.<br />

So blieb es dem Spanier Manuel de Falla<br />

vorbehalten, mit Homenaja 1920 das erste<br />

Gitarrenstück eines Komponisten von Rang<br />

zu schreiben, ein schlichtes, sehr subtil<br />

angelegtes Stück Musik über Musik, das<br />

ausgehend von Zitaten aus einem Klavierstück<br />

Debussys die Welt der kubanischspanischen<br />

Habanera mit herzzerreißender<br />

Klage um den Tod des verehrten Freundes<br />

verbindet und in impressionistischer Leichtigkeit<br />

zu einem versöhnlichen Schluss<br />

findet. Dabei wird die Gitarre als Inbegriff<br />

der spanischen Musik unterstützt durch die<br />

impressionistische Klangwelt der Quarten-<br />

und Quintenakkorde transzendiert zu einem<br />

neu zu entdeckenden Klangkörper, dessen<br />

sechs in Quarten und einer Terz gestimmte<br />

Saiten, als Grundklang weit in die Zukunft<br />

weist – über Turina, Britten, Scelsi bis hin zu<br />

Lachenmann und darüber hinaus.<br />

Mitte der 20er Jahre taucht die Gitarre<br />

unerwartet in der Musik der 2. Wiener<br />

Schule auf – zuerst freilich, ganz in der<br />

Tradition Mahlers, der sie zusammen mit<br />

der Mandoline so auch in der 2. Nachtmusik<br />

seiner 7. Sinfonie einsetzte, als Begleitinstrument<br />

zur Darstellung des Volkstümlichen,<br />

des – durchaus auch gebrochenen<br />

– Idylls, des Ständchens. So hört man in der<br />

Wirtshausszene im 2. Akt von Alban Bergs<br />

Wozzeck einige schräge Gitarrenakkorde.<br />

Schönberg gab der Gitarre ihren ersten großen<br />

Part in seiner Serenade op. 24 für sieben<br />

Instrumente und tiefe Männerstimme im<br />

Mittelsatz, einem der ersten zwölftönigen<br />

Stücke. Die Serenade ist ein zwischen Karikatur<br />

und Innigkeit changierendes Ständchen<br />

im Spannungsfeld von Schrammelmusik,<br />

Mahler und dem Pierrot lunaire. Auch Webern<br />

ging in seinen Liedern für hohe Stimme, Es-<br />

Klarinette und Gitarre über volkstümliche<br />

Texte von der populären Aura der Gitarre, entdeckte<br />

aber ihre subtile Klanglichkeit, die er<br />

auch in seinen aphoristisch-fragmentarischen<br />

Orchesterstücken nützte.<br />

Knapp 30 Jahre später, 1953/54, standen<br />

Schönbergs Serenade und Pierrot lunaire<br />

Pate bei der Konzeption von Le marteau<br />

sans maître von Pierre Boulez, einem<br />

Schlüsselwerk im Schaffen von Boulez und<br />

der Neuen Musik insgesamt. Hier, in einem<br />

Ensemble der dämmrigen, dunkel lodernden<br />

Farbigkeit der Altlagen – Altstimme, G-Flöte,<br />

Bratsche, Gitarre, Xylorimba, Vibraphon<br />

und Schlagzeug – wurde alles neu definiert<br />

oder zumindest gesucht, der Weg der Musik<br />

zwischen Serialität und freier Komposition<br />

sowie Semantik, Behandlung und Klang der<br />

Instrumente. Anklänge sind am ehesten an<br />

weit Enferntes zu hören, etwa Gamelanmusik<br />

oder, im Fall der Gitarre, an fernöstliche<br />

Saiteninstrumente, keine Rede von Volkstümlichkeit!<br />

Diese freilich, vor allem spanisch-südamerikanisch<br />

orientiert, bestimmte und bestimmt<br />

den mainstream der Gitarrenmusik von Villa-<br />

Lobos und Joaquin Turina über komponierende<br />

Gitarristen wie Barrios und Lauro bis hin<br />

zu Luciano Berios Hommage an den Flamenco<br />

Sequenza XI aus der einst neue und ungewohnte<br />

Spieltechniken auslotenden avantgardistische<br />

Serie von Instrumentalsoli.


September 05<br />

Kurze Schatten II, Brian Ferneyhoughs<br />

Daneben haben freilich auch Komponisten<br />

wie Frank Martin, Hans Werner<br />

Henze oder Benjamin Britten, die sich<br />

deutlich innerhalb einer fortzuführenden<br />

europäischen kunstmusikalischen Tradition<br />

verstanden, der Gitarre altes Terrain<br />

wieder erschlossen, oder, wie der europäisch<br />

ausgebildete Japaner Toru Takemitsu,<br />

ihr transkulturelle Beziehungen eröffnet.<br />

Brittens Nocturnal after John Dowland ist<br />

seit seiner Uraufführung 1964 durch Julian<br />

Bream ein zentrales Stück des neueren<br />

Gitarrenrepertoires. Martin hatte schon<br />

1933 die teils zwölftönigen, teils an die<br />

barocke Suitenpraxis anknüpfenden Quatre<br />

pièces brèves für Andres Segovia komponiert,<br />

die, von diesem aber wegen ihrer Modernität<br />

nicht gespielt, erst in den 50er Jahren bekannt<br />

wurden.<br />

Und Henze, der die Aura der Gitarre besonders<br />

schätzt, hat mit großem, auch<br />

virtuosem Einfühlungsvermögen eine<br />

Reihe von Werken für und mit Gitarre<br />

komponiert, von der Kammermusik 1958<br />

über die beiden großen Solosonaten nach<br />

Motiven von Shakespeare, Royal Winter<br />

Music, bis hin zum abendfüllenden Rezital<br />

El Cimarròn für Bariton, Flöte, Gitarre und<br />

Schlagzeug nach der Biografie des entlaufenen<br />

Sklaven Esteban Montejo aus der Zeit<br />

des kubanischen Freiheitskampfes gegen<br />

die Spanier. In diesem 1970/71 in Kuba<br />

komponierten Melodram hat der generell<br />

nonkonformistisch konservative Henze den<br />

Spagat zwischen kubanischer Folklore und<br />

Aleatorik, zwischen Dschungelsounds und<br />

erweiterten Spieltechniken geschafft, letzteres<br />

wohl unter einem gewissen Einfluss<br />

des kubanischen Gitarristen und Komponisten<br />

Leo Brouwer. Dieser wiederum, dessen<br />

Etüden Generationen von Gitarreschülern<br />

mit Begeisterung übten, hatte bis in die<br />

60er Jahre von der kubanischer Folklore<br />

bestimmte Musik geschrieben. In seinen<br />

Werken um 1970 wie La espiral eterna,<br />

Parabola, Tarantos oder Per suonare a due<br />

für zwei Gitarren, aber auch in seinen Orchesterwerken<br />

und Filmmusiken dieser Zeit<br />

suchte er die Auseinandersetzung mit der und<br />

den Anschluss an die europäische Avantgarde,<br />

ehe er sich später der Faszination minimalistischer<br />

Pattern und romantischer Klänge schubertscher<br />

Prägung zuwandte.<br />

In den 60er und 70er Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts entstand Musik, die<br />

allen Instrumenten und gerade auch der<br />

im Kontext des avancierten Komponierens<br />

neu entdeckten Gitarre eine Fülle<br />

unerhörter Spiel- und Klangmöglichkeiten<br />

eröffnete. Mauricio Kagel verwendete die<br />

Gitarre, sowohl als „spanische“ als auch<br />

als elektrische in Sonant 1960/...zusammen<br />

mit Harfe, Kontrabass und Fellinstrumenten.<br />

In umfangreichen Spielanweisungen und<br />

Zeichenerklärungen entwickelt er aus den<br />

Instrumenten neue Klangwelten und, als<br />

Meister von auf Selbsterfahrung zielender<br />

psychologischer Zwickmühlen, den Musikern<br />

neue Bereiche der Kommunikation und Interaktion.<br />

Die elektrische Gitarre lässt er gelegentlich<br />

in Erinnerung an die Hawaigitarre flach<br />

spuren SCHWERPUNKT<br />

5<br />

auf den Knien liegend spielen. Giacinto Scelsi,<br />

spät entdeckter Monolith in der Brandung der<br />

Avantgarde, definierte 1967 die Schlaggitarre<br />

auf radikalste Weise neu – ebenfalls auf die<br />

Knie gelegt wird sie in Ko-Tha, drei Tänze des<br />

Shiva als Perkussionsinstrument wiedergeboren.<br />

Auf die Veränderung von Tonhöhen durch<br />

das Verkürzen der Saiten wird hier verzichtet<br />

– zugunsten einer virtuosen Choreografie beider<br />

Hände, die Corpus und Saiten durch verschiedenartiges<br />

Schlagen, Zupfen, Wischen<br />

und Reiben zum Klingen bringen. Bald direkt,<br />

bald resonierend mitschwingend weht der<br />

Grundklang der freischwingenden Saiten<br />

wie der Bordunklang der Tanbura in der indischen<br />

Musik durch das ganze Stück, das die<br />

Geschichte von der Erschaffung, Blüte und<br />

dem Vergehen der Welt erzählt. Das titelgebende<br />

Sanskritwort ko-tha bedeutet soviel<br />

wie verwesen, vergehen.<br />

Zehn Jahre später, 1977, löste Helmut<br />

Lachenmann in seinem Duo „für zwei<br />

Gitarristen“ Salut für Caudwell das Dilemma<br />

von einer notwendigen Einsicht in die<br />

hochspezialisierte Spieltechnik der Gitarre<br />

und dem dann darin verhaftet Bleiben für<br />

sich noch einmal neu. Er, der ja überhaupt<br />

betont, dass er sich die Instrumente für<br />

jedes Stück neu zusammenbaue, behielt<br />

zwar die grundsätzlichen Spieltechniken<br />

bei, reduzierte sie jedoch radikal und gewann<br />

daraus neue Vielfalt. Zusammen mit<br />

einer subtilen Dämpf- und Resonanztechnik<br />

wird die Gitarre im Salut völlig neu erfahren,<br />

es öffnen sich neue Klang- und Hörräume,<br />

der Nähe und der Ferne, leiseste<br />

und brachiale, und doch tauchen vertraute<br />

Aspekte, vielleicht auf ungewohnte Weise<br />

wieder auf, die Rolle des allgemein verfügbaren,<br />

schlichten Begleitinstruments, der<br />

Träger inniger und geheimer Sehnsüchte,<br />

das kraftvolle powerplay.<br />

Zwei Mitte der 80er Jahre entstandene<br />

Stücke für Gitarre zeigen das weite Spektrum<br />

dessen, was avancierte Komponisten<br />

mit diesem Instrument verbinden.<br />

Brian Ferneyhoughs Kurze Schatten II nach<br />

einem Text von Walter Benjamin versucht,<br />

Komplexität und Dichte auf die Spitze zu<br />

treiben. Als ob (unbewusst) mehrere Stücke<br />

gleichzeitig spielend heißt die Vorschrift<br />

über dem 7. und letzten Satz dieser Suite.<br />

Ferneyhough nützt für dieses auch dem<br />

Gitarristen höchste Virtuosität abverlangende<br />

Werk zur klanglichen Bereicherung<br />

vierteltönige Umstimmungen, die im Verlauf<br />

sukzessive zurückgestimmt werden.<br />

(Das erste vierteltönige Stück für Gitarre hat<br />

übrigens der Mexikaner Juan Carrillo schon<br />

1925 komponiert.) Eine vierteltönige Auffächerung<br />

des Gitarrengrundklangs verwendet<br />

auch Beat Furrer in seinem Gitarrentrio<br />

...y una canciòn desesperada nach einem<br />

Gedicht von Pablo Neruda, hier freilich im<br />

Gegensatz zu Ferneyhough in größter Reduktion.<br />

Es geht um das Verklingen der oft als<br />

Flageoletts zu spielenden ohnehin leisen<br />

Gitarrenklänge und das ihnen Nachhören bis<br />

in die Stille.<br />

Seit den 60er Jahren hat sich die – meist<br />

elektrisch verstärkte – Gitarre freilich im<br />

weiten Feld der freien improvisierten Musik,<br />

wo die Erforschung und Entwicklung<br />

neuer, ungewohnter Spiel- und Klangtechniken<br />

noch wichtiger war, einen Platz<br />

erworben, dies vor allem durch Derek<br />

Bailey, die Vaterfigur der freien Musik vor<br />

allem in England der 60er bis 80er Jahre,<br />

und durch Keith Rowe. Dieser hat, wie er<br />

selber sagte, in Analogie zum Maler Jackson<br />

Pollock, der für seine action paintings<br />

die Leinwände auf den Boden legte, die<br />

Gitarre flach auf den Tisch gelegt und sie<br />

mit Küchengeräten und Werkzeug, Bürsten<br />

und anderen Gegenständen präpariert<br />

und bearbeitet. Die von vielen Gitarristen<br />

bis heute verwendete table guitar wurde<br />

zum aktionistischen Pendant der elektroakustischen<br />

und konkreten Musik und stellt<br />

einen befreiend anarchischen Widerpart<br />

zur elektronisierten und computerisierten<br />

Musik dar.<br />

Gunter Schneider ist Komponist, Musiker<br />

und Dozent für Gitarre und Musik der Gegenwart<br />

an der Universität für Musik und<br />

darstellende Kunst in Wien.


6<br />

NACHBAR spuren September 05<br />

„OUR WORK – HIS GLORY“ Barbara<br />

Das Wort „Arbeit“, so steht es im Duden-<br />

Herkunftswörterbuch, sei „wahrscheinlich<br />

eine Bildung zu einem im germanischen<br />

Sprachbereich untergegangenen Verb mit der<br />

Bedeutung ,verwaist sein, ein zu schwerer<br />

körperlicher Tätigkeit verdingtes Kind sein’“.<br />

Das Wort habe noch bis ins Neuhochdeutsche<br />

hinein „schwere, körperliche Anstrengung,<br />

Mühsal, Plage“ bedeutet, und erst das Zutun<br />

Luthers mit seiner „Lehre vom allgemeinen<br />

Priestertum“ habe „den herabsetzenden<br />

Sinn“ des Wortes zurückgedrängt und „den<br />

sittlichen Wert der Arbeit als Beruf des Menschen<br />

in der Welt“ konstituiert.<br />

Und wurde seitdem weidlich genutzt, will man<br />

dazusagen – diese überhöhte Verquickung von<br />

Beruf und Berufung, aus der sich eine der bis<br />

heute gültigen Hauptsäulen nicht nur bürger-<br />

lichen Lebens ableitet: Sinn durch Arbeit. Wie<br />

propagandistisch, wie zynisch eine solche<br />

Vorgabe ist, auch das zeigt diese Ausstellung,<br />

wie ausbeutbar und wie nah an ihrer ursprünglichen<br />

Bedeutung.<br />

Zum Beispiel die „Chat(t)ter Gardens“ der<br />

Österreicherin Moira Zoitl, „Stories by and<br />

about Filipina Workers“, ein seit 2002 andauerndes<br />

Projekt, das sich der Situation von<br />

Arbeitsmigrantinnen aus Süd- und Südostasien<br />

in Hongkong widmet: maßstabgetreu das<br />

winzige Zimmer, nein: die Kammer, nein: die<br />

Kabine der Philippinin Maria Theresa Hamto,<br />

die bei einer chinesischen Familie in einem<br />

Außenbezirk Hongkongs als Hausarbeiterin<br />

arbeitet; auf dem Bettbezug in gestickter<br />

Schrift „the maid’s rule-book“, das ihr u.a.<br />

Hundegger<br />

Wer sich, wie es die Galerie im Taxispalais diesen Sommer getan hat, mit dem Thema „Arbeit“ befasst und dabei besonders das Prekäre<br />

der Verhältnisse in den Blick nimmt, wird zwangsläufig und richtigerweise oft bei den Frauen landen – Sexarbeit, Migration,<br />

Teilzeit-, Tele-/Heimarbeit, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Globalisierung, und Streiks: künstlerische „Arbeits“-Positionen der letzten<br />

40 Jahre. Rundgang, auszugsweise, durch einen gemeinhin geduldeten Abgrund.<br />

Personal Participation, aus Russische Antidepressiva, Olga Chernysheva<br />

Klassekampen, Kirsten Justesen<br />

aufträgt, sich auch nachts um das Baby zu<br />

kümmern, die eigene Wäsche separat von der<br />

der Arbeitgeber zu waschen und keine engen<br />

Hosen, kurze T-Shirts zu tragen – Letzteres<br />

wie immer auch zu lesen als die Täter-Absicherungsklausel,<br />

die eingebaute Deckung für<br />

die sexuellen Übergriffe, die gegen die Frauen<br />

gang und gäbe sind.<br />

Nur an jedem Sonntag, ihrem Tag, versammeln<br />

sich die Haushaltsarbeiterinnen<br />

mitten im renommierten Finanz- und Shoppingviertel<br />

Hongkongs und nehmen mittels<br />

Decken, Plastikplanen, Kartons, Spielkarten,<br />

gemeinsamem Essen und Gesprächen<br />

den öffentlichen Raum für sich ein: kurzes<br />

Präsentsein jener, die sie verrichten, die<br />

nieder(gehalten)e Arbeit, für die man sie<br />

sich auf fünf Quadratmetern hält.<br />

Widerstand (2005), Christine S. Prantauer<br />

Über 250 Migranten-Gruppierungen versuchen<br />

in Hongkong ihre jeweiligen Communities<br />

im Sinne eines „Migrant Empowerment“<br />

zum Widerstand gegen Ausbeutung,<br />

Ungerechtigkeiten und migrationsfeindliche<br />

Gesetze zu animieren – und auf dem Video<br />

sehen wir Frau Hamto, wie sie im Rahmen<br />

einer „Street Action“, einer Weihnachtsparty<br />

im Dezember 2004 in der Chater Road, das<br />

Gedicht WOMEN vorträgt, und wir sehen<br />

die Zeile: „I am a woman, weak, afraid to<br />

assert, suffering in silence“, aber hinter<br />

ihr noch etliche andere auf dem Gehsteig,<br />

und was sie gerade tun, ist das Schweigen<br />

kurz brechen ...<br />

Zum Beispiel das Video „Remote Sensing“ der<br />

Schweizerin Ursula Biemann, 2001 entstanden,<br />

eine „Topografie des globalen Sexhandels<br />

im Zeitalter der digitalen Bildproduktion“.<br />

Beeindruckend nicht nur der überbordende<br />

Informationsgehalt und die multi-perspektivische<br />

Bildsprache dieses Filmes, sondern auch<br />

sein Text, zeitweise hochpoetisch, seinem<br />

Aussichtspunkt gerecht, dem Blick auf einen<br />

von Frauenhandel gigantischen Ausmaßes<br />

durchzogenen Globus, Geografien, „die ihre<br />

Geschlechtlichkeit verbergen“, Fakten in<br />

Wörter gekleidet, die so zurückgenommen<br />

brisant sind, dass man sie in sich neben allem<br />

anderen auch als lange und intensive Textdeklamation<br />

im Gedächtnis behält.<br />

Zum Beispiel das „Monument to Working<br />

Women“ der Engländerinnen Ross/Cameron/<br />

Silver aus 1985, Teil mehrerer Performances<br />

unter dem Titel „Triple Transformations“,<br />

Erinnerungen der Arbeiterklasse gewidmet,<br />

welche „durch den industriellen Wandel<br />

während der Thatcher-Ära völlig demontiert<br />

wurde“. Auf Fotos dokumentiert die künstlerische<br />

Intervention: das Denkmal für John<br />

Bright, einflussreicher Industrieller; in Arbeiterinnenkleidung<br />

gehen Ross/Cameron/Silver<br />

von der Kunstgalerie, die auch von Bright<br />

errichtet wurde, zu seiner Statue und funktionieren<br />

sie zu einem temporären Denk-,<br />

einem Mahnmal für die Arbeiterinnen der<br />

Textilindustrie um, einst weltweit größtes<br />

gewerkschaftlich organisiertes weibliches<br />

Arbeitskräftepotenzial, „our work – his glory“,<br />

„his profit – her labour“, „her poverty – his<br />

reward“ steht da zu lesen, und so wird benannt,<br />

was der Kapitalismus verschweigt:<br />

dass es den Ausbeutern, zumindest Profiteuren<br />

nach den Profiten gelingt, sich auch noch<br />

als Philanthropen zu inszenieren.<br />

Zum Beispiel die Großplakatwand „Widerstand“<br />

(2005) der <strong>Tirol</strong>erin Christine S.<br />

Prantauer, die täglich stattfindende, von den


September 05<br />

Housekeeping, Jeff Wall<br />

Chat(t)ler Garden, Stories by and about Filipina Workers, Moira Zoitl<br />

Medien nicht gerade prominent platzierte,<br />

weltweite Arbeitskämpfe thematisiert: das<br />

unscharfe Bild einer Demonstration wird bei<br />

ständigem Update mit Papierstreifen überklebt,<br />

auf denen die gerade aktuellen Ausstände,<br />

Widerstände, Streiks der Arbeitenden<br />

aufgeführt werden – und es geht dabei, wenn<br />

man den Gründen für diese Auseinandersetzungen<br />

nachgeht, nicht um das Erkämpfen<br />

von Unverschämtheiten, sondern etwa darum,<br />

dass die Textilarbeiterinnen in Jakarta dagegen<br />

streiken, dass ihnen die Klopause aus der Arbeitszeit<br />

herausgerechnet wird ...<br />

Auf der Rückseite der Taxis-Galerie positioniert,<br />

ist Prantauers Plakat in und an den<br />

öffentlichen Raum gerichtet, sinnigerweise<br />

auf den Landhausplatz hin, der ja für von lokalen<br />

Initiativen organisierte Demonstrationen<br />

hierorts einer der prominentesten Versammlungsplätze<br />

ist.<br />

Zum Beispiel Video, Kittel und Mousepad der<br />

deutschen Künstlerinnengruppe -Innen plus,<br />

Ergebnis einer Aktion auf der CeBit Hannover,<br />

der weltgrößten Computermesse, Titel der<br />

Inszenierung: „-Innen im Frühling“, 1996: „im<br />

Gegensatz zur zukunftsweisenden Technologie“<br />

sei dort „in Bezug auf Geschlechterrollen<br />

ein erstaunlicher Hang zur Tradition“ festzustellen.<br />

Hintergrund der Aktion, bei der die<br />

Künstlerinnen in Messeuniformen kostenlos<br />

Mousepads verteilen, bedruckt mit Multiple-<br />

Choice-Antworten zu Fragen des Themenbereichs<br />

Geschlechterrollen, Technik und Sex,<br />

waren „inoffizielle Informationen seitens der<br />

Messe-Organisation, denen zufolge ... für die<br />

Dauer der CeBit ca. 2000 Prostituierte aus<br />

Thailand eingeflogen wurden“.<br />

Zum Beispiel „fünfnullplus“ (2004) der Vorarlbergerin<br />

Ruth Schnell aus der Werkreihe<br />

„Lichtbilder“: eine aalglatte blaue Epoxyharzplatte<br />

mit weißen Leuchtdioden, die, wenn<br />

man sie direkt anschaut, von ihrem smarten<br />

Erscheinungsbild her bruchlos in jedes Designerbüro<br />

passen würde, die aber, wenn man<br />

schon anderes und sie nur mehr indirekt im<br />

Aug hat, wie nebenbei und unter Nutzung des<br />

optischen „Nachzieheffekts“ perfiderweise<br />

und sekundenbruchteillang hologrammartig<br />

dutzende Wörter aus sich hinausfetzt, welche<br />

„die Deregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />

und hier besonders die Situation von<br />

Frauen über 50 auf dem Arbeitsmarkt“ skizzieren<br />

– also „Nachteil“, „Alter“, „Problem“,<br />

„ungleich“, „Vermögen“, „Verteilung“, „unbezahlt“,<br />

„Familie“, „Risiko“, „Isolation“,<br />

„Sexualität“, „wenig“ ...<br />

Oder „Beyond Caring“ (1984/85) des Briten<br />

Paul Graham, der die wartenden Menschen<br />

in den für sich selbst sprechenden Szenerien<br />

der Sozialhilfeämter zeigt – Orte, an denen<br />

„wirtschaftliche Entscheidungen und Menschenleben<br />

frontal aufeinandertreffen“. Oder<br />

„Drift: Diagram VI“ (2002) von Anne Tallentire,<br />

ebenfalls Großbritannien, die auf hochmalerische<br />

Weise Alltagsarbeiten in Superzeitlupe<br />

filmt, „prosaische Routinehandlungen, die<br />

nötig sind, um die Stadt zu erhalten“, und<br />

ihnen dadurch eine Präsenz einschreibt, die<br />

sie im „normalen“ Leben nicht einnehmen<br />

spuren NACHBAR<br />

7<br />

dürfen. Oder „Turn on“ (2004) des Albaners<br />

Adrian Paci, die atmosphärisch überaus dichte<br />

Darstellung von auf Arbeit wartenden Männern,<br />

brachliegender Männerarbeitskraft, Generatoren-Bereitschaft,<br />

Glühbirnen-Beweise,<br />

Gesichtszüge wie vergessene Landschaften.<br />

Oder „Personal Participation“ (1996) der Moskauerin<br />

Olga Chernysheva, Teil eines Projekts<br />

namens „Russische Antidepressiva“: statt<br />

der produzierten Bonbons setzt sie in Bonbongröße<br />

die Gesichter der Produzentinnen<br />

auf die Bonbonschachtel. Oder Alexis Hunters<br />

(GB) „The Marxist’s Wife (still does the<br />

housework)“ – eine Arbeit aus dem Jahr 1978,<br />

die man sich auch zu einem „The Manager’s/<br />

Journalist’s/Lawyer’s/Artist’s Wife (still does<br />

the relational work)” updaten könnte ...<br />

Oder zum Beispiel die beiden Arbeiten, die<br />

einen/eine halbwegs heiter zurücklassen<br />

angesichts der Abgründe rundum: seine „24<br />

jobs“, die Robert Adrian X. (CAN/A) machen<br />

hat müssen, um als Künstler zu überleben,<br />

als humor- wie liebevolle Plastillin-Mini-Installation;<br />

und der ironisch tableauxhaft und großformatig<br />

inszenierte Digitaldruck der Dänin<br />

Kirsten Justesen, „Klassekampen“ (1976): ein<br />

heute archaisch-klassisch wirkendes, witzigwahres<br />

Ur-Bild feministischen Antriebs.<br />

Dann noch der Zufall vor „Housekeeping“<br />

(1996) des Kanadiers Jeff Wall – Teil einer<br />

Serie über Putzfrauen und Putzmänner – bei<br />

der Seniorenführung, die von der Taxisgalerie<br />

im Rahmen ihres Vermittlungsprogrammes<br />

regelmäßig angeboten wird – eigentlich Seniorinnenführung,<br />

8 Frauen, 1 Mann, Angehörige<br />

einer Generation, in der die Rollenaufteilung<br />

einzementiert war: Sie sind zwischendurch<br />

alle irgendwie befremdet, wie eine so alltägliche<br />

Sache wie die auf dem Bild, vor dem<br />

sie grad stehen, zum Gegenstand von Kunst<br />

werden kann, diese Frauen haben alle selbst<br />

viel geputzt in ihrem Leben, und ihre leise<br />

Ratlosigkeit, eine Art Peinlichkeit gegen das<br />

Sichtbarmachen der unsichtbar gehaltenen<br />

Arbeit – wie der ihren –, macht sie für einen<br />

Augenblick fast zum Teil dieser Riesenfotografie<br />

...<br />

Es braucht einiges an Einlassen und Zeit, an<br />

Wiederkommen und In-Tranchen-Rezipieren<br />

– einer der Filme braucht allein 90 Minuten –,<br />

damit sich etliche der Arbeiten und alle Aspekte<br />

dieser Ausstellung erschließen. So ist sie<br />

auch in dem, wie sie ist, etwas von dem, was<br />

sie behandelt: Arbeit.<br />

Und gerne würde man die Erfinder und<br />

Erfinderinnen des im ORF gespielten „Hättiwari-Spots“<br />

samt AuftraggeberInnen – der<br />

IAA, International Advertising Association,<br />

Austrian Chapter (Kooperationspartner u.a.<br />

Henkel, Michelin, Red Bull, Kraft Foods,<br />

Meinl, Porsche, Verlagsgruppe News, Androsch,<br />

Zeilinger usw.) in dieser Ausstellung<br />

sehen, tagelang, welche es sich in schierem<br />

Zynismus leisten, die Verknappung, Verdunkelung,<br />

Verschlimmerung der Verhältnisse<br />

für die Masse der Menschen einem phantasierten<br />

Gejammere der Bevölkerung à la<br />

„Raunzerzone“ zuzuschreiben – als wäre das<br />

Nicht-mehr-auskommen-Können mit dem<br />

Einkommen eine Angelegenheit mangelnden<br />

Antriebs und nicht Ergebnis einer profithörigen<br />

Politik, die die tendenzielle Verbilligung<br />

von Audis, Jachten, Supersachen in einen<br />

statistischen Topf wirft mit der Verteuerung<br />

aller Güter des täglichen Gebrauchs, Brot,<br />

Strom, Selbstbehalte, Gasthausessen, Mannerschnitten,<br />

und sich daraus in fröhlicher<br />

Ignoranz eine geschönte Bilanz bastelt, die<br />

mit Mindestrenten, Durchschnittseinkommen,<br />

Armutsgrenzen, also echten Leuten,<br />

rein gar nichts mehr zu tun hat.<br />

Zur Ausstellung ist auch ein zweisprachiger<br />

(dt./engl.), doppelt-roter und umfangreicher<br />

Katalog erschienen, erhältlich in der Galerie<br />

im Taxispalais, Innsbruck, zum Preis von<br />

16,– Euro.<br />

Barbara Hundegger ist Schriftstellerin und<br />

Korrektorin. Publikationen in Kultur- und Literaturzeitschriften<br />

sowie Gedichtbände und<br />

Theatertexte.<br />

Fotos Barbara Hundegger


8 NOCH NEBELSPUREN spuren September 05<br />

KÜNSTLERRESIDENZEN –<br />

EIN POSTGRADUATE-MODELL FÜR INNSBRUCK?<br />

INGEBORG ERHART UND ANDREI SICLODI IM GESPRÄCH Julia Wallnöfer<br />

Die aktuelle Diskussion über eine Kunstuniversität<br />

für Innsbruck hat nun auch die<br />

<strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft veranlasst, sich Gedanken<br />

zu machen, welche Art von Institution<br />

für Kunstschaffende die Stadt tatsächlich<br />

braucht. Nachdem beim derzeitigen Konzept<br />

ein Schwerpunkt im Bereich Musik zu erkennen<br />

ist, tritt die <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft nun<br />

mit ihrem eigenen Konzept in den Diskurs<br />

ein. Dabei gehe es nicht etwa darum, die<br />

Kunstuniversität an sich abzulehnen, sondern<br />

in einem konstruktiven Prozess geeignete<br />

Modelle für den Bereich „Bildende Kunst“<br />

anzuregen. Ingeborg Erhart, Kuratorin und<br />

Geschäftsleiterin der <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft<br />

dazu: „Im Vorstand und im Vorsitz der <strong>Tirol</strong>er<br />

Künstlerschaft hat sich der Tenor herausgebil-<br />

det, dass man dem Projekt Kunstuniversität<br />

Innsbruck grundsätzlich sehr positiv gegenübersteht,<br />

aber doch das Wie die große Frage<br />

ist. Und nur das Modell Salzburg zu klonen<br />

erscheint wenig sinnvoll. Es sollte hier in<br />

Innsbruck etwas für Österreich Einzigartiges<br />

entstehen.“<br />

Und das könnte vielleicht ein eigenes Postgraduate-Programm<br />

sein. Ausgangspunkt<br />

für diese Überlegung ist die seit drei Jahren<br />

andauernde Umstrukturierung des Modells<br />

Künstlerhaus Büchsenhausen und des dortigen<br />

Artist in Residence-Programms. Internationale<br />

Künstler werden zu dreimonatigen<br />

Gastaufenthalten nach Innsbruck eingeladen,<br />

an deren Ende jeweils die Präsentation der<br />

vor Ort entstandenen Arbeiten steht.<br />

Unter der Leitung von Andrei Siclodi hat sich<br />

das einst ziemlich verstaubte Atelierhaus zu<br />

einem international beachteten „Kunstlabor“<br />

entwickelt, das vor allem mit einem vielseitigen<br />

Veranstaltungsprogramm von theoretischen<br />

Vorträgen bis zu Ausstellungen für<br />

fruchtbare Synergien mit der ortsansässigen<br />

Kunstszene sorgt.<br />

Andrei Siclodi: „Es geht nicht darum, dass die<br />

<strong>Tirol</strong>er Künstlerinnen und Künstler von den<br />

internationalen Künstlerinnen und Künstlern<br />

belehrt, oder korrigiert werden, sondern es<br />

geht um die professionelle Reibungsfläche,<br />

die dabei entsteht. Dadurch steigt auch die<br />

Qualität. Es sind verschiedene Leute im selben<br />

Alter etwa zwischen 20 und 40, die sich<br />

treffen und die Möglichkeit einer Förderung<br />

an einem bestimmten Ort bekommen. Es ist<br />

eine wechselseitige Geschichte, nicht nur<br />

dass die Leute, die vor Ort arbeiten, davon<br />

profitieren, sondern auch dass ein Austausch<br />

stattfindet, und das ist total wichtig.“ Diesen<br />

interaktiven Aspekt betont auch Ingeborg<br />

Erhart: „Mit den diskursiven Veranstaltungen<br />

wird auch die Szene vor Ort sehr stark eingebunden.<br />

Was mir auch wichtig erscheint, ist,<br />

dass jetzt ein Teil der Stipendien an Theoretiker<br />

vergeben wird.“<br />

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist,<br />

dass kommendes Jahr erstmals eine Jury mit<br />

internationaler Beteiligung über die Vergabe<br />

der Stipendien entscheiden wird und statt<br />

heuer acht, nur noch sechs Künstler, dafür<br />

aber statt zwei, künftig drei Theoretiker ein<br />

Stipendium erhalten werden, sodass immer<br />

zwei KünstlerInnen und ein Theoretiker bzw.<br />

eine Theoretikerin für drei Monate parallel in<br />

Büchsenhausen leben werden. So wird der<br />

Diskurs weiter vorangetrieben. Doch damit<br />

ist es für die <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft noch lange<br />

nicht getan. Der nächste Schritt müsste eine<br />

auf hohem Niveau agierende Postgraduate-<br />

Einrichtung sein, die nicht im herkömmlichen<br />

Sinn ausbildet, sondern „die Möglichkeit<br />

der Weiterentwicklung der Teilnehmer in<br />

einem professionellen, spannenden Umfeld<br />

bietet. Das ist viel strukturierter und hat viel<br />

mehr mit inhaltlicher Qualität zu tun. Artist in<br />

Residence-Programm bedeutet, man fährt<br />

für eine bestimmte Zeit wohin und arbeitet<br />

dort, gewinnt neue Freunde und lernt andere<br />

Künstlerinnen und Künstler kennen, dann<br />

fährt man wieder heim, das war’s. Eine Postgraduate-Einrichtung<br />

hat ein Ziel vor Augen,<br />

ist als Institution nicht bloß ein Mittel für<br />

einen Austausch, sondern bietet eine echte<br />

Förderung junger Künstlerinnen und Künstler“,<br />

so Andrei Siclodi.<br />

Bereits im Frühjahr 2004 veranstaltete das<br />

Künstlerhaus Büchsenhausen zur Entwicklung<br />

eines solchen Modells ein hochkarätig<br />

besetztes Symposium und eine Arbeitskonferenz<br />

für politische Entscheidungsträger,<br />

wo auch die Leiter renommierter Vorbilder in<br />

Sachen Postgraduate-Institution wie der Jan<br />

van Eyck Academie Maastricht oder der Rijksakademie<br />

Amsterdam zu Wort kamen. Herausgekommen<br />

ist ein gedankliches Konzept<br />

zur Erweiterung des derzeitigen Programms<br />

am Künstlerhaus Büchsenhausen, das auch<br />

an einem anderen, neu zu schaffenden Ort<br />

denkbar ist, oder aber als Kombination aus<br />

dem derzeitigen Künstlerhaus, das räumlich<br />

allerdings schon jetzt aus allen Nähten platzt,<br />

und weiteren Werkstätten innerhalb Innsbrucks.<br />

Hier könnte man sich von Seiten der<br />

<strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft auch eine Kooperation<br />

mit der geplanten Kunstuniversität vorstellen,<br />

die aller Voraussicht nach auch Werkstätten<br />

beherbergen wird. Andrei Siclodi dazu: „Es<br />

wäre für unsere Einrichtung auch wichtig,<br />

dass unsere ‚Fellows’ – so nennen wir sie<br />

seit heuer – auch Zugang zu diesen Werkstätten<br />

haben.“<br />

Was zeichnet nun aber so ein für Österreich<br />

einzigartiges Postgraduate-Modell aus? Andrei<br />

Siclodi: „Im Zentrum steht ein offener Diskurs<br />

zwischen verschiedenen Künstlerinnen<br />

und Künstlern, Theoretikerinnen und Theoretikern,<br />

das ist unser Ansatzpunkt. Es gibt<br />

‚Artists in Residence’ und ‚Advising Research<br />

Artists’, also die Künstler, die vor Ort arbeiten<br />

und gefördert werden, und dann gibt es die<br />

Künstler, die an der Institution administrative<br />

Funktionen übernehmen und mehr berufliche<br />

Erfahrung mitbringen, international anerkannte<br />

Persönlichkeiten sind. Die Künstlerinnen<br />

und Künstler können mit ihnen reden, Fragen<br />

stellen, sich austauschen.“ Genau dieser diskursive<br />

Charakter unterscheide das Projekt<br />

auch von einer gängigen Kunstuniversität,<br />

meint Ingeborg Erhart: „Diese intensive<br />

Diskussion wird an einer Kunstuniversität<br />

weniger stattfinden können, gerade wenn<br />

man die Entwicklung an den Universitäten<br />

im Allgemeinen betrachtet, wo immer mehr<br />

versucht wird, das Programm zu raffen und<br />

zu verschulen.“ Mindestens sechs Monate<br />

sollten Künstlerinnen und Künstler im Rahmen<br />

der neuen Postgraduate-Einrichtung in<br />

Innsbruck die Möglichkeit bekommen, sich<br />

fortzubilden, alle drei bis fünf Jahre könnte<br />

der administrative Künstler- bzw. Theoretikerstab<br />

wechseln. In welcher Größe das Modell<br />

in Innsbruck realisiert werden könnte, müsste<br />

natürlich noch geklärt werden. In Amsterdam<br />

gibt es allein 50 administrative Künstler,<br />

doch, so Ingeborg Erhart, „es kann auch und<br />

gerade im Kleinen gut gearbeitet werden.“<br />

Für Andrei Siclodi zählt vor allem „die Qualität<br />

der Auseinandersetzung, die auf hohem Niveau<br />

stattfinden muss. Wir als Künstlerschaft<br />

sind sehr dafür, dass das alles einen Forschungscharakter<br />

hat, eine Art künstlerischer<br />

Forschung, die nicht automatisch auf eine<br />

Ausstellung gerichtet ist, sondern langfristig<br />

funktioniert und dafür braucht man Zeit und<br />

die entsprechenden Mittel.“<br />

Der Bonus für die Stadt besteht laut <strong>Tirol</strong>er<br />

Künstlerschaft vor allem in einer Aufwertung<br />

des Standortes, „dass man sich überregional<br />

als Kunststadt etablieren könnte, dass man<br />

wirklich gute, interessante Künstlerinnen und<br />

Künstler und professionell arbeitende Leute<br />

anzieht und das ist sehr viel. Das ist auch<br />

ein Renommee für eine Stadt.“ Ingeborg<br />

Symposion, März 2004, mit vlnr: Janwillem Schrofer, Präsident der Rijksakademie Amsterdam, Miro Zahra, Künstlerhaus Schloss Plüschow, Mag. Ingeborg Erhart, Geschäftsleiterin <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft,<br />

Andrei Siclodi, Kurator Künstlerhaus Büchsenhausen, Mag. Jürgen Steinberger, Vertretung des Rektors der Universität Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Markus Neuwirth, Institut für Kunstgeschichte Innsbruck<br />

Hilde Zach, Bürgermeisterin und Kulturreferentin der Stadt Innsbruck, Dr. Klaus Duregger, Vertreter der Kulturabteilung der <strong>Tirol</strong>er Landesregierung<br />

Erhart sieht aus Sicht der <strong>Tirol</strong>er Künstlerinnen<br />

und Künstler noch einen weiteren, ganz<br />

praktischen Aspekt: „Einerseits zeichnet ein<br />

Postgraduate-Programm die große Internationalität<br />

aus, andererseits könnten so aber<br />

auch Künstlerinnen und Künstler aus <strong>Tirol</strong>,<br />

die weggegangen sind, Lust bekommen,<br />

temporär für Projekte wieder zurück zu kommen.<br />

Man sieht es zunehmend auch an der<br />

Entwicklung in Büchsenhausen, dass so ein<br />

Format in Innsbruck sehr gewünscht ist, und<br />

vor allem die diskursive Ebene ganz wichtig<br />

zu sein scheint, also dass es diese internationale<br />

Auseinandersetzung gibt, einen Input,<br />

der von außen kommt, der die Szene sehr<br />

gut beleben kann.“ Der geplanten Kunstuniversität<br />

steht man im Übrigen weiterhin<br />

positiv und offen gegenüber. „Sollte es diese<br />

Kunstuniversität in Innsbruck also tatsächlich<br />

geben, werden wir versuchen, gegenseitige<br />

Synergien zu nutzen, aber parallel mit dem<br />

Künstlerhaus Büchsenhausen eigenständig<br />

neue Wege zu beschreiten“, so Ingeborg Erhart<br />

weiter. Doch was diese neuen Wege betrifft,<br />

so stellt sich am Ende für Andrei Siclodi<br />

zuerst eine grundsätzliche Frage: „Wieweit<br />

ist eine Gesellschaft oder die Politik bereit,<br />

ein Modell zu fördern, das keinen unmittelbaren<br />

Nutzen bringt, sondern ein internationales<br />

Netzwerk aufbaut?“<br />

Julia Wallnöfer arbeitet als freie TV-Redakteurin<br />

in Deutschland.


September 05<br />

NATUR IM KALEIDOSKOP Nina<br />

Treffen sich zwei Planeten. „Wie geht´s so?“,<br />

fragt der eine. „Schlecht“, erwidert der andere,<br />

„ein blöder Hautausschlag plagt mich,<br />

Homo sapiens heißt er angeblich.“ – „Ach,<br />

das kenne ich“, antwortet sein Bekannter, „ist<br />

aber nichts Lebensbedrohliches, und es geht<br />

wieder vorbei.“<br />

Wenn in den Medien Saure-Gurken-Zeit<br />

herrscht, dann sind Schreckensmeldungen zu<br />

zivilisationsbedrohenden Naturkatastrophen<br />

recht beliebt. Grassierte in den 80er-Jahren<br />

noch die Angst vor dem Waldsterben und<br />

dem sauren Regen, so stand eine Dekade<br />

später das Ozonloch an erster Stelle in den<br />

Hilfe-wir-sterben-aus-Charts, und als Evergreen<br />

schlägt die globale Erwärmung. Zwischendurch<br />

versuchen Forscher zu beruhigen:<br />

Eh alles nicht so schlimm, reinste Panikmache<br />

werde betrieben. Und doch: Die Sorge um die<br />

Natur treibt die Gesellschaft offensichtlich.<br />

Geschieht tatsächlich Drastisches – Hochwasser,<br />

Tsunami, Lawinenabgänge – lautet<br />

die Diagnose, oft aus weiter Ferne getroffen:<br />

„Die Natur schlägt zurück“. Als würden Natur<br />

und Zivilisation einander bekriegen.<br />

Ob es die Kontinentalverschiebungen, die<br />

Eiszeiten oder eben die Technologien sind, die<br />

der Mensch entwickelt: Über die Jahrmillionen<br />

hinweg bewegte sich die Erde ständig. Ein<br />

bisschen Homo sapiens kann vielleicht ihre Haut<br />

verätzen, umbringen kann er sie wahrscheinlich<br />

nicht so leicht. Allerdings sich selbst.<br />

Die Landesausstellung 05 mit dem Titel „Die<br />

Zukunft der Natur“ versteigt sich weder in<br />

Allmachtsfantasien noch in Ökofundamentalismus,<br />

malt nicht den Teufel, aber auch keine<br />

lieblichen Idyllen an die Wand. Vorgenommen<br />

hat man sich viel: nämlich die „Darstellung<br />

und Deklinierung der Welt mit den Mitteln<br />

<strong>Tirol</strong>s“. Das schreibt Intendant Martin Heller,<br />

der mit Projektleiter Benedikt Erhard die Federführung<br />

übernommen hat. Für die Ausstellung,<br />

die in Kooperation mit Südtirol und dem<br />

Trentino durchgeführt wurde, hat man aus<br />

etwa 170 Einreichungen zwei Teams gewählt.<br />

Die beiden denkbar verschiedenen Konzepte<br />

und Inszenierungen wurden an zwei Orten<br />

umgesetzt, die auf unterschiedliche Weise<br />

belastet sind: Hall, dessen Saline heute nur<br />

noch an den Niedergang einer Industrie erinnert.<br />

Und Galtür, das trotz eines wieder aufkeimenden<br />

Tourismus in den meisten Köpfen<br />

unweigerlich mit dem Lawinenabgang im Jahr<br />

1999 verbunden wird.<br />

Im ehemaligen Salzlager Hall haben der Berliner<br />

Künstler Via Lewandowsky und der Zürcher<br />

Architekt Piet Eckert für ihren Zugang zur<br />

Natur eine hochzivilisatorische Metapher gewählt:<br />

In der Tourismusregion <strong>Tirol</strong> nicht ganz<br />

unpassend, haben sie ihren Teil der Ausstellung<br />

in den hohen Hallen als Hotel konzipiert.<br />

Hat man erst einmal an einem der Eingänge<br />

eingecheckt, wandelt man durch Korridore,<br />

entdeckt Notausgangs-Pläne, sieht Türen<br />

sich öffnen und schließen, Besucher von ei-<br />

nem Zimmer ins nächste schlüpfen. Schon<br />

aus purer Neugier, aus simplen Voyeurismus<br />

möchte man es ihnen sofort gleichtun – was<br />

verbirgt sich hinter dieser Türe, was hinter<br />

jener? Allerdings tappt man nicht in stinknormale<br />

Hotelzimmer, sondern auch in Räume,<br />

die üblicherweise nicht für Hotelgäste zugänglich<br />

sind. Diesen wurden je nach Funktion die<br />

passende Fragestellung zugeordnet. „Was<br />

schmeckt der Natur“ fragt etwa die „Küche“,<br />

„Wird die Natur zum Pflegefall“ die „Sauna“,<br />

und der „Kosmetikraum“ möchte klären, ob<br />

die Natur hässlich sein könne.<br />

Man merkt es schon: Nicht Zeigefinger-Didaktik<br />

lautet das Motto, sondern Spiel, nicht<br />

wissenschaftliche Strenge, sondern lockere<br />

Veranschaulichung. Dementsprechend sieht<br />

auch die Gestaltung aus – wie etwa in einer<br />

„verwüsteten Suite“: Kästen und Fernsehmonitore,<br />

Lampen und Betten stapeln sich<br />

in wildem Durcheinander übereinander. Eine<br />

gruselige Anaconda-Haut schlängelt sich aus<br />

einer Kommode. Ein makabrer Raubtier-Bettvorleger<br />

stiert uns aus künstlichen Augen an.<br />

Und in einem Video der Künstlerin Anna Möller<br />

wird ein harmloses Kätzchen wenig schmeichelhaft<br />

als „herrisch“ oder „großkotzig“<br />

bezeichnet. Alles klar: Die Perversionen im<br />

Umgang mit der Natur werden hier demonstriert.<br />

In der „Bar“ dagegen kann man weder<br />

einen Drink zu sich nehmen noch fette Zigarren<br />

rauchen – dafür an Telefonen den Tipps<br />

einer Sexualtherapeutin à la Dr. Sommer lauschen:<br />

Da beklagt sich etwa ein australischer<br />

Tarnfliegenmann, dass er immer wieder von<br />

den Weibchen durchgeprügelt werde, wenn<br />

er sich auf deren Abwehr hin zurückziehe.<br />

„Zum Teufel mit der Political Correctness“,<br />

herrscht ihn die Briefkastentante an, „die Mädels<br />

wollen, dass Sie Ihnen zeigen, wo es lang<br />

geht!“ Stehen offensichtlich auf sadistischen<br />

Sex, diese australischen Tarnfliegenfrauen.<br />

Bunte Tierpenisse und witzige Limericks von<br />

Robert Gernhardt ergänzen den schummrigen<br />

Raum, der uns – Schlagwort Verführung – die<br />

animalische Libido näher bringen will.<br />

Recht ernsthaft klingt das vielleicht nicht gerade.<br />

Eine wilde Mischung aus Naturalia und Artificialia<br />

breitet sich aus in diesem eigenartigen<br />

Hotel; und doch ist all das sortiert – wie in den<br />

faszinierenden Kunst- und Wunderkammern<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts. Hier allerdings<br />

selten wie damals nach Materialien, sondern<br />

meist nach Themen. Das hat Charme, ist riskant<br />

und geht manchmal schief. Der Erkenntnisgewinn<br />

bleibt machmal oberflächlich. In<br />

ihrer waghalsigen Inszenierung, die in der Geschichte<br />

der Landesausstellungen eine Novität<br />

darstellt, wandern die Ausstellungsmacher<br />

auf einem schmalen Grat zwischen Witz und<br />

Übertreibung. Dennoch: Entziehen kann man<br />

sich ihren schrägen Ideen schwer.<br />

Konventioneller geht es im zweiten Teil der<br />

Ausstellung zu. Kein Wunder: An einem Ort<br />

wie Galtür wäre eine derartige Erlebnis-Sze-<br />

Schedlmayer<br />

DIE LANDESAUSSTELLUNG 05 STELLT DIE FRAGE NACH DER „ZUKUNFT DER NATUR“. ZUM GLÜCK VER-<br />

SUCHT SIE NICHT, DIESE ZU BEANTWORTEN. SONDERN KÜMMERT SICH ERST MAL UM DIE GEGENWART.<br />

STRENGE WISSENSCHAFT IST DABEI ALLERDINGS NICHT ANGESAGT. LANGEWEILE ABER AUCH NICHT.<br />

nografie kaum vorstellbar. Schon gar nicht<br />

im Alpinarium, das 1999 als Teil der großen<br />

Lawinenmauer errichtet wurde. Hier sind die<br />

Ausstellungsgestalter – die deutsche Künstlerin<br />

Franziska Bark und Holzer Kobler Architekturen<br />

subtiler an das Thema herangegangen.<br />

Wird im „Hotel“ der Begriff der Natur generell<br />

befragt, so bohren Bark/Holzer Kobler tiefer.<br />

Für ihr Konzept haben sie an Türen geklingelt,<br />

sich zum Kaffee eingeladen, lange mit den<br />

Bewohnern des Paznauntals geplaudert, ohne<br />

freilich bereits von Anfang an zu wissen, was<br />

sie eigentlich herausfinden wollten. Erfahren<br />

haben sie dennoch vieles, wie sich in der Ausstellung<br />

zeigt. „Die Mauer“ erzählt vom Leben<br />

und Überleben im Gebirge, davon, wie sich<br />

der Mensch – siehe Lawinenmauer – der Natur<br />

anpasst. Selten, aber doch führt man auch<br />

hier Sachverhalte ähnlich plakativ vor Augen<br />

wie im „Hotel“. Da präsentiert man etwa auf<br />

Regalen eine ganze Reihe von Gegenständen<br />

fürs Survival-Training im Gebirge. Um etwa<br />

in die Haut eines Salamanders zu schlüpfen,<br />

müsste sich der Mensch schon ziemlich<br />

kostspielig ausstaffieren: Samentaschen für<br />

die erfolgreiche Fortpflanzung, eine Taschenlampe<br />

zur Verstärkung der schwächlichen<br />

Menschenaugen, eine Dose Pfefferspray zur<br />

Verteidigung. Neben dem kleinen präparierten<br />

Salamander nimmt sich das humane Überle-<br />

Die Bar im HOTEL: Mit wem lässt sich die Natur ein? Die Rezeption im HOTEL: Welches Zimmer nimmt die Natur?<br />

bens-Gerät recht aufwändig aus.<br />

In den anderen Räumen gingen die Ausstellungsmacher<br />

mehr auf die Bergbewohner der<br />

Gattung Homo sapiens ein. Arme Familien, so<br />

erfahren wir etwa, schickten ihren Nachwuchs<br />

im 19. Jahrhundert zum Arbeiten ins Schwabenland.<br />

Beim Abschied auf der „Reanhütten“<br />

haben die Väter ihre weinenden Knirpse<br />

oft mit der Rute verdroschen – „damit sie kein<br />

Heimweh kriegen“, wie ein alter, gütig dreinblickender<br />

Mann in einem Video erzählt. Amüsanter<br />

klingt da die Geschichte von der eingeschworenen<br />

<strong>Tirol</strong>er Gemeinde Treze Tílias, zu<br />

deutsch Dreizehnlinden, in Brasilien: Während<br />

der Wirtschaftskrise waren 1933 junge <strong>Tirol</strong>er<br />

dorthin ausgewandert. Über siebzig Jahre<br />

lang haben die Bewohner in ihrer Enklave ihre<br />

Kultur wie in einem Rexglas konserviert: Fotos<br />

von jodelnden Trachtenpärchen oder ein Telefonbuch,<br />

dessen Einträge sich weitgehend<br />

lesen wie jene aus Wattens oder Landeck<br />

bezeugen das.<br />

Auch wenn es zunächst nicht so aussehen<br />

mag: Auch über all diese Erzählungen erfahren<br />

wir viel über das Verhältnis zwischen Mensch<br />

und Natur in dieser Region, und: Migration<br />

kann naturgemäß auch in den <strong>Tirol</strong>er Alpen ein<br />

Thema sein – wer zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />

in den Bergen nicht leben kann, muss<br />

ihnen eben entfliehen. Entdeckungen wie<br />

diese setzen Bark/Kobler dem Klischee vom<br />

engstirnigen, unbeweglichen Älpler entgegen:<br />

„Wer in den Bergen lebt“, so das Fazit, „muss<br />

sich in Bewegung setzen.“<br />

Hoffentlich tut das nicht der Turm, der vom<br />

spuren ZUKUNFT<br />

9<br />

Innsbrucker Architekten Helmut Reitter entworfen<br />

wurde. Mächtige Stahlträger halten<br />

tausende Baumstämme, aus denen man 8<br />

Millionen Tages<strong>zeitung</strong>en drucken oder über<br />

60 Millionen Bleistifte herstellen könnte, in<br />

Zaum. Sieht aus, als würden die Stämme<br />

jederzeit auseinanderkullern – diese Angst<br />

ist allerdings unbegründet. Der Turm fungiert<br />

an der Rückseite des Alpinariums als temporärer<br />

Eingang: „Die Mauer“, sagt Benedikt<br />

Erhard, „sollte sichtbarer werden.“ Betritt<br />

der Besucher nämlich von der Straße her das<br />

Alpinarium über seinen regulären Eingang, so<br />

bleibt ihm die Lawinenmauer verborgen. Um<br />

den hölzernen Turm zu besteigen, muss er<br />

hingegen an der Mauer entlanggehen – einem<br />

Bollwerk, das elf Tonnen Schneemasse pro m³<br />

aufhalten kann. Ihre Wände sind vergleichbar<br />

mit jenen der Wiener Flaktürme, einen, an<br />

manchen Stellen eineinhalb Meter. Applizierte<br />

Steine verbergen den Betonkern, und an einer<br />

Stelle zieht sich die amorphe Oberkante giebelähnlich<br />

nach oben – soll das eine urtümliche<br />

Wehrhaftigkeit deutlich machen? Gegenüber<br />

der Mauer erhebt sich bedrohlich-faszinierend<br />

der Berg, der Lawinenkegel, von dem die für<br />

31 Menschen tödliche Staublawine abging.<br />

Von tragischen Schicksalen erzählt Benedikt<br />

Erhard, Familien, die beim Nachmittagskaffee<br />

in der Küche überrascht wurden, aber auch<br />

Hotelbesitzern, die sich gerade noch in den<br />

Keller retten konnten und damit wenigstens<br />

ihr eigenes Leben. Die Natur schlägt zurück.<br />

Die Natur, ein Racheengel in eigener Mission?<br />

Eine willentlich die Zivilisation attackierende<br />

dämonische Größe? Oder am Ende der verlängerte<br />

Arm Gottes? „Die Natur“, schreibt<br />

die Schriftstellerin Stefanie Holzer, „ist viel<br />

mehr Vorstellung als Wirklichkeit.“ Die Landesausstellung<br />

05 führt uns keine singuläre<br />

Vorstellung von Natur vor, sondern ein ganzes<br />

Kaleidoskop, überhöht nicht, sondern mikroskopiert.<br />

Sie legt eher die Gegenwart dar, als<br />

kühne Zukunftsprognosen zu wagen. Und<br />

dennoch, eines scheint gewiss: Einige Jahre<br />

wird es der Planet mit dem Hautausschlag<br />

Homo sapiens noch aushalten müssen.<br />

Nina Schedelmayr ist Kulturredakteurin<br />

von Profil, der Wiener Zeitung und Camera<br />

Austria.<br />

www.la05.at, bis 6.11.2005<br />

Täglich 10-18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr<br />

Landesausstellung 05<br />

Das Hotel – Salzlager Hall<br />

Saline 18, 6060 Hall i. T.<br />

Tel +43 5223 5855.450<br />

Die Mauer – Alpinarium Galtür<br />

Hauptstraße 29c, 6563 Galtür<br />

Tel +43 5443 20000


10 NACHBAR spuren September 05<br />

EIN BILD VON FREUNDSCHAFT ALS ANSTOSS FÜR<br />

DIE BETRIEBSAMKEIT DES AUSSTELLENS Karin Pernegger<br />

Die diesjährige Herbstausstellung der Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong> hat sich den Aufruf zu „Neuen Freunden“ auf ihre Fahnen<br />

geschrieben. Mit flottem Spruch findet sich in den heiligen Ausstellungshallen eine Hommage an die Freundschaft, deren früheste<br />

Zeichen wir schon mit Kuchenförmchen im Sandkasten zu backen wussten.<br />

Charlie Tweed aus seinem Video<br />

„LETS START AGAIN“<br />

In der bunten Zusammenstellung mit österreichischen<br />

Künstlern wie Anna Jermolaewa,<br />

Markus Schinwald und der Künstlergruppe<br />

Gelatin blicken Vertreter des englischen<br />

Humors, wie Charlie Tweed aus London,<br />

die Schweizerin Nicoletta Stalder, aber auch<br />

nicht zu vergessen unsere lieben Nachbarn<br />

aus Deutschland, Ulla von Brandenburg und<br />

Andreas Slominski, augenzwinkernd auf die<br />

Magie der Freundschaft: wie es sich liebt<br />

und neckt, streitet und versöhnt. Natürlich<br />

steht das Thema „Neue Freunde“ auch<br />

symptomatisch für den Beginn einer neuen<br />

Ausstellungstätigkeit in der Galerie der Stadt<br />

<strong>Schwaz</strong>. Die Partitur dieser Ausstellung<br />

besteht nicht allein aus kunsthistorischem<br />

Bodensatz und aus dem Höhenmaß der<br />

verwendeten Nägel, um die Bilder zu halten,<br />

sondern aus dem Zauber, den Betrachter<br />

für einen Augenblick in eine Welt zu ent-<br />

Die Internationale Ensemble Modern Akademie<br />

(IEMA) wurde im Jahre 2003 von den<br />

Musikern des Ensemble Modern gegründet,<br />

mit der Zielrichtung einer Weitergabe der<br />

25-jährigen Erfahrung im Umgang mit neuen<br />

musikalischen Konzepten, Stilrichtungen und<br />

den damit verbundenen erforderlichen Spieltechniken.<br />

Hochbegabten und qualifizierten<br />

jungen Musikern wird in der IEMA die Chance<br />

gegeben, an dem „kollektiven Gedächtnis“<br />

dieses Ausnahmeensembles teilzuhaben und<br />

von diesem zu profitieren.<br />

Die Aktivitäten der IEMA drücken sich in verschiedenen<br />

Arbeitskonzepten aus: Zum einen<br />

erhalten die durch Probespiel gefundenen<br />

Musiker (Instrumentalisten, Komponisten,<br />

Dirigenten, Tontechniker) in Frankfurt über<br />

führen, die seiner eigenen oft gar nicht so<br />

fremd erscheint. Die ausgestellten Werke<br />

ringen nicht lauthals um Aufmerksamkeit,<br />

sondern sprudeln aus dem energetischen<br />

Moment zwischen Realität und Intention der<br />

Kunst und vermögen auch urplötzlich ihrem<br />

Betrachter einen Haken zu schlagen. Die<br />

Ausstellung strickt sich aus einem leichten<br />

Band von Verführungen, Erwartungen und<br />

Täuschungen, das das reichhaltige Netzwerk<br />

des Phänomens Freundschaft illustriert und<br />

dem Betrachter oft ein Schmunzeln abringt.<br />

Wie sonst könnte man den hintergründigen<br />

Witz deuten, wenn man die der Puppenstube<br />

entsprungenen Objekte von Andreas<br />

Slominski im Ausstellungsraum sieht. Eine<br />

kinder-große Kirche reiht sich an ein mit „Röslein<br />

und Näglein“ besticktes Hochzeitsbett,<br />

die beide von einem schräg gezimmerten Polizeihubschrauber<br />

bewacht werden. Der Reiz<br />

der beschriebenen Kleinskulpturen liegt nicht<br />

in ihrer äußerlichen Erscheinung, sondern<br />

in der im Inneren verborgenen, gefinkelten<br />

Falle, so als ob man „verliebte Mäuse“ per<br />

Expresszustellung in den siebten Himmel<br />

verschicken wollte. Was nur bestätigt, dass<br />

heute Vorsicht geboten ist, wo immer man<br />

auch seine Nase rein zu stecken versucht.<br />

Das bedachte auch der Londoner Künstler<br />

Charlie Tweed mit seiner ganz speziellen<br />

Pirsch im britischen Unterholz. Verzweifelt<br />

zeigt er seine Endeckung, die ein fatales<br />

Bündnis zwischen Flora und Fauna im verborgenen<br />

Geschäft der Abhörtechnik offen legt.<br />

Diese unverbrüchliche Einheit aus Freund<br />

und Feind oder Jäger und Gejagten ist der<br />

saure Zahnschmelz der Zeit, der letztlich den<br />

Mittelpunkt unseres Seins zwischen Neugier,<br />

Wissen, Nähe und Angst ausmacht und das<br />

Duo namens Leben und Freundschaft wie<br />

Pech und Schwefel zusammen hält.<br />

Auch die Schweizerin Nicoletta Stalder zeigt<br />

uns, dass man nicht nur mit trickreichen<br />

Konstruktionen sich seine Interessenten<br />

angeln kann. Mit ihrem Kreativ-Hausfrauen-<br />

Pseudonym lancierte sie im Schweizer Boulevardblatt<br />

„Blick“, das dem Format unserer<br />

ein Stipendienjahr hindurch, intensiven Einzel-<br />

und Kammermusikunterricht bei den Mitgliedern<br />

des Ensemble Modern.<br />

Weiterhin geht die IEMA „on Tour“, das<br />

heißt: entweder das gesamte Ensemble<br />

Modern befindet sich auf Konzertreise, die<br />

pädagogischen Arbeiten finden während<br />

einer Konzerttour statt (wie im Juli 2005 in<br />

Japan und Korea), oder ein Teil der Musiker<br />

führt an Orten außerhalb Frankfurts komplette<br />

Kurse für Neue und Aktuelle Musik durch,<br />

wie z.B. in <strong>Schwaz</strong> (<strong>Tirol</strong>) oder auf Paxos. Die<br />

jeweiligen Kursteilnehmer werden von einer<br />

Jury aus Mitgliedern des Ensemble Modern<br />

anhand der von den Bewerbern eingesandten<br />

CDs ausgewählt.<br />

Für das diesjährige Paxos Spring Festival wur-<br />

heimischen Kronen<strong>zeitung</strong> entspricht, eine<br />

ganzseitige Meldung der besonderen Art,<br />

die weit über den Nudelholz-Äquator hinweg<br />

eine brisante Gewürzmischung der Kunst<br />

eröffnete: „Hausfrau backt Monument“.<br />

Die Meldung berichtet von einem Traum<br />

aus Salzteig, Herd und selbst geschnitzter<br />

Auswalkmodeln, um es ihren Landesvätern<br />

gleich zu tun. Für die Ausstellung in <strong>Schwaz</strong><br />

wird sie kurzerhand ihre Küche übersiedeln<br />

und bei Anisplätzchen für die Besucher weiter<br />

aus dem Nähkästen so manche Finten zu<br />

erzählen wissen. Die Irritation liegt nicht nur<br />

im Mischungsverhältnis altbekannter Rollenzuschreibungen<br />

und neuer Lebensmodelle,<br />

sondern liegt im wahrsten Sinne des Wortes<br />

in der Sache selbst, was man für sie – im<br />

übertragenen Sinne – in die Welt zu setzen<br />

vermag. Die österreichische Gruppe Gelatin<br />

hat sprichwörtlichen den Hasen aus dem<br />

Pfeffer gegraben und legt einen 50 Meter<br />

langen rosa Häkel-Hasen in das Wiesenbett<br />

einer ober-italienischen Tallandschaft. Auf 20<br />

Jahre ist der Schlummerschlaf des ausgegliederten<br />

Schmusegefährten angesetzt, um aus<br />

der Wurzel der Freundschaft zwischen Natur<br />

und Mensch ein zartes Pflänzchen wachsen<br />

zu lassen. Den Hasen im Zylinder hingegen<br />

schickt die Hamburgerin Ulla von Brandenburg<br />

gänzlich auf Urlaub und verordnet ihren<br />

Zauberlehrlingen schmunzelnd Übungsstunden.<br />

In ihrem Video lädt sie ihre Freunde ein,<br />

Zaubertricks vom Stapel zu lassen, deren<br />

aufschwingende Illusionsakrobatik eher<br />

charmantem Achselzucken entgegenkommt<br />

denn einem gekonnten Hochseilakt.<br />

Stimmt es denn wirklich, dass die Kunst<br />

Freude an Freundschaften hat? Oh Freundchen,<br />

ich hör dir trapsen, mit gewiefter Nase<br />

lässt sich so mancher Happen schnappen. So<br />

geschehen auch in der von Anna Jermolaewa<br />

initiierten Zeichner-Performance, zu der sie<br />

im Sommer d.J. die <strong>Schwaz</strong>er Bevölkerung<br />

eingeladen hatte, sich porträtieren zu lassen.<br />

Mit Hilfe von vier russischen Künstlerkollegen<br />

Alina Fyodorova, Andrej Romasjukov,<br />

Alexander Frolov und Anna Frolova entstanden<br />

gewissenhaft ausgeführte Porträts, die<br />

den folgende zehn Teilnehmer ausgewählt:<br />

Natalia Gerakis (Flöte), Yumi Schmuck (Klarinette),<br />

Despina Apostulu und Eleni Pappa<br />

(Klavier), Konstantinos Panagiotidis, Emorfia<br />

Papadimitriu und Theodor Patsalis (alle Violine),<br />

Angela Giannaki (Viola), Angelos Liakakis<br />

und Dimitri Travlos (Violoncello). Dozenten<br />

waren Roland Diry (Klarinette), Ueli Wiget<br />

(Klavier), Jagdish Mistry (Violine) und Michael<br />

M. Kasper (Violoncello).<br />

In der am 3. Juni begonnenen Arbeitsphase<br />

wurden 21 Solo- und Kammermusikwerke<br />

des 20. Jahrhunderts erarbeitet und zunächst<br />

in vier Konzerten auf Paxos vorgestellt. Ein<br />

Konzertprogramm war ausschließlich griechischen<br />

Komponisten – Borboudakis, Skalkottas,<br />

Travlos, Vlitakis und dem aus Paxos stam-<br />

aber auf den zweiten Blick die Gretchen-Frage<br />

der Kunst stellen: Was ist es letztendlich,<br />

das uns an der Kunst fasziniert? Und wer<br />

entscheidet darüber, was gute oder schlechte<br />

Kunst ist? Über den Sommer hinweg beobachtete<br />

Jermolaewa die Porträtmaler auf<br />

den Plätzen vor Museen und Denkmälern,<br />

um diese Fragen ins Bild zu setzen.<br />

Als letztes sei noch das Video von Markus<br />

Schinwald beschrieben, das die ernste Note<br />

der Ausstellung unterstreicht. Mit der Bildmetapher<br />

des Rattenfängers von Hameln<br />

zeigt er einen Kinderchor, der einer lebensgroßen<br />

Marionette mit ständig wechselnden<br />

Gesichtzügen folgt. Die Verheißungen der<br />

Verführung und die Bitterkeit der enttäuschten<br />

Erwartungen finden hier ihren kongenialen<br />

filmischen Ausdruck.<br />

In diesem Sinne ergibt die Ausstellung einen<br />

geschlossenen Kreislauf, die die Freundschaft<br />

als symbolischen Eröffnungsgestus für die<br />

Stadt <strong>Schwaz</strong>, ihre Galerie, ihre Einwohner<br />

und die Künstler in den Vordergrund stellt.<br />

Karin Pernegger ist Kuratorin und Leiterin der<br />

Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />

Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />

Palais Enzenberg, Franz-Josef-Straße 27/I<br />

A-6130 <strong>Schwaz</strong>/<strong>Tirol</strong><br />

Tel +43 5242/73983, Fax +43 5242/66896<br />

office@galeriestadtschwaz.at<br />

www.galeriestadtschwaz.at<br />

„Neue Freunde“ mit Ulla von Brandenburg<br />

(D), Gelatin (A), Anna Jermolaewa (A),<br />

Markus Schinwald (A), Andreas Slominski (D),<br />

Nicoletta Stalder (CH), Charlie Tweed (GB)<br />

Eröffnung am Samstag, den 10. September<br />

um 18.30 gemeinsam mit den <strong>Klangspuren</strong>,<br />

zu sehen bis 29. Oktober 2005<br />

Öffnungszeiten: Mi 10 bis 19 Uhr,<br />

Do/Fr 13 bis 19 Uhr, Sa 10 bis 13 Uhr<br />

DIE INTERNATIONALE ENSEMBLE MODERN<br />

AKADEMIE BEIM PAXOS SPRING MUSIC FESTIVAL<br />

7.-18. JUNI 2005 Michael M. Kasper<br />

Vom 7. bis 18. Juni 2005 fand auf Paxos (Griechenland) zum zweiten Mal das Paxos Spring Music Festival statt, das sich<br />

ausschließlich der Musik des 20. Jahrhunderts widmet. Veranstaltet und finanziert vom Paxos Festival Trust Ltd., London,<br />

und der Paxos Cultural Union, wird dieses Festival künstlerisch geplant und durchgeführt von der Internationalen Ensemble<br />

Modern Akademie, Frankfurt.<br />

menden Aperghis – gewidmet. Die jungen<br />

Musiker hatten sich auf unterschiedlichste<br />

technische Schwierigkeiten und ungewohnten<br />

musikalischen Ausdruck einzustellen. So<br />

erfordert das Werk des Spektralkomponisten<br />

Tristan Murail eine andere Herangehensweise<br />

als das technisch extrem schwierige 1.<br />

Streichquartett von György Ligeti; die Meister<br />

einer intensiven Ausdruckssprache auf kleinstem<br />

Raum wie Anton Webern und György<br />

Kurtag müssen wiederum anders geübt und<br />

interpretiert werden als die Maschinerie des<br />

Minimal-Komponisten Rzewski.<br />

Was zunächst oft nach der übergeordneten<br />

Hand eines Dirigenten rufen ließ, wurde nach<br />

harter Probenzeit von den Musikern selber auf<br />

hohem Niveau kammermusikalisch gelöst.


September 05<br />

WINDKRAFT – KAPELLE FÜR NEUE MUSIK von<br />

Sofia Gubaidulina, Nathalie Stutzmann<br />

STARKE AUFTRITTE<br />

In den Nonsberger Märtyrerberichten aus<br />

dem Jahr 397 n.Chr. wird davon berichtet,<br />

dass die Einheimischen dieses Südtiroler Tales<br />

mit dem Klang ihrer Tuben (wahrscheinlich<br />

einer Art von Rindentrompeten) die Gemeinde<br />

zusammenriefen, um sodann christliche<br />

Missionare, die sie bekehren hatten wollen,<br />

anzusingen, mit der Tuba anzublasen und anschließend<br />

zu töten.<br />

Für starke Auftritte haben Bläserformationen,<br />

oft unterstützt durch Schlagwerk, schon immer<br />

gesorgt: Trommler und Pfeifer, häufig in<br />

einer Person vereinigt, mit der einen Hand<br />

trommelnd, in der anderen die Schwegelpfeife,<br />

als Begleiter von Aufmärschen vor<br />

allem kriegerischer Art seit dem Mittelalter,<br />

Turmbläser, Stadtpfeifer und daraus sich<br />

entwickelnde Ensembles – vielfältig war der<br />

Einsatz dieser instrumentalen Kombination,<br />

die sich besetzungsmäßig stets vergrößerte.<br />

Auch vom Konzil von Konstanz (15. Jahrhundert),<br />

wo sich die musikalische Elite Europas<br />

ein Stelldichein gab, erzählte man sich, dass<br />

Friedrich IV. (der legendäre „Friedl mit der<br />

leeren Tasche“) dort mit „stärkster Musik“<br />

– bestehend aus Pfeifern, Trompetern und<br />

Die Realisierung der Uraufführung eines Werkes<br />

von Manolis Vlitakis (Auftragskomposition<br />

von IEMA und Paxos Festival Trust) schließlich<br />

war ein weiterer Höhepunkt der mehr als<br />

zweiwöchigen Aktivitäten. Die Menge und<br />

der Schwierigkeitsgrad der geplanten Werke<br />

konnte nur in einem extrem engen Arbeitsplan<br />

bewältigt werden. So fanden bis auf eine<br />

dreistündige Mittagspause die Proben täglich<br />

von 9 bis 22 Uhr statt. Die Ergebnisse dieser<br />

erfolgreichen Arbeit wurden in sieben Konzerten<br />

öffentlich vorgestellt, davon die vier Workshop-Konzerte<br />

auf Paxos, sowie weitere auf<br />

Korfu, Karystos und in Athen. Zum Abschluss<br />

des Festivals und zur Honorierung von besonders<br />

herausragenden Leistungen stellte John<br />

Gough, Chairman des Paxos Festival Trusts,<br />

vier Halbjahresstipendien an folgende Teilnehmer<br />

zur Verfügung: Lefki Karpodini (Klavier,<br />

Teilnehmerin 2004), Angela Giannaki (Viola),<br />

Angelos Liakakis (Violoncello) und Dimitri<br />

Travlos (Violoncello). Diesen Stipendiaten<br />

soll es ermöglicht werden, die IEMA über ein<br />

halbes Jahr in Frankfurt zu besuchen, um die<br />

begonnenen Studien zu vertiefen.<br />

Die gemeinsamen Ziele der IEMA und des Paxos<br />

Festival Trust weisen weit in die Zukunft:<br />

1. Über ein kontinuierliches Arbeiten mit<br />

jungen griechischen Musikern sollen<br />

diese in die Lage versetzt werden, selber<br />

in Ensembles- oder Kammermusikformationen<br />

Neue Musik in Griechenland<br />

auf höchstem Niveau zur Aufführung zu<br />

bringen.<br />

Posaunenspielern – aufgekreuzt sei und<br />

dementsprechend Eindruck gemacht habe,<br />

was ihm allerdings offenbar nichts dagegen<br />

genützt hat, geächtet zu werden und auf<br />

abenteuerlichen Wegen nach <strong>Tirol</strong> flüchten zu<br />

müssen. Effektvolle Begleiterscheinung waren<br />

diese Ensembles, die im 19. Jahrhundert<br />

dann „Banden“ hießen und hitverdächtige<br />

sinfonische Kompositionen in Bearbeitung<br />

allerorts darboten, allemal, und Blasmusik<br />

hat in <strong>Tirol</strong> eine ungemindert starke Präsenz<br />

– bekanntermaßen gibt es heute mehr <strong>Tirol</strong>er<br />

Musikkapellen als <strong>Tirol</strong>er Gemeinden.<br />

KAPELLE DER ANDEREN ART<br />

Bei Windkraft – Kapelle für Neue Musik handelt<br />

es sich zwar nicht um eine dieser zahlreichen<br />

traditionellen <strong>Tirol</strong>er Musikkapellen, auch<br />

haben sich die durchschnittlich noch sehr jungen<br />

Musiker und Musikerinnen ausschließlich<br />

der Aufführung von Zeitgenössischem verschrieben,<br />

man lehnt sich in der Konstellation<br />

aber bewusst an das Schema der traditionellen<br />

Blaskapelle an, was heißt, dass neben den<br />

Bläsern das Schlagzeug als wichtiger Faktor in<br />

der Besetzung aufscheint, wobei der Grundstock<br />

von Windkraft aus einer höchstens<br />

2. Durch kontinuierliches Musizieren muss<br />

auch ein neues Publikum an die Neue und<br />

Aktuelle Kunst herangeführt werden<br />

3. Private und öffentliche Geldgeber müssen<br />

überzeugt werden, dass es sich lohnt,<br />

in die junge Kunst im eigenen Land zu<br />

investieren.<br />

Vorraussetzung ist: Paxos Spring Music<br />

Festival ist ein Festival für Neue Musik<br />

in Griechenland in erster Linie für griechische<br />

Musiker.<br />

Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse<br />

sowohl 2004 als auch 2005 planen der Paxos<br />

Festival Trust und die IEMA eine Fort- und<br />

Weiterführung der gemeinsamen Arbeit im<br />

Mai 2006. Vorgesehen ist die Einbindung der<br />

Universitäten von Thessaloniki und Korfu, vorstellbar<br />

ist etwa die Zulassung von passiven<br />

Kursteilnehmern aus dem Kreis der dortigen<br />

interessierten Studenten. Dadurch wären<br />

zukünftig über den reinen Solo- und Kammermusikunterricht<br />

hinausgehend Zusatzkurse<br />

oder Seminare über Komponisten, Musikkonzepte,<br />

Interpretationen und Spieltechniken<br />

möglich. Konzerte der Kursteilnehmer sind in<br />

Tessaloniki, Athen und Patras geplant.<br />

Michael M. Kasper ist Mitglied und Gesellschafter<br />

des Ensemble Modern<br />

Näheres unter:<br />

www.paxosfestival.org.uk<br />

www.internationale-em-akademie.de<br />

www.<strong>klangspuren</strong>.at/akademie.php<br />

zweifach besetzten Kapelle, d.h. ungefähr<br />

fünfundzwanzig Musikern besteht: Flöte, Klarinette,<br />

Oboe, Saxofon, Trompete, Horn, Tuba,<br />

Posaune und Schlagzeug sind vertreten. Dabei<br />

kann jederzeit die Besetzung verstärkt und um<br />

andere Instrumente erweitert werden – so<br />

geschehen beispielsweise bei der im Rahmen<br />

der <strong>Klangspuren</strong> 2004 uraufgeführten „Stunde<br />

der Seele“ der großen Komponistin Sofia Gubaidulina<br />

– einem Konzertereignis der besonderen<br />

Art, dessen live-Mitschnitt demnächst<br />

auf der ersten, im September des Jahres<br />

herauskommenden Windkraft-CD nachhörbar<br />

sein wird und einen Höhepunkt der bisherigen<br />

Arbeit des Ensembles darstellt.<br />

RÜCKBLICK<br />

Geboren wurde Windkraft von den <strong>Klangspuren</strong>:<br />

Der Bedarf an speziell zusammengestellten<br />

Ensembles ebenso wie das Interesse<br />

seitens der Komponisten an unüblichen<br />

Besetzungen, die sie als Vorgabe verwenden<br />

konnten, waren groß. Zudem legte die<br />

auffallende Dichte an hochqualifizierten, dem<br />

Neuen gegenüber aufgeschlossenen Bläsern<br />

sowie ein beachtliches Potential an ebensolchen<br />

Schlagzeugern im <strong>Tirol</strong>er Raum die Bildung<br />

eines dergestalt besetzten Ensembles<br />

nahe. Unter der Leitung des als Dirigent Neuer<br />

Musik bekannten, ehemaligen Innsbrucker<br />

Musikdirektors Kasper de Roo brachte das Ensemble<br />

bei seinem Debüt im September 2000<br />

die Kirche des Stiftes Fiecht auf beeindruckende<br />

Weise zum Tönen – mit intensivster Musik<br />

von Edgar Varése, Iannis Xenakis, Oliviér<br />

Messiaen und Galina Ustvolskaja. Man hatte<br />

sich auf einen erfolgreichen Weg gemacht,<br />

es folgten weitere Konzerte mit speziell interessanten<br />

Programmen. Schließlich wurde<br />

Windkraft zum selbstständigen Verein, als<br />

dessen künstlerischer Leiter Kasper de Roo,<br />

als dessen Obfrau Martina Streiter (GE Jenbacher)<br />

und als dessen Geschäftsführer Stefan<br />

Schwarzenberger (als Schlagzeuger Mitglied<br />

von The Next Step) tätig sind.<br />

Mittlerweile kann man nicht nur auf ein stets<br />

anwachsendes Repertoire Neuer Musik,<br />

sondern auch auf eine ebenso wachsende<br />

Zahl von zeitgenössischen Komponisten verweisen,<br />

die Werke speziell für das Ensemble<br />

komponiert haben: so unterschiedliche Komponisten<br />

wie Herbert Grassl, Johannes Maria<br />

Staud, Sofia Gubaidulina, Michael Riessler,<br />

Gunter Schneider, Eduard Demetz, Franz<br />

Schreyer, Germán Toro-Pérez, Olli Virtaperko,<br />

Jürg Wyttenbach und Otto M. Zykan konnten<br />

Aufsehen erregende Uraufführungen durch<br />

spuren FREUNDE<br />

Milena Meller.<br />

11<br />

Windkraft erleben, das mit Kompositionen<br />

von Erkki-Sven Tüür oder Vincent d’Indy, Kevin<br />

Volans, Wolfgang Rihm, Werner Pirchner oder<br />

Giya Kancheli eine stilistisch sehr bunte Palette<br />

von „Blasmusik“ ins Repertoire aufgenommen<br />

hat (um nur einen Teil davon zu nennen).<br />

AUSBLICK<br />

Nach einem Auftritt Ende August 2005 zur Eröffnung<br />

der Meraner Festwochen mit „Rondo<br />

de Banda“ des Südtiroler Komponisten Eduard<br />

Demetz, das schon im Rahmen der <strong>Klangspuren</strong><br />

2003 von Windkraft-Mitgliedern aus der<br />

Taufe gehoben wurde, geht Windkraft im Oktober<br />

dieses Jahres auf eine Tournee, die nach<br />

Riga und Vilnius führen wird, nachdem man<br />

bei den <strong>Klangspuren</strong> 2005 gemeinsam mit der<br />

Swarovski Musik Wattens ein Konzert mit Uraufführungen<br />

der jungen <strong>Tirol</strong>er Komponisten<br />

Johannes Maria Staud und Christof Dienz, der<br />

polnischen, in den USA lebenden Komponistin<br />

Ewa Trebacz sowie „Akrata“ von Iannis<br />

Xenakis und Octandre von Varése aufgeführt<br />

haben wird. Bei den Auftritten in Lettland und<br />

Litauen, durch deren schwerpunktmäßige Präsenz<br />

im Rahmen der <strong>Klangspuren</strong> auch musikalisch<br />

kein unbekanntes Terrain mehr, wird<br />

Windkraft, gemeinsam mit Kasper de Roo,<br />

Magnus Lindbergs „Gran Duo“, Iannis Xenakis’<br />

„Akrata“, Edgar Varéses „Octandre“ und Uraufführungen<br />

von J. M. Staud sowie eines jungen<br />

litauischen Komponisten spielen. Man ist<br />

nicht nur in der Besetzung flexibel und schöpft<br />

aus dem reichhaltigen Pool in Nord- und Südtirol<br />

vorhandener Musiker, geplant ist für die<br />

Zukunft auch eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

mit verschiedenen jungen Dirigenten.<br />

So wird man auch weiterhin auf starke Auftritte<br />

von Windkraft gespannt sein können.<br />

Milena Meller ist Musikwissenschaftlerin und<br />

freie Musikjournalistin<br />

kapelle für neue musik windkraft<br />

sofia gubaidulina – stunde der seele


12 SCHWERPUNKT spuren September 05<br />

CHOR UND ZEITGENÖSSISCHE MUSIK Reinhard<br />

Clytus Gottwald, einer der großen Protagonisten<br />

der zeitgenössischen Chormusik, hat<br />

immer wieder darauf verwiesen, dass Musik<br />

für Chor, vor allem für Chor a Cappella, eine<br />

ideale Form interkommunikativen Handelns<br />

repräsentiere. Gemeint war hiermit wohl<br />

in erster Linie der strukturelle Aspekt, also<br />

die Interaktion unter einer Anzahl solistisch<br />

besetzter Sänger, in der sich individuelle Aktion,<br />

Reaktion auf andere und Integration in<br />

einen Gesamtklang auf vollkommenste Weise<br />

musikalisch verwirklicht. Wirklich waren die<br />

meisten wesentlichen Chorkompositionen<br />

nach 1950 gerade daraufhin angelegt. Das<br />

geschah freilich nur zögernd, gerade die Chormusik<br />

in Deutschland – und hier lag das Zentrum<br />

avantgardistischer Auseinandersetzung<br />

– war mit dem Odium von Gesangsbünden,<br />

Männerchor-Selbstgefälligkeit und Singbewegungen<br />

mit konservativem bis reaktionärem<br />

inhaltlichen Selbstverständnis schwer belastet.<br />

Gegen diese Haltung kämpften denn auch<br />

die vokalen Arbeiten eines Dieter Schnebel,<br />

Heinz Holliger, György Ligeti, Brian Ferneyhough,<br />

Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann<br />

und vieler anderer beharrlich an (ich erwähne<br />

Luigi Nono hier nicht, da seine großartigen<br />

Arbeiten für Chor offensichtlich von einem<br />

selbstverständlicheren Umgang mit Stimme<br />

auf der Basis italienischer Gesangstradition<br />

geprägt waren). Chormusik verstand sich in<br />

diesem Umfeld als Reaktion, ja als Gegenentwurf<br />

zur landläufigen Auffassung des Chorgesangs.<br />

Das war zweifelsohne geschichtlich<br />

notwendig, es war ein Reinigungsprozess,<br />

ein Purgatorium, so wie zum Beispiel Helmut<br />

Lachenmann sein ganzes schöpferisches Arbeiten<br />

in den 60er und 70er Jahren als Wirken<br />

gegen verhärtetes (und damit falsches) Verstehen<br />

von Klang, von Musik begriff. Musik<br />

aber, die sich in erster Linie als Gegenentwurf,<br />

als Provokation (im besten Sinne) versteht,<br />

hat den Tribut zu zollen, nicht in extenso zum<br />

Eigenen vorzudringen. Sie war Abwehrarbeit,<br />

definierte sich als Aufweichung oder als<br />

radikal gesetzter Widerpart zum Tradierten,<br />

oder besser zum schlecht Tradierten – ganz<br />

im Sinne Gustav Mahlers, der ja einmal den<br />

Musikern der Wiener Hofoper vorhielt, dass<br />

das, was sie als Tradition bezeichneten, nichts<br />

anderes als deren Schlamperei sei.<br />

Im Zeichen dieses Tuns, es war übergreifend<br />

und beschränkte sich keineswegs nur auf<br />

chorisches Arbeiten, baute die Musik eine<br />

Barriere zwischen sich und das Publikum (wie<br />

immer sich dieses auch definiert). Wenn Heinz<br />

Klaus Metzger einmal in den Raum stellte,<br />

dass sich große Musik vielleicht nicht daran<br />

definiere, was sie schaffe, sondern vielmehr<br />

dadurch, was sie abschaffe, dann reagierte<br />

dieses Statement auf jenen Zustand. Musik<br />

aber braucht beides, sie kann Schaffen und<br />

Abschaffen gar nicht auseinander definieren.<br />

So wie Schaffen ohne Abschaffen im Alten be-<br />

fangen bleiben muss, bleibt Abschaffen ohne<br />

Schaffen hohl und letztlich perspektivlos. Das<br />

wurde – bewusst oder unbewusst – durchaus<br />

wahrgenommen. Die Abkehr des Publikums<br />

von der zeitgenössischen „E-Musik“, seine<br />

Hinwendung zum Easy-Listening popdeterminierter<br />

Hörwelten, ist Reaktion darauf. Man<br />

hatte keine Lust, sich in innermusikalische<br />

Debatten einzuleben – oder man empfand<br />

keine Lust dabei. Das Argument, dass das<br />

Neue eben immer einer gewissen Anlaufszeit<br />

bedürfe, dass es zur Trägheit des Jetzt im<br />

Widerpart stehe (was fraglos stimmt), kann<br />

nicht über gegenwärtig sich auftuende Gräben<br />

hinweg täuschen.<br />

Hier nun wird ein anderer Aspekt von Gottwalds<br />

„interkommunikativer Handlung“ im<br />

chorischen Singen wichtig. Kommunikation ist<br />

dabei nicht nur intern im innermusikalischen<br />

Prozess zu begreifen, sondern auch nach außen,<br />

hin zum Publikum. Helmut Lachenmann<br />

hat einmal im Umfeld der Erläuterungen zu<br />

seiner Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“<br />

das Defizit hervorgehoben, wenn<br />

ein Komponist sich dem ursprünglichsten<br />

Instrument, also der menschlichen Stimme,<br />

verweigere. In einer Erläuterung zur Genesis<br />

des Werks schrieb er: „So ging es mir immer<br />

wieder um die Auseinandersetzung mit den<br />

vertrauten Werkgattungen – sozusagen in paradigmatisch<br />

verwandeltem Zusammenhang.<br />

Zum Beispiel natürlich auch um die Beantwortung<br />

der Frage: ‚Wie hältst Du’s mit dem<br />

Gesang?‘ Bis heute ist für mich diese Frage<br />

traumatisch geblieben. Ein Musikbegriff, der<br />

der Stimme ausweicht, gar den Gesang aussperrt,<br />

bei dem stimmt etwas nicht. Das war<br />

mir bewusst, nagte an mir. Wenn wir über die<br />

Genese des ‚Mädchens’ sprechen, dann gehört<br />

dazu, dass diese Oper sich nicht zuletzt<br />

der – noch nicht beendeten – Auseinandersetzung<br />

mit der singenden Stimme verdankt.“<br />

Diese Ursprünglichkeit der Stimme aber hat<br />

sich bis heute eine ganz eigene Aura bewahrt.<br />

Während der Instrumentalist, vor allem im<br />

orchestralen Kontext, Gefahr läuft, als nur<br />

ausführendes Organ vernommen zu werden,<br />

bleibt beim Sänger weit stärker das Moment,<br />

direktes Organ zu sein. Hier steht der Mensch<br />

gleichsam schutzlos vor dem zu erzeugenden<br />

Klang, als nacktes Individuum verantwortet<br />

er sein Laut-Geben. Die Barrieren zum Hörer<br />

sind auch dann geringer, wenn er sich gesteht,<br />

dass die eigene Stimme zu den vernommenen<br />

Höhenflügen nicht hinlangt.<br />

In einem Vortrag beim Jahreskongress des<br />

Bundesverbandes Deutscher Gesangspädagogen<br />

hat Peter Gülke 2002 auf diese<br />

Ursprünglichkeit des Singens hingewiesen:<br />

„Bis in die Zeiten des jungen Beethoven hinein<br />

stand für das ästhetische Denken außer<br />

Frage, dass die Musik allein in Verbindung mit<br />

dem Wort ihrer wahren Bestimmung zuzuführen<br />

sei, womit unter anderem dem längst<br />

vorliegenden Instrumentalwerk Haydns oder<br />

Mozarts noch ein Schatten von Inferiorität verblieb<br />

– André-Ernest Modeste Grétry, von der<br />

Ästhetik der französischen Aufklärer her kommend,<br />

pries Haydns Sinfonien als Steinbruch,<br />

aus dem wertvolle musikalische Brocken<br />

bezogen und in der Verbindung mit Worten<br />

ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden<br />

sollten. In der Konstellation eines zum oder im<br />

Orchester spielenden Solo-Instruments – das<br />

gilt für das barocke Solokonzert nicht minder<br />

wie etwa die Sologeige im zweiten Satz von<br />

Brahms‘ erster Sinfonie – bleibt allemal das<br />

Moment der als handelndes Subjekt aus dem<br />

Ensemble heraustretenden ‚vox humana‘ der<br />

Hinblick auf den singenden Menschen mitenthalten.“<br />

„Vox humana“ – die menschliche Stimme:<br />

Das hat eine ganz eigenwillige Doppelbedeutung.<br />

Nicht nur ist es die Stimme, die<br />

dem Menschen zugehört, es ist zugleich<br />

eine Stimme mit menschlicher, als sich zum<br />

Menschen innig hinwendender Ansprache.<br />

Diesen Aspekt aber hatte die zeitgenössische<br />

Musik in ihrer kritischen wie technologischen<br />

Überfrachtung zumindest partiell zurückgedrängt.<br />

Auch von da her rührten Berührungsängste<br />

mit der Stimme, der man sich lieber<br />

experimentell, im Abklopfen ihrer Potenzen,<br />

näherte, als sie als menschliche Appellhaftigkeit<br />

zu verstehen. Hier aber setzte in den<br />

letzten Jahren ein Umdenkprozess ein. Die<br />

extremen Grenzgänge wirken ausgeschritten,<br />

das Bedürfnis zu schöpferischer Ansprache im<br />

Gegensatz zur kritischen Destruktion ist spürbar<br />

gewachsen.<br />

In diesem Umfeld wächst dem Gesang, insbesondere<br />

der Chormusik eine zentrale Bedeutung<br />

zu. Es ist ein geschichtlich gewachsenes,<br />

zugleich psychologisch wie physiologisch<br />

unschwer begründbares Faktum, dass die<br />

Barrieren vom Professionellen zum musikalischen<br />

Laien, zum Amateur geringer sind.<br />

Schon die experimentelle Musik (etwa Dieter<br />

Schnebel, John Cage, Cornelius Cardew oder<br />

Hans-Joachim Hespos) hatten über vokale Ensemblearbeit,<br />

zum Beispiel im Bereich neuer<br />

Schulmusik, Näherungen zum musikalischen<br />

Laien gesucht. Heute sind die Distanzen über<br />

mehrere Brücken noch geringer geworden.<br />

Genannt müssen werden die Versuche einer<br />

Verknüpfung von Pop- und Jazz-Elementen<br />

mit zeitgenössischen Techniken, sowie die<br />

Auseinandersetzung mit der Folklore (zum<br />

Beispiel in Nord- und Osteuropa, etwa das<br />

schwedische Kulning-Singen), mit alten Kirchenmusiktraditionen<br />

oder auch mit außereuropäischen<br />

Stilistika des Singens (besonders<br />

faszinierend wirkten hier die verschiedenen<br />

Versuche mit Techniken des Obertonsingens,<br />

die in der tibetanischen Musik bis hin zu den<br />

Mongolen Sibiriens verwurzelt sind).<br />

Hier nun gewinnt Clytus Gottwalds Begriff<br />

des kommunikativen Handelns eine zweite<br />

Schulz<br />

Man stelle sich vor: Nur etwa 1,6 Mio. Einwohner zählt Estland, aber beim Sängerfest in Tallinn im Juni 1990 sang ein Chor von<br />

30.000 vor einem Publikum von 500.000 Menschen. Zieht man in Betracht, dass auf der Bühne nur die Sieger der regionalen<br />

Sängerwettbewerbe stehen, so darf man getrost davon ausgehen, dass jeder Lette, Este oder Litauer zumindest einmal in seinem<br />

Leben an einem solchen Fest mitgewirkt hat.<br />

Foto Lettischer Radio-Chor<br />

wesentliche Bedeutung. Chorsingen als kommunikativer<br />

Austausch betrifft nicht nur interne<br />

Fragen (also die Wechselwirkung unter den<br />

einzelnen Sängern), sondern auch den Austausch<br />

mit dem Publikum. Kompositorische<br />

Verfahrensweisen, die im rein instrumentalen<br />

Bereich auf Befremden und Unverständnis<br />

stoßen mögen, vermitteln sich über den<br />

singenden Menschen, also via „Vox humana“,<br />

weit unmittelbarer, da der Klang direkt<br />

als menschliche Lautgebung begriffen wird.<br />

Hier liegt ein weites Feld offen vor uns, das<br />

zu erschließen in zeitgemäßer, heutiger Form<br />

erst begonnen wird. Die menschliche Stimme,<br />

insbesondere das gruppenintegrative Singen<br />

im Chor, kann maßgeblich dazu beitragen, der<br />

Musik heute aus ihrer Isolation zu verhelfen.<br />

Manches ist hier schon in öffnendem Sinne<br />

geschehen, verwiesen soll nur werden auf<br />

die Bedeutungs-Expandierung der nordischen<br />

oder der osteuropäischen Musik (Namen wie<br />

Jennefelt, Schnittke oder Pärt stehen paradigmatisch<br />

dafür), sowie auf manche Ergebnisse<br />

der so genannten Weltmusik (sofern diese,<br />

wie leider häufig üblich, die Stilistika nicht<br />

nur zur Dekoration fast im touristischen Sinne<br />

einsetzt). Diese frischen und zugleich in der<br />

Tradition verwurzelten Ansätze bestimmen<br />

mehr und mehr unser heutiges musikalisches<br />

Bewusstsein. Die Angst vor dem Gesang (wir<br />

denken an den Ausdruck „traumatisch“ von<br />

Lachenmann) nimmt unter den avantgardistischen<br />

Komponisten spürbar ab. Dabei erfährt<br />

auch der Begriff der Avantgarde eine Neubewertung.<br />

Avantgarde definiert sich heute nicht<br />

allein, wie in den 50er bis 70er Jahren üblich,<br />

über die Weitung des Materials, also in technizistischer<br />

Hinsicht, sondern zumindest gleichgewichtig<br />

über die Intensivierung des musikalischen<br />

Ausdrucks hin auf heutige Hörformen.<br />

Wer Avantgarde so begreift, braucht nicht die<br />

falsche Flucht nach hinten anzutreten, wie es<br />

zumindest eine verkürzt verstandene Postmoderne<br />

unter Ablehnung, ja Unmöglichkeits-Erklärung<br />

von Avantgardismus tat.<br />

Es ist die große Chance der Chormusik heute,<br />

Gräben zuzuschütten. Wenn Musik im Heutigen<br />

vereinsamt, dann erübrigt sie sich letztlich,<br />

verschwindet wie Kafkas Hungerkünstler.<br />

Es gibt aber keinen Grund dafür. Denn der<br />

Mensch sucht immer wieder die unmittelbare<br />

Begegnung zum Jetzt, er will gefordert, keineswegs<br />

aber vor den Kopf gestoßen sein.<br />

Vielleicht, es gibt durchaus Zeichen dafür, erleben<br />

wir heute in diesem Sinne eine umfassende<br />

Renaissance des chorischen Singens.<br />

Reinhard Schulz ist Musikwissenschafter und<br />

Musikjournalist der Süddeutschen Zeitung,<br />

der<br />

ins<br />

neuen<br />

dialoge<br />

musik<strong>zeitung</strong><br />

67,4x127,5Bel<br />

und des<br />

17.08.2005<br />

Bayerischen<br />

13:46<br />

Rundfunks.<br />

Dialoge zu vier Themen<br />

– zwischen Tanz,<br />

zeitgenössischer Musik,<br />

Literatur und – Mozart.<br />

Ein Projekt der<br />

Internationalen<br />

Stiftung Mozarteum<br />

zum Mozart-Jahr 2006.<br />

www.mozarteum.at<br />

religion 1.–4.12.05<br />

Christoph Schlingensief<br />

Camerata Salzburg<br />

Marc Albrecht · Josef<br />

Bierbichler · Hagen<br />

Quartett · Klangforum<br />

Wien · 7 Klangräume<br />

von Georg Friedrich<br />

Haas · Ivor Bolton<br />

Mozarteum Orchester<br />

Salzburg u. a.<br />

religionspielliebetod<br />

spiel 29. 3.–2. 4. 06<br />

Tanzimprovisation von<br />

Meg Stuart · Pierre-<br />

Laurent Aimard and<br />

friends · Markus<br />

Stockhausen · Malcolm<br />

Goldstein · Klangforum<br />

Wien · Österreichisches<br />

Ensemble für Neue<br />

Musik · Johannes<br />

Kalitzke u. a<br />

liebe 17.–21. 5. 06<br />

Choreographien von<br />

Philipp Gehmacher,<br />

Johanne Saunier<br />

Alexander Lonquich, Klavier<br />

Klangforum Wien · Dino<br />

Saluzzi Trio · Texte von<br />

Handke, Jelinek, Esterházy,<br />

Tabori u. a. · Hermann Beil<br />

Isabel Mundry · Hilliard<br />

Ensemble u. a.<br />

tod 1.–5.12. 06<br />

Hagen Quartett<br />

Klangforum Wien<br />

Mozarteum Orchester<br />

Salzburg · Peter Ruzicka<br />

Jörg Widmann<br />

Östereichisches Ensemble<br />

für Neue Musik<br />

Nikolaus Harnoncourt<br />

Concentus Musicus u. a.<br />

dia oge<br />

tickets@mozarteum.at<br />

Kartenbüro der<br />

Internationalen Stiftung Mozarteum<br />

Theatergasse 2 · A-5020 Salzburg<br />

T +43-662-87 31 54 · F 87 44 54


September 05<br />

SPUREN VON FEUER Hans<br />

Im herkömmlichen Verständnis ist eine Tankstelle<br />

eine Tankstelle, eine Fabrik eine Fabrik<br />

und ein Kraftwerk ein Kraftwerk.<br />

In den letzten Jahren ist zu beobachten,<br />

dass die Werks- und Fertigungshallen großer<br />

Unternehmen für kulturelle Ereignisse zur<br />

Verfügung gestellt werden. Das bedeutet eine<br />

Veränderung im Verständnis künstlerischer<br />

Arbeit sowohl des Künstlers als auch der Rezeption<br />

des Publikums und eine Mobilisierung<br />

von Kunstperformance und –marketing.<br />

Die Trennung von Alltagsleben und kultureller<br />

Veranstaltung findet also nicht in eigens dafür<br />

gebauten und vorgesehenen „Kunstgebäuden“<br />

statt, sondern verlagert sich in den<br />

wirtschaftlichen Produktionsbereich. Dadurch<br />

wird Kunst offensichtlich zur „Ware“ und<br />

unterliegt in bestimmten Bereichen vermehrt<br />

auch den gängigen Markt- und Wettbewerbsmechanismen.<br />

Es gibt dazu in der Öffentlichkeit medial positive<br />

Ergebnisse, in bezug auf das Konsumverhalten<br />

allerdings negative.<br />

Kunst kennt nicht den „Sommer- oder Winterschlußverkauf“<br />

und nicht die „Nimm-drei-zahlzwei“-Strategie.<br />

Sie setzt zur Rezeption ein<br />

gewisses Grundmaß an Bildung und Interesse<br />

voraus. Diese ist beim Kauf von Waschmittel<br />

oder Socken nicht unbedingt notwendig.<br />

Kommerzialisierungen sind daher mit Vorsicht<br />

zu genießen. (Wir wissen noch nicht, welche<br />

Auswirkungen es z.B. auf kompositorischem<br />

Gebiet hat, wenn eine Oper für die Kristallwelt<br />

oder die Montagehalle bei Tyrolit geschrieben<br />

wird. Man weiß allerdings, dass es einen wesentlichen<br />

Einfluß hatte, ob Verdi für die Oper<br />

in Mailand oder Paris geschrieben hat).<br />

Ein weiterer nicht zu übersehender Punkt<br />

ist, dass sich die öffentliche Hand durch eine<br />

vermehrte finanzielle Beteiligung privater<br />

Unternehmen – nicht ungern – aus der Verantwortung<br />

zurückzieht. Kunst und Kultur ist aber<br />

nicht nur eine Angelegenheit von privaten Unternehmen,<br />

die sich das leisten (können oder<br />

wollen), sondern gehört zur Lebensbefindlichkeit<br />

einer Gesellschaft und ist daher eine res<br />

publica, eine öffentliche Sache. Noch dazu<br />

sich gerade die Politik, bei allen möglichen<br />

und unmöglichen Gelegenheiten mit Kultur<br />

und Besonderheiten der Kunst umgibt und<br />

schmückt und so eine uneingeschränkte<br />

Benützung bzw. Zurverfügungstellung signalisiert,<br />

die ihr überhaupt nicht zusteht und<br />

Augustin<br />

auch nicht der Budgetrealität entspricht. Weil<br />

sie aus Steuergeldern und nicht aus der Privatschatulle<br />

des Politikers bezahlt wurde.<br />

Diese im Grunde ungerechtfertigte Inbesitznahme<br />

bedarf einer Evaluierung.<br />

Kultur, als Ausdruck einer kreativen Reflexion<br />

und Inszenierung der Entwicklung einer<br />

Gesellschaft, muß im prinzipiellen Interesse<br />

eines Landes sein. Daher wären Ausbildung,<br />

Förderung und Bereitstellung öffentlicher<br />

Möglichkeiten für die Ausübung der Kunst und<br />

die Rezeption des kulturellen Wirkens weitestgehend<br />

aus öffentlichen Mitteln abzudecken.<br />

Die Integration privater Unterstützung – wie<br />

hoch sie auch sein mag – kann nur die Ausnahme,<br />

niemals die Regel sein.<br />

Ungeachtet dessen müssen Kulturschaffende<br />

und -vermittler diese Entwicklung – einer bis<br />

an die Schmerzgrenze reichenden Kommerzialisierung<br />

– zur Kenntnis nehmen, weil derzeit<br />

vorwiegend nur über diesen Mechanismus<br />

eine einigermaßen zufriedenstellende mediale<br />

Publikumsbindung und damit eine bessere<br />

Wirtschaftlichkeit erreicht wird.<br />

Die Überlegungen, das BioMasseHeizwerk<br />

„FeuerWerk“ der Unternehmensgruppe BinderHolz<br />

in Fügen als permanenten Kulturort<br />

zu etablieren, stellt in dieser Hinsicht eine<br />

Besonderheit dar. Einerseits weil es derzeit<br />

im Bereich Kraftwerk europaweit nichts Vergleichbares<br />

gibt und andererseits weil mit<br />

dieser Implantierung eines KulturRaumes<br />

völlig andere logistische aber auch inhaltliche<br />

Erfordernisse und Konsequenzen verbunden<br />

sind.<br />

Das „Kultur-Heizwerk“ stellt sich grundsätzlich<br />

auf zwei Ebenen dar:<br />

a) als architektonische Besonderheit, mit<br />

modernster technischer Ausstattung und<br />

dem Produkt dieser Energiefabrik in Form von<br />

Strom, Fernwärme und Pellets, als Modell für<br />

nachhaltige Energiewirtschaft in einer Region,<br />

die ein Übermaß an nachwachsendem<br />

Rohstoff – sprich Holz - für verschiedenste<br />

Anwendungen zur Verfügung hat.<br />

Und b) als KulturRaum mit einem kontinuierlichen<br />

Programm in Form von Ausstellungen<br />

(bildhauerischer und grafischer Auseinandersetzung),<br />

Konzerten (nicht nur mit Holzinstrumenten),<br />

Theateraufführungen und Lesungen<br />

sowie die Einbindung dieses KulturRaumes<br />

für Veranstaltungen wie z.B. jener der <strong>Klangspuren</strong><br />

etc.<br />

Dieser KulturRaum versteht sich auch als<br />

Anknüpfungspunkt für eine Renaissance der<br />

Verwendung des Werkstoffes Holz, der in<br />

den letzten Jahren einigermaßen ins Abseits<br />

gedrängt wurde. Besonders bei druckgrafischen<br />

Techniken wie Holzschnitt, weiters<br />

Papierkunst, dann die Verwendung von Holz<br />

als landschaftsgestaltendes Element, Entwicklung<br />

neuer Formen und Techniken im<br />

HolzWohnbau, sowie Holzdesign im Bereich<br />

Innenausbau, der Möblierung usw.<br />

Das Kraftwerk als KulturRaum ist insofern<br />

auch eine Besonderheit, als es dem gängigen<br />

Gebrauch von Mehrzwecksälen, Barocksälen,<br />

Schlössern, Landestheatern, Kirchenräumen<br />

und selbst Kellerbühnen etc. nicht entspricht.<br />

Auch nicht Werkhallen, die wochentags dem<br />

Produktionsprozeß dienen. Denn das „Feuer-<br />

Werk“ verfügt über eine eigene Galerie, einen<br />

Kinoraum sowie einen für Konzert und Theaterinszenierungen<br />

geeigneten Mediensaal.<br />

Kraftwerk als KulturRaum ist darauf ausgerichtet,<br />

eine eigenständige Marke und ein<br />

eigenständiger Begriff zu werden. Und es ist<br />

unerlässlich, langfristig und kontinuierlich den<br />

Wert dieser Einrichtung zu kommunizieren.<br />

Dass sich damit auch das Image des Unternehmens<br />

BinderHolz für den Kulturbereich<br />

verbindet, dürfte selbstverständlich sein.<br />

Ungeachtet der architektonischen Bedingungen<br />

und der fest definierten inhaltlichen<br />

Ausrichtung des Werkes durch seine Produkte<br />

(Strom, Fernwärme, Pellets), spiegelt das<br />

Programm den Akzent von Holz, als allseits<br />

bekannter und ökologisch dennoch besonderer<br />

Rohstoff, in bewusster Weise wider. Was<br />

nicht heißt, dass ein Konzert aus der Barockzeit<br />

nicht stattfinden darf.<br />

Zweifelsohne stellt dieses Angebot von Kultur<br />

auch eine Besonderheit in der Unternehmenskommunikation<br />

dar und wird auch im Rahmen<br />

von (internationalen) Messen aktiv und positiv<br />

einbezogen werden.<br />

In den vergangenen Jahren ist es der Unternehmensgruppe<br />

BinderHolz gelungen,<br />

ein kluges Zusammenwirken von Kunst<br />

und Wirtschaft zu ermöglichen. In den<br />

Produktionshallen des Werkes in Jenbach<br />

wurde Raum für Konzertveranstaltungen<br />

der <strong>Klangspuren</strong> geschaffen.<br />

spuren HOLZ<br />

Mit dem KulturKonzept „FeuerWerk“ im Biomasseheizwerk zeigt die Unternehmensgruppe BinderHolz in Fügen Mut für eine sehr<br />

ansprechende Verbindung von Kultur und Wirtschaft<br />

KUNST IM WIRTSCHAFTLICHEN<br />

PRODUKTIONSBEREICH<br />

EIN KRAFTWERK ALS<br />

KULTURRAUM<br />

BINDERHOLZ – MARKE EINER<br />

KULTURELLEN SENSIBILITÄT<br />

ALPENSINFONIE OP. 64<br />

IN DEN ALPEN<br />

13<br />

Mit dem Effekt, dass Produktionsraum, Komposition,<br />

Können der Musiker und Klangeffekt<br />

zu einem unvergleichlich interessanten Hörerlebnis<br />

wurden.<br />

Die Alpen waren lange vor der Überquerung<br />

und der teilweisen Inbesitznahme durch die<br />

Römer ein Refugium verschiedenster Ethnien,<br />

die sich mit den klimatischen und topografischen<br />

Bedingungen zu arrangieren wussten.<br />

Dazwischen ereignete sich die <strong>Tirol</strong>er Geschichte.<br />

Und erst Ende des 18. Jahrhunderts<br />

kamen durch spektakuläre Gipfelbesteigungen<br />

die Alpen wieder ins Gerede oder vielmehr in<br />

den Wunschhorizont von Forschern und anderen<br />

Einzelgängern. In diesem Fall auch Musikern,<br />

Schriftstellern und Malern.<br />

Der Gymnasiast Richard Strauss (1864-1949)<br />

schrieb 1879 aus den Ferien an einen Freund:<br />

„Neulich machten wir eine große Bergpartie<br />

auf den Heimgarten, an welchem Tage wir<br />

zwölf Stunden gingen. Die Partie war bis zum<br />

höchsten Grad interessant, apart und originell.<br />

Am nächsten Tage habe ich die ganze Partie<br />

auf dem Klavier dargestellt. Natürlich riesige<br />

Tonmalereien und Schmarrn“ (zitiert nach R.<br />

Wagner). Zweiunddreißig Jahre später begann<br />

der reife Komponist mit seiner letzten Sinfonischen<br />

Dichtung, die an diesen „Schmarrn“<br />

anknüpfte: „Eine Alpensinfonie“ – entstanden<br />

zwischen 1911 und 1915, uraufgeführt am 28.<br />

Oktober 1915 in Berlin.<br />

Die Idee der Alpensinfonie war, mit musikalischen<br />

Mitteln die Besteigung eines Alpengipfels<br />

und die Rückkehr ins Tal während eines<br />

Tages zu gestalten. Ein typisches Beispiel für<br />

Programmmusik. Der Zuhörer besteigt mit<br />

dem Komponisten einen Berg in den Alpen.<br />

Nur besteht dieser aus Noten.<br />

Fotos BinderHolz<br />

Im Grunde ist dieses Gemälde, das er mit<br />

15 Jahren skizzierte, eine Hommage an ein<br />

Naturereignis, dem sich nicht viele entziehen<br />

können.<br />

Man muß dem Lucerne Festival und dem<br />

Ensemble Modern Orchestra aus Frankfurt<br />

– ein Klangkörper wie ein Gebirge – mit seinem<br />

Dirigenten Markus Stenz danken, dass<br />

das Vorkonzert für die Aufführung in Luzern<br />

in der Lagerhalle von BinderHolz in Jenbach<br />

stattfinden konnte. Unter dem Dach moderner<br />

Holzindustriearchitektur erklang am 18.<br />

August 2005 die vom Ensemble Modern Orchestra<br />

beeindruckend interpretierte Alpensinfonie<br />

von Richard Strauss. Der Schlusspunkt<br />

seiner sinfonischen Dichtung. Und mit größter<br />

Sicherheit war diese Präsentation in seiner<br />

Qualität um kein Jota weniger alpin himmlisch<br />

als die Premiere in Luzern.<br />

Hans Augustin ist Schriftsteller, Journalist<br />

und Lektor, Publikationen in Literaturzeitschriften<br />

und im ORF.<br />

Feuer Werk Öffnungszeiten<br />

Di - So 10 - 18 Uhr<br />

Gruppen gegen Voranmeldung<br />

Tel 05288/601-550, Fax 05288/601-559<br />

www.binder-feuerwerk.com


14<br />

PARTNER spuren September 05<br />

TRANSART 05 Peter<br />

Jan Fabre, Angel of Death, performed by Ivana Jozic, Foto Wonge Bergmann<br />

TRANSART steht für ein regionales Festival<br />

zeitgenössischer Kultur zwischen Brenner<br />

und Rovereto. Gegründet wurde es auf einen<br />

Denkanstoß der <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong>: gemeinsam<br />

mit Maria-Luise Mayr und Thomas<br />

Larcher haben wir uns die Frage gestellt, ob<br />

es denn nicht auch in Südtirol ein Potential<br />

für ein Festival Neuer Musik samt innovativer<br />

Vermittlungsstrategien gäbe. Schnell wurde<br />

klar, dass es weder eine <strong>Klangspuren</strong>-Kopie<br />

noch eine -Filiale sein kann. So oft die Zusammenarbeit<br />

zwischen dem nördlichen und<br />

südlichen Teil <strong>Tirol</strong>s vor allem von politischer<br />

Seite her auch beschworen wurde und wird:<br />

die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen<br />

Realitäten sind doch sehr unterschiedlich.<br />

Wir entschieden uns für einen eigenen Zuschnitt,<br />

einen eigenen Namen und Verein.<br />

Die positiven <strong>Klangspuren</strong>-Erfahrungen – mit<br />

ungewöhnlichen Hör- und Schauplätzen, mit<br />

Kommunikationsstrategien jenseits etablierter<br />

Inseratenwerbung sowie mit begeisterten<br />

Entscheidungsträgern aus der Privatwirtschaft<br />

– waren Ausgangspunkt für die De-finition der<br />

TRANSART-Formel. Dank engster programmatischer<br />

Zusammenarbeit mit den <strong>Klangspuren</strong><br />

konnte in kürzester Vorlaufzeit – von etwa<br />

4 Monaten – TRANSART 2001 in der Bozner<br />

Industriezone aus der Taufe gehoben werden.<br />

Der Erfolg war groß und hat Mut zur Arbeit an<br />

zeitgenössischer Kulturvermittlung gemacht<br />

– mit einem wesentlichen Unterschied zu den<br />

<strong>Klangspuren</strong>: vermitteln diese in erster Linie<br />

reine Musikprogramme, setzt TRANSART auf<br />

einen spartenübergreifenden Kulturbegriff.<br />

Südtirol hat in den letzten 15 Jahren einen<br />

beachtlichen Aufschwung zeitgenössischer<br />

Kultur vor allem im Bereich der darstellenden<br />

Künste erlebt; man denke nur an das Museion<br />

Bozen, an ar/ge kunst Bozen, an kunstmeran<br />

und darüber hinaus an das Mart in Rovereto<br />

und jüngst auch an die städtische Galerie in<br />

Trient; da gab und gibt es viele Projekte, die<br />

Paul Kainrath<br />

PARTNERFESTIVAL DER KLANGSPUREN SCHWAZ · WWW.TRANSART.IT / 15.9.-9.10.2005<br />

Foto Chris Watson, Thailand<br />

auch im internationalen Konzert der Ausstellungen<br />

Beachtung finden. Und eben da<br />

will TRANSART sein Publikum abholen: der<br />

Museionsbesucher ist bei Neuer Musik in der<br />

Regel vorurteilsfreier als der Haydnorchesterabonnent;<br />

öffnet man ihm die Tür mittels<br />

einer vertrauten Künstlerpersönlichkeit, ist er<br />

auch bereit, sich neugierig und offen neuen<br />

Tönen zu stellen. Marina Abramovic, Kendell<br />

Geers, Saburo Teshigawara, Lisa D und andere<br />

Nicht-Musiker haben TRANSART zu einem<br />

generations- und spartenübergreifenden Publikum<br />

verholfen, das in dieser Konstellation<br />

und in dieser Region wohl kaum anderswo zu<br />

finden ist.<br />

Nach vier Ausgaben war es nun an der Zeit,<br />

die Neue Musik – also den eigentlichen Anlass<br />

unserer ersten Gründungsüberlegungen<br />

– ins Zentrum von TRANSART 05 zu stellen:<br />

vom rockenden Absolute Ensemble aus<br />

New York über das uraufführungsreichste<br />

Streichquartett Arditti aus London bis hin zum<br />

heimischen Haydnorchester samt DJ aus<br />

Caracas spannen sich die Klangbögen, vom<br />

japanischen Noisetheater in der Kraftwerkszentrale<br />

bis hin zum amerikanischen Minimalmusic-Horizont<br />

reicht das Spektrum der dynamischen<br />

Extreme, und von der klingenden<br />

Müllhalde bis hin zum Märchenbild öffnet sich<br />

das Kinderprogramm „play transart“ dem Publikum<br />

von Morgen; darüber hinaus artikuliert<br />

sich die Grenzüberschreitung der einzelnen<br />

Gattungen von kanadischen Videopionieren<br />

über schwedisches Theater im Zeichen einer<br />

Geheimdienstpsychologie bis hin zu deutschen<br />

Multimedialisten.<br />

Dem Pathos nicht gänzlich abgeneigt behaupten<br />

wir: TRANSART ist und bleibt das<br />

Abenteuer zeitgenössischer Kultur.<br />

Peter Paul Kainrath ist künstlerischer Leiter<br />

von TRANSART und den <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong><br />

DONNERSTAG 15.9. transart opening > music .<br />

Bozen. Bahnhofsremise . Officine FS . Schlachthofstr. 24 . 20.30 Uhr<br />

Bernhard Lang . DW 8 for looped Orchestra and two Turntables . Jorge Sánchez - Chiong . trapos<br />

/ Catwalk en Guantànamo IE/PI . Orchestra Haydn Orchester .<br />

FREITAG 16.9. Transart clubbing > electronics .<br />

Bozen. Bahnhofsremise . Officine FS . Schlachthofstr. 24 . 22 Uhr<br />

devious behaviour . Dieb 13 . Sudden Infant . Jorge Sánchez-Chiong . Wang Inc. . Special Guest:<br />

Darren Price/Underworld .<br />

SAMSTAG 17.9. art . video . music .<br />

Bruneck. Lagerhalle Lodenfabrik Moessmer. Walther-von-der Vogelweidestr. 6 . 20.30 Uhr<br />

Bornefeld_Kammerer_Riant . saint sain sein . Skoltz_Kolgen . Flux :/terminal<br />

DIENSTAG 20.9. music<br />

Eppan. Lanzerhaus . Johann Georg Platzer Str. 22-24 . 20.30 Uhr<br />

Luigi Nono .. Jonathan Harvey . Arditti Quartet . IRCAM Technik<br />

MI 21.9. / DO 22.9. film<br />

Bozen. Filmclub . Dr. Streitergasse 6 . 17 Uhr . 20.30 Uhr . Matthew Barney . Cremaster Cycle<br />

FREITAG 23.9. music<br />

Bozen. Selectra . Pacinottistr. 11 . 20.30 Uhr<br />

Absolute/Zappa® . Absolute Ensemble . Kristjan Järvi .<br />

MONTAG 26.9. music<br />

Bozen. Dominikanerkirche . Dominikanerplatz . 20.30 Uhr<br />

Latvian Chamber Choir . Rigas Kamermuziki<br />

MITTWOCH 28.9. theatre . video . music .<br />

Bozen. Gärtnerei Schullian. Meranerstr. 75 20.30 Uhr . Chris Watson . Weather Report . Radian<br />

FREITAG 30.9. Transart_cocktail night > electronics . noise<br />

Kastelbell. Wasserkraftwerk Seledison 20.30 Uhr<br />

DJ Spooky . Next Step. Electric project . Tetsuo Furudate . Music against Turbines<br />

SONNTAG 2.10. music . video . dance .<br />

Bozen. Arte . Esperantostr. 3 20.30 Uhr<br />

Christian Ziegler . Turned . Kazue Ikeda . Sean Reed . Florian Meyer . IE/PI<br />

MITTWOCH 5.10. theatre . music . dance<br />

Trento . Museo Gianni Caproni . 20.30 Uhr . Troubleyn/Jan Fabre . Angel of Death<br />

DONNERSTAG 6.10. theatre . sound .<br />

Bozen. Alumix . Voltastr. 11 . 20.30 Uhr<br />

Carl Michael Von Hausswolff . Physical interrogation techniques<br />

SAMSTAG 8.10. theatre . music . dance<br />

Bozen. Neues Stadttheater . Verdi Platz 40 . 20.30 Uhr . Troubleyn/Jan Fabre . Angel of Death .<br />

SA 8.10. / SO 9.10. film<br />

Rovereto . MART . corso Bettini 43 . 17 Uhr . 20.30 Uhr . Matthew Barney . Cremaster Cycle<br />

SONNTAG ST 120-02_127,5x67,4_4Wo_schwaz 9.10. video 08.08.2005 . music . 16:39 Uhr Seite 1<br />

St. Lorenzen Innerhofer . Bruneckerstr. 14 . 20.30 Uhr<br />

Jean Pichè & Purform . Elektra Festival Canada . IE/PI<br />

4 Wochen gratis lesen:<br />

www.derStandard.at/Abo oder 0810 /20 30 40<br />

4 Wochen<br />

gratis lesen.<br />

Die Zeitung für Leser


September 05<br />

KLANGSPUREN ZUGABE<br />

DONNERSTAG 8.9.<br />

Cinematograph · Innsbruck · 19.00 Uhr<br />

STUMMFILMPIONIERINNEN BEGLEITET VON<br />

CORDULA BÖSZE<br />

kinovi[sie]on – ein Projekt des Otto-Preminger-Instituts<br />

(Leokino/Cinematograph) – stellt einmal monatlich<br />

(jeweils am 8.) das Filmschaffen von Frauen in den<br />

Mittelpunkt. Der Filmzyklus kinovi[sie]on will nicht nur<br />

darauf aufmerksam machen, dass Frauen als Filmema-<br />

Cordula Bösze<br />

cherinnen signifikant unterrepräsentiert sind, sondern<br />

vor allem dieser Tatsache entgegenwirken. Der so genannte<br />

„weibliche Blick“ wird nicht auf typische Themen fokussiert, sondern geweitet, gesplittert<br />

gesehen. kinovi[sie]on stellt ein Prisma dieses Blicks dar und bietet der oft kontroversiellen<br />

Vielfältigkeit des Filmschaffens von Frauen Raum. Im September 2005 würdigt kinovi[sie]on die<br />

Pionierinnen der Filmkunst, deren Werke leider oft in Archiven verstauben oder in Kellern von<br />

Kleinverleihen schlummern und dem Kinopublikum kaum zugänglich gemacht werden. Zu sehen<br />

sind Kurzfilmraritäten von Louis Weber (A JAPANESE IDYL), Lotte Reiniger (DORNRÖSCHEN)<br />

und Alice Guy-Blaché (A HOUSE DIVIDED), die bereits 1896 ihren ersten Film realisiert hatte.<br />

Künstlerischer Höhepunkt dieses Programms ist Germain Dulacs LA COQUILLE ET LE CLERGY-<br />

MAN (Die Muschel und der Kleriker), der erste surrealistische Film der Filmgeschichte. Für die<br />

Vertonung dieses Stummfilmprogramms sorgt Cordula Bösze mit innovativer Live-Improvisation<br />

(an der Schnittstelle Elektronik – Neue Musik).<br />

Cordula Bösze: Studium Querflöte/Konzertfach an der Wiener Musikhochschule; 1995 Gründung<br />

des “böszen salonorchesters” zur Verursachung und Aufführung zeitgenössischer Salonmusik;<br />

seit 1997 vor allem Projekte im Bereich der frei improvisierten Musik und der Elektronik; 2004<br />

Butch Morris Ensemble “Conduction 140” (Konfrontationen, Nickelsdorf); 2005 Chris Burn‘s<br />

Ensemble (Generator, Konzerthaus Wien).<br />

Infos www.leokino.at, Kontakt: Gerlinde Schwarz/Gertraud Eiter, kinovisieon@leokino.at<br />

Georg Friedrich Haas, Foto Dave Bullock<br />

FREITAG 9.9.<br />

Foyer Tennishalle · <strong>Schwaz</strong> · 10.00 Uhr<br />

GENERALPROBENBESUCH BEIM TIROLER SYMPH-<br />

ONIEORCHESTER INNSBRUCK BLÄSERENSEMBLE<br />

DER SWAROVSKI MUSIK WATTENS · JAZZORCHES-<br />

TER TIROL mit Reinhard Schulz · € 5,00 (beim Kauf<br />

einer Eintrittskarte für das Abendkonzert ist der Generalprobenbesuch<br />

frei)<br />

SAMSTAG 10.9.<br />

Löwenhaus · Innsbruck · 14.00<br />

GEFÜHRTE HÖRFLOSSFAHRT am Inn von Innsbruck<br />

nach <strong>Schwaz</strong> mit Karin Pegoraro und Manfred Föger<br />

(Technisches Büro für Biologie und Landschaftsökologie)<br />

· Dauer ca. 3,5 Stunden · € 26,00 (bei starkem<br />

Regen Ersatztermin) · anschließend gemeinsames<br />

Abendessen und Konzertbesuch von Windkraft <strong>Tirol</strong> ·<br />

Rückfahrt mit Shuttlebus<br />

Hören – Nichthören – Andershören. Eine vertraute Landschaft aus neuer Perspektive entdecken...<br />

Mit Antritt der Floßfahrt verlassen wir die alltägliche Klangwelt und tauchen ein in die<br />

Klanglandschaft Inn. Der Lauf des Wassers mit all seiner Kontinuität und allen seinen Unregelmäßigkeiten<br />

– Flusswindungen, Steine am Ufer, Brückenpfeiler – bestimmt, was wir hören. Die<br />

bekannten Klänge des Ufers werden verändert, Leises geht im Rauschen und Plätschern unter,<br />

Lauteres wird verfremdet und ist kaum mehr erkennbar. War es wirklich ein bellender Hund, das<br />

Rufen spielender Kinder oder doch etwas ganz anderes? Die tierischen Bewohner des Inns müssen<br />

in ihrem Leben mit dieser Klangumwelt zurecht kommen. Die Stimmen von Flussvögeln sind<br />

hoch und scharf, sie durchdringen das Rauschen. Wie sonst wäre hier Kommunikation möglich?<br />

Andere Tiere hingegen wollen nicht wahrgenommen werden und führen an den Ufern ein akustisch<br />

verstecktes, oft auch nächtliches Leben. So wirkt der Fluss auf seine Lebensgemeinschaften<br />

und sein Umfeld. Doch dieser Prozess ist keine Einbahn; die Laute der Umgebung dringen<br />

ihrerseits in die Welt des Flusses ein. Und weil wir auf dem Floß unterwegs sind, nehmen wir<br />

an diesen Wechselbeziehungen teil. Erst aus der Gesamtheit aller Klänge entsteht die komplexe<br />

Klanglandschaft Fluss.<br />

Was genau werden wir hören? Dies lässt sich nicht vorhersehen. Ist der Fluss nach einem<br />

nächtlichen Gewitter wild und rauschend oder nach einer Trockenperiode sanft und zart? Rufen<br />

wandernde Zugvögel über uns oder springt eine Forelle aus dem Wasser und taucht wieder platschend<br />

in die kalten Fluten ein? Und außerdem bleibt das Klangerlebnis stets ein Sachverhalt der<br />

Wahrnehmung... und damit zutiefst subjektiv! (Karin Pegoraro/Manfred Föger)<br />

Ninja Turtle<br />

MONTAG 12.9.<br />

Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong> · 18.00<br />

SINNESWANDERUNG · Wir beginnen mit einer Führung<br />

durch den duftenden Klostergarten, die Franziskanerkirche<br />

und den Friedhof mit Guardian Pater<br />

Florenz Graf und setzen die Führung durch den Kreuzgang<br />

mit Restaurator Wolfgang Götzinger fort.<br />

Aus welcher Zeit wohl der abgebildetet Ninja Turtle<br />

stammt?<br />

Wir sind neugierig, ob sie ihn entdecken · € 5,00<br />

spuren KLANG<br />

16.-18. SEPTEMBER<br />

15<br />

Das Literaturfestival Sprachsalz in Hall in <strong>Tirol</strong><br />

SPUREN VON SALZ UND DER KLANG DER SPRACHE<br />

„Hören heißt differenzieren“ war in der Mai-Ausgabe<br />

der <strong>Klangspuren</strong>-Zeitung zu lesen: Was für Musik gelten<br />

mag, ist auch für die Literatur gültig. Nicht wenige Texte<br />

entfalten erst beim Vorlesen ihren Klang, und wenn der<br />

Autor/die Autorin selbst liest, kommt ein ganz spezieller,<br />

unverwechselbarer Ton dazu.<br />

Sprachsalz gibt seit drei Jahren den Büchern und Texten<br />

Foto M. Kauz<br />

Klang und Stimme. Mehr als 3000 BesucherInnen machten<br />

Sprachsalz letztes Jahr ihre Aufwartung, was belegt, dass Literatur eine stimmige Alternative<br />

zu bieten vermag in einer Zeit, wo der Mensch von Lärm überflutet wird.<br />

Auch dieses Jahr lesen im Verlauf dreier Tage rund 20 AutorInnen aus ihren Büchern. Die FestivalbesucherInnen<br />

können auswählen: Prosa, Lyrik, ins Deutsche übersetzte Werke oder Arbeiten<br />

in Originalsprache. Das Parkhotel und Kurhaus in Hall in <strong>Tirol</strong> bieten den gewohnt vornehmen<br />

Rahmen, Eintritt wird keiner erhoben.<br />

Ein besonderer Gast ist dieses Jahr der japanische Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe, der<br />

sein neues Buch „Tagame. Tokio-Berlin“ bei Sprachsalz vorstellen wird. Zudem sind viele andere<br />

ErzählerInnen wie Edgar Hilsenrath oder die Französin Leslie Kaplan zu hören.<br />

AutorInnen bei Sprachsalz: Friedrich Achleitner, Österreich. Diane Broeckhoven, Belgien. Christoph<br />

W. Bauer, Österreich. Ira Cohen, USA. Antonio Fian, Österreich. Takashi Hiraide, Japan.<br />

Edgar Hilsenrath, Deutschland. Leslie Kaplan, Frankreich. Peter Kurzeck, Deutschland. Pedro<br />

Lenz, Schweiz. Colum Mc Cann, USA. Kenzaburo Oe, Japan. Ilma Rakusa, Schweiz. Gerhard<br />

Falkner, Deutschland. Ales Steger, Slowenien. Florian Vetsch, Schweiz. Elisabeth Wandeler-<br />

Deck, Schweiz. Josef Winkler, Österreich. Peter Zilahy, Ungarn. (Magdalena Kauz)<br />

Mehr Infos unter www.sprachsalz.com<br />

SAMSTAG 24.9.<br />

Naturhotel Grafenast · Hochpillberg · Treffpunkt<br />

Foyer · 13.00<br />

PILZWANDERUNG AUF DEN SPUREN VON JOHN<br />

CAGE · mit Hansjörg Unterlechner und Reinhard Schulz<br />

anschl. gemeinsames Zubereiten und Essen · € 7,00<br />

SONNTAG 25.9.<br />

Pfarrkirche Maria Himmelfahrt · <strong>Schwaz</strong> · 15.00<br />

HÖRSPAZIERGANG mit Bürgermeister Hans Lintner<br />

durch <strong>Schwaz</strong>er Keller und Dachböden · FÜHRUNG<br />

durch das Rabalderhaus mit Otto Larcher · Dauer ca. 1,5<br />

- 2 Stunden · € 5,00<br />

Der Wind im Grafenbogen, eine <strong>Schwaz</strong>er Sage<br />

Es gibt oft seltsame Freundschaften auf dieser schönen<br />

Erde. Was ist da weiter verwunderlich, dass der Teufel<br />

an dem hurtigen Wind Gefallen fand und beide recht<br />

gute Freunde wurden. Der Wind ist ein recht beweglicher, lustiger Geselle mit viel krausen<br />

Schnurren im leichtsinnigen Kopf, und der Teufel hatte am vielfältigen Possenspiel seines behänden<br />

Freundes die helle Freude. Da gingen dereinstmals der Wind und sein höllischer Kumpan<br />

in schönster Eintracht vom Dorf herein gegen das Fuggerhaus. Wie die beiden Freunde zum<br />

Grafenbogen kamen, der das Haus der Grafen Enzenberg mit der Pfarrkirche „Zu Unserer lieben<br />

Frau“ verbindet, fiel dem Teufel eine wichtige Besorgung ein, er entschlüpfte hastig in das Palais<br />

und hieß den Wind unterm Bogen warten. Der Teufel vergaß im Eifer seiner satanischen Geschäfte<br />

völlig auf den wartenden Freund, er geriet in die Gaststube des Grafenecks. Dort spielte<br />

gerade eine Watterrunde, der Teufel witterte erfreut eine günstige Gelegenheit und schwang<br />

sich auf den Ofen. Die edle Runde war in einem hitzigen Streit verwickelt, denn Gotteswort und<br />

Watterstreit dauern fort in Ewigkeit, und spürte nicht den höllischen Odem, der vom grünen<br />

Kachelofen herunterfauchte. Der Teufel hatte seinen Freund, den Wind, ganz und gar vergessen.<br />

Doch der Streit war ihm zu lang und die Aussicht auf einen fetten Brocken zu ungewiss; er fuhr<br />

wütend durch den Kamin aus dem Haus und geradewegs in den höllischen Pfuhl. Das war nicht<br />

schön von ihm. Der Wind wartete geduldig auf den vergesslichen Teufel, der ließ sich nicht mehr<br />

sehen. Das verdross zwar den getreuen Freund ein wenig, das Warten gab er aber nicht auf. Er<br />

wartete und wartete. Und er wartet heute noch immer. Noch immer wartet der leichfüßige Wind<br />

auf den Teufel, der ihn so schnöd verlassen hat, und wandelt wie eine pflichtgetreue Schildwache<br />

unterm Grafenbogen hin und her. Wenn du durch diesen Bogen gehst, dann begegnest du<br />

in diesem alten <strong>Schwaz</strong>er Winkel todsicher zu jeder Tageszeit dem Wind, der seit alten Zeiten<br />

unablässig hin und her wandert und auf den ungetreuen Freund wartet.<br />

(aus: Sagen aus <strong>Schwaz</strong>, ausgewählt und erzählt von Ludwig Knapp, <strong>Schwaz</strong> 2004)<br />

KLANGSPUREN WELTWEIT UNTERWEGS<br />

15.9. Eröffnung TRANSART · Eintritt für <strong>Klangspuren</strong> Generalpassbesitzer frei<br />

30.9. Konzert THE NEXT STEP und DJ Spooky · Festival TRANSART in Kastelbell/Südtirol<br />

10.10. - 16.10. Lettland und Litauen Tournee mit Windkraft · Arena und Gaida Festival<br />

Abflug 10.10. Rückkehr 16.10.<br />

5.11. Symposion 7 Stunden Wein und Musik · Weingut Alois Lageder<br />

August 2006 Wir fahren auch wieder nach Gstaad zum Menuhin Festival<br />

Buchung und Information: <strong>Klangspuren</strong> T +43 5242 73582


<strong>klangspuren</strong> 05<br />

9/9/05-25/9/05 schwaz/tirol<br />

www.<strong>klangspuren</strong>.at<br />

main sponsor: swarovski kristallwelten<br />

FESTIVALPROGRAMM<br />

fr 9.9. · Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />

20.00 TIROLER SYMPHONIEORCHESTER INNSBRUCK · BLÄSERENSEMBLE DER<br />

SWAROVSKI MUSIK WATTENS · JAZZORCHESTER TIROL · DIRIGENTEN · OLARI ELTS ·<br />

FRANZ SCHIEFERER · CELLO · LUCAS FELS · GITARRE · RIHO SIBUL · Tadeusz Wielecki<br />

· Schwärme · UA · G.F.Haas · Konzert für Violoncello und Orchester (2004) · ÖE · Witold<br />

Lutoslawski · Fanfaren I, II, III · Erkki-Sven Tüür · Sinfonie Nr. 5<br />

sa 10.9. · Ausstellungseröffnung der Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />

18.30 VERNISSAGE · ERÖFFNUNGSAUSSTELLUNG „NEUE FREUNDE“ Ulla von Brandenburg<br />

· Anna Jermolaewa · Gelatin · Markus Schinwald · Nicoletta Stalder · Andreas Slominski<br />

· Charly Tweed · Dauer der Ausstellung: 10.9.-29.10.05 · Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong> ·<br />

Palais Enzenberg · Franz-Josef-Straße 27 · A-6130 <strong>Schwaz</strong> · Tel +43-(0)5242-73983 ·<br />

www.galeriestadtschwaz.at · Öffnungszeiten: Mi 10 bis 19 Uhr, Dr/Fr 13 bis 19 Uhr,<br />

Sa 10 bis 13 Uhr<br />

sa 10.9. · Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />

20.00 WINDKRAFT – KAPELLE FÜR NEUE MUSIK · DIRIGENT · KASPER DE ROO · SAXO-<br />

PHON · MARCUS WEISS · SWAROVSKI MUSIK WATTENS · Johannes Maria Staud ·<br />

Violent Incidents (Hommage à Bruce Nauman) UA · Edgar Varese · 0ctandre · Christof<br />

Dienz · Mob · Concertino für Bläserensemble und Blaskapelle · UA · Iannis Xenakis ·<br />

Akrata · Ewa Trebacz · Ephemere · UA<br />

so 11.9. · Autohaus Picker · <strong>Schwaz</strong><br />

11.00 TADEUSZ WIELECKI · JOANNA WOZNY · REINHARD SCHULZ · GESPRÄCH · GITARREN<br />

MICHAEL UND MARTIN ÖTTL · GUNTER SCHNEIDER · SCHLAGWERK · THE NEXT<br />

STEP · Joanna Wozny · Zum unberührten Schnee im fahlen Mondlicht für vier Schlagzeuger<br />

· Thomas Amann · Atti‘s Finger · UA · Joanna Wozny · UA · Beat Furrer · ...y a una<br />

canción desesperada für drei Gitarren · Witold Lutoslawski · Bukoliki bearbeitet für Gitarre<br />

· Haimo Wisser · Karikatüden<br />

so 11.9. · Aula SoWi · Innsbruck<br />

19.30 GUNTER SCHNEIDER HÖRT HELMUT LACHENMANN<br />

20.00 ENSEMBLE MODERN · DIRIGENT · BRAD LUBMANN · BRATSCHE · WERNER DICKEL ·<br />

HELMUT LACHENMANN ZUM 70. GEBURTSTAG · Helmut Lachenmann · Mouvement<br />

· Luigi Nono · Canti per 13 · Bernhard Gander · Die Orpheus-Akte · Doppelkonzert für<br />

Klavier und Bratsche · UA · Helmut Lachenmann · Concertini · ÖE<br />

mo 12.9. · Mariensaal Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong><br />

20.00 HELMUT LACHENMANN · ROLAND DIRY · GESPRÄCH · GITARREN · BARBARA<br />

ROMEN · GUNTER SCHNEIDER · Helmut Lachenmann · Salut für Caudwell für zwei<br />

Gitarristen<br />

di 13.9. · Wirtschaftskammer · <strong>Schwaz</strong><br />

20.00 ABSCHLUSSKONZERT INTERNATIONALE ENSEMBLE MODERN AKADEMIE · Helmut<br />

Lachenmann · Programm auf Ansage<br />

mi 14.9. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />

20.00 PIERRE-LAURENT AIMARD · TAMARA STEFANOVICH · KLAVIER · ZUM 80. GEBURTS-<br />

TAG VON PIERRE BOULEZ · DAS KLAVIERWERK · Structures IIa pour deux pianos ·<br />

Douze Notations, 1945 · First Sonata, 1946 · Second Sonata, 1948 · Third Sonata, 1955-<br />

1957 · Incises, 1994<br />

fr 16.9. · Treibhaus · Innsbruck<br />

21.00 45 LEHRLINGE · THE NEXT STEP · DJ WAZ EXP · ALEX MAYER · Dinkhauser Remixed ·<br />

MPREIS Remixed · Swarovski Remixed · Tyrolit Remixed · CD-Präsentation · In Zusammenarbeit<br />

mit KulturKontakt Austria<br />

22.00 MARTIN PHILADELPHY UND FREUNDE · Karl Ritter · Burkhard Stangl · Martin<br />

Siewert · Christof Dienz · Didier Hampl · Lukas Ligeti · PAINT · Eine Alte Dame Geht Heute<br />

Ein · In Zusammenarbeit mit Sprachsalz Hall<br />

sa 17.9. · Das Hotel – Salzlager · Hall<br />

18.00 WOLFGANG MITTERER · PRÄPARIERTES KLAVIER UND ELECTRONICS · BARITON ·<br />

GEORG NIGL · Wolfgang Mitterer · Improvisation über „langsam mahlen“ · Wolfgang<br />

Mitterer · Liederzyklus „Im Sturm“ · In Zusammenarbeit mit Sprachsalz Hall u. Landesausstellung<br />

05<br />

so 18.9. · Feuerwerk Binderholz · Fügen · ACHTUNG ORTSÄNDERUNG!<br />

19.30 LESUNG · AMANDA AIZPURIETE · In Zusammenarbeit mit dem Literaturforum <strong>Schwaz</strong><br />

20.45 NEUE VOCALSOLISTEN STUTTGART · Andreas Dohmen · Portraits und Wiederholung ·<br />

Georg Friedrich Haas · 3 Liebesgedichte nach Texten von August Stramm · UA · Gerhard<br />

E. Winkler · Meduse I · UA · Fredrik Zeller · Lautverschiebung · Bert Breit · all mein lieb ·<br />

Bert Breit · bittrer winter · Bert Breit · Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöret<br />

di 20.9. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />

20.15 GUITAR UNLIMITED · GITARREN · GUNTER SCHNEIDER · MAGNUS ANDERSSON ·<br />

WERNER RADITSCHNIG · BURKHARD STANGL · FLORIAN KMET · TETUZI AKIYAMA ·<br />

I. Installation · II. Konzert · Brian Ferneyhough · Kurze Schatten II · Tetuzi Akiyama · Time<br />

Between · Burkhard Stangl · Writing · Florian Kmet · Die schwebende Jungfrau · Werner<br />

Raditschnig · Kanonak · III. Improvisation<br />

mi 21.9. · Kirche St. Martin · <strong>Schwaz</strong><br />

19.30 GEORG FRIEDRICH HAAS HÖRT LUIGI NONO<br />

20.00 ARDITTI QUARTET · Luigi Nono · Fragmente – Stille, an Diotima · Georg Friedrich Haas ·<br />

2. Streichquartett · Helmut Lachenmann · Streichquartett Nr. 3 – Grido<br />

do 22.9. · ADLER-Forum · ADLER-Werk Lackfabrik · <strong>Schwaz</strong><br />

19.30 LESUNG · ANDRZEJ STASIUK · CELLO · ANDRZEJ BAUER · SCHLAGWERK · THE NEXT<br />

STEP · Ewa Trebacz · Spinning Zone for percussion trio and computer realized sound ·<br />

Cezary Duchnowski · The Beard On The Cello, Peakam~ & Samples · UA · Michal Talma-<br />

Sutt · Cellotronicum · In Zusammenarbeit mit dem Literaturforum <strong>Schwaz</strong><br />

fr 23.9. · Aula SoWi · Innsbruck<br />

20.00 RIGAS KAMERMUZIKI · DIRIGENT · NORMUNDS SNE · GITARRE · TERJE RYPDAL ·<br />

Gundega Smite · Yellow-Red-Blue · UA · Eriks Esenvalds · Frontiers of the Time · Michal<br />

Talma-Sutt · Strings‘O‘tronic· UA · Terje Rypdal · Escalator – Lux Aeterna · Terje Rypdal ·<br />

Horizon · Terje Rypdal · Whenever I seem to be far away<br />

sa 24.9. · Alte Pfarrkirche hl. Laurentius · Wattens<br />

20.00 ENSEMBLE RECHERCHE · SÄNGER · DEJAN TRKULJA · Georg Friedrich Haas · tria ex<br />

uno · Peter Jakober · Für 8 MusikerInnen · UA · Slobodan Kajkut · 10 Min. für 2000 Euro ·<br />

UA · Christian F. Schiller · un · UA · Georg Friedrich Haas · Nach-Ruf ... entgleitend ...<br />

so 25.9. · Haus der Völker · Kirche St. Martin · <strong>Schwaz</strong><br />

19.30 GEORG FRIEDRICH HAAS · RAOUL SCHROTT · GESPRÄCH<br />

20.30 LETTISCHER RADIO-CHOR · QUINTETT RIGAS KAMERMUZIKI · SCHLAGWERK · THE<br />

NEXT STEP · DIRIGENT · KASPARS PUTNINS · BASSTUBA · TOM WALSH · Helmut Lachenmann<br />

· Consolation II für Chor · Andris Dzenitis · Four Madrigals by E.E. Cummings<br />

· Eriks Esenvalds · Legende de la Femme Enmuree · UA · G.F. Haas · Blumenstück für<br />

Chor, Streichquintett und Basstuba · Maija Einfelde · At the Edge of the Earth · Helmut<br />

Lachenmann · Consolation I für Chor und vier Schlagzeuger<br />

ZUGABE<br />

fr 9.9. · Foyer Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />

10.00 GENERALPROBENBESUCH beim <strong>Tirol</strong>er Symphonieorchester Innsbruck mit Reinhard<br />

Schulz · € 5,00 (beim Kauf einer Eintrittskarte für das Abendkonzert ist der Generalprobenbesuch<br />

frei)<br />

sa 10.9. · Löwenhaus · Innsbruck<br />

14.00 GEFÜHRTE HÖRFLOSSFAHRT am Inn von Innsbruck nach <strong>Schwaz</strong> mit Karin Pegoraro<br />

und Manfred Föger (Technisches Büro für Biologie und Landschaftsökologie) · Dauer ca.<br />

3,5 Stunden · € 26,00 (bei starkem Regen Ersatztermin) · anschließend gemeinsames<br />

Abendessen und Konzertbesuch von Windkraft <strong>Tirol</strong> · Rückfahrt mit Shuttlebus<br />

mo 12.9. · Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong><br />

18.00 SINNESWANDERUNG · Führung durch den Klostergarten, die Franziskanerkirche und<br />

den Friedhof mit Guardian Pater Florenz Graf · Führung durch den Kreuzgang mit Restaurator<br />

Wolfgang Götzinger · € 5,00<br />

sa 24.9. · Naturhotel Grafenast · Hochpillberg<br />

13.00 PILZWANDERUNG · AUF DEN SPUREN VON JOHN CAGE · mit Hansjörg Unterlechner und<br />

Reinhard Schulz · anschl. gemeinsames Zubereiten und Essen · € 7,00<br />

so 25.9. · Pfarrkirche Maria Himmelfahrt · <strong>Schwaz</strong><br />

15.00 HÖRSPAZIERGANG mit Bürgermeister Hans Lintner durch <strong>Schwaz</strong>er Keller und Dachböden<br />

· FÜHRUNG durch das Rabalderhaus mit Otto Larcher · € 5,00<br />

sa 5.11. · Casòn Hirschprunn · Weingut Alois Lageder · Margreid Südtirol<br />

17.00 SYMPOSION · EINE HOMMAGE AN PLATON · 7 STUNDEN WEIN UND MUSIK ·<br />

KLANGFORUM WIEN · DIRIGENT N.N. · EIN RAUSCH IN ACHT ABTEILUNGEN · Franco<br />

Donatoni · Arpege · György Kurtág · signs, games and messages · Michael Jarrell · Assonance<br />

III · Alain Poncart · Bläserquintett · Pierre Boulez · Dérive · Beat Furrer · Spur ·<br />

Alvin Lucier · Silver Streetcar · Iannis Xenakis · Psappha · Salvatore Sciarrino · Gesualdo<br />

– Bearbeitung 1 · Georg Friedrich Haas · Nach-Ruf...ent-gleitend... · Salvatore Sciarrino ·<br />

Gesualdo – Bearbeitung 2 · György Ligeti · 10 Stücke für Bläserquintett · Bernhard Gander<br />

· Neues Werk · Peter Ablinger · Membrane · Terry Riley · In C · € 70,00 · In Zusammenarbeit<br />

mit Transart<br />

KLANGSPUREN BARFUSS · KINDERPROGRAMM<br />

sa 3.9. · Rabalderhaus · <strong>Schwaz</strong><br />

16.00 DIE WELT DER FARBEN mit Helmut Dirnaichner · 6-10 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

fr 9.9 · Ort und Uhrzeit werden noch bekannt gegeben<br />

PROBENBESUCH bei Windkraft <strong>Tirol</strong> · ab 8 Jahre · Dauer ca. 30 Minuten · Eintritt frei<br />

fr 16.9. · ORF <strong>Tirol</strong> kulturhaus · Innsbruck<br />

17.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />

Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

sa 17.9. · ErlebnisSennerei Zillertal · Mayrhofen<br />

16.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />

Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

sa 17.9. · Kulturlabor Stromboli · Hall<br />

16.00 Max Vandervorst · SYMPHONIE FÜR WEGGEWORFENE DINGE · ab 8 Jahre · Dauer<br />

ca. 1 Stunde · € 2,00 · In Zusammenarbeit mit dem Kulturlabor Stromboli und der Landesausstellung<br />

05<br />

so 18.9. · Wattens<br />

11.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />

Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

so 18.9. · ORF <strong>Tirol</strong> kulturhaus · Innsbruck<br />

17.00 BACKBEAT BOYS · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

fr 23.9. · Alte Pfarrkirche hl. Laurentius · Wattens<br />

15.00 PROBENBESUCH beim ensemble recherche · Dauer ca. 1 Stunde · Eintritt frei<br />

fr 21.10. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />

15.00 HÖRSPAZIERGANG · 6-12 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

fr 18.11. · Orgelbau Pirchner · Steinach am Brenner · Treffpunkt Pfarrkirche Mariahilf · Innsbruck<br />

14.00 Besuch beim ORGELBAUER PIRCHNER · mit Peter Waldner · ab 8 Jahre · Dauer<br />

ca. 3 Stunden · € 5,00 (inkl. Busfahrt)<br />

mo 28.11. · <strong>Klangspuren</strong>-Büro · <strong>Schwaz</strong><br />

15.00 HÖRNACHMITTAG · ab 5 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />

fr 16.12. · AUT. architektur und tirol im Adambräu · Innsbruck<br />

15.00 MIT ALLEN SINNEN DURCHS ADAMBRÄU · ab 6 Jahre · Dauer ca. 1,5 Stunden · € 3,00 ·<br />

In Zusammenarbeit mit AUT. architektur und tirol

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