klangspuren zeitung sept05 - Klangspuren Schwaz Tirol
klangspuren zeitung sept05 - Klangspuren Schwaz Tirol
klangspuren zeitung sept05 - Klangspuren Schwaz Tirol
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spuren<br />
<strong>zeitung</strong> für zeitgenossInnen<br />
September 05 · 2. Ausgabe · <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> · www.<strong>klangspuren</strong>.at · tel +43 5242 73582<br />
WIR ÜBER ANDERE UND UNS Seite 2<br />
URAUFFÜHRUNG VON RITUAL IN GALTÜR Carsten Fastner · Seite 3<br />
DIE GITARRE IN DER NEUEN MUSIK Gunter Schneider · Seite 4, 5<br />
OUR WORK HIS GLORY Barbara Hundegger · Seite 6, 7<br />
NOCH NEBELSPUREN Julia Wallnöfer · Seite 8<br />
LANDESAUSSTELLUNG 05 Nina Schedlmayer · Seite 9<br />
NACHBARSPUREN Karin Pernegger, Michael M. Kasper · Seite 10<br />
SPURENFREUNDE Milena Miller · Seite 11<br />
CHOR UND ZEITGENÖSSISCHE MUSIK Reinhard Schulz · Seite 12<br />
SPUREN VON FEUER Hans Augustin · Seite 13<br />
TRANSART 05 Peter Paul Kainrath · Seite 14<br />
KLANGSPUREN ZUGABE Seite 15<br />
KLANGSPUREN PROGRAMM Seite 16
2<br />
SCHÖNWETTER spuren September 05<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER!<br />
„Hunger auf Kunst und Kultur?“, erscheint<br />
als Frage in satten Zeiten wie diesen deplatziert.<br />
Das Schauspielhaus Wien hat in<br />
Zusammenarbeit mit der österreichischen<br />
Armutskonferenz die Frage in eine gleichnamige<br />
Aktion verwandelt und dafür angesehene<br />
Partner wie das Klangforum Wien,<br />
das Tanzquartier Wien und das Museum<br />
Moderner Kunst Stiftung Ludwig gewonnen:<br />
Menschen, die sich Kultur zurzeit nicht<br />
leisten können, wie Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger<br />
und Flüchtlinge erhalten freien<br />
Zutritt zu Theater- und Konzertveranstaltungen<br />
sowie zu Museen. Ein Bravo dieser Initiative:<br />
die <strong>Klangspuren</strong> werden sich Ähnliches<br />
überlegen. Kunst und Kultur sind ein<br />
soziales Grundbedürfnis – das sollte öfters<br />
klar gesagt werden – und ist als Botschaft<br />
eigentlich interessanter als die zurzeit vielerorts<br />
zu lesenden Bestandsaufnahmen<br />
der zeitgenössischen klassischen Musik:<br />
die deutsche Kulturzeitschrift Der Merkur<br />
glaubt die Bedeutungslosigkeit der zeitgenössischen<br />
Musik feststellen zu müssen,<br />
die Tagespresse sieht im Verdi-Spektakel<br />
der Salzburger Festspiele den letzten Rettungsanker<br />
einer dahinsiechenden Schallplattenindustrie,<br />
die ihre Umsatzmaßstäbe<br />
oft aus der Popbranche nimmt. Jenseits<br />
dieses Geplänkels sieht die Realität zum<br />
Glück viel versprechender aus: das Lucerne<br />
Festival erweitert sein Engagement für<br />
Neue Musik, das Ensemble Modern baut<br />
weiter am Akademiemodell als Vermittler<br />
neuer Spieltechniken samt Musikverständnis,<br />
kleine Labels halten sich mit einem<br />
intelligenten Nischenprogramm immer<br />
noch wacker am Markt, selbstverwaltete<br />
Ensembles wie die Neuen Vocalsolisten<br />
Stuttgart eilen von Erfolg zu Erfolg – um nur<br />
einige Beispiele zu nennen. Die Szene Neuer<br />
Musik ist reich an Inhalten, innovativen<br />
Strategien und intelligenten Initiativen.<br />
Aus der Sicht der <strong>Klangspuren</strong> ist der neue<br />
europäische Osten besonders interessant:<br />
der Lettische Radio-Chor, das Ensemble<br />
Rigas Kamermuziki, der polnische Cellist<br />
Andrzej Bauer, der künstlerische Leiter des<br />
Warschauer Herbstes und Komponist Tadeusz<br />
Wielecki, die junge polnische Komponistin<br />
Joanna Wozny sowie ihr Landsleute<br />
Michael Talma-Sutt, Ewa Trebacz, Cezary<br />
Duchnowski und die lettischen Komponisten<br />
Gundega Smite, Eriks Esenvalds,<br />
Andris Dzenitis, Maija Einfelde – alle sind<br />
sie bei den diesjährigen <strong>Klangspuren</strong> im<br />
Rahmen eines polnisch-lettischen Länderschwerpunktes<br />
zu hören. Das sind europäische<br />
Realitäten, die jahrzehntelang eigene<br />
Wege gehen mussten und jetzt aus dieser<br />
Epochenüberschreitung durch den Beitritt<br />
zur EU ein ganz eigenes Kapitel eröffnen<br />
werden.<br />
Vom Abenteuer der Neuen Musik ist gerne<br />
die Rede – bei den <strong>Klangspuren</strong> ereignet<br />
sich dieses Abenteuer.<br />
Das Team der <strong>Klangspuren</strong><br />
Alpensinfonie<br />
Über eine Woche lang probte das Ensemble<br />
Modern Orchestra mit 135 Musikern in<br />
<strong>Schwaz</strong> für ein Konzert im Rahmen des<br />
Lucerne Festivals. Als Dankeschön an die<br />
<strong>Klangspuren</strong> gab das EMO ein Abschlussprobenkonzert<br />
in der Binder Lagerhalle Jenbach<br />
- siehe auch Artikel Seite 13.<br />
Backbeat Boys<br />
Bei der Eröffnung der Langen Nacht der Musik<br />
am 18. Juni im Wiener Museumsquartier<br />
lockten die Backbeat Boys an die 500 kleine<br />
& große Menschen an, die sich von ihren<br />
Percussion-Klängen begeistern ließen.<br />
Lehrlinge<br />
Viel Applaus ernteten die Lehrlinge der Firma<br />
MPREIS für ihren Auftritt bei der Galanacht<br />
der Lehrlinge am 2. Juni in den Raiffeisensälen<br />
Innsbruck. Gemeinsam mit Stefan Schwarzenberger<br />
und Andreas Schiffer von The Next<br />
Step gaben sie ein Stück für Bananenschachteln<br />
und Fliegenklatschen sowie einen feurigen<br />
Samba, gespielt mit Lebensmitteln und<br />
traditionellen brasilianischen Instrumenten,<br />
zum Besten.<br />
Architekturfahrt<br />
„Der Weg ist das Ziel“ lautete das Motto der<br />
Architekturfahrt, die am 3. Juli von Innsbruck<br />
nach Galtür führte, und auf der gemeinsam mit<br />
Arno Ritter (von aut. architektur und tirol) architektonische<br />
Juwelen im <strong>Tirol</strong>er Oberland – wie<br />
die Pitzenklammbrücke oder die Trisanna- und<br />
Rosanna-Brücken – entdeckt, erklettert und<br />
besichtigt wurden.<br />
Unendlich Schade<br />
20 Generalpassbesitzer haben die Gelegenheit<br />
genutzt zum Menuhin Festival<br />
nach Gstaad in die Schweiz zu fahren. Der<br />
Ausflug war so schön, dass wir vergessen<br />
haben zu fotografieren.<br />
KLANGSPUREN ON AIR<br />
An jedem dritten Dienstag im Monat berichten die <strong>Klangspuren</strong> aus der Welt der neuen Musik:<br />
auf Freirad, 105.9MH. Die nächsten Termine sind 20.9., 18.10., 15.11. und 20.12, jeweils von<br />
11.00-12.00. Das Freie Radio Innsbruck – FREIRAD 105.9MHz fördert die freie Meinungsäußerung,<br />
ist werbefrei, nichtkommerziell und auf Gemeinnützigkeit ausgerichtet. FREIRAD steht<br />
allen Einzelpersonen und Gruppen offen, die das Medium Radio nutzen möchten, vor allem jenen<br />
die sonst schwer oder gar nicht die Öffentlichkeit erreichen. Programmschwerpunkte sind Kultur,<br />
Integration (Fremdsprachenradio) und Demokratiepolitik.<br />
Infos & Programm: www.freirad.at<br />
LÖSUNG DES spuren01 RÄTSELS<br />
In der letzten Ausgabe der „spuren“ fragten wir, welche versteckte <strong>Schwaz</strong>er Sehenswürdigkeit<br />
auf den Fotos auf Seite 16 zu sehen ist. Antwort: Der Dachstuhl der 1502 geweihten<br />
<strong>Schwaz</strong>er Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. Es ist der größte und einzige begehbare und sich<br />
im Originalzustand befindliche Dachstuhl dieser Art in ganz Österreich. Der Gewinner der<br />
Hörfloßfahrt am Inn von Innsbruck nach <strong>Schwaz</strong>, inklusive Abendessen und Konzertbesuch, ist<br />
Mario Maier aus <strong>Schwaz</strong><br />
DIALOGE<br />
Neue, gereinigte Hörerlebnisse, Dialoge zwischen Mozart, der zeitgenössischen Musik, Tanz<br />
und Literatur, zueinander in Beziehung gesetzt durch vier starke Lebensmotive, die Hörer,<br />
Künstler und Kunst unserer Zeit aufs Engste mit Mozart verbinden: das sind die „dialoge“, eine<br />
Veranstaltungsreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg im Mozart-Jahr 2006.<br />
Termine: „religion“ (1. bis 4.12.05), „spiel“ (29.3. bis 2.4.06), „liebe“ (17. bis 21.5.06), „tod“<br />
(1. bisd 5.12.06). Nähere Infos unter www.mozarteum.at, Tel. 0043-662-87 31 54.<br />
CD-TIPPS<br />
Helmut Lachenmann<br />
Mouvement (– vor der Erstarrung); Consolation<br />
II. Klangforum Wien, Hans Zender; SCHO-<br />
LA HEIDELBERG; Walter Nußbaum.<br />
(KAIROS 0012202KAI)<br />
Eine der faszinierendsten Lachenmann-CDs!<br />
„Mouvement“ mit dem exorbitanten Klangforum<br />
Wien erklingt genau in dem Spannungsfeld<br />
zwischen manischer Rhythmik und Leerlauf, in<br />
dem es kompositorisch konzipiert wurde.<br />
Luigi Nono<br />
Streichquartett „Fragmente – Stille, An Diotima“.<br />
Pellegrini Quartett. (BVHAAST CD 9507)<br />
Die Referenzaufnahme dieses Stücks ist<br />
immer noch die Einspielung mit dem LaSalle-Quartett,<br />
mit dem Nono die Uraufführung<br />
wochenlang einstudierte. Inzwischen haben<br />
viele Quartettbesetzungen dieses Stück im<br />
Repertoire. Es ist eine ausgesprochen filigrane,<br />
zerbrechliche und zugleich intensive Quartettkomposition<br />
an der Grenze zwischen Stille<br />
und leiser, tief blickender Regung.<br />
Luigi Nono<br />
Canti per 13. Ensemble UntitledBerlin, Peter<br />
Hirsch. (Wergo WER 6631-2)<br />
Luigi Nono hat sich musikalisch immer am Gesang<br />
orientiert. Die frühe Komposition „Canti<br />
per 13“ von 1955 ist ein streng serielles Stück<br />
mit punktuellen Strukturen (die Instrumente<br />
spielen einen Ton und geben dann die Linie an<br />
andere weiter). Dennoch wächst der Eindruck<br />
kontinuierlichen Singens empor.<br />
Georg Friedrich Haas<br />
Streichquartett Nr. 2. Kairos Quartett. (edition<br />
zeitklang ez-19017)<br />
Der österreichische Komponist Georg Friedrich<br />
Haas arbeitet intensiv mit mikrotonalen<br />
Strukturen in denen der Klang subtil aus<br />
Obertonstrukturen zusammengesetzt wird.<br />
Es gelingt ihm hierbei eine klangliche Sogkraft<br />
zu entwickeln, in die der Hörer unwillkürlich<br />
hineingezogen wird.<br />
Georg Friedrich Haas<br />
natures mortes. SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden<br />
und Freiburg, Sylvain Cambreling.<br />
(col legno WWE 2CD 20230)<br />
In diesem Orchesterwerk von 2003 kombiniert<br />
Haas über weite Strecken differenzierte<br />
spektrale Strukturen mit gleichförmigen rhythmischen<br />
Rastern, die an Maltechniken etwa<br />
eines Roy Lichtenstein denken lassen.<br />
Pierre Boulez<br />
Klaviersonaten 1-3. a. Idil Biret. (Naxos 8.553353)<br />
b. Paavali Jumppainen. (DG 00289 477 5328)<br />
Die drei Klaviersonaten von Pierre Boulez<br />
(1946, 1947-48, 1955-57) sind schon ins<br />
Repertoire einiger Pianisten eingegangen.<br />
Vergleiche sind möglich, etwa zwischen der<br />
nervig gespannten Aufnahme der weit unterschätzten<br />
türkischen Pianistin Idil Biret, die<br />
1995 entstand, mit der von Paavali Jumppainen<br />
von 2005, in der mehr Wert auf klangliche<br />
Delikatesse gelegt wird.<br />
Andreas Dohmen<br />
Portraits und Wiederholung. Neue Vocalsolisten<br />
Stuttgart, Manfred Schreier. (col legno<br />
WWE 1CD 20031)<br />
Spannende Arbeit mit neuen Vokaltechniken<br />
und elektronischen Verzerrungen, durch die<br />
die Stimmen unkenntlich oder teilweise unkenntlich<br />
werden.<br />
Terje Rypdal<br />
Lux aeterna (3. Satz: Escalator). Terje Rypdal<br />
und andere. (ECM 1818)<br />
Musikalischer Schönklang eines Musikers, der<br />
zwischen Jazz, Pop und Avantgarde wandelt<br />
und Crossover als die Ineinander sinnlich<br />
magischer Berührungspunkte aus den unterschiedlichsten<br />
Quellen versteht.<br />
Franui<br />
Ende vom Lied. 2 CDs, Circus Prod, 575 151<br />
(SunnyMoon) FAZ Bestenliste der Schallplattenkritik<br />
Hörproben: Am 8.9 findet um 19.00 Uhr im arcustik – Musik am<br />
Domplatz 3 6020 Innsbruck, T 0512/583586, info@arcustik.at<br />
eine Einführung in das Festivalprogramm der <strong>Klangspuren</strong> durch<br />
Reinhard Schulz statt – CDs dort erhältlich<br />
Herausgeber <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> · <strong>Klangspuren</strong>gasse 1/Ullreichstraße 8a · A 6130 <strong>Schwaz</strong> · Austria · T +43 5242 73582 · F +43 5242 73582-20 · info@<strong>klangspuren</strong>.at · www.<strong>klangspuren</strong>.at · DVR 0096016 · Redaktion Maria-Luise Mayr ·<br />
Anita Moser · Reinhard Schulz · Peter Paul Kainrath · Grafik Lilly Moser · Irene Daz · büro54 · office@buero54.at · www.buero54.at · Fotos ohne Bildunterschrift: <strong>Klangspuren</strong> oder privat · Druck Salzburger Druckerei<br />
Wir bitten im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit um Verständnis, dass auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet wird. Selbstverständlich sind Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen.
September 05<br />
MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND Carsten<br />
Auf dem Flachdach des neuen Themenmuseums<br />
Alpinarium Galtür spielen Stefan<br />
Schwarzenberger und Andreas Schiffer mit<br />
ihren Walkie-Talkies und blödeln in der Pose<br />
des lässigen Funkers. Die beiden Schlagzeuger<br />
vom Percussion-Ensemble The Next<br />
Step haben ausgezeichnete Laune – und ein<br />
Problem: Am nächsten Tag sollen sie für eine<br />
große Freiluftmusik gemeinsam mit zehn Kollegen<br />
aus zweieinhalb Kilometern Entfernung<br />
einen Feldweg entlang in Richtung Alpinarium<br />
marschieren und dabei ihre großen Trommeln<br />
schlagen. Und zwar im Takt. Der wiederum<br />
soll ihnen vom Alpinarium aus als so genannte<br />
Klickspur über Funk zugespielt werden – doch<br />
die gerade erst gelieferten Funkgeräte schalten<br />
sich alle sechzig Sekunden automatisch<br />
ab. Und das ist nicht das einzige technische<br />
Problem, das bei dieser Probe für die Uraufführung<br />
von Georg Friedrich Haas’ „Ritual“ in<br />
Galtür irgendwie gelöst wird.<br />
Am Tag darauf, exakt um 17 Uhr 56 Minuten<br />
und 54 Sekunden, heben auf dem Südhang<br />
des Grießkogel über Galtür die ersten Töne<br />
der Freiluftmusik an, und Schlag neunzehn<br />
Uhr ist klar, dass die Uraufführung dieser in<br />
vielerlei Hinsicht beachtlichen Komposition<br />
gelungen ist. Da sind „Steinadler eins“ und<br />
„Steinadler zwei“ und die anderen Trommler<br />
ganz im Takt auf ihrem Feldweg vor dem<br />
Alpinarium angekommen; da haben sich drei<br />
Blaskapellen mit insgesamt 180 Musikerinnen<br />
und Musikern unter der Regie von vier Haupt-<br />
und 18 Subdirigenten wie geplant kreuz und<br />
quer über den Hang bewegt, unterstützt von<br />
Dutzenden Technikern, Signalgebern, Stoppuhrbetreibern,<br />
beobachtet und belauscht<br />
von über tausend Besuchern. Pünktlich um<br />
neunzehn Uhr haben die Glocken der östlich<br />
gelegenen Pfarrkirche Mariä Geburt den letzten<br />
Abschnitt der Komposition eingeläutet;<br />
sogar der Westwind hat mitgespielt und ist<br />
ein wenig abgeflaut, so dass das finale Geläut<br />
nicht verweht wurde, sondern dem Publikum<br />
auf der Wiese hinter dem Alpinarium deutlich<br />
vernehmbar blieb.<br />
Nur eine Durchlauf- und eine Generalprobe<br />
standen für dieses ungewöhnliche Konzert zur<br />
Verfügung; zuvor hatten sich alle beteiligten<br />
Ensembles über Wochen in eigenen Proben<br />
vorbereitet: die Stadtmusik Landeck-Perjen<br />
mit ihrem Leiter Hermann Delago, die Swarovski<br />
Musik Wattens mit Franz Schieferer,<br />
die Militärmusik Vorarlberg unter Major Karl<br />
Gamper, der anschließend die Gesamtleitung<br />
des musikalischen Großmanövers übernahm.<br />
Eine enorme Leistung der beiden Laienkapellen,<br />
aber auch der Profis vom Bundesheer.<br />
Denn Haas’ filigrane Musik verlangt höchste<br />
Akribie und Gewissenhaftigkeit, schon im<br />
Konzertsaal, erst Recht aber auf nicht nur<br />
akustisch schwierigem Terrain. Vor allem die<br />
sinnlichen Phänomene des Klangs interessieren<br />
den 53-jährigen Komponisten, der international<br />
lange schon als einer der wichtigsten<br />
Vertreter der österreichischen Musikszene<br />
geschätzt wird. Haas experimentiert mit mikrotonalen<br />
Stimmsystemen, mit halb- und vierteltönig<br />
temperierten Skalen, mit Flageoletts und<br />
Obertonreihen, aus denen er von expressiven<br />
Melodien durchwirkte schwebende, schwirrende<br />
Klangflächen gestaltet, feingliedrige,<br />
mal abgedunkelte, mal leuchtend erhellte<br />
Klangstrukturen, die sich aneinander reiben<br />
und in sich drehen, sich kaum merklich<br />
tastend verändern in sanft gleitenden Übergängen.<br />
Klangliche Irritationen, irreal wirkende<br />
Klangsphären einer schillernden Zwischenwelt.<br />
Präzisionsarbeit für die Interpreten.<br />
Für die <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong> hat Georg F.<br />
Haas seine musikalischen Konzepte aus dem<br />
Konzertsaal in die freie Natur übertragen.<br />
„Ritual“ ist Musik, die durch die Landschaft<br />
konturiert wird und selbst die Landschaft<br />
belebt, die sich mit ihrer Umgebung symbiotisch<br />
vereinigt. Und die mit der veränderten<br />
Wahrnehmung von Klängen aus ungewohnter<br />
Ferne spielt. Denn die im Konzertsaal gültigen<br />
Gesetze des Raums sind im offenen Gelände<br />
außer Kraft, die Zeit ist kein fester Parameter<br />
mehr: 330 Meter legt der Schall in einer<br />
Sekunde zurück, und Haas hat die Musiker<br />
in einem Areal von zweieinhalb Kilometern<br />
Fastner<br />
DIE URAUFFÜHRUNG EINER FREILUFTMUSIK VON GEORG FRIEDRICH HAAS IN GALTÜR<br />
WAR „RITUAL“ UND REFLEXION ZUGLEICH.<br />
Fotos Dave Bullock<br />
„STEINADLER EINS AN STEINADLER ZWEI, BITTE KOMMEN!“<br />
Ausdehnung verteilt. Dass die Zeit so ihre<br />
Objektivität verliert, wird am besten deutlich<br />
anhand der zwölf Schlagwerker: Sie sind auf<br />
ihrem Weg zum Alpinarium anfangs über<br />
eine Strecke von 1400 Metern aufgestellt,<br />
und wenn sie, geleitet von der Klickspur via<br />
Funk, gleichzeitig auf ihre Trommeln schlagen,<br />
dann haben die Schallwellen dieser Schläge<br />
unterschiedlich lange Wege zu den Ohren<br />
des Publikums. Ein Schlag nach dem anderen<br />
treffen sie ein.<br />
Topografie, Windrichtung, Schallgeschwindigkeit<br />
und Echo: Alles hat Haas bei der Komposition<br />
von „Ritual“ berücksichtigt. In einer<br />
fast hundertseitigen Partitur (Universal Edition<br />
Wien) hat er nicht nur seine Musik notiert,<br />
sondern auch eine ausgeklügelte Choreografie,<br />
nach der er die Musiker über den Hang<br />
des Grießkogel leitet: Aus der diffusen Klangverteilung<br />
der Anfangsaufstellung in einzelnen<br />
Instrumentengruppen formiert er die Interpreten<br />
immer wieder neu, lässt Klangflächen von<br />
hier nach dort tragen, Schallmauern errichten<br />
und wieder zusammenbrechen, Melodien<br />
mal von links, mal von rechts herüberwehen;<br />
unter dem strengen Rhythmus eines Marschfragmentes<br />
führt er die Musiker schließlich in<br />
ihren eigenen Ensembles zusammen; zuletzt<br />
gehen, unter dem Geläut der Galtürer Kirche,<br />
alle getrennter Wege ab.<br />
In einem Publikumsgespräch am Abend vor<br />
der Uraufführung erläuterte Haas ausführlich<br />
seine musikalischen Vorstellungen und Techniken,<br />
gab Einblick in die logistischen und technischen<br />
Schwierigkeiten bei der Umsetzung.<br />
Aber er nahm auch außermusikalisch Bezug<br />
zum konkreten Ort seiner Musik, erzählte,<br />
dass er, selbst in den Bergen aufgewachsen,<br />
von Kind an gelernt habe, „die Natur in ihrer<br />
Gewalt und in ihrer Schönheit zu fürchten und<br />
zu lieben“. Und er erzählt, sichtlich beeindruckt,<br />
eine Geschichte aus dem Vorarlberger<br />
Bergdorf Parthenen: Dort habe es eines Winters<br />
einmal nicht mehr aufgehört zu schneien.<br />
Der kleine Ort sei beinahe schon von der<br />
Außenwelt abgeschnitten gewesen, und dennoch<br />
habe niemand ernsthaft daran gedacht,<br />
Haus und Hof zu verlassen. Bis auf einmal<br />
ein alter Mann die Bewohner zusammenrief<br />
und bestimmte: „Jetzt gemma!“ Kurze Zeit<br />
später ging eine Lawine nieder und zerstörte<br />
das leere Dorf. Haas ist felsenfest davon überzeugt,<br />
dass dieser Mann die drohende Gefahr<br />
gespürt habe, er geht von einer Fähigkeit<br />
jenseits von Naturbeobachtung und Erfahrung<br />
aus: von einem Gefühl für die Natur, ähnlich<br />
dem Instinkt der Tiere, die Gefahren wittern.<br />
Und dieses Gefühl für die Natur, meint Haas,<br />
sei heute nicht nur in den urbanen Zentren,<br />
sondern auch in der tourismusorientierten<br />
Bergwelt verloren gegangen.<br />
Für ihn, betont Haas, sei auch das ein zentraler<br />
spuren ALPIN<br />
3<br />
Gedanke bei der Komposition von „Ritual“<br />
gewesen. Es ist ein bezeichnender Gedanke<br />
für den gesellschaftspolitisch hellwachen<br />
Komponisten, der mit seiner wahrnehmungsintensiven<br />
Musik doch auch Sphären des<br />
Unbewussten erreicht. Sein Stück ist gleichermaßen<br />
„Ritual“ und Reflexion – und das an<br />
besonderer Stelle: Die Musiker spielen mit<br />
dem Rücken zu jener Wand des Grießkogel,<br />
von der am 23. Februar 1999 eine gewaltige<br />
Lawine abging und 31 Menschenleben forderte.<br />
Die Außenmauer des Alpinariums ist<br />
Teil des neu errichteten Lawinenschutzwalls.<br />
An diesem Ort kann „Ritual“ gar nicht anders<br />
gehört werden denn als große Trauermusik.<br />
Deswegen belässt es Haas nicht bei<br />
einer Naturbeschwörung, deswegen fragt<br />
er zugleich nach der Verantwortung des<br />
Raubbau treibenden, Profit maximierenden<br />
Menschen für die Naturkatastrophe – nicht<br />
ohne einen entscheidenden Hinweis auf<br />
das wahre Verhältnis zwischen Mensch und<br />
Natur zu geben: Die geballten sonoren Kräfte<br />
dreier Blaskapellen und eines Dutzends<br />
Schlagwerker nämlich, sie verpuffen auf dieser<br />
Bühne zu vom Winde verwehten Klangschwaden.<br />
Gegen den Berg ist selbst mit<br />
militär-musikalischer Hilfe kein Ankommen.<br />
Carsten Fastner ist Kulturredakteur des<br />
„Falter“, Wien<br />
Mehr zur Entstehungsgeschichte von „Ritual“:<br />
www.<strong>klangspuren</strong>.at/fortsetzung.php
4 SCHWERPUNKT spuren September 05<br />
DIE GITARRE IN DER NEUEN MUSIK Gunter<br />
STREIFZÜGE UND MOMENTAUFNAHMEN<br />
Salut für Caudwell, Helmut Lachenmann<br />
Um 1900 galt die Gitarre den meisten<br />
Menschen in Mitteleuropa als großteils<br />
anspruchsloses volkstümliches Begleitinstrument.<br />
Das ganze 19. Jahrhundert<br />
hindurch hatten ernsthafte Komponisten,<br />
gewiss auch wegen der nur dem aktiven<br />
Ko-Tha, Giacinto Scelsi<br />
Spieler zugänglichen Handhabung, die Gitarre<br />
gemieden, sie höchstens zur Begleitung<br />
einfacher romantischer Lieder im Volkston<br />
(Beethoven, Schubert, Weber) oder zur<br />
koloristischen Einfärbung eines Ständchens<br />
in der Oper (Rossini) verwendet und sie<br />
Schneider<br />
im Übrigen den artistischen Darbietungen<br />
von Virtuosen wie Sor, Giuliani und Mertz<br />
überlassen.<br />
So blieb es dem Spanier Manuel de Falla<br />
vorbehalten, mit Homenaja 1920 das erste<br />
Gitarrenstück eines Komponisten von Rang<br />
zu schreiben, ein schlichtes, sehr subtil<br />
angelegtes Stück Musik über Musik, das<br />
ausgehend von Zitaten aus einem Klavierstück<br />
Debussys die Welt der kubanischspanischen<br />
Habanera mit herzzerreißender<br />
Klage um den Tod des verehrten Freundes<br />
verbindet und in impressionistischer Leichtigkeit<br />
zu einem versöhnlichen Schluss<br />
findet. Dabei wird die Gitarre als Inbegriff<br />
der spanischen Musik unterstützt durch die<br />
impressionistische Klangwelt der Quarten-<br />
und Quintenakkorde transzendiert zu einem<br />
neu zu entdeckenden Klangkörper, dessen<br />
sechs in Quarten und einer Terz gestimmte<br />
Saiten, als Grundklang weit in die Zukunft<br />
weist – über Turina, Britten, Scelsi bis hin zu<br />
Lachenmann und darüber hinaus.<br />
Mitte der 20er Jahre taucht die Gitarre<br />
unerwartet in der Musik der 2. Wiener<br />
Schule auf – zuerst freilich, ganz in der<br />
Tradition Mahlers, der sie zusammen mit<br />
der Mandoline so auch in der 2. Nachtmusik<br />
seiner 7. Sinfonie einsetzte, als Begleitinstrument<br />
zur Darstellung des Volkstümlichen,<br />
des – durchaus auch gebrochenen<br />
– Idylls, des Ständchens. So hört man in der<br />
Wirtshausszene im 2. Akt von Alban Bergs<br />
Wozzeck einige schräge Gitarrenakkorde.<br />
Schönberg gab der Gitarre ihren ersten großen<br />
Part in seiner Serenade op. 24 für sieben<br />
Instrumente und tiefe Männerstimme im<br />
Mittelsatz, einem der ersten zwölftönigen<br />
Stücke. Die Serenade ist ein zwischen Karikatur<br />
und Innigkeit changierendes Ständchen<br />
im Spannungsfeld von Schrammelmusik,<br />
Mahler und dem Pierrot lunaire. Auch Webern<br />
ging in seinen Liedern für hohe Stimme, Es-<br />
Klarinette und Gitarre über volkstümliche<br />
Texte von der populären Aura der Gitarre, entdeckte<br />
aber ihre subtile Klanglichkeit, die er<br />
auch in seinen aphoristisch-fragmentarischen<br />
Orchesterstücken nützte.<br />
Knapp 30 Jahre später, 1953/54, standen<br />
Schönbergs Serenade und Pierrot lunaire<br />
Pate bei der Konzeption von Le marteau<br />
sans maître von Pierre Boulez, einem<br />
Schlüsselwerk im Schaffen von Boulez und<br />
der Neuen Musik insgesamt. Hier, in einem<br />
Ensemble der dämmrigen, dunkel lodernden<br />
Farbigkeit der Altlagen – Altstimme, G-Flöte,<br />
Bratsche, Gitarre, Xylorimba, Vibraphon<br />
und Schlagzeug – wurde alles neu definiert<br />
oder zumindest gesucht, der Weg der Musik<br />
zwischen Serialität und freier Komposition<br />
sowie Semantik, Behandlung und Klang der<br />
Instrumente. Anklänge sind am ehesten an<br />
weit Enferntes zu hören, etwa Gamelanmusik<br />
oder, im Fall der Gitarre, an fernöstliche<br />
Saiteninstrumente, keine Rede von Volkstümlichkeit!<br />
Diese freilich, vor allem spanisch-südamerikanisch<br />
orientiert, bestimmte und bestimmt<br />
den mainstream der Gitarrenmusik von Villa-<br />
Lobos und Joaquin Turina über komponierende<br />
Gitarristen wie Barrios und Lauro bis hin<br />
zu Luciano Berios Hommage an den Flamenco<br />
Sequenza XI aus der einst neue und ungewohnte<br />
Spieltechniken auslotenden avantgardistische<br />
Serie von Instrumentalsoli.
September 05<br />
Kurze Schatten II, Brian Ferneyhoughs<br />
Daneben haben freilich auch Komponisten<br />
wie Frank Martin, Hans Werner<br />
Henze oder Benjamin Britten, die sich<br />
deutlich innerhalb einer fortzuführenden<br />
europäischen kunstmusikalischen Tradition<br />
verstanden, der Gitarre altes Terrain<br />
wieder erschlossen, oder, wie der europäisch<br />
ausgebildete Japaner Toru Takemitsu,<br />
ihr transkulturelle Beziehungen eröffnet.<br />
Brittens Nocturnal after John Dowland ist<br />
seit seiner Uraufführung 1964 durch Julian<br />
Bream ein zentrales Stück des neueren<br />
Gitarrenrepertoires. Martin hatte schon<br />
1933 die teils zwölftönigen, teils an die<br />
barocke Suitenpraxis anknüpfenden Quatre<br />
pièces brèves für Andres Segovia komponiert,<br />
die, von diesem aber wegen ihrer Modernität<br />
nicht gespielt, erst in den 50er Jahren bekannt<br />
wurden.<br />
Und Henze, der die Aura der Gitarre besonders<br />
schätzt, hat mit großem, auch<br />
virtuosem Einfühlungsvermögen eine<br />
Reihe von Werken für und mit Gitarre<br />
komponiert, von der Kammermusik 1958<br />
über die beiden großen Solosonaten nach<br />
Motiven von Shakespeare, Royal Winter<br />
Music, bis hin zum abendfüllenden Rezital<br />
El Cimarròn für Bariton, Flöte, Gitarre und<br />
Schlagzeug nach der Biografie des entlaufenen<br />
Sklaven Esteban Montejo aus der Zeit<br />
des kubanischen Freiheitskampfes gegen<br />
die Spanier. In diesem 1970/71 in Kuba<br />
komponierten Melodram hat der generell<br />
nonkonformistisch konservative Henze den<br />
Spagat zwischen kubanischer Folklore und<br />
Aleatorik, zwischen Dschungelsounds und<br />
erweiterten Spieltechniken geschafft, letzteres<br />
wohl unter einem gewissen Einfluss<br />
des kubanischen Gitarristen und Komponisten<br />
Leo Brouwer. Dieser wiederum, dessen<br />
Etüden Generationen von Gitarreschülern<br />
mit Begeisterung übten, hatte bis in die<br />
60er Jahre von der kubanischer Folklore<br />
bestimmte Musik geschrieben. In seinen<br />
Werken um 1970 wie La espiral eterna,<br />
Parabola, Tarantos oder Per suonare a due<br />
für zwei Gitarren, aber auch in seinen Orchesterwerken<br />
und Filmmusiken dieser Zeit<br />
suchte er die Auseinandersetzung mit der und<br />
den Anschluss an die europäische Avantgarde,<br />
ehe er sich später der Faszination minimalistischer<br />
Pattern und romantischer Klänge schubertscher<br />
Prägung zuwandte.<br />
In den 60er und 70er Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts entstand Musik, die<br />
allen Instrumenten und gerade auch der<br />
im Kontext des avancierten Komponierens<br />
neu entdeckten Gitarre eine Fülle<br />
unerhörter Spiel- und Klangmöglichkeiten<br />
eröffnete. Mauricio Kagel verwendete die<br />
Gitarre, sowohl als „spanische“ als auch<br />
als elektrische in Sonant 1960/...zusammen<br />
mit Harfe, Kontrabass und Fellinstrumenten.<br />
In umfangreichen Spielanweisungen und<br />
Zeichenerklärungen entwickelt er aus den<br />
Instrumenten neue Klangwelten und, als<br />
Meister von auf Selbsterfahrung zielender<br />
psychologischer Zwickmühlen, den Musikern<br />
neue Bereiche der Kommunikation und Interaktion.<br />
Die elektrische Gitarre lässt er gelegentlich<br />
in Erinnerung an die Hawaigitarre flach<br />
spuren SCHWERPUNKT<br />
5<br />
auf den Knien liegend spielen. Giacinto Scelsi,<br />
spät entdeckter Monolith in der Brandung der<br />
Avantgarde, definierte 1967 die Schlaggitarre<br />
auf radikalste Weise neu – ebenfalls auf die<br />
Knie gelegt wird sie in Ko-Tha, drei Tänze des<br />
Shiva als Perkussionsinstrument wiedergeboren.<br />
Auf die Veränderung von Tonhöhen durch<br />
das Verkürzen der Saiten wird hier verzichtet<br />
– zugunsten einer virtuosen Choreografie beider<br />
Hände, die Corpus und Saiten durch verschiedenartiges<br />
Schlagen, Zupfen, Wischen<br />
und Reiben zum Klingen bringen. Bald direkt,<br />
bald resonierend mitschwingend weht der<br />
Grundklang der freischwingenden Saiten<br />
wie der Bordunklang der Tanbura in der indischen<br />
Musik durch das ganze Stück, das die<br />
Geschichte von der Erschaffung, Blüte und<br />
dem Vergehen der Welt erzählt. Das titelgebende<br />
Sanskritwort ko-tha bedeutet soviel<br />
wie verwesen, vergehen.<br />
Zehn Jahre später, 1977, löste Helmut<br />
Lachenmann in seinem Duo „für zwei<br />
Gitarristen“ Salut für Caudwell das Dilemma<br />
von einer notwendigen Einsicht in die<br />
hochspezialisierte Spieltechnik der Gitarre<br />
und dem dann darin verhaftet Bleiben für<br />
sich noch einmal neu. Er, der ja überhaupt<br />
betont, dass er sich die Instrumente für<br />
jedes Stück neu zusammenbaue, behielt<br />
zwar die grundsätzlichen Spieltechniken<br />
bei, reduzierte sie jedoch radikal und gewann<br />
daraus neue Vielfalt. Zusammen mit<br />
einer subtilen Dämpf- und Resonanztechnik<br />
wird die Gitarre im Salut völlig neu erfahren,<br />
es öffnen sich neue Klang- und Hörräume,<br />
der Nähe und der Ferne, leiseste<br />
und brachiale, und doch tauchen vertraute<br />
Aspekte, vielleicht auf ungewohnte Weise<br />
wieder auf, die Rolle des allgemein verfügbaren,<br />
schlichten Begleitinstruments, der<br />
Träger inniger und geheimer Sehnsüchte,<br />
das kraftvolle powerplay.<br />
Zwei Mitte der 80er Jahre entstandene<br />
Stücke für Gitarre zeigen das weite Spektrum<br />
dessen, was avancierte Komponisten<br />
mit diesem Instrument verbinden.<br />
Brian Ferneyhoughs Kurze Schatten II nach<br />
einem Text von Walter Benjamin versucht,<br />
Komplexität und Dichte auf die Spitze zu<br />
treiben. Als ob (unbewusst) mehrere Stücke<br />
gleichzeitig spielend heißt die Vorschrift<br />
über dem 7. und letzten Satz dieser Suite.<br />
Ferneyhough nützt für dieses auch dem<br />
Gitarristen höchste Virtuosität abverlangende<br />
Werk zur klanglichen Bereicherung<br />
vierteltönige Umstimmungen, die im Verlauf<br />
sukzessive zurückgestimmt werden.<br />
(Das erste vierteltönige Stück für Gitarre hat<br />
übrigens der Mexikaner Juan Carrillo schon<br />
1925 komponiert.) Eine vierteltönige Auffächerung<br />
des Gitarrengrundklangs verwendet<br />
auch Beat Furrer in seinem Gitarrentrio<br />
...y una canciòn desesperada nach einem<br />
Gedicht von Pablo Neruda, hier freilich im<br />
Gegensatz zu Ferneyhough in größter Reduktion.<br />
Es geht um das Verklingen der oft als<br />
Flageoletts zu spielenden ohnehin leisen<br />
Gitarrenklänge und das ihnen Nachhören bis<br />
in die Stille.<br />
Seit den 60er Jahren hat sich die – meist<br />
elektrisch verstärkte – Gitarre freilich im<br />
weiten Feld der freien improvisierten Musik,<br />
wo die Erforschung und Entwicklung<br />
neuer, ungewohnter Spiel- und Klangtechniken<br />
noch wichtiger war, einen Platz<br />
erworben, dies vor allem durch Derek<br />
Bailey, die Vaterfigur der freien Musik vor<br />
allem in England der 60er bis 80er Jahre,<br />
und durch Keith Rowe. Dieser hat, wie er<br />
selber sagte, in Analogie zum Maler Jackson<br />
Pollock, der für seine action paintings<br />
die Leinwände auf den Boden legte, die<br />
Gitarre flach auf den Tisch gelegt und sie<br />
mit Küchengeräten und Werkzeug, Bürsten<br />
und anderen Gegenständen präpariert<br />
und bearbeitet. Die von vielen Gitarristen<br />
bis heute verwendete table guitar wurde<br />
zum aktionistischen Pendant der elektroakustischen<br />
und konkreten Musik und stellt<br />
einen befreiend anarchischen Widerpart<br />
zur elektronisierten und computerisierten<br />
Musik dar.<br />
Gunter Schneider ist Komponist, Musiker<br />
und Dozent für Gitarre und Musik der Gegenwart<br />
an der Universität für Musik und<br />
darstellende Kunst in Wien.
6<br />
NACHBAR spuren September 05<br />
„OUR WORK – HIS GLORY“ Barbara<br />
Das Wort „Arbeit“, so steht es im Duden-<br />
Herkunftswörterbuch, sei „wahrscheinlich<br />
eine Bildung zu einem im germanischen<br />
Sprachbereich untergegangenen Verb mit der<br />
Bedeutung ,verwaist sein, ein zu schwerer<br />
körperlicher Tätigkeit verdingtes Kind sein’“.<br />
Das Wort habe noch bis ins Neuhochdeutsche<br />
hinein „schwere, körperliche Anstrengung,<br />
Mühsal, Plage“ bedeutet, und erst das Zutun<br />
Luthers mit seiner „Lehre vom allgemeinen<br />
Priestertum“ habe „den herabsetzenden<br />
Sinn“ des Wortes zurückgedrängt und „den<br />
sittlichen Wert der Arbeit als Beruf des Menschen<br />
in der Welt“ konstituiert.<br />
Und wurde seitdem weidlich genutzt, will man<br />
dazusagen – diese überhöhte Verquickung von<br />
Beruf und Berufung, aus der sich eine der bis<br />
heute gültigen Hauptsäulen nicht nur bürger-<br />
lichen Lebens ableitet: Sinn durch Arbeit. Wie<br />
propagandistisch, wie zynisch eine solche<br />
Vorgabe ist, auch das zeigt diese Ausstellung,<br />
wie ausbeutbar und wie nah an ihrer ursprünglichen<br />
Bedeutung.<br />
Zum Beispiel die „Chat(t)ter Gardens“ der<br />
Österreicherin Moira Zoitl, „Stories by and<br />
about Filipina Workers“, ein seit 2002 andauerndes<br />
Projekt, das sich der Situation von<br />
Arbeitsmigrantinnen aus Süd- und Südostasien<br />
in Hongkong widmet: maßstabgetreu das<br />
winzige Zimmer, nein: die Kammer, nein: die<br />
Kabine der Philippinin Maria Theresa Hamto,<br />
die bei einer chinesischen Familie in einem<br />
Außenbezirk Hongkongs als Hausarbeiterin<br />
arbeitet; auf dem Bettbezug in gestickter<br />
Schrift „the maid’s rule-book“, das ihr u.a.<br />
Hundegger<br />
Wer sich, wie es die Galerie im Taxispalais diesen Sommer getan hat, mit dem Thema „Arbeit“ befasst und dabei besonders das Prekäre<br />
der Verhältnisse in den Blick nimmt, wird zwangsläufig und richtigerweise oft bei den Frauen landen – Sexarbeit, Migration,<br />
Teilzeit-, Tele-/Heimarbeit, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Globalisierung, und Streiks: künstlerische „Arbeits“-Positionen der letzten<br />
40 Jahre. Rundgang, auszugsweise, durch einen gemeinhin geduldeten Abgrund.<br />
Personal Participation, aus Russische Antidepressiva, Olga Chernysheva<br />
Klassekampen, Kirsten Justesen<br />
aufträgt, sich auch nachts um das Baby zu<br />
kümmern, die eigene Wäsche separat von der<br />
der Arbeitgeber zu waschen und keine engen<br />
Hosen, kurze T-Shirts zu tragen – Letzteres<br />
wie immer auch zu lesen als die Täter-Absicherungsklausel,<br />
die eingebaute Deckung für<br />
die sexuellen Übergriffe, die gegen die Frauen<br />
gang und gäbe sind.<br />
Nur an jedem Sonntag, ihrem Tag, versammeln<br />
sich die Haushaltsarbeiterinnen<br />
mitten im renommierten Finanz- und Shoppingviertel<br />
Hongkongs und nehmen mittels<br />
Decken, Plastikplanen, Kartons, Spielkarten,<br />
gemeinsamem Essen und Gesprächen<br />
den öffentlichen Raum für sich ein: kurzes<br />
Präsentsein jener, die sie verrichten, die<br />
nieder(gehalten)e Arbeit, für die man sie<br />
sich auf fünf Quadratmetern hält.<br />
Widerstand (2005), Christine S. Prantauer<br />
Über 250 Migranten-Gruppierungen versuchen<br />
in Hongkong ihre jeweiligen Communities<br />
im Sinne eines „Migrant Empowerment“<br />
zum Widerstand gegen Ausbeutung,<br />
Ungerechtigkeiten und migrationsfeindliche<br />
Gesetze zu animieren – und auf dem Video<br />
sehen wir Frau Hamto, wie sie im Rahmen<br />
einer „Street Action“, einer Weihnachtsparty<br />
im Dezember 2004 in der Chater Road, das<br />
Gedicht WOMEN vorträgt, und wir sehen<br />
die Zeile: „I am a woman, weak, afraid to<br />
assert, suffering in silence“, aber hinter<br />
ihr noch etliche andere auf dem Gehsteig,<br />
und was sie gerade tun, ist das Schweigen<br />
kurz brechen ...<br />
Zum Beispiel das Video „Remote Sensing“ der<br />
Schweizerin Ursula Biemann, 2001 entstanden,<br />
eine „Topografie des globalen Sexhandels<br />
im Zeitalter der digitalen Bildproduktion“.<br />
Beeindruckend nicht nur der überbordende<br />
Informationsgehalt und die multi-perspektivische<br />
Bildsprache dieses Filmes, sondern auch<br />
sein Text, zeitweise hochpoetisch, seinem<br />
Aussichtspunkt gerecht, dem Blick auf einen<br />
von Frauenhandel gigantischen Ausmaßes<br />
durchzogenen Globus, Geografien, „die ihre<br />
Geschlechtlichkeit verbergen“, Fakten in<br />
Wörter gekleidet, die so zurückgenommen<br />
brisant sind, dass man sie in sich neben allem<br />
anderen auch als lange und intensive Textdeklamation<br />
im Gedächtnis behält.<br />
Zum Beispiel das „Monument to Working<br />
Women“ der Engländerinnen Ross/Cameron/<br />
Silver aus 1985, Teil mehrerer Performances<br />
unter dem Titel „Triple Transformations“,<br />
Erinnerungen der Arbeiterklasse gewidmet,<br />
welche „durch den industriellen Wandel<br />
während der Thatcher-Ära völlig demontiert<br />
wurde“. Auf Fotos dokumentiert die künstlerische<br />
Intervention: das Denkmal für John<br />
Bright, einflussreicher Industrieller; in Arbeiterinnenkleidung<br />
gehen Ross/Cameron/Silver<br />
von der Kunstgalerie, die auch von Bright<br />
errichtet wurde, zu seiner Statue und funktionieren<br />
sie zu einem temporären Denk-,<br />
einem Mahnmal für die Arbeiterinnen der<br />
Textilindustrie um, einst weltweit größtes<br />
gewerkschaftlich organisiertes weibliches<br />
Arbeitskräftepotenzial, „our work – his glory“,<br />
„his profit – her labour“, „her poverty – his<br />
reward“ steht da zu lesen, und so wird benannt,<br />
was der Kapitalismus verschweigt:<br />
dass es den Ausbeutern, zumindest Profiteuren<br />
nach den Profiten gelingt, sich auch noch<br />
als Philanthropen zu inszenieren.<br />
Zum Beispiel die Großplakatwand „Widerstand“<br />
(2005) der <strong>Tirol</strong>erin Christine S.<br />
Prantauer, die täglich stattfindende, von den
September 05<br />
Housekeeping, Jeff Wall<br />
Chat(t)ler Garden, Stories by and about Filipina Workers, Moira Zoitl<br />
Medien nicht gerade prominent platzierte,<br />
weltweite Arbeitskämpfe thematisiert: das<br />
unscharfe Bild einer Demonstration wird bei<br />
ständigem Update mit Papierstreifen überklebt,<br />
auf denen die gerade aktuellen Ausstände,<br />
Widerstände, Streiks der Arbeitenden<br />
aufgeführt werden – und es geht dabei, wenn<br />
man den Gründen für diese Auseinandersetzungen<br />
nachgeht, nicht um das Erkämpfen<br />
von Unverschämtheiten, sondern etwa darum,<br />
dass die Textilarbeiterinnen in Jakarta dagegen<br />
streiken, dass ihnen die Klopause aus der Arbeitszeit<br />
herausgerechnet wird ...<br />
Auf der Rückseite der Taxis-Galerie positioniert,<br />
ist Prantauers Plakat in und an den<br />
öffentlichen Raum gerichtet, sinnigerweise<br />
auf den Landhausplatz hin, der ja für von lokalen<br />
Initiativen organisierte Demonstrationen<br />
hierorts einer der prominentesten Versammlungsplätze<br />
ist.<br />
Zum Beispiel Video, Kittel und Mousepad der<br />
deutschen Künstlerinnengruppe -Innen plus,<br />
Ergebnis einer Aktion auf der CeBit Hannover,<br />
der weltgrößten Computermesse, Titel der<br />
Inszenierung: „-Innen im Frühling“, 1996: „im<br />
Gegensatz zur zukunftsweisenden Technologie“<br />
sei dort „in Bezug auf Geschlechterrollen<br />
ein erstaunlicher Hang zur Tradition“ festzustellen.<br />
Hintergrund der Aktion, bei der die<br />
Künstlerinnen in Messeuniformen kostenlos<br />
Mousepads verteilen, bedruckt mit Multiple-<br />
Choice-Antworten zu Fragen des Themenbereichs<br />
Geschlechterrollen, Technik und Sex,<br />
waren „inoffizielle Informationen seitens der<br />
Messe-Organisation, denen zufolge ... für die<br />
Dauer der CeBit ca. 2000 Prostituierte aus<br />
Thailand eingeflogen wurden“.<br />
Zum Beispiel „fünfnullplus“ (2004) der Vorarlbergerin<br />
Ruth Schnell aus der Werkreihe<br />
„Lichtbilder“: eine aalglatte blaue Epoxyharzplatte<br />
mit weißen Leuchtdioden, die, wenn<br />
man sie direkt anschaut, von ihrem smarten<br />
Erscheinungsbild her bruchlos in jedes Designerbüro<br />
passen würde, die aber, wenn man<br />
schon anderes und sie nur mehr indirekt im<br />
Aug hat, wie nebenbei und unter Nutzung des<br />
optischen „Nachzieheffekts“ perfiderweise<br />
und sekundenbruchteillang hologrammartig<br />
dutzende Wörter aus sich hinausfetzt, welche<br />
„die Deregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />
und hier besonders die Situation von<br />
Frauen über 50 auf dem Arbeitsmarkt“ skizzieren<br />
– also „Nachteil“, „Alter“, „Problem“,<br />
„ungleich“, „Vermögen“, „Verteilung“, „unbezahlt“,<br />
„Familie“, „Risiko“, „Isolation“,<br />
„Sexualität“, „wenig“ ...<br />
Oder „Beyond Caring“ (1984/85) des Briten<br />
Paul Graham, der die wartenden Menschen<br />
in den für sich selbst sprechenden Szenerien<br />
der Sozialhilfeämter zeigt – Orte, an denen<br />
„wirtschaftliche Entscheidungen und Menschenleben<br />
frontal aufeinandertreffen“. Oder<br />
„Drift: Diagram VI“ (2002) von Anne Tallentire,<br />
ebenfalls Großbritannien, die auf hochmalerische<br />
Weise Alltagsarbeiten in Superzeitlupe<br />
filmt, „prosaische Routinehandlungen, die<br />
nötig sind, um die Stadt zu erhalten“, und<br />
ihnen dadurch eine Präsenz einschreibt, die<br />
sie im „normalen“ Leben nicht einnehmen<br />
spuren NACHBAR<br />
7<br />
dürfen. Oder „Turn on“ (2004) des Albaners<br />
Adrian Paci, die atmosphärisch überaus dichte<br />
Darstellung von auf Arbeit wartenden Männern,<br />
brachliegender Männerarbeitskraft, Generatoren-Bereitschaft,<br />
Glühbirnen-Beweise,<br />
Gesichtszüge wie vergessene Landschaften.<br />
Oder „Personal Participation“ (1996) der Moskauerin<br />
Olga Chernysheva, Teil eines Projekts<br />
namens „Russische Antidepressiva“: statt<br />
der produzierten Bonbons setzt sie in Bonbongröße<br />
die Gesichter der Produzentinnen<br />
auf die Bonbonschachtel. Oder Alexis Hunters<br />
(GB) „The Marxist’s Wife (still does the<br />
housework)“ – eine Arbeit aus dem Jahr 1978,<br />
die man sich auch zu einem „The Manager’s/<br />
Journalist’s/Lawyer’s/Artist’s Wife (still does<br />
the relational work)” updaten könnte ...<br />
Oder zum Beispiel die beiden Arbeiten, die<br />
einen/eine halbwegs heiter zurücklassen<br />
angesichts der Abgründe rundum: seine „24<br />
jobs“, die Robert Adrian X. (CAN/A) machen<br />
hat müssen, um als Künstler zu überleben,<br />
als humor- wie liebevolle Plastillin-Mini-Installation;<br />
und der ironisch tableauxhaft und großformatig<br />
inszenierte Digitaldruck der Dänin<br />
Kirsten Justesen, „Klassekampen“ (1976): ein<br />
heute archaisch-klassisch wirkendes, witzigwahres<br />
Ur-Bild feministischen Antriebs.<br />
Dann noch der Zufall vor „Housekeeping“<br />
(1996) des Kanadiers Jeff Wall – Teil einer<br />
Serie über Putzfrauen und Putzmänner – bei<br />
der Seniorenführung, die von der Taxisgalerie<br />
im Rahmen ihres Vermittlungsprogrammes<br />
regelmäßig angeboten wird – eigentlich Seniorinnenführung,<br />
8 Frauen, 1 Mann, Angehörige<br />
einer Generation, in der die Rollenaufteilung<br />
einzementiert war: Sie sind zwischendurch<br />
alle irgendwie befremdet, wie eine so alltägliche<br />
Sache wie die auf dem Bild, vor dem<br />
sie grad stehen, zum Gegenstand von Kunst<br />
werden kann, diese Frauen haben alle selbst<br />
viel geputzt in ihrem Leben, und ihre leise<br />
Ratlosigkeit, eine Art Peinlichkeit gegen das<br />
Sichtbarmachen der unsichtbar gehaltenen<br />
Arbeit – wie der ihren –, macht sie für einen<br />
Augenblick fast zum Teil dieser Riesenfotografie<br />
...<br />
Es braucht einiges an Einlassen und Zeit, an<br />
Wiederkommen und In-Tranchen-Rezipieren<br />
– einer der Filme braucht allein 90 Minuten –,<br />
damit sich etliche der Arbeiten und alle Aspekte<br />
dieser Ausstellung erschließen. So ist sie<br />
auch in dem, wie sie ist, etwas von dem, was<br />
sie behandelt: Arbeit.<br />
Und gerne würde man die Erfinder und<br />
Erfinderinnen des im ORF gespielten „Hättiwari-Spots“<br />
samt AuftraggeberInnen – der<br />
IAA, International Advertising Association,<br />
Austrian Chapter (Kooperationspartner u.a.<br />
Henkel, Michelin, Red Bull, Kraft Foods,<br />
Meinl, Porsche, Verlagsgruppe News, Androsch,<br />
Zeilinger usw.) in dieser Ausstellung<br />
sehen, tagelang, welche es sich in schierem<br />
Zynismus leisten, die Verknappung, Verdunkelung,<br />
Verschlimmerung der Verhältnisse<br />
für die Masse der Menschen einem phantasierten<br />
Gejammere der Bevölkerung à la<br />
„Raunzerzone“ zuzuschreiben – als wäre das<br />
Nicht-mehr-auskommen-Können mit dem<br />
Einkommen eine Angelegenheit mangelnden<br />
Antriebs und nicht Ergebnis einer profithörigen<br />
Politik, die die tendenzielle Verbilligung<br />
von Audis, Jachten, Supersachen in einen<br />
statistischen Topf wirft mit der Verteuerung<br />
aller Güter des täglichen Gebrauchs, Brot,<br />
Strom, Selbstbehalte, Gasthausessen, Mannerschnitten,<br />
und sich daraus in fröhlicher<br />
Ignoranz eine geschönte Bilanz bastelt, die<br />
mit Mindestrenten, Durchschnittseinkommen,<br />
Armutsgrenzen, also echten Leuten,<br />
rein gar nichts mehr zu tun hat.<br />
Zur Ausstellung ist auch ein zweisprachiger<br />
(dt./engl.), doppelt-roter und umfangreicher<br />
Katalog erschienen, erhältlich in der Galerie<br />
im Taxispalais, Innsbruck, zum Preis von<br />
16,– Euro.<br />
Barbara Hundegger ist Schriftstellerin und<br />
Korrektorin. Publikationen in Kultur- und Literaturzeitschriften<br />
sowie Gedichtbände und<br />
Theatertexte.<br />
Fotos Barbara Hundegger
8 NOCH NEBELSPUREN spuren September 05<br />
KÜNSTLERRESIDENZEN –<br />
EIN POSTGRADUATE-MODELL FÜR INNSBRUCK?<br />
INGEBORG ERHART UND ANDREI SICLODI IM GESPRÄCH Julia Wallnöfer<br />
Die aktuelle Diskussion über eine Kunstuniversität<br />
für Innsbruck hat nun auch die<br />
<strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft veranlasst, sich Gedanken<br />
zu machen, welche Art von Institution<br />
für Kunstschaffende die Stadt tatsächlich<br />
braucht. Nachdem beim derzeitigen Konzept<br />
ein Schwerpunkt im Bereich Musik zu erkennen<br />
ist, tritt die <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft nun<br />
mit ihrem eigenen Konzept in den Diskurs<br />
ein. Dabei gehe es nicht etwa darum, die<br />
Kunstuniversität an sich abzulehnen, sondern<br />
in einem konstruktiven Prozess geeignete<br />
Modelle für den Bereich „Bildende Kunst“<br />
anzuregen. Ingeborg Erhart, Kuratorin und<br />
Geschäftsleiterin der <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft<br />
dazu: „Im Vorstand und im Vorsitz der <strong>Tirol</strong>er<br />
Künstlerschaft hat sich der Tenor herausgebil-<br />
det, dass man dem Projekt Kunstuniversität<br />
Innsbruck grundsätzlich sehr positiv gegenübersteht,<br />
aber doch das Wie die große Frage<br />
ist. Und nur das Modell Salzburg zu klonen<br />
erscheint wenig sinnvoll. Es sollte hier in<br />
Innsbruck etwas für Österreich Einzigartiges<br />
entstehen.“<br />
Und das könnte vielleicht ein eigenes Postgraduate-Programm<br />
sein. Ausgangspunkt<br />
für diese Überlegung ist die seit drei Jahren<br />
andauernde Umstrukturierung des Modells<br />
Künstlerhaus Büchsenhausen und des dortigen<br />
Artist in Residence-Programms. Internationale<br />
Künstler werden zu dreimonatigen<br />
Gastaufenthalten nach Innsbruck eingeladen,<br />
an deren Ende jeweils die Präsentation der<br />
vor Ort entstandenen Arbeiten steht.<br />
Unter der Leitung von Andrei Siclodi hat sich<br />
das einst ziemlich verstaubte Atelierhaus zu<br />
einem international beachteten „Kunstlabor“<br />
entwickelt, das vor allem mit einem vielseitigen<br />
Veranstaltungsprogramm von theoretischen<br />
Vorträgen bis zu Ausstellungen für<br />
fruchtbare Synergien mit der ortsansässigen<br />
Kunstszene sorgt.<br />
Andrei Siclodi: „Es geht nicht darum, dass die<br />
<strong>Tirol</strong>er Künstlerinnen und Künstler von den<br />
internationalen Künstlerinnen und Künstlern<br />
belehrt, oder korrigiert werden, sondern es<br />
geht um die professionelle Reibungsfläche,<br />
die dabei entsteht. Dadurch steigt auch die<br />
Qualität. Es sind verschiedene Leute im selben<br />
Alter etwa zwischen 20 und 40, die sich<br />
treffen und die Möglichkeit einer Förderung<br />
an einem bestimmten Ort bekommen. Es ist<br />
eine wechselseitige Geschichte, nicht nur<br />
dass die Leute, die vor Ort arbeiten, davon<br />
profitieren, sondern auch dass ein Austausch<br />
stattfindet, und das ist total wichtig.“ Diesen<br />
interaktiven Aspekt betont auch Ingeborg<br />
Erhart: „Mit den diskursiven Veranstaltungen<br />
wird auch die Szene vor Ort sehr stark eingebunden.<br />
Was mir auch wichtig erscheint, ist,<br />
dass jetzt ein Teil der Stipendien an Theoretiker<br />
vergeben wird.“<br />
Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist,<br />
dass kommendes Jahr erstmals eine Jury mit<br />
internationaler Beteiligung über die Vergabe<br />
der Stipendien entscheiden wird und statt<br />
heuer acht, nur noch sechs Künstler, dafür<br />
aber statt zwei, künftig drei Theoretiker ein<br />
Stipendium erhalten werden, sodass immer<br />
zwei KünstlerInnen und ein Theoretiker bzw.<br />
eine Theoretikerin für drei Monate parallel in<br />
Büchsenhausen leben werden. So wird der<br />
Diskurs weiter vorangetrieben. Doch damit<br />
ist es für die <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft noch lange<br />
nicht getan. Der nächste Schritt müsste eine<br />
auf hohem Niveau agierende Postgraduate-<br />
Einrichtung sein, die nicht im herkömmlichen<br />
Sinn ausbildet, sondern „die Möglichkeit<br />
der Weiterentwicklung der Teilnehmer in<br />
einem professionellen, spannenden Umfeld<br />
bietet. Das ist viel strukturierter und hat viel<br />
mehr mit inhaltlicher Qualität zu tun. Artist in<br />
Residence-Programm bedeutet, man fährt<br />
für eine bestimmte Zeit wohin und arbeitet<br />
dort, gewinnt neue Freunde und lernt andere<br />
Künstlerinnen und Künstler kennen, dann<br />
fährt man wieder heim, das war’s. Eine Postgraduate-Einrichtung<br />
hat ein Ziel vor Augen,<br />
ist als Institution nicht bloß ein Mittel für<br />
einen Austausch, sondern bietet eine echte<br />
Förderung junger Künstlerinnen und Künstler“,<br />
so Andrei Siclodi.<br />
Bereits im Frühjahr 2004 veranstaltete das<br />
Künstlerhaus Büchsenhausen zur Entwicklung<br />
eines solchen Modells ein hochkarätig<br />
besetztes Symposium und eine Arbeitskonferenz<br />
für politische Entscheidungsträger,<br />
wo auch die Leiter renommierter Vorbilder in<br />
Sachen Postgraduate-Institution wie der Jan<br />
van Eyck Academie Maastricht oder der Rijksakademie<br />
Amsterdam zu Wort kamen. Herausgekommen<br />
ist ein gedankliches Konzept<br />
zur Erweiterung des derzeitigen Programms<br />
am Künstlerhaus Büchsenhausen, das auch<br />
an einem anderen, neu zu schaffenden Ort<br />
denkbar ist, oder aber als Kombination aus<br />
dem derzeitigen Künstlerhaus, das räumlich<br />
allerdings schon jetzt aus allen Nähten platzt,<br />
und weiteren Werkstätten innerhalb Innsbrucks.<br />
Hier könnte man sich von Seiten der<br />
<strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft auch eine Kooperation<br />
mit der geplanten Kunstuniversität vorstellen,<br />
die aller Voraussicht nach auch Werkstätten<br />
beherbergen wird. Andrei Siclodi dazu: „Es<br />
wäre für unsere Einrichtung auch wichtig,<br />
dass unsere ‚Fellows’ – so nennen wir sie<br />
seit heuer – auch Zugang zu diesen Werkstätten<br />
haben.“<br />
Was zeichnet nun aber so ein für Österreich<br />
einzigartiges Postgraduate-Modell aus? Andrei<br />
Siclodi: „Im Zentrum steht ein offener Diskurs<br />
zwischen verschiedenen Künstlerinnen<br />
und Künstlern, Theoretikerinnen und Theoretikern,<br />
das ist unser Ansatzpunkt. Es gibt<br />
‚Artists in Residence’ und ‚Advising Research<br />
Artists’, also die Künstler, die vor Ort arbeiten<br />
und gefördert werden, und dann gibt es die<br />
Künstler, die an der Institution administrative<br />
Funktionen übernehmen und mehr berufliche<br />
Erfahrung mitbringen, international anerkannte<br />
Persönlichkeiten sind. Die Künstlerinnen<br />
und Künstler können mit ihnen reden, Fragen<br />
stellen, sich austauschen.“ Genau dieser diskursive<br />
Charakter unterscheide das Projekt<br />
auch von einer gängigen Kunstuniversität,<br />
meint Ingeborg Erhart: „Diese intensive<br />
Diskussion wird an einer Kunstuniversität<br />
weniger stattfinden können, gerade wenn<br />
man die Entwicklung an den Universitäten<br />
im Allgemeinen betrachtet, wo immer mehr<br />
versucht wird, das Programm zu raffen und<br />
zu verschulen.“ Mindestens sechs Monate<br />
sollten Künstlerinnen und Künstler im Rahmen<br />
der neuen Postgraduate-Einrichtung in<br />
Innsbruck die Möglichkeit bekommen, sich<br />
fortzubilden, alle drei bis fünf Jahre könnte<br />
der administrative Künstler- bzw. Theoretikerstab<br />
wechseln. In welcher Größe das Modell<br />
in Innsbruck realisiert werden könnte, müsste<br />
natürlich noch geklärt werden. In Amsterdam<br />
gibt es allein 50 administrative Künstler,<br />
doch, so Ingeborg Erhart, „es kann auch und<br />
gerade im Kleinen gut gearbeitet werden.“<br />
Für Andrei Siclodi zählt vor allem „die Qualität<br />
der Auseinandersetzung, die auf hohem Niveau<br />
stattfinden muss. Wir als Künstlerschaft<br />
sind sehr dafür, dass das alles einen Forschungscharakter<br />
hat, eine Art künstlerischer<br />
Forschung, die nicht automatisch auf eine<br />
Ausstellung gerichtet ist, sondern langfristig<br />
funktioniert und dafür braucht man Zeit und<br />
die entsprechenden Mittel.“<br />
Der Bonus für die Stadt besteht laut <strong>Tirol</strong>er<br />
Künstlerschaft vor allem in einer Aufwertung<br />
des Standortes, „dass man sich überregional<br />
als Kunststadt etablieren könnte, dass man<br />
wirklich gute, interessante Künstlerinnen und<br />
Künstler und professionell arbeitende Leute<br />
anzieht und das ist sehr viel. Das ist auch<br />
ein Renommee für eine Stadt.“ Ingeborg<br />
Symposion, März 2004, mit vlnr: Janwillem Schrofer, Präsident der Rijksakademie Amsterdam, Miro Zahra, Künstlerhaus Schloss Plüschow, Mag. Ingeborg Erhart, Geschäftsleiterin <strong>Tirol</strong>er Künstlerschaft,<br />
Andrei Siclodi, Kurator Künstlerhaus Büchsenhausen, Mag. Jürgen Steinberger, Vertretung des Rektors der Universität Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Markus Neuwirth, Institut für Kunstgeschichte Innsbruck<br />
Hilde Zach, Bürgermeisterin und Kulturreferentin der Stadt Innsbruck, Dr. Klaus Duregger, Vertreter der Kulturabteilung der <strong>Tirol</strong>er Landesregierung<br />
Erhart sieht aus Sicht der <strong>Tirol</strong>er Künstlerinnen<br />
und Künstler noch einen weiteren, ganz<br />
praktischen Aspekt: „Einerseits zeichnet ein<br />
Postgraduate-Programm die große Internationalität<br />
aus, andererseits könnten so aber<br />
auch Künstlerinnen und Künstler aus <strong>Tirol</strong>,<br />
die weggegangen sind, Lust bekommen,<br />
temporär für Projekte wieder zurück zu kommen.<br />
Man sieht es zunehmend auch an der<br />
Entwicklung in Büchsenhausen, dass so ein<br />
Format in Innsbruck sehr gewünscht ist, und<br />
vor allem die diskursive Ebene ganz wichtig<br />
zu sein scheint, also dass es diese internationale<br />
Auseinandersetzung gibt, einen Input,<br />
der von außen kommt, der die Szene sehr<br />
gut beleben kann.“ Der geplanten Kunstuniversität<br />
steht man im Übrigen weiterhin<br />
positiv und offen gegenüber. „Sollte es diese<br />
Kunstuniversität in Innsbruck also tatsächlich<br />
geben, werden wir versuchen, gegenseitige<br />
Synergien zu nutzen, aber parallel mit dem<br />
Künstlerhaus Büchsenhausen eigenständig<br />
neue Wege zu beschreiten“, so Ingeborg Erhart<br />
weiter. Doch was diese neuen Wege betrifft,<br />
so stellt sich am Ende für Andrei Siclodi<br />
zuerst eine grundsätzliche Frage: „Wieweit<br />
ist eine Gesellschaft oder die Politik bereit,<br />
ein Modell zu fördern, das keinen unmittelbaren<br />
Nutzen bringt, sondern ein internationales<br />
Netzwerk aufbaut?“<br />
Julia Wallnöfer arbeitet als freie TV-Redakteurin<br />
in Deutschland.
September 05<br />
NATUR IM KALEIDOSKOP Nina<br />
Treffen sich zwei Planeten. „Wie geht´s so?“,<br />
fragt der eine. „Schlecht“, erwidert der andere,<br />
„ein blöder Hautausschlag plagt mich,<br />
Homo sapiens heißt er angeblich.“ – „Ach,<br />
das kenne ich“, antwortet sein Bekannter, „ist<br />
aber nichts Lebensbedrohliches, und es geht<br />
wieder vorbei.“<br />
Wenn in den Medien Saure-Gurken-Zeit<br />
herrscht, dann sind Schreckensmeldungen zu<br />
zivilisationsbedrohenden Naturkatastrophen<br />
recht beliebt. Grassierte in den 80er-Jahren<br />
noch die Angst vor dem Waldsterben und<br />
dem sauren Regen, so stand eine Dekade<br />
später das Ozonloch an erster Stelle in den<br />
Hilfe-wir-sterben-aus-Charts, und als Evergreen<br />
schlägt die globale Erwärmung. Zwischendurch<br />
versuchen Forscher zu beruhigen:<br />
Eh alles nicht so schlimm, reinste Panikmache<br />
werde betrieben. Und doch: Die Sorge um die<br />
Natur treibt die Gesellschaft offensichtlich.<br />
Geschieht tatsächlich Drastisches – Hochwasser,<br />
Tsunami, Lawinenabgänge – lautet<br />
die Diagnose, oft aus weiter Ferne getroffen:<br />
„Die Natur schlägt zurück“. Als würden Natur<br />
und Zivilisation einander bekriegen.<br />
Ob es die Kontinentalverschiebungen, die<br />
Eiszeiten oder eben die Technologien sind, die<br />
der Mensch entwickelt: Über die Jahrmillionen<br />
hinweg bewegte sich die Erde ständig. Ein<br />
bisschen Homo sapiens kann vielleicht ihre Haut<br />
verätzen, umbringen kann er sie wahrscheinlich<br />
nicht so leicht. Allerdings sich selbst.<br />
Die Landesausstellung 05 mit dem Titel „Die<br />
Zukunft der Natur“ versteigt sich weder in<br />
Allmachtsfantasien noch in Ökofundamentalismus,<br />
malt nicht den Teufel, aber auch keine<br />
lieblichen Idyllen an die Wand. Vorgenommen<br />
hat man sich viel: nämlich die „Darstellung<br />
und Deklinierung der Welt mit den Mitteln<br />
<strong>Tirol</strong>s“. Das schreibt Intendant Martin Heller,<br />
der mit Projektleiter Benedikt Erhard die Federführung<br />
übernommen hat. Für die Ausstellung,<br />
die in Kooperation mit Südtirol und dem<br />
Trentino durchgeführt wurde, hat man aus<br />
etwa 170 Einreichungen zwei Teams gewählt.<br />
Die beiden denkbar verschiedenen Konzepte<br />
und Inszenierungen wurden an zwei Orten<br />
umgesetzt, die auf unterschiedliche Weise<br />
belastet sind: Hall, dessen Saline heute nur<br />
noch an den Niedergang einer Industrie erinnert.<br />
Und Galtür, das trotz eines wieder aufkeimenden<br />
Tourismus in den meisten Köpfen<br />
unweigerlich mit dem Lawinenabgang im Jahr<br />
1999 verbunden wird.<br />
Im ehemaligen Salzlager Hall haben der Berliner<br />
Künstler Via Lewandowsky und der Zürcher<br />
Architekt Piet Eckert für ihren Zugang zur<br />
Natur eine hochzivilisatorische Metapher gewählt:<br />
In der Tourismusregion <strong>Tirol</strong> nicht ganz<br />
unpassend, haben sie ihren Teil der Ausstellung<br />
in den hohen Hallen als Hotel konzipiert.<br />
Hat man erst einmal an einem der Eingänge<br />
eingecheckt, wandelt man durch Korridore,<br />
entdeckt Notausgangs-Pläne, sieht Türen<br />
sich öffnen und schließen, Besucher von ei-<br />
nem Zimmer ins nächste schlüpfen. Schon<br />
aus purer Neugier, aus simplen Voyeurismus<br />
möchte man es ihnen sofort gleichtun – was<br />
verbirgt sich hinter dieser Türe, was hinter<br />
jener? Allerdings tappt man nicht in stinknormale<br />
Hotelzimmer, sondern auch in Räume,<br />
die üblicherweise nicht für Hotelgäste zugänglich<br />
sind. Diesen wurden je nach Funktion die<br />
passende Fragestellung zugeordnet. „Was<br />
schmeckt der Natur“ fragt etwa die „Küche“,<br />
„Wird die Natur zum Pflegefall“ die „Sauna“,<br />
und der „Kosmetikraum“ möchte klären, ob<br />
die Natur hässlich sein könne.<br />
Man merkt es schon: Nicht Zeigefinger-Didaktik<br />
lautet das Motto, sondern Spiel, nicht<br />
wissenschaftliche Strenge, sondern lockere<br />
Veranschaulichung. Dementsprechend sieht<br />
auch die Gestaltung aus – wie etwa in einer<br />
„verwüsteten Suite“: Kästen und Fernsehmonitore,<br />
Lampen und Betten stapeln sich<br />
in wildem Durcheinander übereinander. Eine<br />
gruselige Anaconda-Haut schlängelt sich aus<br />
einer Kommode. Ein makabrer Raubtier-Bettvorleger<br />
stiert uns aus künstlichen Augen an.<br />
Und in einem Video der Künstlerin Anna Möller<br />
wird ein harmloses Kätzchen wenig schmeichelhaft<br />
als „herrisch“ oder „großkotzig“<br />
bezeichnet. Alles klar: Die Perversionen im<br />
Umgang mit der Natur werden hier demonstriert.<br />
In der „Bar“ dagegen kann man weder<br />
einen Drink zu sich nehmen noch fette Zigarren<br />
rauchen – dafür an Telefonen den Tipps<br />
einer Sexualtherapeutin à la Dr. Sommer lauschen:<br />
Da beklagt sich etwa ein australischer<br />
Tarnfliegenmann, dass er immer wieder von<br />
den Weibchen durchgeprügelt werde, wenn<br />
er sich auf deren Abwehr hin zurückziehe.<br />
„Zum Teufel mit der Political Correctness“,<br />
herrscht ihn die Briefkastentante an, „die Mädels<br />
wollen, dass Sie Ihnen zeigen, wo es lang<br />
geht!“ Stehen offensichtlich auf sadistischen<br />
Sex, diese australischen Tarnfliegenfrauen.<br />
Bunte Tierpenisse und witzige Limericks von<br />
Robert Gernhardt ergänzen den schummrigen<br />
Raum, der uns – Schlagwort Verführung – die<br />
animalische Libido näher bringen will.<br />
Recht ernsthaft klingt das vielleicht nicht gerade.<br />
Eine wilde Mischung aus Naturalia und Artificialia<br />
breitet sich aus in diesem eigenartigen<br />
Hotel; und doch ist all das sortiert – wie in den<br />
faszinierenden Kunst- und Wunderkammern<br />
des 16. und 17. Jahrhunderts. Hier allerdings<br />
selten wie damals nach Materialien, sondern<br />
meist nach Themen. Das hat Charme, ist riskant<br />
und geht manchmal schief. Der Erkenntnisgewinn<br />
bleibt machmal oberflächlich. In<br />
ihrer waghalsigen Inszenierung, die in der Geschichte<br />
der Landesausstellungen eine Novität<br />
darstellt, wandern die Ausstellungsmacher<br />
auf einem schmalen Grat zwischen Witz und<br />
Übertreibung. Dennoch: Entziehen kann man<br />
sich ihren schrägen Ideen schwer.<br />
Konventioneller geht es im zweiten Teil der<br />
Ausstellung zu. Kein Wunder: An einem Ort<br />
wie Galtür wäre eine derartige Erlebnis-Sze-<br />
Schedlmayer<br />
DIE LANDESAUSSTELLUNG 05 STELLT DIE FRAGE NACH DER „ZUKUNFT DER NATUR“. ZUM GLÜCK VER-<br />
SUCHT SIE NICHT, DIESE ZU BEANTWORTEN. SONDERN KÜMMERT SICH ERST MAL UM DIE GEGENWART.<br />
STRENGE WISSENSCHAFT IST DABEI ALLERDINGS NICHT ANGESAGT. LANGEWEILE ABER AUCH NICHT.<br />
nografie kaum vorstellbar. Schon gar nicht<br />
im Alpinarium, das 1999 als Teil der großen<br />
Lawinenmauer errichtet wurde. Hier sind die<br />
Ausstellungsgestalter – die deutsche Künstlerin<br />
Franziska Bark und Holzer Kobler Architekturen<br />
subtiler an das Thema herangegangen.<br />
Wird im „Hotel“ der Begriff der Natur generell<br />
befragt, so bohren Bark/Holzer Kobler tiefer.<br />
Für ihr Konzept haben sie an Türen geklingelt,<br />
sich zum Kaffee eingeladen, lange mit den<br />
Bewohnern des Paznauntals geplaudert, ohne<br />
freilich bereits von Anfang an zu wissen, was<br />
sie eigentlich herausfinden wollten. Erfahren<br />
haben sie dennoch vieles, wie sich in der Ausstellung<br />
zeigt. „Die Mauer“ erzählt vom Leben<br />
und Überleben im Gebirge, davon, wie sich<br />
der Mensch – siehe Lawinenmauer – der Natur<br />
anpasst. Selten, aber doch führt man auch<br />
hier Sachverhalte ähnlich plakativ vor Augen<br />
wie im „Hotel“. Da präsentiert man etwa auf<br />
Regalen eine ganze Reihe von Gegenständen<br />
fürs Survival-Training im Gebirge. Um etwa<br />
in die Haut eines Salamanders zu schlüpfen,<br />
müsste sich der Mensch schon ziemlich<br />
kostspielig ausstaffieren: Samentaschen für<br />
die erfolgreiche Fortpflanzung, eine Taschenlampe<br />
zur Verstärkung der schwächlichen<br />
Menschenaugen, eine Dose Pfefferspray zur<br />
Verteidigung. Neben dem kleinen präparierten<br />
Salamander nimmt sich das humane Überle-<br />
Die Bar im HOTEL: Mit wem lässt sich die Natur ein? Die Rezeption im HOTEL: Welches Zimmer nimmt die Natur?<br />
bens-Gerät recht aufwändig aus.<br />
In den anderen Räumen gingen die Ausstellungsmacher<br />
mehr auf die Bergbewohner der<br />
Gattung Homo sapiens ein. Arme Familien, so<br />
erfahren wir etwa, schickten ihren Nachwuchs<br />
im 19. Jahrhundert zum Arbeiten ins Schwabenland.<br />
Beim Abschied auf der „Reanhütten“<br />
haben die Väter ihre weinenden Knirpse<br />
oft mit der Rute verdroschen – „damit sie kein<br />
Heimweh kriegen“, wie ein alter, gütig dreinblickender<br />
Mann in einem Video erzählt. Amüsanter<br />
klingt da die Geschichte von der eingeschworenen<br />
<strong>Tirol</strong>er Gemeinde Treze Tílias, zu<br />
deutsch Dreizehnlinden, in Brasilien: Während<br />
der Wirtschaftskrise waren 1933 junge <strong>Tirol</strong>er<br />
dorthin ausgewandert. Über siebzig Jahre<br />
lang haben die Bewohner in ihrer Enklave ihre<br />
Kultur wie in einem Rexglas konserviert: Fotos<br />
von jodelnden Trachtenpärchen oder ein Telefonbuch,<br />
dessen Einträge sich weitgehend<br />
lesen wie jene aus Wattens oder Landeck<br />
bezeugen das.<br />
Auch wenn es zunächst nicht so aussehen<br />
mag: Auch über all diese Erzählungen erfahren<br />
wir viel über das Verhältnis zwischen Mensch<br />
und Natur in dieser Region, und: Migration<br />
kann naturgemäß auch in den <strong>Tirol</strong>er Alpen ein<br />
Thema sein – wer zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
in den Bergen nicht leben kann, muss<br />
ihnen eben entfliehen. Entdeckungen wie<br />
diese setzen Bark/Kobler dem Klischee vom<br />
engstirnigen, unbeweglichen Älpler entgegen:<br />
„Wer in den Bergen lebt“, so das Fazit, „muss<br />
sich in Bewegung setzen.“<br />
Hoffentlich tut das nicht der Turm, der vom<br />
spuren ZUKUNFT<br />
9<br />
Innsbrucker Architekten Helmut Reitter entworfen<br />
wurde. Mächtige Stahlträger halten<br />
tausende Baumstämme, aus denen man 8<br />
Millionen Tages<strong>zeitung</strong>en drucken oder über<br />
60 Millionen Bleistifte herstellen könnte, in<br />
Zaum. Sieht aus, als würden die Stämme<br />
jederzeit auseinanderkullern – diese Angst<br />
ist allerdings unbegründet. Der Turm fungiert<br />
an der Rückseite des Alpinariums als temporärer<br />
Eingang: „Die Mauer“, sagt Benedikt<br />
Erhard, „sollte sichtbarer werden.“ Betritt<br />
der Besucher nämlich von der Straße her das<br />
Alpinarium über seinen regulären Eingang, so<br />
bleibt ihm die Lawinenmauer verborgen. Um<br />
den hölzernen Turm zu besteigen, muss er<br />
hingegen an der Mauer entlanggehen – einem<br />
Bollwerk, das elf Tonnen Schneemasse pro m³<br />
aufhalten kann. Ihre Wände sind vergleichbar<br />
mit jenen der Wiener Flaktürme, einen, an<br />
manchen Stellen eineinhalb Meter. Applizierte<br />
Steine verbergen den Betonkern, und an einer<br />
Stelle zieht sich die amorphe Oberkante giebelähnlich<br />
nach oben – soll das eine urtümliche<br />
Wehrhaftigkeit deutlich machen? Gegenüber<br />
der Mauer erhebt sich bedrohlich-faszinierend<br />
der Berg, der Lawinenkegel, von dem die für<br />
31 Menschen tödliche Staublawine abging.<br />
Von tragischen Schicksalen erzählt Benedikt<br />
Erhard, Familien, die beim Nachmittagskaffee<br />
in der Küche überrascht wurden, aber auch<br />
Hotelbesitzern, die sich gerade noch in den<br />
Keller retten konnten und damit wenigstens<br />
ihr eigenes Leben. Die Natur schlägt zurück.<br />
Die Natur, ein Racheengel in eigener Mission?<br />
Eine willentlich die Zivilisation attackierende<br />
dämonische Größe? Oder am Ende der verlängerte<br />
Arm Gottes? „Die Natur“, schreibt<br />
die Schriftstellerin Stefanie Holzer, „ist viel<br />
mehr Vorstellung als Wirklichkeit.“ Die Landesausstellung<br />
05 führt uns keine singuläre<br />
Vorstellung von Natur vor, sondern ein ganzes<br />
Kaleidoskop, überhöht nicht, sondern mikroskopiert.<br />
Sie legt eher die Gegenwart dar, als<br />
kühne Zukunftsprognosen zu wagen. Und<br />
dennoch, eines scheint gewiss: Einige Jahre<br />
wird es der Planet mit dem Hautausschlag<br />
Homo sapiens noch aushalten müssen.<br />
Nina Schedelmayr ist Kulturredakteurin<br />
von Profil, der Wiener Zeitung und Camera<br />
Austria.<br />
www.la05.at, bis 6.11.2005<br />
Täglich 10-18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr<br />
Landesausstellung 05<br />
Das Hotel – Salzlager Hall<br />
Saline 18, 6060 Hall i. T.<br />
Tel +43 5223 5855.450<br />
Die Mauer – Alpinarium Galtür<br />
Hauptstraße 29c, 6563 Galtür<br />
Tel +43 5443 20000
10 NACHBAR spuren September 05<br />
EIN BILD VON FREUNDSCHAFT ALS ANSTOSS FÜR<br />
DIE BETRIEBSAMKEIT DES AUSSTELLENS Karin Pernegger<br />
Die diesjährige Herbstausstellung der Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong> hat sich den Aufruf zu „Neuen Freunden“ auf ihre Fahnen<br />
geschrieben. Mit flottem Spruch findet sich in den heiligen Ausstellungshallen eine Hommage an die Freundschaft, deren früheste<br />
Zeichen wir schon mit Kuchenförmchen im Sandkasten zu backen wussten.<br />
Charlie Tweed aus seinem Video<br />
„LETS START AGAIN“<br />
In der bunten Zusammenstellung mit österreichischen<br />
Künstlern wie Anna Jermolaewa,<br />
Markus Schinwald und der Künstlergruppe<br />
Gelatin blicken Vertreter des englischen<br />
Humors, wie Charlie Tweed aus London,<br />
die Schweizerin Nicoletta Stalder, aber auch<br />
nicht zu vergessen unsere lieben Nachbarn<br />
aus Deutschland, Ulla von Brandenburg und<br />
Andreas Slominski, augenzwinkernd auf die<br />
Magie der Freundschaft: wie es sich liebt<br />
und neckt, streitet und versöhnt. Natürlich<br />
steht das Thema „Neue Freunde“ auch<br />
symptomatisch für den Beginn einer neuen<br />
Ausstellungstätigkeit in der Galerie der Stadt<br />
<strong>Schwaz</strong>. Die Partitur dieser Ausstellung<br />
besteht nicht allein aus kunsthistorischem<br />
Bodensatz und aus dem Höhenmaß der<br />
verwendeten Nägel, um die Bilder zu halten,<br />
sondern aus dem Zauber, den Betrachter<br />
für einen Augenblick in eine Welt zu ent-<br />
Die Internationale Ensemble Modern Akademie<br />
(IEMA) wurde im Jahre 2003 von den<br />
Musikern des Ensemble Modern gegründet,<br />
mit der Zielrichtung einer Weitergabe der<br />
25-jährigen Erfahrung im Umgang mit neuen<br />
musikalischen Konzepten, Stilrichtungen und<br />
den damit verbundenen erforderlichen Spieltechniken.<br />
Hochbegabten und qualifizierten<br />
jungen Musikern wird in der IEMA die Chance<br />
gegeben, an dem „kollektiven Gedächtnis“<br />
dieses Ausnahmeensembles teilzuhaben und<br />
von diesem zu profitieren.<br />
Die Aktivitäten der IEMA drücken sich in verschiedenen<br />
Arbeitskonzepten aus: Zum einen<br />
erhalten die durch Probespiel gefundenen<br />
Musiker (Instrumentalisten, Komponisten,<br />
Dirigenten, Tontechniker) in Frankfurt über<br />
führen, die seiner eigenen oft gar nicht so<br />
fremd erscheint. Die ausgestellten Werke<br />
ringen nicht lauthals um Aufmerksamkeit,<br />
sondern sprudeln aus dem energetischen<br />
Moment zwischen Realität und Intention der<br />
Kunst und vermögen auch urplötzlich ihrem<br />
Betrachter einen Haken zu schlagen. Die<br />
Ausstellung strickt sich aus einem leichten<br />
Band von Verführungen, Erwartungen und<br />
Täuschungen, das das reichhaltige Netzwerk<br />
des Phänomens Freundschaft illustriert und<br />
dem Betrachter oft ein Schmunzeln abringt.<br />
Wie sonst könnte man den hintergründigen<br />
Witz deuten, wenn man die der Puppenstube<br />
entsprungenen Objekte von Andreas<br />
Slominski im Ausstellungsraum sieht. Eine<br />
kinder-große Kirche reiht sich an ein mit „Röslein<br />
und Näglein“ besticktes Hochzeitsbett,<br />
die beide von einem schräg gezimmerten Polizeihubschrauber<br />
bewacht werden. Der Reiz<br />
der beschriebenen Kleinskulpturen liegt nicht<br />
in ihrer äußerlichen Erscheinung, sondern<br />
in der im Inneren verborgenen, gefinkelten<br />
Falle, so als ob man „verliebte Mäuse“ per<br />
Expresszustellung in den siebten Himmel<br />
verschicken wollte. Was nur bestätigt, dass<br />
heute Vorsicht geboten ist, wo immer man<br />
auch seine Nase rein zu stecken versucht.<br />
Das bedachte auch der Londoner Künstler<br />
Charlie Tweed mit seiner ganz speziellen<br />
Pirsch im britischen Unterholz. Verzweifelt<br />
zeigt er seine Endeckung, die ein fatales<br />
Bündnis zwischen Flora und Fauna im verborgenen<br />
Geschäft der Abhörtechnik offen legt.<br />
Diese unverbrüchliche Einheit aus Freund<br />
und Feind oder Jäger und Gejagten ist der<br />
saure Zahnschmelz der Zeit, der letztlich den<br />
Mittelpunkt unseres Seins zwischen Neugier,<br />
Wissen, Nähe und Angst ausmacht und das<br />
Duo namens Leben und Freundschaft wie<br />
Pech und Schwefel zusammen hält.<br />
Auch die Schweizerin Nicoletta Stalder zeigt<br />
uns, dass man nicht nur mit trickreichen<br />
Konstruktionen sich seine Interessenten<br />
angeln kann. Mit ihrem Kreativ-Hausfrauen-<br />
Pseudonym lancierte sie im Schweizer Boulevardblatt<br />
„Blick“, das dem Format unserer<br />
ein Stipendienjahr hindurch, intensiven Einzel-<br />
und Kammermusikunterricht bei den Mitgliedern<br />
des Ensemble Modern.<br />
Weiterhin geht die IEMA „on Tour“, das<br />
heißt: entweder das gesamte Ensemble<br />
Modern befindet sich auf Konzertreise, die<br />
pädagogischen Arbeiten finden während<br />
einer Konzerttour statt (wie im Juli 2005 in<br />
Japan und Korea), oder ein Teil der Musiker<br />
führt an Orten außerhalb Frankfurts komplette<br />
Kurse für Neue und Aktuelle Musik durch,<br />
wie z.B. in <strong>Schwaz</strong> (<strong>Tirol</strong>) oder auf Paxos. Die<br />
jeweiligen Kursteilnehmer werden von einer<br />
Jury aus Mitgliedern des Ensemble Modern<br />
anhand der von den Bewerbern eingesandten<br />
CDs ausgewählt.<br />
Für das diesjährige Paxos Spring Festival wur-<br />
heimischen Kronen<strong>zeitung</strong> entspricht, eine<br />
ganzseitige Meldung der besonderen Art,<br />
die weit über den Nudelholz-Äquator hinweg<br />
eine brisante Gewürzmischung der Kunst<br />
eröffnete: „Hausfrau backt Monument“.<br />
Die Meldung berichtet von einem Traum<br />
aus Salzteig, Herd und selbst geschnitzter<br />
Auswalkmodeln, um es ihren Landesvätern<br />
gleich zu tun. Für die Ausstellung in <strong>Schwaz</strong><br />
wird sie kurzerhand ihre Küche übersiedeln<br />
und bei Anisplätzchen für die Besucher weiter<br />
aus dem Nähkästen so manche Finten zu<br />
erzählen wissen. Die Irritation liegt nicht nur<br />
im Mischungsverhältnis altbekannter Rollenzuschreibungen<br />
und neuer Lebensmodelle,<br />
sondern liegt im wahrsten Sinne des Wortes<br />
in der Sache selbst, was man für sie – im<br />
übertragenen Sinne – in die Welt zu setzen<br />
vermag. Die österreichische Gruppe Gelatin<br />
hat sprichwörtlichen den Hasen aus dem<br />
Pfeffer gegraben und legt einen 50 Meter<br />
langen rosa Häkel-Hasen in das Wiesenbett<br />
einer ober-italienischen Tallandschaft. Auf 20<br />
Jahre ist der Schlummerschlaf des ausgegliederten<br />
Schmusegefährten angesetzt, um aus<br />
der Wurzel der Freundschaft zwischen Natur<br />
und Mensch ein zartes Pflänzchen wachsen<br />
zu lassen. Den Hasen im Zylinder hingegen<br />
schickt die Hamburgerin Ulla von Brandenburg<br />
gänzlich auf Urlaub und verordnet ihren<br />
Zauberlehrlingen schmunzelnd Übungsstunden.<br />
In ihrem Video lädt sie ihre Freunde ein,<br />
Zaubertricks vom Stapel zu lassen, deren<br />
aufschwingende Illusionsakrobatik eher<br />
charmantem Achselzucken entgegenkommt<br />
denn einem gekonnten Hochseilakt.<br />
Stimmt es denn wirklich, dass die Kunst<br />
Freude an Freundschaften hat? Oh Freundchen,<br />
ich hör dir trapsen, mit gewiefter Nase<br />
lässt sich so mancher Happen schnappen. So<br />
geschehen auch in der von Anna Jermolaewa<br />
initiierten Zeichner-Performance, zu der sie<br />
im Sommer d.J. die <strong>Schwaz</strong>er Bevölkerung<br />
eingeladen hatte, sich porträtieren zu lassen.<br />
Mit Hilfe von vier russischen Künstlerkollegen<br />
Alina Fyodorova, Andrej Romasjukov,<br />
Alexander Frolov und Anna Frolova entstanden<br />
gewissenhaft ausgeführte Porträts, die<br />
den folgende zehn Teilnehmer ausgewählt:<br />
Natalia Gerakis (Flöte), Yumi Schmuck (Klarinette),<br />
Despina Apostulu und Eleni Pappa<br />
(Klavier), Konstantinos Panagiotidis, Emorfia<br />
Papadimitriu und Theodor Patsalis (alle Violine),<br />
Angela Giannaki (Viola), Angelos Liakakis<br />
und Dimitri Travlos (Violoncello). Dozenten<br />
waren Roland Diry (Klarinette), Ueli Wiget<br />
(Klavier), Jagdish Mistry (Violine) und Michael<br />
M. Kasper (Violoncello).<br />
In der am 3. Juni begonnenen Arbeitsphase<br />
wurden 21 Solo- und Kammermusikwerke<br />
des 20. Jahrhunderts erarbeitet und zunächst<br />
in vier Konzerten auf Paxos vorgestellt. Ein<br />
Konzertprogramm war ausschließlich griechischen<br />
Komponisten – Borboudakis, Skalkottas,<br />
Travlos, Vlitakis und dem aus Paxos stam-<br />
aber auf den zweiten Blick die Gretchen-Frage<br />
der Kunst stellen: Was ist es letztendlich,<br />
das uns an der Kunst fasziniert? Und wer<br />
entscheidet darüber, was gute oder schlechte<br />
Kunst ist? Über den Sommer hinweg beobachtete<br />
Jermolaewa die Porträtmaler auf<br />
den Plätzen vor Museen und Denkmälern,<br />
um diese Fragen ins Bild zu setzen.<br />
Als letztes sei noch das Video von Markus<br />
Schinwald beschrieben, das die ernste Note<br />
der Ausstellung unterstreicht. Mit der Bildmetapher<br />
des Rattenfängers von Hameln<br />
zeigt er einen Kinderchor, der einer lebensgroßen<br />
Marionette mit ständig wechselnden<br />
Gesichtzügen folgt. Die Verheißungen der<br />
Verführung und die Bitterkeit der enttäuschten<br />
Erwartungen finden hier ihren kongenialen<br />
filmischen Ausdruck.<br />
In diesem Sinne ergibt die Ausstellung einen<br />
geschlossenen Kreislauf, die die Freundschaft<br />
als symbolischen Eröffnungsgestus für die<br />
Stadt <strong>Schwaz</strong>, ihre Galerie, ihre Einwohner<br />
und die Künstler in den Vordergrund stellt.<br />
Karin Pernegger ist Kuratorin und Leiterin der<br />
Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />
Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />
Palais Enzenberg, Franz-Josef-Straße 27/I<br />
A-6130 <strong>Schwaz</strong>/<strong>Tirol</strong><br />
Tel +43 5242/73983, Fax +43 5242/66896<br />
office@galeriestadtschwaz.at<br />
www.galeriestadtschwaz.at<br />
„Neue Freunde“ mit Ulla von Brandenburg<br />
(D), Gelatin (A), Anna Jermolaewa (A),<br />
Markus Schinwald (A), Andreas Slominski (D),<br />
Nicoletta Stalder (CH), Charlie Tweed (GB)<br />
Eröffnung am Samstag, den 10. September<br />
um 18.30 gemeinsam mit den <strong>Klangspuren</strong>,<br />
zu sehen bis 29. Oktober 2005<br />
Öffnungszeiten: Mi 10 bis 19 Uhr,<br />
Do/Fr 13 bis 19 Uhr, Sa 10 bis 13 Uhr<br />
DIE INTERNATIONALE ENSEMBLE MODERN<br />
AKADEMIE BEIM PAXOS SPRING MUSIC FESTIVAL<br />
7.-18. JUNI 2005 Michael M. Kasper<br />
Vom 7. bis 18. Juni 2005 fand auf Paxos (Griechenland) zum zweiten Mal das Paxos Spring Music Festival statt, das sich<br />
ausschließlich der Musik des 20. Jahrhunderts widmet. Veranstaltet und finanziert vom Paxos Festival Trust Ltd., London,<br />
und der Paxos Cultural Union, wird dieses Festival künstlerisch geplant und durchgeführt von der Internationalen Ensemble<br />
Modern Akademie, Frankfurt.<br />
menden Aperghis – gewidmet. Die jungen<br />
Musiker hatten sich auf unterschiedlichste<br />
technische Schwierigkeiten und ungewohnten<br />
musikalischen Ausdruck einzustellen. So<br />
erfordert das Werk des Spektralkomponisten<br />
Tristan Murail eine andere Herangehensweise<br />
als das technisch extrem schwierige 1.<br />
Streichquartett von György Ligeti; die Meister<br />
einer intensiven Ausdruckssprache auf kleinstem<br />
Raum wie Anton Webern und György<br />
Kurtag müssen wiederum anders geübt und<br />
interpretiert werden als die Maschinerie des<br />
Minimal-Komponisten Rzewski.<br />
Was zunächst oft nach der übergeordneten<br />
Hand eines Dirigenten rufen ließ, wurde nach<br />
harter Probenzeit von den Musikern selber auf<br />
hohem Niveau kammermusikalisch gelöst.
September 05<br />
WINDKRAFT – KAPELLE FÜR NEUE MUSIK von<br />
Sofia Gubaidulina, Nathalie Stutzmann<br />
STARKE AUFTRITTE<br />
In den Nonsberger Märtyrerberichten aus<br />
dem Jahr 397 n.Chr. wird davon berichtet,<br />
dass die Einheimischen dieses Südtiroler Tales<br />
mit dem Klang ihrer Tuben (wahrscheinlich<br />
einer Art von Rindentrompeten) die Gemeinde<br />
zusammenriefen, um sodann christliche<br />
Missionare, die sie bekehren hatten wollen,<br />
anzusingen, mit der Tuba anzublasen und anschließend<br />
zu töten.<br />
Für starke Auftritte haben Bläserformationen,<br />
oft unterstützt durch Schlagwerk, schon immer<br />
gesorgt: Trommler und Pfeifer, häufig in<br />
einer Person vereinigt, mit der einen Hand<br />
trommelnd, in der anderen die Schwegelpfeife,<br />
als Begleiter von Aufmärschen vor<br />
allem kriegerischer Art seit dem Mittelalter,<br />
Turmbläser, Stadtpfeifer und daraus sich<br />
entwickelnde Ensembles – vielfältig war der<br />
Einsatz dieser instrumentalen Kombination,<br />
die sich besetzungsmäßig stets vergrößerte.<br />
Auch vom Konzil von Konstanz (15. Jahrhundert),<br />
wo sich die musikalische Elite Europas<br />
ein Stelldichein gab, erzählte man sich, dass<br />
Friedrich IV. (der legendäre „Friedl mit der<br />
leeren Tasche“) dort mit „stärkster Musik“<br />
– bestehend aus Pfeifern, Trompetern und<br />
Die Realisierung der Uraufführung eines Werkes<br />
von Manolis Vlitakis (Auftragskomposition<br />
von IEMA und Paxos Festival Trust) schließlich<br />
war ein weiterer Höhepunkt der mehr als<br />
zweiwöchigen Aktivitäten. Die Menge und<br />
der Schwierigkeitsgrad der geplanten Werke<br />
konnte nur in einem extrem engen Arbeitsplan<br />
bewältigt werden. So fanden bis auf eine<br />
dreistündige Mittagspause die Proben täglich<br />
von 9 bis 22 Uhr statt. Die Ergebnisse dieser<br />
erfolgreichen Arbeit wurden in sieben Konzerten<br />
öffentlich vorgestellt, davon die vier Workshop-Konzerte<br />
auf Paxos, sowie weitere auf<br />
Korfu, Karystos und in Athen. Zum Abschluss<br />
des Festivals und zur Honorierung von besonders<br />
herausragenden Leistungen stellte John<br />
Gough, Chairman des Paxos Festival Trusts,<br />
vier Halbjahresstipendien an folgende Teilnehmer<br />
zur Verfügung: Lefki Karpodini (Klavier,<br />
Teilnehmerin 2004), Angela Giannaki (Viola),<br />
Angelos Liakakis (Violoncello) und Dimitri<br />
Travlos (Violoncello). Diesen Stipendiaten<br />
soll es ermöglicht werden, die IEMA über ein<br />
halbes Jahr in Frankfurt zu besuchen, um die<br />
begonnenen Studien zu vertiefen.<br />
Die gemeinsamen Ziele der IEMA und des Paxos<br />
Festival Trust weisen weit in die Zukunft:<br />
1. Über ein kontinuierliches Arbeiten mit<br />
jungen griechischen Musikern sollen<br />
diese in die Lage versetzt werden, selber<br />
in Ensembles- oder Kammermusikformationen<br />
Neue Musik in Griechenland<br />
auf höchstem Niveau zur Aufführung zu<br />
bringen.<br />
Posaunenspielern – aufgekreuzt sei und<br />
dementsprechend Eindruck gemacht habe,<br />
was ihm allerdings offenbar nichts dagegen<br />
genützt hat, geächtet zu werden und auf<br />
abenteuerlichen Wegen nach <strong>Tirol</strong> flüchten zu<br />
müssen. Effektvolle Begleiterscheinung waren<br />
diese Ensembles, die im 19. Jahrhundert<br />
dann „Banden“ hießen und hitverdächtige<br />
sinfonische Kompositionen in Bearbeitung<br />
allerorts darboten, allemal, und Blasmusik<br />
hat in <strong>Tirol</strong> eine ungemindert starke Präsenz<br />
– bekanntermaßen gibt es heute mehr <strong>Tirol</strong>er<br />
Musikkapellen als <strong>Tirol</strong>er Gemeinden.<br />
KAPELLE DER ANDEREN ART<br />
Bei Windkraft – Kapelle für Neue Musik handelt<br />
es sich zwar nicht um eine dieser zahlreichen<br />
traditionellen <strong>Tirol</strong>er Musikkapellen, auch<br />
haben sich die durchschnittlich noch sehr jungen<br />
Musiker und Musikerinnen ausschließlich<br />
der Aufführung von Zeitgenössischem verschrieben,<br />
man lehnt sich in der Konstellation<br />
aber bewusst an das Schema der traditionellen<br />
Blaskapelle an, was heißt, dass neben den<br />
Bläsern das Schlagzeug als wichtiger Faktor in<br />
der Besetzung aufscheint, wobei der Grundstock<br />
von Windkraft aus einer höchstens<br />
2. Durch kontinuierliches Musizieren muss<br />
auch ein neues Publikum an die Neue und<br />
Aktuelle Kunst herangeführt werden<br />
3. Private und öffentliche Geldgeber müssen<br />
überzeugt werden, dass es sich lohnt,<br />
in die junge Kunst im eigenen Land zu<br />
investieren.<br />
Vorraussetzung ist: Paxos Spring Music<br />
Festival ist ein Festival für Neue Musik<br />
in Griechenland in erster Linie für griechische<br />
Musiker.<br />
Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse<br />
sowohl 2004 als auch 2005 planen der Paxos<br />
Festival Trust und die IEMA eine Fort- und<br />
Weiterführung der gemeinsamen Arbeit im<br />
Mai 2006. Vorgesehen ist die Einbindung der<br />
Universitäten von Thessaloniki und Korfu, vorstellbar<br />
ist etwa die Zulassung von passiven<br />
Kursteilnehmern aus dem Kreis der dortigen<br />
interessierten Studenten. Dadurch wären<br />
zukünftig über den reinen Solo- und Kammermusikunterricht<br />
hinausgehend Zusatzkurse<br />
oder Seminare über Komponisten, Musikkonzepte,<br />
Interpretationen und Spieltechniken<br />
möglich. Konzerte der Kursteilnehmer sind in<br />
Tessaloniki, Athen und Patras geplant.<br />
Michael M. Kasper ist Mitglied und Gesellschafter<br />
des Ensemble Modern<br />
Näheres unter:<br />
www.paxosfestival.org.uk<br />
www.internationale-em-akademie.de<br />
www.<strong>klangspuren</strong>.at/akademie.php<br />
zweifach besetzten Kapelle, d.h. ungefähr<br />
fünfundzwanzig Musikern besteht: Flöte, Klarinette,<br />
Oboe, Saxofon, Trompete, Horn, Tuba,<br />
Posaune und Schlagzeug sind vertreten. Dabei<br />
kann jederzeit die Besetzung verstärkt und um<br />
andere Instrumente erweitert werden – so<br />
geschehen beispielsweise bei der im Rahmen<br />
der <strong>Klangspuren</strong> 2004 uraufgeführten „Stunde<br />
der Seele“ der großen Komponistin Sofia Gubaidulina<br />
– einem Konzertereignis der besonderen<br />
Art, dessen live-Mitschnitt demnächst<br />
auf der ersten, im September des Jahres<br />
herauskommenden Windkraft-CD nachhörbar<br />
sein wird und einen Höhepunkt der bisherigen<br />
Arbeit des Ensembles darstellt.<br />
RÜCKBLICK<br />
Geboren wurde Windkraft von den <strong>Klangspuren</strong>:<br />
Der Bedarf an speziell zusammengestellten<br />
Ensembles ebenso wie das Interesse<br />
seitens der Komponisten an unüblichen<br />
Besetzungen, die sie als Vorgabe verwenden<br />
konnten, waren groß. Zudem legte die<br />
auffallende Dichte an hochqualifizierten, dem<br />
Neuen gegenüber aufgeschlossenen Bläsern<br />
sowie ein beachtliches Potential an ebensolchen<br />
Schlagzeugern im <strong>Tirol</strong>er Raum die Bildung<br />
eines dergestalt besetzten Ensembles<br />
nahe. Unter der Leitung des als Dirigent Neuer<br />
Musik bekannten, ehemaligen Innsbrucker<br />
Musikdirektors Kasper de Roo brachte das Ensemble<br />
bei seinem Debüt im September 2000<br />
die Kirche des Stiftes Fiecht auf beeindruckende<br />
Weise zum Tönen – mit intensivster Musik<br />
von Edgar Varése, Iannis Xenakis, Oliviér<br />
Messiaen und Galina Ustvolskaja. Man hatte<br />
sich auf einen erfolgreichen Weg gemacht,<br />
es folgten weitere Konzerte mit speziell interessanten<br />
Programmen. Schließlich wurde<br />
Windkraft zum selbstständigen Verein, als<br />
dessen künstlerischer Leiter Kasper de Roo,<br />
als dessen Obfrau Martina Streiter (GE Jenbacher)<br />
und als dessen Geschäftsführer Stefan<br />
Schwarzenberger (als Schlagzeuger Mitglied<br />
von The Next Step) tätig sind.<br />
Mittlerweile kann man nicht nur auf ein stets<br />
anwachsendes Repertoire Neuer Musik,<br />
sondern auch auf eine ebenso wachsende<br />
Zahl von zeitgenössischen Komponisten verweisen,<br />
die Werke speziell für das Ensemble<br />
komponiert haben: so unterschiedliche Komponisten<br />
wie Herbert Grassl, Johannes Maria<br />
Staud, Sofia Gubaidulina, Michael Riessler,<br />
Gunter Schneider, Eduard Demetz, Franz<br />
Schreyer, Germán Toro-Pérez, Olli Virtaperko,<br />
Jürg Wyttenbach und Otto M. Zykan konnten<br />
Aufsehen erregende Uraufführungen durch<br />
spuren FREUNDE<br />
Milena Meller.<br />
11<br />
Windkraft erleben, das mit Kompositionen<br />
von Erkki-Sven Tüür oder Vincent d’Indy, Kevin<br />
Volans, Wolfgang Rihm, Werner Pirchner oder<br />
Giya Kancheli eine stilistisch sehr bunte Palette<br />
von „Blasmusik“ ins Repertoire aufgenommen<br />
hat (um nur einen Teil davon zu nennen).<br />
AUSBLICK<br />
Nach einem Auftritt Ende August 2005 zur Eröffnung<br />
der Meraner Festwochen mit „Rondo<br />
de Banda“ des Südtiroler Komponisten Eduard<br />
Demetz, das schon im Rahmen der <strong>Klangspuren</strong><br />
2003 von Windkraft-Mitgliedern aus der<br />
Taufe gehoben wurde, geht Windkraft im Oktober<br />
dieses Jahres auf eine Tournee, die nach<br />
Riga und Vilnius führen wird, nachdem man<br />
bei den <strong>Klangspuren</strong> 2005 gemeinsam mit der<br />
Swarovski Musik Wattens ein Konzert mit Uraufführungen<br />
der jungen <strong>Tirol</strong>er Komponisten<br />
Johannes Maria Staud und Christof Dienz, der<br />
polnischen, in den USA lebenden Komponistin<br />
Ewa Trebacz sowie „Akrata“ von Iannis<br />
Xenakis und Octandre von Varése aufgeführt<br />
haben wird. Bei den Auftritten in Lettland und<br />
Litauen, durch deren schwerpunktmäßige Präsenz<br />
im Rahmen der <strong>Klangspuren</strong> auch musikalisch<br />
kein unbekanntes Terrain mehr, wird<br />
Windkraft, gemeinsam mit Kasper de Roo,<br />
Magnus Lindbergs „Gran Duo“, Iannis Xenakis’<br />
„Akrata“, Edgar Varéses „Octandre“ und Uraufführungen<br />
von J. M. Staud sowie eines jungen<br />
litauischen Komponisten spielen. Man ist<br />
nicht nur in der Besetzung flexibel und schöpft<br />
aus dem reichhaltigen Pool in Nord- und Südtirol<br />
vorhandener Musiker, geplant ist für die<br />
Zukunft auch eine verstärkte Zusammenarbeit<br />
mit verschiedenen jungen Dirigenten.<br />
So wird man auch weiterhin auf starke Auftritte<br />
von Windkraft gespannt sein können.<br />
Milena Meller ist Musikwissenschaftlerin und<br />
freie Musikjournalistin<br />
kapelle für neue musik windkraft<br />
sofia gubaidulina – stunde der seele
12 SCHWERPUNKT spuren September 05<br />
CHOR UND ZEITGENÖSSISCHE MUSIK Reinhard<br />
Clytus Gottwald, einer der großen Protagonisten<br />
der zeitgenössischen Chormusik, hat<br />
immer wieder darauf verwiesen, dass Musik<br />
für Chor, vor allem für Chor a Cappella, eine<br />
ideale Form interkommunikativen Handelns<br />
repräsentiere. Gemeint war hiermit wohl<br />
in erster Linie der strukturelle Aspekt, also<br />
die Interaktion unter einer Anzahl solistisch<br />
besetzter Sänger, in der sich individuelle Aktion,<br />
Reaktion auf andere und Integration in<br />
einen Gesamtklang auf vollkommenste Weise<br />
musikalisch verwirklicht. Wirklich waren die<br />
meisten wesentlichen Chorkompositionen<br />
nach 1950 gerade daraufhin angelegt. Das<br />
geschah freilich nur zögernd, gerade die Chormusik<br />
in Deutschland – und hier lag das Zentrum<br />
avantgardistischer Auseinandersetzung<br />
– war mit dem Odium von Gesangsbünden,<br />
Männerchor-Selbstgefälligkeit und Singbewegungen<br />
mit konservativem bis reaktionärem<br />
inhaltlichen Selbstverständnis schwer belastet.<br />
Gegen diese Haltung kämpften denn auch<br />
die vokalen Arbeiten eines Dieter Schnebel,<br />
Heinz Holliger, György Ligeti, Brian Ferneyhough,<br />
Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann<br />
und vieler anderer beharrlich an (ich erwähne<br />
Luigi Nono hier nicht, da seine großartigen<br />
Arbeiten für Chor offensichtlich von einem<br />
selbstverständlicheren Umgang mit Stimme<br />
auf der Basis italienischer Gesangstradition<br />
geprägt waren). Chormusik verstand sich in<br />
diesem Umfeld als Reaktion, ja als Gegenentwurf<br />
zur landläufigen Auffassung des Chorgesangs.<br />
Das war zweifelsohne geschichtlich<br />
notwendig, es war ein Reinigungsprozess,<br />
ein Purgatorium, so wie zum Beispiel Helmut<br />
Lachenmann sein ganzes schöpferisches Arbeiten<br />
in den 60er und 70er Jahren als Wirken<br />
gegen verhärtetes (und damit falsches) Verstehen<br />
von Klang, von Musik begriff. Musik<br />
aber, die sich in erster Linie als Gegenentwurf,<br />
als Provokation (im besten Sinne) versteht,<br />
hat den Tribut zu zollen, nicht in extenso zum<br />
Eigenen vorzudringen. Sie war Abwehrarbeit,<br />
definierte sich als Aufweichung oder als<br />
radikal gesetzter Widerpart zum Tradierten,<br />
oder besser zum schlecht Tradierten – ganz<br />
im Sinne Gustav Mahlers, der ja einmal den<br />
Musikern der Wiener Hofoper vorhielt, dass<br />
das, was sie als Tradition bezeichneten, nichts<br />
anderes als deren Schlamperei sei.<br />
Im Zeichen dieses Tuns, es war übergreifend<br />
und beschränkte sich keineswegs nur auf<br />
chorisches Arbeiten, baute die Musik eine<br />
Barriere zwischen sich und das Publikum (wie<br />
immer sich dieses auch definiert). Wenn Heinz<br />
Klaus Metzger einmal in den Raum stellte,<br />
dass sich große Musik vielleicht nicht daran<br />
definiere, was sie schaffe, sondern vielmehr<br />
dadurch, was sie abschaffe, dann reagierte<br />
dieses Statement auf jenen Zustand. Musik<br />
aber braucht beides, sie kann Schaffen und<br />
Abschaffen gar nicht auseinander definieren.<br />
So wie Schaffen ohne Abschaffen im Alten be-<br />
fangen bleiben muss, bleibt Abschaffen ohne<br />
Schaffen hohl und letztlich perspektivlos. Das<br />
wurde – bewusst oder unbewusst – durchaus<br />
wahrgenommen. Die Abkehr des Publikums<br />
von der zeitgenössischen „E-Musik“, seine<br />
Hinwendung zum Easy-Listening popdeterminierter<br />
Hörwelten, ist Reaktion darauf. Man<br />
hatte keine Lust, sich in innermusikalische<br />
Debatten einzuleben – oder man empfand<br />
keine Lust dabei. Das Argument, dass das<br />
Neue eben immer einer gewissen Anlaufszeit<br />
bedürfe, dass es zur Trägheit des Jetzt im<br />
Widerpart stehe (was fraglos stimmt), kann<br />
nicht über gegenwärtig sich auftuende Gräben<br />
hinweg täuschen.<br />
Hier nun wird ein anderer Aspekt von Gottwalds<br />
„interkommunikativer Handlung“ im<br />
chorischen Singen wichtig. Kommunikation ist<br />
dabei nicht nur intern im innermusikalischen<br />
Prozess zu begreifen, sondern auch nach außen,<br />
hin zum Publikum. Helmut Lachenmann<br />
hat einmal im Umfeld der Erläuterungen zu<br />
seiner Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“<br />
das Defizit hervorgehoben, wenn<br />
ein Komponist sich dem ursprünglichsten<br />
Instrument, also der menschlichen Stimme,<br />
verweigere. In einer Erläuterung zur Genesis<br />
des Werks schrieb er: „So ging es mir immer<br />
wieder um die Auseinandersetzung mit den<br />
vertrauten Werkgattungen – sozusagen in paradigmatisch<br />
verwandeltem Zusammenhang.<br />
Zum Beispiel natürlich auch um die Beantwortung<br />
der Frage: ‚Wie hältst Du’s mit dem<br />
Gesang?‘ Bis heute ist für mich diese Frage<br />
traumatisch geblieben. Ein Musikbegriff, der<br />
der Stimme ausweicht, gar den Gesang aussperrt,<br />
bei dem stimmt etwas nicht. Das war<br />
mir bewusst, nagte an mir. Wenn wir über die<br />
Genese des ‚Mädchens’ sprechen, dann gehört<br />
dazu, dass diese Oper sich nicht zuletzt<br />
der – noch nicht beendeten – Auseinandersetzung<br />
mit der singenden Stimme verdankt.“<br />
Diese Ursprünglichkeit der Stimme aber hat<br />
sich bis heute eine ganz eigene Aura bewahrt.<br />
Während der Instrumentalist, vor allem im<br />
orchestralen Kontext, Gefahr läuft, als nur<br />
ausführendes Organ vernommen zu werden,<br />
bleibt beim Sänger weit stärker das Moment,<br />
direktes Organ zu sein. Hier steht der Mensch<br />
gleichsam schutzlos vor dem zu erzeugenden<br />
Klang, als nacktes Individuum verantwortet<br />
er sein Laut-Geben. Die Barrieren zum Hörer<br />
sind auch dann geringer, wenn er sich gesteht,<br />
dass die eigene Stimme zu den vernommenen<br />
Höhenflügen nicht hinlangt.<br />
In einem Vortrag beim Jahreskongress des<br />
Bundesverbandes Deutscher Gesangspädagogen<br />
hat Peter Gülke 2002 auf diese<br />
Ursprünglichkeit des Singens hingewiesen:<br />
„Bis in die Zeiten des jungen Beethoven hinein<br />
stand für das ästhetische Denken außer<br />
Frage, dass die Musik allein in Verbindung mit<br />
dem Wort ihrer wahren Bestimmung zuzuführen<br />
sei, womit unter anderem dem längst<br />
vorliegenden Instrumentalwerk Haydns oder<br />
Mozarts noch ein Schatten von Inferiorität verblieb<br />
– André-Ernest Modeste Grétry, von der<br />
Ästhetik der französischen Aufklärer her kommend,<br />
pries Haydns Sinfonien als Steinbruch,<br />
aus dem wertvolle musikalische Brocken<br />
bezogen und in der Verbindung mit Worten<br />
ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden<br />
sollten. In der Konstellation eines zum oder im<br />
Orchester spielenden Solo-Instruments – das<br />
gilt für das barocke Solokonzert nicht minder<br />
wie etwa die Sologeige im zweiten Satz von<br />
Brahms‘ erster Sinfonie – bleibt allemal das<br />
Moment der als handelndes Subjekt aus dem<br />
Ensemble heraustretenden ‚vox humana‘ der<br />
Hinblick auf den singenden Menschen mitenthalten.“<br />
„Vox humana“ – die menschliche Stimme:<br />
Das hat eine ganz eigenwillige Doppelbedeutung.<br />
Nicht nur ist es die Stimme, die<br />
dem Menschen zugehört, es ist zugleich<br />
eine Stimme mit menschlicher, als sich zum<br />
Menschen innig hinwendender Ansprache.<br />
Diesen Aspekt aber hatte die zeitgenössische<br />
Musik in ihrer kritischen wie technologischen<br />
Überfrachtung zumindest partiell zurückgedrängt.<br />
Auch von da her rührten Berührungsängste<br />
mit der Stimme, der man sich lieber<br />
experimentell, im Abklopfen ihrer Potenzen,<br />
näherte, als sie als menschliche Appellhaftigkeit<br />
zu verstehen. Hier aber setzte in den<br />
letzten Jahren ein Umdenkprozess ein. Die<br />
extremen Grenzgänge wirken ausgeschritten,<br />
das Bedürfnis zu schöpferischer Ansprache im<br />
Gegensatz zur kritischen Destruktion ist spürbar<br />
gewachsen.<br />
In diesem Umfeld wächst dem Gesang, insbesondere<br />
der Chormusik eine zentrale Bedeutung<br />
zu. Es ist ein geschichtlich gewachsenes,<br />
zugleich psychologisch wie physiologisch<br />
unschwer begründbares Faktum, dass die<br />
Barrieren vom Professionellen zum musikalischen<br />
Laien, zum Amateur geringer sind.<br />
Schon die experimentelle Musik (etwa Dieter<br />
Schnebel, John Cage, Cornelius Cardew oder<br />
Hans-Joachim Hespos) hatten über vokale Ensemblearbeit,<br />
zum Beispiel im Bereich neuer<br />
Schulmusik, Näherungen zum musikalischen<br />
Laien gesucht. Heute sind die Distanzen über<br />
mehrere Brücken noch geringer geworden.<br />
Genannt müssen werden die Versuche einer<br />
Verknüpfung von Pop- und Jazz-Elementen<br />
mit zeitgenössischen Techniken, sowie die<br />
Auseinandersetzung mit der Folklore (zum<br />
Beispiel in Nord- und Osteuropa, etwa das<br />
schwedische Kulning-Singen), mit alten Kirchenmusiktraditionen<br />
oder auch mit außereuropäischen<br />
Stilistika des Singens (besonders<br />
faszinierend wirkten hier die verschiedenen<br />
Versuche mit Techniken des Obertonsingens,<br />
die in der tibetanischen Musik bis hin zu den<br />
Mongolen Sibiriens verwurzelt sind).<br />
Hier nun gewinnt Clytus Gottwalds Begriff<br />
des kommunikativen Handelns eine zweite<br />
Schulz<br />
Man stelle sich vor: Nur etwa 1,6 Mio. Einwohner zählt Estland, aber beim Sängerfest in Tallinn im Juni 1990 sang ein Chor von<br />
30.000 vor einem Publikum von 500.000 Menschen. Zieht man in Betracht, dass auf der Bühne nur die Sieger der regionalen<br />
Sängerwettbewerbe stehen, so darf man getrost davon ausgehen, dass jeder Lette, Este oder Litauer zumindest einmal in seinem<br />
Leben an einem solchen Fest mitgewirkt hat.<br />
Foto Lettischer Radio-Chor<br />
wesentliche Bedeutung. Chorsingen als kommunikativer<br />
Austausch betrifft nicht nur interne<br />
Fragen (also die Wechselwirkung unter den<br />
einzelnen Sängern), sondern auch den Austausch<br />
mit dem Publikum. Kompositorische<br />
Verfahrensweisen, die im rein instrumentalen<br />
Bereich auf Befremden und Unverständnis<br />
stoßen mögen, vermitteln sich über den<br />
singenden Menschen, also via „Vox humana“,<br />
weit unmittelbarer, da der Klang direkt<br />
als menschliche Lautgebung begriffen wird.<br />
Hier liegt ein weites Feld offen vor uns, das<br />
zu erschließen in zeitgemäßer, heutiger Form<br />
erst begonnen wird. Die menschliche Stimme,<br />
insbesondere das gruppenintegrative Singen<br />
im Chor, kann maßgeblich dazu beitragen, der<br />
Musik heute aus ihrer Isolation zu verhelfen.<br />
Manches ist hier schon in öffnendem Sinne<br />
geschehen, verwiesen soll nur werden auf<br />
die Bedeutungs-Expandierung der nordischen<br />
oder der osteuropäischen Musik (Namen wie<br />
Jennefelt, Schnittke oder Pärt stehen paradigmatisch<br />
dafür), sowie auf manche Ergebnisse<br />
der so genannten Weltmusik (sofern diese,<br />
wie leider häufig üblich, die Stilistika nicht<br />
nur zur Dekoration fast im touristischen Sinne<br />
einsetzt). Diese frischen und zugleich in der<br />
Tradition verwurzelten Ansätze bestimmen<br />
mehr und mehr unser heutiges musikalisches<br />
Bewusstsein. Die Angst vor dem Gesang (wir<br />
denken an den Ausdruck „traumatisch“ von<br />
Lachenmann) nimmt unter den avantgardistischen<br />
Komponisten spürbar ab. Dabei erfährt<br />
auch der Begriff der Avantgarde eine Neubewertung.<br />
Avantgarde definiert sich heute nicht<br />
allein, wie in den 50er bis 70er Jahren üblich,<br />
über die Weitung des Materials, also in technizistischer<br />
Hinsicht, sondern zumindest gleichgewichtig<br />
über die Intensivierung des musikalischen<br />
Ausdrucks hin auf heutige Hörformen.<br />
Wer Avantgarde so begreift, braucht nicht die<br />
falsche Flucht nach hinten anzutreten, wie es<br />
zumindest eine verkürzt verstandene Postmoderne<br />
unter Ablehnung, ja Unmöglichkeits-Erklärung<br />
von Avantgardismus tat.<br />
Es ist die große Chance der Chormusik heute,<br />
Gräben zuzuschütten. Wenn Musik im Heutigen<br />
vereinsamt, dann erübrigt sie sich letztlich,<br />
verschwindet wie Kafkas Hungerkünstler.<br />
Es gibt aber keinen Grund dafür. Denn der<br />
Mensch sucht immer wieder die unmittelbare<br />
Begegnung zum Jetzt, er will gefordert, keineswegs<br />
aber vor den Kopf gestoßen sein.<br />
Vielleicht, es gibt durchaus Zeichen dafür, erleben<br />
wir heute in diesem Sinne eine umfassende<br />
Renaissance des chorischen Singens.<br />
Reinhard Schulz ist Musikwissenschafter und<br />
Musikjournalist der Süddeutschen Zeitung,<br />
der<br />
ins<br />
neuen<br />
dialoge<br />
musik<strong>zeitung</strong><br />
67,4x127,5Bel<br />
und des<br />
17.08.2005<br />
Bayerischen<br />
13:46<br />
Rundfunks.<br />
Dialoge zu vier Themen<br />
– zwischen Tanz,<br />
zeitgenössischer Musik,<br />
Literatur und – Mozart.<br />
Ein Projekt der<br />
Internationalen<br />
Stiftung Mozarteum<br />
zum Mozart-Jahr 2006.<br />
www.mozarteum.at<br />
religion 1.–4.12.05<br />
Christoph Schlingensief<br />
Camerata Salzburg<br />
Marc Albrecht · Josef<br />
Bierbichler · Hagen<br />
Quartett · Klangforum<br />
Wien · 7 Klangräume<br />
von Georg Friedrich<br />
Haas · Ivor Bolton<br />
Mozarteum Orchester<br />
Salzburg u. a.<br />
religionspielliebetod<br />
spiel 29. 3.–2. 4. 06<br />
Tanzimprovisation von<br />
Meg Stuart · Pierre-<br />
Laurent Aimard and<br />
friends · Markus<br />
Stockhausen · Malcolm<br />
Goldstein · Klangforum<br />
Wien · Österreichisches<br />
Ensemble für Neue<br />
Musik · Johannes<br />
Kalitzke u. a<br />
liebe 17.–21. 5. 06<br />
Choreographien von<br />
Philipp Gehmacher,<br />
Johanne Saunier<br />
Alexander Lonquich, Klavier<br />
Klangforum Wien · Dino<br />
Saluzzi Trio · Texte von<br />
Handke, Jelinek, Esterházy,<br />
Tabori u. a. · Hermann Beil<br />
Isabel Mundry · Hilliard<br />
Ensemble u. a.<br />
tod 1.–5.12. 06<br />
Hagen Quartett<br />
Klangforum Wien<br />
Mozarteum Orchester<br />
Salzburg · Peter Ruzicka<br />
Jörg Widmann<br />
Östereichisches Ensemble<br />
für Neue Musik<br />
Nikolaus Harnoncourt<br />
Concentus Musicus u. a.<br />
dia oge<br />
tickets@mozarteum.at<br />
Kartenbüro der<br />
Internationalen Stiftung Mozarteum<br />
Theatergasse 2 · A-5020 Salzburg<br />
T +43-662-87 31 54 · F 87 44 54
September 05<br />
SPUREN VON FEUER Hans<br />
Im herkömmlichen Verständnis ist eine Tankstelle<br />
eine Tankstelle, eine Fabrik eine Fabrik<br />
und ein Kraftwerk ein Kraftwerk.<br />
In den letzten Jahren ist zu beobachten,<br />
dass die Werks- und Fertigungshallen großer<br />
Unternehmen für kulturelle Ereignisse zur<br />
Verfügung gestellt werden. Das bedeutet eine<br />
Veränderung im Verständnis künstlerischer<br />
Arbeit sowohl des Künstlers als auch der Rezeption<br />
des Publikums und eine Mobilisierung<br />
von Kunstperformance und –marketing.<br />
Die Trennung von Alltagsleben und kultureller<br />
Veranstaltung findet also nicht in eigens dafür<br />
gebauten und vorgesehenen „Kunstgebäuden“<br />
statt, sondern verlagert sich in den<br />
wirtschaftlichen Produktionsbereich. Dadurch<br />
wird Kunst offensichtlich zur „Ware“ und<br />
unterliegt in bestimmten Bereichen vermehrt<br />
auch den gängigen Markt- und Wettbewerbsmechanismen.<br />
Es gibt dazu in der Öffentlichkeit medial positive<br />
Ergebnisse, in bezug auf das Konsumverhalten<br />
allerdings negative.<br />
Kunst kennt nicht den „Sommer- oder Winterschlußverkauf“<br />
und nicht die „Nimm-drei-zahlzwei“-Strategie.<br />
Sie setzt zur Rezeption ein<br />
gewisses Grundmaß an Bildung und Interesse<br />
voraus. Diese ist beim Kauf von Waschmittel<br />
oder Socken nicht unbedingt notwendig.<br />
Kommerzialisierungen sind daher mit Vorsicht<br />
zu genießen. (Wir wissen noch nicht, welche<br />
Auswirkungen es z.B. auf kompositorischem<br />
Gebiet hat, wenn eine Oper für die Kristallwelt<br />
oder die Montagehalle bei Tyrolit geschrieben<br />
wird. Man weiß allerdings, dass es einen wesentlichen<br />
Einfluß hatte, ob Verdi für die Oper<br />
in Mailand oder Paris geschrieben hat).<br />
Ein weiterer nicht zu übersehender Punkt<br />
ist, dass sich die öffentliche Hand durch eine<br />
vermehrte finanzielle Beteiligung privater<br />
Unternehmen – nicht ungern – aus der Verantwortung<br />
zurückzieht. Kunst und Kultur ist aber<br />
nicht nur eine Angelegenheit von privaten Unternehmen,<br />
die sich das leisten (können oder<br />
wollen), sondern gehört zur Lebensbefindlichkeit<br />
einer Gesellschaft und ist daher eine res<br />
publica, eine öffentliche Sache. Noch dazu<br />
sich gerade die Politik, bei allen möglichen<br />
und unmöglichen Gelegenheiten mit Kultur<br />
und Besonderheiten der Kunst umgibt und<br />
schmückt und so eine uneingeschränkte<br />
Benützung bzw. Zurverfügungstellung signalisiert,<br />
die ihr überhaupt nicht zusteht und<br />
Augustin<br />
auch nicht der Budgetrealität entspricht. Weil<br />
sie aus Steuergeldern und nicht aus der Privatschatulle<br />
des Politikers bezahlt wurde.<br />
Diese im Grunde ungerechtfertigte Inbesitznahme<br />
bedarf einer Evaluierung.<br />
Kultur, als Ausdruck einer kreativen Reflexion<br />
und Inszenierung der Entwicklung einer<br />
Gesellschaft, muß im prinzipiellen Interesse<br />
eines Landes sein. Daher wären Ausbildung,<br />
Förderung und Bereitstellung öffentlicher<br />
Möglichkeiten für die Ausübung der Kunst und<br />
die Rezeption des kulturellen Wirkens weitestgehend<br />
aus öffentlichen Mitteln abzudecken.<br />
Die Integration privater Unterstützung – wie<br />
hoch sie auch sein mag – kann nur die Ausnahme,<br />
niemals die Regel sein.<br />
Ungeachtet dessen müssen Kulturschaffende<br />
und -vermittler diese Entwicklung – einer bis<br />
an die Schmerzgrenze reichenden Kommerzialisierung<br />
– zur Kenntnis nehmen, weil derzeit<br />
vorwiegend nur über diesen Mechanismus<br />
eine einigermaßen zufriedenstellende mediale<br />
Publikumsbindung und damit eine bessere<br />
Wirtschaftlichkeit erreicht wird.<br />
Die Überlegungen, das BioMasseHeizwerk<br />
„FeuerWerk“ der Unternehmensgruppe BinderHolz<br />
in Fügen als permanenten Kulturort<br />
zu etablieren, stellt in dieser Hinsicht eine<br />
Besonderheit dar. Einerseits weil es derzeit<br />
im Bereich Kraftwerk europaweit nichts Vergleichbares<br />
gibt und andererseits weil mit<br />
dieser Implantierung eines KulturRaumes<br />
völlig andere logistische aber auch inhaltliche<br />
Erfordernisse und Konsequenzen verbunden<br />
sind.<br />
Das „Kultur-Heizwerk“ stellt sich grundsätzlich<br />
auf zwei Ebenen dar:<br />
a) als architektonische Besonderheit, mit<br />
modernster technischer Ausstattung und<br />
dem Produkt dieser Energiefabrik in Form von<br />
Strom, Fernwärme und Pellets, als Modell für<br />
nachhaltige Energiewirtschaft in einer Region,<br />
die ein Übermaß an nachwachsendem<br />
Rohstoff – sprich Holz - für verschiedenste<br />
Anwendungen zur Verfügung hat.<br />
Und b) als KulturRaum mit einem kontinuierlichen<br />
Programm in Form von Ausstellungen<br />
(bildhauerischer und grafischer Auseinandersetzung),<br />
Konzerten (nicht nur mit Holzinstrumenten),<br />
Theateraufführungen und Lesungen<br />
sowie die Einbindung dieses KulturRaumes<br />
für Veranstaltungen wie z.B. jener der <strong>Klangspuren</strong><br />
etc.<br />
Dieser KulturRaum versteht sich auch als<br />
Anknüpfungspunkt für eine Renaissance der<br />
Verwendung des Werkstoffes Holz, der in<br />
den letzten Jahren einigermaßen ins Abseits<br />
gedrängt wurde. Besonders bei druckgrafischen<br />
Techniken wie Holzschnitt, weiters<br />
Papierkunst, dann die Verwendung von Holz<br />
als landschaftsgestaltendes Element, Entwicklung<br />
neuer Formen und Techniken im<br />
HolzWohnbau, sowie Holzdesign im Bereich<br />
Innenausbau, der Möblierung usw.<br />
Das Kraftwerk als KulturRaum ist insofern<br />
auch eine Besonderheit, als es dem gängigen<br />
Gebrauch von Mehrzwecksälen, Barocksälen,<br />
Schlössern, Landestheatern, Kirchenräumen<br />
und selbst Kellerbühnen etc. nicht entspricht.<br />
Auch nicht Werkhallen, die wochentags dem<br />
Produktionsprozeß dienen. Denn das „Feuer-<br />
Werk“ verfügt über eine eigene Galerie, einen<br />
Kinoraum sowie einen für Konzert und Theaterinszenierungen<br />
geeigneten Mediensaal.<br />
Kraftwerk als KulturRaum ist darauf ausgerichtet,<br />
eine eigenständige Marke und ein<br />
eigenständiger Begriff zu werden. Und es ist<br />
unerlässlich, langfristig und kontinuierlich den<br />
Wert dieser Einrichtung zu kommunizieren.<br />
Dass sich damit auch das Image des Unternehmens<br />
BinderHolz für den Kulturbereich<br />
verbindet, dürfte selbstverständlich sein.<br />
Ungeachtet der architektonischen Bedingungen<br />
und der fest definierten inhaltlichen<br />
Ausrichtung des Werkes durch seine Produkte<br />
(Strom, Fernwärme, Pellets), spiegelt das<br />
Programm den Akzent von Holz, als allseits<br />
bekannter und ökologisch dennoch besonderer<br />
Rohstoff, in bewusster Weise wider. Was<br />
nicht heißt, dass ein Konzert aus der Barockzeit<br />
nicht stattfinden darf.<br />
Zweifelsohne stellt dieses Angebot von Kultur<br />
auch eine Besonderheit in der Unternehmenskommunikation<br />
dar und wird auch im Rahmen<br />
von (internationalen) Messen aktiv und positiv<br />
einbezogen werden.<br />
In den vergangenen Jahren ist es der Unternehmensgruppe<br />
BinderHolz gelungen,<br />
ein kluges Zusammenwirken von Kunst<br />
und Wirtschaft zu ermöglichen. In den<br />
Produktionshallen des Werkes in Jenbach<br />
wurde Raum für Konzertveranstaltungen<br />
der <strong>Klangspuren</strong> geschaffen.<br />
spuren HOLZ<br />
Mit dem KulturKonzept „FeuerWerk“ im Biomasseheizwerk zeigt die Unternehmensgruppe BinderHolz in Fügen Mut für eine sehr<br />
ansprechende Verbindung von Kultur und Wirtschaft<br />
KUNST IM WIRTSCHAFTLICHEN<br />
PRODUKTIONSBEREICH<br />
EIN KRAFTWERK ALS<br />
KULTURRAUM<br />
BINDERHOLZ – MARKE EINER<br />
KULTURELLEN SENSIBILITÄT<br />
ALPENSINFONIE OP. 64<br />
IN DEN ALPEN<br />
13<br />
Mit dem Effekt, dass Produktionsraum, Komposition,<br />
Können der Musiker und Klangeffekt<br />
zu einem unvergleichlich interessanten Hörerlebnis<br />
wurden.<br />
Die Alpen waren lange vor der Überquerung<br />
und der teilweisen Inbesitznahme durch die<br />
Römer ein Refugium verschiedenster Ethnien,<br />
die sich mit den klimatischen und topografischen<br />
Bedingungen zu arrangieren wussten.<br />
Dazwischen ereignete sich die <strong>Tirol</strong>er Geschichte.<br />
Und erst Ende des 18. Jahrhunderts<br />
kamen durch spektakuläre Gipfelbesteigungen<br />
die Alpen wieder ins Gerede oder vielmehr in<br />
den Wunschhorizont von Forschern und anderen<br />
Einzelgängern. In diesem Fall auch Musikern,<br />
Schriftstellern und Malern.<br />
Der Gymnasiast Richard Strauss (1864-1949)<br />
schrieb 1879 aus den Ferien an einen Freund:<br />
„Neulich machten wir eine große Bergpartie<br />
auf den Heimgarten, an welchem Tage wir<br />
zwölf Stunden gingen. Die Partie war bis zum<br />
höchsten Grad interessant, apart und originell.<br />
Am nächsten Tage habe ich die ganze Partie<br />
auf dem Klavier dargestellt. Natürlich riesige<br />
Tonmalereien und Schmarrn“ (zitiert nach R.<br />
Wagner). Zweiunddreißig Jahre später begann<br />
der reife Komponist mit seiner letzten Sinfonischen<br />
Dichtung, die an diesen „Schmarrn“<br />
anknüpfte: „Eine Alpensinfonie“ – entstanden<br />
zwischen 1911 und 1915, uraufgeführt am 28.<br />
Oktober 1915 in Berlin.<br />
Die Idee der Alpensinfonie war, mit musikalischen<br />
Mitteln die Besteigung eines Alpengipfels<br />
und die Rückkehr ins Tal während eines<br />
Tages zu gestalten. Ein typisches Beispiel für<br />
Programmmusik. Der Zuhörer besteigt mit<br />
dem Komponisten einen Berg in den Alpen.<br />
Nur besteht dieser aus Noten.<br />
Fotos BinderHolz<br />
Im Grunde ist dieses Gemälde, das er mit<br />
15 Jahren skizzierte, eine Hommage an ein<br />
Naturereignis, dem sich nicht viele entziehen<br />
können.<br />
Man muß dem Lucerne Festival und dem<br />
Ensemble Modern Orchestra aus Frankfurt<br />
– ein Klangkörper wie ein Gebirge – mit seinem<br />
Dirigenten Markus Stenz danken, dass<br />
das Vorkonzert für die Aufführung in Luzern<br />
in der Lagerhalle von BinderHolz in Jenbach<br />
stattfinden konnte. Unter dem Dach moderner<br />
Holzindustriearchitektur erklang am 18.<br />
August 2005 die vom Ensemble Modern Orchestra<br />
beeindruckend interpretierte Alpensinfonie<br />
von Richard Strauss. Der Schlusspunkt<br />
seiner sinfonischen Dichtung. Und mit größter<br />
Sicherheit war diese Präsentation in seiner<br />
Qualität um kein Jota weniger alpin himmlisch<br />
als die Premiere in Luzern.<br />
Hans Augustin ist Schriftsteller, Journalist<br />
und Lektor, Publikationen in Literaturzeitschriften<br />
und im ORF.<br />
Feuer Werk Öffnungszeiten<br />
Di - So 10 - 18 Uhr<br />
Gruppen gegen Voranmeldung<br />
Tel 05288/601-550, Fax 05288/601-559<br />
www.binder-feuerwerk.com
14<br />
PARTNER spuren September 05<br />
TRANSART 05 Peter<br />
Jan Fabre, Angel of Death, performed by Ivana Jozic, Foto Wonge Bergmann<br />
TRANSART steht für ein regionales Festival<br />
zeitgenössischer Kultur zwischen Brenner<br />
und Rovereto. Gegründet wurde es auf einen<br />
Denkanstoß der <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong>: gemeinsam<br />
mit Maria-Luise Mayr und Thomas<br />
Larcher haben wir uns die Frage gestellt, ob<br />
es denn nicht auch in Südtirol ein Potential<br />
für ein Festival Neuer Musik samt innovativer<br />
Vermittlungsstrategien gäbe. Schnell wurde<br />
klar, dass es weder eine <strong>Klangspuren</strong>-Kopie<br />
noch eine -Filiale sein kann. So oft die Zusammenarbeit<br />
zwischen dem nördlichen und<br />
südlichen Teil <strong>Tirol</strong>s vor allem von politischer<br />
Seite her auch beschworen wurde und wird:<br />
die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen<br />
Realitäten sind doch sehr unterschiedlich.<br />
Wir entschieden uns für einen eigenen Zuschnitt,<br />
einen eigenen Namen und Verein.<br />
Die positiven <strong>Klangspuren</strong>-Erfahrungen – mit<br />
ungewöhnlichen Hör- und Schauplätzen, mit<br />
Kommunikationsstrategien jenseits etablierter<br />
Inseratenwerbung sowie mit begeisterten<br />
Entscheidungsträgern aus der Privatwirtschaft<br />
– waren Ausgangspunkt für die De-finition der<br />
TRANSART-Formel. Dank engster programmatischer<br />
Zusammenarbeit mit den <strong>Klangspuren</strong><br />
konnte in kürzester Vorlaufzeit – von etwa<br />
4 Monaten – TRANSART 2001 in der Bozner<br />
Industriezone aus der Taufe gehoben werden.<br />
Der Erfolg war groß und hat Mut zur Arbeit an<br />
zeitgenössischer Kulturvermittlung gemacht<br />
– mit einem wesentlichen Unterschied zu den<br />
<strong>Klangspuren</strong>: vermitteln diese in erster Linie<br />
reine Musikprogramme, setzt TRANSART auf<br />
einen spartenübergreifenden Kulturbegriff.<br />
Südtirol hat in den letzten 15 Jahren einen<br />
beachtlichen Aufschwung zeitgenössischer<br />
Kultur vor allem im Bereich der darstellenden<br />
Künste erlebt; man denke nur an das Museion<br />
Bozen, an ar/ge kunst Bozen, an kunstmeran<br />
und darüber hinaus an das Mart in Rovereto<br />
und jüngst auch an die städtische Galerie in<br />
Trient; da gab und gibt es viele Projekte, die<br />
Paul Kainrath<br />
PARTNERFESTIVAL DER KLANGSPUREN SCHWAZ · WWW.TRANSART.IT / 15.9.-9.10.2005<br />
Foto Chris Watson, Thailand<br />
auch im internationalen Konzert der Ausstellungen<br />
Beachtung finden. Und eben da<br />
will TRANSART sein Publikum abholen: der<br />
Museionsbesucher ist bei Neuer Musik in der<br />
Regel vorurteilsfreier als der Haydnorchesterabonnent;<br />
öffnet man ihm die Tür mittels<br />
einer vertrauten Künstlerpersönlichkeit, ist er<br />
auch bereit, sich neugierig und offen neuen<br />
Tönen zu stellen. Marina Abramovic, Kendell<br />
Geers, Saburo Teshigawara, Lisa D und andere<br />
Nicht-Musiker haben TRANSART zu einem<br />
generations- und spartenübergreifenden Publikum<br />
verholfen, das in dieser Konstellation<br />
und in dieser Region wohl kaum anderswo zu<br />
finden ist.<br />
Nach vier Ausgaben war es nun an der Zeit,<br />
die Neue Musik – also den eigentlichen Anlass<br />
unserer ersten Gründungsüberlegungen<br />
– ins Zentrum von TRANSART 05 zu stellen:<br />
vom rockenden Absolute Ensemble aus<br />
New York über das uraufführungsreichste<br />
Streichquartett Arditti aus London bis hin zum<br />
heimischen Haydnorchester samt DJ aus<br />
Caracas spannen sich die Klangbögen, vom<br />
japanischen Noisetheater in der Kraftwerkszentrale<br />
bis hin zum amerikanischen Minimalmusic-Horizont<br />
reicht das Spektrum der dynamischen<br />
Extreme, und von der klingenden<br />
Müllhalde bis hin zum Märchenbild öffnet sich<br />
das Kinderprogramm „play transart“ dem Publikum<br />
von Morgen; darüber hinaus artikuliert<br />
sich die Grenzüberschreitung der einzelnen<br />
Gattungen von kanadischen Videopionieren<br />
über schwedisches Theater im Zeichen einer<br />
Geheimdienstpsychologie bis hin zu deutschen<br />
Multimedialisten.<br />
Dem Pathos nicht gänzlich abgeneigt behaupten<br />
wir: TRANSART ist und bleibt das<br />
Abenteuer zeitgenössischer Kultur.<br />
Peter Paul Kainrath ist künstlerischer Leiter<br />
von TRANSART und den <strong>Klangspuren</strong> <strong>Schwaz</strong><br />
DONNERSTAG 15.9. transart opening > music .<br />
Bozen. Bahnhofsremise . Officine FS . Schlachthofstr. 24 . 20.30 Uhr<br />
Bernhard Lang . DW 8 for looped Orchestra and two Turntables . Jorge Sánchez - Chiong . trapos<br />
/ Catwalk en Guantànamo IE/PI . Orchestra Haydn Orchester .<br />
FREITAG 16.9. Transart clubbing > electronics .<br />
Bozen. Bahnhofsremise . Officine FS . Schlachthofstr. 24 . 22 Uhr<br />
devious behaviour . Dieb 13 . Sudden Infant . Jorge Sánchez-Chiong . Wang Inc. . Special Guest:<br />
Darren Price/Underworld .<br />
SAMSTAG 17.9. art . video . music .<br />
Bruneck. Lagerhalle Lodenfabrik Moessmer. Walther-von-der Vogelweidestr. 6 . 20.30 Uhr<br />
Bornefeld_Kammerer_Riant . saint sain sein . Skoltz_Kolgen . Flux :/terminal<br />
DIENSTAG 20.9. music<br />
Eppan. Lanzerhaus . Johann Georg Platzer Str. 22-24 . 20.30 Uhr<br />
Luigi Nono .. Jonathan Harvey . Arditti Quartet . IRCAM Technik<br />
MI 21.9. / DO 22.9. film<br />
Bozen. Filmclub . Dr. Streitergasse 6 . 17 Uhr . 20.30 Uhr . Matthew Barney . Cremaster Cycle<br />
FREITAG 23.9. music<br />
Bozen. Selectra . Pacinottistr. 11 . 20.30 Uhr<br />
Absolute/Zappa® . Absolute Ensemble . Kristjan Järvi .<br />
MONTAG 26.9. music<br />
Bozen. Dominikanerkirche . Dominikanerplatz . 20.30 Uhr<br />
Latvian Chamber Choir . Rigas Kamermuziki<br />
MITTWOCH 28.9. theatre . video . music .<br />
Bozen. Gärtnerei Schullian. Meranerstr. 75 20.30 Uhr . Chris Watson . Weather Report . Radian<br />
FREITAG 30.9. Transart_cocktail night > electronics . noise<br />
Kastelbell. Wasserkraftwerk Seledison 20.30 Uhr<br />
DJ Spooky . Next Step. Electric project . Tetsuo Furudate . Music against Turbines<br />
SONNTAG 2.10. music . video . dance .<br />
Bozen. Arte . Esperantostr. 3 20.30 Uhr<br />
Christian Ziegler . Turned . Kazue Ikeda . Sean Reed . Florian Meyer . IE/PI<br />
MITTWOCH 5.10. theatre . music . dance<br />
Trento . Museo Gianni Caproni . 20.30 Uhr . Troubleyn/Jan Fabre . Angel of Death<br />
DONNERSTAG 6.10. theatre . sound .<br />
Bozen. Alumix . Voltastr. 11 . 20.30 Uhr<br />
Carl Michael Von Hausswolff . Physical interrogation techniques<br />
SAMSTAG 8.10. theatre . music . dance<br />
Bozen. Neues Stadttheater . Verdi Platz 40 . 20.30 Uhr . Troubleyn/Jan Fabre . Angel of Death .<br />
SA 8.10. / SO 9.10. film<br />
Rovereto . MART . corso Bettini 43 . 17 Uhr . 20.30 Uhr . Matthew Barney . Cremaster Cycle<br />
SONNTAG ST 120-02_127,5x67,4_4Wo_schwaz 9.10. video 08.08.2005 . music . 16:39 Uhr Seite 1<br />
St. Lorenzen Innerhofer . Bruneckerstr. 14 . 20.30 Uhr<br />
Jean Pichè & Purform . Elektra Festival Canada . IE/PI<br />
4 Wochen gratis lesen:<br />
www.derStandard.at/Abo oder 0810 /20 30 40<br />
4 Wochen<br />
gratis lesen.<br />
Die Zeitung für Leser
September 05<br />
KLANGSPUREN ZUGABE<br />
DONNERSTAG 8.9.<br />
Cinematograph · Innsbruck · 19.00 Uhr<br />
STUMMFILMPIONIERINNEN BEGLEITET VON<br />
CORDULA BÖSZE<br />
kinovi[sie]on – ein Projekt des Otto-Preminger-Instituts<br />
(Leokino/Cinematograph) – stellt einmal monatlich<br />
(jeweils am 8.) das Filmschaffen von Frauen in den<br />
Mittelpunkt. Der Filmzyklus kinovi[sie]on will nicht nur<br />
darauf aufmerksam machen, dass Frauen als Filmema-<br />
Cordula Bösze<br />
cherinnen signifikant unterrepräsentiert sind, sondern<br />
vor allem dieser Tatsache entgegenwirken. Der so genannte<br />
„weibliche Blick“ wird nicht auf typische Themen fokussiert, sondern geweitet, gesplittert<br />
gesehen. kinovi[sie]on stellt ein Prisma dieses Blicks dar und bietet der oft kontroversiellen<br />
Vielfältigkeit des Filmschaffens von Frauen Raum. Im September 2005 würdigt kinovi[sie]on die<br />
Pionierinnen der Filmkunst, deren Werke leider oft in Archiven verstauben oder in Kellern von<br />
Kleinverleihen schlummern und dem Kinopublikum kaum zugänglich gemacht werden. Zu sehen<br />
sind Kurzfilmraritäten von Louis Weber (A JAPANESE IDYL), Lotte Reiniger (DORNRÖSCHEN)<br />
und Alice Guy-Blaché (A HOUSE DIVIDED), die bereits 1896 ihren ersten Film realisiert hatte.<br />
Künstlerischer Höhepunkt dieses Programms ist Germain Dulacs LA COQUILLE ET LE CLERGY-<br />
MAN (Die Muschel und der Kleriker), der erste surrealistische Film der Filmgeschichte. Für die<br />
Vertonung dieses Stummfilmprogramms sorgt Cordula Bösze mit innovativer Live-Improvisation<br />
(an der Schnittstelle Elektronik – Neue Musik).<br />
Cordula Bösze: Studium Querflöte/Konzertfach an der Wiener Musikhochschule; 1995 Gründung<br />
des “böszen salonorchesters” zur Verursachung und Aufführung zeitgenössischer Salonmusik;<br />
seit 1997 vor allem Projekte im Bereich der frei improvisierten Musik und der Elektronik; 2004<br />
Butch Morris Ensemble “Conduction 140” (Konfrontationen, Nickelsdorf); 2005 Chris Burn‘s<br />
Ensemble (Generator, Konzerthaus Wien).<br />
Infos www.leokino.at, Kontakt: Gerlinde Schwarz/Gertraud Eiter, kinovisieon@leokino.at<br />
Georg Friedrich Haas, Foto Dave Bullock<br />
FREITAG 9.9.<br />
Foyer Tennishalle · <strong>Schwaz</strong> · 10.00 Uhr<br />
GENERALPROBENBESUCH BEIM TIROLER SYMPH-<br />
ONIEORCHESTER INNSBRUCK BLÄSERENSEMBLE<br />
DER SWAROVSKI MUSIK WATTENS · JAZZORCHES-<br />
TER TIROL mit Reinhard Schulz · € 5,00 (beim Kauf<br />
einer Eintrittskarte für das Abendkonzert ist der Generalprobenbesuch<br />
frei)<br />
SAMSTAG 10.9.<br />
Löwenhaus · Innsbruck · 14.00<br />
GEFÜHRTE HÖRFLOSSFAHRT am Inn von Innsbruck<br />
nach <strong>Schwaz</strong> mit Karin Pegoraro und Manfred Föger<br />
(Technisches Büro für Biologie und Landschaftsökologie)<br />
· Dauer ca. 3,5 Stunden · € 26,00 (bei starkem<br />
Regen Ersatztermin) · anschließend gemeinsames<br />
Abendessen und Konzertbesuch von Windkraft <strong>Tirol</strong> ·<br />
Rückfahrt mit Shuttlebus<br />
Hören – Nichthören – Andershören. Eine vertraute Landschaft aus neuer Perspektive entdecken...<br />
Mit Antritt der Floßfahrt verlassen wir die alltägliche Klangwelt und tauchen ein in die<br />
Klanglandschaft Inn. Der Lauf des Wassers mit all seiner Kontinuität und allen seinen Unregelmäßigkeiten<br />
– Flusswindungen, Steine am Ufer, Brückenpfeiler – bestimmt, was wir hören. Die<br />
bekannten Klänge des Ufers werden verändert, Leises geht im Rauschen und Plätschern unter,<br />
Lauteres wird verfremdet und ist kaum mehr erkennbar. War es wirklich ein bellender Hund, das<br />
Rufen spielender Kinder oder doch etwas ganz anderes? Die tierischen Bewohner des Inns müssen<br />
in ihrem Leben mit dieser Klangumwelt zurecht kommen. Die Stimmen von Flussvögeln sind<br />
hoch und scharf, sie durchdringen das Rauschen. Wie sonst wäre hier Kommunikation möglich?<br />
Andere Tiere hingegen wollen nicht wahrgenommen werden und führen an den Ufern ein akustisch<br />
verstecktes, oft auch nächtliches Leben. So wirkt der Fluss auf seine Lebensgemeinschaften<br />
und sein Umfeld. Doch dieser Prozess ist keine Einbahn; die Laute der Umgebung dringen<br />
ihrerseits in die Welt des Flusses ein. Und weil wir auf dem Floß unterwegs sind, nehmen wir<br />
an diesen Wechselbeziehungen teil. Erst aus der Gesamtheit aller Klänge entsteht die komplexe<br />
Klanglandschaft Fluss.<br />
Was genau werden wir hören? Dies lässt sich nicht vorhersehen. Ist der Fluss nach einem<br />
nächtlichen Gewitter wild und rauschend oder nach einer Trockenperiode sanft und zart? Rufen<br />
wandernde Zugvögel über uns oder springt eine Forelle aus dem Wasser und taucht wieder platschend<br />
in die kalten Fluten ein? Und außerdem bleibt das Klangerlebnis stets ein Sachverhalt der<br />
Wahrnehmung... und damit zutiefst subjektiv! (Karin Pegoraro/Manfred Föger)<br />
Ninja Turtle<br />
MONTAG 12.9.<br />
Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong> · 18.00<br />
SINNESWANDERUNG · Wir beginnen mit einer Führung<br />
durch den duftenden Klostergarten, die Franziskanerkirche<br />
und den Friedhof mit Guardian Pater<br />
Florenz Graf und setzen die Führung durch den Kreuzgang<br />
mit Restaurator Wolfgang Götzinger fort.<br />
Aus welcher Zeit wohl der abgebildetet Ninja Turtle<br />
stammt?<br />
Wir sind neugierig, ob sie ihn entdecken · € 5,00<br />
spuren KLANG<br />
16.-18. SEPTEMBER<br />
15<br />
Das Literaturfestival Sprachsalz in Hall in <strong>Tirol</strong><br />
SPUREN VON SALZ UND DER KLANG DER SPRACHE<br />
„Hören heißt differenzieren“ war in der Mai-Ausgabe<br />
der <strong>Klangspuren</strong>-Zeitung zu lesen: Was für Musik gelten<br />
mag, ist auch für die Literatur gültig. Nicht wenige Texte<br />
entfalten erst beim Vorlesen ihren Klang, und wenn der<br />
Autor/die Autorin selbst liest, kommt ein ganz spezieller,<br />
unverwechselbarer Ton dazu.<br />
Sprachsalz gibt seit drei Jahren den Büchern und Texten<br />
Foto M. Kauz<br />
Klang und Stimme. Mehr als 3000 BesucherInnen machten<br />
Sprachsalz letztes Jahr ihre Aufwartung, was belegt, dass Literatur eine stimmige Alternative<br />
zu bieten vermag in einer Zeit, wo der Mensch von Lärm überflutet wird.<br />
Auch dieses Jahr lesen im Verlauf dreier Tage rund 20 AutorInnen aus ihren Büchern. Die FestivalbesucherInnen<br />
können auswählen: Prosa, Lyrik, ins Deutsche übersetzte Werke oder Arbeiten<br />
in Originalsprache. Das Parkhotel und Kurhaus in Hall in <strong>Tirol</strong> bieten den gewohnt vornehmen<br />
Rahmen, Eintritt wird keiner erhoben.<br />
Ein besonderer Gast ist dieses Jahr der japanische Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe, der<br />
sein neues Buch „Tagame. Tokio-Berlin“ bei Sprachsalz vorstellen wird. Zudem sind viele andere<br />
ErzählerInnen wie Edgar Hilsenrath oder die Französin Leslie Kaplan zu hören.<br />
AutorInnen bei Sprachsalz: Friedrich Achleitner, Österreich. Diane Broeckhoven, Belgien. Christoph<br />
W. Bauer, Österreich. Ira Cohen, USA. Antonio Fian, Österreich. Takashi Hiraide, Japan.<br />
Edgar Hilsenrath, Deutschland. Leslie Kaplan, Frankreich. Peter Kurzeck, Deutschland. Pedro<br />
Lenz, Schweiz. Colum Mc Cann, USA. Kenzaburo Oe, Japan. Ilma Rakusa, Schweiz. Gerhard<br />
Falkner, Deutschland. Ales Steger, Slowenien. Florian Vetsch, Schweiz. Elisabeth Wandeler-<br />
Deck, Schweiz. Josef Winkler, Österreich. Peter Zilahy, Ungarn. (Magdalena Kauz)<br />
Mehr Infos unter www.sprachsalz.com<br />
SAMSTAG 24.9.<br />
Naturhotel Grafenast · Hochpillberg · Treffpunkt<br />
Foyer · 13.00<br />
PILZWANDERUNG AUF DEN SPUREN VON JOHN<br />
CAGE · mit Hansjörg Unterlechner und Reinhard Schulz<br />
anschl. gemeinsames Zubereiten und Essen · € 7,00<br />
SONNTAG 25.9.<br />
Pfarrkirche Maria Himmelfahrt · <strong>Schwaz</strong> · 15.00<br />
HÖRSPAZIERGANG mit Bürgermeister Hans Lintner<br />
durch <strong>Schwaz</strong>er Keller und Dachböden · FÜHRUNG<br />
durch das Rabalderhaus mit Otto Larcher · Dauer ca. 1,5<br />
- 2 Stunden · € 5,00<br />
Der Wind im Grafenbogen, eine <strong>Schwaz</strong>er Sage<br />
Es gibt oft seltsame Freundschaften auf dieser schönen<br />
Erde. Was ist da weiter verwunderlich, dass der Teufel<br />
an dem hurtigen Wind Gefallen fand und beide recht<br />
gute Freunde wurden. Der Wind ist ein recht beweglicher, lustiger Geselle mit viel krausen<br />
Schnurren im leichtsinnigen Kopf, und der Teufel hatte am vielfältigen Possenspiel seines behänden<br />
Freundes die helle Freude. Da gingen dereinstmals der Wind und sein höllischer Kumpan<br />
in schönster Eintracht vom Dorf herein gegen das Fuggerhaus. Wie die beiden Freunde zum<br />
Grafenbogen kamen, der das Haus der Grafen Enzenberg mit der Pfarrkirche „Zu Unserer lieben<br />
Frau“ verbindet, fiel dem Teufel eine wichtige Besorgung ein, er entschlüpfte hastig in das Palais<br />
und hieß den Wind unterm Bogen warten. Der Teufel vergaß im Eifer seiner satanischen Geschäfte<br />
völlig auf den wartenden Freund, er geriet in die Gaststube des Grafenecks. Dort spielte<br />
gerade eine Watterrunde, der Teufel witterte erfreut eine günstige Gelegenheit und schwang<br />
sich auf den Ofen. Die edle Runde war in einem hitzigen Streit verwickelt, denn Gotteswort und<br />
Watterstreit dauern fort in Ewigkeit, und spürte nicht den höllischen Odem, der vom grünen<br />
Kachelofen herunterfauchte. Der Teufel hatte seinen Freund, den Wind, ganz und gar vergessen.<br />
Doch der Streit war ihm zu lang und die Aussicht auf einen fetten Brocken zu ungewiss; er fuhr<br />
wütend durch den Kamin aus dem Haus und geradewegs in den höllischen Pfuhl. Das war nicht<br />
schön von ihm. Der Wind wartete geduldig auf den vergesslichen Teufel, der ließ sich nicht mehr<br />
sehen. Das verdross zwar den getreuen Freund ein wenig, das Warten gab er aber nicht auf. Er<br />
wartete und wartete. Und er wartet heute noch immer. Noch immer wartet der leichfüßige Wind<br />
auf den Teufel, der ihn so schnöd verlassen hat, und wandelt wie eine pflichtgetreue Schildwache<br />
unterm Grafenbogen hin und her. Wenn du durch diesen Bogen gehst, dann begegnest du<br />
in diesem alten <strong>Schwaz</strong>er Winkel todsicher zu jeder Tageszeit dem Wind, der seit alten Zeiten<br />
unablässig hin und her wandert und auf den ungetreuen Freund wartet.<br />
(aus: Sagen aus <strong>Schwaz</strong>, ausgewählt und erzählt von Ludwig Knapp, <strong>Schwaz</strong> 2004)<br />
KLANGSPUREN WELTWEIT UNTERWEGS<br />
15.9. Eröffnung TRANSART · Eintritt für <strong>Klangspuren</strong> Generalpassbesitzer frei<br />
30.9. Konzert THE NEXT STEP und DJ Spooky · Festival TRANSART in Kastelbell/Südtirol<br />
10.10. - 16.10. Lettland und Litauen Tournee mit Windkraft · Arena und Gaida Festival<br />
Abflug 10.10. Rückkehr 16.10.<br />
5.11. Symposion 7 Stunden Wein und Musik · Weingut Alois Lageder<br />
August 2006 Wir fahren auch wieder nach Gstaad zum Menuhin Festival<br />
Buchung und Information: <strong>Klangspuren</strong> T +43 5242 73582
<strong>klangspuren</strong> 05<br />
9/9/05-25/9/05 schwaz/tirol<br />
www.<strong>klangspuren</strong>.at<br />
main sponsor: swarovski kristallwelten<br />
FESTIVALPROGRAMM<br />
fr 9.9. · Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />
20.00 TIROLER SYMPHONIEORCHESTER INNSBRUCK · BLÄSERENSEMBLE DER<br />
SWAROVSKI MUSIK WATTENS · JAZZORCHESTER TIROL · DIRIGENTEN · OLARI ELTS ·<br />
FRANZ SCHIEFERER · CELLO · LUCAS FELS · GITARRE · RIHO SIBUL · Tadeusz Wielecki<br />
· Schwärme · UA · G.F.Haas · Konzert für Violoncello und Orchester (2004) · ÖE · Witold<br />
Lutoslawski · Fanfaren I, II, III · Erkki-Sven Tüür · Sinfonie Nr. 5<br />
sa 10.9. · Ausstellungseröffnung der Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong><br />
18.30 VERNISSAGE · ERÖFFNUNGSAUSSTELLUNG „NEUE FREUNDE“ Ulla von Brandenburg<br />
· Anna Jermolaewa · Gelatin · Markus Schinwald · Nicoletta Stalder · Andreas Slominski<br />
· Charly Tweed · Dauer der Ausstellung: 10.9.-29.10.05 · Galerie der Stadt <strong>Schwaz</strong> ·<br />
Palais Enzenberg · Franz-Josef-Straße 27 · A-6130 <strong>Schwaz</strong> · Tel +43-(0)5242-73983 ·<br />
www.galeriestadtschwaz.at · Öffnungszeiten: Mi 10 bis 19 Uhr, Dr/Fr 13 bis 19 Uhr,<br />
Sa 10 bis 13 Uhr<br />
sa 10.9. · Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />
20.00 WINDKRAFT – KAPELLE FÜR NEUE MUSIK · DIRIGENT · KASPER DE ROO · SAXO-<br />
PHON · MARCUS WEISS · SWAROVSKI MUSIK WATTENS · Johannes Maria Staud ·<br />
Violent Incidents (Hommage à Bruce Nauman) UA · Edgar Varese · 0ctandre · Christof<br />
Dienz · Mob · Concertino für Bläserensemble und Blaskapelle · UA · Iannis Xenakis ·<br />
Akrata · Ewa Trebacz · Ephemere · UA<br />
so 11.9. · Autohaus Picker · <strong>Schwaz</strong><br />
11.00 TADEUSZ WIELECKI · JOANNA WOZNY · REINHARD SCHULZ · GESPRÄCH · GITARREN<br />
MICHAEL UND MARTIN ÖTTL · GUNTER SCHNEIDER · SCHLAGWERK · THE NEXT<br />
STEP · Joanna Wozny · Zum unberührten Schnee im fahlen Mondlicht für vier Schlagzeuger<br />
· Thomas Amann · Atti‘s Finger · UA · Joanna Wozny · UA · Beat Furrer · ...y a una<br />
canción desesperada für drei Gitarren · Witold Lutoslawski · Bukoliki bearbeitet für Gitarre<br />
· Haimo Wisser · Karikatüden<br />
so 11.9. · Aula SoWi · Innsbruck<br />
19.30 GUNTER SCHNEIDER HÖRT HELMUT LACHENMANN<br />
20.00 ENSEMBLE MODERN · DIRIGENT · BRAD LUBMANN · BRATSCHE · WERNER DICKEL ·<br />
HELMUT LACHENMANN ZUM 70. GEBURTSTAG · Helmut Lachenmann · Mouvement<br />
· Luigi Nono · Canti per 13 · Bernhard Gander · Die Orpheus-Akte · Doppelkonzert für<br />
Klavier und Bratsche · UA · Helmut Lachenmann · Concertini · ÖE<br />
mo 12.9. · Mariensaal Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong><br />
20.00 HELMUT LACHENMANN · ROLAND DIRY · GESPRÄCH · GITARREN · BARBARA<br />
ROMEN · GUNTER SCHNEIDER · Helmut Lachenmann · Salut für Caudwell für zwei<br />
Gitarristen<br />
di 13.9. · Wirtschaftskammer · <strong>Schwaz</strong><br />
20.00 ABSCHLUSSKONZERT INTERNATIONALE ENSEMBLE MODERN AKADEMIE · Helmut<br />
Lachenmann · Programm auf Ansage<br />
mi 14.9. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />
20.00 PIERRE-LAURENT AIMARD · TAMARA STEFANOVICH · KLAVIER · ZUM 80. GEBURTS-<br />
TAG VON PIERRE BOULEZ · DAS KLAVIERWERK · Structures IIa pour deux pianos ·<br />
Douze Notations, 1945 · First Sonata, 1946 · Second Sonata, 1948 · Third Sonata, 1955-<br />
1957 · Incises, 1994<br />
fr 16.9. · Treibhaus · Innsbruck<br />
21.00 45 LEHRLINGE · THE NEXT STEP · DJ WAZ EXP · ALEX MAYER · Dinkhauser Remixed ·<br />
MPREIS Remixed · Swarovski Remixed · Tyrolit Remixed · CD-Präsentation · In Zusammenarbeit<br />
mit KulturKontakt Austria<br />
22.00 MARTIN PHILADELPHY UND FREUNDE · Karl Ritter · Burkhard Stangl · Martin<br />
Siewert · Christof Dienz · Didier Hampl · Lukas Ligeti · PAINT · Eine Alte Dame Geht Heute<br />
Ein · In Zusammenarbeit mit Sprachsalz Hall<br />
sa 17.9. · Das Hotel – Salzlager · Hall<br />
18.00 WOLFGANG MITTERER · PRÄPARIERTES KLAVIER UND ELECTRONICS · BARITON ·<br />
GEORG NIGL · Wolfgang Mitterer · Improvisation über „langsam mahlen“ · Wolfgang<br />
Mitterer · Liederzyklus „Im Sturm“ · In Zusammenarbeit mit Sprachsalz Hall u. Landesausstellung<br />
05<br />
so 18.9. · Feuerwerk Binderholz · Fügen · ACHTUNG ORTSÄNDERUNG!<br />
19.30 LESUNG · AMANDA AIZPURIETE · In Zusammenarbeit mit dem Literaturforum <strong>Schwaz</strong><br />
20.45 NEUE VOCALSOLISTEN STUTTGART · Andreas Dohmen · Portraits und Wiederholung ·<br />
Georg Friedrich Haas · 3 Liebesgedichte nach Texten von August Stramm · UA · Gerhard<br />
E. Winkler · Meduse I · UA · Fredrik Zeller · Lautverschiebung · Bert Breit · all mein lieb ·<br />
Bert Breit · bittrer winter · Bert Breit · Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöret<br />
di 20.9. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />
20.15 GUITAR UNLIMITED · GITARREN · GUNTER SCHNEIDER · MAGNUS ANDERSSON ·<br />
WERNER RADITSCHNIG · BURKHARD STANGL · FLORIAN KMET · TETUZI AKIYAMA ·<br />
I. Installation · II. Konzert · Brian Ferneyhough · Kurze Schatten II · Tetuzi Akiyama · Time<br />
Between · Burkhard Stangl · Writing · Florian Kmet · Die schwebende Jungfrau · Werner<br />
Raditschnig · Kanonak · III. Improvisation<br />
mi 21.9. · Kirche St. Martin · <strong>Schwaz</strong><br />
19.30 GEORG FRIEDRICH HAAS HÖRT LUIGI NONO<br />
20.00 ARDITTI QUARTET · Luigi Nono · Fragmente – Stille, an Diotima · Georg Friedrich Haas ·<br />
2. Streichquartett · Helmut Lachenmann · Streichquartett Nr. 3 – Grido<br />
do 22.9. · ADLER-Forum · ADLER-Werk Lackfabrik · <strong>Schwaz</strong><br />
19.30 LESUNG · ANDRZEJ STASIUK · CELLO · ANDRZEJ BAUER · SCHLAGWERK · THE NEXT<br />
STEP · Ewa Trebacz · Spinning Zone for percussion trio and computer realized sound ·<br />
Cezary Duchnowski · The Beard On The Cello, Peakam~ & Samples · UA · Michal Talma-<br />
Sutt · Cellotronicum · In Zusammenarbeit mit dem Literaturforum <strong>Schwaz</strong><br />
fr 23.9. · Aula SoWi · Innsbruck<br />
20.00 RIGAS KAMERMUZIKI · DIRIGENT · NORMUNDS SNE · GITARRE · TERJE RYPDAL ·<br />
Gundega Smite · Yellow-Red-Blue · UA · Eriks Esenvalds · Frontiers of the Time · Michal<br />
Talma-Sutt · Strings‘O‘tronic· UA · Terje Rypdal · Escalator – Lux Aeterna · Terje Rypdal ·<br />
Horizon · Terje Rypdal · Whenever I seem to be far away<br />
sa 24.9. · Alte Pfarrkirche hl. Laurentius · Wattens<br />
20.00 ENSEMBLE RECHERCHE · SÄNGER · DEJAN TRKULJA · Georg Friedrich Haas · tria ex<br />
uno · Peter Jakober · Für 8 MusikerInnen · UA · Slobodan Kajkut · 10 Min. für 2000 Euro ·<br />
UA · Christian F. Schiller · un · UA · Georg Friedrich Haas · Nach-Ruf ... entgleitend ...<br />
so 25.9. · Haus der Völker · Kirche St. Martin · <strong>Schwaz</strong><br />
19.30 GEORG FRIEDRICH HAAS · RAOUL SCHROTT · GESPRÄCH<br />
20.30 LETTISCHER RADIO-CHOR · QUINTETT RIGAS KAMERMUZIKI · SCHLAGWERK · THE<br />
NEXT STEP · DIRIGENT · KASPARS PUTNINS · BASSTUBA · TOM WALSH · Helmut Lachenmann<br />
· Consolation II für Chor · Andris Dzenitis · Four Madrigals by E.E. Cummings<br />
· Eriks Esenvalds · Legende de la Femme Enmuree · UA · G.F. Haas · Blumenstück für<br />
Chor, Streichquintett und Basstuba · Maija Einfelde · At the Edge of the Earth · Helmut<br />
Lachenmann · Consolation I für Chor und vier Schlagzeuger<br />
ZUGABE<br />
fr 9.9. · Foyer Tennishalle · <strong>Schwaz</strong><br />
10.00 GENERALPROBENBESUCH beim <strong>Tirol</strong>er Symphonieorchester Innsbruck mit Reinhard<br />
Schulz · € 5,00 (beim Kauf einer Eintrittskarte für das Abendkonzert ist der Generalprobenbesuch<br />
frei)<br />
sa 10.9. · Löwenhaus · Innsbruck<br />
14.00 GEFÜHRTE HÖRFLOSSFAHRT am Inn von Innsbruck nach <strong>Schwaz</strong> mit Karin Pegoraro<br />
und Manfred Föger (Technisches Büro für Biologie und Landschaftsökologie) · Dauer ca.<br />
3,5 Stunden · € 26,00 (bei starkem Regen Ersatztermin) · anschließend gemeinsames<br />
Abendessen und Konzertbesuch von Windkraft <strong>Tirol</strong> · Rückfahrt mit Shuttlebus<br />
mo 12.9. · Franziskanerkloster · <strong>Schwaz</strong><br />
18.00 SINNESWANDERUNG · Führung durch den Klostergarten, die Franziskanerkirche und<br />
den Friedhof mit Guardian Pater Florenz Graf · Führung durch den Kreuzgang mit Restaurator<br />
Wolfgang Götzinger · € 5,00<br />
sa 24.9. · Naturhotel Grafenast · Hochpillberg<br />
13.00 PILZWANDERUNG · AUF DEN SPUREN VON JOHN CAGE · mit Hansjörg Unterlechner und<br />
Reinhard Schulz · anschl. gemeinsames Zubereiten und Essen · € 7,00<br />
so 25.9. · Pfarrkirche Maria Himmelfahrt · <strong>Schwaz</strong><br />
15.00 HÖRSPAZIERGANG mit Bürgermeister Hans Lintner durch <strong>Schwaz</strong>er Keller und Dachböden<br />
· FÜHRUNG durch das Rabalderhaus mit Otto Larcher · € 5,00<br />
sa 5.11. · Casòn Hirschprunn · Weingut Alois Lageder · Margreid Südtirol<br />
17.00 SYMPOSION · EINE HOMMAGE AN PLATON · 7 STUNDEN WEIN UND MUSIK ·<br />
KLANGFORUM WIEN · DIRIGENT N.N. · EIN RAUSCH IN ACHT ABTEILUNGEN · Franco<br />
Donatoni · Arpege · György Kurtág · signs, games and messages · Michael Jarrell · Assonance<br />
III · Alain Poncart · Bläserquintett · Pierre Boulez · Dérive · Beat Furrer · Spur ·<br />
Alvin Lucier · Silver Streetcar · Iannis Xenakis · Psappha · Salvatore Sciarrino · Gesualdo<br />
– Bearbeitung 1 · Georg Friedrich Haas · Nach-Ruf...ent-gleitend... · Salvatore Sciarrino ·<br />
Gesualdo – Bearbeitung 2 · György Ligeti · 10 Stücke für Bläserquintett · Bernhard Gander<br />
· Neues Werk · Peter Ablinger · Membrane · Terry Riley · In C · € 70,00 · In Zusammenarbeit<br />
mit Transart<br />
KLANGSPUREN BARFUSS · KINDERPROGRAMM<br />
sa 3.9. · Rabalderhaus · <strong>Schwaz</strong><br />
16.00 DIE WELT DER FARBEN mit Helmut Dirnaichner · 6-10 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
fr 9.9 · Ort und Uhrzeit werden noch bekannt gegeben<br />
PROBENBESUCH bei Windkraft <strong>Tirol</strong> · ab 8 Jahre · Dauer ca. 30 Minuten · Eintritt frei<br />
fr 16.9. · ORF <strong>Tirol</strong> kulturhaus · Innsbruck<br />
17.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />
Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
sa 17.9. · ErlebnisSennerei Zillertal · Mayrhofen<br />
16.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />
Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
sa 17.9. · Kulturlabor Stromboli · Hall<br />
16.00 Max Vandervorst · SYMPHONIE FÜR WEGGEWORFENE DINGE · ab 8 Jahre · Dauer<br />
ca. 1 Stunde · € 2,00 · In Zusammenarbeit mit dem Kulturlabor Stromboli und der Landesausstellung<br />
05<br />
so 18.9. · Wattens<br />
11.00 Sergej Prokofiev · PETER UND DER WOLF · Swarovski Musik Wattens · Dirigent · Franz<br />
Schieferer · Sprecher · Walter Pichler · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
so 18.9. · ORF <strong>Tirol</strong> kulturhaus · Innsbruck<br />
17.00 BACKBEAT BOYS · ab 4 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
fr 23.9. · Alte Pfarrkirche hl. Laurentius · Wattens<br />
15.00 PROBENBESUCH beim ensemble recherche · Dauer ca. 1 Stunde · Eintritt frei<br />
fr 21.10. · Swarovski Kristallwelten · Wattens<br />
15.00 HÖRSPAZIERGANG · 6-12 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
fr 18.11. · Orgelbau Pirchner · Steinach am Brenner · Treffpunkt Pfarrkirche Mariahilf · Innsbruck<br />
14.00 Besuch beim ORGELBAUER PIRCHNER · mit Peter Waldner · ab 8 Jahre · Dauer<br />
ca. 3 Stunden · € 5,00 (inkl. Busfahrt)<br />
mo 28.11. · <strong>Klangspuren</strong>-Büro · <strong>Schwaz</strong><br />
15.00 HÖRNACHMITTAG · ab 5 Jahre · Dauer ca. 1 Stunde · € 2,00<br />
fr 16.12. · AUT. architektur und tirol im Adambräu · Innsbruck<br />
15.00 MIT ALLEN SINNEN DURCHS ADAMBRÄU · ab 6 Jahre · Dauer ca. 1,5 Stunden · € 3,00 ·<br />
In Zusammenarbeit mit AUT. architektur und tirol