07 Delirmanagement in der Intensivmedizin
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Infobox 1 Risikofaktoren für<br />
die Entstehung e<strong>in</strong>es Delirs.<br />
(Adaptiert nach [10])<br />
Potenziell modifizierbare Risikofaktoren:<br />
55Seh- und Hörschwäche<br />
55Immobilisation und Fixierung<br />
55Medikamente (Sedativa, Antichol<strong>in</strong>ergika,<br />
Kortikosteroide u. a.)<br />
55Metabolische Störungen<br />
55Art des operativen E<strong>in</strong>griffs<br />
55Schmerz<br />
55Schlafentzug<br />
55Häufiger Zimmer-/Stationswechsel<br />
55Isolation und psychischer Stress<br />
55Fehlendes Tageslicht <strong>in</strong> den Patientenräumen<br />
Nichtmodifizierbare Risikofaktoren:<br />
55Demenz o<strong>der</strong> kognitive Dysfunktion<br />
55Höheres Patientenalter (> 65 Jahre)<br />
55Delir bei früheren Krankenhausaufenthalten<br />
55Geschlecht (Männer häufiger betroffen)<br />
55Substanzabusus<br />
55Chronische renale und hepatische Erkrankungen<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Bei nicht kommunikationsfähigen<br />
Patienten liefert die verhaltensbezogene<br />
Behavioural Pa<strong>in</strong> Scale (BPS)<br />
e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende E<strong>in</strong>schätzung. Das zuverlässigste<br />
Instrument zur Sedierungsabschätzung<br />
ist die Richmond Agitation<br />
Sedation Scale (RASS). Hiermit werden die<br />
Patienten auf e<strong>in</strong>er Skala von + 4 (aggressiv)<br />
bis − 5 (nicht erweckbar) e<strong>in</strong>gestuft. Der<br />
RASS-Score bildet die Grundlage für e<strong>in</strong><br />
Delirmonitor<strong>in</strong>g auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />
und ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> CAM-ICU enthalten.<br />
Vom klassischen Intensivdelir müssen<br />
Erkrankungen wie das antichol<strong>in</strong>erge<br />
Syndrom, metabolische Entgleisungen,<br />
Hypoxie und Hypovolämie abgegrenzt<br />
werden. Diese haben häufig das gleiche<br />
kl<strong>in</strong>ische Ersche<strong>in</strong>ungsbild, können<br />
jedoch kausal therapiert werden.<br />
Risikofaktoren<br />
Patienten mit e<strong>in</strong>er Prädisposition für e<strong>in</strong><br />
Delir lassen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Praxis<br />
nicht sicher identifizieren, da dessen Entstehung<br />
häufig multifaktoriell ist. Bereits<br />
sehr früh konnten die Demenz und e<strong>in</strong><br />
Substanzabusus, z. B. von Alkohol o<strong>der</strong><br />
Medikamenten, als möglicher Risikofaktor<br />
für die Entstehung e<strong>in</strong>es Delirs identifiziert<br />
werden [9]. Aber auch Immobilität,<br />
Seh- und Hörschwäche, Isolation,<br />
Analgosedierung, Beatmung, Fixierung,<br />
Stress, Patientenalter, Schmerz, Tageslichtmangel,<br />
Schlafentzug und <strong>der</strong> häufige<br />
Stationswechsel werden zunehmend als<br />
potenzielle Risikofaktoren für die Entstehung<br />
e<strong>in</strong>es Delirs wahrgenommen<br />
[4, 6]. Viele dieser Risikofaktoren s<strong>in</strong>d<br />
patientenspezifisch und lassen sich im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Intensivtherapie kaum bee<strong>in</strong>flussen<br />
o<strong>der</strong> vermeiden, sodass<br />
zur frühen Diagnosestellung e<strong>in</strong> engmaschiges<br />
Delirmonitor<strong>in</strong>g durchgeführt<br />
werden muss (. Infobox 1). E<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
<strong>der</strong> Risikofaktoren ist jedoch patientenunspezifisch.<br />
Bei diesen Risikofaktoren<br />
muss das Hauptaugenmerk auf <strong>der</strong>en<br />
konsequente Vermeidung gelenkt werden.<br />
Lärm<br />
E<strong>in</strong> hoher Geräuschpegel ist häufig ursächlich<br />
für die Entstehung von Stress. Da<br />
Halluz<strong>in</strong>ationen festgestellt werden. Die<br />
häufigste Variante ist jedoch <strong>der</strong> Mischtyp,<br />
bei dem e<strong>in</strong> rascher Wechsel hyperund<br />
hypoaktiver Phasen auftritt.<br />
Zur frühen Diagnose des Delirs auf<br />
e<strong>in</strong>er Intensivstation s<strong>in</strong>d Tests mit e<strong>in</strong>er<br />
hohen Sensitivität und Spezifität entwickelt<br />
worden. Der am häufigsten verwendete<br />
Test ist die Confusion Assessment Method<br />
for the Intensive Care Unit (CAM-ICU),<br />
die laut S3-Leitl<strong>in</strong>ie zu Analgesie, Sedierung<br />
und <strong>Delirmanagement</strong> m<strong>in</strong>destens alle 8 h<br />
durchgeführt werden soll [13]. Die CAM-<br />
ICU ist vom geübten Anwen<strong>der</strong> mit<br />
kurzem Zeitaufwand durchführbar und<br />
kann von pflegerischem Personal und nicht<br />
psychiatrisch geschulten Ärzten zuverlässig<br />
angewendet werden [18]. Weitere Tests s<strong>in</strong>d<br />
die Nurs<strong>in</strong>g Delirium Screen<strong>in</strong>g Scale (NU-<br />
DESC) und <strong>der</strong> Delirium Detection Score<br />
(DDS). Dadurch gel<strong>in</strong>gt mit e<strong>in</strong>er hohen<br />
Sicherheit die Diagnose e<strong>in</strong>es Delirs. Um<br />
zuverlässig e<strong>in</strong> Delir diagnostizieren zu<br />
können, müssen die Sedierung und Analgesie<br />
adäquat angepasst se<strong>in</strong>. Zur Bestimmung<br />
des Schmerzniveaus wird <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Praxis bei kontaktfähigen<br />
Patienten die visuelle Analogskala (VAS)<br />
Hier steht e<strong>in</strong>e Anzeige.<br />
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Mediz<strong>in</strong>ische Kl<strong>in</strong>ik - Intensivmediz<strong>in</strong> und Notfallmediz<strong>in</strong> 4 · 2017 |<br />
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