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10 Hohe Hepatitis-A-Immunitätsrate bei Flüchtlingen in Deutschland

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Orig<strong>in</strong>alien<br />

MedKl<strong>in</strong>IntensivmedNotfmed2017 ·112:347–351<br />

DOI <strong>10</strong>.<strong>10</strong>07/s00063-016-0203-7<br />

E<strong>in</strong>gegangen: 5. Januar 2016<br />

Angenommen: 20. Juni 2016<br />

Onl<strong>in</strong>e publiziert: 25. Juli 2016<br />

© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag Berl<strong>in</strong> Heidelberg 2016<br />

Redaktion<br />

M. Buerke, Siegen<br />

A. Jablonka 1,5 ·P.Solbach 2,5 ·C.Happle 3,6 ·A.Hampel 4 ·R.E.Schmidt 1,5 ·<br />

G. M. N. Behrens 1,5<br />

1<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Immunologie und Rheumatologie, Mediz<strong>in</strong>ische Hochschule Hannover, Hannover, <strong>Deutschland</strong><br />

2<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokr<strong>in</strong>ologie, Mediz<strong>in</strong>ische Hochschule Hannover,<br />

Hannover, <strong>Deutschland</strong><br />

3<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Mediz<strong>in</strong>ische Hochschule Hannover,<br />

Hannover, <strong>Deutschland</strong><br />

4<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Anästhesie, Notfallmediz<strong>in</strong>, Operative Intensivmediz<strong>in</strong> und Schmerztherapie, Kl<strong>in</strong>ikum<br />

Wolfsburg, Wolfsburg, <strong>Deutschland</strong><br />

5<br />

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Standort Hannover-Braunschweig, Hannover-<br />

Braunschweig, <strong>Deutschland</strong><br />

6<br />

Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL), Standort Hannover, Hannover, <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Hohe</strong> <strong>Hepatitis</strong>-A-<strong>Immunitätsrate</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Die Flüchtl<strong>in</strong>gskrise stellt <strong>Deutschland</strong><br />

vor neue Herausforderungen.<br />

Immer häufiger werden auch<br />

Notfallmediz<strong>in</strong>er mit Fragen der<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsgesundheit konfrontiert,<br />

welche die örtliche mediz<strong>in</strong>ische<br />

Versorgung überfordern. Bei unzureichender<br />

Datenlage fällt es<br />

häufig schwer zu entscheiden, ob e<strong>in</strong><br />

Patient an e<strong>in</strong>er potenziell übertragbaren<br />

Erkrankung leidet und welche<br />

Maßnahmen des Infektionsschutzes<br />

ergriffen werden müssen. Die vorliegende<br />

Ar<strong>bei</strong>t unterstützt hier die<br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Bezug auf<br />

<strong>Hepatitis</strong>-A-Infektionen.<br />

H<strong>in</strong>tergrund und Fragestellung<br />

<strong>Deutschland</strong> nimmt zunehmend Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

und Asylsuchende aus Syrien, Irak,<br />

Afghanistan, Afrika und den Balkanstaaten<br />

auf. Im Vergleich zum Oktober 2014<br />

zeigte sich e<strong>in</strong>e Zunahme von Asylerstanträgen<br />

um 186,3 % [1]. Offizielle Prognosen<br />

gehen für das Jahr 2015 weiterh<strong>in</strong><br />

von ca. 800.000 <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> aus [2].<br />

Die reale Zahl der E<strong>in</strong>wanderer ist aber<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich deutlich höher. Weltweit<br />

s<strong>in</strong>d aktuell mehr als 19,5 Mio. Menschen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge [3], unter E<strong>in</strong>schluss der <strong>in</strong>nerhalb<br />

des Landes vertriebenen s<strong>in</strong>d es<br />

Die Autoren A. Jablonka und P. Solbach haben<br />

gleichermaßenzudiesemArtikel<strong>bei</strong>getragen.<br />

sogarüber60Mio.[4]. Nach <strong>Deutschland</strong><br />

kamen bis Oktober 2015 die meisten<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Syrien (53,5 %), Albanien<br />

(8,6 %), Irak (7,7 %) und Afghanistan<br />

(7,1 %). Insgesamt wurden bis zum<br />

Herbst 2015 ca. 330.000 Asylanträge gestellt,wo<strong>bei</strong>70,7<br />

%derFlüchtl<strong>in</strong>ge jünger<br />

als 30 Jahre alt waren [1].<br />

Gemäß § 62 Asylverfahrensgesetz<br />

(AsylVfG) und § 36 Infektionsschutzgesetz<br />

(IfSG) erhalten Flüchtl<strong>in</strong>ge und<br />

Asylsuchende vor Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e Erstuntersuchung.<br />

Durch diese Untersuchung<br />

sollen akut ansteckende Erkrankungen,<br />

wie z. B. Lungentuberkulose oder<br />

e<strong>in</strong>e akute <strong>Hepatitis</strong>-A-Virus<strong>in</strong>fektion<br />

(HAV), frühzeitig erkannt werden. Der<br />

Umfang dieser Untersuchungen basiert<br />

allerd<strong>in</strong>gs auf <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen<br />

oder Expertenme<strong>in</strong>ungen und folgt<br />

bislang ke<strong>in</strong>en ausreichenden nationalenodereuropäischenStandards.Um<br />

frühzeitig Infektionserkrankungen zu<br />

erkennen und zu behandeln, ist e<strong>in</strong><br />

niederschwelliger Zugang zum Gesundheitssystem<br />

für Asylsuchende essenziell.<br />

Laut Asylbewerberleistungsgesetz haben<br />

Asylsuchende derzeit ausschließlich<br />

Anspruch auf die „Behandlung akuter<br />

Erkrankungen und Schmerzzustände“,<br />

obwohl e<strong>in</strong>e reguläre Versorgung von<br />

<strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> und Asylsuchenden nicht<br />

mit höheren Kosten für das Gesundheitssystem<br />

verbunden wäre [5]. Die<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />

empfiehlt, allen Migranten, unabhängig<br />

von Herkunft, Geschlecht, Religion oder<br />

Legalität der E<strong>in</strong>wanderung, Zugang<br />

zu qualitativ hochwertiger Mediz<strong>in</strong> zu<br />

gewähren [6].<br />

<strong>Hepatitis</strong> A weltweit<br />

<strong>Hepatitis</strong> A ist weltweit die zweithäufigste<br />

Ursache für e<strong>in</strong>e akute Virushepatitis.<br />

Laut WHO erkranken jährlich 1,4 Mio.<br />

Personen an e<strong>in</strong>er <strong>Hepatitis</strong> A. Nach E<strong>in</strong>führung<br />

strukturierter Impfprogramme<br />

zeigte sich e<strong>in</strong> deutlicher Rückgang der<br />

Inzidenz [7]. Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere<br />

Regionen mit schlechten Hygienestandards,<br />

da die <strong>Hepatitis</strong>-A-Virus<strong>in</strong>fektion<br />

fast ausschließlich fäkal-oral übertragen<br />

wird. In Hochendemiegebieten (Asien,<br />

Afrika, Süd- und Mittelamerika) werden<br />

hauptsächlich K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>fiziert, <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dustrialisierten Ländern wie <strong>Deutschland</strong>,<br />

ist e<strong>in</strong>e <strong>Hepatitis</strong>-A-Virus<strong>in</strong>fektion<br />

meistens e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geschleppte Reiseerkrankung<br />

<strong>bei</strong> Erwachsenen.<br />

Unbekannte <strong>Hepatitis</strong>-A-<br />

<strong>Immunitätsrate</strong> <strong>bei</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong><br />

<strong>in</strong> Europa<br />

Aktuelle Daten zur HAV-Immunität <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Migrantenpopulation während der<br />

derzeitigen Flüchtl<strong>in</strong>gsbewegung fehlen<br />

bislang. Dadurch wird die E<strong>in</strong>schätzung<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Kl<strong>in</strong>ik - Intensivmediz<strong>in</strong> und Notfallmediz<strong>in</strong> 4 · 2017 347


Orig<strong>in</strong>alien<br />

80<br />

männlich<br />

weiblich<br />

<strong>10</strong>0 %<br />

ke<strong>in</strong>e ausreichende Immunität<br />

(HAV lg < 20 IU/I)<br />

ausreichende Immunität<br />

(HAV lg > 20 IU/I)<br />

80 %<br />

60<br />

Anzahl<br />

40<br />

Anteil <strong>in</strong> %<br />

60 %<br />

40 %<br />

20 %<br />

20<br />

0<br />

0–17 18–24 25–34 35–49<br />

Altersgruppen<br />

> 50 unbekannt<br />

0 %<br />

0–17 18–24 25–34 35–49<br />

Altersgruppen (Jahre)<br />

> 50<br />

Abb. 2 8 Altersabhängige HAV-Immunität <strong>in</strong>nerhalb der Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte<br />

Abb. 1 8 Alters- und Geschlechtsverteilung <strong>in</strong>nerhalb der Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte<br />

des Bedarfs an Diagnostik und Impfungen<br />

<strong>in</strong> diesem, für Infektionen potenziell<br />

suszeptiblen Kollektiv erschwert. Um<br />

diese Situation zu verbessern, haben wir<br />

erstmals aktuelle Daten zur HAV-Immunität<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte,<br />

die im Sommer 2015 <strong>in</strong> Norddeutschland<br />

erstversorgt wurde, zusammengestellt.<br />

Studiendesign und Untersuchungsmethoden<br />

Alle untersuchten Serumproben wurden<br />

im Rahmen der Rout<strong>in</strong>eversorgung <strong>in</strong><br />

Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Norddeutschland<br />

im August 2015 gesammelt.<br />

Alle Patienten stellten sich <strong>in</strong> der<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Versorgungsstelle ihrer<br />

Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtungen mit akuten<br />

Beschwerden oder dem Wunsch nach<br />

e<strong>in</strong>em mediz<strong>in</strong>ischen Check-up vor<br />

[8]. <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong>, <strong>bei</strong> denen noch ke<strong>in</strong>e<br />

Erstuntersuchung erfolgte, wurde e<strong>in</strong> serologisches<br />

Screen<strong>in</strong>g auf übertragbare<br />

und impfpräventable Erkrankungen angeboten.DieBlutentnahmeerfolgtenach<br />

mündlicher E<strong>in</strong>willigung. Bei Patienten<br />

unter 18 Jahren wurden das E<strong>in</strong>verständnis<br />

der Erziehungsberechtigten und die<br />

Zustimmung des M<strong>in</strong>derjährigen e<strong>in</strong>geholt.<br />

Patienten mit auffälligen Befunden<br />

wurden aktiv nachverfolgt und weiterbehandelt.<br />

Das generelle Screen<strong>in</strong>g umfasste Testung<br />

auf Masern, Mumps, Röteln, Varizellen<br />

[9], HIV, Syphilis [<strong>10</strong>], <strong>Hepatitis</strong> B<br />

[11] und <strong>Hepatitis</strong> C [12].<br />

Die hier vorliegenden Daten wurden<br />

nach Entdeckung e<strong>in</strong>es HAV-Indexfalles<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der E<strong>in</strong>richtung aus den Rückstellprobengewonnen.Diesewarenbiszu<br />

2WochenvorEntdeckungdesIndexfalles<br />

abgenommen worden. Es erfolgte zusätzlich<br />

zum generellen Screen<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Testung<br />

auf HAV-Antikörper (komb<strong>in</strong>iertes<br />

IgG und IgM), um die <strong>Immunitätsrate</strong><br />

e<strong>in</strong>zuschätzen und frühzeitig e<strong>in</strong>e frische<br />

Infektion zu erkennen.<br />

Bei N = 249 Patienten wurde e<strong>in</strong>e<br />

serologische Screen<strong>in</strong>guntersuchung auf<br />

HAV-Antikörper (komb<strong>in</strong>iertes IgG und<br />

IgM) veranlasst. Bei positivem Befund<br />

(>20 IU/l) wurde Anti-HAV-IgM bestimmt,<br />

um frische Infektionen von<br />

bereits früher erworbener Immunität<br />

zu unterscheiden. Die Serologie wurde<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em akkreditierten Labor erhoben.<br />

Cut-off-Werte wurden gemäß Herstellerempfehlungen<br />

berücksichtigt.<br />

Für die statistische Datenauswertung<br />

wurden vollständig pseudonymisierte<br />

Labordaten, <strong>in</strong>klusive Daten zu Alter<br />

und Geschlecht, genutzt. Statistische<br />

Analysen erfolgten mittels IBM SPSS<br />

Version 23.<br />

Bei dieser Studie handelt es sich um<br />

e<strong>in</strong>e retrospektive Auswertung von vollständig<br />

pseudonymisierten Rout<strong>in</strong>edaten.<br />

E<strong>in</strong>e Genehmigung durch die lokale<br />

Ethikkommission liegt vor (Nr. 2972).<br />

Ergebnisse<br />

Im Rahmen der mediz<strong>in</strong>ischen Erstversorgung<br />

von <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> wurde<br />

<strong>bei</strong> <strong>in</strong>sgesamt N = 249 Migranten e<strong>in</strong>e<br />

HAV-Serologie durchgeführt. Davon<br />

waren 84,3 % männlich. Das mittlere<br />

Alter der HAV-getesteten Patienten lag<br />

<strong>bei</strong> 29,1 ± 11,2 Jahren (28,8 ± 11,2 Jahre<br />

für Männer und 30,5 ± 11,0 Jahre für<br />

Frauen). Das jüngste K<strong>in</strong>d war 6 Jahre,<br />

der älteste Erwachsene 63 Jahre alt<br />

(. Abb. 1). Insgesamt wurde <strong>bei</strong> n =<br />

22 (8,8 %) M<strong>in</strong>derjährigen e<strong>in</strong> HAV-<br />

Screen<strong>in</strong>g durchgeführt. Von n =5(2%)<br />

<strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> lagen ke<strong>in</strong>e Altersangabe<br />

vor.<br />

Die Prävalenz von <strong>Hepatitis</strong>-A-Markern<br />

<strong>in</strong>nerhalb der getesteten Kohorte ist<br />

<strong>in</strong> . Tab. 1 dargestellt.<br />

<strong>10</strong> % der untersuchten Personen (n =<br />

25) zeigten e<strong>in</strong>e HAV-Antikörperkon-<br />

348 Mediz<strong>in</strong>ische Kl<strong>in</strong>ik - Intensivmediz<strong>in</strong> und Notfallmediz<strong>in</strong> 4 · 2017


Zusammenfassung · Abstract<br />

zentration von 125 IU/l nachgewiesen<br />

werden. E<strong>in</strong> 20-jähriger weiblicher<br />

Flüchtl<strong>in</strong>g wies e<strong>in</strong>en grenzwertigen<br />

Anti-HAV-IgM-Befund auf, <strong>bei</strong> hohem<br />

komb<strong>in</strong>ierten HAV-Gesamtantikörpern<br />

(>125 IU/l). Dies könnte dem IgM-/IgG-<br />

Muster e<strong>in</strong>er nicht mehr ganz frischen<br />

HAV-Infektion entsprechen.<br />

Insgesamt zeigte die <strong>Hepatitis</strong>-A-Seroprävalenz<br />

e<strong>in</strong>e leichte Altersabhängigkeit,<br />

wo<strong>bei</strong> bereits <strong>bei</strong> M<strong>in</strong>derjährigen<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Immunitätsrate</strong> von 81,8 % vorlag.<br />

In der ältesten Subkohorte, <strong>bei</strong> über 50-<br />

Jährigen, lag e<strong>in</strong>e komplette Seropositivität<br />

vor (n = 14/14; <strong>10</strong>0 %, . Abb. 2).<br />

Es zeigte sich e<strong>in</strong> m<strong>in</strong>imal höherer<br />

Anteil an HAV-immunen <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong><br />

<strong>in</strong> der weiblichen Subkohorte (94,9 %)<br />

als <strong>in</strong> der männlichen (89 %; . Abb. 3).<br />

Diese Beobachtung spiegelt vermutlich<br />

<strong>in</strong>direkt erneut die altersabhängig ansteigende<br />

HAV-Immunität wieder, da das<br />

mittlere Alter der weiblichen Patienten<br />

über dem der männlichen lag (28,8 Jahre<br />

vs. 30,5 Jahre <strong>bei</strong> männlichen getesteten<br />

Migranten).<br />

Diskussion<br />

Die vorliegende Untersuchung liefert<br />

erstmals umfassende Daten zur HAV-<br />

Seroprävalenz von Migranten, die <strong>in</strong><br />

deutschen Flüchtl<strong>in</strong>gszentren im Sommer<br />

2015 angekommen s<strong>in</strong>d.<br />

Die anlässlich e<strong>in</strong>es Indexfalles mit<br />

akuter HAV-Infektion durchgeführte<br />

Untersuchung zeigte <strong>bei</strong> 90 % der Patienten<br />

<strong>in</strong>nerhalb des untersuchten Flüchtl<strong>in</strong>gskollektivs<br />

e<strong>in</strong> ausreichender Schutz<br />

gegenüber e<strong>in</strong>er HAV-Infektion. Zusätzlich<br />

ist zu beachten, dass zwar <strong>10</strong> %<br />

der getesteten Flüchtl<strong>in</strong>ge HAV-Antikörperkonzentrationen<br />

unterhalb der<br />

als sicheren Schutz gewerteten Schwelle<br />

von 20 IU/l aufwiesen, aber diese m<strong>in</strong>imal<br />

<strong>bei</strong> 8 IU/l lagen. Nicht nachweisbare<br />

HAV-Antikörperkonzentrationen lagen<br />

<strong>bei</strong> ke<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>g vor. Ob diese<br />

niedrigen Antikörperkonzentrationen<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>en Teilschutz bieten, ist<br />

nicht bekannt.<br />

Med Kl<strong>in</strong> Intensivmed Notfmed 2017 · 112:347–351<br />

© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag Berl<strong>in</strong> Heidelberg 2016<br />

DOI <strong>10</strong>.<strong>10</strong>07/s00063-016-0203-7<br />

A.Jablonka·P.Solbach·C.Happle·A.Hampel·R.E.Schmidt·G.M.N.Behrens<br />

<strong>Hohe</strong> <strong>Hepatitis</strong>-A-<strong>Immunitätsrate</strong> <strong>bei</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Zusammenfassung<br />

H<strong>in</strong>tergrund. Über die <strong>Hepatitis</strong>-A(HAV)-<br />

Seroprävalenz und -Infektion <strong>bei</strong> Migranten,<br />

die im Rahmen der derzeitigen Flüchtl<strong>in</strong>gsbewegung<br />

nach <strong>Deutschland</strong> kommen, gibt es<br />

bisher ke<strong>in</strong>e validen Informationen.<br />

Ziel der Ar<strong>bei</strong>t. Dokumentation der <strong>Hepatitis</strong>-<br />

A-Immunität <strong>bei</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> und Asylbewerbern<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong><br />

Norddeutschland im Jahr 2015.<br />

Material und Methoden. Im August 2015<br />

wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Erstaufnahmeuntersuchung<br />

<strong>bei</strong> N=249 <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> zwischen 6 und<br />

63 Jahren Anti-HAV-IgG- und Anti-HAV-IgM-<br />

Antikörper bestimmt.<br />

Ergebnisse. In 84,3 % der Fälle waren die<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge männlich, das mittlere Alter lag<br />

<strong>bei</strong> 29,1 ± 11,2 Jahren. K<strong>in</strong>der waren <strong>in</strong> 8,8 %<br />

unter 18 Jahren. Die HAV-Immunität <strong>in</strong>nerhalb<br />

der untersuchten Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte lag <strong>bei</strong><br />

90 %, wo<strong>bei</strong> e<strong>in</strong> milder, altersabhängiger<br />

Anstieg der Seroprävalenz zu beobachten<br />

war. Bei e<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>g konnte e<strong>in</strong>e frische<br />

HAV-Infektion nachgewiesen werden.<br />

Schlussfolgerung. Die Vergleichsweise hohe<br />

HAV-Immunität <strong>in</strong> der untersuchten Migrantenkohorte<br />

lässt vermuten, dass das Risiko für<br />

<strong>Hepatitis</strong>-A-Ausbrüche <strong>in</strong>Flüchtl<strong>in</strong>gszentren<br />

derzeit als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>zuschätzen ist. Die<br />

sorgfältige Prüfung der Impf<strong>in</strong>dikation <strong>bei</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong>dern und -jugendlichen und <strong>bei</strong><br />

<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsheimen ar<strong>bei</strong>tendem Personal<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs unbed<strong>in</strong>gt zu empfehlen.<br />

Schlüsselwörter<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge · Asylbewerber · <strong>Hepatitis</strong> A ·<br />

Infektion · Virale Hepatitiden<br />

<strong>Hepatitis</strong> A immunity <strong>in</strong> refugees <strong>in</strong> Germany dur<strong>in</strong>g the current<br />

exodus<br />

Abstract<br />

Background. Germany is fac<strong>in</strong>g a huge<br />

humanitarian challenge with rapidly ris<strong>in</strong>g<br />

numbers of refugees enter<strong>in</strong>g the country.<br />

Data on hepatitis A seroprevalence and<br />

<strong>in</strong>fection <strong>in</strong> refugees and asylum seekers <strong>in</strong><br />

Europe dur<strong>in</strong>g the current refugee exodus is<br />

scarce.<br />

Objectives. To assess hepatitis A (HAV)<br />

seroprevalence and immunity <strong>in</strong> refugees<br />

arriv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> northern Germany <strong>in</strong> 2015.<br />

Materials and methods. A cross-sectional<br />

study of 235 refugees seek<strong>in</strong>g shelter <strong>in</strong><br />

reception centers <strong>in</strong> Northern Germany<br />

<strong>in</strong> August 2015 was performed, as acute<br />

<strong>Hepatitis</strong> A had been detected <strong>in</strong> one refugee<br />

<strong>in</strong> this camp. In order to analyze acute HAV<br />

<strong>in</strong>fection and overall immunity, serological<br />

screen<strong>in</strong>g for HAV antibodies (comb<strong>in</strong>ed<br />

IgG and IgM) was performed. The immunity<br />

threshold was def<strong>in</strong>ed as


Orig<strong>in</strong>alien<br />

Anteil <strong>in</strong> %<br />

<strong>10</strong>0<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

weiblich<br />

männlich<br />

ausreichende<br />

Immunität<br />

ke<strong>in</strong>e ausreichende<br />

Immunität<br />

Abb. 3 8 Geschlechtsabhängige HAV-Immunität<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte. Ausreichende<br />

Immunität mit HAV Ig > 20 IU/ml; ke<strong>in</strong>e<br />

ausreichende Immunität mit HAV Ig < 20 IU/ml<br />

Ausbrüche akuter HAV-Infektionen<br />

<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsheimen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Literatur<br />

beschrieben [13, 14], größerer Ausbrüche<br />

<strong>in</strong>e<strong>in</strong>emFlüchtl<strong>in</strong>gslagerersche<strong>in</strong>en<br />

aber <strong>bei</strong> der hier beobachteten <strong>Immunitätsrate</strong><br />

von 90 %, selbst <strong>bei</strong> unzureichenden<br />

hygienischen Bed<strong>in</strong>gungen,<br />

eher unwahrsche<strong>in</strong>lich. Dennoch muss<br />

berücksichtigt werden, dass gerade <strong>bei</strong><br />

Erwachsenen oder <strong>bei</strong> Ko<strong>in</strong>fektionen mit<br />

anderen viralen Hepatitiden (<strong>Hepatitis</strong> B,<br />

<strong>Hepatitis</strong> C etc.) schwere kl<strong>in</strong>ischen Verläufe<br />

auftreten können, die bis h<strong>in</strong> zum<br />

fulm<strong>in</strong>anten Leberversagen führen können.<br />

E<strong>in</strong>e akute <strong>Hepatitis</strong>-A-Infektion<br />

Bei e<strong>in</strong>er Patient<strong>in</strong> konnten hochpositive<br />

<strong>Hepatitis</strong>-A-Gesamtantikörper <strong>bei</strong><br />

grenzwertigem <strong>Hepatitis</strong>-A-IgM nachgewiesen<br />

werden. Diese Konstellation<br />

der Immunglobul<strong>in</strong>e spricht für e<strong>in</strong>e<br />

kürzlich zurückliegende, akute HAV-<br />

Infektion. Anhand der vorliegenden Daten<br />

kann nicht ausgeschlossen werden,<br />

Tab. 1 AltersabhängigeundHAV-Gesamtimmunitätsraten<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Flüchtl<strong>in</strong>gskohorte<br />

Alter Anzahl<br />

Seren<br />

<strong>Hepatitis</strong>-A-<br />

Immunschutz<br />

Jahre n Anteil <strong>in</strong> %<br />

0–17 22 81,8<br />

18–25 80 82,5<br />

24–34 75 94,7<br />

35–49 53 98,1<br />

>50 14 <strong>10</strong>0<br />

Unbekannt 5 60<br />

Gesamt 249 90,0<br />

Männlich 2<strong>10</strong> 89,0<br />

Weiblich 39 94,9<br />

dass e<strong>in</strong>zelne Flüchtl<strong>in</strong>ge mit formal<br />

unauffälligem Screen<strong>in</strong>gtest, die daher<br />

ke<strong>in</strong>e HAV-Ig-Testung erhielten, sich <strong>in</strong><br />

der Inkubationszeit der HAV-Infektion<br />

befanden. Die Testung erfolgte bereits<br />

bis zu 2 Wochen vor Entdeckung des<br />

Indexfalles aus Rückstellproben, sodass<br />

zum Zeitpunkt der Untersuchung noch<br />

ke<strong>in</strong> ausreichender Titeranstieg nachweisbar<br />

se<strong>in</strong> konnte.<br />

Impfempfehlungen<br />

Derzeit wird <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>e Impfung<br />

gegen <strong>Hepatitis</strong> A für Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

nicht empfohlen. Allerd<strong>in</strong>gs sollten<br />

<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gse<strong>in</strong>richtungen tätige Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

geschützt werden. Wie auch für<br />

sonstiges Personal im Gesundheitsdienst<br />

oder <strong>in</strong> Große<strong>in</strong>richtungen mit K<strong>in</strong>derkontakt<br />

empfiehl die STIKO hier e<strong>in</strong>e<br />

HAV-Impfung mit oder ohne vorherige<br />

Testung der Immunität [15, 16]. Dieses<br />

Vorgehen wird von den Daten dieser<br />

kle<strong>in</strong>en Studie grundsätzlich unterstützt,<br />

da die aktuelle Flüchtl<strong>in</strong>gspopulation<br />

selbst e<strong>in</strong>e hohe <strong>Immunitätsrate</strong><br />

aufweist, die e<strong>in</strong>e Impfung im gesamten<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gskollektiv nicht s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en<br />

lässt. Bei Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong>dern,<br />

die e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge <strong>Immunitätsrate</strong><br />

<strong>in</strong> unserer Kohorte aufwiesen,<br />

empfehlen die Autoren e<strong>in</strong>e sorgfältige<br />

Überprüfung der <strong>in</strong>dividuellen Impf<strong>in</strong>dikation.<br />

Zwar verläuft <strong>bei</strong> K<strong>in</strong>dern die<br />

HAV-Infektion <strong>in</strong> den meisten Fällen <strong>in</strong>apparent,kannaber<strong>in</strong>seltenenFällen<br />

auch mit hoher Morbidität assoziiert se<strong>in</strong><br />

[17]. Bei typischen kl<strong>in</strong>ischen Manifestationen<br />

wie Durchfall und Ikterus <strong>bei</strong> ankommenden<br />

und <strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gse<strong>in</strong>richtungen<br />

lebenden Migranten sollte immer<br />

ane<strong>in</strong>e<strong>Hepatitis</strong>Agedachtwerden.Dann<br />

sollten entsprechende kl<strong>in</strong>ische und serologische<br />

Kontrollen sowie Transam<strong>in</strong>asenkontrollen<br />

erfolgen und im Verlauf<br />

auf e<strong>in</strong>e Isolation bzw. sorgfältige<br />

Hygieneaufklärung und -gewährleistung<br />

geachtet werden.<br />

DienatürlicheHAV-Seroprävalenzim<br />

Alter von 18–79 Jahren <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

ist mit 48,6 % relativ ger<strong>in</strong>g [18]. E<strong>in</strong>e<br />

Impfung des erwachsenen Personals <strong>in</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsheimenwirddeshalbempfohlen,<br />

da hier die Infektion zu e<strong>in</strong>em deutlich<br />

fulm<strong>in</strong>anteren Verlauf führen kann<br />

[13, 17, 19, 20]. Durch die hohe Kontagiosität<br />

des HAV sollte <strong>in</strong>sbesondere<br />

Re<strong>in</strong>igungspersonal und Personen, die<br />

<strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der- und Krankenbetreuung<br />

<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gslagern tätig s<strong>in</strong>d, geimpft<br />

se<strong>in</strong> [13, 14].<br />

Limitationen<br />

Bei der Interpretation dieser Daten ist<br />

auf Limitationen unserer Untersuchung<br />

h<strong>in</strong>zuweisen. Die hier untersuchte Population<br />

stellt nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Stichprobe<br />

der Migrantenpopulation <strong>in</strong> Europa dar<br />

und Rückschlüsse auf patientenspezifische<br />

Herkunftsländer oder Nationalitäten<br />

können nicht gezogen werden.<br />

Die Tatsache, dass die meisten untersuchten<br />

Migranten männlich waren<br />

(84,3 %) sowie das vergleichsweise niedrigemittlereAlterderPatienten(29,1Jahre),<br />

spricht dafür, dass diese Stichprobe<br />

die derzeitige Flüchtl<strong>in</strong>gspopulation <strong>in</strong><br />

Europa gut abbildet [1].<br />

Auch kann nicht zwischen e<strong>in</strong>er<br />

HAV-Immunität, die durch Impfung<br />

entstanden oder aufgrund von natürlicher<br />

Durchseuchung aufgetreten ist,<br />

differenziert werden. Zu bedenken ist<br />

auch, dass sich die untersuchten Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

eigenmotiviert <strong>in</strong> ärztliche Behandlung<br />

begaben. Dies könnte zu e<strong>in</strong>er<br />

Stichprobenverzerrung geführt haben,<br />

da diese Flüchtl<strong>in</strong>ge möglicherweise<br />

e<strong>in</strong>e niedrigere Hemmschwelle als andere<br />

Migranten hatten, mediz<strong>in</strong>ische<br />

Versorgung wahrzunehmen. Diese Limitationen<br />

können umgangen werden,<br />

350 Mediz<strong>in</strong>ische Kl<strong>in</strong>ik - Intensivmediz<strong>in</strong> und Notfallmediz<strong>in</strong> 4 · 2017


<strong>in</strong>dem Studien an e<strong>in</strong>em größeren, unselektionierten<br />

Patientenkollektiv, z. B.<br />

im Rahmen der nach Asylverfahrensgesetz<br />

vorgesehenen Erstuntersuchung,<br />

durchgeführt werden.<br />

Resümee<br />

Zusammenfassend zeigt die vorliegende<br />

Studie erstmals aktuelle Daten zur<br />

Seroprävalenz von <strong>Hepatitis</strong> A <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Migrantenpopulation während der derzeitigen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsbewegung <strong>in</strong> Europa.<br />

ÄhnlicheDatenfehlenbislang,wasdie<br />

E<strong>in</strong>schätzung von HAV-Diagnostik- und<br />

Impfbedarf <strong>bei</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong> erschwert.<br />

E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>schätzung wird aber derzeitdr<strong>in</strong>gendbenötigt,dajedenTagzehntausende<br />

Menschen <strong>in</strong> Europa ankommen,<br />

die durch die Lebensumstände <strong>in</strong><br />

zum Teil sehr großen Migrantenzentren<br />

besonders suszeptibel für Infektionserkrankungen<br />

s<strong>in</strong>d [21].<br />

Auch wenn diese Studienpopulationnure<strong>in</strong>esehrkle<strong>in</strong>eStichprobeder<br />

großen Migrantenpopulation <strong>in</strong> Europa<br />

darstellt, lässt dieser Datensatz<br />

vermuten, dass das Risiko für <strong>Hepatitis</strong>-A-Ausbrüche<br />

<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gszentren<br />

derzeit, aufgrund e<strong>in</strong>er hohen Herdenimmunität,<br />

als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>zuschätzen ist.<br />

Handlungsempfehlungen zur Impfung<br />

von <strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gszentren tätigem Personal<br />

sowie e<strong>in</strong>e sorgfältige Prüfung der<br />

Impf<strong>in</strong>dikation <strong>bei</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong>dern<br />

und Jugendlichen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>zuhalten. Die Autoren hoffen,<br />

dass dieser Datensatz dazu <strong>bei</strong>tragen<br />

kann, die mediz<strong>in</strong>ische E<strong>in</strong>schätzung<br />

und das Management von <strong>Flüchtl<strong>in</strong>gen</strong><br />

<strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong> wenig zu erleichtern.<br />

Fazit für die Praxis<br />

4 Die <strong>Immunitätsrate</strong> gegen <strong>Hepatitis</strong> A<br />

<strong>in</strong> dieser Stichprobe der derzeitigen<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gspopulation liegt <strong>bei</strong> 90 %.<br />

4 E<strong>in</strong>e generelle Impfung istnichterforderlich.<br />

Insbesondere <strong>bei</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong>dern<br />

ist aber e<strong>in</strong>e Impf<strong>in</strong>dikation<br />

sorgfältig zu prüfen.<br />

4 Bei typischen kl<strong>in</strong>ischen Manifestationen<br />

wie Durchfall und Ikterus<br />

sollte immer an e<strong>in</strong>e <strong>Hepatitis</strong> A<br />

gedacht werden.<br />

4 Das Personal <strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gsheimen<br />

sollte ausreichend gegen <strong>Hepatitis</strong> A<br />

geschützt se<strong>in</strong>.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. A. Jablonka<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Immunologie und<br />

Rheumatologie, Mediz<strong>in</strong>ische<br />

Hochschule Hannover<br />

Hannover, <strong>Deutschland</strong><br />

Jablonka.alexandra@mhhannover.de<br />

Danksagung. Unser Dank gilt allen an der<br />

Versorgung der Flüchtl<strong>in</strong>ge beteiligten Ärzten und<br />

anderen mediz<strong>in</strong>ischen Fachkräften, die die Daten<br />

gesammelt und zur Verfügung gestellt haben. Unser<br />

besonderer Dank gilt den Führungskräften des<br />

Malteser Hilfsdienst e. V. Stadtgeschäftsstelle<br />

Hannover, die maßgeblich an der Organisation der<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung und Datenerhebung<br />

beteiligt waren.<br />

E<strong>in</strong>haltung ethischer Richtl<strong>in</strong>ien<br />

Interessenkonflikt. A.Jablonka,P.Solbach,C.Happle,<br />

A. Hampel, R. E. SchmidtundG. M. N. Behrens geben<br />

an, dass ke<strong>in</strong> Interessenkonflikt besteht.<br />

AlleDatenwurdenimRahmenderRout<strong>in</strong>eversorgung<br />

gewonnen und vor der Auswertung vollständig<br />

anonymisiert. Der Vorsitzende der lokalen Ethikkommission<br />

sah ke<strong>in</strong>e ethischen Bedenken gegen das<br />

Forschungsvorhaben (Nr. 2972-2015).<br />

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