11 Schwere Exazerbation einer beatmungspflichtigen COPD
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Kasuistiken<br />
MedKlinIntensivmedNotfmed2017 ·<strong>11</strong>2:352–355<br />
DOI 10.1007/s00063-016-0199-z<br />
Eingegangen: 14. März 2016<br />
Überarbeitet: 8. Juni 2016<br />
Angenommen: 13. Juni 2016<br />
Online publiziert: 16. August 2016<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016<br />
Redaktion<br />
R. Riessen, Tübingen<br />
M. Laufenberg 1 · T. Schneider 2<br />
1<br />
Medizinische Klinik II, Ev. Krankenhaus Bethesda, Mönchengladbach, Deutschland<br />
2<br />
Medizinische Klinik I, Lukaskrankenhaus GmbH, Städtische Kliniken Neuss, Neuss, Deutschland<br />
<strong>Schwere</strong> <strong>Exazerbation</strong> <strong>einer</strong><br />
<strong>beatmungspflichtigen</strong> <strong>COPD</strong><br />
vv-ECMO-Einsatz kombiniert mit<br />
Inhalationsnarkose<br />
Der Einsatz von Systemen zur<br />
venovenösen extrakorporalen<br />
Membranoxygenierung (vv-ECMO)<br />
bei Patienten mit „acute respiratory<br />
distress syndrome“ (ARDS) nimmt<br />
in Deutschland zu. Bisher selten<br />
betrachtet wurde der gleichzeitige<br />
Einsatz volatiler Anästhetika auf<br />
der Intensivstation zur Behandlung<br />
respiratorisch schwer erkrankter<br />
Patienten.<br />
Falldarstellung<br />
Anamnese<br />
Bei dem 58-jährigen normgewichtigen<br />
Patienten, der neben <strong>einer</strong> chronisch-obstruktiven<br />
Lungenerkrankung (<strong>COPD</strong>)<br />
nur einen arteriellen Hypertonus aufwies,<br />
kam es innerhalb von wenigen<br />
Stunden zu <strong>einer</strong> starken Dyspnoesymptomatik,<br />
sodass er selbst den Notarzt<br />
alarmierte. In der Vormedikation nutzte<br />
der Patient Metoprolol peroral sowie<br />
Salbutamol und Tiotropiumbromid als<br />
inhalative Medikation.<br />
Präklinische Befunde und Therapie<br />
Beim Notarzt zeigte sich ein kreislaufstabiler<br />
Patient (Blutdruck nach Riva-<br />
Rocci: 150/80 mmHg, Herzfrequenz, HF:<br />
107/min) mit <strong>einer</strong> Partialinsuffizienz<br />
und <strong>einer</strong> peripheren Sauerstoffsättigung<br />
von 83 % unter Gabe von 6 l O 2 über<br />
eine Maske. Die Atemfrequenz lag bei<br />
20/min.<br />
Daraufhin begann der Notarzt bei<br />
diesem Patienten mit eine National-<br />
advisory-committee-for-Aeronautics-<br />
(NACA)-Score von IV mit <strong>einer</strong> Salbutamol-<br />
und Ipratropiumbromidinhalation<br />
und <strong>einer</strong> Reproterolinfusion<br />
über einen Perfusor. Bei fehlender Besserung<br />
wurde bereits im Rettungswagen<br />
mit <strong>einer</strong> Beatmung mittels „continuous<br />
positive airway pressure“ (CPAP)<br />
nach Boussignac mit einem positiven<br />
endexspiratorischen Druck (PEEP) von<br />
<strong>11</strong> mmHg begonnen.<br />
Befunde und Therapie in der<br />
Ambulanz<br />
In der Elektrokardiographie (EKG) zeigte<br />
sich ein tachykarder Sinusrhythmus (HF:<br />
<strong>11</strong>1/min) bei Indifferenztyp mit regelgerechter<br />
R-Progression und diskreten<br />
ST-Senkungen in Ableitung III und aVF<br />
ohne weitere Erregungsrückbildungsstörungen.<br />
Der Röntgenuntersuchung des<br />
Thorax zeigte zunächst keine pneumonischen<br />
Infiltrate, beidseits keine Pleuraergüsse,<br />
keine pulmonalvenöse Stauung<br />
und keinen Anhalt für einen Pneumothorax.<br />
In der Routinelaboruntersuchung<br />
imponierte ein C-reaktives Protein<br />
(CRP) von 23,3 mg/dl, das Procalcitonin<br />
(PCT) lag bei 1,7 μg/l; sonst fanden<br />
sich keine relevanten Auffälligkeiten.<br />
In der initialen Blutgasanalyse zeigte<br />
sich eine respiratorische Globalinsuffizienz:<br />
pH: 7,139; pO 2: 134 mmHg; pCO 2:<br />
102 mmHg; Base Excess (BE): 4,6; Bikarbonat<br />
(HCO 3– ): 23,0 mmol/l.<br />
Bei dem Verdacht auf eine infektexazerbierte<br />
<strong>COPD</strong> wurde eine Therapie<br />
mit 0,09 mg Reproterol, 100 mg Prednisolon,<br />
Inhalation mit Salbutamol und<br />
Ipratropiumbromid eingeleitet. Antibiotisch<br />
wurde der Patient nach Abnahme<br />
vonBlutkulturenintravenösmit3-mal<br />
0,5 g Sulbactam und 1 g Ampicillin behandelt.<br />
Bei zunehmenderTachypnoe und fehlender<br />
Besserung unter Beatmung mit<br />
<strong>einer</strong> Sauerstofffraktion im Einatmungsgasgemisch<br />
(F IO 2) von 0,5 wurde die<br />
CPAP-Therapie auf der Intensivstation<br />
intensiviert.<br />
Verlauf auf der Intensivstation<br />
Nach frustranem Versuch <strong>einer</strong> nichtinvasiven<br />
Beatmung (NIV) mittels EVI-<br />
TA XL® (Dräger, Lübeck, Deutschland):<br />
Blutgasanalyse (BGA): pH: 7,076;<br />
pO 2: <strong>11</strong>5 mmHg; pCO 2: 123 mmHg;<br />
BE: –1,7, HCO 3– : 34,3 mmol/l: Laktat:<br />
1,7 mmol/l: arterieller Sauerstoffpartialdruck<br />
(P aO 2)/F IO 2: 192, entschied man<br />
sich bei zunehmender Somnolenz mit<br />
einem Glasgow Coma Scale (GCS) von 7<br />
zur elektiven Intubation und Beatmung:<br />
„biphasic positive airway pressure“ (BI-<br />
PAP), PEEP: 12 mmHg, Spitzendruck:<br />
28 mmHg, Tidalvolumen: 420 ml, F IO 2:<br />
0,7.<br />
Zunächst erfolgte der Versuch, unter<br />
permissiver Hyperkapnie die Beatmungsdrücke<br />
zu reduzieren. Am Folgetag<br />
wurde bei weiter schlechter Beatmungssituation<br />
eine Bauchlage für 18 h<br />
etabliert. Die initiale antibiotische Therapie<br />
wurde auf 3-mal 4,5 g Tazobactam in<br />
Kombination mit 3-mal 500 mg Erythromycin<br />
eskaliert. Laborchemisch konnte<br />
eine Influenza und eine Legionelleninfektion<br />
ausgeschlossen werden.<br />
352 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2017
Im Verlauf musste die Beatmungstherapie<br />
weiter eskaliert werden: BGA: pH:<br />
7,165; pO 2: 63 mmHg; pCO 2: 82 mmHg;<br />
BE: –3; HCO 3– : 28,4 mmol/l; Laktat:<br />
1,9 mmol/l; unter folgender Beatmung:<br />
BIPAP-Spitzendruck: 33 mmHg; PEEP:<br />
15 mmHg; F IO 2: 0,8; Inspiration zu<br />
Exspiration (I:E): 1:1,5; Tidalvolumen:<br />
453 ml; P aO 2/F IO 2: 79.<br />
» Im Verlauf musste die<br />
Beatmungstherapie weiter<br />
eskaliert werden<br />
Bei weiterer respiratorischer Verschlechterung<br />
(progrediente Hyperkapnie) und<br />
zur Deeskalation der Beatmungstherapie<br />
wurde sich für die Implantation <strong>einer</strong> vv-<br />
ECMO (Cardiohelp System® , Maquet,<br />
Rastatt, Deutschland) entschieden. Als<br />
Zugangsweg wurde eine 17-F-Kanüle<br />
über die Vena jugularis eingebracht und<br />
eine 19-F-Kanüle in die Vena femoralis<br />
implantiert.<br />
Initial erfolgte die Sedierung mit<br />
Dormicum und Sufentanil, gesteuert<br />
nach Beurteilung des Richmond Agitation<br />
Sedation Scale (RAAS). Es war<br />
jedoch eine deutliche Steigerung der Dosierungen<br />
notwendig, um einen RASS<br />
von –1 zu halten. Bei voraussichtlich<br />
längerer Sedierung und zur Nutzung<br />
des bronchodilatatorischen Effekts kam<br />
AnaConDa® (Sedana Medical, Kildare,<br />
Irland) zum Einsatz. Als volatiles Anästhetikum<br />
wurde Isofluran genutzt, zur<br />
Analgesie wurde Sufentanil ergänzt.<br />
Nach 6 Tagen mit nun deutlich fallenden<br />
Entzündungszeichen erfolgte das<br />
kurzfristige Weaning von der vv-ECMO<br />
innerhalb von 24 h. Es konnte eine ausreichende<br />
Spontanatmung unter CPAP<br />
erreicht werden. Hierunter zeigten sich<br />
akzeptable BGA.<br />
Zum weiteren Weaning wurde der Patient<br />
unter CPAP-Therapie mittels Akutverlegungsrettungswagen<br />
weiterverlegt.<br />
Nach 20 Tagen konnte der Patient aus<br />
der Weaningklinik nach Hause entlassen<br />
werden.<br />
Diskussion<br />
Inhalative Sedierung mit volatilen<br />
Anästhetika<br />
–<br />
Seit einigen Jahren werden zunehmend<br />
inhalative Anästhetika auf der Intensivstation<br />
eingesetzt. Mesnil et al. belegten<br />
die Sicherheit und Kosteneffizienz<br />
dieses Verfahrens bei Nutzung<br />
von Sevofluran. Sie wiesen außerdem<br />
die Verkürzung der Aufwach- und Beatmungszeitsowie<strong>einer</strong>eduzierteDelirrate<br />
nach [1]. Diese Befunde werden auch von<br />
L’Her bestätigt, der in <strong>einer</strong> kleinen Studie<br />
für Isofluran nachweisen konnte, dass<br />
das Verfahren im Vergleich zu anderen<br />
Sedierungskonzepten nicht signifikant<br />
unterschiedliche Kosten erzeugt [2].<br />
Ob die Therapie mit volatilen Anästhetika<br />
bei Intensivpatienten einen positiven<br />
Einfluss auf die Mortalität hat,<br />
konnte Bellgardt zwar nicht belegen, er<br />
konnte jedoch nachweisen, dass die Therapie<br />
von den Patienten ohne relevante<br />
Nebenwirkungen gut vertragen wurde<br />
[3]. Positive Effekte auf die Mortalität<br />
konnten bisher nur bei kardiochirurgischen<br />
Patienten nachgewiesen werden<br />
[4], bei nichtkardiochirurgischen und internistischen<br />
Patienten liegen hierzu keine<br />
aussagekräftigen Daten vor.<br />
In der Initialphase der Anwendung<br />
von AnaConDa® kommt es gelegentlich<br />
durch eine Vergrößerung des anatomischen<br />
Totraums aufgrund des „device“ –<br />
zu <strong>einer</strong> Hyperkapnie.<br />
Der bronchodilatorische Effekt des<br />
Isoflurans ist in der operativen Versorgung<br />
seit langem bekannt [5]. Im<br />
Status asthmaticus wird diese Wirkung<br />
auch in mehreren Einzelfallberichten<br />
geschildert [6]. In der Literatur finden<br />
sich hierzu auch Berichte zu Sevofluran<br />
[7]. Eine spezielle Untersuchung<br />
zu diesem bronchodilatierenden Effekt<br />
bei Intensivpatienten wurde bisher nicht<br />
vorgenommen.<br />
» Die Therapie mit volatilen<br />
Anästhetika wird ohne relevante<br />
Nebenwirkungen gut vertragen<br />
Der kombinierte Einsatz mit <strong>einer</strong> vv-<br />
ECMO war ohne relevante Nebenwirkungen<br />
möglich. Die Isofluranmengen,<br />
die unter der vv-ECMO notwendig waren,<br />
unterschieden sich bei dem vorgestellten<br />
Patienten nicht von den Patienten<br />
ohne ECMO mit AnaConDa® ,sodass<br />
man davon ausgehen kann, dass die extrakorporal<br />
zirkulierende Menge an der<br />
ECMO-Membran keinen Einfluss auf die<br />
notwendige Isofluranmenge hat.<br />
» Der kombinierte Einsatz<br />
von Isofluran mit vv-ECMO war<br />
ohne relevante Nebenwirkungen<br />
möglich<br />
Unter Arbeitsplatzsicherheitsaspekten<br />
wurde eine wichtige Untersuchung von<br />
Philippetal.vorgenommen.DieKollegen<br />
berichten, das plasmadichte Membranen<br />
Hier steht eine Anzeige.<br />
K
Zusammenfassung · Abstract<br />
(Polymethylpenten), die in den heutigen<br />
ECMO-Systemen verbaut sind, im Wesentlichen<br />
keine relevanten Mengen an<br />
volatilen Anästhetika durchlassen [8].<br />
Venovenöse ECMO<br />
Der Einsatz extrakorporaler Lungenunterstützungssysteme<br />
nimmt aktuell deutlich<br />
zu. Im Register der Extracorporeal<br />
Life Support Organization (ELSO) sind<br />
für das Jahr 2015 bereits 2121 Patienten<br />
eingeschlossen. Weltweit sind im Register<br />
bereits 69.<strong>11</strong>4 Patienten erfasst [9].<br />
Ferguson et al. schlagen vor, dass nach<br />
Ausschöpfung anderer Maßnahmen, wie<br />
der Beatmung mit niedrigem Tidalvolumen,<br />
<strong>einer</strong> adäquaten PEEP-Auswahl,<br />
Bauchlage, ggf. <strong>einer</strong> neuromuskulären<br />
Blockade und einem weiter bestehenden<br />
Horowitz-Index
Buchbesprechung<br />
Einhaltung ethischer Richtlinien<br />
Interessenkonflikt. M. Laufenberg und T. Schneider<br />
geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.<br />
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren<br />
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Alle<br />
Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige<br />
Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren<br />
sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung<br />
gegeben.<br />
Literatur<br />
1. MesnilM,CapdevilaX,BrinquierSetal(20<strong>11</strong>)Longterm<br />
sedation in intensiv care unit: a randomized<br />
comparison between inhaled sevofuran and<br />
intravenouspropofolormidazolam.IntensiveCare<br />
Med37:933–941.doi:10.1007/s00134-0<strong>11</strong>-2187-3<br />
2. L’HerE,DyL,PiliR,PratG,TonnelierJM,LefevreM<br />
et al (2008) Feasibility and potential cost/benefit<br />
ofroutine isoflurane sedation usingan anestheticconserving<br />
device: A prospective observational<br />
study.RespirCare53:1295–1303<br />
3. Bellgardt M, Bomberg H, Herzog-Niescery J et al<br />
(2015)Survivalafterlong-termisofluranesedation<br />
as opposed to intravenous sedation in critically ill<br />
surgicalpatients.EurJAnaesthesiol32:1–8<br />
4. Landoni G, Biondi-Zoccai G, ZangrilloAetal (2010)<br />
Desflurane and sevoflurane in cardiac surgery:<br />
a meta-analysis of randomized clinical trails.<br />
JCardiothoracVascAnesth24:51–57<br />
5. Nyktari V, Papaioannou A, Volakakis N et al (20<strong>11</strong>)<br />
Respiratory resistance during anesthesia with<br />
isoflurane, sevoflurane, anddesflurane: a randomized<br />
clinical trial. Br J Anaesth 107(3):454–461.<br />
doi:10.1093/bja/aer155.Epub<br />
6. Shankar V, Churchwell KB, Deshpande JK (2006)<br />
Isoflurane therapy for severe refractory status<br />
asthmaticus in children. Intensive Care Med<br />
32:927–933<br />
7. Ruszkai Z, Bokrétás GP, BarthaPT(2014)Sevoflurane<br />
therapy for life-threatening acute severe asthma:<br />
a case report. Can J Anaesth 61(10):943–950.<br />
doi:10.1007/s12630-014-0213-y.<br />
8. Philipp A et al (2002) Narkosegastransfer via<br />
Membranoxygenator.Kardiotechnik2002(1):3–6<br />
9. https://www.elso.org/Registry/Statistics/<br />
InternationalSummary.aspx. Zugegriffen: 15.<br />
Juni2015<br />
10. Ferguson ND, Fan E, Camporota L et al (2012) The<br />
Berlin definition of ARDS: an expanded rationale,<br />
justification,andsupplementarymaterial.Intensiv<br />
CareMed38(10):1573–1582<br />
<strong>11</strong>. Combes A et al (2014) Position paper for<br />
the organization of extracorporeal membrane<br />
oxygenationprogramsforacuterespiratoryfailure<br />
in adult patients. Am J Respircrit Care Med.<br />
doi:10.<strong>11</strong>64/rccm.201404-0630CP<br />
J. Köbberling<br />
Behandlungsfehler und Arzthaftung<br />
Praktische Hinweise für Ärzte und Patienten<br />
Berlin: De Gruyter 2016, 128 S., 2 Abb., (ISBN: 978-3-<strong>11</strong>-047675-0), Hardcover<br />
39,95 EUR<br />
Das Buch Behandlungsfehler und Arzthaftung.<br />
Praktische Hinweise für Ärzte und Patienten<br />
von Johannes Köbberling (De Gruyter,<br />
2016) gibt wichtige Praxisanleitungen zur<br />
Versachlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses<br />
bei vermuteten Behandlungsfehlern<br />
und ist daher ein nützlicher Leitfaden. Der<br />
Autor, Prof. Dr. Johannes Köbberling, war<br />
langjährig klinisch tätiger Internist, hat sich<br />
in vielfältigen Funktionen mit Fragen der<br />
Patientensicherheit befasst und ist u. a. Mitglied<br />
der Gutachterkommission für ärztliche<br />
Behandlungsfehler der Ärztekammer Nordrhein.<br />
Kritisch durchgesehen und um ein<br />
Vorwort ergänzt wurde das Buch von dem<br />
Medizinrechtler Prof. Peter Wolfgang Gaidzik.<br />
Er attestiert Köbberling, dass es ihm<br />
gelungen ist, die komplexe Materie des Arzthaftungsrechts<br />
für den juristischen Laien<br />
verständlich werden zu lassen.<br />
Wesentliches Anliegen des Buches ist das<br />
Eintreten für eine neue Kultur im Gesundheitswesen,<br />
in der Fehler nicht verleugnet<br />
oder gar vertuscht, sondern aktiv aufgegriffen<br />
werden, um daraus für die Zukunft<br />
zu lernen. Es ist sowohl als Hilfestellung für<br />
Ärzte gedacht, die sich mit Behandlungsfehlervorwürfen<br />
konfrontiert sehen, als auch als<br />
Informationsquelle und Handreichung für<br />
Patienten und Angehörige, wenn sie einen<br />
Behandlungsfehler vermuten. Dabei legt<br />
Köbberling Wert auf die Tatsache, dass Fehler<br />
zum Wesen des Menschen gehören und also<br />
auch im ärztlichen Handeln vorkommen –<br />
entscheidend ist aber der Umgang damit.<br />
„VerantwortungsvolleÄrzteversuchen (...),<br />
aus ihren Fehlern zu lernen. Damit bleiben<br />
sie trotz begangenen Fehlers gute Ärzte.“<br />
(S. 1). Nach einem Kapitel über Fehlerkultur<br />
und Fehlervermeidungsstrategien widmet<br />
sichKöbberlinginneungutgegliederten<br />
und informativen Kapiteln einzelnen Aspekten<br />
des Arzthaftungsrechts: Er gibt einen<br />
Einblick in die rechtlichen Grundlagen, definiert<br />
Behandlungsfehler und ihre Ursachen,<br />
erklärt den Begriff des Schadens und des<br />
Schadensausgleichs, erörtert das Thema<br />
Beweislast und Beweiserleichterungen, erläutert<br />
ausführlich die Besonderheiten von<br />
Diagnosefehlern, widmet sich den Themen<br />
Aufklärung, Einwilligung und Dokumentation,<br />
um schließlich auf das Stichwort Sachverständigengutachten<br />
einzugehen. Alle Kapitel<br />
werden durch zahlreiche authentische Praxisbeispiele,<br />
vornehmlich aus der eigenen<br />
Gutachtertätigkeit,ergänzt und erhalten dadurch<br />
Lebendigkeit und Anschaulichkeit.Der<br />
praktische Wert des Buches wird dadurch<br />
erhöht, dass die wichtigsten Kernsätze in<br />
farbig markierten Blöcken optisch hervorgehoben<br />
werden. Zudem beinhaltet auch das<br />
Kapitel über die Gutachterkommission unter<br />
Angabe von Adressen und Verfahrensabläufen<br />
einen konkreten Nutzwert. Was das<br />
Buch aber besonders auszeichnet, sind die<br />
beiden Schlusskapitel „Wie verhalten Sie sich<br />
als Ärztin oder Arzt bei Behandlungsfehlervorwürfen?“<br />
und „Wie gehen Sie als Patient<br />
bei möglichen Behandlungsfehlern vor?“, in<br />
denen Köbberling empathisch die Perspektive<br />
des jeweiligen Betroffenen einnimmt<br />
und konkrete und konstruktive Lösungen<br />
aufzeigt.<br />
Das Buch ermöglicht den medizinrechtlich<br />
abgesicherten Blick über den Tellerrand des<br />
klinischen Alltags, bietet konkrete Handlungsempfehlungen<br />
und ebnet den Weg in<br />
eine adäquate Fehlerkultur.<br />
C. Güsgen (Koblenz)<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2017 355