Die folgenreiche Errettung des Ludwig B. - Gerhard Sennlaub
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nicht die geringste wirtschaftliche Verbesserung für <strong>Ludwig</strong> gegeben.<br />
Als gläubiger Brockhaus-Jünger hat er längst akzeptiert: Er war<br />
ein Armer, ist es und wird es bleiben. Weil Gott selbst das so will. Er<br />
hat die Menschen ungleich gemacht. „Der Herr macht arm und macht<br />
reich“ – 1. Samuel 2.7.<br />
Auf Erden hat dieser Mann keine Perspektive. <strong>Die</strong> er hat, wird sich<br />
erst nach seinem Tod eröffnen. Aber bis dahin kann es noch lange<br />
dauern. Schließlich ist er erst 43 Jahre alt, und einige weitere Jahrzehnte<br />
Elend stehen ihm bevor.<br />
Da erhält er im Frühjahr 1866 ein phantastisches Angebot. In dem<br />
Sauerländer Dorf Kückelheim ist eine Fabrik für Drahtweberei eröffnet<br />
worden; die stellt allerlei Siebe her, vom Tee-Sieblöffel bis zum<br />
Fliegenschrank. Für die bevorstehende Ausweitung der Produktion<br />
wird händeringend ein Spezialist gesucht, der einheimische Ungelernte<br />
anleiten kann. „Facharbeiter gab es nicht in den umliegenden<br />
Dörfern“, wird Jahrzehnte später die Firmenchronik klagen. 58<br />
Der <strong>Ludwig</strong> aber ist einer. Und was für einer! Der kann bei<strong>des</strong>: weben<br />
und mit Draht umgehen. Von klein auf hat er im Elternhaus die<br />
Weberei gelernt, und mit allerlei Metallen vom Draht bis zum Spaten<br />
und vom Flechten bis zum Schmiedehämmern geht er seit vielen<br />
Jahren in Voormanns Fabrik um. Deshalb soll er sich in Kückelheim<br />
um den geplanten Ausbau der Drahtweberei kümmern. Man kann<br />
sagen, dass er dort eine Art „Werkmeister“ sein soll. So jedenfalls<br />
sieht es voller Stolz sein Sohn Wilhelm. 59<br />
Für einen Proletarier ohne Perspektive ist das eine so großartige<br />
Chance, dass nur Gottes gnädige Führung dahinter stecken kann.<br />
Und tatsächlich: Das Angebot macht ihm Carl Brockhaus persönlich,<br />
und die Fabrik gehört <strong>des</strong>sen Bruder Friedrich. Niemals würde Bruder<br />
Birkenstock eine solche Entscheidung fällen, wenn ihm nicht<br />
während langer Gebete die Gewissheit erwachsen wäre, dass sein<br />
Herr ihn auf diesen Weg führt. Und dass <strong>Ludwig</strong> seine Caroline am<br />
Beten beteiligt, kann ebenfalls als ausgemacht gelten. <strong>Die</strong> Entscheidung<br />
trifft dann aber natürlich der Mann.<br />
Wäre es nicht nur verständlich, wenn Kückelheim für den <strong>Ludwig</strong><br />
ist, was einst Palästina für den Abraham war: das Land der Verheißung?<br />
So macht sich also der <strong>Ludwig</strong> Birkenstock mit Frau und sieben<br />
Kindern auf den beschwerlichen Weg ins Sauerland.<br />
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