Tourette und Führerschein - Tourette-Gesellschaft Deutschland
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Zeitung der <strong>Tourette</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
für Mitglieder, Mitarbeiter <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e<br />
Liebe Fre<strong>und</strong>innen<br />
<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e von<br />
,,<strong>Tourette</strong> aktuell",<br />
wir lhr Euch vielleicht erinnern<br />
könnt, haben wir von der Redaktion<br />
in derAusgabe der<strong>Tourette</strong> aktuell<br />
Nr. 4 darum gebeten, daß ihr<br />
uns Beiträge zum Thema "<strong>Tourette</strong><br />
-X<br />
<strong>und</strong> <strong>Führerschein</strong>" schickt, die wir<br />
dann in der fünften Ausgabe abdrucken<br />
wollten. Wir müssen sagen:<br />
Uns haben so viele interessante<br />
Zuschriften erreicht, daß wir<br />
beschlossen haben, wir mache n ein<br />
"<strong>Tourette</strong> aktuelI spezial" zu diesem<br />
Thema. Heute haltet lhr diese erste<br />
Spezialausgabe in Euren Händen.<br />
Weitere zu anderen Themen sollen<br />
folgen. Das Thema "<strong>Führerschein</strong>"<br />
ist für viele TS-Betroffene e in wichtiges<br />
Thema.<br />
Viele wissen nicht, ob sie den <strong>Führerschein</strong><br />
machen sollen oder nicht,<br />
ob sie ihn überhaupt machen dürfen.<br />
Manche sind unsicher, ob sie<br />
das <strong>Tourette</strong> bel der Anmeldung erwähnen<br />
sollen, oder zumindest be i<br />
der Fahrprüfung. Wie ist das mit<br />
---<br />
Oktober<br />
der medizinisch-psycholgischen<br />
Untersuchung (MPU)? Muß die gemacht<br />
werden, kann die gemacht<br />
werden? Und was dannT<br />
Was ist, wenn lch Medikamente<br />
nehme?<br />
Muß ich das bei einem Unfall erwähnen?<br />
Was ist, wenn ich es nicht<br />
tue? Wie soll ich damit umge hen,
wenn beim Fahren Tics auftreten?<br />
All das sind Fragen <strong>und</strong> Überlegungen,<br />
die uns die Herausgabe einer<br />
"<strong>Tourette</strong> aktuell sPezial" zum<br />
Thema "<strong>Tourette</strong> <strong>und</strong> <strong>Führerschein</strong>"<br />
sinnvoll erscheinen ließen.<br />
Wir hoffen, damit den Bedürfnissen<br />
unserer Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />
Kerstin Reiser<br />
entgegenzukommen <strong>und</strong> wünschen<br />
uns wie immer rege Rückmeldung<br />
I<br />
Hinweisen möchten wir noch darauf,<br />
daß alle persönlichen Berichte<br />
jeweils ausschließlich die Meinung<br />
der Verfasserin bzw. des<br />
Verfassers darstellen, keine Allge-<br />
meingültigkeit haben <strong>und</strong> nicht<br />
unbedingt auf andere Personen zu<br />
übertragen sind I<br />
Viel Spaß <strong>und</strong> Anregung beim Le-<br />
sen wünscht Euch<br />
Die Redaktion<br />
Td.ureüüe=$ ndrom<br />
Auto fahr,en<br />
rTlt Ties?l<br />
aaaaaaaaaaaaoaaaaa<br />
Wenn sich <strong>Tourette</strong>-Betroffene<br />
mit deutlich sichtbaren Bewegungsstörungen<br />
oder Vokaltics<br />
a)m <strong>Führerschein</strong> anmelden,<br />
kommt es häufig zu Problemen.<br />
ln der Regel kennt der Fahrlehrer<br />
diese Störung nicht. In der Praxis<br />
hat sich gezeigt, daß man<br />
Mißverständnissen am ehesten<br />
vorbeugen kann, indem man den<br />
Fahrlehrer ausreichend informiert.<br />
Unbedingt wissen sollte er, daß<br />
die Bewegungen oder Lautäußerungen<br />
unwillkürlich sind <strong>und</strong><br />
nicht dazu dienen, ihn zu provozieren<br />
oder zu ärgern, <strong>und</strong> daß<br />
diese Störung nichts mit einer Intelligenzbeei<br />
nträchtigung zu tun<br />
hat.<br />
Die Leitlinien des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Verkehr beinhalten das<br />
<strong>Tourette</strong>-Svndrom als solches<br />
nicht, so daß Fahrlehrer <strong>und</strong> Schüler<br />
im Laufe des Unterrichts beur- <strong>Führerschein</strong> <strong>und</strong><br />
teilen müssen, ob der<strong>Tourette</strong>-Berroffene<br />
in der Lase itt,.i;'irl;- <strong>Tourette</strong>-Syndrom -<br />
zeus sicher <strong>und</strong> konzentriert zu<br />
füf Vigle BgtfOffgng<br />
führen.<br />
Nur selten kommen Tics vor, die die<br />
Verkehrssicherheit beeinflussen.<br />
Dann ist zu klären, ob eine medikamentöse<br />
Behandlung in Frage<br />
kommt, die die Tics ausreichend<br />
unterdrückt, oder ob der Betroffene<br />
gar in der Lage ist, den besonders<br />
hinderlichen Tic in einen<br />
harmloseren gewissermaßen,,umzulenken".<br />
)<br />
Einzelne Menschen mit <strong>Tourette</strong><br />
berichten immer wieder, daß ihnen<br />
das gelingt. Wichtig bei der Entscheidung<br />
ist auch , ob der Betroffene<br />
verantwortungsbewußt handelt<br />
<strong>und</strong> bereit ist, in Zeiten<br />
verstärkter Tics gegebenenfalls auf<br />
das Autofahren zu verzichten.<br />
Das oberste Ziel muß natürlich die<br />
Verkehrssicherheit sei n. Schl ießlich<br />
geht es nicht nur um die eigene Sicherheit.<br />
sondern auch um die der<br />
anderen Verkehrsteilnehmer. Die<br />
Praxis zeigt jedoch, daß viele <strong>Tourette</strong>-Betroffene<br />
im Besitz des <strong>Führerschein</strong>s<br />
sind <strong>und</strong> auch unfallfrei<br />
fahren. Betroffene sollten sich also<br />
nicht vorschnell entmutigen lassen.<br />
Vielmehr lohnt es sich, die<br />
Fahrschu lzeit optimal vorzubereiten.<br />
Das reduziert den Streß <strong>und</strong> erhöht<br />
die Chancen deutlich, die<br />
Fa hrprüfung erfol greich abzu legen.<br />
ein Problem<br />
Auto fahren, das bedeutet Freiheit,<br />
Erwachsen sein, Prestige. Alles Din-<br />
ge, die für Heranwachsende eine<br />
herausragende Bedeutung haben<br />
<strong>und</strong> ihr Selbstwertgefühl beeinflussen.<br />
Oft genug sind .Jugendliche<br />
mit <strong>Tourette</strong>-Synd rom Au ßenseiter<br />
a uf G ru nd ih rer Störu nq. Ma n ka n n<br />
sich also leicht vorstellen, welchen<br />
Stellenwert der <strong>Führerschein</strong> im Leben<br />
eines heranwachsenden Mensche<br />
n mit <strong>Tourette</strong>-Svndrom hat.<br />
Die Jugendlichen beginnen heute<br />
meist schon mit 17 Jahren mit der<br />
Fahrschule, damit am 18. Geburtstag<br />
der heiß ersehnte <strong>Führerschein</strong><br />
auf dem Gabentisch liegt. Es ist die<br />
Zeit, in die auch der Schulabschluß<br />
oder ein Ausbildungsbeginn fallen.<br />
Zumeist spielt auch die Partnersuche<br />
in diesem Alter eine große Rolle.<br />
Dies alles bedeutet Streß. Die<br />
Bewegungsstörungen sind dabei<br />
oft nicht nur hinderlich, sondern<br />
erfordern viel Disziplin, Frustrationstoleranz<br />
<strong>und</strong> Stehvermögen.<br />
Verkeh rsleitlin ien<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Das <strong>Tourette</strong>-Syndrom wird medizinisch<br />
zu den extrapyramidalmotorischen<br />
Erkrankungen gerechnet.<br />
ln den Leitlinien "Krankheit <strong>und</strong><br />
Verkehr" ist es als eigenständige<br />
Krankheit jedoch nlcht aufgeführt,<br />
so daß keine eindeutigen Vorgaben<br />
bestehen:<br />
Allgemein gilt, daß zum Führen ei-<br />
nes Kraftfahrzeuges ein stabiles<br />
Leistungsniveau <strong>und</strong> die Beherrschung<br />
von Belastungssituationen<br />
gehören. Ein Gefährdungssachverhalt<br />
ist dann gegeben, "wenn in einem<br />
absehbaren Zeitraum die Ge-<br />
IXe<br />
iler<br />
Thorsten Schmidt<br />
Tauberbachstraße 9<br />
65321 Rhens<br />
Telefon 02628 | 8322<br />
Jutta Schmidt<br />
Tauberbachstraße 9,<br />
65321 Rhens<br />
Telefon 02628 | 8322<br />
Lothar Schwalm<br />
Rheinstraße 2<br />
55278 Mommenheim<br />
Telefon 0 61 35 | 83 77<br />
Christiane Kant<br />
Elsenallee 3<br />
12683 Berlin<br />
Telefon030/5 142251<br />
Elisabeth Heinen<br />
Niessestraße 32<br />
41516 Grevenbroich<br />
Telefon O21 82 / 1 03 16<br />
Winfried Pöpsel<br />
Wibbelstraße 7<br />
59555 Lippstadt<br />
Telefon 02941 /608 17<br />
Ute Boldt<br />
Klinik für Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendpsych iatrie<br />
von-Siebold-Straße 5<br />
37075 Göttingen<br />
Telefon 05 51 / 39 67 27<br />
Impnessum<br />
<strong>Tourette</strong> aktuelt<br />
Erscheint jährlich. Gedruckt<br />
auf 1 000/o Recyclingpapier.<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Tourette</strong> <strong>Gesellschaft</strong>-<br />
<strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
c/o Prof. Dr. A. Rothenberger<br />
Kinder- u. Jugendpsychiatrie<br />
von-Siebold-Straße 5<br />
37075 Göttingen<br />
Vorstand:<br />
Dipl.-lng. K. Joseph,<br />
Prof. Dr. med.<br />
A. Rothenberger<br />
Kassenwart:<br />
M. Treffer, Bruchweg 40<br />
76187 Karlsruhe<br />
Bankverbindung:<br />
Vol ksba nk Speyer-Neustadt<br />
8l-Z547, Konto 11 31 58<br />
Layout/Satzherstel lung :<br />
form Et text, werbeagentur<br />
Freisinger Straße 8<br />
85391 Allershausen<br />
Telefon 0 81 66 / 93 49<br />
Telefax 0 81 66 / 93 50
fahr des plötzlichen Versagens der Rückspiegel, statt auf die Straße sie dieVerkehrssituation die ganze<br />
körperlichen <strong>und</strong> geistigln Lei- blickte. Zeit über im Auge haben. Man kann<br />
stungsfähigkeit... zu erwärten ist" Auch sein Bedürfnis, das Lenkrad in sich dennoch leichtvorstellen, daß<br />
(g<strong>und</strong>esministerium für Verkehr Relation zu seinen Knien zu zen- einsolchesVerhaltenzunächstauf<br />
1996). trieren, nahm fast frenetische Zü- einen Fahrlehrer sehr befremdend<br />
ge an: ständig mußte er es ,,ins wirken kann'<br />
Der soezielle Teil der Leitlinien "Par- Gleichgewicht bringen", ruckweise<br />
kinsonsche Krankheit, Parkinsonis- nach links <strong>und</strong> rechts drehen, wo-<br />
mus <strong>und</strong> andere extrapyramidal- durch er das Auto in einen wilden Eine FallstUdie:<br />
motorlsche Erkrankungen einschließlich<br />
zerebellä rer Symptome"<br />
hilft bei der Entscheidung nicht viel<br />
weite r. da hierunter vor allem die<br />
chronisch progredienten Leiden zu-<br />
sammengefaßt sind.<br />
Es werden jedoch "grob störende<br />
unwillkürliche Bewegungsimpulse"<br />
als Leistungseinbußen genannt, die<br />
das Führen eines Kraftfahrzeuges<br />
nicht mehr verkehrssicher erlauben<br />
können. Die Schwierigkeit liege in<br />
der Abschätzung der Belastbarkeit<br />
(B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr<br />
1 e96).<br />
Eine Literatur-<br />
Recherche:<br />
Mit Tics am Steuer<br />
In seinem Buch, "Wenn Kinde rTics<br />
entwickeln" vertritt Prof. A. Rothenberger<br />
die Meinung, daß es<br />
unter besti mmten Voraussetzu ngen<br />
vertretbar ist, dem Erwerb des<br />
<strong>Führerschein</strong>s zuzustimmen.<br />
Dazu gehört, daß es "die Persönlichkeitsstruktur<br />
des Patienten erlaubt,<br />
daß er verantwortungsvoll<br />
mit seiner Störung <strong>und</strong> mit seinen<br />
Medikamenten umgeht" (Rothenberger<br />
1991).<br />
Der Neurologe <strong>und</strong> Schriftsteller<br />
0liver Sacks schildert sehr ausführlich<br />
eine Autofahrt mit seinem<br />
Kollegen Bennett, einem <strong>Tourette</strong>betroffe<br />
nen Chirurgen:,, Die Rückfahrt<br />
war ein fasziniere ndes, wenn<br />
auch manchmal erschreckendes Er-<br />
lebn is.<br />
Nun, da Bennett mich besser kennenlernte,<br />
wagte er es mehr <strong>und</strong><br />
me hr, sich <strong>und</strong> seinen Tourettismen<br />
freien Lauf zu lassen. Manchmal<br />
ließ er das Lenkrad sek<strong>und</strong>enlang<br />
los - zumindest schien es mir in<br />
meiner Angst so -, um gegen die<br />
Windschutzscheibe zu klopfen (zu<br />
einem Singsang von,,Hootie-hoo!",<br />
,,Hi there!" <strong>und</strong> ,,Hideous!"), die<br />
Brille zurechtzurücken, sie auf h<strong>und</strong>ert<br />
verschiedene Arten 7u ,,zentrieren"<br />
<strong>und</strong> den Schnurrbart mit<br />
gekrümmten Zeigefingern ständi9<br />
qlattzustreichen, wobei er in den<br />
Schlingerkurs brachte.<br />
,,Keine Angst", sagte er, als er meine<br />
Besorgnis bemerkte. ,,lch kenne<br />
die Straße <strong>und</strong> habe gesehen,<br />
daß uns niemand entgegen kommt.<br />
lch habe noch nie einen Unfall qehabt"<br />
(Sacks 1995).<br />
Und nicht nur das. Mr. Bennett hat<br />
auch den Flugschein <strong>und</strong> fliegt seit<br />
Jahren selbst. Sacks berichtet noch<br />
von elnem weiteren <strong>Tourette</strong>-<br />
Fre<strong>und</strong>. der ebenfalls seit i0 Jahren<br />
unfallfrei Auto fährt (Sacks<br />
1 9e5).<br />
Eine nicht weniger beeindruckende<br />
Beschreibung ist in Sven Hartungs<br />
Buch ,,Sonst bin ich ganz<br />
normal" (tggS) zu finden, in dem<br />
er unter anderem über das Leben<br />
des bekannten amerikanischen<br />
Basketballstars Mahmoud Abdul-<br />
Rauf schreibt, der ebenfalls unter<br />
dem <strong>Tourette</strong>-Svndrom leidet:<br />
,,Außeres Zeichen seines sozialen<br />
Aufstiegs ist ein weißes 500er Mercedes<br />
Coupö, mit dem der 25jährige<br />
uns stolz durch das von den<br />
Rocky Mountains umschlossene<br />
Denver fährt Mahmouds Tics erlauben<br />
mir nicht länger [. . .] nachzuden<br />
ken.<br />
Mitten auf einer zweispurigen<br />
B<strong>und</strong>esstraße verdreht er seinen<br />
Kopf wie ein Kranich in Richtung<br />
Son nendach.<br />
Außerdem läßt er ständig das Lenkrad<br />
los, um es dann wieder kurz anzutippen<br />
<strong>und</strong> zu testen, ob es sich<br />
gut anfühlt [. . .]<br />
Mich <strong>und</strong> mein Team befällt [. . .]<br />
ein mulmiges Gefühl. Doch nichts<br />
passiert, wir erleben nicht einmal<br />
eine gefährliche Situation. Mahmoud<br />
ist trotz dieser starken Anfälle<br />
immer Herr der Lage" (Hartung<br />
1995a).<br />
Diese Beispie le zeigen, daß, wie<br />
nicht anders zu erwarten, viele<br />
<strong>Tourette</strong>-Betroffene auch beim Auto<br />
fahren Tics haben.<br />
Bei stark Betroffenen können Tics<br />
beim Autofahren darin bestehen,<br />
das Lenkrad loszulassen, an die<br />
Scheibe zu klopfen oder den KoPf<br />
zu verdrehen. Diese Bewegungsstörungen<br />
alleine haben mit der<br />
Aufmerksamkeit nichts zu tun. Die<br />
Fahrer berichten regelmäßig, daß<br />
Mit Tics<br />
in der Fahrschule:<br />
Ein Beispiel aus der Praxis beschreibt<br />
einige typische Probleme<br />
<strong>und</strong> deren Lösungsansätze:<br />
Ein 17-jähriger Gymnasiast mit<br />
<strong>Tourette</strong>-Syndrom hat sich zum<br />
<strong>Führerschein</strong> angemeldet. In seinem<br />
Fall dominieren wechselhaft<br />
ausgeprägte Körpertics das Erscheinungsbild.<br />
Der Unterricht beginnt mit Theorieübupgen,<br />
die der SchÜler ohne<br />
g rößere Schwierigkeiten bewä ltigt.<br />
In der Gruppe fallen die Tics nicht<br />
so sehr auf, zumal es ihm, wie vielen<br />
Betroffenen möglich ist, dieTics<br />
in einer fremden, zunächst angespannten<br />
Situation etwas zu unterdrücken.<br />
Zwar weiß der junge Mann im Vergleich<br />
zu vielen betroffenen Altersgenossen<br />
bereits viel über sein<br />
Problem <strong>und</strong> seine Schwächen,<br />
aber gerade deshalb liegt ihm auch<br />
daran, möglichst normal durch's<br />
Leben zu gehen <strong>und</strong> von seiner<br />
Umwelt nicht wie ein Sonderling<br />
behandelt zu werden.<br />
Er versucht also zunächst einmal,<br />
seine Probleme nicht anzusprechen<br />
<strong>und</strong> die Fahrschule ganz gewöhnlich<br />
zu absolvieren. Das scheint<br />
auch Erfolg zu haben.<br />
Erste Schwierigkeiten treten erst<br />
auf, als die praktischen Fahrst<strong>und</strong>en<br />
beginnen. Dabei sPielt, so Paradox<br />
das klingen mag, auch e ine<br />
Rolle, daß der Fahrlehrer eine angenehme<br />
UnterrichtsatmosPhäre<br />
vermittelt.<br />
Der Fahrschüler fühlt sich relativ si-<br />
cher <strong>und</strong> wohl in seiner Gegenwart.<br />
Und wie das nicht untypisch für<br />
<strong>Tourette</strong>-Betroffene ist, zeigen sie<br />
eine eherverminderte Kontrolle in<br />
,,vertrauter" Umgebu ng.<br />
Gleichsam falle n sie natürlich im<br />
Einzelunterricht auch mehr auf.<br />
lmmer wiederverdreht der Schüle r<br />
Hals <strong>und</strong> Kopf nach links oben <strong>und</strong><br />
blickt zur Seite. Ab <strong>und</strong> zu läßt er<br />
das Lenkrad los.<br />
Dabei ist dieses Verhalten sehr<br />
wechselhaft. Manchmal fallen die<br />
Tics kaum auf, dann wiede r sind sie<br />
besonders deutlich <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
erlahmt die Konzentration am<br />
Ende einer Doppelst<strong>und</strong>e. Besonders<br />
nach langen Schultagen oder<br />
Klassenarbeiten treten diese Probleme<br />
auf. Ebenso kommt er mal<br />
optimistisch, mal am Boden zerstört<br />
nach Hause.<br />
Die St<strong>und</strong>enzahl hat das übliche<br />
Maß längst überschritten. Und eines<br />
Tages wendet sich der Fahrlehrer<br />
an die Eltern. Besonders sei<br />
ihm die wechselhafte Leistung seines<br />
Fahrschülers aufgefallen. Mal<br />
fahre er sicher <strong>und</strong> konzentriert bis<br />
zum Schluß. dann wieder wie in der<br />
ersten Fahrst<strong>und</strong>e.<br />
In solchen Situationen klappe das<br />
Einparken kaum. Natürlich ist er<br />
besorgt darüber, daß sein Schüler<br />
in manchen St<strong>und</strong>en das Lenkrad<br />
losläßt oder zur Seite blickt.<br />
lm Gespräch mit den Eltern <strong>und</strong> mit<br />
dem Fahrschüler selbst können viele<br />
Mißverständnisse beseitiqt wer-<br />
0en.<br />
Der Fahrlehrer ist jetzt in der Lage,<br />
die Tics zunächst einmal Tics<br />
sein zu lassen, <strong>und</strong> sich auf die<br />
Fahreigenschaften sei nes Schützlings<br />
zu konzentrieren. Sobald den<br />
Tics das Unverständliche, das Mvstische<br />
genommen ist, verlieren sie<br />
automatisch an Bedeutung. Wesentlich<br />
ist, ob der Schüler in der<br />
Lage ist, mit ausreichender Konzentration<br />
<strong>und</strong> Aufmerksamkeit<br />
das Fahrzeug sicher zu führen.<br />
Schwachstellen, wie Einparken <strong>und</strong><br />
Überholen können jetzt gezielt<br />
geübt werden. Der <strong>Tourette</strong>-Fahrschüler<br />
besteht die Prüfung nach<br />
dieser Vorbereitung auf Anhieb.<br />
Diskussion<br />
Ein <strong>Tourette</strong>-Betroffener steht oft<br />
schon vor der Anmeldung zum<br />
<strong>Führerschein</strong> vor Problemen, die<br />
ihn unter Umständen entmutigen,<br />
das Projekt überhaupt in Angriffzu<br />
nehmen. Ein ganz großes Problem<br />
ist immer noch, daß diese Störung<br />
in <strong>Deutschland</strong> noch weitgehend<br />
unbekannt ist. In der Regel wird<br />
auch der Fahrlehrer erstmals damit<br />
konfrontiert. Er muß jedoch entscheiden,<br />
ob er seinen Schützling<br />
zur Prüfung anmelden kann, das<br />
heißt, ob dieser in der Lage ist, ein<br />
Fahrzeug konzentriert <strong>und</strong> sicher<br />
zu lenKen.<br />
3
Das Fallbeispiel hat gezeigt, daß eine<br />
sachdienliche Information die<br />
Situation deutlich entspannen<br />
kann. Mißverständnisse werden<br />
vermieden <strong>und</strong> ein Vertrauensver-<br />
hältnis nicht im vorhine in belastet.<br />
Folgende Punkte sind für den Fahrlehrer<br />
von Bedeutung:<br />
e Es handelt sich um eine Bewegungsstörung,<br />
die der Betroffene<br />
nicht oder nur bedingt willentlich<br />
beeinflussen kann. Der Fahrschüler<br />
will seinen Lehrer damit nicht ärgern<br />
oder gar provozieren.<br />
o Diese Störung ist in der Regel<br />
mit normaler geistiger Leistungsfähigkeit<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
o Die Bewegungsstörung gehört zu<br />
dem Betroffe ne n, wie seine Haarfarbe.<br />
Auch eine Erhöhung der<br />
Fahrst<strong>und</strong>enzahl wird nicht zu einer<br />
Reduzierung der Tics führen.<br />
o Falls Medikamente regelmäßig<br />
eingenommen werden, sollte mit<br />
dem Arzt geklärt werden, ob dadurch<br />
die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt<br />
ist-<br />
Christian Hempel, der ebenfalls das<br />
<strong>Tourette</strong>-Syndrom hat, beschreibt<br />
seine Erfahrungen im Alltag folgendermaßen:<br />
,,Je mehr die andere<br />
n über mich wissen, desto mehr<br />
Verständnis bringen sie für mich<br />
auf" (Hartung 1995 b). Lernt man<br />
einen Menschen mit <strong>Tourette</strong>-Syndrom<br />
kennen, so kommt es vor, daß<br />
er zunächst nur aus Tics zu bestehen<br />
scheint.<br />
Man kann sich schwer vorstellen,<br />
daß man sich an wiederkehrende<br />
Schreie oder ruckartige Kopfbewegungen<br />
gewöhnen <strong>und</strong> sie im Alltag<br />
ausblenden kann. Klassenkameraden<br />
von Christian Hempel<br />
sagen:,,Heute höre ich seine<br />
Schreie nicht mehr, es ist so, als ob<br />
sich ein anderer Mitschüler räuspert<br />
oder hustet" (Hartung 1 995 b).<br />
Nicht nur die Information der Anderen,<br />
auch der Erfahrungsaustausch<br />
untereinander ist vielen Betroffenen<br />
eine große Hilfe.<br />
So kann man gegenseitig von Erfahrungen<br />
profitieren, die andere<br />
schon gemacht haben <strong>und</strong> Lösungsansätze<br />
finden, wo der Einzelne<br />
vor einem neuen Problem<br />
steht.<br />
Gerade bei einer Störung, die in<br />
stärkerer Ausprägung nicht sehr<br />
häufig auftritt, sind die neuen Medien,<br />
wie das Internet eine große<br />
Hilfe. Hier können sich Betroffene<br />
im Netz kennenlernen <strong>und</strong> kom-<br />
4<br />
munlzieren. Hier finden sie auch die<br />
neuesten Forschungsergebnisse<br />
<strong>und</strong> Veranstaltungen.<br />
ln <strong>Deutschland</strong> ist die Web-Seite<br />
der <strong>Tourette</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> ein<br />
wichti ger Anlaufpunkt:<br />
http ://www.to u rette.d e<br />
Bei einigen Betroffenen nehmen<br />
die Tics bis zum Alter von 14 - 16<br />
Jahren zwar zu. Der übliche natürliche<br />
Verlauf zeigt danach aber<br />
eher einen Rückgang derTics. Fast<br />
alle Menschen mit <strong>Tourette</strong> berichten,<br />
daß sich Zeiten starkerTics<br />
mit Zeiten fast völliger Beschwerdefreiheit<br />
immer wieder abwech-<br />
sel n.<br />
Der Traum vom <strong>Führerschein</strong> muß<br />
also nicht zwangsläufig für immer<br />
<strong>und</strong> ewig begraben werden.<br />
Es lohnt sich sicherlich nach einiger<br />
Zeit erneut zu prüfen, ob der Erwerb<br />
des <strong>Führerschein</strong>sjetzt in Frage<br />
kommt. Allerdings müssen sich<br />
die Betroffenen auch nach bestandenem<br />
<strong>Führerschein</strong> ihrer Verantwortung<br />
bewußt bleiben <strong>und</strong> sollten<br />
<strong>und</strong> bei verminderter Kontrolle<br />
der Tics auf das Fahren verzichten.<br />
Selbstredend dient es nicht der Verkehrssicherheit,<br />
über längere Zeit<br />
das Lenkrad loszulassen (eln Tic, der<br />
nur selten vorkommt) oder den<br />
Blick länger von der Straße zu wen-<br />
den.<br />
lst dies der Fall <strong>und</strong> reduziert sich<br />
dadurch die Konzentration des<br />
Fahrers auf den Verkehr, so kann<br />
der <strong>Tourette</strong>-Betroffene prüfen, ob<br />
er in der Lage ist, den in diesem Fall<br />
sehr hinderlichen Tic durch einen<br />
weniger störenden zu ersetzen.<br />
Tou rette-Betroffene berichten i m -<br />
me r wieder, daß es ihnen mit einiger<br />
Anstrengung gelingt, sehr<br />
störende, schmerzhafte oder sozial<br />
desintegrierende Tics (haufig bei<br />
der Koprolalie) durch andere zu er-<br />
setzen.<br />
Darüber hinaus ist zu klären, ob<br />
nicht eine geeignete medikamentöse<br />
Therapie die Tics soweit<br />
unterdrücken kann, daß keine Gefährdung<br />
im Verkehr mehr besteht.<br />
Bei einem Teil der Medikamente ist<br />
leidör Müdigkeit eine Nebenwirkung,<br />
so daß be i Medikamenteneinnahme<br />
die Fahrtauglichkeit in<br />
jedem Fall mit dem behandelnden<br />
Arzt besprochen werden sollte.<br />
Es ist sicherlich auch einen Gedanken<br />
wert, ob beispielsweise der<br />
Umgang mit eine m Automatikwa-<br />
gen das Fahren so vereinfachen<br />
könnte, daß die Tics keine Behinderung<br />
mehr darstel len.<br />
Ein weiteres Problem können Vokal-Tics<br />
sein, insbesondere wenn<br />
sie in Form einer Koprolalie auftreten.<br />
Es ist nicht immer unkomplizie rt<br />
beispielsweise einem Polizisten in<br />
einer Verkehrskontrolle zu erklären,<br />
warum man immer wieder obszöne<br />
Worte oder Schreie ausstößt.<br />
Betroffene sollten sich schon vorher<br />
eine Strategie zurechtlegen,<br />
wie sie in solchen Situationen vorgehen<br />
wollen.<br />
Leider kommt es immer wieder vor,<br />
daß Menschen mit <strong>Tourette</strong> in so<br />
einem Fall für geistig behindert<br />
oder einfach unverschämt gehalten<br />
werden. Unter Umständen<br />
kann eine kurze schriftliche Information,<br />
die deryenige bei sich trägt,<br />
die Lage entschärfen.<br />
Viele <strong>Tourette</strong>-Betroffene verspüren<br />
nach anstrengenden <strong>und</strong><br />
belastenden Situationen, wie einem<br />
langen Schul- oder Arbeitstag<br />
oder nach Klassenarbeiten einen<br />
deutlichen Abfall der Kondition.<br />
Dies sollte Anlaß dazu geben, die<br />
Fahrst<strong>und</strong>en nicht gerade auf solche<br />
Te rmine zu lege n.<br />
Allerdings wird hier auch der Betroffene<br />
nach dem Erwerb des <strong>Führerschein</strong>s<br />
in die Verantwortung<br />
gezogen. So sollte er, bevor er ein<br />
Fahrzeug lenkt, seine Situation<br />
selbstkritisch einschätzen <strong>und</strong> in<br />
Zeiten starker Tics oder ErschöPfung<br />
auf das Fahren verzichten,<br />
wenn seine Konzentration nicht<br />
ausreichend erscheint.<br />
Dies ist zu vergleichen mit derVerantwortung<br />
jedes Autofahrers,<br />
nach dem Genuß von Alkohol auf<br />
das Fahren zu verzichten, da die<br />
notwendige Konzentration <strong>und</strong><br />
Aufmerksamkeit nachläßt.<br />
FAZT:<br />
Das oberste Ziel muß natürlich die<br />
Verkehrssicherheit sei n. Dieses Ziel<br />
kann auch nicht dem verständlichen<br />
Wunsch nach mehr Unabhängigkeit<br />
<strong>und</strong> Anerkennung des<br />
Tou rette-Betroffenen u ntergeordner<br />
weroen.<br />
Betroffene sollten sich aber nicht<br />
vorschnell entmutigen lassen. Vielmehr<br />
lohnt es sich, die Fahrschulzeit<br />
optimal vorzubereiten. Das reduziert<br />
den Streß <strong>und</strong> erhöht die<br />
Chancen deutlich, die Fahrprüfung<br />
erfol greich a bzu legen.<br />
Zumal die Praxis zeigt, daß die meisten<br />
erwachsenen <strong>Tourette</strong>-Betroffene<br />
im Besitz des <strong>Führerschein</strong>s<br />
sind <strong>und</strong> auch uhfallfrei<br />
fa h ren.<br />
Betroffene sollten sich also nicht<br />
vorschnell entmutigen lassen. Viel-<br />
M<br />
1, B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Verkehr:<br />
Krankheit <strong>und</strong> Verkehr.<br />
Schriftenreihe. Heft 73<br />
5.9;2O-21(rgg0)<br />
2. Hartung S:<br />
Die Suche nach Perfektionismus.<br />
ln: ,, . . . sonst bin ich<br />
ganz normal" Leben mit<br />
dem <strong>Tourette</strong>-Syndrom.<br />
Rasch <strong>und</strong> Röhring Verlag<br />
Hamburg.<br />
S.20:23-24 (t ggSa)<br />
3. Hartung S:<br />
,,...sonstbinich<br />
ganz normal':<br />
ln: ,,. .. sonst bin ich<br />
ganz normal" Leben mit<br />
dem <strong>Tourette</strong>-Syndrom.<br />
Rasch <strong>und</strong> Röhring Verlag<br />
Hamburg.<br />
S. 59; 69 (1995b)<br />
4, Rothenberger A:<br />
Wehrdienst <strong>und</strong> <strong>Führerschein</strong>.<br />
ln: Wenn KinderTics<br />
entwickeln.<br />
Gustav Fischer Verlag<br />
Stuttgart - New York. S.<br />
e1 (1ee1)<br />
5. Sacks 0:<br />
Das Leben<br />
eines Chirurgen.<br />
ln: Eine Anthropologin<br />
auf dem Mars.<br />
Rowohlt Taschenbuch<br />
Verlag GmbH , Reinbeck<br />
bei Hamburg. S 150<br />
(1 ee5)
Aus der Schriftenreihe Krankheit <strong>und</strong> Kraftverkehr<br />
des B<strong>und</strong>esministeriums für Verkehr,<br />
Heft 73, S, 20, 1996<br />
6. F Anfallsleiden<br />
. . . lst die Symptomatik im<br />
Bewegungsbild erkennbar,<br />
so ist oft schon die Leistungs-<br />
<strong>und</strong> Belastungsfähigkeit<br />
des Erkrankten<br />
soweit herabgeseüt, daß<br />
ihm das Führen von Kraftfahrzeugen<br />
der Gruppe 2<br />
nicht mehr zugemutet<br />
werden kann.<br />
In manchen Fällen ergeben<br />
sich dabei aber noch keineswegs<br />
so schwere Leistungseinbußen<br />
(wie Verlangsamung,<br />
grob störende unwillkürliche<br />
Bewegungsimpu lse,<br />
Desintegration der Motorik),<br />
daß Kraftfahrzeuge der Gruppe<br />
1 nicht mehrverkehrssicher<br />
gefahren werden könnten.<br />
In jedem Falle mit deutlichen<br />
extra pyra m ida len Synd romen<br />
wird die Beurteilung aber<br />
zurückhaltend zu erfolgen ha-<br />
ben.<br />
Diese Krankheiten können<br />
die Beherrschung eines<br />
Kraftfa hrzeuges zu lassen.<br />
. . . Die Beurteilung darf darum<br />
nicht allein vom Ausprägungsgrad<br />
der extrapyramida<br />
l-motorischen Symptome<br />
abhängig gemacht werden.<br />
Auf jeden Fall setzt die Beurteilung<br />
der Voraussetzungen<br />
zum sicheren Führen eines<br />
Kraftfahrzeuges in diesen Fällen<br />
die Untersuchung durch<br />
den erfa h ren en Nerven -<br />
arzt/Neurologen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
eine psychologische<br />
Zusatzuntersuchung voräus,<br />
<strong>und</strong> bei Fahrerlaubnisinhabern<br />
unter Umständen eine praktische<br />
Fahrprobe.<br />
Aus: A. Rothenberqer<br />
Wenn Kinder Tics<br />
entwickeln.<br />
Gustav Fischer Verlag 1991<br />
. . . Etwas anders sieht die<br />
Situation aus, wenn es um<br />
die Frage geht, ob ein Patient<br />
mit einem <strong>Tourette</strong>-<br />
Syndrom den <strong>Führerschein</strong><br />
zum Fahren eines Kraftfahrzeugs<br />
erwerben kann.<br />
Unseres Erachtens ist es<br />
durchaus vertretbar, dem zuzustimmen,<br />
wenn gewisse<br />
Voraussetzungen erfü | lt sind.<br />
Zum einen muß es die Persönlichkeitsstruktur<br />
des Patienten<br />
erlauben, daß er verantwortungsvoll<br />
mit seiner<br />
Störung <strong>und</strong> mit seinen Medikamenten<br />
umgeht. Zum<br />
anderen muß die Tic-Symptomatik<br />
einschließlich der<br />
Voka lisationen ausreichend<br />
qut mit Hilfe der Medikati-<br />
on unter Kontrolle gebracht<br />
sein, so daß langandauernde<br />
Autofah rten ohne Probleme<br />
durchgestanden werden kön-<br />
nen.<br />
Schlußendlich wird bei der<br />
großen Anzahl von Übungsst<strong>und</strong>en<br />
vor Ablegung der<br />
<strong>Führerschein</strong>prüfung der<br />
Fahrlehrer auch noch ein gewichtiges<br />
Wort mitzureden<br />
haben, da er als unbefangener<br />
Beobachter das Verhalten<br />
des Patienten in der angesprochenen<br />
Situation zu<br />
beurteilen hat.<br />
Beispiele aus der eigenen<br />
Klientel zeigen, daß Patienten<br />
mit einem <strong>Tourette</strong>-<br />
Syndrom durchaus in der<br />
Lage si nd, vera ntwortu ngsvoll<br />
<strong>und</strong> erfolgreich als Führer<br />
eines Kraftfahrzeuges<br />
im Straßenverkehr teilzunehmen.<br />
Telefonnummern aller regionalen Selbsthilfegruppen in <strong>Deutschland</strong> :<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Region<br />
Berlin:<br />
Flensburg:<br />
Frankfurt:<br />
Hamburg:<br />
Hannover:<br />
Karlsruhe:<br />
Köln:<br />
München:<br />
Nürnberg:<br />
Osnabrück:<br />
Rendsburg/Kiel:<br />
Saarbrücken:<br />
StuttgarVHeilbronn:<br />
Ulm:<br />
Würzburg:<br />
Zwickau:<br />
Erfurt:<br />
Frau Kant, Telefon o 30 I S r+ 22 51.<br />
Frau Sa[[ach, Telefon 04 61. / 6 ZO zS<br />
Frau Geißler, Telefon o 61 46 / SB Zz<br />
Frau Khan, Telefon o 40 / Bz 77 85<br />
Herr Joseph, Telefon 05 11 I qB 6z 6z<br />
Herr Treffer, Telefon 07 2L l S6 +S zS<br />
Kontakt- <strong>und</strong> Informations- Telefon 02 2a I gSt4z-t6<br />
stelle für Selbsthilfe<br />
Herr Seidl,<br />
Frau Prenzel,<br />
Herr Grave,<br />
Frau Ohlsen,<br />
Fam. Braun,<br />
Frau Holzinger<br />
Frau Hörmann<br />
Frau Aufmuth<br />
Herr Ackermann<br />
Frau Kalensee<br />
Telefon o 89 I 8 qt 66 t3<br />
Telefon 09 7r / 6 +g ro 83<br />
Telefon o 54 93 / SB og<br />
Telefon o 43 3a / B ZS ++<br />
Telefon o6 Br I + SB o6<br />
Telefon 07 1.1. / 54 zt zB<br />
Telefon o go 75 I to t9<br />
Telefon o 93 32 I 4z 68<br />
Tetefon o 37 6t / z6 86<br />
Telefon o3 6z 58 I 5 19 6o
Mein Erfahrungsbericht zum Thema<br />
im Gr<strong>und</strong>e jede Sek<strong>und</strong>e konzentriert<br />
sein muß. Desweqen fahre ich<br />
T\..<br />
I<br />
I<br />
rr nrers chein ffi$*l;;;;Ä;*<br />
mit Torrrettt v<br />
in#näii*lüil'd::ü::<br />
rJm es gteich vorwegzunehmen: sibt es dann noch eine prouetatrrt, möslichst lanse seradeaus fahren ffi5l:yih::l$:iiHllTä1<br />
MeineLrfahrrrgenritdemAu- bei der lhr Fahrverhalten begut- will, um dann das Lenkrad doch dank-enverlorenheit im allgemeitofahren<br />
ats TS-Kranke sind ge- achtet wird. noch rechtzeitig herumzureißen.<br />
nen.<br />
mischt. lch hatte 20 Jahre tang Und da die sich mit lhrer Behinde- Aber auch da hat sich gezeigt, daß<br />
einextremstarkesTS,alleSpiei- rung sowieso nicht auskennen, ichimmernochrechtzäitigriagiert Allesin3ll;mkanlichsagen:lch<br />
arten <strong>und</strong> alle Variationen. werden die mich anschließend fra- habe, auch ist dieser Zwang sätte- fahre Auto <strong>und</strong> fahre nlcht<br />
SeitsechsJahrennehmeichMe- gen, was ich davon halte. Und ich nergeworden.<br />
schlecht' wenngleich es mich andikamente,<br />
die mein TS sehr re- habe, so wie ich Sie jetzt kenne,<br />
strengt' Wären die Straßen leer'<br />
duzieren, es ist heute kaum noch keine Bedenken. Auc-h das Reak- Insgesamt kann ich sagen, daß ich würde ich sogar gerne fahren'<br />
etwasübrigdavon.Früherwaran tionsvermögen ist gut. Lassen Sie sicher nur eine durchschnittlich Wenn ich bedenke, wie viele Leueinen<br />
Fuhrerschein jedenfalls die MPU! gute Autofahrerin bin. Mehr Sor- te sich im Straßenverkehr rücknicht<br />
zu denken. tch binjetzt 32 gen als die Tics <strong>und</strong> Zwänge beim sichtslos <strong>und</strong> riskant gegenüber al-<br />
Jahre alt <strong>und</strong> habe seit zwei Jah- Die Prüfung habe ich dann ge- Fahren machen mir aber meine ge- len,andere n Verkehrsteilnehmern<br />
ren den <strong>Führerschein</strong> für PKW mit macht, ohne den Prüfer zu infor- nerelle Unaufmerksamkeit <strong>und</strong> verhalten <strong>und</strong> wie viele Leute be-<br />
Automatikgetriebe. mieren. lch wardie Ruhe selbst, al- leichte Ablenkbarkeit, von denen trunken Auto fahren, dann finde<br />
les andere wäre wahrscheinlich ich glaube, daß sie weniger mit den ich, kommt man sehr schnell zu<br />
auch nichtförderlich gewesen. lch MeJikamenten, als vielmehr mit dem Schluß' daß Menschen mitTS<br />
Als ich mich entschloß, den Füh- habe ohnehin noch genug Fehler dem TS generell zu tun haben. im Durchschnitt sicher nicht "ge-<br />
" fährliche/'sind als alle anderen Au-<br />
rerschein zu machen, wollte ist erst gemacht, aber trotzdem beim e r-<br />
einmal wissen, ob mir im Falle ei- sten Anlauf bestanden. Seitdem lch habe neulich einen Regenbo- tofahrerauch'<br />
nesUnfallsdieEinnahmevonstar- fahreichAuto. gen gesehen <strong>und</strong> beinahe einen Sichermußjedereinzelnesorgfälken<br />
Medikamenten zum Nachteil Auffahrunfall produziert. Sowas tig abwägen, ob er sich das Autogereichen<br />
könnte. Aufgr<strong>und</strong> derTatsache, daß ich im passiert mir viel häufiger, als daß fahren zutraut. Werverantwortlich<br />
ichsuchteeinenAnwaltauf <strong>und</strong> Autovölligalleine<strong>und</strong>auchlärm- ichdurchTicsoderZwängedesTS mit sich <strong>und</strong> seinen Fähigkeiten<br />
erzählte ihm von meinem Vorha- mäßig abgeschirmt bin, traue ich in wirklich gefährliche Situationen (<strong>und</strong> auch Defiziten) umgeht, wird<br />
ben. lch erwähnte, daß ich medi- mich manchmal, stärkere Tics zu- komme. lch muß mich einfach sehr dann sicher auch die richtige Entkamentös<br />
gut eingestellt sei <strong>und</strong> zulassen. Das betrifft vor allem konzentrieren beim Fahren <strong>und</strong> scheidung treffen können. Das ist<br />
sich meine dadurch hervorgerufe- Schreien <strong>und</strong> Brüllen, also Vokal- aufpassen, daß ich mich auch meine Mäinung.<br />
ne Müdigkeit tagsüber in Grenzen tics, die ab <strong>und</strong> zu nochmal auf- durch Gedankengänge nicht ab-<br />
halte. Er meinte:lm Falle eines Un- treten <strong>und</strong> das dann auch dürfen. lenken lasse. Für mich istAutofah- Name <strong>und</strong> Anschrift derVerfasse-<br />
ren eben sehr anstrengend, weil ich rin sind der Redaktion bekannt'<br />
falls müßte mein Unfallgegner<br />
nicht nur meine Medikmentenein- Was ebenfalls manchmal auftritt,<br />
nahme herausbekommen, sondern sind motorische Tics <strong>und</strong> Zwänge'<br />
auch noch nachweisen,daßichda- die manchmai-orrtl ".rorro'.r In der ADAC Motorwelt 11196 wurde unter dem Titel<br />
lJ:iL:T:::::i#J:lffljl$1 ;L'",T.T5'il;: ffi',$l|1 o,Mit Pillen aus der s;rur"<br />
fach. mich nicht wesentlich ab. Die diese Auflistung abgedruckt:<br />
Zwänoe sind da schon qefährli-<br />
Diesbezüglich beruhigt, machte ich cher.<br />
['#lt t1u:lxi['m*I r,..n,, habe ich das Bedürrnis,<br />
nen ruhisen Typen aus - schenkte meinen Kopf für ::T: ::::il;: wirkstoff <strong>und</strong> Beispiele Dosierung Risiko<br />
ich reinen Wein ein. links zu drehe ", r.'i- nr-;ir^manra mn akrr<br />
rch rernen wern ern' ,,,^n,,, ,irioä|oä*r;.f,ffk;;tä für Medikamente ms akut<br />
lch sagte ihm, daß ich ab <strong>und</strong> zu<br />
ständen dann a<br />
mal kleineTics haben <strong>und</strong> auch un_ rechts, so, als würde ich schauen, Tiaprid 100 I<br />
konzentriert wirken könnte, daß hil,:n n de1<br />
9b.yon, i?.t,1:m1nt, f in Tiapridex<br />
das aber immer nur ganz kurze Mo- Zeit sehe ich natürlich nicht, was<br />
mente seien, bel denen ich trotz- vorne passiert.Je nachdem können TfiflUprOmaZin 5 I I I<br />
dem sicher fahren könnte. Er reqi- da schon zwei bis drei Sek<strong>und</strong>en in Psyquil<br />
strierte das <strong>und</strong> verlor dann käin verstreichen.<br />
Wort mehr darüber. Späi;;, ;;;. Oder ich habe komplexe Bewe- Zuclopenthixol 10 I I I I<br />
vor de r Prüfung, fragte lch ihn, ob gun-gstics mit dem Kopf <strong>und</strong> sehe ih Ciatyl-Z<br />
es bei mir sinnvoll iei, eine MPU für Sek<strong>und</strong>en ebenfalls nichts. lch<br />
(medizinisch-psychologische Un- habe mir daher angewöhnt' solche<br />
tersuchung, die die Fahrtargri.h- Tics nur.dann zuzulassen, wenn es Risiko (Beeinträchtigung des Leistungsvermögens):<br />
keit prüfen soll) machen zu lässen. "relativ-' ungefährlich ";;ü; ist: bei oerader<br />
Strecke i.'*'po I keine oder nur geringfügige Beeinträchtigung<br />
Er sagte: Eine MPU sieht so aus: Da oder wenig Verkehrsaufkommen. I I leichte Beeinträchtigung<br />
wird ein psychologischer Test ge- Das klappt insgesamt ziemlich gut. I I I deutliche Beeinträchtigung<br />
macht, der prüft, ob Sie reif <strong>und</strong> intelligent<br />
genug sind, den Führer- Ein andererZwang ist der, daß ich I I I I starke Beeinträchtigung<br />
schein zu machen. Anschließend bei kommenden Kurven noch<br />
6
Führer-<br />
Schein<br />
mit TS<br />
Hier meine Erfahrung:<br />
lm August 1994 habe ich mich entschlossen, den <strong>Führerschein</strong><br />
zu machen, da ich ständig auf Bus <strong>und</strong> Bahn ange-<br />
wresen war.<br />
lch habe drei bis vier Tage darüber nachgedacht, dann habe<br />
ich mich ans Telefon gehängt <strong>und</strong> habe die Fahrschule<br />
gewählt, in der meine Mutter schon den <strong>Führerschein</strong> gemacht<br />
hat.<br />
Bei rneiner Krankheit wäre es doch besser, wenn es ein ruhiger<br />
Fahrlehrer sei, da ich halt sensibel bin <strong>und</strong> das Tou-<br />
rette-Syndrom mir kräftig auf die Psyche geht. c^,1.<br />
lch habe mich riesig gefreut, auch Autofat',r.n ,, können, :liffiTil'i;1ilil?:: ;ffiX::<br />
wie andere auch. Stadt Neuss kennenlernen.<br />
Bin auch viel mit dem Rad gefah-<br />
Meine ersl.e Fahrst<strong>und</strong>e war schon<br />
zwei Tage später.<br />
Das Fahren hat mir Spaß gemacht,<br />
ich habe relativ schnell begriffen,<br />
was ich mit Händen <strong>und</strong> Füßen alles<br />
machen mußte.<br />
Mein Fahrlehrer in Siegen hat mich<br />
nie nach den komischen Zuckungen<br />
gefragt, schließlich sind wir ja<br />
nicht doof im Kopf.<br />
Tabletten habe ich zu dieser Zeit<br />
ke ine genommen, weil es hier keinen<br />
Arzt gab, der mir sagen konnte,<br />
was es für eine Krankheit ist.<br />
Fast bei jedem Arztbesuch, den ich<br />
gemacht habe, mußte ich den Arzten<br />
erklären, was es ist.<br />
lch brauchte auch keine medizl-<br />
n isch-psycholog ische-U ntersuch ung<br />
zu machen, da mein Fahrlehrer<br />
festgestellt hatte, daß die Tics<br />
während der Fahrt verschw<strong>und</strong>en<br />
waren.<br />
Sobald ich ausgestiegen bin, ging<br />
es schon wieder los mit ruckartigen<br />
Bewegungen <strong>und</strong> Lautäußerungen.<br />
Die Leute haben mich oft komisch<br />
angeguckt, als ob ich irgendwie einen<br />
Schaden oder sonstwas hätte,<br />
Jugendliche haben sich über mich<br />
lustig gemacht.<br />
Die Situation war mir immer peinlich,<br />
am liebsten wäre ich im Erdboden<br />
versunken <strong>und</strong> auch da unten<br />
geblieben, damit ich meine<br />
Ruhe habe. Eigentlich hatte ich gar<br />
keinen Gr<strong>und</strong> dafür, es warja nur<br />
wieder so stark, we il ich mich freute,<br />
daß ich während der Fahrt keine<br />
gravierenden Fehler gemacht<br />
hatte.<br />
Kurz vor der mündlichen Prüfung<br />
in Siegen habe ich eine Arbeitsstelle<br />
in Neuss, zwischen Köln <strong>und</strong><br />
Düsseldorf, bekommen, womit ich<br />
nie gerechnet hatte. Also habe ich<br />
mich von meinem netten Fahrlehrer<br />
verabschiedet <strong>und</strong> bin nach<br />
Nler r
gefragt, was das ist <strong>und</strong> warum ich<br />
das mache. lch habe es ihm erklärt,<br />
<strong>und</strong> da war das Thema erledigt.<br />
Nach gut vier Monaten war ich angeblich<br />
reif für die Prüfung. Mein<br />
Fahrlehrer meinte, ich würde die<br />
Streckenja schon im Schlaffahren,<br />
fehlerlos, das wäre doch rausge-<br />
schmissenes Geld, oder?<br />
Also habe ich meinem Fahrlehrer<br />
zugestimmt <strong>und</strong> habe den Schritt<br />
gewagt.<br />
Beim ersten Mal hat mich der Prüfer<br />
durchfallen lassen, weil ich so<br />
viel gezuckt <strong>und</strong> Stimmen gemacht<br />
habe. Vor lauter Aufregung konnte<br />
ich mich gar nicht auf das Fahren<br />
konzentrieren, habe einige Fehler<br />
gemacht, die ich gar nicht<br />
bemerkt habe. Am Ende der Prüfung<br />
hat mich der Prüfer in ganz<br />
frechem Ton gefragt, ob ich denn<br />
in der Lage sei, Auto zu fahren. So<br />
nach dem Motto, die schicken sie<br />
besser in die lrrenanstalt.<br />
Als ich in der Praxis ankam <strong>und</strong><br />
meinem Chef <strong>und</strong> de n Arbeitskollegen<br />
das erzählte, war mein Chef<br />
so nett , mir für den Rest des Ta-<br />
ges freizugeben; ich sollte mich erst<br />
mal wieder beruhigen, beim zweiten<br />
Mal würde es schon klappen.<br />
Zu Hause habe ich die Sachen in<br />
die Ecke geschmissen, vor Wut über<br />
das "Scheiß Arschloch <strong>Tourette</strong>-<br />
Syndrom", das mir ständig bei Prüfungen<br />
im Weg steht. Habe erst<br />
mal eine ganzeZeit lang geweint.<br />
"lmmer diese Verletzungen, die<br />
man einstecken muß! Schließlich<br />
hat man sich diesen Mist ja nichi<br />
ausgesucht oder gewünscht! Sind<br />
die Leute eigentlich alle doof ??l Jeder<br />
denkt nur an sich!", habe ich<br />
durch die Wohnung geschimpft.<br />
Beim zweiten Mal traf mich ja der<br />
Schlag, als ich den selben Prüfer<br />
hinter uns sitzen sah. Vor der Fahrt<br />
habe ich versucht, das TS zu unterdrücken,<br />
was ja wahnsinnig schwer<br />
war, habe mir zugeredeti ganz ruhig,<br />
Inga, du kannst es doch!<br />
Was ich da wieder für Fehler gemacht<br />
habe, weiß ich leider nicht<br />
mehr, aufjeden Fall durchgefallen.<br />
Nachdem der Prüfer ausgestiegen<br />
war, sagte mein Fahrlehre r zu mir:<br />
"Jetzt machen wir erst mal zwei<br />
Wochen Pause, ich kann lhre Situation<br />
gut verstehen; ich weiß ja,<br />
daß Sie fahren können. Beim nächsten<br />
Mal versuche ich, einen ande-<br />
ren Prüfer zu bekommen <strong>und</strong> daß<br />
wir mit dem Prüfer allein fahren<br />
können. Das sei ja Ouälerei, das<br />
könne man ja nicht länger mit ansehen",<br />
meinte er <strong>und</strong>: "Es tut mir<br />
wirklich sehr leid für Sie, aber wo-<br />
8<br />
her sollte ich wissen, daß es derselbe<br />
Prüfer ist."<br />
Dann der dritte <strong>und</strong> letzte Versuch,<br />
das darf nicht wahr sein! Es muß<br />
heute klappen, sonst gehe ich kaputt,<br />
ich halte es nicht mehr ausl<br />
Doch während der Fahrt merkte<br />
ich, daß es meine Lieblingsstrecke<br />
war, die ich fahren mußte.<br />
Auf einmal fingen die Zuckungen<br />
wieder an, als ich an einer Ampel<br />
halten mußte. Der Prüfer fragte<br />
mich, ob alles o.k. wäre. Ja, habe ich<br />
gesagt, ich bin etwas nervös (vor<br />
Freude natürlich, weil ich die ganze<br />
Dreiviertelst<strong>und</strong>e keinen Fehler gemacht<br />
hatte.)<br />
lch habe es geschafft!, dachte ich.<br />
Und so war es auch. Mein Fahrlehrer<br />
hat mich ganz fest in den Arm<br />
genommen <strong>und</strong> hat mir alles, alles<br />
Gute gewünscht, das hätte ich<br />
aber dicke verdientl<br />
Es war der '1 1. September 19951<br />
Ja, es war ein gutes Gefühll lch habe<br />
mich riesig gefreut, es mit TS geschafft<br />
zu haben.<br />
Mir ist damals ein dicker Stein vom<br />
Herzen gefallen, doch heute sieht<br />
die Sache ganz anders aus.<br />
lch bin etwas traurig darüber, wegen<br />
meines Ges<strong>und</strong>heitszustandes<br />
kein Auto mehr fahren zu können,<br />
dabei hat es mir richtig Spaß gemacht<br />
<strong>und</strong> ich bin gut gefahren. Da<br />
ich oft starke Schmerzen auf der<br />
rechten Seite habe, was während<br />
der Fahrt in Angstzustände übergeht,<br />
erspare ich mir diese Ouälerei<br />
<strong>und</strong> fahre halt wieder mit Bus<br />
<strong>und</strong> Bahn.<br />
Doch finde ich immer wieder erstaunlich,<br />
was wir <strong>Tourette</strong>-Kran-<br />
ken alles so schaffen. lch denke, das<br />
sollte uns e rst mal jemand nachmachen,<br />
anstatt während der Fahrt<br />
einen ständig anzubrüllen. lch würde<br />
mich als Fahrlehrer freuen, wenn<br />
ein <strong>Tourette</strong>-Kranker Auto fahren<br />
Kann.<br />
Glücklicherweise bin ich soweit,<br />
daß ich meinen Mitmenschen sage,<br />
ich habe zwar das TS, aber wir<br />
<strong>Tourette</strong>- Kranken haben auch positive<br />
Seiten, die man vielleicht<br />
auch mal als erstes sehen sollte.<br />
Und wer uns nicht versteht oder<br />
akzeptiert, so, wie wir sind, de r hat<br />
doch Proble me mit sich se lbstl<br />
lch habe als Masseurin viel mit<br />
kranken Menschen zu tun, ich weiß<br />
wie schwer es ist.<br />
Mit fre<strong>und</strong>lichem Gruß<br />
Inga Hofmann,<br />
0bere Dorfstraße1<br />
- | ^^-,,^<br />
57074 Siegen, Tel. 027 1 | 6 61 01 39<br />
Mit dem <strong>Führerschein</strong> habe ich positive Erfahrungen<br />
gemacht. Bei mir war es auch nicht anders als bei den<br />
anderen. lch habe auch nicht lange überlegt, ob ich den<br />
<strong>Führerschein</strong> machen soll. De r Fahrlehrer hat nichts zu<br />
dem Thema TS gesagt.<br />
Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung war nicht nötig.<br />
Medikamente brauche ich nicht zu nehmen, weil das TS bei mir<br />
nicht mehr so stark vorhanden ist. Während der Ausbildung <strong>und</strong><br />
Prüfung habe ich niemandem davon erzählt, doch wenn mich<br />
jemand daraufangesprochen hätte, hätte ich es natürlich erzählt.<br />
\Nenn ich fahre, sind die Tics für mich absolute Nebensache, ich<br />
achte nicht auf sie!<br />
Seitens derVersicherung gibt es da keine Probleme. ZurZeiImache<br />
ich eine Ausbildung zum Segelflieger!Selbst beim Fliegen gibt<br />
es keine Proble me mit den Tics!<br />
In den letzten zwei Jahren sind meine Tics stetig zurückgegangen<br />
<strong>und</strong> mein Selbstbewußtsein hat durch die positiven Erfahrungen,<br />
die ich beim <strong>Führerschein</strong> <strong>und</strong> beim Fliegen erfahren habe,<br />
zugenommen.<br />
Somit kann ich jedem empfehlen, das Ziel <strong>Führerschein</strong> in Angriff<br />
zu nehmen!<br />
Christian Hild<br />
Mein* Eryrhrun$en<br />
mit dem Führersehein<br />
lch habe mich schon immer sehr<br />
für Autos <strong>und</strong> Motorräder interessiert,<br />
<strong>und</strong> es war mein<br />
größtes Bestreben, endlich den<br />
<strong>Führerschein</strong> zu haben <strong>und</strong><br />
selbst Auto <strong>und</strong> Motorrad fahren<br />
zu dürfen.<br />
Mit 16 Jahren fuhr ich bereits ein<br />
Moped, woran ich sehr viel Spaß<br />
hatte. Mit 17 Jahren kam ich<br />
dann aus der Schule <strong>und</strong> entschloss<br />
mich, eine Ausbildung<br />
zum Kfz-Mechaniker zu beginnen,<br />
die ich mittlerweile abgeschlossen<br />
habe.<br />
Noch immer arbeite ich mit<br />
wachsender Begeisterung in meinem<br />
Beruf. 112 Jahr vor meinem<br />
1L Geburtstag begann ich dann<br />
mit der <strong>Führerschein</strong>ausbildung<br />
zur Klasse 3 + 1a. Da wir mit dem<br />
Fahrlehrer bekannt waren, war<br />
das <strong>Tourette</strong>-Syndrom für ihn<br />
kein Problem.<br />
lch machte ganz normal meine<br />
Ausbildung, schaffte auch die<br />
theoretische Prüfung auf Anhieb.<br />
Auch die praktische Prüfung war<br />
kein Problem. Doch so sehr ich<br />
mich auch bemühte, der Prüfer<br />
bemerkte mein TS Nach der Prü-<br />
IIIIIIIIIIIIIIII<br />
fungsfahrt bestätigte er mir, dass<br />
es an meiner Fahrweise nichts<br />
auszusetzen gäbe, störte sich<br />
aber daran, dass ich ihn nicht<br />
über meine Erkrankung informiert<br />
hätte.<br />
Zum Glück hatte ich meinem<br />
Fahrlehrer im voraus mehrere,<br />
von verschiedenen Arzten ausgestel<br />
lte Unbeden kl ichkeitsbescheinigungen<br />
über me in TS in<br />
Bezug auf's Autofahren zukommen<br />
lassen, welche dieser dem<br />
Prüfer dann aushändigte. Leider<br />
ließ er sich davon wenig beeindrucken,<br />
wollte das Ganze der<br />
zuständigen Behörde melden.<br />
Erst nach einem Gespräch zwischen<br />
meiner Mutter <strong>und</strong> der<br />
<strong>Führerschein</strong>stelle bekam ich<br />
meinen <strong>Führerschein</strong> ausgehän-<br />
digt.<br />
Außer einem Unfall, de n ich als<br />
Li nksabbieger verursacht hatte<br />
(nur Blechschaden) <strong>und</strong> einem<br />
schwe re n Unfall (Überschlag auf<br />
regennasser Fahrbahn) hat es<br />
bisher keine Zwischenfälle gege-<br />
ben. lch denke, dies ist im Vergleich<br />
zu anderen Jugendlichen<br />
(Unfälle durch Alkohol, lmponiergehabe,Selbstüberschätzung)<br />
eine recht positive Bilanz.
Wbs isr<br />
ern Meehaniker<br />
ohne<br />
Melne Sorgen waren, wie so oft,<br />
völlig umsonst. Zwei Jahre lang,<br />
gab es keinen Zwischenfall. Kein<br />
Arger mit der Polizei, kein Verstoß<br />
gegen die Straßenverkehrsordnung<br />
(zumindest wurde er nicht erwi-<br />
Außerdem setzte ich mich mit einer<br />
Arztin in Verbindung, die ich<br />
während der Tagung der TGD in<br />
Mannheim kennengelernt habe. Sie<br />
betreute in einer Klinik auch Kinder<br />
<strong>und</strong> -lugendliche mit <strong>Tourette</strong>-<br />
Syndrom.<br />
Sie meinte, dass generell keine Bedenken<br />
bestehen, wollte aber Tobias<br />
persönlich kennenlernen, um<br />
sich ein Bild von der Schwere der<br />
Tics zu machen.<br />
Wir vereinbarten einen Termin, Tobias<br />
unterzog sich in der Klinik einer<br />
medizinisch-psycholog ischen<br />
Untersuchung. Es ergaben sich kei-<br />
ne Anhaltspunkte, die gegen den<br />
Erwerb des <strong>Führerschein</strong>s sprechen.<br />
Tobias war überglücklich <strong>und</strong> hatte<br />
noch ein gewichtiges Argument<br />
parat: ,,Was ist ein Mechanike r ohne<br />
<strong>Führerschein</strong>???" {er hatte in der<br />
Zwischenzeit eine Ausbildung zum<br />
Kfz-M echaniker begon nen).<br />
Tobias bestand die theoretische<br />
<strong>Führerschein</strong>prüfung auf Anhieb,<br />
auch die praktische Prüfung verlief<br />
fehlerfrei (dass Tobias auch den<br />
Motorradfü h rerschein machte, erfuhr<br />
ich erst, nachdem schon einige<br />
Fahrst<strong>und</strong>en absolviert waren).<br />
Tobias war geschockt, als der Fahrprüfer<br />
trotz fehlerfreier Prüfu n gsfahrt<br />
die Aushändigung des Führerschei<br />
ns verwei gerte.<br />
lch stellte fest, dass Tobias von niemandem<br />
mehr untersucht <strong>und</strong> begutachtet<br />
wird <strong>und</strong> wies darauf<br />
hin, dass clie behandelnden Arzte<br />
das <strong>Tourette</strong>-Svndrom besser begutachten<br />
können als ein Arzt der<br />
Kreisverwaltung, der womögllch<br />
das Wort "<strong>Tourette</strong>" noch nie gehört<br />
hat. lch argumentierte <strong>und</strong><br />
diskutierte so lange, bis man mir<br />
scht) <strong>und</strong> kein Unfall.<br />
zusagte, dass Tobias seinen <strong>Führerschein</strong><br />
abholen kann. Opa spon-<br />
Tobias größter Wunsch zum 18. serte einen alten Kleinwaqen.<br />
F ührers ehein? ? ? [iT::i.#.lä'.,,ffi iäjr'ir :trr,:,ffi :; r .;ffi :.r r: ü ;<br />
formierte mich bei verschiedenen hatte als Linksabbieger die Vorfahrt<br />
Arzten über die Erfahrungen be- missachtet. Zum Glück gab es nur<br />
züglich <strong>Tourette</strong> <strong>und</strong> <strong>Führerschein</strong>. Blechschaden, niemand war verletzt.<br />
Das heissgeliebte Auto war<br />
sch rottreif.<br />
Tobias hatte einen schweren<br />
Schock, wollte nie wieder Auto fahren.<br />
Seine Schilderung des Unfallhergangs<br />
beruhigte mich ein wenig.<br />
Er hatte die Geschwindigkeit<br />
des anderen Autos unterschätzt,<br />
ein typischer Anfängerfehler, redete<br />
ich mir ein.<br />
Komischerweise war ich es nun, die<br />
ihn bedrängte wieder zu fahren,<br />
Fahrpraxis zu sammeln, <strong>und</strong> überließ<br />
ihm sogar mein Auto. Ein Vertrauensbeweis,<br />
den mir mein Sohn<br />
hoch anrechnete. Einige Woche n<br />
später kaufte sich Tobias von seinem<br />
Ersparten ein eigenes Auto<br />
<strong>und</strong> fuhr damit knapp 2 Jahre unfa<br />
llfrei.<br />
DRNN PNSyERTE ES.<br />
Er kam auf regennasser Fahrbahn<br />
ins Schleudern, überschlug sich <strong>und</strong><br />
landete in e inem Waldstück. Zum<br />
Glück wurde auch hier niemand in<br />
Mitleidenschaft gezogen, Tobias<br />
hatte außer einem schweren<br />
Schock nur eine kieine Schnittverletzung<br />
an der Hand. lch geriet in<br />
Panik, stellte mir vor, was alles hätte<br />
passieren können.<br />
Dies ist nun schon wieder zweiein-<br />
Er sei im Vorfeld nicht über die halb Jahre her. lch mache mir in-<br />
,nUzl/l il2"4.4. e;.t' l-/a?z/, .i,cL, w,i/l a/^4 ä,r.i," Mi.l
Pr-obleme<br />
vorp*- mmi er urruEffiffi-u?Hffiääher<br />
Durch die Unbekanntheit des TS<br />
sind bei der Anmeldung zum <strong>Führerschein</strong><br />
im Amt <strong>und</strong> bei der Fahrschule<br />
Probleme vorprog ra m miert.<br />
lch habe mich 12 Jahre vergeblich<br />
um den Erwerb des <strong>Führerschein</strong>s<br />
bemüht. Kein Arzt hat mir zum damaligen<br />
Zeitpunkt eine Bescheinigung<br />
zur Erlangung der Fahrerlaubnis<br />
ausgestellt, welche die<br />
<strong>Führerschein</strong>stellen von mtr verlangten.<br />
Durch diese Unkenntnis<br />
ging mir viele Jahre ein großes<br />
Stück Selbständigkeit vertoren.<br />
Selbst zu dem Zeitpunkt, als ich<br />
dann erklären konnte, was mit mir<br />
los ist, war die Angst der Be hörden<br />
zu groß, um dem Erwerb der Fahrerlaubnis<br />
zuzustimmen.<br />
Erst eine psych iatrische Bescheinigung<br />
brachte Bewegung in die Sache<br />
<strong>und</strong> mit 2 Wochen Verzögerung<br />
wurde dann zugestimmL Die<br />
erste Hürde war damit genommen.<br />
Nun durfte ich zwar von Amts wegen,<br />
aber ich fand keinen Fahrlehrer,<br />
der mit mir die Fahrschule absolvieren<br />
wollte. Erst beim vierten<br />
Anlauf hatte ich Glück <strong>und</strong> fand einen<br />
Fahrlehrer, der mir zugehört<br />
hat <strong>und</strong> es zumindest versuchen<br />
wollte.<br />
Der theoretische Unterricht <strong>und</strong> die<br />
theoretische Prüfung waren einfach.<br />
Die ersten Fahrst<strong>und</strong>en waren<br />
schon etwas schwierig, aber<br />
nicht komplizierter als bei jedem<br />
anderen Fahranfänger auch. Vor<br />
Antritt der praktischen Prüfung hat<br />
mein Fahrlehrersich mitdem Fahrprüfer<br />
in meinem Beisein zum Thema<br />
TS kurz verständigt. Die praktische<br />
Fahrprüfung absolvierte ich<br />
ohne Probleme.<br />
Der Aufklärung des Fahrlehrers<br />
über das TS kommt enorme Bedeutung<br />
zu, damit dieser,,Tics<br />
zunächst einmal Tics sein lassen<br />
kann". Hierzu bat ich meinen Fahrle<br />
hrer zu Wort (sie he beiliege nde<br />
Bemerkungen).<br />
Mittlerweile bin ich seit mehr als 4<br />
Jahren im Besitz des <strong>Führerschein</strong>s<br />
<strong>und</strong> der Tacho meines Autos zeigt<br />
über 78.000 km an.<br />
lch kann bestätigen, daß esTS-Betroffenen<br />
oft gelingt, hinderliche<br />
Tics beim Autofahren "umzulen-<br />
10<br />
ken" <strong>und</strong> es gibt auch weitere<br />
Möglichkeiten der Tic-Reduzierung.<br />
Die Kopfstütze des Sitzes<br />
nutze ich zum Beispiel, um starke<br />
Bewegungen im Kopf- <strong>und</strong><br />
Nackenbereich zu verhindern, dann<br />
lehne ich mich eben an, so daß die<br />
Stütze heftige Kopfbewegungen<br />
ablFängt <strong>und</strong> ich immer in Richtung<br />
Fahrbahn schauen kann. Das Lenkrad<br />
allerdings lasse ich nie los. Bei<br />
zu starken Bewegungen der Arme<br />
lasse ich etwas locke rer oder lenke<br />
mit dem "sicheren" Arm.<br />
Die Tics beim Autofahren sind auch<br />
bei mir sehr unterschiedlich. ie<br />
nach Verkehrssituation habe ich<br />
viel oder sehr wenig Zeit, ans ,,Ticen<br />
zu denken". Sind die Straßen<br />
sehr belebt oder ich fahre in Großstädte<br />
n, wo ich keine Ortskenntnis<br />
besitze, dann habe ich einfach<br />
keine Zeit zu ticen oder ich merke<br />
es jedenfalls nicht.<br />
Stehe ich aber zum Beispiel an der<br />
Ampe I oder im Stau <strong>und</strong> muß warten,<br />
bis ich weiter fahren kann,<br />
dann sind die Bewegungen ziemlich<br />
heftig, vor allem wenn ich im<br />
Stau von Fahrzeugen "umstellt" bin<br />
<strong>und</strong> jeder mich anschauen kann.<br />
Dann werde ich schon unsicher.<br />
Etwas unsicher bin ich auch, wenn<br />
ein Streifenwagen der Polizei hinter<br />
oder vor mir herfährt. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> habe ich auch bei jeder<br />
Fahrt die Bescheinigung zur<br />
Erlangung der Fahrerlaubnis bei<br />
mir.<br />
lch stimme voll <strong>und</strong> ganz zu, daß<br />
die eigene <strong>und</strong> die Sicherheit der<br />
anderen Verkehrsteilnehmer nie<br />
gefährdet werden darf. lch bin<br />
schon in gefä hrl ichere Situationen<br />
im Straßenverkehr geraten, doch<br />
war es nie das <strong>Tourette</strong>-Syndrom,<br />
das eine solche Situation verursachte.<br />
Vielmehr schlechte Fahrbahnverhältnisse<br />
oder die Unaufmerksa<br />
m keit a nderer Verkehrsteilnehmer<br />
führten diese Situationen<br />
herbei.<br />
Zu den Punkten Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> Konzentration habe ich Personen<br />
zu Wort kommen lassen, die<br />
häufig meine Beifahrer sind.<br />
Silvia Viertel<br />
Kugelacker 51, 07973 Greiz Greiz 1999-12-05<br />
ao oaaa aa aaa a a aaa a a a aa a a aaaa aa aaaa a aaloaaa<br />
SehrgeehrteDamen<strong>und</strong> ihre Fragen im Unterricht<br />
Herren, <strong>und</strong> konnte somit dieTheorieprüfung<br />
im ersten Anlauf<br />
Frau Viertel bat mich, einige<br />
Angaben <strong>und</strong> Eindrücke<br />
meinerseits zu ihrer<br />
Fah rschu lausbi ld u ng<br />
n ied erzuschrei ben, d i e zu<br />
Stu d i e nzwec ke n benöti gt<br />
würden. lch freue mich,<br />
Ihnen damit dienen zu<br />
können.<br />
Frau Vierlel meldete sich im<br />
Juni 1995 ln meiner Fahrschule<br />
zum Erwerb der<br />
Fahrerlaubnis Klasse B<br />
(ehemals Klasse 3) an. tm<br />
Anmeldegespräch erläuterte<br />
sie ohne Umschweife,<br />
daß sie am <strong>Tourette</strong>-Syndrom<br />
leidet, wie sich dies<br />
bei ihr äußert <strong>und</strong> daß sie<br />
schon einige Male versuchte,<br />
den <strong>Führerschein</strong> zu erlangen,<br />
angesprochene<br />
Fahrschulen daraufhin jedoch<br />
immer abblockten,<br />
Da ich ein unvoreingenommener<br />
Mensch bin, stimmte<br />
ich der Ausbildung in<br />
meiner Fahrschule ohne<br />
größere Bedenken zu, zumal<br />
aus dem vorgelegten<br />
ärztlichen Gutachten keinerlei<br />
Bedenken gegenüber<br />
der Ausbildung hervorgingen.<br />
lch kannte diese<br />
Krankheit damals nur oberflächlich<br />
aus den Medien,<br />
hatte mich also nie näher<br />
damit beschäftigt.<br />
Da Frau Viertel offen darüber<br />
sprach, sie ihre Fähigkerten<br />
einzuschätzen wußte,<br />
hatte ich keine Bedenken<br />
bezüglich der Ausbildung<br />
in Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />
ln derTheorie arbeitete Frau<br />
Viertel konzentriert <strong>und</strong> aktiv<br />
mit, wiederholte dieThemenkomplexe<br />
zu Hause,<br />
erarbeitete Antwoften auf<br />
bestehen.<br />
Parallel zur theoreiischen<br />
begannen wir mit der praktischen<br />
Ausbildung.<br />
Während dieser Zeit erfuhr<br />
ich in Gesprächen Näheres<br />
zu Situationen, die 0te<br />
Krankheit bei ihr ausbrechen<br />
lassen <strong>und</strong> konnte<br />
mich damit gut auf die praktische<br />
Unterweisung vorbereiten.<br />
Mich beschäftigte<br />
vor den ersten Praxisst<strong>und</strong>en<br />
schon, wie sie die Aufgaben<br />
im Pkw mit der<br />
Straßenvekehrssituation unter<br />
einen Hut bringen würde,<br />
da dies fur jeden Anfänger<br />
eine Art Streß darstellt.<br />
Was wäre, wenn sie hier einen<br />
Anfall erleiden <strong>und</strong> das<br />
Lenkrad verreißen würde?<br />
Diese Fragen stellte ich mir<br />
jedoch nur für mlch, an ihrer<br />
Fähigkeit, dies alles bewältigen<br />
zu können, durfte<br />
ich nicht zweifeln <strong>und</strong> sie<br />
damit nicht zusatzlich belasten.<br />
Außerdem <strong>und</strong> das ist für<br />
mrch ein wichtiges Kriterium,<br />
bauten wir während<br />
der gesamten Fahrschulausbildung<br />
ein gegenseitiges<br />
Vertrauensverhältnis<br />
auf, ohne das ich wahrscheinlich<br />
belastet an die<br />
Praxisausbildung gegangen<br />
wäre. lch möchte meinen<br />
Fahrschülern Vertrauen entgegenbringen<br />
können <strong>und</strong><br />
Zuversicht.<br />
Bei Frau Viertel hatte ich bei<br />
Beginn der praktischen<br />
Ausbildung keine Zweifel<br />
daran, daß sie sie mit Erfolg<br />
abschließen könnte. Niemals<br />
vermittelte sie das Gefühl,<br />
krank zu sein.<br />
Eine Verkrampfung <strong>und</strong><br />
übermäßige Gespanntheit<br />
gegenüber anderen Fahr-
schülern wurde meinerseits<br />
nicht registriert. lch hatte nle<br />
das Gefühl, daß sie Situationen<br />
nicht meistern wür-<br />
Durch Gespräche, leichte<br />
Unterhaltungen <strong>und</strong> ab <strong>und</strong><br />
zu ein Witz, wurden die<br />
Fahrst<strong>und</strong>en aufgelockert.<br />
Mit jeder St<strong>und</strong>e bemerkten<br />
wir Fortschritte, die<br />
letztendlich Selbstveft rauen<br />
<strong>und</strong> einen gewissen<br />
Fahrspaß vermittelten.<br />
Sie absolvierte ihre Stadt-,<br />
Nacht- <strong>und</strong> Autobahnfahrten<br />
ohne Komplikationen,<br />
so daß sie die Ausbildung<br />
am B. September 1995<br />
mit ihrer Praxisprüfung abschließen<br />
konnte.<br />
Wichtig für die gesamte<br />
Ausbildung war für mich,<br />
daß Frau Vierteloffen über<br />
ihr Krankheitsbild sprechen<br />
<strong>und</strong> ihre Fähigkeiten<br />
ernschätzen konnte, Sie<br />
hat eine anspruchsvolle<br />
Berufsausbildung abgeschlossen,<br />
vermittelte mir<br />
den Eindruck einer selbstbewuBten<br />
lungen Frau.<br />
Warum sollt sie dann nicht<br />
auch im Straßenverkehr<br />
ihren Mann stehen können?<br />
Sollte ich in der Kürze der<br />
Zeit Hinweise vergessen<br />
haben, oder auf einige<br />
Fragen, die besonders interessieren,<br />
nicht elngegangen<br />
sein, stehe ich jederzeit<br />
zur Verfügung.<br />
M it freu ndlichen Grüßen<br />
Wurzbacher<br />
Wir donken der Firmo<br />
sonofi-sUnthetqbo<br />
für die fre<strong>und</strong>tiche Unterstützung<br />
Tou rette'Gesettschoft Deutsch to nd e.V.<br />
I nformati onsmateria I der Tou rette-Gese | | sch aft<br />
<strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
Zeitschrift:<br />
,,<strong>Tourette</strong> aktuell"<br />
Zeitschrift:<br />
,,<strong>Tourette</strong> aktuell spezial - <strong>Führerschein</strong>"<br />
Zeitschrift:<br />
,,<strong>Tourette</strong> aktuell für Kinder", Ausgabe 1<br />
,,<strong>Tourette</strong> aktuell für Kinde/', Ausgabe 2<br />
I nformationsbrosch üre :<br />
,,Fragen <strong>und</strong> Antworten zum <strong>Tourette</strong>-Syndrom"<br />
I nformationsbrosch üre :<br />
,,Gilles de la <strong>Tourette</strong> Syndrom - Ein Leitfaden für Lehrer"<br />
Kurzinformation :<br />
,,Tou rette-Synd ro m"<br />
Videofilm:<br />
,,Schluckauf im Gehirn" ca. 26 Minuten<br />
Videofilm:<br />
,,Das <strong>Tourette</strong>-Syndrom" ca, 94 Minuten<br />
Videofilm:<br />
,,N3-Visite: Das <strong>Tourette</strong>-Syndrom" ca. 15 Minuten<br />
Aufkleber:<br />
,,Tou rette-Synd rom"<br />
fm<br />
April 1998 ergab sich aus<br />
ldienstlichen Gründen erstmals<br />
eine gemeinsame Fahrt meinerseits<br />
mit Frau Sylvia Viertel von<br />
Glauchau nach Aachen (ca. 500<br />
Kilometer).<br />
Vor Antreten der Fahrt sind bei mir<br />
keine Zweifel aufgekommen, daß<br />
dies eine Fahrt mit Komplikationen<br />
aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen der<br />
Fahrerin werden könnte. Auch<br />
während der Fahrt meisterte sie je-<br />
de Situation wie jeder andere Fahrer,<br />
der nicht mit derartigen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Problemen behaftet<br />
ist.Trotz sch lechter Witteru ngsbedingungen<br />
(Schneetreiben, nasse<br />
Straßen). eines erhöhten Verkehrs-<br />
rst einmal etwas zu meiner<br />
Person:<br />
Mein Name ist Cornelia Eckold.<br />
bin 30 Jahre alt, verheiratet <strong>und</strong><br />
habe einen 1 1-jährigen Sohn namens<br />
Pierre.<br />
lch bin die Schwester von Silvia<br />
Vie rte l, we lche vom <strong>Tourette</strong>-Syndrom<br />
betroffen ist.<br />
Meine Schwester fährt jetzt ca. seit<br />
5 Jahren Auto. lch bin schon öfter<br />
mit ihr im Auto mitgefahren <strong>und</strong><br />
stelle auch immer wieder fest. daß<br />
sie sehr sicher fährt.<br />
Trotz ihrer Bewegungsstörungen<br />
hat sie keine Konzentrationsschwächen<br />
am Steuer <strong>und</strong> kann<br />
aufkommens (0stermontag) zum<br />
Teil mit Stau bzw. zähfließende m<br />
Verkehr gab es keine Situation, die<br />
sie nicht beherrschte.<br />
Unabhängig von dleserVerkehrssituation<br />
war sie in der Lage, Gesoräche<br />
mit mir als Beifahrerin zu<br />
führen, wie das bei jeder Fahrgemeinschaft<br />
üblich ist. Trotz der langen<br />
Fahrtvon 7 St<strong>und</strong>en konnte ich<br />
keine Konzentrationsschwächen<br />
feststel len.<br />
lch fühlte mich wahrend der gesamten<br />
Fahrt sicher <strong>und</strong> würde<br />
jeder Zeit mit ihr eine Fahrt antreten,<br />
Cornelia Jäger<br />
sich voll <strong>und</strong> ganz auf den Verkehr<br />
auf unseren Straßen einstellen. lch<br />
würde ihr auch auf jeden Fall unseren<br />
Sohn Pierre allein anvertrauen,<br />
mit ihr größere Strecken zufahren.<br />
Damit hätte ich keine Probleme. Er<br />
ist unser einziger Sohn, den wir<br />
auch über alles lieb haben, aber zu<br />
meiner Schwester hätten wir da<br />
volles Vertrauen.<br />
lch möchte damit noch mal zum<br />
Ausdruck bringen, daß diese betroffe<br />
nen Menschen auf alle Falle<br />
fähig sind, den Alltag im Straßenverkehr<br />
zu bewältigen.<br />
Cornelia Eckold<br />
PKVt/-Fehren mit Ihau Silvia l4ertel<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Heute stellte mir Frau Viertel die Frage, ob ich ein paar Anmerkungen<br />
zu ihrem Fahrstil im Zusammenhang mit ihrem TS machen<br />
würde. Dies überraschte mich, weil ich diesen Zusammenhang<br />
noch nie gesehen habe.<br />
Frau Viertel kannte ich schon, als sie noch keinen <strong>Führerschein</strong><br />
hatte. Als sie Fahranfängerin war, bin ich bereits mit ihr gefah-<br />
ren <strong>und</strong> war von ihrer sicheren Fahrweise angetan. Dabei fährt sie<br />
der Verkehrssituation entsprechend zügig <strong>und</strong> vorausschauend.<br />
Man fühlt sich gut aufgehoben <strong>und</strong> kommt in keiner Sek<strong>und</strong>e auf<br />
den Gedanken, daß sie das Auto nicht unter Kontrolle hat. Sie<br />
selbst wirkt unverkrampft <strong>und</strong> locker.<br />
Dabei kenne ich durchaus Kraftfahrer, bei denen man permanent<br />
in Gedanken ,,mitbremst" <strong>und</strong> froh ist, nach dem Aussteigen<br />
wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Wie gesagt, für<br />
mich gibt es keinen Unterschied, höchstens einen positiven.<br />
Siegfried Tirsch<br />
ll
<strong>Tourette</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
c/o Prof. Dr. A. Rothenberger<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />
von-Siebold-Straße 5<br />
37075 Göttingen<br />
I Beitrittserklärung<br />
Bitte ausfüllen <strong>und</strong> in einen Fensterbriefumschlaq stecken<br />
Hiermit erkläre ich meinen Beitritt als Mitglied der <strong>Tourette</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Deutschland</strong> e.V..<br />
clo Prof . Dr. A. Rothenberger, Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />
von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen<br />
Der Mitgliedsbeitrag beträgt pro Kalenderjahr<br />
regulär: 40,- DM - Familien 60,- DM<br />
Schüler, Studenten, Erwerbslose, Rentner, Alleinerziehende 20,- DM<br />
Darin ist das ,,<strong>Tourette</strong> aktuell"-Abonnement enthalten.<br />
Hier falzen <strong>und</strong> in ein Fensterkuvert stecken<br />
Name, Vorname, Geburtsdatum (bei Familienmitgliedschaft aller Familjenmitglieder) Geldinstitut<br />
D Abbuchungserlaubnis<br />
Mit dem Einzug des Mitgliedsbeitrages durch Lastschrift bin<br />
ich bis auf Widerruf einverstanden.<br />
Den Lastschrifteinzug kann ich jederzeit schriftlich oder<br />
telefonisch widerrufen.<br />
Kontonummer<br />
Postleitzahl / Wohnort Bankleitzahl<br />
Datum / Unterschrift Datum / Unterschrift<br />
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