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Auslegung von Absorptionskolonnen Neue Problemstellungen fr ...

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1026 M. Grünewald et al.<br />

Forschungsarbeit<br />

<strong>Auslegung</strong> <strong>von</strong> <strong>Absorptionskolonnen</strong> – <strong>Neue</strong><br />

<strong>Problemstellungen</strong> für eine altbekannte Aufgabe<br />

Marcus Grünewald*, Guanghua Zheng und Manuela Kopatschek<br />

DOI: 10.1002/cite.201100041<br />

Untersuchungen zur <strong>Auslegung</strong> <strong>von</strong> <strong>Absorptionskolonnen</strong> werden vorgestellt. Ausgehend <strong>von</strong> der bisher verwendeten<br />

<strong>Auslegung</strong>smethodik nach Billet und Schultes erfolgt eine Analyse und Bewertung der Grenzen dieser in der Technik<br />

häufig verwendeten Vorgehensweise. Dabei werden auf der Grundlage eigener Experimente entsprechende Änderungsvorschläge<br />

in der bisherigen <strong>Auslegung</strong>sweise für Packungskolonnen beschrieben. Neben der Anpassung einzelner empirischer<br />

Gleichungen zur flexiblen Beschreibung des Bereiches zwischen Stau- und Flutpunkt, wird insbesondere die auf<br />

der Messung lokaler Prozessgrößen basierende Einteilung in Wand- und Kernphasen der Packungskolonnen vorgeschlagen.<br />

Schlagwörter: Absorption, Gittersensor, Packungskolonnen<br />

Eingegangen: 14. März 2011; revidiert: 26. April 2011; akzeptiert: 06. Mai 2011<br />

Design of Absorption Columns – New Challenges for a well-known Task<br />

This research paper focuses on the design of absorption columns. Based on the Billet-Schultes-Model commonly used for<br />

the design of absorption columns, limitations of this design procedure are identified. Model modifications to overcome<br />

these limitations are proposed. One the one hand the use of an adapted empirical equation is recommended to describe<br />

the hydrodynamic behavior between loading point and flooding point more accurate. On the other hand a more general<br />

approach taking into account two different zones in an absorption column, the wall and the core zone are suggested.<br />

Keywords: Absorption, Packed column, Wire-mesh sensor<br />

1 Einleitung<br />

Packungskolonnen werden als Gas/Flüssig-Kontaktoren in<br />

vielen Bereichen der chemischen Industrie zur Absorption<br />

und Destillation eingesetzt. Zur <strong>Auslegung</strong> solcher Kolonnen<br />

ist es dabei <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung, das in der<br />

Kolonne durch die Packung aufgeprägte Betriebsverhalten<br />

bezüglich Fluiddynamik und Stofftransport akkurat zu beschreiben.<br />

Dabei sind der Druckverlust über die Packung,<br />

der Flüssigkeits-Hold-up sowie der Stau- und Flutpunkt die<br />

wesentlichen Parameter, die eine Packung hydrodynamisch<br />

charakterisieren.<br />

–<br />

Prof. Marcus Grünewald (marcus.gruenewald@fluidvt.rub.de),<br />

Guanghua Zheng, Manuela Kopatschek, Ruhr-Universität Bochum,<br />

Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik, Universitätsstraße 150,<br />

44801 Bochum, Germany.<br />

Aufgrund der geometrischen Komplexität der technisch<br />

eingesetzten Packungen ist es in der Regel nicht möglich<br />

die Fluiddynamik ausgehend <strong>von</strong> einer Beschreibung der<br />

charakteristischen Struktur einer Packung auf analytischem<br />

Weg zu charakterisieren. Nichtsdestotrotz sind seit den<br />

1960er Jahren eine Reihe <strong>von</strong> Gleichungen auf der Basis<br />

phänomenologischer Modellvorstellungen einer Filmbzw.<br />

Kanalströmung [1 – 5] und später einer Tropfenströmung<br />

[6, 7] entwickelt worden. Während das in Abschn. 2.1<br />

beschriebene Filmmodell <strong>von</strong> einer Filmströmung <strong>von</strong><br />

Flüssigkeit und Gas ausgeht, basiert das Tropfenmodell, das<br />

insbesondere bei der Beschreibung gitterförmiger Füllkörperformen<br />

sehr gute Anpassungen an experimentelle Daten<br />

ermöglicht, auf der Beschreibung <strong>von</strong> fallenden Tropfen.<br />

Zur Beschreibung des Stofftransports in Packungskolonnen<br />

können zwei unterschiedliche Berechnungskonzepte<br />

herangezogen werden: das Gleichgewichtsstufenmodel und<br />

das flussratenbasierte Modell [8, 9]. Während erstgenanntes<br />

auf der Bilanzierung einer theoretischen Stufe basiert, berücksichtigt<br />

letzteres den lokalen Stofftransportfluss zwi-<br />

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Chemie<br />

Ingenieur<br />

Technik<br />

schen den Phasen. Hinsichtlich des Stofftransports sind<br />

demnach entweder die Höhe einer theoretischen Trennstufe<br />

oder die Stoffübergangskoeffizienten und die effektive<br />

Stoffaustauschfläche für eine <strong>Auslegung</strong> anzugeben. Beiden<br />

Modellansätzen zur Berechnung des Stofftransports ist<br />

allerdings gemein, dass für die Herleitung der beschreibenden<br />

Gleichungen über den Querschnitt konstante Phasenverteilungen<br />

angenommen werden. Eine Unterscheidung<br />

in Rand- und Kernbereiche der Packungskolonnen und damit<br />

eine Gewichtung des experimentell zu beobachtenden<br />

Wandeinflusses auf den Druckverlust [10], den Hold-up [11]<br />

und damit auch auf den Stofftransport [12, 13] findet nicht<br />

statt.<br />

2 Modellierung <strong>von</strong> Packungskolonnen<br />

2.1 Das fluiddynamische Model nach Billet<br />

Das fluiddynamische Model nach Billet [14] gehört zu den<br />

am häufigsten angewendeten Berechnungsmethoden bei<br />

der <strong>Auslegung</strong> <strong>von</strong> Absorptions- und Destillationskolonnen.<br />

Die Modellvorstellung beruht dabei auf der experimentell<br />

validierten Hypothese, dass wie bei einer Rohrströmung der<br />

Druckverlustbeiwert der Gasströmung ebenfalls <strong>von</strong> der<br />

Gasgeschwindigkeit abhängt.<br />

Dementsprechend geht das Model <strong>von</strong> einer nach unten<br />

gerichteten Strömung einer Flüssigkeit auf der Oberfläche<br />

eines Packungselements aus. Im Gegenstrom dazu strömt<br />

das Gas entlang einer ebenen, der Packungsstruktur parallel<br />

folgenden Phasengrenzfläche durch den restlichen zur<br />

Verfügung stehenden Kanalraum (vgl. Abb. 1).<br />

Wichtigste Größe zur fluiddynamischen <strong>Auslegung</strong> <strong>von</strong><br />

Packungskolonnen ist neben dem spezifischen Druckverlust<br />

der spezifische Flüssigkeits-Hold-up h L als Quotient<br />

Packung<br />

Phasengrenzfläche<br />

zwischen Gas und<br />

Flüssigkeit<br />

Flüssigkeitsphase Gasphase<br />

ds<br />

Scherkraft<br />

Gravitation<br />

dH<br />

Reibungskraft<br />

Abbildung 1. Film- bzw. Kanalmodel nach Billet [14].<br />

aus dem experimentell bestimmten Flüssigkeitsvolumen VL<br />

und dem Kolonnenvolumen VC (Gl. (1)).<br />

h L ˆ V L<br />

V c<br />

Anhand einer Kräftebilanz um ein in Abb. 1 schematisch<br />

dargestelltes, differentielles Flüssigkeitsvolumenelement<br />

und der Randbedingung, dass das Gas einen dem Gegenstromverhältnis<br />

proportionalen Impuls an der Phasengrenze<br />

ausübt, kann gemäß [14] ein Zusammenhang zwischen<br />

dem Flüssigkeits-Hold-up und den Leerrohrgeschwindigkeiten<br />

der beiden Phasen hergeleitet werden. Neben den<br />

Strömungsgeschwindigkeiten und den Stoffeigenschaften<br />

der Fluide hängt der Hold-up demnach <strong>von</strong> der Oberflächenbeschaffenheit,<br />

der spezifischen Oberfläche, der Porosität<br />

und der Geometrie der betrachteten Packung ab<br />

(Gl. (2)).<br />

a 2 g Lu L ˆ h 1=n<br />

L<br />

gq L<br />

3<br />

(1)<br />

f a<br />

4 hL…e hL† 2 u2V qV (2)<br />

Zusammen mit Gleichungen zur Berechnung des Druckverlustbeiwertes,<br />

des Stau- und des Flutpunktes ergibt sich<br />

somit ein Gleichungssystem mit dessen Hilfe Packungskolonnen<br />

hydrodynamisch ausgelegt werden können.<br />

Wesentlicher Bestandteil des Gleichungssystems ist dabei<br />

die Verwendung <strong>von</strong> vier packungsspezifischen Konstanten,<br />

die mit experimentellen Untersuchungen bestimmt werden<br />

müssen (s. Abschn. 2.2) [1].<br />

2.2 Stofftransportberechnung nach Billet und<br />

Schultes<br />

Die Effizienz des Stofftransportes <strong>von</strong> Packungskolonnen<br />

kann mithilfe des HTU/NTU-Konzepts beschrieben werden<br />

(Gl. (3)).<br />

H ˆ HTU OVNTU OV bzw: H ˆ HTU OLNTU OL<br />

Dabei kann beispielweise unter Annahme eines nur gasseitig<br />

limitierten Stofftransports die Stofftransporteffizienz<br />

aus den einzelnen Stofftransportwiderständen bVaPh und<br />

bLaPh nach Gl. (4) bestimmt werden.<br />

HTUOV ˆ uV ‡<br />

bVaPh mxy L=V<br />

u L<br />

b La Ph<br />

Packungskolonnen 1027<br />

Billet und Schultes [15] schlagen zur Berechnung der gasund<br />

flüssigkeitsseitigen Stofftransportkoeffizienten b Va Ph<br />

und b La Ph die empirischen Gln. (5) und (6) vor, wobei als<br />

Anpassungsparameter zur Charakterisierung der jeweiligen<br />

Packung die beiden Konstanten C L und C V verwendet werden.<br />

Der hydraulische Durchmesser berechnet sich über die<br />

Chemie Ingenieur Technik 2011, 83, No. 7, 1026–1035 © 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com<br />

(3)<br />

(4)


1028 M. Grünewald et al.<br />

Porosität und die spezifische Oberfläche der Packung nach<br />

Gl. (7).<br />

b La Ph ˆ C L 12 1=6 u L<br />

h L<br />

1<br />

bVaPh ˆ CV …e hL† 0;5<br />

d h ˆ 4 e<br />

a<br />

0;5<br />

D<br />

dH a1;5 d 0;5 DV h<br />

0;5<br />

a a Ph<br />

a<br />

uV amV 0;75<br />

mV DV 1=3 aPh<br />

a<br />

Zusammen mit den vier Konstanten der Fluiddynamik<br />

ergibt sich damit ein charakterisierender Satz <strong>von</strong> jeweils<br />

sechs Parametern, die für jede Packung experimentell bestimmt<br />

werden müssen. Nicht zuletzt in [1] sind für eine<br />

Vielzahl <strong>von</strong> Füllkörperpackungen und strukturierten Packungen<br />

die entsprechenden Parametersätze aufgelistet.<br />

Die Daten entstammen in der Regel eigenen Messungen<br />

der Arbeitsgruppe Billet aus den 1980er und 1990er Jahren.<br />

Insbesondere die große experimentelle Datenbasis verdeutlicht<br />

die breite Anwendbarkeit des Berechnungsmodels<br />

nach Billet und Schultes.<br />

Die <strong>von</strong> Billet und Schultes beschriebene und weiter unten<br />

diskutierte, experimentelle Methodik [1] wird auch<br />

heute noch zur Charakterisierung neuer Entwicklungsprodukte<br />

diverser Hersteller verwendet. Dabei sind der Aufbau<br />

der verwendeten Versuchsanlagen und die Durchführung<br />

der experimentellen Untersuchungen zur Charakterisierung<br />

<strong>von</strong> Füllkörpern und strukturierten Packungen in der<br />

Regel prinzipiell gleich. Die für die Auswertung erforderlichen<br />

Messgrößen zur Charakterisierung der Hydrodynamik<br />

und des Stofftransportvermögens<br />

sind der Druckverlust über die<br />

Kolonne, der Volumenstrom/Massenstrom<br />

oder direkt die Strömungsgeschwindigkeit<br />

der Gas- und Flüssigphase,<br />

die Konzentration in den<br />

Eingangs- und Ausgangsströmen sowie<br />

der Hold-up. Abb. 5 zeigt schematisch<br />

das Verfahrensfließbild der<br />

verwendeten Versuchsanlagen.<br />

2.3 Erweiterung des Berechnungsmodels<br />

für neuartige<br />

Packungsstrukturen<br />

Ein Schwachpunkt in dem oben dargestellten<br />

Berechnungsmodel ist die<br />

Beschreibung des Hold-ups im Bereich<br />

zwischen dem Stau- und Flutpunkt.<br />

Während der Hold-up <strong>von</strong><br />

Füllkörperpackungen und struktu-<br />

(5)<br />

(6)<br />

(7)<br />

rierten Packungen, in denen sich kanalartige Strukturen<br />

wiederfinden lassen, sich sehr gut mithilfe der <strong>von</strong> Billet<br />

und Schultes vorgeschlagenen Gl. (8) beschreiben lassen, ist<br />

die Genauigkeit bei der Charakterisierung offener, eher<br />

stegartiger Strukturen nicht zu<strong>fr</strong>iedenstellend.<br />

hl ˆ hs ‡ … hfl hs† uG uG;fl 13<br />

Insbesondere im Hinblick auf <strong>Auslegung</strong>saufgaben für<br />

Packungskolonnen mit der Anforderung eines geringen<br />

Druckverlustes, wie dies zukünftig z. B. bei der CO2-Abtrennung<br />

aus großen (Ab)Gasströmen notwendig sein wird, ist<br />

aber eine genauere <strong>Auslegung</strong>sbasis anzustreben.<br />

Wie in Abb. 2 für den Standardfall eines Pall-Rings<br />

(25 mm, Metall) dargestellt, steigt der Druckverlust mit dem<br />

Exponent n= 13 an. Zudem beginnt das Aufstauen der Flüssigkeit<br />

bezogen auf die Flüssigkeitsgeschwindigkeit am<br />

Flutpunkt bei dem <strong>von</strong> Billet und Schultes vorausgesagten<br />

Wert <strong>von</strong> 0,6 bis 0,7. Im Gegensatz dazu verschiebt sich der<br />

Staupunkt für eine strukturierte Packung mit offener<br />

Struktur zu wesentlich kleineren Berieselungsdichten. Der<br />

Anstieg verläuft dementsprechend flacher und kann mit<br />

einem Exponenten <strong>von</strong> ca. 3 bis 4 abgebildet werden. Um<br />

das Betriebsverhalten unterschiedlicher Packungsstrukturen<br />

beschreiben zu können wird deshalb Gl. (9) zur Abbildung<br />

des Flüssigkeits-Hold-ups zwischen Stau- und Flutpunkt<br />

vorgeschlagen.<br />

hl hfl hs hs ˆ u G<br />

u G;fl<br />

n<br />

Dabei stellt der Exponent n einen zusätzlichen Parameter<br />

dar, wodurch das Modell besser an die experimentellen<br />

Daten angepasst werden könnte.<br />

Abbildung 2. Beschreibung des Flüssigkeits-Hold-ups oberhalb des Staupunktes mithilfe des<br />

Exponenten n aus Gl. (9).<br />

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(8)<br />

(9)


Chemie<br />

Ingenieur<br />

Technik<br />

2.4 Scale-up-Fähigkeit des Berechnungsmodells<br />

Bei der Herleitung <strong>von</strong> Modellansätzen zur Beschreibung<br />

<strong>von</strong> Packungskolonnen wird im Allgemeinen da<strong>von</strong> ausgegangen,<br />

dass sich die Fluide gleichmäßig über den<br />

Kolonnenquerschnitt verteilen. Nichtsdestotrotz wird <strong>von</strong><br />

verschiedenen Autoren <strong>von</strong> einem Einfluss des Kolonnendurchmessers<br />

berichtet, der dem Anteil der Wandeffekte bezogen<br />

auf die Gesamtfläche zugeschrieben wird [16].<br />

Abb. 3 zeigt exemplarisch den Einfluss des Kolonnendurchmessers<br />

auf den Druckverlust und den Flüssigkeits-<br />

Hold-up. Während beim Druckverlust kein bzw. nur im Bereich<br />

hoher Gasbelastungen ein geringer Unterschied zwischen<br />

den Messungen in einer Kolonne mit einem Innendurchmesser<br />

<strong>von</strong> 0,288 m bzw. 0,440 m erfasst wurde, kann<br />

beim Flüssigkeits-Hold-up ein Unterschied <strong>von</strong> rund<br />

4 – 8 % (absolut) beobachtet werden.<br />

Zur Beschreibung des Einflusses des Maßstabes bzw. des<br />

Durchmessers wird <strong>von</strong> verschiedenen Autoren die Einführung<br />

eines zusätzlichen Parameters vorgeschlagen. So wird<br />

beispielsweise in [6] bzw. [14] der Wandfaktor k definiert<br />

(vgl. Gln. (10) und (11)) und in der Berechnung des Druckverlustes<br />

berücksichtigt.<br />

1 2<br />

ˆ 1 ‡<br />

k 3<br />

1 4<br />

ˆ 1 ‡<br />

k adS 1 dP 1 e dS (10)<br />

(11)<br />

Dabei ist dS ist der Kolonnendurchmesser und dP ist der<br />

Füllkörperdurchmesser. Die Einführung eines Wandfaktors<br />

Abbildung 3. Einfluss des Kolonnendurchmessers auf Druckverlust und Flüssigkeits-Hold-up<br />

für das Beispiel einer Füllkörperpackung.<br />

Packungskolonnen 1029<br />

führt zu einer verbesserten Beschreibung der packungsspezifischen<br />

Fluiddynamik in unterschiedlichen Kolonnendurchmessern.<br />

Der Einfluss auf das Betriebsverhalten und<br />

damit des Stofftransports kann dadurch jedoch nicht exakt<br />

in Abhängigkeit vom Wandeffekt beschrieben werden.<br />

3 Wand- und Kernbereiche in <strong>Absorptionskolonnen</strong><br />

Ein anderer Ansatz zur Beschreibung der Wandeinflüsse<br />

stellt die Unterteilung der Kolonne in einen Wand- und<br />

einen Kernbereich im Innern der Kolonne dar. Hintergrund<br />

ist dabei die Überlegung, dass der Wandbereich zwar abhängig<br />

vom Kolonnendurchmesser einen unterschiedlich<br />

großen Anteil am Gesamtvolumen der Kolonne hat, dass<br />

aber im Innern der Kolonne die Hydrodynamik unabhängig<br />

vom Kolonnendurchmesser ist. Wenn es also mithilfe geeigneter<br />

Messmethoden gelingt, die jeweiligen Anteile <strong>von</strong><br />

Wand- und Kernbereich zu bestimmen, würde eine Messung<br />

in einem relativ kleinen Maßstab <strong>von</strong> z. B. 0,288 m<br />

ausreichen, um die Hydrodynamik des Kernbereichs zu<br />

charakterisieren und damit ein Scale-up auf größere Durchmesser<br />

durchzuführen. Je größer der Innendurchmesser<br />

der verwendeten Kolonne für die experimentellen Untersuchungen<br />

zur Charakterisierung neuartiger Füllkörper<br />

und Packungen, desto geringer ist der Einfluss des Wandbereichs.<br />

Ziel dieses neuen Konzepts ist es jedoch, eine<br />

Kolonne mit möglichst kleinem Innendurchmesser zu verwenden,<br />

um eine Reduzierung der Kosten der experimentellen<br />

Untersuchungen zu erreichen.<br />

Wesentliche Voraussetzung für die Validierung dieses<br />

Konzepts ist eine möglichst nicht- bzw. gering-invasive und<br />

gleichzeitig kostengünstige Messmethode.<br />

Die Aufklärung der Fluiddynamik<br />

einer Kolonne wurde<br />

bereits mit komplexen Messprinzipien<br />

wie der Röntgentomographie<br />

untersucht [18]. Ziel der Autoren dieses<br />

Beitrages ist es jedoch, eine kostengünstigere<br />

und weniger aufwendige<br />

Messmethodik einzusetzen, die<br />

bei allen experimentellen Untersuchungen<br />

neuentwickelter Füllkörper<br />

und Packungen integriert werden<br />

kann. Im Rahmen eigener Untersuchungen<br />

wurden deshalb eine<br />

Sammlermethode und ein in<br />

Packungskolonnen bisher noch nicht<br />

eingesetzter Gittersensor zur Bestimmung<br />

des an der Innenwand herunter<br />

strömenden Flüssigkeitsanteils<br />

verglichen.<br />

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1030 M. Grünewald et al.<br />

3.1 Bestimmung des Wandflüssigkeitsanteils mithilfe<br />

eines Flüssigkeitssammlers<br />

Die Sammlung herunter strömender Flüssigkeit in unterschiedlichen<br />

Bereichen einer Packungskolonne ist eine<br />

bereits vielfach eingesetzte Methode [19, 20] zur Bestimmung<br />

der Ungleichverteilung der Flüssigkeitsströme über<br />

den Querschnitt. Der Nachteil einer solchen Vorgehensweise<br />

ist jedoch, dass die unterhalb der Packung installierte<br />

Vorrichtung zur Sammlung der Flüssigkeit den einströmenden<br />

Gasstrom entscheidend beeinflusst und damit nur bedingt<br />

repräsentative Ergebnisse bzw. keine Ergebnisse ohne<br />

gegenströmendes Gas erzielt werden können.<br />

Zur Bestimmung des an der Wand herunter strömenden<br />

Flüssigkeitsanteils wurde der in Abb. 4 dargestellte Ringsammler<br />

installiert. Mithilfe einer Ablau<strong>fr</strong>inne wird die<br />

Wandflüssigkeit in einen separaten Ablauf geleitet. Die<br />

Strömung der Phasen im Kernbereich bleibt da<strong>von</strong> unbeeinflusst.<br />

Auf diese Weise konnte ein Kompromiss zwischen<br />

möglichst einfacher Handhabung und gleichzeitig<br />

geringer Beeinflussung der Gasströmung gefunden werden.<br />

Druckverlustmessungen ergaben einen Unterschied<br />

<strong>von</strong> weniger als 0,2 mbar m –1 im Vergleich zu Kolonnen<br />

ohne Ringsammler.<br />

Die Ergebnisse in Abb. 4 belegen, dass rund 20 % der gesamten<br />

Flüssigkeit in einer Kolonne mit einem Innendurchmesser<br />

<strong>von</strong> 0,288 m bei Gasbelastungsfaktoren unterhalb<br />

des Staupunktes entlang der Kolonnenwand strömen<br />

und damit nur wenig in Wechselwirkung mit dem gegenströmenden<br />

Gas treten. Im Bereich des Staupunktes verringert<br />

sich dagegen dieser Anteil auf knapp über 10 %, steigt<br />

aber mit größeren Gasgeschwindigkeiten auf Werte <strong>von</strong><br />

30 – 40 % nahe dem Flutpunkt an.<br />

3.2 Bestimmung des Wandflüssigkeitsanteils mithilfe<br />

eines gering-invasiven Gittersensors<br />

Als Alternative zur Flüssigkeitssammlermethode wurde ein<br />

Gittersensor – entwickelt und hergestellt <strong>von</strong> der Arbeitsgruppe<br />

Hampel am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf<br />

– verwendet [21]. Die Bestimmung der Phasenanteile<br />

mithilfe des bereits in verschiedenen Apparaten implementierten<br />

Gittersensors [22 – 26] beruht dabei auf einem kapazitiven<br />

Messprinzip [27, 28]. Der Gittersensor selbst besteht<br />

aus zwei Ebenen mit jeweils 32 parallel innerhalb einer<br />

Ebene gespannten Drähten, wobei die Drähte der jeweiligen<br />

Ebene orthogonal zu denen der anderen Ebene angeordnet<br />

sind. Dadurch ergeben sich 840 Kreuzungspunkte mit<br />

einem vertikalen Abstand <strong>von</strong> jeweils 1,5 mm innerhalb der<br />

Kolonne. Die Mess<strong>fr</strong>equenz beträgt dabei 400 Hz, so dass<br />

ein zeitlich hochaufgelöstes Messsignal an jedem Kreuzungspunkt<br />

abgegriffen werden kann.<br />

Abb. 5 zeigt schematisch den experimentellen Aufbau sowie<br />

die Positionierung des Gittersensors unterhalb der installierten<br />

Packung. Alternativ kann der Gittersensor auch<br />

innerhalb einer Packung eingesetzt werden, allerdings<br />

muss dann zum Schutz der Drähte ober- und unterhalb ein<br />

Tragegitter installiert werden, um eine Berührung der<br />

Drähte mit den Füllkörpern bzw. der strukturierten Packungen<br />

zu vermeiden. Auf diese Weise entsteht innerhalb der<br />

Packung eine kurze Unterbrechung der Packungsstruktur,<br />

so dass in diesem Fall eine Beeinflussung der Strömung der<br />

beiden Phasen nicht ausgeschlossen werden kann.<br />

In Abb. 6 sind exemplarisch mit dem installierten Gittersensor<br />

gemessene Ergebnisse für zwei unterschiedliche Berieselungsdichten<br />

dargestellt. Aufgetragen ist der lokale<br />

Flüssigkeits-Hold-up für unterschiedliche Gasbelastungs-<br />

Abbildung 4. Experimentell bestimmter<br />

Wandflüssigkeitsanteil<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Berieselungsdichte<br />

für einen Pall-<br />

Ring 25 mm aus Metall mit<br />

einem Ringsammler bei einem<br />

Innendurchmesser <strong>von</strong> 0,288 m.<br />

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Chemie<br />

Ingenieur<br />

Technik<br />

Abbildung 5. Schematische Darstellung des experimentellen Aufbaus und Foto des zur Bestimmung<br />

der Flüssigkeitsverteilung installierten Gittersensors (B1 – B3 = Behälter, G = Radialventilator,<br />

K1, K2 = Kolonnen, P1 – P3 = Kreiselpumpen, T1, T2 = Tropfenabscheider, V1, V2 =<br />

Ventile, VE = vollentionisiertes Wasser).<br />

faktoren FV und eine Berieselungsdichte <strong>von</strong> uL = 10 bzw.<br />

40 m 3 m –2 h –1 . Der lokale Wert ergibt sich aus der Bilanzierung<br />

konzentrischer, jeweils 9 mm breiter, <strong>von</strong> innen (1)<br />

nach außen (16) nummerierter Kreisringflächen, wobei der<br />

dargestellte Wert als Mittelwert aus den über einen<br />

Zeitraum <strong>von</strong> 10 s gemessenen Daten (bei 400 Hz: 4000<br />

Messungen) berechnet wird.<br />

Aus Abb. 6 lässt sich deutlich das erwartete Verteilungsprofil<br />

erkennen: Während über weite Bereiche der Kolon-<br />

Flüssigkeitsholdup [%]<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

uL= 10; Fv= 0,74<br />

uL= 10; Fv= 1,45<br />

uL= 10; Fv= 1,95<br />

uL= 10; Fv= 2,44<br />

uL= 10; Fv= 2,95<br />

uL= 10; Fv= 3,55<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10111213141516<br />

Bilanzring (1: innen; 16: außen)<br />

Flüssigkeitsholdup [%]<br />

35%<br />

30%<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

nen ein nahezu konstanter lokaler<br />

Flüssigkeits-Hold-up zu beobachten<br />

ist, wird für den äußeren Bilanzring<br />

(16) ein höherer Wert gemessen. Mit<br />

ansteigender Gasleerrohrgeschwindigkeit<br />

(~ FV) wird ein Anstieg des<br />

äußeren Wertes gemessen. Das Niveau<br />

des äußeren Hold-ups stimmt<br />

gut mit den mithilfe einer Sammlermethode<br />

gemessenen Werte überein.<br />

Auch der Einfluss der Berieselungsdichte<br />

ist signifikant. Der Hold-up<br />

steigt mit größerer Berieselungsdichte<br />

an.<br />

Analoge Messungen wurden für<br />

unterschiedliche Füllkörpergrößen<br />

und Formen durchgeführt. In allen<br />

Fällen ergeben sich ähnliche Verläufe<br />

und Zusammenhänge, so dass der<br />

Einsatz des Gittersensors für die<br />

Messung der Flüssigkeitsverteilung<br />

innerhalb einer Kolonne als erfolgreich<br />

gewertet werden kann.<br />

Zudem sollte in diesem Zusammenhang<br />

darauf hingewiesen werden,<br />

dass eine Aufsummierung der<br />

lokalen Flüssigkeitsanteile zu einem<br />

mittleren Flüssigkeits-Hold-up im<br />

Vergleich zu Literaturdaten zu ähnlichen Werten bei kleinen<br />

Berieselungsdichten führt. Im Fall <strong>von</strong> größeren Berieselungsdichten<br />

und hohen Gasbelastungsfaktoren ist dagegen<br />

eine signifikante Abweichung zu beobachten. Dabei muss<br />

berücksichtigt werden, dass es sich bei der berechneten Größe<br />

um einen auf die Querschnittsfläche bezogenen Flüssigkeitsinhalt<br />

an einer diskreten Position in der Packung handelt,<br />

während die Literaturdaten Werte auf das gesamte<br />

Volumen bezogen sind. Eine weiterführende Betrachtung<br />

zur Auswertung hinsichtlich der querschnittsgemittelten<br />

Größen wird des-<br />

uL= 40; Fv= 0,74<br />

uL= 40; Fv= 1,47<br />

uL= 40; Fv= 1,95<br />

uL= 40; Fv= 2,33<br />

uL= 40; Fv= 2,66<br />

uL= 40; Fv= 2,9<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10111213141516<br />

Bilanzring (1: innen; 16: außen)<br />

Abbildung 6. Mittlerer (links) und lokaler (rechts) Flüssigkeits-Hold-up für unterschiedliche<br />

Gasbelastungsfaktoren F V und Berieselungsdichten u L.<br />

Packungskolonnen 1031<br />

halb derzeit durchgeführt.<br />

4 Messung der charakterisierendenModellparameter<br />

des Stofftransportes<br />

Das Stofftransportvermögen neu entwickelter<br />

Füllkörper bzw. strukturierter<br />

Packungen können, wie oben<br />

diskutiert, nicht vorausberechnet<br />

werden, so dass die Basis für die <strong>Auslegung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Absorptionskolonnen</strong><br />

auch heutzutage noch experimentelle<br />

Untersuchungen sind. Zur Bestimmung<br />

der volumetrischen Stoffaustauschkoeffizienten<br />

(b Va Ph, b La Ph)<br />

werden experimentelle Untersuchun-<br />

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1032 M. Grünewald et al.<br />

gen mit zwei verschiedenen Stoffsystemen,<br />

für die Bestimmung der Stoffüberganskoeffizienten<br />

und der effektiven<br />

Phasengrenzfläche (bV, bL, aPh) drei verschiedene<br />

Stoffsysteme benötigt. Die<br />

Stoffsysteme müssen sich dabei hinsichtlich<br />

des dominierenden Stofftransportwiderstandes<br />

unterscheiden, wie dies<br />

<strong>von</strong> Hoffmann et al. [29] bereits ausführlich<br />

beschrieben wurde (vgl. Tab. 1).<br />

Die dargestellten Ergebnisse zur Charakterisierung<br />

der Fluiddynamik wurden<br />

mit dem Stoffsystem Wasser/Luft<br />

durchgeführt, die stofftransportspezifischen<br />

Modellparameter bVaPh, bLaPh bzw.<br />

HTUOV, HTUOL wurden für die Stoffsysteme<br />

NH3-Luft/Wasser und CO2-Wasser/<br />

Luft ermittelt.<br />

Neben der Stoffsystemauswahl ist die<br />

Genauigkeit der Messergebnisse abhängig <strong>von</strong> der experimentellen<br />

Vorgehensweise ein oft diskutierter Punkt. Für<br />

die in Abb. 5 schematisch dargestellte Versuchsanlage mit<br />

einem Innendurchmesser der Kolonne <strong>von</strong> 0,288 m wurde<br />

deshalb beispielhaft eine Berechnung der Fortpflanzung<br />

der Messunsicherheiten nach DIN 1319 [30] durchgeführt.<br />

Dabei werden mit den Messunsicherheiten der Messgrößen<br />

die Messunsicherheiten der Ergebnisgrößen der Auswertung<br />

nach dem Gauss-Verfahren berechnet.<br />

Die Messunsicherheiten der Messgrößen, die dafür als<br />

Basis gewählt wurden, sind keine theoretischen Annahmen,<br />

Literaturwerte oder Herstellerangaben, sondern praktische<br />

Erfahrungswerte aus Reproduktionsmessungen. Diese Erfahrungswerte<br />

setzen sich jeweils zusammen aus der Summe<br />

der Messunsicherheiten der Analysegeräte und den Er-<br />

Abbildung 7. Darstellung<br />

der über die Gasbelastung<br />

gemittelten, relativen<br />

Messunsicherheiten <strong>von</strong><br />

HTUOL der CO2-Desorption<br />

und HTU OV der NH 3-Absorption<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

der Flüssigkeitsbelastung.<br />

Tabelle 1. Wässrige Stoffsysteme zur Charakterisierung des Stofftransportvermögens [29].<br />

Gasphase Flüssigphase Bindungsmechanismus effektiver Stofftransportwiderstand<br />

abhängig <strong>von</strong> aPh und:<br />

O2-Luft Wasser physikalische Absorption bV bL<br />

CO 2 Wasser physikalische Absorption – –<br />

CO2-Luft Wasser physikalische Absorption bV bL<br />

CO2-Luft Natronlauge chemische Absorption bV –<br />

Luft CO2/Wasser physikalisches Strippen – bL<br />

NH 3 Wasser physikalische Absorption – b L<br />

NH3-Luft Wasser physikalische Absorption bV bL<br />

NH3-Luft Schwefelsäure chemische Absorption bV –<br />

SO 2-Luft Wasser physikalische Absorption b V b L<br />

SO 2-Luft Natronlauge chemische Absorption b V –<br />

fahrungswerten für die auftretenden Messunsicherheiten<br />

durch die zufälligen Fehler bei der manuellen Ablesung der<br />

Messgeräte und der nasschemischen Analyse der Flüssigphase<br />

per Titration sowie der auftretenden Schwankungen<br />

der jeweiligen Messgrößen während der Messung.<br />

Die Ergebnisgrößen der Auswertung der Stofftransportuntersuchungen<br />

sind der HTUOL-Wert für die CO2-Desorption<br />

und der HTUOV-Wert für die NH3-Absorption. Diese<br />

Werte sind abhängig <strong>von</strong> den Konzentrationen der jeweiligen<br />

Übergangskomponente im Flüssigkeitseingang und<br />

-ausgang und im Gaseingang und -ausgang. Abb. 7 zeigt die<br />

über die Gasbelastung gemittelten, relativen Messunsicherheiten<br />

der HTU-Werte der CO 2-Desorption und der NH 3-<br />

Absorption in Abhängigkeit <strong>von</strong> der spezifischen Flüssigkeitsbelastung<br />

u L.<br />

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Chemie<br />

Ingenieur<br />

Technik<br />

Demnach fällt die über die Gasbelastung gemittelte, relative<br />

Messunsicherheit des HTUOL-Werts mit steigender spezifischer<br />

Flüssigkeitsbelastung <strong>von</strong> 10,2 % auf 4,8 % deutlich<br />

ab, während die Messunsicherheit des HTUOV-Wertes<br />

mit rund 3 % annähernd konstant ist. Die Messunsicherheit<br />

bei der NH3-Absorption ist also deutlich kleiner als bei der<br />

CO 2-Desorption. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die<br />

Konzentration des Ammoniaks in Bezug auf den Gültigkeitsbereich<br />

des Messgerätes ausreichend hoch ist.<br />

Eine weitere Einflussgröße bei der Auswertung der Untersuchungen<br />

zum Stoffaustausch ist der Ort der Probenentnahme<br />

und damit das bilanzierte Apparate- bzw. Packungsvolumen.<br />

In der Literatur werden sowohl Experimente, bei denen<br />

nur die Ein- und Ausgangsströme bilanziert werden, als auch<br />

Studien mit Probennahmevorrichtungen beschrieben, mit<br />

denen man innerhalb der Packung Flüssigkeitsproben entnehmen<br />

kann.<br />

Generell kann für Füllkörperschüttungen angenommen<br />

werden, dass in der Gasphase keine bzw. nur eine vernachlässigbar<br />

kleine Konzentrationsdifferenz über den Querschnitt<br />

auftritt. Diese in [31] validierte Annahme führt damit<br />

folgerichtig zu der Aussage, dass kein Einfluss der<br />

Probennahmestrategie der Gasphase zu erwarten ist.<br />

Im Gegensatz dazu dürfen in der Flüssigphase die Konzentrationsdifferenzen<br />

innerhalb des Querschnitts der Kolonne<br />

nicht vernachlässigt werden. Allein die oben beschriebene<br />

Tatsache, dass entlang der Wand einer im Querschnitt<br />

0,288 m messenden Kolonne mindestens 20 % der Flüssigkeit<br />

strömt, lässt aufgrund der unterschiedlichen Strömungsregime<br />

am Rand- und im Kernbereich der Kolonne auf einen<br />

unterschiedlichen Impulsaustausch und damit auch ein<br />

unterschiedliches Stoffaustauschverhalten schließen. Im<br />

Rahmen der beschriebenen Untersuchungen, bei der der<br />

Flüssigkeitsstrom an der Wand mithilfe<br />

eines Ringsammlers (vgl. Abb. 4)<br />

entnommen wurde, wurden die gesammelten<br />

Proben auch hinsichtlich<br />

der NH3-Konzentation analysiert. Die<br />

Auswertung der Ergebnisse zeigte<br />

eine in den Proben des Kernbereichs<br />

um den Faktor 10 höhere Konzentration<br />

als in den Flüssigkeitsproben des<br />

ablaufenden Flüssigkeitsfilms an der<br />

Wand. Wird die Flüssigkeitsprobe erst<br />

im Kolonnensumpf oder in der sich<br />

anschließenden Rohrleitung entnommen,<br />

kann da<strong>von</strong> ausgegangen werden,<br />

dass die beiden Ströme an Wand<br />

und im Kernbereich wieder ideal<br />

durchmischt sind und sich demnach<br />

eine Mischkonzentration einstellt.<br />

In eigenen Studien wurden beide<br />

Vorgehensweisen für den Fall der<br />

CO 2-Desorption aus Wasser unter-<br />

sucht. Die Ergebnisse der beiden<br />

Probenentnahmemethoden sind in<br />

Packungskolonnen 1033<br />

Abb. 8 für einen metallischen 25-mm-Pall-Ring in einer<br />

Kolonne mit einem Innendurchmesser <strong>von</strong> 0,288 m dargestellt<br />

und Literaturdaten gegenübergestellt. Aufgetragen<br />

ist dabei der volumetrische Stoffaustauschkoeffizient bLae<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der spezifischen Flüssigkeitsbelastung<br />

uL bei konstantem Gasbelastungsfaktor FV.<br />

Die grauen Messreihen stammen aus der Probennahme<br />

innerhalb einer 2 m hohen Schüttung bei unterschiedlichen<br />

Berieselungsdichten. Die Proben wurden in einer Höhe <strong>von</strong><br />

h = 0,75 m unterhalb des Flüssigkeitsverteilers genommen.<br />

Die Probenentnahmevorrichtung besteht dabei aus Rohren,<br />

die mit Langlöchern (d = 0,240 m) versehen sind. Die Flüssigkeit,<br />

die an der Innenwand der Kolonne abläuft, wurde<br />

demnach nicht berücksichtigt.<br />

Die mit nicht ausgefüllten Symbolen gekennzeichnete<br />

Messreihe wurde ohne Probenentnahmevorrichtungen an<br />

einer 0,75 m hohen Schüttung durchgeführt. Die Proben<br />

wurden am Ein- und Ausgang der Kolonnen entnommen.<br />

Der Vergleich der Messreihen mit Literaturdaten [32], die<br />

ebenfalls mithilfe <strong>von</strong> Probenentnahmen am Ausgang der<br />

Kolonne bzw. im Kolonnensumpf ermittelt wurden, verdeutlicht<br />

den großen Einfluss der Probennahmemethode.<br />

Während die auf einer Gesamtbilanz (Eingang-Ausgang) basierenden<br />

Messreihen hervorragend mit den Literaturdaten<br />

übereinstimmen, ergeben sich aus den innerhalb der<br />

Kolonne entnommenen Proben für die volumetrischen<br />

Stoffaustauschkoeffizienten deutlich höhere Werte. Die<br />

Umrechnung der in Abb. 8 dargestellten Unterschiede der<br />

b La e-Werte auf HTU-Werte zeigt, dass mit einer Differenz<br />

<strong>von</strong> rund 0,07 m bis 0,11 m in Abhängigkeit vom Gasbelastungsfaktor<br />

zu rechnen ist.<br />

Abbildung 8. Volumetrischer Stoffaustauschkoeffizient der CO 2-Desorption bei Variation der<br />

Probenentnahme im Vergleich zu Literaturdaten des Pall-Rings <strong>von</strong> 1987.<br />

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1034 M. Grünewald et al.<br />

5 Schlussfolgerungen und Ausblick<br />

Ziel der Charakterisierung <strong>von</strong> Füllkörperschüttungen und<br />

strukturierten Packungen mittels experimenteller Untersuchungen<br />

im kleinen Technikumsmaßstab und der entsprechen<br />

Auswertung ist es, mit den ermittelten Daten<br />

möglichst sicher das Betriebsverhalten technischer <strong>Absorptionskolonnen</strong><br />

mit wesentlich größeren Durchmessern vorherzusagen.<br />

Diese Anforderung erfüllt die dargestellte Vorgehensweise<br />

zur Durchführung der Versuche und deren<br />

Auswertung sehr gut. Allerdings stellen die auf einer Eingang-Ausgang-Bilanzierung<br />

basierenden Messergebnisse<br />

für den volumetrischen Stofftransportkoeffizienten eine<br />

deutlich konservative Abschätzung des realen Verhaltens<br />

dar. Der Grund hierfür ist der vom Kolonnendurchmesser<br />

abhängige Einfluss der Randgängigkeit. Während der Einfluss<br />

in technischen Kolonnen nahezu vernachlässigbar ist,<br />

fließen in der betrachteten Kolonne mit einem Innendurchmesser<br />

<strong>von</strong> 0,288 m 20 % bis 30 % der gesamten aufgegebenen<br />

Flüssigkeit an der Wand der Kolonne entlang.<br />

Diese Analyse zur Scale-up-Fähigkeit der <strong>Auslegung</strong>sstrategie<br />

erscheint auf den ersten Blick niederschmetternd für<br />

den Anbieter <strong>von</strong> Messungen in kleinen <strong>Absorptionskolonnen</strong>.<br />

Folgt man aber dem entworfenen Konzept eines 2-Zonen-Modells<br />

zur Beschreibung <strong>von</strong> <strong>Absorptionskolonnen</strong>,<br />

so bergen die Ergebnisse aus Abb. 8 ein enormes Potenzial<br />

hinsichtlich einer möglichst effizienten Vorgehensweise<br />

zur <strong>Auslegung</strong> solcher Apparate. Voraussetzung für die<br />

Übertragung <strong>von</strong> Messungen in Kolonnen kleinen Durchmessers<br />

direkt in technische Abmessungen ist jedoch das<br />

Wissen um die exakte Größe des an der Wand ablaufenden<br />

Flüssigkeitsstromes und eine darauf abgestimmte Probenentnahme,<br />

die ausschließlich die Konzentrationsbestimmung<br />

der Kernphase ermöglicht. In diesem Zusammenhang<br />

stellen nicht- bzw. gering-invasive Messmethoden wie<br />

der Gittersensor ein im kleinen Maßstab einsetzbares Instrument<br />

dar, um die Randgängigkeit <strong>von</strong> Füllkörperschüttungen<br />

und strukturierten Packungen zu charakterisieren.<br />

Weiterführende Arbeiten werden sich deshalb mit einer<br />

detaillierteren Analyse der mit Gittersensormessungen ableitbaren<br />

Erkenntnisse zum hydrodynamischen Verhalten<br />

beschäftigen. Ziel der Untersuchungen soll es dabei sein,<br />

ausgehend <strong>von</strong> der Messung lokaler Verteilungsprofile und<br />

Strömungsregime Aussagen für die Packung charakterisierende<br />

Elementarzellen [33] zu erhalten.<br />

Formelzeichen<br />

a [m 2 m –3 ] spezifische Oberfläche<br />

a Ph [m 2 m –3 ] Phasengrenzfläche<br />

C L, C V [–] Konstanten<br />

D [m] Kolonnendurchmesser<br />

DV [m 2 s –1 ] Diffusionskoeffizient Gasphase<br />

dh [m] hydraulischer Durchmesser<br />

dP [m] Partikeldurchmesser<br />

dS [m] Kolonnendurchmesser<br />

dH [m] differenzielle Höhe<br />

ds [m] differenzielle Schichtdicke<br />

FV [Pa 0,5 ] Gasbelastungsfaktor<br />

g [ms –2 ] Erdbeschleunigung<br />

H [m] Kolonnenhöhe<br />

HTU OV [m] Höhe einer Übertragungseinheit<br />

(gasseitig)<br />

HTU OL [m] Höhe einer Übertragungseinheit<br />

(flüssigseitig)<br />

hS [ %] spezifischer Hold-up am Staupunkt<br />

hfl [ %] spezifischer Hold-up am Flutpunkt<br />

hL [ %] spezifischer Hold-up<br />

k [–] Wandfaktor<br />

mxy [–] Steigung der Gleichgewichtslinie<br />

n [–] Exponent<br />

NTUOV [–] Zahl der Übertragungseinheiten<br />

(gasseitig)<br />

NTU OL [–] Zahl der Übertragungseinheiten<br />

(flüssigseitig)<br />

uL [m s –1 ] Flüssigkeitsgeschwindigkeit<br />

uG [m s –1 ] Gasgeschwindigkeit<br />

uG,fl [m s –1 ] Gasgeschwindigkeit am Flutpunkt<br />

u(HTU) [ %] relative Messunsicherheit <strong>von</strong> HTU<br />

V [m 3 s –1 ] Volumenstrom Gasphase<br />

L [m 3 s –1 ] Volumenstrom Flüssigphase<br />

VC [m 3 ] Kolonnenvolumen (Packungsvolumen)<br />

V L [m 3 ] Flüssigkeitsvolumen (Hold-up-<br />

Volumen)<br />

Griechische Buchstaben<br />

b Va Ph [10 3 s –1 ] volumetrischer Stoffaustauschkoeffizient<br />

(gasseitig)<br />

bLaPh [10 3 s –1 ] volumetrischer Stoffaustauschkoeffizient<br />

(flüssigseitig)<br />

Dp/H [Pa m –1 ] spezifischer Druckverlust<br />

e [–] Lückengrad der Schüttung<br />

gL [kg m s –1 ] dynamische Viskosität Flüssigphase<br />

mV [m 2 s –1 ] kinematische Viskosität Gasphase<br />

q L [kg m –3 ] Flüssigkeitsdichte<br />

q G [kg m –3 ] Gasdichte<br />

f [–] Widerstandsbeiwert<br />

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