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Douglas Harding - Der kopflose Weg

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

D.E.<strong>Harding</strong><br />

Eine Kurze Biographie<br />

Auszug aus „On Having No Head“<br />

(etwa: „Über das Kopflos-Sein“)<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong><br />

<strong>Der</strong> beste Tag meines Lebens – mein<br />

Wiedergeburtstag sozusagen – war der, an dem<br />

ich herausfand, dass ich keinen Kopf hatte. Das ist<br />

kein literarischer Schachzug, kein Bonmot, das um<br />

jeden Preis Aufmerksamkeit erregen soll. Ich sage es<br />

allen Ernstes: Ich habe keinen Kopf.<br />

Diese Entdeckung machte ich vor achtzehn Jahren,<br />

im Alter von dreiundddreißig. Obwohl es scheinbar<br />

aus dem Nichts herauskam, so kam es doch als<br />

Antwort auf eine drängende Fragestellung; schon seit<br />

Monaten hatte ich mich voll und ganz der Frage gewidmet:<br />

Was bin ich? Wahrscheinlich hatte es wenig<br />

damit zu tun, dass ich zu dieser Zeit durch den<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Himalaya wanderte; obwohl man sagt, dass in diesem<br />

Land ungewöhnliche Bewusstseinszustände leichter<br />

auftreten. Wie auch immer, dieser sehr stille, klare<br />

Tag, und mit der Aussicht von dem Bergrücken, auf<br />

dem ich stand, über neblige blaue Täler bis hin zu den<br />

höchsten Bergen der Welt unter deren Schneegipfeln<br />

der Kangchenjunga und der Everest nicht besonders<br />

hervortraten, bildete die perfekte Kulisse für größte<br />

Visionen.<br />

Was tatsächlich passierte, war etwas absurd<br />

Einfaches und Unspektakuläres: Ich hörte auf zu<br />

denken. Eine ganz besondere Stille, eine seltsame<br />

Art alarmierender Schwäche oder Benommenheit<br />

überfiel mich. Vernunft, Vorstellungskraft und alles<br />

mentale Plappern erstarben. Ausnahmsweise fehlten<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

mir wirklich die Worte. Die Vergangenheit und die<br />

Zukunft verschwanden. Ich vergaß, wer und was ich<br />

war, meinen Namen, Menschheit, Tierwelt, alles, was<br />

mein Eigen genannt werden konnte. Es war, als wäre<br />

ich in diesem Moment geboren worden, brandneu,<br />

ohne Verstand, frei von jeder Erinnerung. Es gab nur<br />

das Jetzt, diesen gegenwärtigen Moment und was er<br />

mit sich brachte. Es reichte zu schauen. Und was ich<br />

fand, waren Beine in Khakihosen, die unten in einem<br />

Paar brauner Schuhe endeten, khakifarbene Ärmel,<br />

die an der Seite in einem Paar rosafarbener Hände<br />

endeten, und eine khakifarbene Hemdbrust, die nach<br />

oben endete in – absolut nichts. Ganz sicher nicht in<br />

einem Kopf.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Im selben Moment wurde mir klar, dass dieses<br />

Nichts, dieses Loch, wo ein Kopf hätte sein sollen,<br />

keine gewöhnliche Leere war, kein bloßes Nichts. Im<br />

Gegenteil, es war sehr angefüllt. Es war eine unermessliche<br />

Leere, unermesslich ausgefüllt, ein Nichts,<br />

das Raum bot für alles – Raum für Gras, Bäume,<br />

schattige, entfernte Hügel, und weit über ihnen<br />

Schneegipfel wie eine Reihe eckiger Wolken, die über<br />

den blauen Himmel ritten. Ich hatte einen Kopf verloren<br />

und eine Welt gewonnen.<br />

All das war, wortwörtlich, atemberaubend. Ich schien<br />

ganz mit dem Atmen aufzuhören, völlig aufgegangen<br />

im Gegenwärtigen. Hier war dieses großartige<br />

Panorama, hell leuchtend in der klaren Luft, allein<br />

und unbestätigt, auf mysteriöse Weise aufgehängt in<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

der Leere und (und das war das wahre Mirakel, das<br />

Wunder und das Vergnügen) vollkommen frei von<br />

„mir“, unbefleckt von jeglichem Beobachter. Seine<br />

totale Anwesenheit war meine totale Abwesenheit,<br />

von Körper und Seele. Leichter als Luft, durchsichtiger<br />

als Glas, vollständig von mir selbst erlöst, war<br />

ich nirgendwo.<br />

Jedoch, obgleich diese Vision ebenso magisch wie<br />

unheimlich war, war sie kein Traum, keine esoterische<br />

Enhüllung. Ganz im Gegenteil: Es fühlte sich<br />

an wie das plötzliche Erwachen aus dem Alltagsleben,<br />

ein Ende des Träumens. Es war selbstleuchtende<br />

Realität, ausnahmsweise frei vom verschleiernden<br />

Verstand. Es war endlich die Enthüllung des absolut<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Offensichtlichen. Es war der luzide Moment in einer<br />

verwirrten Lebensgeschichte. Ich hörte schlagartig<br />

auf etwas zu ignorieren, das ich (jedenfalls seit<br />

frühester Kindheit) übersehen hatte, weil ich zu beschäftigt<br />

oder zu schlau gewesen war es zu sehen.<br />

Es war nackte, bewertungsfreie Aufmerksamkeit für<br />

das, was mir die ganze Zeit schon ins Gesicht gestarrt<br />

hatte – meine vollständige Gesichtslosigkeit. Kurzum,<br />

es war alles vollkommen einfach und deutlich und<br />

offensichtlich, jenseits jeglicher Diskussion, jenseits<br />

von Gedanken und Worten. Es gab keine Fragen, keine<br />

Bezugspunkte über das Erlebnis selbst hinaus, nur<br />

Frieden und stille Freude, und die Empfindung, eine<br />

untragbare Last losgeworden zu sein.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1977<br />

Geführt von Richard Lang<br />

Richard Lang: Hat deine Botschaft der Welt etwas<br />

Neues zu bieten?<br />

<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Ja und Nein. Sie ist alles andere<br />

neumodisch, sondern sie hat eine lange Tradition. Sie<br />

ist nur eine andere Version jener alten Religion, die<br />

es seit ungefähr 3000 Jahren gibt. <strong>Der</strong> Grundlehrsatz<br />

dieser Religion besagt, dass du und ich Gott sind, sie<br />

ist sozusagen (durch uns) inkognito unterwegs. Das,<br />

was wir alle wirklich sind, ist die eine Realität hinter<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

allen Dingen – nenne es Gott, Buddha-Natur, Atman-<br />

Brahman, wie immer du willst. Alles was man tun<br />

muss, ist sich mit dieser Ur-Weisheit, die im Herzen<br />

aller großen Religionen zu finden ist, zu verbinden<br />

und aus ihr heraus sein Leben zu leben. Sie ist da -<br />

unerkannt, geleugnet, verachtet, verlacht - aber immer<br />

da. Man lebt aus dieser Weisheit heraus sein Leben<br />

einfach, so gut man kann, weiter. Das ist der erste<br />

Teil der Antwort.<br />

<strong>Der</strong> zweite Teil ist: Ja, es gibt etwas Neues und ich<br />

bin überzeugt, es muss auch neu sein, wenn es lebendig<br />

sein soll. Alle, die wirklich an dieser großartigen,<br />

höchst essenziellen Einsicht interessiert sind,<br />

kommen ja aus ganz unterschiedlichen Traditionen.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Jeder echte Entdecker der einen Wahrheit geht durch<br />

ein einzigartiges Tor, und das Tor, durch das ich<br />

gehe wird nicht exakt das gleiche Tor sein, durch<br />

das irgendjemand sonst geht. Tatsächlich geschieht<br />

Erwachen – ein wirklicher Durchbruch - immer auf<br />

unterschiedliche Weise und zwar in einigen höchst<br />

bedeutungsvollen Aspekten. Meine Botschaft bietet<br />

einen überaus zeitgemäßen Zugang zur Wahrheit,<br />

mittels einer neuen und sehr effektiven Technik und<br />

ergänzenden Workshops. Wenn wir Religion nicht<br />

auf diese Weise lebendig halten, läuft die Wahrheit,<br />

so scheint mir, Gefahr unterzugehen, halb oder gänzlich<br />

toter Traditionalismus. Meine Botschaft erzählt<br />

die uralte Geschichte in einer drastisch entmystifizierten<br />

Version. Sie ist glaubhaft, weil sie von un-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

glaubhaften Schnörkeln befreit ist. Ich würde sagen,<br />

dass dies die bislang größte Entmystifizierung in der<br />

Religionsgeschichte ist. Hier finden wir die Religion<br />

geklärt und vereinfacht vor, heruntergebrochen auf<br />

ihre Essenz - dank den Experimenten, die das Herz<br />

dieser Botschaft sind.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1983<br />

Geführt von Richard Lang<br />

Richard Lang: <strong>Douglas</strong>, du schreibst seit vielen<br />

Jahren und gibst Workshops. Worum geht es in deiner<br />

Arbeit?<br />

<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Das ist eine Frage, die ich mir<br />

immer wieder selbst stellen muss. Nicht um eine vorgefertigte<br />

Idee davon zu haben, sondern um mich ihr<br />

immer wieder neu zu stellen. Für dieses Interview,<br />

Richard, muss ich mich selbst wieder neu fragen was<br />

ich tue. Was mache ich da? Nun, ich komme langsam<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

an mein Lebensende und da scheint es ganz natürlich<br />

sich zu fragen, was das Ganze soll. Welchen Sinn<br />

hat das alles? Und noch persönlicher: Was bedeutet<br />

es zu leben? Was bedeutet es zu existieren? Um es<br />

gleich vorweg zu sagen: Ich finde es überhaupt sehr<br />

außergewöhnlich zu existieren, stattgefunden zu haben.<br />

Damit meine ich nicht einfach <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong><br />

zu sein, sondern überhaupt zu sein, gewahr zu sein,<br />

oder sogar Gewahrsein selbst zu sein. Wie außergewöhnlich!<br />

Und wie schade, sich dieses Gewahrseins<br />

bewusst zu werden und dann doch nicht den (tieferen)<br />

Geschmack davon zu bekommen. Es ist schrecklich,<br />

traurig, feige und armselig nicht an der Wahrheit interessiert<br />

zu sein. Nun, um es kurz zu sagen: Was ich<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

möchte, ist zum Mysterium meines Selbst zu erwachen.<br />

RL: Das betrifft die Arbeit an dir selbst, was ist mit<br />

deiner Arbeit für die Öffentlichkeit?<br />

DH: Nun, ich sehe meine Arbeit in der Öffentlichkeit<br />

als eher nachrangig zur Arbeit an mir selbst an. Ich<br />

glaube, dass die Vorstellung, dass ich helfen könnte,<br />

Einfluss nehmen könnte oder der Welt irgendetwas<br />

Wertvolles zu geben hätte, zweitrangig ist und von<br />

der Beantwortung der Grundfrage abhängt, was nämlich<br />

mein eigenes Leben für mich selbst bedeutet. Es<br />

scheint, dass ich anderen Menschen nichts zu sagen<br />

habe, bevor ich nicht meine eigene Geschichte ent-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wirrt habe und meine eigenen Probleme bearbeitet<br />

habe. Aber wenn ich das getan habe, wenn ich erwacht<br />

bin zu dem, was es bedeutet ich zu sein - nun,<br />

seit ich die einfache Wahrheit entdeckt habe, so ganz<br />

anders zu sein als alles, was ich mir vorgestellt habe,<br />

so viel wertvoller, interessanter, so großartig, so viel<br />

freudvoller, so grundsätzlich meinen Lebensweg betreffend,<br />

was wäre natürlicher, als der Wunsch dieses<br />

mit der Welt zu teilen! Zu der Methode des Teilens,<br />

kommen wir glaube ich, später noch.<br />

RL: Was ist die Methode?<br />

DH: Die Methode besteht darin, seine<br />

Aufmerksamkeit um genau 180 Grad zu drehen.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Unsere Aufmerksamkeit ist normalerweise nach außen<br />

gerichtet, direkt vor uns. Sie ist auf ein Objekt<br />

gerichtet, und das ist auch richtig und gut so. Ich<br />

schaue jetzt auf dich, meine Aufmerksamkeit ist<br />

Richard-wärts gerichtet. Aber woher kommt diese<br />

Aufmerksamkeit in diesem Moment? Was ist der Pfeil<br />

meiner Aufmerksamkeit, von welchem Bogen wird<br />

sie abgeschossen? Was ich jetzt mache, ist den Pfeil<br />

herumzudrehen und zu bemerken, dass es hier nichts<br />

gibt, was immer ich auch dort vorfinde. Was ich also<br />

mache, ist in zwei Richtungen zu schauen, und die<br />

sind einander diametral entgegengesetzt. Auf der einen<br />

Seite befindet sich das, worauf ich schaue: Das ist<br />

Richard, mit der einen Hand an seinem Kinn und mit<br />

einem Stift in der anderen Hand, der auf mich schaut.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Auf der anderen Seite, auf einer Achse von 180 Grad<br />

zu dem Bild von Richard, gibt es nichts dergleichen.<br />

Ich finde absolut nichts hier. Ganz sicher nichts von<br />

dem, was ich dort sehe. Hier gibt es kein Gesicht, keinen<br />

Kopf als Gegenüber für Richard. Ich erscheine<br />

für ihn leer und das ist die essenzielle Erfahrung, die<br />

allem vorangeht. Diese Leerheit-für-andere ist es, an<br />

der ich mich erfreue, und wenn ich versuche, es anderen<br />

zu vermitteln, es in die Welt hinaus zu bringen,<br />

ist es genau diese Leerheit, auf die zu schauen ich andere<br />

animiere, jede und jeder für sich. Ich kann ihnen<br />

nicht erzählen, was es dort zu entdecken gibt, aber ich<br />

kann sie bestärken, indem ich ihnen erzähle, was ich<br />

vorfinde. Ich möchte, dass die Leute herausfinden, ob<br />

es ihnen genauso geht wie mir.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

RL: Du siehst für dich selbst also ganz anders aus,<br />

als du für uns aussiehst?<br />

DH: Ein „normaler“ Mensch zu sein bedeutet gelernt<br />

zu haben, dass ich mein Äußeres bin. Nun, ich<br />

behaupte, ich bin nicht das, was ich zu sein scheine.<br />

Ich bin das genaue Gegenteil von dem wie ich aussehe.<br />

Wenn ich sage aussehen, meine ich das Aussehen,<br />

wie du dort drüben mich siehst.<br />

RL: Du siehst für mich wie ein Mann aus.<br />

DH: Natürlich sehe ich für dich wie ein Mann von<br />

1,80 m aus. Aber ich schaue auf mich selbst aus null<br />

Metern und ich kann keine der Eigenschaften sehen,<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

die du siehst. Hier sind keine Augen, kein Mund, keine<br />

Wangen, kein Bart. Ich sehe also, dass wir uns in<br />

diesem Moment nicht von Angesicht zu Angesicht<br />

gegenüber sitzen. Ich habe in meinem ganzen Leben<br />

noch niemandem von Angesicht zu Angesicht gegenüber<br />

gestanden. Mir scheint, dass diese von-Angesichtzu-Angesicht-Geschichte<br />

eine große Täuschung ist,<br />

der universale Schwindel, der am Ende aus vielen<br />

Gründen vernichtend ist für das Leben, da bin ich<br />

mir sicher.<br />

RL: Wie bist du zu dieser Endeckung gekommen?<br />

DH: Ich glaube einfach weil ich ein verwirrtes<br />

Leben geführt habe und eine unzufriedene Person war.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Ich musste einfach herausfinden, was schief gelaufen<br />

ist. Hinzu kommen – vielleicht – mehr Neugier und<br />

Wissensdurst als üblich, so dass ich letztendlich einen<br />

Blick auf mich selbst werfen musste. Nachdem ich<br />

viel gelesen und nachgedacht und ewig über meine eigene<br />

Identität gegrübelt hatte, habe ich mich schließlich<br />

einfach getraut meine eigene Autorität zu sein,<br />

meine eigene Autorität an der einzigen Stelle von der<br />

aus ich in der Lage bin mich auszudrücken. Niemand<br />

anders kann mir Auskunft darüber geben wie ich bin,<br />

Auskunft darüber, was es jetzt gerade heißt, ich zu<br />

sein. Nachdem ich mir selbst einmal die Frage gestellt<br />

habe: „Aus welcher Position schaue ich?“, wurde mir<br />

sofort klar, dass ich genau das Gegenteil von dem war,<br />

was man mir erzählt hatte. Um dir jetzt von Angesicht<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

zu Angesicht gegenüber zu sitzen, muss ich mir auf<br />

meiner Seite etwas zusammen fantasieren, was ungefähr<br />

mit dem übereinstimmt, was ich auf deinen<br />

Schultern sehe. Mein Leben auf der Grundlage einer<br />

solch zentralen Lüge zu leben, scheint mir ein verdorbenes<br />

Leben zu sein, Richard. Wie ein Apfel mit<br />

einem faulen Kern ein fauler Apfel ist.<br />

RL: Auf welche Art beeinflusst dein Bewusstsein<br />

darüber, was du wirklich bist, dass du nicht ein Etwas<br />

ist in der Welt bist, dein Leben? Wie glaubst du könnte<br />

dies das Leben anderer Menschen beeinflussen?<br />

DH: In vielerlei Weise. Ich kann nur einige benennen.<br />

Nichts bleibt unverändert. Man weiß gar nicht,<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wo man anfangen soll. Nun ich fange gewissermaßen<br />

am Ende an. Dieses neue Bewusstsein bedeutet, dass<br />

ich, wenn ich in den Spiegel sehe, auf etwas schaue<br />

das eine tödliche Krankheit namens Leben hat. Das<br />

im Spiegel lebt, es wurde geboren, es wird sterben.<br />

Es verändert sich ständig, und es ist überhaupt nicht<br />

das, was ich bin. Es ist was ich zu sein scheine. Das<br />

ist nicht meine zentrale Realität. Es ist eine meiner<br />

Erscheinungen und es stirbt. Das, was ich hier bin,<br />

ist der totale Kontrast dazu, weil es hier nichts gibt,<br />

was sich ändert oder stirbt. Es ist offensichtlich, dass<br />

alles, vom Universum bis hin zu kleinsten Teilchen,<br />

verschwindet. So werde ich auch verschwinden, wenn<br />

ich eine Person bin. Alle meine Erscheinungen sind<br />

Dinge, sind Phänomene, aber die Realität, von der sie<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

ausgehen ist keine Erscheinung, ist kein Ding. Es ist<br />

Bewusstsein selbst, frei von Materie.<br />

RL: Wie sieht es aus bei wechselseitigen<br />

Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und sogar<br />

Gegenständen?<br />

DH: Nun, eine spiegelgleiche, symmetrische<br />

Beziehung, Person zu Person und Angesicht zu<br />

Angesicht und Sache zu Sache, muss das absolute<br />

Gegenteil einer Beziehung (es ist überhaupt keine<br />

Beziehung) zwischen Nicht-Dinglichem und Dingen<br />

sein. Meine „Beziehung“ zu allem möglichen, allen<br />

Personen, ist ganz und gar asymmetrisch. Das<br />

bedeutet in der Praxis, dass statt mit der Person in<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Verbindung zu treten, ich diese Person bin. Ich bin er<br />

oder sie in dem Sinne, dass das in dem Moment meine<br />

Erscheinung ist, das ist die Verkleidung, die ich<br />

trage. Das ist die Form, die ich gerade benutze. Du<br />

im Gegenzug formst mich, gibst mir eine Gestalt. Es<br />

ist, als ob ich ge-Richard-det werde. Und das ist ein<br />

wunderbarer Anfang, denn es bedeutet, dass ich dir<br />

nicht entgegen trete, nicht in Konfrontation zu dir bin,<br />

dass ich nicht gegen dich bin. Konfrontation ist unser<br />

Problem, darunter leidet die Welt. Die Konsequenz<br />

daraus zu sehen wer ich wirklich bin, ist, dass ich nie<br />

mehr in meinem ganzen Leben in der Lage bin und<br />

auch nicht sein will, irgendetwas oder irgendwem gegenüber<br />

zu treten. Konfrontation ist die große Lüge,<br />

auf der unser Leben und unsere Gesellschaft aufge-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

baut sind. Werde diese Lüge los und sieh, was passiert.<br />

Das bedeutet universelle Liebe.<br />

RL: Diese Revolution in persönlichen Beziehungen<br />

muss auch Auswirkungen auf unsere Beziehungen<br />

zu Ausländern, Tieren und Pflanzen, unbelebten<br />

Objekten usw. haben. Ich denke dabei an all die großen<br />

und kleinen Konflikte, die es zur Zeit auf der Welt<br />

gibt und wie du dabei vielleicht helfen könntest.<br />

DH: Ich glaube, wir sind schon dabei, die Situation<br />

zu verbessern oder sogar die schrecklichen Dinge,<br />

die auf der Welt passieren – Krieg und Ausbeutung,<br />

Hunger und all diese Dinge - abzuschaffen. Wenn wir<br />

das auf der Ebene der Symptome versuchen, werden<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wir nicht viel erreichen. Ich würde nicht sagen, dass es<br />

nutzlos ist, aber es wäre nicht radikal genug. Wir werden<br />

keinen wirklichen Beitrag leisten können, wenn<br />

wir nicht das Übel bei der Wurzel packen. Und die<br />

Wurzel finden wir in unser aller Leben. Ich leide in<br />

diesem Moment an an dieser Konfrontationskrankheit<br />

in meiner Beziehung zu dir, was nützt es da zu versuchen<br />

das gleiche Problem anderswo zu lösen – national<br />

oder international –, in Konfrontationen zwischen<br />

Geschlechtern, Ethik-Gruppen, Religionen,<br />

Ideologien, Machtbündnissen unsoweiter? Mit anderen<br />

Worten: <strong>Der</strong> Dienst an der Welt beginnt Zuhause.<br />

Noch einmal: <strong>Der</strong> Dienst an der Welt beginnt Zuhause.<br />

Nur wenn du herausgefunden hast wer du bist, weißt<br />

du, dass du die Welt bist.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

RL: Auf welche Weise, glaubst du, berührt dies persönliche<br />

Probleme? Psychologische Probleme wie<br />

etwa Depressionen, Angst, Furcht, Einsamkeit?<br />

DH: In gewisser Hinsicht laufen diese menschlichen<br />

Dinge einfach weiter. Im Zentrum meines Lebens ist<br />

dieses Bewusstsein, dessen innerste Natur Freiheit ist<br />

– Freiheit nicht nur von materiellen Dingen, sondern<br />

auch von jeglichen Gedanken und Gefühlen. Ganz<br />

sicher von Problemen aller Art. Als Quelle von allem,<br />

als der Ursprung all dieser Probleme, muss es meine<br />

Aufgabe sein, sie in Ruhe zu lassen, sie so sein<br />

zu lassen wie sie sind. Wer ich wirklich bin, ändert<br />

selbst nichts an meiner menschlichen Natur. Was es<br />

tut, Richard, ist die Dinge an den richtigen Platz zu<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

rücken. Diese schwierigen und manchmal herzzerreißenden<br />

menschlichen Probleme werden nicht abgelehnt.<br />

Tatsächlich werden sie, vom Standpunkt des<br />

Friedens im Zentrum, viel aufmerksamer erwartet<br />

und viel liebevoller angenommen als sie es jemals<br />

von dieser illusionären Person wurden. Jetzt ist es<br />

nicht mehr nötig Probleme abzulehnen, aber es gibt<br />

jeden Grund sie anzuerkennen sofern sie denn weiter<br />

bestehen – Einsamkeit und Depressionen etc. Das<br />

ist der Preis für unsere Teilnahme am Leben, diese<br />

Gefühle zu haben, von denen einige akzeptabel, andere<br />

nicht akzeptabel und einige tragisch sind. Ich kann<br />

nicht existieren, kann mich überhaupt nicht ausdrücken<br />

ohne den Dualismus dort draußen. Dualismus,<br />

gut und böse, schön und hässlich, schwarz und weiß<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

etc., ist die unausweichliche Bedingung, um der Welt<br />

Ausdruck verleihen zu können von einem Platz aus,<br />

der frei von Dualitäten ist. So geht es nicht darum,<br />

frei von diesen Problemen (Gefühlen) zu sein, in<br />

der Art, dass man sie beseitigt, sondern frei von ihnen<br />

zu sein indem man sie lokalisiert, sich bewusst<br />

macht. Sie sind dann nicht länger zentral. Das nimmt<br />

sie uns nicht nur weg – ohne dass es uns von ihnen<br />

wegnimmt: auf lange Sicht und wenn man beharrlich<br />

bleibt, ändern sie sich. Wie gründlich, bleibt abzuwarten.<br />

RL: Findest du, dass dein Leben durch dieses<br />

Bewusstsein einen tieferen Frieden erfährt?<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ja, tatsächlich. Er könnte nicht tiefer sein. Er<br />

könnte nicht erfahrbarer sein und er könnte für mich<br />

nicht natürlicher sein. Er ist immer hier und kann<br />

nicht erreicht werden oder verbessert oder kultiviert<br />

werden. Er ist einfach da für den Beobachter.<br />

Dieser Friede ist unsere ureigene Natur, nicht etwas,<br />

dass wir entdecken könnten. Er ist dort wo wir sind,<br />

näher als alles andere. Wir können ihn nicht erreichen,<br />

wir kommen aus ihm. Ihn zu finden, erlaubt<br />

uns zurückzugehen, zu dem Platz, den wir nie verlassen<br />

haben.<br />

RL: Kannst du etwas über die „neue Technik“, die<br />

Experimente sagen?<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ich habe schon eins davon beschrieben – das<br />

vielleicht sogar das beste von allen ist. Wenn du ein<br />

Gesicht vor dir hast, dann frage dich selbst: „Gibt<br />

es auf meiner Seite etwas, das dem gleicht?“ Ich<br />

schaue jetzt auf deine Augen, Richard, und ich sehe<br />

zwei kleine „Fenster“ woraus du behauptest herauszublicken.<br />

Ziemlich erstaunlich! Aber hier, wo ich<br />

mich befinde, sind überhaupt keine Augen und ganz<br />

bestimmt nicht zwei davon. Hier finde ich ein riesiges<br />

„Fenster“. Es hat keinen Rahmen. Es ist oval<br />

und von grenzenlosen Ausmaßen. Statt der zwei kleinen<br />

Gucklöcher dort finde ich das bei mir. Noch einmal:<br />

Ich schaue jetzt auf deine Gesichtsfarbe – wie<br />

kann ich die Farbe dort übernehmen, wenn da keine<br />

Farbe auf meiner Seite ist? Ich sehe die Komplexität<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

deines Bartes, deines Haares, deiner Poren, all diese<br />

Variationen von Form und Beschaffenheit, und ich bemerke<br />

die totale Abwesenheit von all dem hier. Dort<br />

finde ich ein wundervolles Zusammenspiel von Form,<br />

ein komplexes Gebilde, hier finde ich eine wunderbar<br />

schlichte Einfachheit, totale Klarheit, totale Freiheit,<br />

gänzliche Abwesenheit von dem, was ich dort finde.<br />

Ich sehe, wie sich deine Augen bewegen, nun, nichts<br />

dergleichen passiert hier. Wenn du den <strong>Weg</strong> hinunter<br />

gehst, nun, das ist es, was du tust. Aber hier erlebe ich,<br />

wenn ich den <strong>Weg</strong> hinunter gehe, dass ich überhaupt<br />

nicht den <strong>Weg</strong> hinunter gehe, der <strong>Weg</strong> geht mich hinunter!<br />

Wenn ich in meinem Auto fahre, bewegt sich<br />

die gesamte Landschaft! Tatsächlich ist es so, dass alles<br />

im Leben, absolut jeder Teil des Lebens für mich<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

eine Gelegenheit eröffnet zu entdecken, dass alles,<br />

was mir über mich selbst erzählt wurde – mich selbst,<br />

der ich wirklich bin genau hier – das Gegenteil ist.<br />

Tatsächlich macht es unglaublich viel Spaß und ist enorm<br />

wichtig in psychologischer, spiritueller Hinsicht,<br />

die Wahrheit über sich selbst zu erzählen, zu sich<br />

selbst. Selbsttäuschung ist dumm und krank.<br />

RL: Wie siehst du deine Zukunft und die Zukunft<br />

deiner Arbeit?<br />

DH: Ich fange mit dem zweiten an. Was wird mit<br />

diesen Techniken, die ich gerade ein wenig erklärt<br />

habe, geschehen? Wenn die menschliche Rasse überlebt<br />

(und mir scheint, dass sie eine faire Chance<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

dazu hat) wird sie es, weil die Erfahrung der Nicht-<br />

Konfrontation sich verbreitet. Hierin und in ähnlichen<br />

<strong>Weg</strong>en, die zu der Erfahrung der Nicht-Konfrontation<br />

führen, liegt die Hoffnung der Menschheit. Mir<br />

scheint, dass der Mythos der Konfrontation, nach<br />

vielleicht Millionen Jahren von Leben, jetzt so kontraproduktiv<br />

geworden ist, dass unser Überleben bedroht<br />

ist. Wir müssen entdecken, dass es ein Mythos<br />

ist, und zu leben anfangen, diese andere Art zu leben,<br />

ein Leben in Nicht-Konfrontation, in dem jeder für<br />

die anderen leer ist. Ich würde die Zukunft meiner<br />

Arbeit als ein immerwährendes Hinweisen auf die<br />

Wahrheit und Notwendigkeit der Nicht-Konfrontation<br />

sehen. Siehst du, wenn es wahr ist – und es ist wahr<br />

– wird es für sich selbst sorgen. Ich glaube, es ist ge-<br />

Seite 36 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

rade dabei integriert zu werden, es wirkt sozusagen<br />

schon im Untergrund, nicht auf eine offensichtliche<br />

Art und Weise. Dies ist nicht etwas, was die Leute an<br />

der Gurgel packt. Es ist etwas, das auf einer anderen<br />

und tieferen Ebene wirkt. Jedenfalls ist die Tatsache,<br />

dass wir schon in dieser Wahrheit leben, die Garantie<br />

für ihr Überleben. Es ist die Art, wie wir sind. Es<br />

ist keine Errungenschaft, es ist eine Erkenntnis –<br />

die Erkenntnis. Konfrontation ist ein Mythos. Die<br />

Wahrheit kann man durch Selbst-Beobachtung erfahren.<br />

Deshalb mache ich mir um die Zukunft keine<br />

Sorgen.<br />

Seite 37 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1997<br />

Geführt von Richard Lang<br />

Teilnehmer einer Online-Diskussionsgruppe des<br />

Kopflosen <strong>Weg</strong>es (lookforyourself) haben Richard<br />

Lang einige Fragen aufgegeben, die er <strong>Douglas</strong><br />

<strong>Harding</strong> in einem Interview stellen sollte. Es waren<br />

Fragen zur Individualität im Zusammenhang mit dem<br />

der wir wirklich sind, zum Gebet (und der Aufgabe des<br />

Willens) und zu den Gefühlen. Hier ist eine Abschrift<br />

des Interviews:<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Frage: „Hat die Erforschung und Entdeckung von<br />

Wer Ich Bin irgendeine psychologische Bedeutung<br />

für dich, und wie passt das in das Sehen von Dem<br />

was ich wirklich bin hinein? Ist es wichtig, sich als<br />

Individuum zu entwickeln, solange wir dabei nicht<br />

vergessen wer wir wirklich sind?“<br />

<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Es scheint mir, dass es da zwei<br />

Bedeutungen des Ausdrucks „Wer bin ich?“ gibt. Die<br />

eine ist, wer Ich im Zentrum bin, in meiner Essenz,<br />

und die andere Bedeutung ist, wer ich als Person bin<br />

– wie ich als Person bin, wie ist mein Temperament,<br />

was ist meine Berufung etc.? Ich glaube, wenn ich<br />

die Frage nach dem wer Ich wirklich bin vernachlässige,<br />

und nur danach schaue, wer <strong>Douglas</strong> ist, tap-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

pe ich bei der Frage im Dunkeln. Ich bin abhängig<br />

von allen Arten von Spielen, Illusionen und sozialer<br />

Konditionierungen, die <strong>Douglas</strong> vor mir verdecken.<br />

Aber wenn ich sehe, wer Ich wirklich bin, glaube ich,<br />

dass wir dadurch als Person authentischer werden,<br />

natürlicher, mehr wir selbst. Ich habe bemerkt, dass<br />

diejenigen unter meinen Freunden, die sehr klar sehen,<br />

und dies auch sehr wertschätzen, nicht aufhören<br />

menschlich interessierte Individuen zu sein, eher<br />

noch mehr. Meiner Erfahrung nach ist das Beste was<br />

du tun kannst um ein authentischer Erdenbürger zu<br />

sein, um wahrhaft menschlich, wahrhaft individuell<br />

zu sein, ist zu sehen wer Ich wirklich bin. Wenn du<br />

zugunsten der menschlichen Person versäumst zu er-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

kennen, wer Du wirklich bist, wird dieser Mensch<br />

leiden.<br />

Richard Lang: Würdest du zustimmen, dass es<br />

wichtig ist auf einer menschlichen Ebene, herauszufinden,<br />

wer Du bist und wer du nicht bist?<br />

DH: Ja, aber ich würde sagen, dass du es auf direktem<br />

<strong>Weg</strong> nicht leicht erkennen kannst. Ich würde<br />

sagen, es ist wichtig, herauszufinden wer du auf<br />

menschlicher Ebene bist, aber nicht als separate<br />

Übung. Es ist ein Nebenprodukt, eine Beigabe herauszufinden<br />

wer du wirklich bist. Bis ich nicht weiß,<br />

wer Ich wirklich bin, weiß ich nicht wer <strong>Douglas</strong> als<br />

<strong>Douglas</strong> ist. Ich glaube ich bekomme sehr wertvolle<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Einsichten in mich selbst, ich werde eine authentischere<br />

Person solange mein zentrales Interesse nicht<br />

diese Person ist.<br />

RL: Warum wäre das so?<br />

DH: Ich glaube ich bin ein rechter Einfaltspinsel!<br />

Mein Geheimnis ist das ich nur eine Antwort auf alle<br />

Fragen habe: Schau, wer die Frage stellt! Es ist also<br />

eine ganz einfache Sache diese Frage zu beantworten.<br />

Mich um <strong>Douglas</strong> als Person zu bemühen, ihn authentischer<br />

zu machen, nützlicher für die Welt, individueller-<br />

nun, strebe nicht danach. Wenn das dein Ziel<br />

ist, spielst du ein Spiel. Wenn du aber danach strebst,<br />

zu sehen wer du wirklich, wirklich bist, wird es für<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

dein Menschsein sorgen. Und das ist nicht nur bei<br />

<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> so. Ich habe es bei meinen Freunden<br />

bemerkt, Freunde, die es schätzen zu wissen wer sie<br />

wirklich, wirklich sind – sie sind so anders. Es hat<br />

sie nicht zu Klonen oder Repliken von einem spirituellen<br />

Ideal gemacht. Sie bleiben sehr individuell<br />

– eher mehr sogar.<br />

RL: Willst du damit sagen, dass sich deine natürliche<br />

Individualität erst so richtig zeigen kann, wenn<br />

du dich nicht einmischt?<br />

DH: Ja, das will ich damit sagen. Und es ist wichtig,<br />

dass sie hervor scheint, aber es ist kein Ziel, für<br />

das man Übungen machen kann. Wenn du siehst, wer<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

du wirklich bist, verlierst du einiges an Interesse daran,<br />

wie du auf andere wirkst. Du bist befreit von der<br />

ständigen Angst, ob du Leute beeindruckst oder nicht,<br />

ob deine Persönlichkeit vollwertig ist oder nicht. Ich<br />

glaube wirklich, dass die menschliche Persönlichkeit<br />

sehr viel besser ist, wenn du deine Aufmerksamkeit<br />

von deiner Person abziehst und dich für deine wahre<br />

Natur interessierst. Ich glaube schon, dass es wichtig<br />

ist herauszufinden, wer du als menschliches Wesen<br />

bist. Die Frage ist, wie mache ich das? Ich glaube eine<br />

direkte Betrachtung der Unwissenheit darüber wer du<br />

wirklich bist, ist nicht sehr fruchtbar.<br />

RL: Aber du weißt doch zum Beispiel, das du ein<br />

Schriftsteller bist.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Aber das ist doch eine ziemlich oberflächliche<br />

Sache oder?<br />

RL: Aber das ist doch die Frageebene.<br />

DH: Nun, ich sehe, wer Ich bin und ich schreibe<br />

darüber, ja. Aber das Schreiben ist eine Folge von<br />

diesem Sehen.<br />

RL: Ich habe mich oft gefragt, warum <strong>Douglas</strong> so<br />

selten über das Beten spricht. Das ist rätselhaft weil<br />

das Gebet in Religionen so üblich ist, fast universell.<br />

Warum sprichst und schreibst du so selten über das<br />

Beten?<br />

Seite 45 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Nun, wir müssen zwischen zwei Arten von<br />

Gebeten unterscheiden. Da ist die eine Art von Gebet,<br />

in dem um etwas gebeten wird – darum, dass meine<br />

Bauchschmerzen besser werden oder das Wetter<br />

schöner wird oder dass jemand aufhören soll mich<br />

zu ärgern. Diese Art von bittendem Gebet interessiert<br />

mich nicht, ich glaube nicht, dass es hilfreich ist.<br />

Eventuell ist es das für einige Menschen. Es könnte<br />

wie Zauberei wirken, wenn du auf die Vorsehung vertraust,<br />

von jemandem da draußen, der diese Zauberei<br />

für dich ausübt. Aber das ist nichts für mich. Die andere<br />

Möglichkeit zu beten, die ganz anders ist, geht<br />

so: Nehmen wir an ich wünsche mir Gesundheit für<br />

jemanden, den ich sehr liebe oder für mich selbst,<br />

oder die Fähigkeit meinen Job auszuüben, so was in<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

der Art - was wirklich sehr dankenswerte Bitten sind<br />

– aber am Schluss fügen wir immer hinzu: „Dein<br />

Wille geschehe“. Ich hätte dies gerne aber nicht mein<br />

Wille sondern Dein Wille geschehe. Dann fragt sich<br />

wer betet zu wem? Und natürlich richtest du deine<br />

Bitte letztendlich an den, der du wirklich bist. Es ist<br />

eine Art interner Vorgang innerhalb deiner wahren<br />

Identität und dieser ist nicht nur wichtig, sondern unerlässlich.<br />

Als ich mit Schmerzen im Krankenhaus<br />

lag, und das waren sehr schlimme Schmerzen, habe<br />

ich auf diese Art ein wenig gebetet.<br />

RL: Wie kommt es, dass du so selten darüber<br />

sprichst oder schreibst?<br />

Seite 47 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ich glaube ich schreibe so selten darüber, weil<br />

es mir selten in den Sinn kommt. Ich würde es auch<br />

nicht wirklich beten nennen. Gebete wecken all diese<br />

anderen Assoziationen nach Bitten um Glück und das<br />

tut man einfach nicht. Man bittet nicht wirklich um<br />

Glück. Es ist doch offensichtlich, dass man weniger<br />

Schmerzen und mehr Freude haben will und für die<br />

Liebsten eine gute Gesundheit und gute Verfassung.<br />

Dieses Wünschen ist eine Art von Gebet, nehme ich<br />

an, aber es muss die Art von Beten sein, das wirkliches<br />

Gebet ist – damit will ich mich beschäftigen.<br />

Nicht darüber schreiben, sondern mich damit befassen,<br />

mit „gleichwohl, Dein Wille geschehe“. Im „Head<br />

Off Stress“ Buch unterscheide ich drei Stufen des<br />

Wollens. Das eine ist eine künstliche Sache, die ich<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

haben will. Das zweite ist das, was ich wirklich will,<br />

was eventuell etwas ganz anderes ist als das, von dem<br />

was ich glaube, das ich das will und mein Benehmen<br />

kann auch entsprechend dem sein, von dem ich glaube<br />

das ich das will – es gibt also den künstlichen<br />

Willen, den tieferen psychologischen Willen, der vielleicht<br />

im Gegensatz zu dem steht von dem du glaubst,<br />

das du das willst, und du hast deinen tiefsten Willen,<br />

das ist der Wille dessen der du wirklich bist, und der<br />

Slogan ist hier: „Dein Wille geschehe.“<br />

RL: „Du legst jetzt mehr Gewicht als früher auf<br />

die Gefühle und das Herz. Gibt es etwas, das diesen<br />

Wechsel vom Sehen hin zum Sehen mit Gefühl ausgelöst<br />

hat? Gibt es extra Übungen, die anderen hel-<br />

Seite 49 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

fen können zu sehen und zu fühlen, so wie die alten<br />

Übungen so vielen Leuten geholfen haben zu sehen?<br />

Wenn nicht, wie könnten diese entwickelt werden?“<br />

DH: Wir müssen sehr sorgfältig zwischen Sehen<br />

und Fühlen unterscheiden. Ich glaube der Punkt beim<br />

wahren Sehen ist, dass du es erleben kannst wenn du<br />

es willst. Du kannst immer einen Blick auf den werfen,<br />

der du wahrhaft bist, wie immer deine Stimmung<br />

auch gerade sein mag, wie gut oder wie schlecht du<br />

dich auch fühlst. Dies trifft nicht auf Gefühle zu. Ich<br />

kann Gefühle nicht bestellen. Ich kann nicht befehlen<br />

ein bestimmtes Gefühl zu haben. Wenn du das<br />

machst und scheinbar erfolg damit hast, ist das Gefühl<br />

nicht authentisch, das ist Selbstbetrug. Gefühle stel-<br />

Seite 50 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

len sich spontan ein oder gar nicht. Wenn sie sich<br />

nicht auf natürliche Weise einstellen, wenn sie künstlich<br />

sind, lohnt es sich auch nicht, sie zu haben. Diese<br />

Übungen, wo du versuchst, Liebe usw. zu empfinden<br />

– ich weiß, Buddhisten machen das: Sie senden<br />

Liebe in alle Richtungen, sie senden Wellen der Liebe<br />

in den Kosmos – ich will das nicht kritisieren. Aber<br />

das ist nicht mein <strong>Weg</strong>, und es hat so ein künstliches<br />

Element, das die ganze Sache etwas schwächt. Aber<br />

ich wünsche ihnen viel Glück bei dem, was sie tun.<br />

Es ist nur nicht mein <strong>Weg</strong>.<br />

Übungen, die die Empfindlichkeit des Herzens<br />

stärken. Ich glaube, das was wir tun können ist die<br />

Tatsache zu sehen, dass sich auf dem <strong>Weg</strong> vom Kind<br />

Seite 51 von 87


<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

zum Teenager und Erwachsenen unser Schwerpunkt<br />

vom Herz und Bauch zum Kopf verlagert. Wir werden<br />

kopflastig und starrköpfig und zentrieren uns im<br />

Intellekt, in der Intelligenz, im Wissen usw. und wir<br />

verlieren den Kontakt zu unseren Gefühlen und unserem<br />

Herzen. Wenn wir erkennen, wer wir wirklich<br />

sind und unseren Kopf verlieren, verlagert sich<br />

unser Schwerpunkt nach unten. Was wir tun können<br />

ist wahrzunehmen, dass dies tatsächlich passiert<br />

und wir können erlauben, das es passiert und unsere<br />

Aufmerksamkeit darauf richten, das er sinkt. Es<br />

gibt eine Übung, die hier hilfreich ist in Bezug auf<br />

Gefühle: Hebe deine Arme vor dich und richte deine<br />

Aufmerksamkeit auf das, was du zwischen deinen<br />

Armen siehst. Das ist der Tunnelblick, besonders,<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wenn auf den Kerl im Spiegel blickst oder aber auf deine<br />

Probleme, in einer extrem kleinlichen und selbstsüchtigen<br />

Art und Weise. Wir sind nur mit unserem<br />

eigenen Wohlbefinden beschäftigt, der Rest der Welt<br />

interessiert nicht, außer wenn sie Auswirkungen auf<br />

das zentrale Objekt der Aufmerksamkeit hat, unsere<br />

eigene Befindlichkeit. Indem wir fortfahren, strikt<br />

geradeaus zu schauen, weiten wir unsere Arme und<br />

unser Blickfeld, bis unsere Arme fast verschwinden<br />

– wir können unsere Finger bewegen um zu sehen,<br />

wie weit wir gehen können, bis wir sie fast nicht mehr<br />

sehen. Sieh dir andere an, die das machen, sie umarmen<br />

nur einen winzigen Teil des Raumes. Aber schau<br />

auf dich selbst als die Erste Person und du hast die<br />

ganze Welt in deinen Händen. Zum Beweis sehe ich,<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wenn ich geradeaus blicke, dass meine linke und meine<br />

rechte Hand so weit auseinander sind wie Ost und<br />

West. Ich umarme die Welt. Das ist ein Experiment,<br />

das wir in Workshops machen und ich glaube, es ist<br />

hilfreich – so weit ich mich erinnere ist es die einzige<br />

Übung die sich gezielt auf Gefühle richtet. Aber beobachten,<br />

dem Schwerpunkt zu erlauben, tatsächlich<br />

zu sinken, es zu verstehen und zu integrieren ist hilfreich.<br />

Die andere Sache ist dies: fahre fort zu sehen,<br />

kümmere dich nicht um Gefühle - ich sehe, dass ich<br />

jetzt in deiner Gunst sinke. Ich sehe, dass dies passiert.<br />

Aber es hat Auswirkungen auf Gefühle, weil es<br />

bedeutet, dass ich bis sehr weit offen für dich bin. Das<br />

Sehen und das Fühlen sind tief miteinander verkoppelt.<br />

Spezielle Übungen nur für das Fühlen sind glau-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

be ich nicht ratsam, eine Ersatzhandlung, die nicht<br />

wirklich überzeugt.<br />

Du glaubst vielleicht, dass es nicht nur möglich<br />

ist, zu sehen, wer du bist, sondern auch, dass dieser<br />

Status aufrechterhalten werden kann (so dass<br />

die Wahrnehmung anhaltend ist, und du wirklich<br />

Zuhause bist und deine Abwesenheit wahrnehmen<br />

kannst, deine Klarheit, deine Offenheit) und trotzdem<br />

dein Herz der Welt gegenüber verschließen kannst.<br />

Das ist, glaube ich, nicht möglich. Ich glaube, dass<br />

dein Herz sich automatisch öffnet, wenn es dir gelingt<br />

Zuhause zu bleiben. Menschen, die als hartherzig<br />

gelten – ich selbst bin durch diesen besonderen<br />

Abschnitt meines Selbst gegangen – begnügen sich<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

einfach mit Stippvisiten. Sie haben sich nicht Zuhause<br />

niedergelassen. Wenn sie es täten, würden sich ihre<br />

Herzen öffnen wie Blumen in der Sonne<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> 2000<br />

geführt von Jan Kersschot<br />

Aus „Das ist es“ von Jan Kersschot, Watkins<br />

ISBN 1 84293 093 1<br />

JK: Du bist jetzt seit ungefähr 60 Jahren dabei deine<br />

Sicht mit der Welt zu teilen. Wie hat das alles angefangen?<br />

DH: Ich war 31 Jahre alt, als der Groschen fiel, die<br />

so genannte Himalaya-Erfahrung. Es wird in meinem<br />

Buch „On Having No Head“ beschrieben. Aber außer<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

es in den Bergen zu erfahren, hätte es überall passieren<br />

können; es hat nichts mit den Bergen zu tun.<br />

JK: Obwohl die Himalaya-Erfahrung manchem<br />

Leser wie eine Gipfel-Erfahrung vorkommen könnte.<br />

Es war in Wirklichkeit nicht so außergewöhnlich<br />

oder?<br />

DH: Nun, es ist überhaupt nichts Außergewöhnliches,<br />

eher etwas sehr Natürliches. Dies ist etwas, das<br />

– wenn du es siehst - alles zusammen bringt. Es<br />

ist die Entdeckung des Offensichtlichen, nicht die<br />

Errungenschaft des Außergewöhnlichen.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Es ist keine Gipfel-Erfahrung sondern eher<br />

eine Tal-Erfahrung.<br />

DH: Ja, genau, es ist keine mystische Erfahrung.<br />

JK: Trotzdem haben viele Leute große Erwartungen.<br />

Sie kennen den Unterschied zwischen Erwachen und<br />

Glückseligkeit nicht.<br />

DH: So ist es, absolut. Einer der <strong>Weg</strong>e, zu vermeiden<br />

„Dies“ zu sehen ist es in eine Gipfel-Erfahrung<br />

zu projizieren.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Du hast heute gesagt, dass seit du „Es“ vor 60<br />

Jahren entdeckt hast, es sich über die Jahre entwickelt<br />

hat. Was meinst du damit?<br />

DH: Nun, man muss sehr achtsam damit umgehen.<br />

Und unterscheiden, was sich entwickelt und<br />

was nicht. Es gibt einen plötzlichen Aspekt und einen<br />

graduellen Aspekt; der plötzliche Aspekt ist, wenn<br />

du „Es“ einmal siehst, dann ist es das. <strong>Der</strong> allmähliche<br />

Aspekt bedeutet, dass es eine Entwicklung gibt,<br />

die ich „Fortbestand“ nennen würde, und auch eine<br />

Vertrauensentwicklung. <strong>Der</strong> erste Aspekt– Sehen, wer<br />

du bist – ist immer dieselbe, der zweite ist eine allmähliche<br />

Angelegenheit.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Kannst du das näher erläutern?<br />

DH: Nun, das Sehen ist dasselbe, dasselbe, dasselbe.<br />

Weil es einfach und klar ist, und Klarheit ist Klarheit<br />

ist Klarheit. Es ist nicht manchmal verschwommen<br />

oder halb klar. Dies bleibt immer dasselbe. Was sich<br />

ändert – nach meiner Erfahrung – sind zwei Dinge.<br />

Das eine ist das Andauern des Sehens; zuerst blitzt<br />

es nur ab und zu auf, du musst immer wieder dahin<br />

zurückkehren (zeigt mit dem Finger auf sein Gesicht).<br />

Das zweite ist eine Frage des Vertrauens. Am Anfang<br />

vertraust du „Dem“ nicht, du vertraust nicht darauf,<br />

dass es dein Leben steuert. Aber man lernt dieser<br />

Klarheit zu vertrauen. So gibt es eine kontinuierliche<br />

Entwicklung von Dauerhaftigkeit und eine<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Entwicklung des Vertrauens. Das ist ein sehr allmählicher<br />

Prozess. So dass am Ende alles sehr natürlich<br />

wird.<br />

JK: Also, wenn man es praktiziert wird es immer<br />

natürlicher und als Ergebnis davon brauchen wir keine<br />

Experimente mehr machen.<br />

DH: Exakt! Und während man es praktiziert – und es<br />

muss praktiziert werden auf dieser Reise, indem man<br />

immer wieder zurückkommt von der Erscheinung zur<br />

Realität – geschieht es immer natürlicher.<br />

JK: Es wird ein automatischer Prozess.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ja, das stimmt. Aber ich bin nicht sicher, ob<br />

„automatisch“ das richtige Wort ist. Ich glaube immer<br />

noch, dass es durch das Praktizieren natürlich<br />

wird. Dadurch, dass du einfach auf den Platz zurückkommst,<br />

den du niemals verlassen hast. Das ist zumindest<br />

mein Eindruck. Man kommt einfach zurück<br />

zu dem, aus dem heraus wir sehen.<br />

JK: Ich kann dein Gesicht dort sehen, Ich sehe dich<br />

Tee trinken und ich kann meine Klarheit „hier“ sehen,<br />

ohne dass ich die Pointing-Übung machen muss.<br />

Es ist die ganze Zeit da, und ebenso ist der „Raum“<br />

hier.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Für mein Gesichtsfeld bist du Raum, du bist<br />

der Rauminhalt für mein Außen.<br />

JK: Die ganze Zeit.<br />

DH: Die ganze Zeit. Du brauchst tatsächlich kein<br />

Experiment um das zu sehen.<br />

JK: In welchem Zusammenhang steht dieses Sehen<br />

mit Religion.<br />

DH: Wenn wir über Religionen sprechen, müssen<br />

wir zwischen dem Kern jeder Religion und deren gängigen<br />

Versionen unterscheiden. Wie du weißt, habe<br />

ich über Vergleiche der großen Weltreligionen ge-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

schrieben und gelehrt. Meine Entdeckung ist, dass die<br />

einfache Aussage einer jeden großen Religion besagt,<br />

das im Zentrum aller empfindungsfähigen Wesen das<br />

„Eine Bewusstsein“ vorhanden ist. Also, was immer<br />

dein religiöser Hintergrund ist, was immer dein religiöser<br />

Glaube sein mag, das, was du im Herzen dieser<br />

Religion findest, ist genau dasselbe Bewusstsein,<br />

über das wir in Workshops und in meinen Büchern<br />

reden.<br />

JK: So stimmt es perfekt mit dem überein, was immer<br />

dein Glaube ist, die Religion, mit der du aufgewachsen<br />

bist, sei es das Christentum, der Buddhismus,<br />

Islam, Hinduismus und so weiter.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ich wuchs in einem christlichen Umfeld auf.<br />

Für mich hat das Christentum etwas sehr spezielles<br />

in seinen Wurzeln und in seinem Kern: Es besagt das<br />

die Kraft hinter der Welt reine, selbstlose Liebe ist<br />

und das ist für mich die ultimative Offenbarung. Und<br />

das ist genau das, was wir heute in den Experimenten<br />

entdeckt haben. Wenn du in der Papierröhre bist, verschwindest<br />

du zu Gunsten deines Freundes, der dir<br />

gegenüber sitzt. Zu sehen, dass du so gemacht bist,<br />

weit offen für gegenseitige Liebe, das ist es worum<br />

es geht. Aber das hat nichts mit meinen Emotionen<br />

oder Gefühlen zu tun. Ich spreche nicht über die romantische<br />

Liebe oder sentimentale Gefühle.<br />

JK: Geht es eher um unpersönliche Liebe?<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Ja. Es ist ein komplettes Verschwinden für den<br />

anderen, es ist wirklich sterben für den anderen. In<br />

diesem Moment ist es so, das <strong>Douglas</strong> zugunsten von<br />

Jan verschwunden ist. Ich habe „Nichts“ hier (zeigt<br />

auf sein Gesicht) und ich habe dort die Erscheinung<br />

eines Mannes namens „Jan“. Das passiert nicht, weil<br />

ich so ein netter Junge bin, sondern weil ich so geschaffen<br />

bin.<br />

JK: Es ist, als ob man Gesichter tauscht. Du hast<br />

mein Gesicht und ich habe deins.<br />

DH: Gesichterhandel nenne ich das.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Und der zeitlose Hintergrund ist immer da. Er<br />

erscheint sozusagen aus der Zeit heraus.<br />

DH: Ja.<br />

JK: Bevor ich deine Experimente entdeckte, habe<br />

ich eine Menge Bücher gelesen, die exakt das gleiche<br />

sagen, wie im Zen-Buddhismus, Taoismus und<br />

Vedanta. Sie sprechen alle von bedingungsloser Liebe,<br />

vom Sterben für den anderen, von Auferstehung und<br />

über die Tatsache, dass das, was wir wirklich sind<br />

das „Eine Bewusstsein“ ist. Aber seinerzeit dachte ich,<br />

ich verstünde was das alles bedeutet, bis ich dieses<br />

Pointing-Experiment und das Tunnel-Experiment<br />

zum ersten Mal machte. Obwohl es damals nur ein<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Aufblitzen von „nacktem Sein“ war, wusste ich sofort,<br />

dass ich etwas extrem Wichtiges erlebt hatte. Mir war<br />

ein Einblick in etwas gewährt worden, nach dem ich<br />

mich schon mein ganzes Leben lang gesehnt hatte.<br />

Nicht ein glückseliger Zustand – obwohl es sich<br />

glückselig anfühlte – sondern eher die natürlichste<br />

Sache, die ich je erlebt hatte.<br />

DH: Ich weiß was du meinst.<br />

JK: Was sich änderte, nachdem ich immer tiefer<br />

in dieses Sehen ging – wenn ich das so sagen kann<br />

– ist, dass ich jetzt zu meiner Überraschung feststellte,<br />

dass die gleichen Bücher, die ich vorher gelesen habe,<br />

nun ganz offensichtlich und einfach wurden. Das zu<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

entdecken war tatsächlich eine Offenbarung. Ich sah<br />

wirklich, worum es ging. Ich entdeckte die gleiche<br />

Wahrheit, das gleiche Bewusstsein in den verschiedenen<br />

Traditionen, die sich durch die verschiedensten<br />

Lehrer auf den unterschiedlichsten <strong>Weg</strong>en näherten.<br />

Ich entdeckte auch eine Menge Unwissenheit oder<br />

auch Umwege. Ich hatte jetzt wirklich eine „Sicht“,<br />

die mich direkt ins Herz der Angelegenheit brachte.<br />

Und daher muss ich sagen, dass deine Experimente<br />

mir einen praktischen Zugang zu etwas gaben, das<br />

vorher immer durch Worte, durch Konzepte verdeckt<br />

war.<br />

DH: Es ist wirklich praktisch.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Wenn man das einmal „gesehen“ hat, kann<br />

man anfangen die gleiche Wahrheit in den unterschiedlichsten<br />

<strong>Weg</strong>en zu entdecken. Aber Worte können<br />

dieses „Eine Bewusstsein“ nicht beschreiben, nur<br />

auf es hindeuten.<br />

DH: Siehst du, was du gesagt hast Jan, ist so wahr:<br />

Es liegen Millionen Meilen zwischen einem wirklich<br />

spirituellen Leben und dem bloßen Wissen darüber.<br />

Du kannst ein Professor der Religion oder Philosophie<br />

sein, du magst alle Regeln kennen, wie man seinen<br />

Nächsten wie sich selbst liebt, aber so lange du Es<br />

nicht „siehst“, ist es nur ein Konzept. Du magst alle<br />

heiligen Schriften kennen und trotzdem meilenweit<br />

von deren Herz entfernt sein.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Es geht darum Es zu sein, nicht darum Es zu<br />

wissen.<br />

DH: Genau.<br />

JK: Bedeutet dieses Sehen eher gewöhnlich zu werden<br />

als etwas Besonders?<br />

DH: Es macht dich eher gewöhnlich als besonders.<br />

Du fühlst dich nicht als etwas Besonderes. Ich glaube<br />

das ist sehr wichtig, weil dieses Sehen nichts zu tun<br />

hat mit Guru und Schülern. Ich benehme mich nicht<br />

so, weil ich das nicht fühle. Wenn du wirklich siehst,<br />

wer du wirklich bist, siehst du, dass du ein Nichts<br />

bist, und deshalb nicht etwas Besseres sein kannst.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Die Tatsache, dass du es leben willst, dass du es mit<br />

deinen Freunden teilen willst, das ist dein Privileg.<br />

Aber das bedeutet nicht, dass andere Menschen nicht<br />

dort wären, in einem gewissen Sinne sind wir alle erleuchtet.<br />

Die meisten sind sich nur im Unklaren über<br />

ihre eigene Erleuchtung. Insofern kannst du dich als<br />

etwas Besonderes fühlen. Dieses Sehen ist sehr demokratisch.<br />

JK: Es hat nichts damit zu tun, das eine Person besser<br />

oder spiritueller ist als eine andere.<br />

DH: Das Wort Erleuchtung ist ein dummes Wort,<br />

weil es zweckentfremdet wurde. Ich benutze es in<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Workshops nicht. <strong>Der</strong> Satz „Ich bin erleuchtet und du<br />

bist erdunkelt“ ist sinnlos. Es funktioniert so nicht.<br />

JK: Deine Botschaft ist komplett anders.<br />

DH: Ich sage „Es ist offensichtlich, es ist gemeinsam<br />

nutzbar.“ Ich erzähle davon dies zu teilen. Das sind<br />

gute Neuigkeiten. Es hat nichts mit Überlegenheit zu<br />

tun. Falls es jemanden interessiert.<br />

JK: Du bist offen und greifbar.<br />

DH: Das stimmt. Ich lade die Menschen ein selbst<br />

zu entdecken, wer sie sind.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Warum gibt es immer noch so viel Verwirrung<br />

in dieser Sache? Warum gibt es immer noch so viele<br />

Lehrer, warum tun ihre Anhänger so als ob ihr Guru<br />

spezielle Kräfte besäße? Warum wollen so viele lieber<br />

Schüler werden als Erforscher?<br />

DH: Nun, siehst du Jan, es gibt einen immensen<br />

Widerstand zu „Dem“. Warum? Nun, es bedeutet<br />

Tod. Und obwohl die Auferstehung sofort folgt, haben<br />

die Leute Angst vor „Dem“. Wir alle leisten diesen<br />

Widerstand – einschließlich <strong>Douglas</strong> – und eine<br />

Form des Widerstandes ist es Distanz zu schaffen,<br />

indem man sich diese spirituelle Suche ausmalt. Die<br />

Leute gehen zu einem Guru, der angeblich erleuchtet<br />

ist und sie sagen: „Er ist schon dort und ich bin auf<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

halbem <strong>Weg</strong> dort, und er wird mir bei dieser Reise<br />

helfen“. Die Leute sagen: Ich bin ein Sucher und realisieren<br />

nicht dass sie gleichzeitig heimlich zu sich<br />

selbst sagen: „Ich bin sicher, ich werde kein Finder<br />

sein“. Sucher haben große Angst davor Finder zu werden.<br />

Und während man ein Sucher ist, während du<br />

dem Pfad folgst, hast du alle Vergünstigungen, die<br />

man auf dem spirituellen Pfad bekommen kann ohne<br />

die Gefahr – die tatsächlich tödliche Gefahr – der<br />

Ankunft. Weil die Ankunft Tod bedeutet, und die<br />

Wiederauferstehung. Die Leute erkennen das einfach<br />

nicht.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Ist das dieselbe Angst, die Leute davon abhält<br />

das „Eine Bewusstsein“ wahrzunehmen während sie<br />

die Experimente machen?<br />

DH: Genau. Viele Leute glauben es nicht zu „sehen“,<br />

aber ich glaube, man muss es erst gesehen haben, bevor<br />

man es ableugnen kann. Wir sehen es sehr kurz<br />

doch unbewusst verwerfen wir es sofort. Ich glaube<br />

es ist unmöglich es nicht zu sehen.<br />

JK: Aber viele Leute beschweren sich darüber, dass<br />

sie den wichtigsten Punkt deiner Experimente zu verfehlen<br />

scheinen.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Die Menschen haben viele Ausreden um es zu<br />

vermeiden: Sie sagen, sie verstehen es nicht, dass sie<br />

etwas viel Spektakuläreres erwartet haben, das sie<br />

das Wesentliche nicht sehen können oder sie schlafen<br />

einfach ein. Es ist immer dieselbe Vermeidung, dieselbe<br />

Angst vor diesem „Nichts“, dieselbe Angst vor<br />

dem Verschwinden.<br />

JK: Und wir müssen dieses Phänomen des<br />

Widerstandes akzeptieren. Wenn der elektrische Strom<br />

zu stark ist, ist es, glaube ich, besser eine Sicherung<br />

zu benutzen, als einen kompletten Kurzschluss des<br />

Nervensystems zu verursachen. Vielleicht ist diese<br />

Vermeidung einfach ein Selbstschutz-Mechanismus.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

Etwas das die Leute benutzen, wenn sie noch nicht<br />

so weit sind.<br />

DH: Catherine und ich reisen um die Welt und geben<br />

Workshops. Wir wissen, dass es nur eine kleine<br />

Anzahl von Leuten gibt, die es wirklich sehen. Aber<br />

mit den Jahren wächst ihre Anzahl, und die Saat wird<br />

keimen wenn die Zeit gekommen ist.<br />

JK: Mir scheint, es macht auch Freude dies zu teilen.<br />

DH: Oh, sehr sogar. Absolut.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Es ist eines der wunderbarsten Dinge, die wir<br />

je mit anderen teilen können, nicht wahr?<br />

DH: Es ist das Allerwertvollste.<br />

JK: Und trotzdem können viele Leute es nicht „zu<br />

fassen kriegen“.<br />

DH: Es ist ein Mysterium wer bereit dazu ist. Wir<br />

wissen nicht, wer bereit ist und wer nicht. In der Gruppe<br />

von 80 Menschen, die wir heute hier in Belgien hatten,<br />

werden es vielleicht ein paar, drei, vier, fünf, wirklich<br />

erfahren, und ihr Leben wird sich verändern.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Glaubst du, dass heute mehr Leute „offen“ dafür<br />

sind als jemals zuvor?<br />

DH: Nun, Jan, mir scheint – nicht wegen <strong>Douglas</strong><br />

sondern trotz <strong>Douglas</strong> – das dies ein spiritueller<br />

Durchbruch in der Geschichte ist, weil die Experimente<br />

das Hören-Sagen in Schauen-Sehen verwandeln und<br />

das ist revolutionär. Es ist erstaunlich, dass in den<br />

letzten 5000 Jahren niemand darauf bestanden hat<br />

einfach hierauf (zeigt auf sein Gesicht) zu schauen,<br />

einfach die Aufmerksamkeit um 180 Grad zu drehen.<br />

JK: Es ist, als ob man die ganze Theorie in Praxis<br />

verwandelt.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Da passt das Dzochgen so nett: „Sehen mit<br />

nacktem Bewusstsein.“ Es ist offensichtlich, natürlich<br />

und jeder hat es.<br />

JK: Und es ist einfach.<br />

DH: Und es ist gemeinsam nutzbar. Und ebenso vehement<br />

verleugnet. Ich glaube, dass es an der Zeit ist,<br />

es an die Oberfläche kommen zu lassen, jetzt. Siehst<br />

du, in der Vergangenheit sind nur wenige Menschen<br />

zu dieser selig machenden Sicht gekommen. Es gibt<br />

Massen von Menschen, die auf dem <strong>Weg</strong> sind, suchend,<br />

aber nur ein paar verwirklichen die absolute<br />

Einheit mit Gott. Ich glaube, dass jetzt mehr Menschen<br />

dahin kommen werden.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

JK: Aber du sagst nicht, dass dies nur etwas für ein<br />

paar wenige Glückliche ist?<br />

DH: In gewissem Sinne wirst du einfach wieder<br />

wie ein Kind. Wie Jesus gesagt hat: „Bevor ihr nicht<br />

werdet wie die Kinder, werdet ihr das himmlische<br />

Königreich nicht betreten.“<br />

JK: Wenn du deine Lehre für Menschen zusammenfassen<br />

würdest, die nicht so vertraut sind mit deinen<br />

Workshops und Büchern, was würdest du sagen?<br />

DH: Ich kann es mit diesen Worten zusammenfassen:<br />

„Ich bin nicht was ich zu sein scheine.“ Ich bin<br />

das Gegenteil von dem wie ich aussehe. Du weißt,<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wie ich aussehe, ich weiß, wer Ich bin. Und das, von<br />

dem aus ich herausschaue, unterscheidet sich von dem,<br />

was ich im Spiegel sehe. Was ich im Spiegel sehe,<br />

ist das auf worauf ich schaue, aber das woraus ich<br />

schaue ist Raum. Total verschieden, in jeder Hinsicht.<br />

Ich scheine eine feste Masse zu sein, aber „hier“ bin<br />

Ich transparent, noch einmal: ein totaler Gegensatz.<br />

Ich scheine aus zwei Augen heraus zu schauen, während<br />

es „hier“ nur ein Auge gibt.<br />

JK: Diese Sicht ist einfach und gleichzeitig tief greifend.<br />

Es ist paradox: Es ändert alles, ohne dass sich<br />

tatsächlich irgendetwas verändert. Nichts muss verändert<br />

werden um „DAS“ zu sehen.<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

DH: Tiefgreifende Dinge sind einfach. Wenn es<br />

nicht einfach ist, kann es nicht wahr sein. Aber einfache<br />

Dinge sind schwer.<br />

JK: Die Menschen bevorzugen komplizierte<br />

Theorien.<br />

DH: Die Menschheit hasst Einfachheit.<br />

JK: Es kompliziert zu machen ist ein anderer <strong>Weg</strong><br />

„Es“ zu vermeiden.<br />

DH: Was du tust ist, zu den Dingen aufzuwachen,<br />

nicht die Dinge zu verändern, nur zu ihnen „aufzu-<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

wachen.“ Es geht nicht darum die Welt umzubauen,<br />

in der wir leben.<br />

JK: Ist es wahr, dass diese Sicht hilft, die Dinge so<br />

zu akzeptieren wie sie sind, dass du weniger versucht<br />

bist, etwas zu verändern?<br />

DH: Hier gibt es ein Paradox. Du liegst ganz richtig.<br />

Catherine und ich gehen nicht umher und sagen<br />

wir wollen die Welt in Utopia verwandeln. Das<br />

wird nicht stattfinden, weil es unmöglich ist. Unser<br />

Hauptanliegen wird die Welt nicht ändern, unser<br />

Anliegen ist, es zu teilen, diese Sicht von der Welt<br />

von seiner Quelle, zu teilen. Obwohl es nicht darauf<br />

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<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />

abzielt diese Welt zu ändern, bedeutet es die grundlegendste<br />

Veränderung, an der jemals gebaut wurde.<br />

JK: Es ist wirklich die radikalste Veränderung, die<br />

jemals stattfinden kann.<br />

DH: Wenn Buddha erleuchtet war bedeutet das<br />

zwangsläufig die Erleuchtung aller empfindungsfähigen<br />

Lebewesen. Und Buddha könnte nicht erleuchtet<br />

sein ohne die Erleuchtung aller empfindungsfähigen<br />

Lebewesen<br />

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