Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
D.E.<strong>Harding</strong><br />
Eine Kurze Biographie<br />
Auszug aus „On Having No Head“<br />
(etwa: „Über das Kopflos-Sein“)<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong><br />
<strong>Der</strong> beste Tag meines Lebens – mein<br />
Wiedergeburtstag sozusagen – war der, an dem<br />
ich herausfand, dass ich keinen Kopf hatte. Das ist<br />
kein literarischer Schachzug, kein Bonmot, das um<br />
jeden Preis Aufmerksamkeit erregen soll. Ich sage es<br />
allen Ernstes: Ich habe keinen Kopf.<br />
Diese Entdeckung machte ich vor achtzehn Jahren,<br />
im Alter von dreiundddreißig. Obwohl es scheinbar<br />
aus dem Nichts herauskam, so kam es doch als<br />
Antwort auf eine drängende Fragestellung; schon seit<br />
Monaten hatte ich mich voll und ganz der Frage gewidmet:<br />
Was bin ich? Wahrscheinlich hatte es wenig<br />
damit zu tun, dass ich zu dieser Zeit durch den<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Himalaya wanderte; obwohl man sagt, dass in diesem<br />
Land ungewöhnliche Bewusstseinszustände leichter<br />
auftreten. Wie auch immer, dieser sehr stille, klare<br />
Tag, und mit der Aussicht von dem Bergrücken, auf<br />
dem ich stand, über neblige blaue Täler bis hin zu den<br />
höchsten Bergen der Welt unter deren Schneegipfeln<br />
der Kangchenjunga und der Everest nicht besonders<br />
hervortraten, bildete die perfekte Kulisse für größte<br />
Visionen.<br />
Was tatsächlich passierte, war etwas absurd<br />
Einfaches und Unspektakuläres: Ich hörte auf zu<br />
denken. Eine ganz besondere Stille, eine seltsame<br />
Art alarmierender Schwäche oder Benommenheit<br />
überfiel mich. Vernunft, Vorstellungskraft und alles<br />
mentale Plappern erstarben. Ausnahmsweise fehlten<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
mir wirklich die Worte. Die Vergangenheit und die<br />
Zukunft verschwanden. Ich vergaß, wer und was ich<br />
war, meinen Namen, Menschheit, Tierwelt, alles, was<br />
mein Eigen genannt werden konnte. Es war, als wäre<br />
ich in diesem Moment geboren worden, brandneu,<br />
ohne Verstand, frei von jeder Erinnerung. Es gab nur<br />
das Jetzt, diesen gegenwärtigen Moment und was er<br />
mit sich brachte. Es reichte zu schauen. Und was ich<br />
fand, waren Beine in Khakihosen, die unten in einem<br />
Paar brauner Schuhe endeten, khakifarbene Ärmel,<br />
die an der Seite in einem Paar rosafarbener Hände<br />
endeten, und eine khakifarbene Hemdbrust, die nach<br />
oben endete in – absolut nichts. Ganz sicher nicht in<br />
einem Kopf.<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Im selben Moment wurde mir klar, dass dieses<br />
Nichts, dieses Loch, wo ein Kopf hätte sein sollen,<br />
keine gewöhnliche Leere war, kein bloßes Nichts. Im<br />
Gegenteil, es war sehr angefüllt. Es war eine unermessliche<br />
Leere, unermesslich ausgefüllt, ein Nichts,<br />
das Raum bot für alles – Raum für Gras, Bäume,<br />
schattige, entfernte Hügel, und weit über ihnen<br />
Schneegipfel wie eine Reihe eckiger Wolken, die über<br />
den blauen Himmel ritten. Ich hatte einen Kopf verloren<br />
und eine Welt gewonnen.<br />
All das war, wortwörtlich, atemberaubend. Ich schien<br />
ganz mit dem Atmen aufzuhören, völlig aufgegangen<br />
im Gegenwärtigen. Hier war dieses großartige<br />
Panorama, hell leuchtend in der klaren Luft, allein<br />
und unbestätigt, auf mysteriöse Weise aufgehängt in<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
der Leere und (und das war das wahre Mirakel, das<br />
Wunder und das Vergnügen) vollkommen frei von<br />
„mir“, unbefleckt von jeglichem Beobachter. Seine<br />
totale Anwesenheit war meine totale Abwesenheit,<br />
von Körper und Seele. Leichter als Luft, durchsichtiger<br />
als Glas, vollständig von mir selbst erlöst, war<br />
ich nirgendwo.<br />
Jedoch, obgleich diese Vision ebenso magisch wie<br />
unheimlich war, war sie kein Traum, keine esoterische<br />
Enhüllung. Ganz im Gegenteil: Es fühlte sich<br />
an wie das plötzliche Erwachen aus dem Alltagsleben,<br />
ein Ende des Träumens. Es war selbstleuchtende<br />
Realität, ausnahmsweise frei vom verschleiernden<br />
Verstand. Es war endlich die Enthüllung des absolut<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Offensichtlichen. Es war der luzide Moment in einer<br />
verwirrten Lebensgeschichte. Ich hörte schlagartig<br />
auf etwas zu ignorieren, das ich (jedenfalls seit<br />
frühester Kindheit) übersehen hatte, weil ich zu beschäftigt<br />
oder zu schlau gewesen war es zu sehen.<br />
Es war nackte, bewertungsfreie Aufmerksamkeit für<br />
das, was mir die ganze Zeit schon ins Gesicht gestarrt<br />
hatte – meine vollständige Gesichtslosigkeit. Kurzum,<br />
es war alles vollkommen einfach und deutlich und<br />
offensichtlich, jenseits jeglicher Diskussion, jenseits<br />
von Gedanken und Worten. Es gab keine Fragen, keine<br />
Bezugspunkte über das Erlebnis selbst hinaus, nur<br />
Frieden und stille Freude, und die Empfindung, eine<br />
untragbare Last losgeworden zu sein.<br />
Seite von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1977<br />
Geführt von Richard Lang<br />
Richard Lang: Hat deine Botschaft der Welt etwas<br />
Neues zu bieten?<br />
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Ja und Nein. Sie ist alles andere<br />
neumodisch, sondern sie hat eine lange Tradition. Sie<br />
ist nur eine andere Version jener alten Religion, die<br />
es seit ungefähr 3000 Jahren gibt. <strong>Der</strong> Grundlehrsatz<br />
dieser Religion besagt, dass du und ich Gott sind, sie<br />
ist sozusagen (durch uns) inkognito unterwegs. Das,<br />
was wir alle wirklich sind, ist die eine Realität hinter<br />
Seite 10 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
allen Dingen – nenne es Gott, Buddha-Natur, Atman-<br />
Brahman, wie immer du willst. Alles was man tun<br />
muss, ist sich mit dieser Ur-Weisheit, die im Herzen<br />
aller großen Religionen zu finden ist, zu verbinden<br />
und aus ihr heraus sein Leben zu leben. Sie ist da -<br />
unerkannt, geleugnet, verachtet, verlacht - aber immer<br />
da. Man lebt aus dieser Weisheit heraus sein Leben<br />
einfach, so gut man kann, weiter. Das ist der erste<br />
Teil der Antwort.<br />
<strong>Der</strong> zweite Teil ist: Ja, es gibt etwas Neues und ich<br />
bin überzeugt, es muss auch neu sein, wenn es lebendig<br />
sein soll. Alle, die wirklich an dieser großartigen,<br />
höchst essenziellen Einsicht interessiert sind,<br />
kommen ja aus ganz unterschiedlichen Traditionen.<br />
Seite 11 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Jeder echte Entdecker der einen Wahrheit geht durch<br />
ein einzigartiges Tor, und das Tor, durch das ich<br />
gehe wird nicht exakt das gleiche Tor sein, durch<br />
das irgendjemand sonst geht. Tatsächlich geschieht<br />
Erwachen – ein wirklicher Durchbruch - immer auf<br />
unterschiedliche Weise und zwar in einigen höchst<br />
bedeutungsvollen Aspekten. Meine Botschaft bietet<br />
einen überaus zeitgemäßen Zugang zur Wahrheit,<br />
mittels einer neuen und sehr effektiven Technik und<br />
ergänzenden Workshops. Wenn wir Religion nicht<br />
auf diese Weise lebendig halten, läuft die Wahrheit,<br />
so scheint mir, Gefahr unterzugehen, halb oder gänzlich<br />
toter Traditionalismus. Meine Botschaft erzählt<br />
die uralte Geschichte in einer drastisch entmystifizierten<br />
Version. Sie ist glaubhaft, weil sie von un-<br />
Seite 12 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
glaubhaften Schnörkeln befreit ist. Ich würde sagen,<br />
dass dies die bislang größte Entmystifizierung in der<br />
Religionsgeschichte ist. Hier finden wir die Religion<br />
geklärt und vereinfacht vor, heruntergebrochen auf<br />
ihre Essenz - dank den Experimenten, die das Herz<br />
dieser Botschaft sind.<br />
Seite 13 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1983<br />
Geführt von Richard Lang<br />
Richard Lang: <strong>Douglas</strong>, du schreibst seit vielen<br />
Jahren und gibst Workshops. Worum geht es in deiner<br />
Arbeit?<br />
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Das ist eine Frage, die ich mir<br />
immer wieder selbst stellen muss. Nicht um eine vorgefertigte<br />
Idee davon zu haben, sondern um mich ihr<br />
immer wieder neu zu stellen. Für dieses Interview,<br />
Richard, muss ich mich selbst wieder neu fragen was<br />
ich tue. Was mache ich da? Nun, ich komme langsam<br />
Seite 14 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
an mein Lebensende und da scheint es ganz natürlich<br />
sich zu fragen, was das Ganze soll. Welchen Sinn<br />
hat das alles? Und noch persönlicher: Was bedeutet<br />
es zu leben? Was bedeutet es zu existieren? Um es<br />
gleich vorweg zu sagen: Ich finde es überhaupt sehr<br />
außergewöhnlich zu existieren, stattgefunden zu haben.<br />
Damit meine ich nicht einfach <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong><br />
zu sein, sondern überhaupt zu sein, gewahr zu sein,<br />
oder sogar Gewahrsein selbst zu sein. Wie außergewöhnlich!<br />
Und wie schade, sich dieses Gewahrseins<br />
bewusst zu werden und dann doch nicht den (tieferen)<br />
Geschmack davon zu bekommen. Es ist schrecklich,<br />
traurig, feige und armselig nicht an der Wahrheit interessiert<br />
zu sein. Nun, um es kurz zu sagen: Was ich<br />
Seite 15 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
möchte, ist zum Mysterium meines Selbst zu erwachen.<br />
RL: Das betrifft die Arbeit an dir selbst, was ist mit<br />
deiner Arbeit für die Öffentlichkeit?<br />
DH: Nun, ich sehe meine Arbeit in der Öffentlichkeit<br />
als eher nachrangig zur Arbeit an mir selbst an. Ich<br />
glaube, dass die Vorstellung, dass ich helfen könnte,<br />
Einfluss nehmen könnte oder der Welt irgendetwas<br />
Wertvolles zu geben hätte, zweitrangig ist und von<br />
der Beantwortung der Grundfrage abhängt, was nämlich<br />
mein eigenes Leben für mich selbst bedeutet. Es<br />
scheint, dass ich anderen Menschen nichts zu sagen<br />
habe, bevor ich nicht meine eigene Geschichte ent-<br />
Seite 16 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wirrt habe und meine eigenen Probleme bearbeitet<br />
habe. Aber wenn ich das getan habe, wenn ich erwacht<br />
bin zu dem, was es bedeutet ich zu sein - nun,<br />
seit ich die einfache Wahrheit entdeckt habe, so ganz<br />
anders zu sein als alles, was ich mir vorgestellt habe,<br />
so viel wertvoller, interessanter, so großartig, so viel<br />
freudvoller, so grundsätzlich meinen Lebensweg betreffend,<br />
was wäre natürlicher, als der Wunsch dieses<br />
mit der Welt zu teilen! Zu der Methode des Teilens,<br />
kommen wir glaube ich, später noch.<br />
RL: Was ist die Methode?<br />
DH: Die Methode besteht darin, seine<br />
Aufmerksamkeit um genau 180 Grad zu drehen.<br />
Seite 17 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Unsere Aufmerksamkeit ist normalerweise nach außen<br />
gerichtet, direkt vor uns. Sie ist auf ein Objekt<br />
gerichtet, und das ist auch richtig und gut so. Ich<br />
schaue jetzt auf dich, meine Aufmerksamkeit ist<br />
Richard-wärts gerichtet. Aber woher kommt diese<br />
Aufmerksamkeit in diesem Moment? Was ist der Pfeil<br />
meiner Aufmerksamkeit, von welchem Bogen wird<br />
sie abgeschossen? Was ich jetzt mache, ist den Pfeil<br />
herumzudrehen und zu bemerken, dass es hier nichts<br />
gibt, was immer ich auch dort vorfinde. Was ich also<br />
mache, ist in zwei Richtungen zu schauen, und die<br />
sind einander diametral entgegengesetzt. Auf der einen<br />
Seite befindet sich das, worauf ich schaue: Das ist<br />
Richard, mit der einen Hand an seinem Kinn und mit<br />
einem Stift in der anderen Hand, der auf mich schaut.<br />
Seite 18 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Auf der anderen Seite, auf einer Achse von 180 Grad<br />
zu dem Bild von Richard, gibt es nichts dergleichen.<br />
Ich finde absolut nichts hier. Ganz sicher nichts von<br />
dem, was ich dort sehe. Hier gibt es kein Gesicht, keinen<br />
Kopf als Gegenüber für Richard. Ich erscheine<br />
für ihn leer und das ist die essenzielle Erfahrung, die<br />
allem vorangeht. Diese Leerheit-für-andere ist es, an<br />
der ich mich erfreue, und wenn ich versuche, es anderen<br />
zu vermitteln, es in die Welt hinaus zu bringen,<br />
ist es genau diese Leerheit, auf die zu schauen ich andere<br />
animiere, jede und jeder für sich. Ich kann ihnen<br />
nicht erzählen, was es dort zu entdecken gibt, aber ich<br />
kann sie bestärken, indem ich ihnen erzähle, was ich<br />
vorfinde. Ich möchte, dass die Leute herausfinden, ob<br />
es ihnen genauso geht wie mir.<br />
Seite 19 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
RL: Du siehst für dich selbst also ganz anders aus,<br />
als du für uns aussiehst?<br />
DH: Ein „normaler“ Mensch zu sein bedeutet gelernt<br />
zu haben, dass ich mein Äußeres bin. Nun, ich<br />
behaupte, ich bin nicht das, was ich zu sein scheine.<br />
Ich bin das genaue Gegenteil von dem wie ich aussehe.<br />
Wenn ich sage aussehen, meine ich das Aussehen,<br />
wie du dort drüben mich siehst.<br />
RL: Du siehst für mich wie ein Mann aus.<br />
DH: Natürlich sehe ich für dich wie ein Mann von<br />
1,80 m aus. Aber ich schaue auf mich selbst aus null<br />
Metern und ich kann keine der Eigenschaften sehen,<br />
Seite 20 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
die du siehst. Hier sind keine Augen, kein Mund, keine<br />
Wangen, kein Bart. Ich sehe also, dass wir uns in<br />
diesem Moment nicht von Angesicht zu Angesicht<br />
gegenüber sitzen. Ich habe in meinem ganzen Leben<br />
noch niemandem von Angesicht zu Angesicht gegenüber<br />
gestanden. Mir scheint, dass diese von-Angesichtzu-Angesicht-Geschichte<br />
eine große Täuschung ist,<br />
der universale Schwindel, der am Ende aus vielen<br />
Gründen vernichtend ist für das Leben, da bin ich<br />
mir sicher.<br />
RL: Wie bist du zu dieser Endeckung gekommen?<br />
DH: Ich glaube einfach weil ich ein verwirrtes<br />
Leben geführt habe und eine unzufriedene Person war.<br />
Seite 21 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Ich musste einfach herausfinden, was schief gelaufen<br />
ist. Hinzu kommen – vielleicht – mehr Neugier und<br />
Wissensdurst als üblich, so dass ich letztendlich einen<br />
Blick auf mich selbst werfen musste. Nachdem ich<br />
viel gelesen und nachgedacht und ewig über meine eigene<br />
Identität gegrübelt hatte, habe ich mich schließlich<br />
einfach getraut meine eigene Autorität zu sein,<br />
meine eigene Autorität an der einzigen Stelle von der<br />
aus ich in der Lage bin mich auszudrücken. Niemand<br />
anders kann mir Auskunft darüber geben wie ich bin,<br />
Auskunft darüber, was es jetzt gerade heißt, ich zu<br />
sein. Nachdem ich mir selbst einmal die Frage gestellt<br />
habe: „Aus welcher Position schaue ich?“, wurde mir<br />
sofort klar, dass ich genau das Gegenteil von dem war,<br />
was man mir erzählt hatte. Um dir jetzt von Angesicht<br />
Seite 22 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
zu Angesicht gegenüber zu sitzen, muss ich mir auf<br />
meiner Seite etwas zusammen fantasieren, was ungefähr<br />
mit dem übereinstimmt, was ich auf deinen<br />
Schultern sehe. Mein Leben auf der Grundlage einer<br />
solch zentralen Lüge zu leben, scheint mir ein verdorbenes<br />
Leben zu sein, Richard. Wie ein Apfel mit<br />
einem faulen Kern ein fauler Apfel ist.<br />
RL: Auf welche Art beeinflusst dein Bewusstsein<br />
darüber, was du wirklich bist, dass du nicht ein Etwas<br />
ist in der Welt bist, dein Leben? Wie glaubst du könnte<br />
dies das Leben anderer Menschen beeinflussen?<br />
DH: In vielerlei Weise. Ich kann nur einige benennen.<br />
Nichts bleibt unverändert. Man weiß gar nicht,<br />
Seite 23 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wo man anfangen soll. Nun ich fange gewissermaßen<br />
am Ende an. Dieses neue Bewusstsein bedeutet, dass<br />
ich, wenn ich in den Spiegel sehe, auf etwas schaue<br />
das eine tödliche Krankheit namens Leben hat. Das<br />
im Spiegel lebt, es wurde geboren, es wird sterben.<br />
Es verändert sich ständig, und es ist überhaupt nicht<br />
das, was ich bin. Es ist was ich zu sein scheine. Das<br />
ist nicht meine zentrale Realität. Es ist eine meiner<br />
Erscheinungen und es stirbt. Das, was ich hier bin,<br />
ist der totale Kontrast dazu, weil es hier nichts gibt,<br />
was sich ändert oder stirbt. Es ist offensichtlich, dass<br />
alles, vom Universum bis hin zu kleinsten Teilchen,<br />
verschwindet. So werde ich auch verschwinden, wenn<br />
ich eine Person bin. Alle meine Erscheinungen sind<br />
Dinge, sind Phänomene, aber die Realität, von der sie<br />
Seite 24 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
ausgehen ist keine Erscheinung, ist kein Ding. Es ist<br />
Bewusstsein selbst, frei von Materie.<br />
RL: Wie sieht es aus bei wechselseitigen<br />
Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und sogar<br />
Gegenständen?<br />
DH: Nun, eine spiegelgleiche, symmetrische<br />
Beziehung, Person zu Person und Angesicht zu<br />
Angesicht und Sache zu Sache, muss das absolute<br />
Gegenteil einer Beziehung (es ist überhaupt keine<br />
Beziehung) zwischen Nicht-Dinglichem und Dingen<br />
sein. Meine „Beziehung“ zu allem möglichen, allen<br />
Personen, ist ganz und gar asymmetrisch. Das<br />
bedeutet in der Praxis, dass statt mit der Person in<br />
Seite 25 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Verbindung zu treten, ich diese Person bin. Ich bin er<br />
oder sie in dem Sinne, dass das in dem Moment meine<br />
Erscheinung ist, das ist die Verkleidung, die ich<br />
trage. Das ist die Form, die ich gerade benutze. Du<br />
im Gegenzug formst mich, gibst mir eine Gestalt. Es<br />
ist, als ob ich ge-Richard-det werde. Und das ist ein<br />
wunderbarer Anfang, denn es bedeutet, dass ich dir<br />
nicht entgegen trete, nicht in Konfrontation zu dir bin,<br />
dass ich nicht gegen dich bin. Konfrontation ist unser<br />
Problem, darunter leidet die Welt. Die Konsequenz<br />
daraus zu sehen wer ich wirklich bin, ist, dass ich nie<br />
mehr in meinem ganzen Leben in der Lage bin und<br />
auch nicht sein will, irgendetwas oder irgendwem gegenüber<br />
zu treten. Konfrontation ist die große Lüge,<br />
auf der unser Leben und unsere Gesellschaft aufge-<br />
Seite 26 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
baut sind. Werde diese Lüge los und sieh, was passiert.<br />
Das bedeutet universelle Liebe.<br />
RL: Diese Revolution in persönlichen Beziehungen<br />
muss auch Auswirkungen auf unsere Beziehungen<br />
zu Ausländern, Tieren und Pflanzen, unbelebten<br />
Objekten usw. haben. Ich denke dabei an all die großen<br />
und kleinen Konflikte, die es zur Zeit auf der Welt<br />
gibt und wie du dabei vielleicht helfen könntest.<br />
DH: Ich glaube, wir sind schon dabei, die Situation<br />
zu verbessern oder sogar die schrecklichen Dinge,<br />
die auf der Welt passieren – Krieg und Ausbeutung,<br />
Hunger und all diese Dinge - abzuschaffen. Wenn wir<br />
das auf der Ebene der Symptome versuchen, werden<br />
Seite 27 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wir nicht viel erreichen. Ich würde nicht sagen, dass es<br />
nutzlos ist, aber es wäre nicht radikal genug. Wir werden<br />
keinen wirklichen Beitrag leisten können, wenn<br />
wir nicht das Übel bei der Wurzel packen. Und die<br />
Wurzel finden wir in unser aller Leben. Ich leide in<br />
diesem Moment an an dieser Konfrontationskrankheit<br />
in meiner Beziehung zu dir, was nützt es da zu versuchen<br />
das gleiche Problem anderswo zu lösen – national<br />
oder international –, in Konfrontationen zwischen<br />
Geschlechtern, Ethik-Gruppen, Religionen,<br />
Ideologien, Machtbündnissen unsoweiter? Mit anderen<br />
Worten: <strong>Der</strong> Dienst an der Welt beginnt Zuhause.<br />
Noch einmal: <strong>Der</strong> Dienst an der Welt beginnt Zuhause.<br />
Nur wenn du herausgefunden hast wer du bist, weißt<br />
du, dass du die Welt bist.<br />
Seite 28 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
RL: Auf welche Weise, glaubst du, berührt dies persönliche<br />
Probleme? Psychologische Probleme wie<br />
etwa Depressionen, Angst, Furcht, Einsamkeit?<br />
DH: In gewisser Hinsicht laufen diese menschlichen<br />
Dinge einfach weiter. Im Zentrum meines Lebens ist<br />
dieses Bewusstsein, dessen innerste Natur Freiheit ist<br />
– Freiheit nicht nur von materiellen Dingen, sondern<br />
auch von jeglichen Gedanken und Gefühlen. Ganz<br />
sicher von Problemen aller Art. Als Quelle von allem,<br />
als der Ursprung all dieser Probleme, muss es meine<br />
Aufgabe sein, sie in Ruhe zu lassen, sie so sein<br />
zu lassen wie sie sind. Wer ich wirklich bin, ändert<br />
selbst nichts an meiner menschlichen Natur. Was es<br />
tut, Richard, ist die Dinge an den richtigen Platz zu<br />
Seite 29 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
rücken. Diese schwierigen und manchmal herzzerreißenden<br />
menschlichen Probleme werden nicht abgelehnt.<br />
Tatsächlich werden sie, vom Standpunkt des<br />
Friedens im Zentrum, viel aufmerksamer erwartet<br />
und viel liebevoller angenommen als sie es jemals<br />
von dieser illusionären Person wurden. Jetzt ist es<br />
nicht mehr nötig Probleme abzulehnen, aber es gibt<br />
jeden Grund sie anzuerkennen sofern sie denn weiter<br />
bestehen – Einsamkeit und Depressionen etc. Das<br />
ist der Preis für unsere Teilnahme am Leben, diese<br />
Gefühle zu haben, von denen einige akzeptabel, andere<br />
nicht akzeptabel und einige tragisch sind. Ich kann<br />
nicht existieren, kann mich überhaupt nicht ausdrücken<br />
ohne den Dualismus dort draußen. Dualismus,<br />
gut und böse, schön und hässlich, schwarz und weiß<br />
Seite 30 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
etc., ist die unausweichliche Bedingung, um der Welt<br />
Ausdruck verleihen zu können von einem Platz aus,<br />
der frei von Dualitäten ist. So geht es nicht darum,<br />
frei von diesen Problemen (Gefühlen) zu sein, in<br />
der Art, dass man sie beseitigt, sondern frei von ihnen<br />
zu sein indem man sie lokalisiert, sich bewusst<br />
macht. Sie sind dann nicht länger zentral. Das nimmt<br />
sie uns nicht nur weg – ohne dass es uns von ihnen<br />
wegnimmt: auf lange Sicht und wenn man beharrlich<br />
bleibt, ändern sie sich. Wie gründlich, bleibt abzuwarten.<br />
RL: Findest du, dass dein Leben durch dieses<br />
Bewusstsein einen tieferen Frieden erfährt?<br />
Seite 31 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ja, tatsächlich. Er könnte nicht tiefer sein. Er<br />
könnte nicht erfahrbarer sein und er könnte für mich<br />
nicht natürlicher sein. Er ist immer hier und kann<br />
nicht erreicht werden oder verbessert oder kultiviert<br />
werden. Er ist einfach da für den Beobachter.<br />
Dieser Friede ist unsere ureigene Natur, nicht etwas,<br />
dass wir entdecken könnten. Er ist dort wo wir sind,<br />
näher als alles andere. Wir können ihn nicht erreichen,<br />
wir kommen aus ihm. Ihn zu finden, erlaubt<br />
uns zurückzugehen, zu dem Platz, den wir nie verlassen<br />
haben.<br />
RL: Kannst du etwas über die „neue Technik“, die<br />
Experimente sagen?<br />
Seite 32 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ich habe schon eins davon beschrieben – das<br />
vielleicht sogar das beste von allen ist. Wenn du ein<br />
Gesicht vor dir hast, dann frage dich selbst: „Gibt<br />
es auf meiner Seite etwas, das dem gleicht?“ Ich<br />
schaue jetzt auf deine Augen, Richard, und ich sehe<br />
zwei kleine „Fenster“ woraus du behauptest herauszublicken.<br />
Ziemlich erstaunlich! Aber hier, wo ich<br />
mich befinde, sind überhaupt keine Augen und ganz<br />
bestimmt nicht zwei davon. Hier finde ich ein riesiges<br />
„Fenster“. Es hat keinen Rahmen. Es ist oval<br />
und von grenzenlosen Ausmaßen. Statt der zwei kleinen<br />
Gucklöcher dort finde ich das bei mir. Noch einmal:<br />
Ich schaue jetzt auf deine Gesichtsfarbe – wie<br />
kann ich die Farbe dort übernehmen, wenn da keine<br />
Farbe auf meiner Seite ist? Ich sehe die Komplexität<br />
Seite 33 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
deines Bartes, deines Haares, deiner Poren, all diese<br />
Variationen von Form und Beschaffenheit, und ich bemerke<br />
die totale Abwesenheit von all dem hier. Dort<br />
finde ich ein wundervolles Zusammenspiel von Form,<br />
ein komplexes Gebilde, hier finde ich eine wunderbar<br />
schlichte Einfachheit, totale Klarheit, totale Freiheit,<br />
gänzliche Abwesenheit von dem, was ich dort finde.<br />
Ich sehe, wie sich deine Augen bewegen, nun, nichts<br />
dergleichen passiert hier. Wenn du den <strong>Weg</strong> hinunter<br />
gehst, nun, das ist es, was du tust. Aber hier erlebe ich,<br />
wenn ich den <strong>Weg</strong> hinunter gehe, dass ich überhaupt<br />
nicht den <strong>Weg</strong> hinunter gehe, der <strong>Weg</strong> geht mich hinunter!<br />
Wenn ich in meinem Auto fahre, bewegt sich<br />
die gesamte Landschaft! Tatsächlich ist es so, dass alles<br />
im Leben, absolut jeder Teil des Lebens für mich<br />
Seite 34 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
eine Gelegenheit eröffnet zu entdecken, dass alles,<br />
was mir über mich selbst erzählt wurde – mich selbst,<br />
der ich wirklich bin genau hier – das Gegenteil ist.<br />
Tatsächlich macht es unglaublich viel Spaß und ist enorm<br />
wichtig in psychologischer, spiritueller Hinsicht,<br />
die Wahrheit über sich selbst zu erzählen, zu sich<br />
selbst. Selbsttäuschung ist dumm und krank.<br />
RL: Wie siehst du deine Zukunft und die Zukunft<br />
deiner Arbeit?<br />
DH: Ich fange mit dem zweiten an. Was wird mit<br />
diesen Techniken, die ich gerade ein wenig erklärt<br />
habe, geschehen? Wenn die menschliche Rasse überlebt<br />
(und mir scheint, dass sie eine faire Chance<br />
Seite 35 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
dazu hat) wird sie es, weil die Erfahrung der Nicht-<br />
Konfrontation sich verbreitet. Hierin und in ähnlichen<br />
<strong>Weg</strong>en, die zu der Erfahrung der Nicht-Konfrontation<br />
führen, liegt die Hoffnung der Menschheit. Mir<br />
scheint, dass der Mythos der Konfrontation, nach<br />
vielleicht Millionen Jahren von Leben, jetzt so kontraproduktiv<br />
geworden ist, dass unser Überleben bedroht<br />
ist. Wir müssen entdecken, dass es ein Mythos<br />
ist, und zu leben anfangen, diese andere Art zu leben,<br />
ein Leben in Nicht-Konfrontation, in dem jeder für<br />
die anderen leer ist. Ich würde die Zukunft meiner<br />
Arbeit als ein immerwährendes Hinweisen auf die<br />
Wahrheit und Notwendigkeit der Nicht-Konfrontation<br />
sehen. Siehst du, wenn es wahr ist – und es ist wahr<br />
– wird es für sich selbst sorgen. Ich glaube, es ist ge-<br />
Seite 36 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
rade dabei integriert zu werden, es wirkt sozusagen<br />
schon im Untergrund, nicht auf eine offensichtliche<br />
Art und Weise. Dies ist nicht etwas, was die Leute an<br />
der Gurgel packt. Es ist etwas, das auf einer anderen<br />
und tieferen Ebene wirkt. Jedenfalls ist die Tatsache,<br />
dass wir schon in dieser Wahrheit leben, die Garantie<br />
für ihr Überleben. Es ist die Art, wie wir sind. Es<br />
ist keine Errungenschaft, es ist eine Erkenntnis –<br />
die Erkenntnis. Konfrontation ist ein Mythos. Die<br />
Wahrheit kann man durch Selbst-Beobachtung erfahren.<br />
Deshalb mache ich mir um die Zukunft keine<br />
Sorgen.<br />
Seite 37 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> von 1997<br />
Geführt von Richard Lang<br />
Teilnehmer einer Online-Diskussionsgruppe des<br />
Kopflosen <strong>Weg</strong>es (lookforyourself) haben Richard<br />
Lang einige Fragen aufgegeben, die er <strong>Douglas</strong><br />
<strong>Harding</strong> in einem Interview stellen sollte. Es waren<br />
Fragen zur Individualität im Zusammenhang mit dem<br />
der wir wirklich sind, zum Gebet (und der Aufgabe des<br />
Willens) und zu den Gefühlen. Hier ist eine Abschrift<br />
des Interviews:<br />
Seite 38 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Frage: „Hat die Erforschung und Entdeckung von<br />
Wer Ich Bin irgendeine psychologische Bedeutung<br />
für dich, und wie passt das in das Sehen von Dem<br />
was ich wirklich bin hinein? Ist es wichtig, sich als<br />
Individuum zu entwickeln, solange wir dabei nicht<br />
vergessen wer wir wirklich sind?“<br />
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong>: Es scheint mir, dass es da zwei<br />
Bedeutungen des Ausdrucks „Wer bin ich?“ gibt. Die<br />
eine ist, wer Ich im Zentrum bin, in meiner Essenz,<br />
und die andere Bedeutung ist, wer ich als Person bin<br />
– wie ich als Person bin, wie ist mein Temperament,<br />
was ist meine Berufung etc.? Ich glaube, wenn ich<br />
die Frage nach dem wer Ich wirklich bin vernachlässige,<br />
und nur danach schaue, wer <strong>Douglas</strong> ist, tap-<br />
Seite 39 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
pe ich bei der Frage im Dunkeln. Ich bin abhängig<br />
von allen Arten von Spielen, Illusionen und sozialer<br />
Konditionierungen, die <strong>Douglas</strong> vor mir verdecken.<br />
Aber wenn ich sehe, wer Ich wirklich bin, glaube ich,<br />
dass wir dadurch als Person authentischer werden,<br />
natürlicher, mehr wir selbst. Ich habe bemerkt, dass<br />
diejenigen unter meinen Freunden, die sehr klar sehen,<br />
und dies auch sehr wertschätzen, nicht aufhören<br />
menschlich interessierte Individuen zu sein, eher<br />
noch mehr. Meiner Erfahrung nach ist das Beste was<br />
du tun kannst um ein authentischer Erdenbürger zu<br />
sein, um wahrhaft menschlich, wahrhaft individuell<br />
zu sein, ist zu sehen wer Ich wirklich bin. Wenn du<br />
zugunsten der menschlichen Person versäumst zu er-<br />
Seite 40 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
kennen, wer Du wirklich bist, wird dieser Mensch<br />
leiden.<br />
Richard Lang: Würdest du zustimmen, dass es<br />
wichtig ist auf einer menschlichen Ebene, herauszufinden,<br />
wer Du bist und wer du nicht bist?<br />
DH: Ja, aber ich würde sagen, dass du es auf direktem<br />
<strong>Weg</strong> nicht leicht erkennen kannst. Ich würde<br />
sagen, es ist wichtig, herauszufinden wer du auf<br />
menschlicher Ebene bist, aber nicht als separate<br />
Übung. Es ist ein Nebenprodukt, eine Beigabe herauszufinden<br />
wer du wirklich bist. Bis ich nicht weiß,<br />
wer Ich wirklich bin, weiß ich nicht wer <strong>Douglas</strong> als<br />
<strong>Douglas</strong> ist. Ich glaube ich bekomme sehr wertvolle<br />
Seite 41 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Einsichten in mich selbst, ich werde eine authentischere<br />
Person solange mein zentrales Interesse nicht<br />
diese Person ist.<br />
RL: Warum wäre das so?<br />
DH: Ich glaube ich bin ein rechter Einfaltspinsel!<br />
Mein Geheimnis ist das ich nur eine Antwort auf alle<br />
Fragen habe: Schau, wer die Frage stellt! Es ist also<br />
eine ganz einfache Sache diese Frage zu beantworten.<br />
Mich um <strong>Douglas</strong> als Person zu bemühen, ihn authentischer<br />
zu machen, nützlicher für die Welt, individueller-<br />
nun, strebe nicht danach. Wenn das dein Ziel<br />
ist, spielst du ein Spiel. Wenn du aber danach strebst,<br />
zu sehen wer du wirklich, wirklich bist, wird es für<br />
Seite 42 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
dein Menschsein sorgen. Und das ist nicht nur bei<br />
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> so. Ich habe es bei meinen Freunden<br />
bemerkt, Freunde, die es schätzen zu wissen wer sie<br />
wirklich, wirklich sind – sie sind so anders. Es hat<br />
sie nicht zu Klonen oder Repliken von einem spirituellen<br />
Ideal gemacht. Sie bleiben sehr individuell<br />
– eher mehr sogar.<br />
RL: Willst du damit sagen, dass sich deine natürliche<br />
Individualität erst so richtig zeigen kann, wenn<br />
du dich nicht einmischt?<br />
DH: Ja, das will ich damit sagen. Und es ist wichtig,<br />
dass sie hervor scheint, aber es ist kein Ziel, für<br />
das man Übungen machen kann. Wenn du siehst, wer<br />
Seite 43 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
du wirklich bist, verlierst du einiges an Interesse daran,<br />
wie du auf andere wirkst. Du bist befreit von der<br />
ständigen Angst, ob du Leute beeindruckst oder nicht,<br />
ob deine Persönlichkeit vollwertig ist oder nicht. Ich<br />
glaube wirklich, dass die menschliche Persönlichkeit<br />
sehr viel besser ist, wenn du deine Aufmerksamkeit<br />
von deiner Person abziehst und dich für deine wahre<br />
Natur interessierst. Ich glaube schon, dass es wichtig<br />
ist herauszufinden, wer du als menschliches Wesen<br />
bist. Die Frage ist, wie mache ich das? Ich glaube eine<br />
direkte Betrachtung der Unwissenheit darüber wer du<br />
wirklich bist, ist nicht sehr fruchtbar.<br />
RL: Aber du weißt doch zum Beispiel, das du ein<br />
Schriftsteller bist.<br />
Seite 44 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Aber das ist doch eine ziemlich oberflächliche<br />
Sache oder?<br />
RL: Aber das ist doch die Frageebene.<br />
DH: Nun, ich sehe, wer Ich bin und ich schreibe<br />
darüber, ja. Aber das Schreiben ist eine Folge von<br />
diesem Sehen.<br />
RL: Ich habe mich oft gefragt, warum <strong>Douglas</strong> so<br />
selten über das Beten spricht. Das ist rätselhaft weil<br />
das Gebet in Religionen so üblich ist, fast universell.<br />
Warum sprichst und schreibst du so selten über das<br />
Beten?<br />
Seite 45 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Nun, wir müssen zwischen zwei Arten von<br />
Gebeten unterscheiden. Da ist die eine Art von Gebet,<br />
in dem um etwas gebeten wird – darum, dass meine<br />
Bauchschmerzen besser werden oder das Wetter<br />
schöner wird oder dass jemand aufhören soll mich<br />
zu ärgern. Diese Art von bittendem Gebet interessiert<br />
mich nicht, ich glaube nicht, dass es hilfreich ist.<br />
Eventuell ist es das für einige Menschen. Es könnte<br />
wie Zauberei wirken, wenn du auf die Vorsehung vertraust,<br />
von jemandem da draußen, der diese Zauberei<br />
für dich ausübt. Aber das ist nichts für mich. Die andere<br />
Möglichkeit zu beten, die ganz anders ist, geht<br />
so: Nehmen wir an ich wünsche mir Gesundheit für<br />
jemanden, den ich sehr liebe oder für mich selbst,<br />
oder die Fähigkeit meinen Job auszuüben, so was in<br />
Seite 46 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
der Art - was wirklich sehr dankenswerte Bitten sind<br />
– aber am Schluss fügen wir immer hinzu: „Dein<br />
Wille geschehe“. Ich hätte dies gerne aber nicht mein<br />
Wille sondern Dein Wille geschehe. Dann fragt sich<br />
wer betet zu wem? Und natürlich richtest du deine<br />
Bitte letztendlich an den, der du wirklich bist. Es ist<br />
eine Art interner Vorgang innerhalb deiner wahren<br />
Identität und dieser ist nicht nur wichtig, sondern unerlässlich.<br />
Als ich mit Schmerzen im Krankenhaus<br />
lag, und das waren sehr schlimme Schmerzen, habe<br />
ich auf diese Art ein wenig gebetet.<br />
RL: Wie kommt es, dass du so selten darüber<br />
sprichst oder schreibst?<br />
Seite 47 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ich glaube ich schreibe so selten darüber, weil<br />
es mir selten in den Sinn kommt. Ich würde es auch<br />
nicht wirklich beten nennen. Gebete wecken all diese<br />
anderen Assoziationen nach Bitten um Glück und das<br />
tut man einfach nicht. Man bittet nicht wirklich um<br />
Glück. Es ist doch offensichtlich, dass man weniger<br />
Schmerzen und mehr Freude haben will und für die<br />
Liebsten eine gute Gesundheit und gute Verfassung.<br />
Dieses Wünschen ist eine Art von Gebet, nehme ich<br />
an, aber es muss die Art von Beten sein, das wirkliches<br />
Gebet ist – damit will ich mich beschäftigen.<br />
Nicht darüber schreiben, sondern mich damit befassen,<br />
mit „gleichwohl, Dein Wille geschehe“. Im „Head<br />
Off Stress“ Buch unterscheide ich drei Stufen des<br />
Wollens. Das eine ist eine künstliche Sache, die ich<br />
Seite 48 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
haben will. Das zweite ist das, was ich wirklich will,<br />
was eventuell etwas ganz anderes ist als das, von dem<br />
was ich glaube, das ich das will und mein Benehmen<br />
kann auch entsprechend dem sein, von dem ich glaube<br />
das ich das will – es gibt also den künstlichen<br />
Willen, den tieferen psychologischen Willen, der vielleicht<br />
im Gegensatz zu dem steht von dem du glaubst,<br />
das du das willst, und du hast deinen tiefsten Willen,<br />
das ist der Wille dessen der du wirklich bist, und der<br />
Slogan ist hier: „Dein Wille geschehe.“<br />
RL: „Du legst jetzt mehr Gewicht als früher auf<br />
die Gefühle und das Herz. Gibt es etwas, das diesen<br />
Wechsel vom Sehen hin zum Sehen mit Gefühl ausgelöst<br />
hat? Gibt es extra Übungen, die anderen hel-<br />
Seite 49 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
fen können zu sehen und zu fühlen, so wie die alten<br />
Übungen so vielen Leuten geholfen haben zu sehen?<br />
Wenn nicht, wie könnten diese entwickelt werden?“<br />
DH: Wir müssen sehr sorgfältig zwischen Sehen<br />
und Fühlen unterscheiden. Ich glaube der Punkt beim<br />
wahren Sehen ist, dass du es erleben kannst wenn du<br />
es willst. Du kannst immer einen Blick auf den werfen,<br />
der du wahrhaft bist, wie immer deine Stimmung<br />
auch gerade sein mag, wie gut oder wie schlecht du<br />
dich auch fühlst. Dies trifft nicht auf Gefühle zu. Ich<br />
kann Gefühle nicht bestellen. Ich kann nicht befehlen<br />
ein bestimmtes Gefühl zu haben. Wenn du das<br />
machst und scheinbar erfolg damit hast, ist das Gefühl<br />
nicht authentisch, das ist Selbstbetrug. Gefühle stel-<br />
Seite 50 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
len sich spontan ein oder gar nicht. Wenn sie sich<br />
nicht auf natürliche Weise einstellen, wenn sie künstlich<br />
sind, lohnt es sich auch nicht, sie zu haben. Diese<br />
Übungen, wo du versuchst, Liebe usw. zu empfinden<br />
– ich weiß, Buddhisten machen das: Sie senden<br />
Liebe in alle Richtungen, sie senden Wellen der Liebe<br />
in den Kosmos – ich will das nicht kritisieren. Aber<br />
das ist nicht mein <strong>Weg</strong>, und es hat so ein künstliches<br />
Element, das die ganze Sache etwas schwächt. Aber<br />
ich wünsche ihnen viel Glück bei dem, was sie tun.<br />
Es ist nur nicht mein <strong>Weg</strong>.<br />
Übungen, die die Empfindlichkeit des Herzens<br />
stärken. Ich glaube, das was wir tun können ist die<br />
Tatsache zu sehen, dass sich auf dem <strong>Weg</strong> vom Kind<br />
Seite 51 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
zum Teenager und Erwachsenen unser Schwerpunkt<br />
vom Herz und Bauch zum Kopf verlagert. Wir werden<br />
kopflastig und starrköpfig und zentrieren uns im<br />
Intellekt, in der Intelligenz, im Wissen usw. und wir<br />
verlieren den Kontakt zu unseren Gefühlen und unserem<br />
Herzen. Wenn wir erkennen, wer wir wirklich<br />
sind und unseren Kopf verlieren, verlagert sich<br />
unser Schwerpunkt nach unten. Was wir tun können<br />
ist wahrzunehmen, dass dies tatsächlich passiert<br />
und wir können erlauben, das es passiert und unsere<br />
Aufmerksamkeit darauf richten, das er sinkt. Es<br />
gibt eine Übung, die hier hilfreich ist in Bezug auf<br />
Gefühle: Hebe deine Arme vor dich und richte deine<br />
Aufmerksamkeit auf das, was du zwischen deinen<br />
Armen siehst. Das ist der Tunnelblick, besonders,<br />
Seite 52 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wenn auf den Kerl im Spiegel blickst oder aber auf deine<br />
Probleme, in einer extrem kleinlichen und selbstsüchtigen<br />
Art und Weise. Wir sind nur mit unserem<br />
eigenen Wohlbefinden beschäftigt, der Rest der Welt<br />
interessiert nicht, außer wenn sie Auswirkungen auf<br />
das zentrale Objekt der Aufmerksamkeit hat, unsere<br />
eigene Befindlichkeit. Indem wir fortfahren, strikt<br />
geradeaus zu schauen, weiten wir unsere Arme und<br />
unser Blickfeld, bis unsere Arme fast verschwinden<br />
– wir können unsere Finger bewegen um zu sehen,<br />
wie weit wir gehen können, bis wir sie fast nicht mehr<br />
sehen. Sieh dir andere an, die das machen, sie umarmen<br />
nur einen winzigen Teil des Raumes. Aber schau<br />
auf dich selbst als die Erste Person und du hast die<br />
ganze Welt in deinen Händen. Zum Beweis sehe ich,<br />
Seite 53 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wenn ich geradeaus blicke, dass meine linke und meine<br />
rechte Hand so weit auseinander sind wie Ost und<br />
West. Ich umarme die Welt. Das ist ein Experiment,<br />
das wir in Workshops machen und ich glaube, es ist<br />
hilfreich – so weit ich mich erinnere ist es die einzige<br />
Übung die sich gezielt auf Gefühle richtet. Aber beobachten,<br />
dem Schwerpunkt zu erlauben, tatsächlich<br />
zu sinken, es zu verstehen und zu integrieren ist hilfreich.<br />
Die andere Sache ist dies: fahre fort zu sehen,<br />
kümmere dich nicht um Gefühle - ich sehe, dass ich<br />
jetzt in deiner Gunst sinke. Ich sehe, dass dies passiert.<br />
Aber es hat Auswirkungen auf Gefühle, weil es<br />
bedeutet, dass ich bis sehr weit offen für dich bin. Das<br />
Sehen und das Fühlen sind tief miteinander verkoppelt.<br />
Spezielle Übungen nur für das Fühlen sind glau-<br />
Seite 54 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
be ich nicht ratsam, eine Ersatzhandlung, die nicht<br />
wirklich überzeugt.<br />
Du glaubst vielleicht, dass es nicht nur möglich<br />
ist, zu sehen, wer du bist, sondern auch, dass dieser<br />
Status aufrechterhalten werden kann (so dass<br />
die Wahrnehmung anhaltend ist, und du wirklich<br />
Zuhause bist und deine Abwesenheit wahrnehmen<br />
kannst, deine Klarheit, deine Offenheit) und trotzdem<br />
dein Herz der Welt gegenüber verschließen kannst.<br />
Das ist, glaube ich, nicht möglich. Ich glaube, dass<br />
dein Herz sich automatisch öffnet, wenn es dir gelingt<br />
Zuhause zu bleiben. Menschen, die als hartherzig<br />
gelten – ich selbst bin durch diesen besonderen<br />
Abschnitt meines Selbst gegangen – begnügen sich<br />
Seite 55 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
einfach mit Stippvisiten. Sie haben sich nicht Zuhause<br />
niedergelassen. Wenn sie es täten, würden sich ihre<br />
Herzen öffnen wie Blumen in der Sonne<br />
Seite 56 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Interview mit <strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> 2000<br />
geführt von Jan Kersschot<br />
Aus „Das ist es“ von Jan Kersschot, Watkins<br />
ISBN 1 84293 093 1<br />
JK: Du bist jetzt seit ungefähr 60 Jahren dabei deine<br />
Sicht mit der Welt zu teilen. Wie hat das alles angefangen?<br />
DH: Ich war 31 Jahre alt, als der Groschen fiel, die<br />
so genannte Himalaya-Erfahrung. Es wird in meinem<br />
Buch „On Having No Head“ beschrieben. Aber außer<br />
Seite 57 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
es in den Bergen zu erfahren, hätte es überall passieren<br />
können; es hat nichts mit den Bergen zu tun.<br />
JK: Obwohl die Himalaya-Erfahrung manchem<br />
Leser wie eine Gipfel-Erfahrung vorkommen könnte.<br />
Es war in Wirklichkeit nicht so außergewöhnlich<br />
oder?<br />
DH: Nun, es ist überhaupt nichts Außergewöhnliches,<br />
eher etwas sehr Natürliches. Dies ist etwas, das<br />
– wenn du es siehst - alles zusammen bringt. Es<br />
ist die Entdeckung des Offensichtlichen, nicht die<br />
Errungenschaft des Außergewöhnlichen.<br />
Seite 58 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Es ist keine Gipfel-Erfahrung sondern eher<br />
eine Tal-Erfahrung.<br />
DH: Ja, genau, es ist keine mystische Erfahrung.<br />
JK: Trotzdem haben viele Leute große Erwartungen.<br />
Sie kennen den Unterschied zwischen Erwachen und<br />
Glückseligkeit nicht.<br />
DH: So ist es, absolut. Einer der <strong>Weg</strong>e, zu vermeiden<br />
„Dies“ zu sehen ist es in eine Gipfel-Erfahrung<br />
zu projizieren.<br />
Seite 59 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Du hast heute gesagt, dass seit du „Es“ vor 60<br />
Jahren entdeckt hast, es sich über die Jahre entwickelt<br />
hat. Was meinst du damit?<br />
DH: Nun, man muss sehr achtsam damit umgehen.<br />
Und unterscheiden, was sich entwickelt und<br />
was nicht. Es gibt einen plötzlichen Aspekt und einen<br />
graduellen Aspekt; der plötzliche Aspekt ist, wenn<br />
du „Es“ einmal siehst, dann ist es das. <strong>Der</strong> allmähliche<br />
Aspekt bedeutet, dass es eine Entwicklung gibt,<br />
die ich „Fortbestand“ nennen würde, und auch eine<br />
Vertrauensentwicklung. <strong>Der</strong> erste Aspekt– Sehen, wer<br />
du bist – ist immer dieselbe, der zweite ist eine allmähliche<br />
Angelegenheit.<br />
Seite 60 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Kannst du das näher erläutern?<br />
DH: Nun, das Sehen ist dasselbe, dasselbe, dasselbe.<br />
Weil es einfach und klar ist, und Klarheit ist Klarheit<br />
ist Klarheit. Es ist nicht manchmal verschwommen<br />
oder halb klar. Dies bleibt immer dasselbe. Was sich<br />
ändert – nach meiner Erfahrung – sind zwei Dinge.<br />
Das eine ist das Andauern des Sehens; zuerst blitzt<br />
es nur ab und zu auf, du musst immer wieder dahin<br />
zurückkehren (zeigt mit dem Finger auf sein Gesicht).<br />
Das zweite ist eine Frage des Vertrauens. Am Anfang<br />
vertraust du „Dem“ nicht, du vertraust nicht darauf,<br />
dass es dein Leben steuert. Aber man lernt dieser<br />
Klarheit zu vertrauen. So gibt es eine kontinuierliche<br />
Entwicklung von Dauerhaftigkeit und eine<br />
Seite 61 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Entwicklung des Vertrauens. Das ist ein sehr allmählicher<br />
Prozess. So dass am Ende alles sehr natürlich<br />
wird.<br />
JK: Also, wenn man es praktiziert wird es immer<br />
natürlicher und als Ergebnis davon brauchen wir keine<br />
Experimente mehr machen.<br />
DH: Exakt! Und während man es praktiziert – und es<br />
muss praktiziert werden auf dieser Reise, indem man<br />
immer wieder zurückkommt von der Erscheinung zur<br />
Realität – geschieht es immer natürlicher.<br />
JK: Es wird ein automatischer Prozess.<br />
Seite 62 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ja, das stimmt. Aber ich bin nicht sicher, ob<br />
„automatisch“ das richtige Wort ist. Ich glaube immer<br />
noch, dass es durch das Praktizieren natürlich<br />
wird. Dadurch, dass du einfach auf den Platz zurückkommst,<br />
den du niemals verlassen hast. Das ist zumindest<br />
mein Eindruck. Man kommt einfach zurück<br />
zu dem, aus dem heraus wir sehen.<br />
JK: Ich kann dein Gesicht dort sehen, Ich sehe dich<br />
Tee trinken und ich kann meine Klarheit „hier“ sehen,<br />
ohne dass ich die Pointing-Übung machen muss.<br />
Es ist die ganze Zeit da, und ebenso ist der „Raum“<br />
hier.<br />
Seite 63 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Für mein Gesichtsfeld bist du Raum, du bist<br />
der Rauminhalt für mein Außen.<br />
JK: Die ganze Zeit.<br />
DH: Die ganze Zeit. Du brauchst tatsächlich kein<br />
Experiment um das zu sehen.<br />
JK: In welchem Zusammenhang steht dieses Sehen<br />
mit Religion.<br />
DH: Wenn wir über Religionen sprechen, müssen<br />
wir zwischen dem Kern jeder Religion und deren gängigen<br />
Versionen unterscheiden. Wie du weißt, habe<br />
ich über Vergleiche der großen Weltreligionen ge-<br />
Seite 64 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
schrieben und gelehrt. Meine Entdeckung ist, dass die<br />
einfache Aussage einer jeden großen Religion besagt,<br />
das im Zentrum aller empfindungsfähigen Wesen das<br />
„Eine Bewusstsein“ vorhanden ist. Also, was immer<br />
dein religiöser Hintergrund ist, was immer dein religiöser<br />
Glaube sein mag, das, was du im Herzen dieser<br />
Religion findest, ist genau dasselbe Bewusstsein,<br />
über das wir in Workshops und in meinen Büchern<br />
reden.<br />
JK: So stimmt es perfekt mit dem überein, was immer<br />
dein Glaube ist, die Religion, mit der du aufgewachsen<br />
bist, sei es das Christentum, der Buddhismus,<br />
Islam, Hinduismus und so weiter.<br />
Seite 65 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ich wuchs in einem christlichen Umfeld auf.<br />
Für mich hat das Christentum etwas sehr spezielles<br />
in seinen Wurzeln und in seinem Kern: Es besagt das<br />
die Kraft hinter der Welt reine, selbstlose Liebe ist<br />
und das ist für mich die ultimative Offenbarung. Und<br />
das ist genau das, was wir heute in den Experimenten<br />
entdeckt haben. Wenn du in der Papierröhre bist, verschwindest<br />
du zu Gunsten deines Freundes, der dir<br />
gegenüber sitzt. Zu sehen, dass du so gemacht bist,<br />
weit offen für gegenseitige Liebe, das ist es worum<br />
es geht. Aber das hat nichts mit meinen Emotionen<br />
oder Gefühlen zu tun. Ich spreche nicht über die romantische<br />
Liebe oder sentimentale Gefühle.<br />
JK: Geht es eher um unpersönliche Liebe?<br />
Seite 66 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Ja. Es ist ein komplettes Verschwinden für den<br />
anderen, es ist wirklich sterben für den anderen. In<br />
diesem Moment ist es so, das <strong>Douglas</strong> zugunsten von<br />
Jan verschwunden ist. Ich habe „Nichts“ hier (zeigt<br />
auf sein Gesicht) und ich habe dort die Erscheinung<br />
eines Mannes namens „Jan“. Das passiert nicht, weil<br />
ich so ein netter Junge bin, sondern weil ich so geschaffen<br />
bin.<br />
JK: Es ist, als ob man Gesichter tauscht. Du hast<br />
mein Gesicht und ich habe deins.<br />
DH: Gesichterhandel nenne ich das.<br />
Seite 67 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Und der zeitlose Hintergrund ist immer da. Er<br />
erscheint sozusagen aus der Zeit heraus.<br />
DH: Ja.<br />
JK: Bevor ich deine Experimente entdeckte, habe<br />
ich eine Menge Bücher gelesen, die exakt das gleiche<br />
sagen, wie im Zen-Buddhismus, Taoismus und<br />
Vedanta. Sie sprechen alle von bedingungsloser Liebe,<br />
vom Sterben für den anderen, von Auferstehung und<br />
über die Tatsache, dass das, was wir wirklich sind<br />
das „Eine Bewusstsein“ ist. Aber seinerzeit dachte ich,<br />
ich verstünde was das alles bedeutet, bis ich dieses<br />
Pointing-Experiment und das Tunnel-Experiment<br />
zum ersten Mal machte. Obwohl es damals nur ein<br />
Seite 68 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Aufblitzen von „nacktem Sein“ war, wusste ich sofort,<br />
dass ich etwas extrem Wichtiges erlebt hatte. Mir war<br />
ein Einblick in etwas gewährt worden, nach dem ich<br />
mich schon mein ganzes Leben lang gesehnt hatte.<br />
Nicht ein glückseliger Zustand – obwohl es sich<br />
glückselig anfühlte – sondern eher die natürlichste<br />
Sache, die ich je erlebt hatte.<br />
DH: Ich weiß was du meinst.<br />
JK: Was sich änderte, nachdem ich immer tiefer<br />
in dieses Sehen ging – wenn ich das so sagen kann<br />
– ist, dass ich jetzt zu meiner Überraschung feststellte,<br />
dass die gleichen Bücher, die ich vorher gelesen habe,<br />
nun ganz offensichtlich und einfach wurden. Das zu<br />
Seite 69 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
entdecken war tatsächlich eine Offenbarung. Ich sah<br />
wirklich, worum es ging. Ich entdeckte die gleiche<br />
Wahrheit, das gleiche Bewusstsein in den verschiedenen<br />
Traditionen, die sich durch die verschiedensten<br />
Lehrer auf den unterschiedlichsten <strong>Weg</strong>en näherten.<br />
Ich entdeckte auch eine Menge Unwissenheit oder<br />
auch Umwege. Ich hatte jetzt wirklich eine „Sicht“,<br />
die mich direkt ins Herz der Angelegenheit brachte.<br />
Und daher muss ich sagen, dass deine Experimente<br />
mir einen praktischen Zugang zu etwas gaben, das<br />
vorher immer durch Worte, durch Konzepte verdeckt<br />
war.<br />
DH: Es ist wirklich praktisch.<br />
Seite 70 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Wenn man das einmal „gesehen“ hat, kann<br />
man anfangen die gleiche Wahrheit in den unterschiedlichsten<br />
<strong>Weg</strong>en zu entdecken. Aber Worte können<br />
dieses „Eine Bewusstsein“ nicht beschreiben, nur<br />
auf es hindeuten.<br />
DH: Siehst du, was du gesagt hast Jan, ist so wahr:<br />
Es liegen Millionen Meilen zwischen einem wirklich<br />
spirituellen Leben und dem bloßen Wissen darüber.<br />
Du kannst ein Professor der Religion oder Philosophie<br />
sein, du magst alle Regeln kennen, wie man seinen<br />
Nächsten wie sich selbst liebt, aber so lange du Es<br />
nicht „siehst“, ist es nur ein Konzept. Du magst alle<br />
heiligen Schriften kennen und trotzdem meilenweit<br />
von deren Herz entfernt sein.<br />
Seite 71 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Es geht darum Es zu sein, nicht darum Es zu<br />
wissen.<br />
DH: Genau.<br />
JK: Bedeutet dieses Sehen eher gewöhnlich zu werden<br />
als etwas Besonders?<br />
DH: Es macht dich eher gewöhnlich als besonders.<br />
Du fühlst dich nicht als etwas Besonderes. Ich glaube<br />
das ist sehr wichtig, weil dieses Sehen nichts zu tun<br />
hat mit Guru und Schülern. Ich benehme mich nicht<br />
so, weil ich das nicht fühle. Wenn du wirklich siehst,<br />
wer du wirklich bist, siehst du, dass du ein Nichts<br />
bist, und deshalb nicht etwas Besseres sein kannst.<br />
Seite 72 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Die Tatsache, dass du es leben willst, dass du es mit<br />
deinen Freunden teilen willst, das ist dein Privileg.<br />
Aber das bedeutet nicht, dass andere Menschen nicht<br />
dort wären, in einem gewissen Sinne sind wir alle erleuchtet.<br />
Die meisten sind sich nur im Unklaren über<br />
ihre eigene Erleuchtung. Insofern kannst du dich als<br />
etwas Besonderes fühlen. Dieses Sehen ist sehr demokratisch.<br />
JK: Es hat nichts damit zu tun, das eine Person besser<br />
oder spiritueller ist als eine andere.<br />
DH: Das Wort Erleuchtung ist ein dummes Wort,<br />
weil es zweckentfremdet wurde. Ich benutze es in<br />
Seite 73 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Workshops nicht. <strong>Der</strong> Satz „Ich bin erleuchtet und du<br />
bist erdunkelt“ ist sinnlos. Es funktioniert so nicht.<br />
JK: Deine Botschaft ist komplett anders.<br />
DH: Ich sage „Es ist offensichtlich, es ist gemeinsam<br />
nutzbar.“ Ich erzähle davon dies zu teilen. Das sind<br />
gute Neuigkeiten. Es hat nichts mit Überlegenheit zu<br />
tun. Falls es jemanden interessiert.<br />
JK: Du bist offen und greifbar.<br />
DH: Das stimmt. Ich lade die Menschen ein selbst<br />
zu entdecken, wer sie sind.<br />
Seite 74 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Warum gibt es immer noch so viel Verwirrung<br />
in dieser Sache? Warum gibt es immer noch so viele<br />
Lehrer, warum tun ihre Anhänger so als ob ihr Guru<br />
spezielle Kräfte besäße? Warum wollen so viele lieber<br />
Schüler werden als Erforscher?<br />
DH: Nun, siehst du Jan, es gibt einen immensen<br />
Widerstand zu „Dem“. Warum? Nun, es bedeutet<br />
Tod. Und obwohl die Auferstehung sofort folgt, haben<br />
die Leute Angst vor „Dem“. Wir alle leisten diesen<br />
Widerstand – einschließlich <strong>Douglas</strong> – und eine<br />
Form des Widerstandes ist es Distanz zu schaffen,<br />
indem man sich diese spirituelle Suche ausmalt. Die<br />
Leute gehen zu einem Guru, der angeblich erleuchtet<br />
ist und sie sagen: „Er ist schon dort und ich bin auf<br />
Seite 75 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
halbem <strong>Weg</strong> dort, und er wird mir bei dieser Reise<br />
helfen“. Die Leute sagen: Ich bin ein Sucher und realisieren<br />
nicht dass sie gleichzeitig heimlich zu sich<br />
selbst sagen: „Ich bin sicher, ich werde kein Finder<br />
sein“. Sucher haben große Angst davor Finder zu werden.<br />
Und während man ein Sucher ist, während du<br />
dem Pfad folgst, hast du alle Vergünstigungen, die<br />
man auf dem spirituellen Pfad bekommen kann ohne<br />
die Gefahr – die tatsächlich tödliche Gefahr – der<br />
Ankunft. Weil die Ankunft Tod bedeutet, und die<br />
Wiederauferstehung. Die Leute erkennen das einfach<br />
nicht.<br />
Seite 76 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Ist das dieselbe Angst, die Leute davon abhält<br />
das „Eine Bewusstsein“ wahrzunehmen während sie<br />
die Experimente machen?<br />
DH: Genau. Viele Leute glauben es nicht zu „sehen“,<br />
aber ich glaube, man muss es erst gesehen haben, bevor<br />
man es ableugnen kann. Wir sehen es sehr kurz<br />
doch unbewusst verwerfen wir es sofort. Ich glaube<br />
es ist unmöglich es nicht zu sehen.<br />
JK: Aber viele Leute beschweren sich darüber, dass<br />
sie den wichtigsten Punkt deiner Experimente zu verfehlen<br />
scheinen.<br />
Seite 77 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Die Menschen haben viele Ausreden um es zu<br />
vermeiden: Sie sagen, sie verstehen es nicht, dass sie<br />
etwas viel Spektakuläreres erwartet haben, das sie<br />
das Wesentliche nicht sehen können oder sie schlafen<br />
einfach ein. Es ist immer dieselbe Vermeidung, dieselbe<br />
Angst vor diesem „Nichts“, dieselbe Angst vor<br />
dem Verschwinden.<br />
JK: Und wir müssen dieses Phänomen des<br />
Widerstandes akzeptieren. Wenn der elektrische Strom<br />
zu stark ist, ist es, glaube ich, besser eine Sicherung<br />
zu benutzen, als einen kompletten Kurzschluss des<br />
Nervensystems zu verursachen. Vielleicht ist diese<br />
Vermeidung einfach ein Selbstschutz-Mechanismus.<br />
Seite 78 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
Etwas das die Leute benutzen, wenn sie noch nicht<br />
so weit sind.<br />
DH: Catherine und ich reisen um die Welt und geben<br />
Workshops. Wir wissen, dass es nur eine kleine<br />
Anzahl von Leuten gibt, die es wirklich sehen. Aber<br />
mit den Jahren wächst ihre Anzahl, und die Saat wird<br />
keimen wenn die Zeit gekommen ist.<br />
JK: Mir scheint, es macht auch Freude dies zu teilen.<br />
DH: Oh, sehr sogar. Absolut.<br />
Seite 79 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Es ist eines der wunderbarsten Dinge, die wir<br />
je mit anderen teilen können, nicht wahr?<br />
DH: Es ist das Allerwertvollste.<br />
JK: Und trotzdem können viele Leute es nicht „zu<br />
fassen kriegen“.<br />
DH: Es ist ein Mysterium wer bereit dazu ist. Wir<br />
wissen nicht, wer bereit ist und wer nicht. In der Gruppe<br />
von 80 Menschen, die wir heute hier in Belgien hatten,<br />
werden es vielleicht ein paar, drei, vier, fünf, wirklich<br />
erfahren, und ihr Leben wird sich verändern.<br />
Seite 80 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Glaubst du, dass heute mehr Leute „offen“ dafür<br />
sind als jemals zuvor?<br />
DH: Nun, Jan, mir scheint – nicht wegen <strong>Douglas</strong><br />
sondern trotz <strong>Douglas</strong> – das dies ein spiritueller<br />
Durchbruch in der Geschichte ist, weil die Experimente<br />
das Hören-Sagen in Schauen-Sehen verwandeln und<br />
das ist revolutionär. Es ist erstaunlich, dass in den<br />
letzten 5000 Jahren niemand darauf bestanden hat<br />
einfach hierauf (zeigt auf sein Gesicht) zu schauen,<br />
einfach die Aufmerksamkeit um 180 Grad zu drehen.<br />
JK: Es ist, als ob man die ganze Theorie in Praxis<br />
verwandelt.<br />
Seite 81 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Da passt das Dzochgen so nett: „Sehen mit<br />
nacktem Bewusstsein.“ Es ist offensichtlich, natürlich<br />
und jeder hat es.<br />
JK: Und es ist einfach.<br />
DH: Und es ist gemeinsam nutzbar. Und ebenso vehement<br />
verleugnet. Ich glaube, dass es an der Zeit ist,<br />
es an die Oberfläche kommen zu lassen, jetzt. Siehst<br />
du, in der Vergangenheit sind nur wenige Menschen<br />
zu dieser selig machenden Sicht gekommen. Es gibt<br />
Massen von Menschen, die auf dem <strong>Weg</strong> sind, suchend,<br />
aber nur ein paar verwirklichen die absolute<br />
Einheit mit Gott. Ich glaube, dass jetzt mehr Menschen<br />
dahin kommen werden.<br />
Seite 82 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
JK: Aber du sagst nicht, dass dies nur etwas für ein<br />
paar wenige Glückliche ist?<br />
DH: In gewissem Sinne wirst du einfach wieder<br />
wie ein Kind. Wie Jesus gesagt hat: „Bevor ihr nicht<br />
werdet wie die Kinder, werdet ihr das himmlische<br />
Königreich nicht betreten.“<br />
JK: Wenn du deine Lehre für Menschen zusammenfassen<br />
würdest, die nicht so vertraut sind mit deinen<br />
Workshops und Büchern, was würdest du sagen?<br />
DH: Ich kann es mit diesen Worten zusammenfassen:<br />
„Ich bin nicht was ich zu sein scheine.“ Ich bin<br />
das Gegenteil von dem wie ich aussehe. Du weißt,<br />
Seite 83 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wie ich aussehe, ich weiß, wer Ich bin. Und das, von<br />
dem aus ich herausschaue, unterscheidet sich von dem,<br />
was ich im Spiegel sehe. Was ich im Spiegel sehe,<br />
ist das auf worauf ich schaue, aber das woraus ich<br />
schaue ist Raum. Total verschieden, in jeder Hinsicht.<br />
Ich scheine eine feste Masse zu sein, aber „hier“ bin<br />
Ich transparent, noch einmal: ein totaler Gegensatz.<br />
Ich scheine aus zwei Augen heraus zu schauen, während<br />
es „hier“ nur ein Auge gibt.<br />
JK: Diese Sicht ist einfach und gleichzeitig tief greifend.<br />
Es ist paradox: Es ändert alles, ohne dass sich<br />
tatsächlich irgendetwas verändert. Nichts muss verändert<br />
werden um „DAS“ zu sehen.<br />
Seite 84 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
DH: Tiefgreifende Dinge sind einfach. Wenn es<br />
nicht einfach ist, kann es nicht wahr sein. Aber einfache<br />
Dinge sind schwer.<br />
JK: Die Menschen bevorzugen komplizierte<br />
Theorien.<br />
DH: Die Menschheit hasst Einfachheit.<br />
JK: Es kompliziert zu machen ist ein anderer <strong>Weg</strong><br />
„Es“ zu vermeiden.<br />
DH: Was du tust ist, zu den Dingen aufzuwachen,<br />
nicht die Dinge zu verändern, nur zu ihnen „aufzu-<br />
Seite 85 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
wachen.“ Es geht nicht darum die Welt umzubauen,<br />
in der wir leben.<br />
JK: Ist es wahr, dass diese Sicht hilft, die Dinge so<br />
zu akzeptieren wie sie sind, dass du weniger versucht<br />
bist, etwas zu verändern?<br />
DH: Hier gibt es ein Paradox. Du liegst ganz richtig.<br />
Catherine und ich gehen nicht umher und sagen<br />
wir wollen die Welt in Utopia verwandeln. Das<br />
wird nicht stattfinden, weil es unmöglich ist. Unser<br />
Hauptanliegen wird die Welt nicht ändern, unser<br />
Anliegen ist, es zu teilen, diese Sicht von der Welt<br />
von seiner Quelle, zu teilen. Obwohl es nicht darauf<br />
Seite 86 von 87
<strong>Douglas</strong> <strong>Harding</strong> • <strong>Der</strong> kopf lose <strong>Weg</strong><br />
abzielt diese Welt zu ändern, bedeutet es die grundlegendste<br />
Veränderung, an der jemals gebaut wurde.<br />
JK: Es ist wirklich die radikalste Veränderung, die<br />
jemals stattfinden kann.<br />
DH: Wenn Buddha erleuchtet war bedeutet das<br />
zwangsläufig die Erleuchtung aller empfindungsfähigen<br />
Lebewesen. Und Buddha könnte nicht erleuchtet<br />
sein ohne die Erleuchtung aller empfindungsfähigen<br />
Lebewesen<br />
Seite 87 von 87