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Der Rechtsanwalt als Vertauensperson in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

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Abhandlungen<br />

walt wenden (§ 46 Abs 3 VO-UA). Gem § 6 Abs 3 VO-UA<br />

handhabt der Vorsitzende die Geschäftsordnung und achtet<br />

auf die Wahrung des Grundrechts- und Persönlichkeitsschutzes.<br />

Bei der Wahrung des Grundrechts- und Persönlichkeitsschutzes<br />

kommt auch Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle zu. 28 E<strong>in</strong>e Vertrauensperson<br />

sollte mE jedenfalls dann e<strong>in</strong>schreiten, wenn versucht<br />

wird, der Auskunftsperson die Antwort <strong>in</strong> den<br />

Mund zu legen. In e<strong>in</strong>em solchen Fall liegt nämlich unzweifelhaft<br />

e<strong>in</strong>e unzulässige Suggestivfrage vor.<br />

<strong>Der</strong> Vorsitzende entscheidet nach Beratung mit dem<br />

Verfahrensrichter über die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage. <strong>Der</strong><br />

Vorsitzende hat auf Verlangen e<strong>in</strong>es Mitglieds des Untersuchungsausschusses,<br />

des Verfahrensanwalts oder e<strong>in</strong>er Auskunftsperson<br />

über die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage zu entscheiden<br />

(§ 41 Abs 4 VO-UA). <strong>Der</strong> Vertrauensperson<br />

kommt ke<strong>in</strong> Recht zu, die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage vom<br />

Vorsitzenden feststellen zu lassen.<br />

Entscheidet der Vorsitzende, dass die Frage zulässig ist,<br />

hat die Auskunftsperson diese aber dennoch nicht beantwortet,<br />

kommt <strong>als</strong> Beugestrafe wegen ungerechtfertigter<br />

Verweigerung der Aussage e<strong>in</strong>e Geldstrafe von bis zu<br />

€ 1.000,– <strong>in</strong> Betracht. Die Entscheidung hierüber kommt<br />

gem § 56 Abs 1 VO-UA aber nicht dem Untersuchungsausschuss,<br />

sondern dem BVwG durch Senat zu.<br />

Gegen Beschlüsse des BVwG kann gem Art 144 Abs 4 B-<br />

VG Beschwerde beim VfGH und/oder gem Art 133 Abs 9<br />

B-VG e<strong>in</strong>e ordentliche oder außerordentliche Revision<br />

beim VwGH erhoben werden (§ 56 Abs 3 VO-UA).<br />

V. AUSSAGEVERWEIGERUNGSGRÜNDE<br />

E<strong>in</strong>er vor den Untersuchungsausschuss geladenen Auskunftsperson<br />

kommen nachstehende, <strong>in</strong> § 43 VO-UA taxativ<br />

aufgezählte Aussageverweigerungsgründe zu:<br />

1. über Fragen, deren Beantwortung die Privatsphäre der<br />

Auskunftsperson oder e<strong>in</strong>es Angehörigen (§ 72 StGB) 29 betreffen<br />

oder für sie oder e<strong>in</strong>en Angehörigen die Gefahr<br />

strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde (auch<br />

wenn die Ehe oder e<strong>in</strong>getragene Partnerschaft, welche die<br />

Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht);<br />

2. über Fragen, deren Beantwortung für die Auskunftsperson<br />

oder e<strong>in</strong>en Angehörigen e<strong>in</strong>en unmittelbaren bedeutenden<br />

vermögensrechtlichen Nachteil nach sich ziehen<br />

würde (auch wenn die Ehe oder e<strong>in</strong>getragene Partnerschaft,<br />

welche die Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht).<br />

E<strong>in</strong> unmittelbarer bedeutender vermögensrechtlicher<br />

Nachteil liegt im Allgeme<strong>in</strong>en vor, wenn e<strong>in</strong>e auf längere<br />

Zeit wirksame nachhaltige Bee<strong>in</strong>trächtigung der wirtschaftlichen<br />

Gesamtsituation gegeben ist, zB durch Entlassung,<br />

Kündigung der Stellung oder e<strong>in</strong>es Bestandverhältnisses,<br />

Enterbung, Aufdeckung von Geschäfts-, Bank- oder Betriebsgeheimnissen.<br />

E<strong>in</strong>e bloße E<strong>in</strong>kommensbelastung<br />

durch mehrere Monate ohne schwerwiegende Auswirkungen<br />

ist nicht ausreichend; 30<br />

3. <strong>in</strong> Bezug auf Tatsachen, über welche sie nicht aussagen<br />

können würde, ohne e<strong>in</strong>e gesetzlich anerkannte Pflicht zur<br />

Verschwiegenheit zu verletzen, sofern sie nicht von der<br />

Pflicht zur Geheimhaltung gültig entbunden wurde oder<br />

<strong>als</strong> öffentlich Bediensteter gem § 35 VO-UA zur Aussage<br />

verpflichtet ist;<br />

4. <strong>in</strong> Ansehung desjenigen, was ihr <strong>in</strong> ihrer Eigenschaft<br />

<strong>als</strong> Verteidiger oder <strong>Rechtsanwalt</strong> bekannt geworden ist;<br />

5. über Fragen, welche die Auskunftsperson nicht beantworten<br />

können würde, ohne e<strong>in</strong> Kunst- oder Geschäftsgeheimnis<br />

zu offenbaren;<br />

6. über die Frage, wie die Auskunftsperson ihr Wahlrecht<br />

oder Stimmrecht ausgeübt hat, wenn dessen Ausübung<br />

gesetzlich für geheim erklärt ist;<br />

7. über Fragen, deren Beantwortung Quellen iSd Art 52a<br />

Abs 2 B-VG gefährden würde.<br />

Das Vorliegen der Gründe für die Aussageverweigerung<br />

ist glaubhaft zu machen (§ 45 Abs 1 VO-UA). <strong>Der</strong> Vorsitzende<br />

entscheidet nach Beratung mit dem Verfahrensrichter<br />

über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung. Kommt der<br />

Vorsitzende zur Auffassung, dass die Verweigerung der<br />

Aussage nicht gerechtfertigt ist, kann er bei fortgesetzter<br />

Verweigerung beim BVwG die Verhängung e<strong>in</strong>er Beugestrafe<br />

gem § 55 VO-UA beantragen (§ 45 Abs 2 VO-UA).<br />

<strong>Der</strong> Antrag ist zu begründen. Es kommt e<strong>in</strong>e Geldstrafe <strong>in</strong><br />

der Höhe von bis zu € 1.000,– <strong>in</strong> Betracht. <strong>Der</strong> zuständige<br />

Senat des BVwG hat gem § 56 Abs 2 VO-UA b<strong>in</strong>nen 14 Tagen<br />

zu entscheiden. Für die Bemessung der Beugestrafe hat<br />

das BVwG § 19 VStG s<strong>in</strong>ngemäß anzuwenden (§ 56 Abs 4<br />

VO-UA).<br />

Gegen Beschlüsse des BVwG kann, wie bereits ausgeführt,gemArt144Abs4B-VGBeschwerdebeimVfGH<br />

und/oder gem Art 133 Abs 9 B-VG e<strong>in</strong>e ordentliche oder<br />

außerordentliche Revision beim VwGH erhoben werden<br />

(§ 56 Abs 3 VO-UA).<br />

E<strong>in</strong>e weitere zentrale Aufgabe des <strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />

ist es daher, die Auskunftsperson betreffend<br />

deren Aussageverweigerungsrechte zu beraten.<br />

VI. RECHTSSCHUTZ BETREFFEND<br />

VERLETZUNG VON<br />

PERSÖNLICHKEITSRECHTEN<br />

Gem Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG iVm § 56i Abs 1 Z 4 VfGG<br />

erkennt der VfGH über Beschwerden e<strong>in</strong>er Person, die<br />

durch e<strong>in</strong> Verhalten e<strong>in</strong>es Untersuchungsausschusses des<br />

Nationalrats (lit a), e<strong>in</strong>es Mitglieds e<strong>in</strong>es solchen Ausschusses<br />

<strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>es Berufs <strong>als</strong> Mitglied des Nationalrats<br />

28 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />

(2017) Rz 89.<br />

29 Angehörige e<strong>in</strong>er Person s<strong>in</strong>d „ihre Verwandten und Verschwägerten <strong>in</strong><br />

gerader L<strong>in</strong>ie, ihr Ehegatte oder e<strong>in</strong>getragener Partner und die Geschwister<br />

des Ehegatten oder e<strong>in</strong>getragenen Partners, ihre Geschwister und deren Ehegatten<br />

oder e<strong>in</strong>getragene Partner, K<strong>in</strong>der und Enkel, die Geschwister ihrer Eltern<br />

und Großeltern, ihre Vettern und Basen, der Vater oder die Mutter ihres<br />

K<strong>in</strong>des, ihre Wahl- und Pflegeeltern, ihre Wahl- und Pflegek<strong>in</strong>der, sowie Personen,<br />

über die ihnen die Obsorge zusteht oder unter deren Obsorge sie stehen“.<br />

30 Fabrizy, Die österreichische Strafprozessordnung 12 (2014) § 158 Rz 2.<br />

Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />

07-08_2017 österreichisches anwaltsblatt

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